BierTalk 37 – Interview mit Thomas Raiser, Verkaufsleiter von BarthHaas in Nürnberg

Thomas Raiser wurde quasi in den Hopfenhandel hineingeboren und schlüpfte nach einer Ausbildung auf dem gesamten Globus mit der väterlichen Firma unter die Fittiche des heutigen Branchenprimus BarthHaas aus Nürnberg. Dort ist er heute Verkaufsleiter und Mitglied der Geschäftsführung – und verantwortlich für viele spannende Entwicklungen des Global Players. Dazu gehören neue Hopfensorten genauso wie der Aufbau der Hops Academy und die Analyse der jährlichen Hopfenernte. Deswegen war es genau der richtige Zeitpunkt, kurz nach Ernteabschluss im BierTalk über seine Geschichte und die aktuellen Entwicklungen der Branche zu sprechen – und das Geheimnis des spanischen Hopfenanbaus zu lüften…

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Holger: Herzlich willkommen zum BierTalk Nummer 37! Ein BierTalk der Superlative, weil in Wirklichkeit ist es unser 50. BierTalk. Ihr wisst ja, wir haben unsere Specials und eben 37 BierTalks. Und nicht nur das ist ein Superlativ, nein, fast wäre es Rio Reiser geworden, so ist es Thomas Raiser von BarthHaas. Und am Mikrofon ist der Holger und der …

Markus: Markus.

Holger: So, Thomas, das wäre doch toll, wenn du mal was zu dir sagst.

Thomas Raiser: Ja, Markus und Holger, erst mal vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dabei zu sein und über Bier mit euch zu reden. Mein Name ist Thomas Raiser, ich bin seit 20 Jahren für Vertrieb und Marketing bei BarthHaas verantwortlich. Wir beschäftigen uns mit der Züchtung, Anbau, Verarbeitung und Vermarktung von Hopfen an die Brauwirtschaft.

Holger: Du bist jetzt gerade in Nürnberg, in Amerika, in Spanien oder sonst wo auf der Welt?

Thomas Raiser: Ich bin üblicherweise sehr viel unterwegs, natürlich in letzter Zeit überwiegend in Nürnberg im Büro. Aber zufälligerweise bin ich heute mal in Mainburg in unserem Mainburger Büro, im Hopfenanbaugebiet Hallertau, weil ich mir einfach auch mal ein paar Hopfensorten dieser Ernte anschauen wollte, ein paar Muster, um einen persönlichen Eindruck zu bekommen.

Holger: Jetzt ist ja gerade die Erntehochzeit, also fast schon zu Ende, aber ich bin gestern auch noch mal durch die Hallertau gefahren im Gebiet von Pfaffenhofen, und es wird immer noch geerntet. Wie war die Ernte denn? Also wie war die 2020er Ernte, seid ihr zufrieden, sind die Bauern glücklich, wie ist das Ergebnis, die Qualität, wie war die Ernte?

Thomas Raiser: Ja, du hast es schon ganz gut zusammengefasst, Holger, wir nähern uns dem Ende. Ich rechne damit, dass diese Woche die meisten Betriebe mit der Ernte fertig werden. Und man kann schon sehr gut eine erste Bilanz ziehen, die Ernte ist sehr anständig geworden. Wir hatten dieses Jahr günstige Bedingungen, nicht zu große Hitzetage, nicht zu viele Hitzetage, genügend Niederschläge, und insoweit ist die Ernte, stellt sich sehr gut dar mit einem guten Ergebnis mit guten Inhaltsstoffen. Die warmen Temperaturen jetzt im September haben dazu geführt, dass der Hopfen sehr schnell gereift ist und die Bestände, die jetzt geerntet werden, die müssen jetzt dringend eingefahren werden, damit keine äußeren Schäden mehr entstehen durch anfängliche Welke und zu starke Wärmebelastung.

Holger: Wir haben ja mehrere Anbaugebiete in Deutschland, und das, was du jetzt gesagt hast, gilt eben für alle Anbaugebiete oder vorrangig nur für die Hallertau? Ist das in Tettnang oder in Hersbruck anders oder kann man sagen, nein, das gilt so für Deutschland?

Thomas Raiser: Das kann man eigentlich für ganz Deutschland gelten lassen. Die Anbaugebiete im Elbe-Saale-Gebiet haben tendenziell etwas weniger Niederschläge bekommen als die in Bayern, aber das ist üblich für diese Region, und die guten Erwartungen treffen für alle Anbaugebiete in Deutschland zu.

Holger: Gibt es neue Hopfenarten, spannende Sorten, wo du sagst, Mensch, da kann sich die Bierwelt schon darauf freuen?

Thomas Raiser: Aus Deutschland gibt’s dieses Jahr keine neue Sorte im Markt. Vor zwei Jahren wurden die Sorten Callista und Ariana in den Markt gebracht, die jetzt sozusagen das erste Mal in einem Vollertrag stehen und die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Was es Neues gibt, kommt aus Übersee, aus Amerika, eine Sorte namens Talus.

Holger: Und was zeichnet diese Sorte aus?

Thomas Raiser: Geht auch wieder in die Richtung fruchtige Aromen mit tendenziell Noten von Ananas und etwas Grapefruit.

Holger: Ah ja, sehr interessant, sehr interessant. Markus, du warst ja heute oder heuer sozusagen in Hüll, dem Forschungszentrum, und hast da dich ja auch schon mit der Ernte und mit diesem Jahr und mit dem Hopfen beschäftigt. Was waren deine Eindrücke?

Markus: Ich war fasziniert mal wieder, wie die ganze Region eigentlich von dem Thema Hopfen erfüllt ist. Also man kommt an, selbst auf der Autobahn schon, wenn man das Fenster aufmacht, es riecht alles nach Hopfen. Im Hotel eben auch, wenn man dann früh am Morgen aufmacht, das ist ein einziger Hopfenrausch, könnte man fast sagen. Man hört überall die Pflückmaschinen und die Erntemaschinen und es ist also wirklich alles am Arbeiten. Sehr, sehr spannend. Und wenn man dann in den Betrieben ist, sieht man natürlich, wie auch da noch sehr viel Handarbeit ist und wie einfach wirklich die Pflanzen dieses Jahr tatsächlich richtig gut gediehen sind. Also richtig schöne große Dolden und wir haben sehr, sehr viele eben auch bonitiert. Und da sieht man, dass noch richtig viel Inhalt drin ist, der auch intensiv vom Geruch und so weiter ist. Und wir haben da auch viele relativ neue Sorten bonitieren können, auch so ein paar, die halt aktuell nur eine Nummer sind. Dauert ja dann, bis die dann richtig einen schönen Namen bekommen. Wo jetzt vielleicht sogar Brauversuche an der einen oder anderen Stelle laufen, um zu sehen, ob das irgendwie geht. Ich bin da jedes Mal fasziniert. Also weil das einfach eine der letzten Bereiche, glaube ich, ist, wo man wirklich lernt, mindestens mittel- bis langfristig zu denken. Weil doch bei vielen Sachen ist es ja so, dass wir mittlerweile total kurzfristig sind. Und wenn man überlegt, dass dieses Institut damals gegründet wurde und die ersten 20, 30 Jahre hat es überhaupt kein Ergebnis gebracht. Heutzutage würde man das sofort zumachen und weg damit. Und jetzt profitieren wir halt alle davon, dass, solange das weiterfinanziert wurde und dass man einfach jetzt interessante, spannende, neue Hopfensorten kreieren kann. Und das basiert eben auf so einer langen Forschungsarbeit. Ich glaube, das wissen auch viele draußen nicht, dass es eben bis zu 20, 30 Jahre dauern kann, bis so eine Hopfensorte wirklich vom ersten Versuch bis zur großen Einführung am Markt greifen kann. Und das ist einfach ein langer, langer, langer Prozess, wo man viel Durchhaltevermögen braucht und wo es auch toll ist, dass es Firmen in der Privatwirtschaft gibt wie euch, die das dann eben machen und die dann total kreativ sind. Und vielleicht kannst du uns nachher noch ein bisschen was erzählen, es gibt ja jetzt sogar Hopfen, die eben Aromen, die sonst über die Hefe kommen, machen. Oder Hopfen, die Aromen, die man sonst mit Fasslagerung erreicht, bringen, sodass man wirklich über Hopfen ganz, ganz viel spannende Gerüche und Geschmäcker ins Bier bringen kann. Das begeistert mich immer.

Holger: Aber Bier ist ein gutes Stichwort. Thomas, was hast du dir denn für ein Bier für heute ausgesucht?

Thomas Raiser: Ich habe mir heute ein Bier mitgebracht, das ein Kollege von mir braut, der Mark Zunkel. Der unter einem kleinen Label namens NBG firmiert, für New Beer Generation, oder auch eine Anspielung auf Nürnberg ist, die Stadt, in der er lebt und arbeitet. Und zwar habe ich mir von NBG das Crazy Lazy Hazy mitgebracht. Er bezeichnet das selber als Right Coast Pale Ale, gehört aber in die Kategorie der New England IPAs. Und das ist ein Bierstil, der mir wirklich sehr entspricht und zusagt. Natürlich wird es nicht wundern, dass ich hopfenaffin bin. Was mir bei dem Bierstil besonders gefällt, ist die hohe Drinkability, die trotz der hohen Hopfengaben erhalten bleibt, weil der Hopfen eben überwiegend durch seine Aromen und ätherischen Öle zur Geltung kommt und nicht so sehr durch die Bitterstoffe. Und ich finde dieses Bier einen besonders guten Vertreter seiner Zunft, mit einer ausgewogenen Balance aus Hopfenaromen und den Getreidearomen aus dem Hafer und dem Gerstenmalz.

Holger: Wunderbar! Dann öffne es doch mal, schütte es dir ein und berichte uns, wie es dir mundet.

Thomas Raiser: Danke, gerne. Bevor ich es probiere, kurz eine visuelle Beschreibung. Ist ein trübes Bier, wie es natürlich typisch ist für ein New England IPA. Schöner, etwas großporiger Schaum und hohe Rezenz mit starken Blasenbildungen, die schön emporsteigen und eben die Schaumkrone halten. Jetzt gehen wir mal an die Sensorik. In der Nase kommen natürlich sofort die fruchtigen Aromen des Hopfens hervor. Erinnert mich stark an Pfirsich, Maracuja, und auch im Trunk hopfenbetont, fruchtbetont, aber ganz samtig weich auf der Zunge, ohne jegliche unangenehme Bittere im Abgang. Einfach ein für mich sehr schön ausbalanciertes IPA und durch die Version New England Style eben auch sehr weich und samtig im Gaumen. Wunderbares Produkt.

Holger: Sehr schön, das hört sich gut an. Das ist ja klar, dass so eine Firma wie deine Firma und du natürlich im Besonderen als Vertriebsleiter dann Brauereien sehr gut findet, die natürlich richtig Hopfen verwenden, also Menge verwenden. Soviel ich weiß, der Mark Zunkel ist ja eigentlich ein Amerikaner sogar, oder?

Thomas Raiser: Ja richtig, Holger, der ist Amerikaner. Der ist aber in den frühen 2000er Jahren nach Deutschland gekommen und hat in Weihenstephan seinen Diplom-Brauingenieur absolviert. Wir wurden damals auf ihn aufmerksam, als er in Weihenstephan studiert hat und sind mit ihm ins Gespräch gekommen. Und er hat uns eigentlich damals gesagt, er würde gerne in Deutschland bleiben, leben und arbeiten. War auch damals schon mit seiner heutigen Frau befreundet. So haben wir zueinander gefunden und der Mark arbeitet heute bei uns in der technischen Beratung und Produktneuentwicklung. So als Hobby nebenher macht er Bier ab und zu unter diesem Etikett NBG, wie gesagt.

Holger: Klassischer Gypsy Brewer, könnte man sagen, ne?

Thomas Raiser: Richtig.

Holger: Wo wir uns gerade begrüßt haben, bevor wir den BierTalk angegangen sind, da haben wir dich ja gesehen im Bildschirm und du hattest einen ganz tollen Hopfengarten als Hintergrund. Und dann hast du gesagt, das ist eben ein spanischer Hopfen. Und der Markus hat dann noch gesagt, er hätte es sofort erkannt, eben weil überall die Sombreros an den Dolden hängen. Und dann habe ich gefragt, Mensch, also soviel ich weiß, ist ja Hopfen nicht überall anzubauen. Also es gibt auf der Nordhalbkugel so ein Hopfenfenster und auf der Südhalbkugel ein Hopfenfenster. Also grob gesagt, so zwischen dem 35. und 55. Breitengrad. Und dann hat mich das schon sehr gewundert, wie das sein kann in Spanien. Und erklär doch noch mal bitte, warum gibt’s in Spanien Hopfen? Also spanischer Hopfen, das habe ich wirklich noch nie gehört.

Thomas Raiser: Ja, das dürfte viele überraschen. Spanien ist natürlich als Weinland bekannt und auch berühmt, aber in Spanien wird doch auch eine ganze Menge an Bier getrunken, insbesondere in Südspanien. Als damals Franco das Land geführt hat und international unter Druck kam, gab‘s eine Politik, sich von Importen unabhängig zu machen. Was den Franco dazu bewegt hat, seine Brauer zu ermuntern, einen einheimischen Hopfenanbau zu fördern. Es wurde dann damals eine Firma gegründet unter dem Namen Fomento del Lúpulo, was so viel heißt wie, Firma zur Förderung des Hopfens. Und so entstand erst ganz im nordwestlichen Galizien und später etwas südlicher in der Nähe von Leon ein Hopfenanbaugebiet mit ungefähr 500 Hektar Hopfen. Und Spanien, Nordspanien, ist so ungefähr der südlichste Breitengrad, du hast es genau richtig gesagt, 35 Grad Breite ist ungefähr die südliche Grenze, wo Hopfenbau noch möglich ist. Und wir beziehen auch aus Spanien etwas Hopfen.

Holger: Ah ja, sehr spannend. Die Kontrakte, laufen die dann so wie mit den deutschen Hopfenbauern, dass ihr euch das schon sichert, oder wird das ganz individuell vereinbart, weil man da eben schaut, wie ist das dann da mit der Trockenheit? Oder ist es genauso im Einkaufs-Prozedere, wie man es hier in Deutschland auch kennt, dass die Kontrakte eigentlich relativ lange vorher schon gemacht sind und man große Sicherheit hat auf beiden Seiten?

Thomas Raiser: Ja, das System ist vergleichbar mit dem deutschen System. Das heißt, es werden langfristige Verträge abgeschlossen. Das bedingt natürlich, dass man sich einigt auf die Laufzeit und den Preis, aber vom Prinzip her ist es dasselbe. Was in Spanien allerdings stärker ausgeprägt ist als in Deutschland, ist eine Vermarktung über eine gemeinsame Erzeugergemeinschaft, und insofern verhandeln wir überwiegend mit der Erzeugergemeinschaft und weniger mit dem einzelnen Hopfenbaubetrieb, wie das in Deutschland normalerweise der Fall ist.

Holger: Ah ja, sehr interessant. Markus, was hast du uns denn mitgebracht für den BierTalk?

Markus: Ich habe mir natürlich auch gedacht, wenn es um den Hopfen geht, dann braucht man natürlich ein hopfenbetontes Bier. Habe allerdings mir gedacht, man muss ja nicht unbedingt in der englischen Ecke bleiben, also von den Bierstilen her, deswegen könnt ihr jetzt mal vielleicht am Aufmachen erraten, was es vielleicht ist.

Thomas Raiser: Ein Bügelverschluss.

Markus: Nein, ein normaler Kronkorken.

Holger: Nein, ich glaube, ein Kronkorken-Verschluss.

Thomas Raiser: Okay!

Holger: Und dann, was ist dann passiert? Viel Schaum höre ich da, viel Schaum? Markus, du musst uns schon ein bisschen helfen.

Markus: Ja, ja, ich versuche gerade, das Bier so nahe wie möglich ans Mikrofon zu halten, weil es tatsächlich sehr viel Schaum hat, sehr viel Kohlensäure, ordentlich prickelt und brummt und macht und tut. Im Glas selber habe ich eine goldgelbe, hellgoldgelbe Farbe. Es ist fast klar, der Schaum steht immer noch wie eine Eins, also ein sehr, sehr lange, beständiger Schaum. Wenn man rein …

Thomas Raiser: Ein norddeutsches Pils?

Markus: Nein, also in Deutschland sind wir auch nicht.

Holger: Das würde der Markus auch niemals auswählen, …

Markus: Nein!

Holger: … als Oberfranke ein norddeutsches Pils. Um Gottes Willen!

Markus: Wenn wir jemals einen letzten BierTalk machen, dann werde ich das tun, aber ansonsten nicht. Also von der Nase her habe ich so Limette, Zitrone, Melone, Ananas. Geht aber auch ein bisschen so in Kokosnuss-Ecke. Also ganz spannender Hopfen, ein bisschen Banane kommt dann auch durch.

Holger: Auf jeden Fall ein obergäriger Bierstil, der mit viel Hopfen versehen ist. Es könnte sich vielleicht um ein Maisel‘s handeln irgendwie?

Markus: Nein. Also wir sind nicht in Deutschland, auch nicht vom Bierstil her. Eine Chance gebe ich euch noch. Also es gibt ja noch eine dritte Bierkultur auf der Welt.

Holger: Ah ja, Belgien natürlich.

Thomas Raiser: Belgien. Ja.

Holger: Dann ist es natürlich ein, oh ja, dann könnte es, was könnte es denn sein? Es könnte alles Mögliche sein.

Markus: Es gibt jedes Jahr ein belgisches Bier, was ganz besonders von einem Hopfen geprägt worden ist. Vom Bierstil her ist es ein Strong Blond.

Thomas Raiser: Okay!

Holger: Ja.

Markus: Ich löse es auf. Es ist von Duvel, das Tripel Hop.

Thomas Raiser: Duvel, jawoll.

Holger: Genau!

Markus: Da gibt’s ja eben seit vielen Jahren schon jedes Jahr ein Tripel Hop, das jeweils mit irgendeinem speziellen Hopfen dann nochmal gestopft worden ist. Und in dem Fall ist es der Cashmere Hopfen. Da kommen die Aromen wirklich sehr schön, sehr intensiv. Jetzt muss ich aber mal einen Schluck nehmen. Ganz trocken hier. Also im Mund auch noch mal sehr, sehr fruchtig, sehr intensiv, besonders Ananas und Kokosnuss kommen da sehr schön rüber. Und am Ende auch die 9,5 %, und deswegen ist es ganz gut, dass der Holger heute moderiert, weil ich nicht weiß, wie ich das sonst hier so durchgehalten hätte. Aber ein fantastisches Bier. Also ich finde das ganz toll diese Sache von Duvel, weil die da ja wirklich immer so wie eine Leinwand bieten praktisch, wo dann immer ein spezieller Hopfen draufkommt und sich präsentieren darf. Und das eben mal nicht in diesem klassischen IPA-Umfeld oder im Pils, sondern eben in dem Tripel. Und das dann einfach noch mal durch den hohen Alkoholgehalt wirklich die Aromen richtig schön rausbringt. Also das macht echt Spaß, tolles Bier, kann man nur empfehlen. Aber auch gefährlich, weil auch ganz schlank. Also die Leute merken dann immer gar nicht, ich habe das ab und zu auch in Tastings, da merken die die 9,5 % nicht, die trinken das so wie ein 5 % Bier. Und ungefähr eine halbe Stunde später merkt man es dann. Also das ist dann schon immer sehr, sehr spaßig.

Holger: Da freut sich der Markus. Ja, ja.

Markus: Auf jeden Fall, ja. Ich habe noch eine Frage an dich, Thomas. Ich habe mich auch ein bisschen informiert und wir kennen uns ja auch schon länger und ich weiß, dass du ja sogar mal auf Hawaii warst. Vielleicht, um dich noch ein bisschen näher kennen zu lernen, wie hat es dich denn so in die Bier- und in die Hopfenwelt verschlagen? Und vielleicht auch ein bisschen, wenn du noch zwei, drei Sachen zu BarthHaas sagst, wie sind die mittlerweile aufgestellt? Das war ja eigentlich mal ein kleiner Nürnberger Laden, der viel Konkurrenz in Deutschland hatte, und mittlerweile ist es der weltgrößte Hopfenhändler. Also das wäre spannend, wenn du uns da noch ein bisschen erzählen würdest.

Thomas Raiser: Gerne, Markus. Da kann ich ganz schön weit ausholen. Aber ich bin ehrlich gesagt sehr überrascht, dass du weißt, dass ich mal etwas Zeit auf Hawaii verbracht habe. Das sind schon Details meines Lebens. Aber ich fang mal am Anfang an. Also ich komme auch aus einer Hopfenhandels-Familie. Nürnberg war eigentlich zum Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts Dreh- und Angelpunkt des europäischen Hopfenhandels, ein wichtiger Marktplatz, geografisch günstig gelegen zwischen den Anbaugebieten in Böhmen, den Anbaugebieten rund um Nürnberg, Hersbruck und Spalt, und dann auch zu Hallertau. Und damals gab‘s sehr viele kleine Hopfenhandels-Unternehmen im Nürnberger Raum, unter anderem das meiner Vorfahren, aber auch die Firma Barth kommt aus der Zeit und aus dem Nürnberger Umland. Durch den Zweiten Weltkrieg hat sich die Zahl stark reduziert, aber es gab immer noch eine Reihe von Hopfenhandelsfirmen, die in Nürnberg beheimatet waren. Die dann aber nach und nach verschwunden sind, als sich vor allem die Braubranche in den 80er und 90er Jahren sehr stark konsolidiert hat und immer mehr Großkonzerne entstanden sind, die auch die kleineren Hopfenhändler aus dem Markt gedrängt haben. Meine eigene Familie hat im Jahr 2000 ihr Unternehmen an die Familie Barth verkauft und so bin ich nach zehn Jahren im Unternehmen meines Vaters zur Firma BarthHaas gekommen.

Markus: Wurdest du mitgekauft sozusagen?

Thomas Raiser: Ich wurde sozusagen mitgekauft oder mitverkauft. Ja, das war eine günstige Fügung. Die Firma Barth war damals auf der Suche nach einem neuen Vertriebsleiter und war der Meinung, dass ich da eventuell dazu passen könnte zu dieser Aufgabe. Und so bin ich dazu gekommen. Wie bin ich nach Hawaii gekommen? Das war zur Zeit meiner Ausbildung. Mein Vater hat eigentlich aufgrund seiner Erfahrungen im Hopfenhandel, der schon immer sehr international ausgerichtet war, sehr darauf gedrängt, dass ich eine möglichst breite Ausbildung bekomme, breit im Sinn von, verschiedene Länder und Kulturen kennenlerne und auch Sprachen lerne. Und der hat eigentlich mich dazu animiert, meine Schulausbildung und Universitätsausbildung nicht nur in Deutschland zu absolvieren, sondern etwas internationaler auszurichten. Ich habe in den USA studiert nach meinem Abitur und wollte dann eigentlich noch eine Erfahrung in Asien sammeln. Und da bin ich auf einen Studiengang gestoßen, der von der Universität von Hawaii angeboten wurde, und zwar ein halbjähriges Vorbereitungsstudium auf Hawaii und dann ein halbjähriges Praktikum in Japan. Hawaii war damals und ist immer noch ein Treffpunkt der asiatischen und der westlichen Kultur, sehr stark von Japan geprägt. Das war eigentlich eine optimale Vorbereitung, um dann nach Japan zu gehen und die japanische Kultur und auch Sprache etwas mitzubekommen. Das war also der Hintergrund meines Aufenthaltes auf Hawaii. Und ja, das hat mich auch ganz gut vorbereitet für das Hopfengeschäft, das wirklich sehr international agiert. Aus den zwei großen Anbauländern Deutschland und USA wird Hopfen eigentlich weltweit geliefert, verkauft. Und wir haben es wirklich mit allen Ländern zu tun, in denen Bier hergestellt wird.

Markus: Spannend! Das fand ich jetzt wirklich recht interessant. Und auch wirklich interessant, dass der japanische Einfluss da ja auch immer noch ziemlich stark zu sein scheint. Ich habe noch eine andere Frage, und zwar haben wir vor genau fünf Monaten mit dem Florian Perschel gesprochen und da ging‘s ja gerade los mit dem Thema eben Lockdown und so weiter. Und da habt ihr ja diese tolle Aktion ins Leben gerufen, dass ihr praktisch Hilfe für die Hopfenpflanzer gesucht habt an Leuten, die dann eben helfen, den Hopfen anzuleiten und auf den Feldern eben alles richtig einzurichten. Kannst du da vielleicht kurz ein bisschen erzählen: Wie hat das denn funktioniert? Haben die euch wirklich geholfen? Und ist da jetzt ein Ergebnis zu sehen?

Thomas Raiser: Ja, danke für die Frage. Also wir waren wirklich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft, die hier den Hopfenbaubetrieben gezeigt wurde. Wir waren damals wirklich vor der Frage gestanden, wie können die Hopfenbauern, die Arbeitsspitze, die im April entsteht, wenn der Hopfen angeleitet werden muss. Das ist die Phase, wo die ersten Triebe aus dem Boden kommen und man diesen Trieben zeigen muss, wo sie hinwachsen sollen. Man muss die also zwei-, dreimal um den Draht, der bereits aufgehängt ist an dem Gerüst im Uhrzeigersinn herumwickeln, damit dieser Trieb dann weiter diesen Draht hochwächst. Und die schwächeren Triebe müssen abgeschnitten werden. Das ist Handarbeit, da gibt’s noch keine mechanische Lösung dafür. Und nachdem die ganzen Arbeitskräfte, die meist aus Polen kommen, nicht einreisen durften oder auch nicht wollten, aus Angst, in Quarantäne zu kommen, haben wir diesen Aufruf an die Allgemeinheit gerichtet und gesagt: Studenten, Schüler dieser Welt oder Deutschlands, helft uns bitte, helft unseren Betrieben, unseren Lieferanten, diese wichtigen Arbeiten im Frühjahr zu bewerkstelligen. Und die Rückmeldung war phänomenal. Wir haben neben diesen typischen Zielgruppen Studenten auch zum Beispiel viel Zuspruch von Brauereien bekommen, die uns mit ihrem Personal, mit ihren Auszubildenden unter die Arme gegriffen haben. Und wir haben dann letztendlich die Vermittlung übernommen zwischen den Interessenten und den Anbaubetrieben. Und das hat ausgezeichnet funktioniert. Das ist keine ganz einfache Arbeit, das muss man auch erst mal lernen. Sicherlich war die Produktivität vielleicht nicht so groß wie bei einer Kraft, die das schon vier, fünf Jahre gemacht hat, aber die Arbeiten wurden im richtigen Zeitfenster abgeschlossen und das gute Ernteergebnis, das wir jetzt einfahren können, ist dank dieser Hilfsaktion zustande gekommen. Also das war wirklich toll, wie viel Personen, Leute hier Solidarität und Hilfe angeboten haben und gezeigt haben.

Markus: Da nutzen wir doch die Gelegenheit, denen mal gleich auf diesem Wege ein herzliches Dankeschön zu sagen. Wunderbar! Ja Holger, was hast du denn für ein Bierchen?

Holger: Unbedingt! Also bevor ich mein Bierchen verrate, noch auch von mir eine Frage. Ich kann mich entsinnen, du hattest, glaube ich, mal in der Süddeutschen oder so gesagt, 2019, letztes Jahr: Mensch! Wenn jetzt nochmal so eine schlechte Ernte kommt, dann wird es wirklich knapp mit der Menge. Und die Ernte ist jetzt so gut, dass das alles wieder ausgeglichen wird? Oder gibt es immer noch die Herausforderung, dass es so nachhängt, weil eben die Jahre zu 2018 und 2019 nicht so ertragreich waren?

Thomas Raiser: Wir hatten tatsächlich in den letzten fünf Jahren, wenn ich jetzt mal den Zeitraum 2015 bis 2019 betrachte, sehr schwierige Anbaubedingungen. Es war tendenziell immer zu heiß und zu trocken. Und das ist gar nicht gut für den Hopfen. Das ist zwar ganz gut für den Bierkonsum, aber für das Hopfenwachstum eher schädlich. Und die Hopfenwirtschaft ist eigentlich in den letzten Jahren der Nachfrageentwicklung hinterhergelaufen. Man hat immer wieder Flächen ausgeweitet, aber die teilweise schwierigen Bedingungen haben zu unterdurchschnittlichen Ernten geführt. Wir waren tatsächlich immer in einer strukturellen Unterversorgung. Das hat sich mit der Ernte 2020 jetzt komplett gewendet. Auf der einen Seite haben wir dieses Jahr günstige Anbaubedingungen gehabt und wir erwarten eine leicht überdurchschnittliche Ernte. Und haben natürlich jetzt auch das Problem der Auswirkungen der Lockdown-Maßnahmen, die vor allem die Gastronomie und Eventbranche sehr stark getroffen haben, auch Sportveranstaltungen, die ausfallen. Wir rechnen intern in unseren Modellen mit einem weltweiten Rückgang der Bierproduktion von irgendwo zwischen 8 bis 12 % bei einer gleichzeitig sehr guten Ernte. Wir gehen im Moment davon aus, dass der Markt dieses Jahr überversorgt ist.

Holger: Oh, sehr spannend. Mein Gott, also das ist ja wirklich ein Auf und Ab. Und da muss man sich als Handelsunternehmen ja auch irgendwie drauf einstellen. Sehr schwierig. Was habe ich mir für ein Bier ausgesucht? Naja, im Prinzip ganz einfach. Ich lebe ja in München und hier wäre ja das größte Volksfest der Welt, aber es ist ja auch abgesagt. Und aus dem Grund habe ich mir einfach ein Oktoberfest-Bier herausgesucht, um das ein bisschen zu feiern, dass es doch irgendwie hier in der Stadt so viele Orte gibt, wo das Oktoberfest eine große Rolle spielt. Wir haben hier eine Gastronomie-Wiesn, also jeder hat sich irgendwas überlegt und alle sind trotzdem in Tracht da und so. Also irgendwie ist es doch so, dass man in der Stadt merken kann, alle vermissen dieses Fest. Ich mach‘s mal auf. Ihr dürft dann raten, was es für eins ist.

Markus: Eins von sechs.

Holger: Eins von sechs. So! Das ist natürlich kein total hopfenbetontes Bier, hat aber durchaus, ich trinke es mal, ja, also sehr schön, also einen ganz vollen, schönen Körper, und es hat ein sattes Goldgelb. Ist eigentlich ein ausgewogener Geschmack zwischen Malz und Hopfen. Es sind so leichte Aromanoten zu erahnen, so Hopfen-Aromanoten. Aber natürlich ist der Malzkörper voll im Vordergrund. Es ist einfach ein süffiges Oktoberfest-Bier. Und jetzt seid ihr dran.

Thomas Raiser: Oh, du willst es noch genauer.

Markus: Wenn es eher dunkler ist, dann würde ich mal aufs Augustiner tippen.

Holger: Nein! Das ist in dem Fall falsch.

Markus: Okay! Dann bist du dran, Thomas.

Thomas Raiser: Ist es denn ein Vertreter der typischen Wiesn-Festbiere? Oder es gibt ja auch andere Brauereien, die in dieser Zeit Festbiere machen.

Holger: Nein! Es gibt ein sehr großes Festzelt und es ist eine Brauerei, die nicht mehr typisch münchnerisch ist, aber in jedem Fall aufs Oktoberfest gehört.

Thomas Raiser: Ja, also das Löwenbräu ist nicht dunkel, glaube ich, wenn ich es richtig im Kopf habe.

Holger: Das Löwenbräu ist es auch nicht.

Thomas Raiser: Nein, ist es nicht. Also dann würde ich noch eher auf Paulaner tippen.

Holger: Genau richtig. Genau richtig. Ich habe mich fürs Paulaner Oktoberfest-Bier entschieden, weil mir das dieses Jahr ehrlich gesagt am besten schmeckt. Also bei den Oktoberfest-Bieren liebe ich in der Tat so die süffigen Biere und da ist oft dann auch Spaten so mein Liebling. Aber in dem Jahr finde ich, ist es das Paulaner geworden, das finde ich wirklich ganz großartig. Aber alle Oktoberfest-Biere sind zu empfehlen. Also alle geben sich auch wahnsinnig Mühe. Das kann man wirklich so sagen. Jede Brauerei hier und alle Braumeister, die beteiligt sind, die geben alles, weil das einfach auch eine Frage der Ehre ist. Und ich würde vielleicht sogar behaupten, dass die Oktoberfest-Biere vielleicht sogar die besten Lagerbiere der Welt sind, wenn man sie hier frisch genießt und dann auch noch den Festplatzcharakter dazunehmen darf.

Markus: Da bin ich mal gespannt. Ich habe übermorgen ein Tasting, wo ich die auch alle sechs verkosten darf, und dazu noch so ein paar Spezialitäten wie den Triumphator. Das wird auf jeden Fall ein lustiger Abend. Und dann kann ich dir sagen, ob ich das Paulaner auch am besten finde. Auf jeden Fall ist es das, was am meisten getrunken wird. Das ist ja auch schon mal spannend. Ich habe auch noch eine Frage an den Thomas, angeknüpft an das, was du gerade gesagt hast, nämlich dass wir einerseits mehr Hopfen haben, andererseits weniger Bierkonsum. Dafür kriege ich auf der anderen Seite mit, dass es jetzt neue Getränke gibt. Also einerseits so eine Art Hopfenwasser, also Wasser mit irgendwie Hopfen aromatisiert als Getränk, als Limonade in verschiedenster Form, das scheint zuzunehmen. Und auf der anderen Seite kommt aus Amerika diese ganze Hard Seltzer Geschichte, wo es im Grunde darum geht, auch wieder Wasser mit Alkohol und irgendwelchen Aromastoffen zu versetzen. Ist denn das nicht beides auch ein Feld, wo der Hopfen sich dann ein bisschen austoben kann, wenn er schon beim Bier nicht mehr so nachgefragt wird?

Thomas Raiser: Das ist ein Thema, Markus, das uns unheimlich interessiert und an dem wir arbeiten. Wir wollen auch dieses Jahr auf der BrauBeviale, die ja stattfinden wird nach bestem Wissen und Gewissen und aktuellem Kenntnisstand, sowohl eine Hopinade oder Hopinade (englisch gesprochen) als auch ein Hard Seltzer, das mit Hopfenaromen verfeinert ist, vorstellen. Das ist aber wirklich in den Anfangs- und Kinderschuhen. Die Mengen, die da im Moment in diese Richtung verbraucht werden, sind verschwindend gering und machen im Hopfenmarkt in der Hopfennachfrage noch keinen nennenswerten Unterschied. Aber wir arbeiten da sehr stark dran und halten das für sehr wichtig, dass wir uns neue Märkte für Hopfen erschließen, die über das klassische Bier hinausreichen.

Markus: Da sind wir mal gespannt, wie sich das entwickelt. Ich habe vor, glaube ich, einem Jahr oder anderthalb Jahren in Brasilien mal eine Hopfen-Limonade probiert, die schon wirklich sehr weit war. Also die beste zumindest von der Intensität des Hopfenaromas, die ich bisher probiert habe. Da bin ich mal gespannt, was ihr auf der Messe dann präsentieren werdet. Was mich auch noch interessieren würde, wir haben in unserem Online-Biersommelier-Kurs dieses Jahr auch mit euch zu tun gehabt, weil wir mit den Leuten auch live Hopfenstopfen geübt haben, und kamen dabei auch auf die Hops Academy. Das ist ja ein bisschen so ein neues BarthHaas Baby, wenn ich das richtig sehe. Wie kamt ihr denn auf die Idee und wie hat sich das dann so entwickelt?

Thomas Raiser: Die Hops Academy ist ein BarthHaas Baby, das beschreibt‘s ganz gut. Die Erkenntnis, dass Wissen über Hopfen, wie Hopfensorten entstehen, wie Hopfen behandelt wird, die ganze Wertschöpfungskette, die hinter sozusagen einem fertigen Hopfen-Pellet steckt, dass dieses Wissen relativ dünn gestreut ist in der Braubranche, die kam uns eigentlich schon lange. Und wir haben oft mit Kunden gearbeitet und versucht, etwas Verständnis und Wissen bei unseren Kunden zu wecken. Bis wir gesagt haben, wir müssen das eigentlich institutionalisieren und wirklich ein festes Kursangebot ins Leben rufen. Und das hat zur Gründung der BarthHaas Hops Academy geführt vor neun Jahren. Und das läuft ausgesprochen gut, wir haben unheimlich viel Zuspruch. Denn der Wunsch, mehr über Hopfen zu erfahren und wie man den Hopfen im Brauprozess einsetzt, um eben diese ganzen Geschmacksaromen, die wir heute schon angesprochen haben, zu erzeugen, dieser Wunsch ist unheimlich groß. Und sowohl bei den Biertrinkern als auch bei den Brauern. Unserer Meinung nach kommt das Thema Hopfen in der Ausbildung der Brauer zu kurz und wir versuchen diese Lücke mit der Hops Academy zu schließen.

Markus: Cool! Das hat uns auch auf jeden Fall gut gefallen und viel Freude bereitet. Holger, wie siehst du das denn? Hopfen, Hopfenausbildung, hast du da auch noch was nachzuholen?

Holger: Natürlich, man lernt nie aus. Mich hat der Hopfen immer absolut fasziniert. Und du hast es ja auch schon gesagt, wenn man bei der Erntezeit jetzt gerade eben durch die Gebiete fährt und so, aber auch, wenn man Bauern besucht und eben sieht, wie der Hopfen getrocknet wird und dass das auch alles gar nicht so einfach ist, dass man sehen muss, er darf nicht zu viel Feuchtigkeit haben, er darf auch nicht zu wenig Feuchtigkeit haben, das muss alles ganz genau richtig sein. Und dann kommt BarthHaas wirklich in die Betriebe und spricht eben von Mensch zu Mensch mit den Bauern und schaut sich die Ernte an und schaut sich eben auch die Prozesse danach an und nimmt Proben. Und man ist ständig im Dialog, und Wahnsinn. Du hast es ja auch ganz zu Anfang gesagt, dass dich fasziniert, wie langfristig da auch eine Partnerschaft aufgebaut wird. Ich kenne das noch aus der Forstwirtschaft, also ich habe auch mal im Vertrieb gearbeitet und hatte in England so einen Kurs, und da war dann auch ein anderer Vertriebsleiter aus Deutschland, und wir haben dann über Planung und Budgetierung gesprochen und der hat dann da so erzählt. Und irgendwie habe ich gedacht, der will dich doch verarschen, also der will dich doch verarschen. Und dann sage ich irgendwann: Hör mal zu, pass auf! Ein Quartal sind drei Monate, oder? Und er sagt dann: Nein! Ein Quartal sind 25 Jahre. Und das war der Vertriebsleiter von Faber-Castell. Die machen ja Bleistifte, und der Baum muss ja erst wachsen, wo der Bleistift rauskommt. Wo der dann so erzählt hat, das war also genau in die gleiche Richtung. Die müssen auch sehr langfristig planen, um ihre Rohstoffe zu bekommen, um dann hinterher überhaupt was zu verkaufen zu haben. Und insofern, ich sag mal, Bier ist ja eines der tollsten Themen der Welt und eben so vielseitig, und letzten Endes natürlich auch durch die Rohstoffe, die das Bier beinhaltet. Und da ist der Hopfen natürlich ganz entscheidend, absolut entscheidend. Obwohl ich auch sagen muss, die Hefe ist nach wie vor unterbelichtet. Wenn ich das mal sagen darf so ganz offiziell in so einem BierTalk. Also die Hefe, meines Erachtens, da könnte man auch noch sehr viel entdecken, vielleicht sogar auch so ein bisschen so eine Boomphase auslösen, wie wir das beim Hopfen auch erreicht haben. Also vor zehn Jahren, weiß gar nicht, da gab es, ich weiß es nicht, Thomas, du wirst es besser wissen, aber in jedem Fall ein Bruchteil von den Hopfensorten, die wir jetzt haben. Und das, was sich da entwickelt hat, ist schon sehr beeindruckend.

Thomas Raiser: Ja, da kann ich kurz was beitragen dazu. Du hast vollkommen recht, die Anzahl der Hopfensorten ist stark gewachsen, das Interesse an neuen Sorten ist natürlich auch viel, viel größer als früher. Ich kann’s etwas simplifiziert zusammenfassen. Als ich anfing in der Branche in den 90er Jahren, war die Frage in erster Linie, helft mir, wie es noch ein bisschen günstiger geht, wie kann ich weniger für meinen Hopfen ausgeben oder Hopfen einsparen. Heute dreht sich alles um die Frage: Wie bringe ich durch den Hopfen interessante Geschmacksnoten ins Bier? Und das ist natürlich für jemanden, der sich mit Hopfen beschäftigt und mit Leib und Seele lebt, eine tolle Entwicklung. Ich stimme dir aber zu, in der Hefe ist auch ein enormes Potenzial, und mir wurden da in einem eintägigen Kurs die Augen geöffnet, der gezeigt hat, wie man sozusagen durch eine kleine Nachgärung von fertigen Bieren die Geschmacksrichtung komplett verändern kann von einem Bier. Und das ist beeindruckend und auch ein Thema, das uns in unserer Forschung interessiert, das Zusammenspiel zwischen Hopfenaromen und Hefen. Und da ist sicher noch sehr viel Musik drin.

Markus: Könnte man quasi sagen, Hefestopfen oder so ähnlich.

Holger: In jedem Fall bleibt es wahnsinnig spannend und wir könnten sicher noch länger über alles philosophieren, aber wir haben uns ja ein Zeitlimit gesetzt im BierTalk, und deshalb brauchen wir ein schönes Schlusswort.

Markus: Ja Holger, also eine kleine Sache würde mich noch interessieren, habe ich am Anfang schon erwähnt. Jetzt wird der Hopfen mittlerweile eben auch sehr kreativ verwendet, auch mit neuen Aromen, neuen Aromakomponenten, und ich habe da von euch von BarthHaas etwas getrunken, ich glaube, letztes oder vorletztes Jahr auf der Messe, wo man eben die Holzfass-Aromatik zusammen mit dem Hopfen hatte. Wie kam das denn an und wie geht’s damit weiter?

Thomas Raiser: Wir haben vor zwei Jahren die Idee entwickelt, dass wir gesagt haben, wir müssen oder lasst uns versuchen, die Hopfenaromen mit denen der Holzfass-Reifung zu kombinieren. Und haben ein Produkt auf den Markt gebracht, wo wir Holzspäne und gemahlenen Hopfen zusammen verarbeitet haben, zu einem Hopfenholz Pellet, unter dem Namen ProvOak, Oak für Eiche, weil es Eichenholz ist. Und dieses Produkt bietet ganz interessante Aspekte, weil du im Prinzip eine Fasslagerung nachahmen kannst ohne die Nachteile der Fasslagerung. Als da zum Beispiel wären mikrobiologische Verunreinigungen oder Verlust von Kohlensäure durch undichte Fässer und so weiter und so fort. Das erlaubt also die Möglichkeit, diese fassgelagerten Aromen ins Bier zu bringen, ohne dass ich ein Holzfass dazu verwenden muss. Und wir haben uns das ehrlich gesagt ein bisschen aus der Weinbranche abgeschaut, wo es ja auch durchaus üblich ist, Wein auf Holzspänen zu lagern. Der Markterfolg ist durchaus gegeben.

Markus: Okay! Also kann man das schon kommerziell irgendwie probieren?

Thomas Raiser: Ja, es gibt, allerdings nicht in Deutschland, weil wir in Deutschland uns mit dem Reinheitsgebot hier ein bisschen schwertun, aber im Ausland das eine oder andere Bier, das mit diesem Produkt hergestellt wird.

Markus: Okay! Da schicken wir doch mal die Hörer auf die Suche, könnt ihr euch mal begeben. Holger, zurück zu dir jetzt aber.

Holger: Naja, also wir brauchen jetzt ein hervorragendes Schlusswort. Und ich kann nur sagen, es war wieder einmal ein unglaublich interessanter BierTalk und es ist einfach toll, wenn man so Fachleute ganz hautnah erleben darf und kann die Fragen stellen, die einem wichtig sind. Und der Markus hat ja heute eben da wirklich Gebrauch davon gemacht. Also ich bedanke mich bei euch beiden für den schönen BierTalk. Mir hat es wirklich sehr viel Spaß gemacht und ich wünsche euch noch einen schönen Tag.

Markus: Danke schön, dir auch!

Thomas Raiser: Auch von meiner Seite, vielen Dank für die Einladung! Hat echt Spaß gemacht mit euch zu plaudern.

Markus: Ja, dann bis bald!

Holger: Tschüss!

Thomas Raiser: Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 15 – Interview mit Prof. Dr. Dorothea Schmidt aus Wien, Autorin von Das Bier in der NS-Zeit

Dorothea Schmidt war lange Zeit als Professorin an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht tätig und erhielt dort den Auftrag, die Geschichte eines der Gebäude der Hochschule zu recherchieren. Dort hatte sich während der Zeit des Nationalsozialismus die „Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft“ befunden, eine der beiden von der Regierung als Ersatz für den aufgelösten Deutschen Brauer-Bund eingesetzten Institutionen. In Ihrer Forschung fand die Professorin viele teils überraschende Fakten rund um das Bier und die Brauwirtschaft in der Zeit des Nationalsozialismus heraus und veröffentlichte mit den Ergebnissen schließlich 2019 ein Buch mit dem Titel „Die Kraft der deutschen Erde“. Im BierTalk – ausnahmsweise ohne Bier – sprechen wir über ihre Ergebnisse und die Rolle der Brauereien und ihrer NS-Vertretungen während dieser 12 Jahre der deutschen Geschichte…

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Markus Raupach: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen BierTalk Spezial. Heute gibt es ein wirkliches Spezial, das heißt, wir werden zum ersten Mal im BierTalk kein Bier trinken. Das geht aber auch nicht, weil wir beschäftigen uns mit der Geschichte des Bieres in den 12 Jahren des Nationalsozialismus. Und dafür haben wir Frau Prof. Dr. Dorothea Schmidt kontaktiert, die zur Zeit in Wien lebt und unter anderem auch ein Buch geschrieben hat mit dem Titel „Die Kraft der deutschen Erde: Das Bier im Nationalsozialismus und die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft“. In ihrem Buch stellt sie sehr viele neue Forschungsergebnisse vor und es wird auch sehr deutlich, wie anders das Thema Bier und Bierwirtschaft in diesen 12 Jahren gelebt wurde als davor und vor allem auch danach. Wir begrüßen jetzt Frau Prof. Dr. Dorothea Schmidt am Mikrofon und freuen uns, wenn Sie sich kurz selbst vorstellen.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ich bin Dorothea Schmidt, ich war ab 1996 Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin und bin auf das Thema Bier dadurch gekommen, dass der Sitz des Präsidiums der Hochschule seit einigen Jahren in einem Gebäude ist, in dem ab 1940 die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft zu Hause war. Und der jetzige Präsident hat mich beauftragt, die Geschichte dieses Gebäudes zu erforschen, und so kam ich zum Bier.

Markus Raupach: Das heißt, selbst trinken Sie eher kein Bier?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Gelegentlich. Ich wohne in Wien und da ist es doch häufiger, dass man Wein trinkt. Aber es gibt auch gutes österreichisches Bier.

Markus Raupach: Wir beschäftigen uns vor allem mit einer sehr schwierigen Zeit auch und ich glaube, wo viele Leute wenig darüber wissen. Wie war das denn überhaupt für Sie, als Sie sich diesem Thema genähert haben? Haben Sie das vorher so erwartet, dass Sie viele Dinge herausfinden, die dann auch schwer zu verstehen sind?

 

Die Sonderrolle des Bieres

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Mich hatte eigentlich vieles überrascht. Ich wusste bis dahin, das ist der allgemeine Stand der Kenntnisse, dass im Nationalsozialismus Konsum sehr niedrig gehalten wurde, dass man versucht hat, alles Geld in die Aufrüstung umzulenken, und die Überraschung war, zu merken, beim Bier war das nicht so.

Markus Raupach: Und das, obwohl die Nationalsozialisten ja auch so eine Ideologie der Alkoholabstinenz und Adolf Hitler hat sich ja selber auch als Abstinenzler dargestellt, hat sich das dann anders gezeigt?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Das Verhältnis der Nationalsozialisten zum Bier und generell zum Alkohol war extrem widersprüchlich. Auf der einen Seite gab es diese Linie, die Sie genannt haben, dass gesagt wurde, im Sinn der Volksgesundheit sollen die Menschen keinen Alkohol trinken. Etwa Hitler hat 1935 beim Parteitag, der eine Rede gehalten hat an die HJ und der dort sagte, wie er sich die deutsche Jugend vorstellt, nämlich die sollten hart wie Kruppstahl sein, flink wie die Windhunde und sollten genau das Gegenbild sein zum deutschen Bierspießer, wie er sagte. Auch sonst gab es häufig solche Äußerungen. Auf der anderen Seite, wenn man sich überlegt, der Beginn der Nationalsozialisten oder der Aufstieg der Bewegung fand in Bierkellern statt, in Münchner Bierkellern, und auch später bei SA und SS gehörte das Biertrinken zu deren Männlichkeitskultur. Sie haben Kontakte zu Lokalen gehabt, die sich dann SA- oder SS-Bierlokal nannten oder -Gastwirtschaft. Es wurde bei vielen Großveranstaltungen sehr viel getrunken, zum Beispiel zumindest am Ende der Reichsparteitage oder bei anderen großen Gelegenheiten, bei großen Festivitäten. Das heißt, das Biertrinken war eigentlich gang und gäbe und entsprach überhaupt nicht diesen Appellen der Partei, sich zu mäßigen.

 

Adolf Hitler als Abstinenzler?

Markus Raupach: Weiß man denn von Adolf Hitler selber, ob er doch Bier getrunken hat?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Er hat sich immer selber als Antialkoholiker dargestellt, und es gibt meines Wissens neuere Forschungen, dass es so eindeutig nicht war.

Markus Raupach: Ich habe zumindest eben gehört, dass wenn man so seine, also er hat, während er in Festungshaft saß, hat er ja Dinge verbraucht und da war eben auch von regelmäßigen Bierlieferungen die Rede. Also irgendwo muss es hingekommen sein, er war ja in Haft, also insofern. Aber gut, wenn wir jetzt dann so die Zeit haben, die Richtung 33 hinführt und dann so dieses entscheidende Jahr der Machtübernahme, sind da denn dann von Seiten des Staates schon Sachen passiert im Hinblick auf Thema Bier und Bierwirtschaft?

 

Die Auflösung des Deutschen Brauer-Bundes

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Naja, so schnell nicht. Es gab ja den Deutschen Brauerbund, der blieb erstmal bestehen, sowie andere Branchenverbände, und der wurde insofern nicht gleich umgestaltet. Der stand damals unter dem Vorsitz von August Pschorr aus München, aber 1934 wurden sämtliche Wirtschaftsverbände aufgelöst und somit auch dieser. Und man setzte die ganze Verbandstruktur neu auf, indem man Reichsgruppen und Wirtschaftsgruppen gegründet hat. Und zu diesen Wirtschaftsgruppen gehörte auch die Wirtschaftsgruppe Brauerei.

Markus Raupach: Und das heißt, die ursprüngliche Funktion des Brauerbundes war dann brachgelegen oder hat die dann auch eine andere Organisation übernommen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Wirtschaftsgruppe Brauerei war insofern eine Nachfolgeorganisation des Deutschen Brauerbundes, als dort die Interessen der Brauer vertreten waren. Das haben die immer gemacht und das Interesse der Brauer als Unternehmer war, es sollten die Umsätze möglichst hochbleiben, also man wollte die Menge des Bieres nicht reduzieren und es sollte die Qualität erhalten bleiben. Allerdings ist ab 1933 eine andere Organisation parallel zu der Wirtschaftsgruppe entwickelt worden und das war die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft. Die war wiederum ein Teil des Reichsnährstandes. Und der Reichsnährstand war eine ganz neue Organisation. Die Nationalsozialisten hatten ja anfangs oder kurze Zeit, muss man sagen, eine Ständestaat-Idee. Der Staat sollte völlig neu aufgebaut werden nach Ständen im mittelalterlichen Sinn, Stände, also Gruppen, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Meister und Gesellen gemeinsam ihre Interessen vertreten würden. Diese Ständestaats-Idee ist ziemlich schnell gestorben und hat sich eigentlich nur beim Reichsnährstand verwirklicht. Und da war die Idee eine sehr romantische Idee, die Landwirtschaft sollte im Mittelpunkt stehen und von der Landwirtschaft her, also vom Bauerntum her, das ja sehr hochgehalten wurde ideologisch, von daher sollte der ganze Bereich neuaufgebaut werden. Das heißt, die Bauernschaft hätte das Sagen über die Produktion der Rohstoffe, aber auch über alle folgenden Etappen der Wertschöpfungskette, das heißt, über die Brauereien, über den Bierhandel, die Gaststätten. Dieses Verhältnis hat sich in Wirklichkeit nicht so durchgesetzt. Die Bauern hatten keineswegs da das Sagen, also in diesem Fall die Hopfenbauern und die Getreidebauern, sondern es waren innerhalb dieser Verwertungskette letztlich dann doch die Brauereien, die die stärkste Stellung hatten.

Markus Raupach: Wie haben denn die Brauereien und Brauereibesitzer darauf reagiert? Es gab ja zum Teil auch jüdische Brauereibesitzer und es gab sicherlich auch welche, die diese Umstrukturierung generell nicht wollten. Gab’s da Diskussionen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Da müsste man noch näher in die Geschichte der Wirtschaftsgruppe einsteigen. Bei den Brauereibesitzern waren Unternehmer aus jüdischen Familien, von jüdischer Herkunft nicht so häufig. Es gab einen sehr bekannten, das war Hermann Schülein, der in München Vorsitz der Löwenbräu AG hatte, der Vorsitzende dort war. Er war ein sehr anerkannter Braufachmann und wurde sehr bald nach 1933 diffamiert und angegriffen von den Nationalsozialisten und ist dann 1935 auch zurückgetreten von seinem Vorstandsposten und in die USA immigriert und war dort wiederum als Braufachmann sehr erfolgreich. Aber sonst ist mir nicht bekannt, dass Brauereien, die in Besitz von Menschen jüdischer Herkunft waren, dass die sich da irgendwie dazu geäußert hätten.

Markus Raupach: Dann kommen wir doch kurz zu der Hauptvereinigung. Da gab’s den Unterschied, dass die Wirtschaftsgruppe dem Wirtschaftsministerium unterstellt war und die Hauptvereinigung dem Landwirtschaftsministerium, was an sich schon ein bisschen schwierig war wahrscheinlich.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja.

Markus Raupach: Und wie hat man dann versucht, diese Ideologie dann durchzusetzen? Also was hat die Hauptvereinigung dann versucht, den Brauern vorzuschreiben und vielleicht auch den Bauern?

 

Marktregulierung und Brauer-Selbstverständnis

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Hauptvereinigung hatte im Rahmen des Reichsnährstandes die Aufgabe, den Markt zu regeln. Das heißt, sie sollten Mengen und Preise regeln, also kein freier Markt mehr, wie er vorher bestand, sondern die Mengen sollten so geregelt werden, dass der Verbrauch an Hopfen und auch an Braugerste mit anderen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion irgendwie in Übereinstimmung zu bringen war. Das heißt, sie sollten im Grunde bremsen und die sollten auch die Preise kontrollieren. Sie haben das ansatzweise versucht, aber es gab die beiden Ministerien, die da im Spiel waren. Und spätestens mit dem Vierjahresplan von 1936 hatte das Landwirtschaftsministerium eigentlich nur noch sehr wenig zu sagen und das Wirtschaftsministerium hatte die Oberhand, und die haben dann die Preise gemacht. Und interessanterweise sind die Preise beim Bier in dieser Zeit bis 1938 nicht gestiegen, sondern sind gesenkt worden. Das heißt, man hat den Bierverbrauch angekurbelt und keineswegs verhindern wollen.

Markus Raupach: Und für diese Preisfestsetzung war dann nicht mehr der Brauereibesitzer zuständig? Das heißt, der musste quasi nachfragen, wie viel kann ich für mein Bier verlangen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Die Preisfestsetzung erfolgte von oben. Wobei zum Beispiel Bayern hat immer eine Sonderrolle gespielt. Bayern hat immer besonders energisch die Interessen der Brauer und auch der Biertrinker und -Trinkerinnen verfolgt und diese waren natürlich nicht hohe Preise, sondern günstige Preise. Die haben da sehr oft ihren eigenen Weg gefunden und interessanterweise ist ihnen das auch gelungen, etwa auch bei der Braugerste. Aus Bayern kamen Äußerungen, ein Bier mit einer Stammwürze von weniger als 9 %, das nennen wir bei uns nicht Bier. Das kann man nicht Bier nennen, von daher sei das völlig unzumutbar. Das war gegen die Bestrebungen der Hauptvereinigung, die immer wieder versucht hat, ein Leichtbier durchzusetzen, was letztlich nie wirklich umfassend gelungen ist.

Markus Raupach: Die Stammwürze natürlich ein spannendes Thema, wo wir auch nochmal drauf eingehen sollten. Vorher würde mich noch interessieren, in diese Zeit fällt eigentlich auch ein Jubiläum, das normalerweise groß gefeiert wird, 125 Jahre Oktoberfest, 1935. Haben Sie dazu was gefunden? Gab es da schon Einflüsse des Staates auf die Art dieses Festes und auf das Bier und die Preise?

 

Das Oktoberfest 1935

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Es gab Einflüsse insofern, also erst mal, dass das Fest stattfinden sollte, und zum anderen, dass man vor allem die Beflaggung verändert hat. Vorher waren dominant die blauweißen bayerischen Flaggen, und das wurde dann alles ersetzt durch Nazi-Flaggen. Es gab die Umzüge wie auch sonst, aber auch dann mit entsprechendem Nazi-Dekor. Und es sind aufmarschiert auch alle NS-Formationen, die man so kennt, von der Hitlerjugend über den BDM bis zu SS-Formationen und anderen. Getrunken wurde meines Wissens genau so viel wie sonst und die Preise wurden festgesetzt, waren aber relativ günstig. Also man wollte auf keinen Fall denen Schwierigkeiten machen oder das boykottieren, im Gegenteil.

Markus Raupach: Das hat ja auch in den Folgejahren dann stattgefunden bis 1939 und ab dann ging es eben kriegsbedingt nicht mehr. War denn überhaupt eine Verzahnung zu sehen? Sie haben grad schon den Vierjahresplan genannt, also wo man dann wirklich gesagt hat, wir müssen innerhalb von vier Jahren praktisch kriegsfähig sein, sowohl die Bevölkerung als auch die Wirtschaft. Hatte das Auswirkungen auf die Brauwirtschaft, und wenn ja, in welcher Art und Weise?

 

Aufschwung durch Kriegspläne

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Auswirkungen für die Brauwirtschaft waren ausgesprochen günstig, denn in der Zeit ab 1936 nahm sowohl die Aufrüstung zu als auch der Ausschuss der Brauereien. Das heißt, sie sind im Gleichschritt vorangegangen. Und da spielt das Bier eben wieder eine Sonderrolle. In vielen anderen Bereichen der Nahrungsmittel hat es ganz starke Qualitätsverschlechterungen gegeben, beim Brot, beim Fleisch, bei anderen Sachen, auch bei Textilien wurde immer weniger Baumwolle verwendet, weil die ja importiert werden musste, und man hat versucht, sich mit Holzersatzstoffen zu behelfen. Man sagte damals über die Anzüge, aus deutschem Wald, die sollen sehr kratzig gewesen sein. Also in vielen Bereichen Einschränkungen des Konsums, aber nicht beim Bier. Der Bierverbrauch nahm weiter zu und wurde eben durch die niedrigen Preise gefördert, übrigens auch der Verbrauch von anderen Alkoholika, auch von Wein und Schnaps. Die Erklärung ist, man wollte die Menschen bei Laune halten, und beim Bier betraf das vor allem die Arbeiter in Rüstungsbetrieben, das waren damals ganz überwiegend Männer, die ja oft Überstunden machen sollten, um die hohen Anforderungen zu erfüllen. Und die bekamen dann auch immer extra Rationen Bier, also gerade da hat dieser Zusammenhang gut funktioniert, denn das ging Hand in Hand.

Markus Raupach: Ich habe sogar gelesen, dass es Streiks gab, dass die Arbeiter wirklich gesagt haben, wir machen keine Überstunden mehr oder wir arbeiten gar nicht, wenn wir nicht unsere Bierrationen bekommen. Das ist schon krass eigentlich.

 

Streiks um Bier

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Das haben die angedroht. Man weiß diese Dinge, weil Streiks waren natürlich offiziell überhaupt nicht möglich und verboten. Aber das Regime hat ja immer versucht rauszukriegen, wie ist die Stimmung in der Bevölkerung. Da sie die freie Presse inzwischen aufgegeben hatten und die es nicht mehr gab, war die einzige Möglichkeit, darüber etwas zu erfahren, Informanten loszuschicken, die monatlich ihre Berichte abgeliefert haben. Das nannte sich „Meldungen aus dem Reich“. Und die haben dann aus einzelnen Orten berichtet, eben zum Beispiel dort, wo es Rüstungsbetriebe gab, es herrscht Unmut bei der Arbeiterschaft und man droht mit Streik und es müssen jetzt also unbedingt die Bierrationen, was die zur Verfügung hatten, das müsste erhöht werden.

Markus Raupach: Gab‘s denn dann noch eine Konkurrenz innerhalb der Brauereien, was normalerweise in Wirtschaftsbetrieben üblich ist? Oder wurden die da auch so ein bisschen, sagen wir mal, gleichgeschalten?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Konkurrenz war sehr lebhaft, allerdings die Großen hatten sehr viel bessere Chancen als die Kleinen. Solange der Bierverbrauch insgesamt stieg, war das kein Problem, aber ab 1939, wo es dann doch gewisse Einschränkungen gab oder auch die Menschen weniger Geld zur Verfügung hatten und ein großer Teil der Lieferungen, nämlich ungefähr ein Viertel, an die Front ging, ab da war es dann sehr viel schwieriger, und es kam dann auch zu Betriebsstillegungen, die angeordnet wurden. Die betrafen kleine Unternehmen, von den Großen zum Beispiel Schultheiss in Berlin, die galten als Wehrwirtschaftsbetrieb. Das heißt, sie wurden als nötig angesehen, um den Krieg weiterführen zu können.

Markus Raupach: Sie haben es gerade schon gesagt, es ging dann nach und nach auch ein großer Teil der Produktion an die Wehrmacht. Wie ist das wirtschaftlich zu sehen, war dann die Armee ein Abnehmer von Bier, haben die handelt dafür bezahlt, war das dann auch für die Brauereien ein Wirtschaftsfaktor?

 

Die Wehrmacht als Kunde

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ich weiß das nur von Schultheiss, für Schultheiss war das sicher ein Wirtschaftsfaktor. Ja, die Brauereien wurden genau wie all die anderen Lieferbetriebe bezahlt und hatten da einen sicheren Absatz, das war also für die sicher ein gutes Geschäft. Für die Wehrmacht selber war es eine zwiespältige Sache, die Soldaten so gut mit Bier zu versorgen. Denn auf der einen Seite sah man auch hier wieder, so wie bei den Rüstungsarbeitern, die Stimmung sollte gutbleiben, auf der anderen Seite ein Übermaß an Bierkonsum, barg natürlich die Gefahr, dass die militärischen Fähigkeiten des Soldaten auch leiden konnten.

Markus Raupach: Es wurden mehr und mehr Männer aus den Betrieben abgezogen und damit auch aus den Brauereien. Wie sind die denn damit umgegangen? Hat man dann rationalisiert oder hat man mehr Frauen eingestellt, oder kamen dann auch Zwangsarbeiter in die Betriebe?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Man hat Frauen eingestellt und auch Zwangsarbeiter verwendet, aber interessanterweise in sehr viel geringerem Ausmaß als in anderen Industriezweigen. Das heißt, man hat weniger als in anderen Bereichen die Männer eingezogen, sie waren offenbar weniger leicht entbehrlich. Bei den Brauern waren immer die Betriebskenntnisse, die unmittelbaren Erfahrungen, waren so entscheidend, und das war ein Wissen, das nicht ohne weiteres transferierbar war.

Markus Raupach: Kommen wir nochmal zurück zu dem Thema Stammwürze. Also daran misst man eigentlich die Qualität des Bieres, was jetzt den Einsatz an Malz und letzten Endes das Ergebnis dann an Nährstoffen und Alkohol angeht. Es war auch im Ersten Weltkrieg so, dass die Stammwürze immer weiter reduziert wurde, um halt einfach eine Versorgung zu gewährleisten. Wie ist das denn in der Zeit des Dritten Reiches gelaufen? Also teilweise vielleicht schon vor dem Krieg, aber spätestens dann währenddessen?

 

Der Kampf um die Stammwürze

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die ganze Zeit von 1933 bis 38 bliebt der Verbrauch an Stammwürze im Großen und Ganzen gleich. Das kann man hier jetzt auch wieder sehen im Vergleich zu den Qualitätsverschlechterungen bei anderen Lebensmitteln. Das heißt, da traute man sich nicht dran. Die Einsprüche der Brauereien, die es immer wieder gab oder der Wirtschaftsgruppe Brauerei, waren offenbar erfolgreich, denn die Hauptvereinigung wollte das natürlich ständig, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Und die Stammwürze blieb sogar bis 1941 noch relativ hoch, also sie sank dann schon leicht ab, es gab mehr Trend zu so etwas wie Leichtbier und weniger Starkbiere, aber richtig stark abgesunken ist der Verbrauch eigentlich erst ab 1943/44, also relativ spät.

Markus Raupach: Und welchen Stellenwert hatte die Versorgung der Brauereien mit ihren notwendigen Gütern auch in den Kriegsjahren? Also hat man da auch Ressourcen darauf verwendet, dass auf jeden Fall die Bierproduktion weiterging oder gab’s da dann auch mehr und mehr Schließungen oder auch zum Beispiel zerbombte Brauereien, haben die dann Unterstützungen bekommen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Das war im Krieg sowieso schwierig. Über Schultheiss habe ich mehrere Sachen gefunden. Die haben nur gemeldet eben, dass bestimmte Betriebsteile nicht mehr verwendbar waren, ausgebombt waren. Aber es war doch, bei denen jedenfalls, die Produktion so dezentral, dass sie immer das noch verlagern konnten und woanders weiterproduzieren.

Markus Raupach: Ein interessantes Beispiel ist ja die Schultheiss Brauerei in Berlin, wo dann noch eine große Jubiläumsfeier stattgefunden hat. Da haben Sie, glaube ich, auch einige interessante Fakten herausgefunden, oder?

 

Ein Brauerei-Jubiläum mitten im Krieg

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Das Jubiläum war geplant für Oktober 1943 und wurde daher bereits ein halbes Jahr vorher geplant. Und man plante ganz große Umzüge und eine große Opernvorstellung in der Deutschen Oper und einen Empfang mit allen möglichen Honoratioren aus der Baubranche und aus der Wehrmacht und Parteigrößen. Ein Teil dieser Veranstaltungen musste abgesagt werden, also etwa die Bierkutscher-Gespanne, die man geplant hatte. Aber die Feier im Opernhaus fand statt und da waren immerhin 2.000 Plätze zu belegen. Und es gab auch eine Vorstellung von Der Freischütz, das aber war in einer Zeit, im Februar war es der Roten Armee in Leningrad bereits gelungen, den Belagerungsring aufzubrechen. Und ganz wichtig, im Februar die sechste Armee unter General Paulus hatte gegen Hitlers Befehl in Stalingrad kapituliert. Alles das war bei den Spitzen des Regimes bekannt und wird auch der Führungsriege der Schultheiss Brauerei bekannt gewesen sein. Goebbels hatte damals die Bevölkerung im Berliner Sportpalast auf den totalen Krieg eingeschworen, und in dieser Situation, man kann nur sagen, sie haben wirklich beide Augen zugemacht und wollten es nicht sehen, hat die Unternehmensführung von Schultheiss beschlossen, wir machen dieses Fest. Das fand auch statt im Oktober, und im November, also nur wenige Wochen nach dieser großen Feier, wurde die Deutsche Oper ausgebombt. Ein merkwürdiges Ereignis, das eine Realitätsverweigerung zeigt, die einen doch sehr erstaunt.

Markus Raupach: Auch vor dem Hintergrund, dass die bei der Planung des Jubiläums gedacht haben, der Krieg wäre dann eigentlich schon beendet.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja.

Markus Raupach: Also so nach dem Motto, wir haben dann schon gewonnen in einem halben Jahr, vor diesem Hintergrund. Also erstaunlich. Vielleicht noch mal zurück zur Hauptvereinigung. Hat die denn ihren, in Anführungsstrichen, „Job“ überhaupt machen können? Also haben die überhaupt jemals wirklich agiert als Vertretung und auch wirklich dann Dinge durchgesetzt? Weil bisher kam es mir jetzt so rüber, als hätten sie hauptsächlich Dinge gefunden, wo die zwar versucht haben was durchzusetzen, aber letzten Endes immer wieder an der Wirtschaft gescheitert sind.

 

Der Bürokratie ging das Papier aus

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Sie haben unendlich viel Papier produziert und es gibt auch Meldungen darüber, dass sie Papiermangel hatten. Sie konnten gar nicht alle Bescheide, die sie ausstellen mussten, wirklich drucken. Was sie machten, war, dass sie den Brauereien Bezugsscheine zugestellt haben für deren Bezug an Hopfen und vor allem an Braugerste. Und insofern war das ein hochkompliziertes bürokratisches System. Nur die Richtlinien dafür, also in welchem Umfang sie diese Scheine ausstellen sollten, kamen eben nicht von der Hauptvereinigung selber, sondern wurden im Grunde aus dem Wirtschaftsministerium vorgegeben. Von daher haben sie viel getan, aber wenig selbst bestimmt.

Markus Raupach: Gilt das dann auch für die Rohstoffe? Also auch so, was ich gelesen habe, war es so, dass man beim Hopfen eher eine Überproduktion hatte, bei der Gerste eher eine Unterversorgung. Hat man da versucht gegenzusteuern von der Hauptvereinigung aus?

 

Die Regulierung der Rohstoffe

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Beim Hopfen hat man von Anfang an eine Überproduktion gehabt, das heißt, man wollte Flächen stilllegen, damit die für andere Zwecke freigemacht werden. Das geschah auch in gewissem Maß. Und bei der Braugerste war das umgekehrte Problem, man hatte zu wenig. Man musste auch relativ viel davon importieren, und Importe waren ja die große Schwachstelle des Regimes, denn Importe waren mit der verfolgten Autarkiepolitik wenig vereinbar. Sobald man andere Länder in Europa überfallen hat, hat man dort aus diesen Ländern Rohstoffe abgezogen und sich angeeignet, aber vorher war das eben nicht der Fall. Das heißt, bei der Braugerste musste die Hauptvereinigung immer jonglieren und schauen, wie sie das hinbekommen. Und die Braugerste stand in Konkurrenz zur Gerste für andere Verwendungen, das war das Problem. Das heißt, die Brauer mussten sich hier durchsetzen gegenüber anderen Nahrungsmittelproduzenten, die eben auch Gerste brauchten, was ihnen aber lange Zeit ziemlich gut gelungen ist.

Markus Raupach: Dazu gehört vor allem auch der Kaffeeersatz, den man dann sozusagen produziert hat aus der Gerste.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Mhm (bejahend).

 

Die Augen verschlossen

Markus Raupach: Und wenn wir dann ans Ende des Krieges oder die Endjahre des Krieges schauen, wie hat es sich denn da verändert? Hat der Verband darauf irgendwie reagiert, seine Mitglieder vorbereitet, und diese Mängel, die dann natürlich entstanden sind, durch weniger mögliche Versorgung, durch zerstörte Transportwege und so, gibt’s da Sachen, die man nachvollziehen kann, wie die da agiert hatten?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Das Problem ist, dass man über das letzte Kriegsjahr nicht sehr viel weiß, weil die Hauptvereinigung dann aus ihrem Sitz in Berlin Schöneberg ausziehen musste, weil das Gebäude durch eine Bombe getroffen worden ist. Aus der Zeit danach ist nur sehr wenig Schriftgut überliefert. Aber es gibt einige Briefe, Korrespondenzen, die es noch gibt im Bundesarchiv, und die erwecken den Eindruck, dass die Hauptvereinigung ihre Arbeit weitergemacht hat, als wäre nichts. Aus dem März 45 etwa sind Briefe bekannt, wo die Hauptvereinigung sich mit einem Hopfenhändler auseinandersetzt, und es geht um die Frage, wann wird das geliefert, wie wird das bezahlt? Und es ist wohl die Rede davon, ja, die Transporte sind unterbrochen, es ist schwierig, aber ansonsten hört sich das an eigentlich wie „business as usual“. Also auch da hat man den Eindruck, man wollte es eigentlich nicht sehen, wie schwierig und wie aussichtslos inzwischen alles war. Man hat einfach weitergemacht.

Markus Raupach: Haben Sie auch ein bisschen reingeschaut, wie die Zeit dann im Übergang funktioniert hat, als die Alliierten da waren, was dann aus der Hauptvereinigung geworden ist oder überhaupt aus der Brauwirtschaft, aus der Organisation?

 

Nach dem Krieg

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Der Reichsnährstand ist anders als andere nationalsozialistischen Organisationen nicht gleich 1945 aufgelöst worden durch die Alliierten. Man hat den erst mal noch einige Jahre am Leben erhalten, und zwar deshalb, weil man größere Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln befürchtet hat und die gab’s ja auch, der Hungerwinter 1946/47. Das heißt, die Hauptvereinigung blieb erhalten, aber war unter Treuhänderschaft gestellt.

Markus Raupach: Interessant ist überhaupt, wie die Brauwirtschaft dann weitergegangen ist, weil einerseits viele Betriebe zerstört waren, andere wurden dann abmontiert als Entschädigung, als Reparationszahlungen, und damit im Grunde das Ganze erst mal auf den Kopf gestellt. Dann war überhaupt Bierbrauen verboten, wurde dann erst wieder nach und nach erlaubt durch die Alliierten. Also dann auch noch mal eine andere Zeit. Ihnen auf jeden Fall vielen Dank für diesen Einblick in diese 12 Jahre deutscher Geschichte, wo eben auch das Brauwesen komplett umorganisiert werden sollte zumindest und eine gewisse Trägheit bewahrt hat und dadurch vielleicht auch ganz gut überleben konnte, aber trotzdem schon Repressalien ausgesetzt war, die man sich so eigentlich gar nicht vorstellen kann. Vielen, vielen Dank nach Wien! Vielen, vielen Dank für Ihre Zeit!

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja, sehr gerne.

Markus Raupach: Danke.

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BierTalk Spezial 14 – Interview mit Michael Schnürle, Ex-Taproombetreiber aus São Paulo, Brasilien

Michael Schnürle kam im Sommer 2020 mit seiner Ehefrau, seinen beiden Töchtern und seinem Hund nach Deutschland – als gebürtiger Brasilianer mit deutschen Eltern und einer großen Liebe für das Bier. In seiner Heimatstadt São Paulo hatte er vor einigen Jahren einen eigenen Taproom namens „BRETT Bierhaus“ eröffnet und mit viel Glück kurz vor dem Beginn der Covid19-Krise verkaufen können. Die perfekte Gelegenheit, den lange gehegten Traum vor allem seiner Frau zu erfüllen und nach Deutschland zu kommen. Nun baut sich der sympathische Gastro-Profi und Hobbymusiker ein neues Leben in der Mainmetropole Frankfurt auf. Im BierTalk geht es natürlich viel um die brasilianische Bierkultur und beispielsweise den einzigen eigenen Bierstil des Landes, das Catharina Sour, doch hören Sie selbst…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks. Heute mal wieder ein Special. Und wir überqueren auch mal wieder einen Ozean, zumindest prinzipiell. Also das werdet ihr gleich noch mitbekommen, warum einerseits ja und andererseits nein. Mit dabei bin natürlich wie immer ich und …

Holger: … der Holger.

Markus: Genau! Also ich, der Markus, wollte ich natürlich sagen. Unser Gast ist eben so ein bisschen in diesem Spannungsfeld der zwei Welten, denn er kommt quasi so ein bisschen aus Brasilien, ein bisschen aus Deutschland. Ist jetzt allerdings hier bei uns, muss sich aber erst wieder so ein bisschen zurechtfinden, was das Thema Bier angeht, aber wird sich gleich ein bisschen vorstellen. Der Michael Schnürle. Was gibt’s denn über dich von dir zu sagen?

Michael Schnürle: Erstmal vielen Dank! Es macht mir Spaß bei euch mitzumachen. Michael ist made in Germany and assembled in Brasil. Ich bin in Brasilien geboren von deutschen Eltern, also deswegen habe ich auch zuerst Deutsch gelernt und dann Portugiesisch, habe aber mein ganzes Leben lang in Brasilien verbracht und bin erst jetzt vor etwas weniger als drei Monaten nach Frankfurt gezogen mit samt Frau und Kindern und der Hund ist auch dabei. In Brasilien war ich an einer deutschen Schule und habe dann Hotelfachschule gemacht in Brasilien, war auch in der Hotellerie beschäftigt, immer als F&B Manager, also Food & Beverage Manager. Habe ich ein paar Jahre lang gemacht und dann habe ich angefangen für Investoren, also Investoren in der Hotelbranche zu arbeiten als Berater, als Machbarkeitsstudien und so weiter. Und das ist eigentlich das, was ich dann die ganze Zeit gemacht habe als Hauptarbeit. Im Mai 2018 habe ich mit einem Kumpel von mir ein Tap House in São Paulo eröffnet. Und da fing eigentlich mein Craftbier-Leben richtig, also ging das richtig in Schwung. Das haben wir dann auch gut geführt und das war erfolgreich. Und wir haben dann auch noch so viel Glück gehabt, grad noch vor Corona haben wir ein Angebot bekommen und haben es sehr vorteilhaft verkauft. Und dann bin ich halt nach Deutschland gezogen und alles, was Bier angeht oder Craftbier hier in Deutschland angeht, interessiert mich.

Markus: Du sprichst von deinem Craftbier-Leben in Brasilien. Jetzt werden einige Hörer vielleicht so ein bisschen Fragezeichen in den Augen haben. Gibt’s überhaupt Bier in Brasilien und gibt’s da überhaupt Craftbier? Was würdest du so jemandem antworten?

Michael Schnürle: Bier in Brasilien ist eigentlich zu 95 % so American Lager ähnlich. Also viel Mais, viel Reis, viel andere Sachen drin. Ein ganz leichtes und eher süßes Bier, was man dann auch eiskalt trinkt normalerweise. Also umso kälter, umso besser. Ich würde sagen, das ist okay, wenn man am Strand sitzt und 35 Grad Sonne hat auf dem Kopf und dann geht so ein Bier gut. Aber es gibt schon eine Craftbier-Szene, die gut wächst. Die ist jetzt auch schon, ich würde sagen, schon fast zehn Jahre alt. Also vor zehn Jahren hat es angefangen in Brasilien. Alles, was in Brasilien anfängt, fängt normalerweise in São Paulo an. Das ist da, wo ich geboren wurde und wo ich auch aufgewachsen und immer gelebt habe. Das ist eine 20 Millionen Stadt, da sind auch viele Ausländer und halt Leute von ganz Brasilien finden sich da zusammen, wie das in so einer Großstadt üblich ist. Und São Paulo ist auch weltweit bekannt als eine sehr starke Gastronomie-Stadt. Man kann in São Paulo von allem versuchen und finden, jederzeit 24 Stunden am Tag. Das ist so wie Los Angeles ähnlich, also eine sehr lebhafte Stadt. Was Gastronomie und Entertainment angeht, also da ist immer was los. Wir haben in Brasilien über 1200 Craftbier-Brauereien. Und nur im Jahre 2019 wurden 320 neue geöffnet. Also das geht jetzt sehr schnell. Jedes Jahr öffnen mehr Craftbier-Brauereien. Man muss schon sagen, das sind nicht alle Craftbier-Brauereien, die ihre eigene Brauerei haben. Also wir nennen das in Brasilien Zigeuner, ich weiß nicht, ob das hier auch so heißt. Die haben ihre eigenen Rezepte, aber haben keine eigenen Brauerei-Anlagen. Die machen das dann halt bei einem Partner irgendwie und erkaufen sich halt eine Zeit in deren Brauerei, wo sie dann ihre Biere brauen und dann auch selber verkaufen und vermarkten. In 2018 waren es 210. Also das wächst, jetzt jedes Jahr kommen 200, 300 neue Brauereien dazu. 80 % von dem Markt liegt im Süden und Südosten von Brasilien. Brasilien ist ja auch so ein riesiges Land, fast 80 % von der ganzen Wirtschaft von Brasilien ist auch im Süden, Südosten. Deswegen ist das auch sehr verständlich.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Also ich habe ja vor Ort, in Blumenau war ich auch schon zweimal beim Bierwettbewerb dort und habe auch viele dieser Biere probiert. Das letzte Mal war ich 2019 da. Und da waren es locker über 1000 Brauereien. Also Brasilien ist der drittgrößte Biermarkt der Welt, das können sich viele in Deutschland gar nicht vorstellen, also nach China und den USA. Also ein richtiges Bierland. Jetzt natürlich alles ein bisschen schwierig mit dem ganzen Corona-Thema. Können wir vielleicht gleich noch mal drüber sprechen. Ich glaube aber, dass der Holger ziemlich durstig ist. Wie sieht‘s denn bei dir aus an der Ecke, Holger?

Holger: Wie immer hast du natürlich recht. Das ist aber trotzdem sehr interessant, euch zuzuhören. Ich war auch schon mal in meinem Leben in Brasilien und habe da natürlich auch die Craftbier-Szene versucht kennen zu lernen. Ich kann nur sagen, auch bei entsprechend großen Wettbewerben, also zum Beispiel dem World Beer Award, haben brasilianische Biere auch durchaus großartige Erfolge erzielt. Ich kann mich sogar erinnern, dass da ein Rauchbier seinerzeit dabei war. Ich habe mich allerdings heute nicht für ein Rauchbier entschieden. Soll ich das mal verraten, was ich mir heute überlegt habe?

Markus: Kannst du gleich machen. Vorher will ich noch einwerfen, dieses Bier aus Brasilien, was du meinst, kommt lustigerweise von einer Brauerei, die sich den Namen Bamberg gegeben hat. Also Cervejaria Bamberg ist tatsächlich auch in der Nähe von São Paulo. Ich weiß nicht, Michael, ob du die kennst?

Michael Schnürle: Ja, die kenne ich sehr gut.

Markus: Der Alexandre Bazzo ist da der Chef. Genau.

Michael Schnürle: Ja. Wir waren sehr gute Partner, würde ich sagen. Ich nenne die immer Partner, also die Bierbrauereien, die mit uns zusammen beim Tap House gleich von Anfang an zusammen waren. Das ist ja immer so eine Sache, wenn man so eine kleine Bar aufmacht, dass die Biere immer frisch sind und dass man kleine und nicht so große Fässer immer gleich kaufen muss und wann man die bezahlen darf und so weiter. Also da war Bamberg wirklich sehr dabei am Anfang und hat uns auch geholfen. Wir haben oft die Biere von Bamberg in unserer Bar gehabt. Obwohl die sind ja eher auf Lagerbiere und Weißbiere spezialisiert. Ales haben die überhaupt keine, soweit ich verstanden habe.

Markus: Ja, also zumindest deutsche Bierstile ist so das Kernthema und der hat ja auch in Bamberg bei Weyermann Praktikum gemacht und hat da auch einige Partnerbrauereien wiederum, mit denen er in Franken dann Collaboration Sude macht. Und spielt halt diese Karte mit Bamberg sehr stark. Also er hat mich jetzt grad vor ein paar Tagen angeschrieben, dass ich ihm so ein paar Tipps geben sollte, weil er unten eine Präsentation machen will über Bamberg. Also durchaus spannend. Und er kämpft sich jetzt auch gerade so durch die Corona-Zeit, weil viele brasilianische Brauereien hauptsächlich Fassbier machen und dort gab‘s ja, soweit ich weiß, mittlerweile sogar mehrere Lockdowns. Und das ist natürlich dann schon heftig für die Gastronomie.

Michael Schnürle: Es war pure Glückssache, dass wir rechtzeitig verkauft haben. Einen Monat später mussten die dichtmachen. Was ich oft gesehen habe und was auch relativ gut funktioniert hat, ist, dass diese Bierbars dann Growlers umgeschaltet haben. Die Kunden haben das dann auch mitgemacht. Da ist man vorbeigekommen, hat sein Growler abgeholt von dem Bier und hat das dann zu Hause verkostet.

Markus: Jetzt müssen wir langsam ein bisschen aufhören, über so viel Bier zu reden, bevor der Holger …

Holger: Ich wollte jetzt gerade sagen, also ihr seid ja wirklich total nett zu mir. Und sagt dann noch so nach dem Motto, wir müssen mal auf den Holgi aufpassen und dann macht ihr einfach weiter, geht zur Tagesordnung über und so, und ich sitze hier. Darf ich jetzt erzählen?

Markus: Ja, ja. Ich habe doch jetzt gerade gesagt, wir denken an dich.

Holger: Ich habe jetzt mir Folgendes überlegt und hatte mir gedacht: Wir gehen eben in ein fremdes Land, und da ist das Lagerbier absolut beherrschend, aber natürlich ist der Craftbier-Markt auch interessant. Und so habe ich mir einen alten Bierstil herausgesucht, der in der Craftbier-Szene dann auch wiederbelebt wird an der einen oder anderen Stelle. Und in dem Fall habe ich mich entschieden für ein Batzen Vienna. Also Batzenbräu ist eine Brauerei aus Bozen in Südtirol, also Norditalien, und das Vienna ist eben ein Wiener Lager. Ich mach‘s jetzt mal auf und schütte es auch ein. Da kann ich jetzt also einfach nur sagen, das hat so eine schöne leicht rötliche Farbe, ganz leichte Kupfernote, aber nur ganz leicht, ganz hell, und hat so eine opale Optik, also ist unfiltriert. Wenn man jetzt also reinriecht, dann sind ganz reichhaltige Malzaromen im Vordergrund, ein bisschen so Toastartiges, so wie man sich vielleicht ein schönes Oktoberfest-Bier auch vorstellt im Geruch. Jetzt trinke ich mal einen Schluck. Genauso, wie man es sich vorstellt. Die Malz-Komplexität, die ist nicht nur in der Nase im Vordergrund, sondern auch im Geschmack. Man hat so einen schönen karamellartigen Geschmack, einen schönen trockenen Abgang, die Malz- und die Hopfennote ist im Nachgeschmack schön da, man hat auch eine leichte Hopfenbittere, die da ist. Also eigentlich ein sehr, sehr schönes komplexes Bier. Und da ist ja auch eben ganz interessant, die Familie Dreher, da hat ja dann der Anton Dreher damals so im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts umgestellt eben auf die untergärige Brauweise, das haben viele gemacht. Und der war halt der erste, der dann eben diesen Lager-Bierstil oder den Wiener Typ entsprechend erfunden hat. Er hat dann irgendwann gemerkt, dass da entscheidend eben die Kühlung während der Lagerung ist. Und hat dann eben riesige Keller angelegt und die dann mit Eis versehen. Also ist ein ganz interessantes Thema. Und ich habe jetzt halt einfach gedacht, das ist genau richtig jetzt, wenn man über Brasilien spricht und die Craftbier-Szene. Und in dem ganzen Land, du hast es gesagt, der drittgrößte Biermarkt der Welt mit 139 Millionen Hektoliter. Da kann man Lagerbier erleben, so wie du es beschrieben hast, Michael, also Menge und eiskalt getrunken. Aber man kann, glaube ich, auch spannende Biere erleben, weil Brasilien dann auch ein Land ist, was eine Kreativität auch lebt. Und die Brasilianer probieren gerne aus und die Experimentierfreude und auch die lokalen Zutaten habe ich damals erlebt und so. Da habe ich dann gedacht, so ein Wiener Lager, das ist so wunderbar.

Markus: Es schlägt für mich auch eine Brücke nach Brasilien in eine andere Richtung, weil ja das Wiener Lager mit den Exilanten aus Österreich-Ungarn dann eben auch nach Amerika gekommen ist und in den USA und dann natürlich auch in Südamerika eine große Karriere als Bierstil hat. Jetzt sind wir aber gespannt, Michael, du hast dir wahrscheinlich eher ein deutsches Bier ausgesucht oder hast du ein brasilianisches mitgebracht?

Michael Schnürle: Ich habe mir vorgenommen, bevor wir verreisen, also raus aus Brasilien, habe ich den Rest des Lagers der Bar noch ausgetrunken, bevor wir verreist sind. Also ich habe …

Markus: Wie viele Tage warst du da im Delirium?

Michael Schnürle: Ich trinke jetzt ein ganz einfaches Bier, das habe ich hier im Supermarkt gekauft, das ist ein Altenmünster Urig Würzig. Also Flaschbier, so ein süffiges Bier. Sehr wenig Hopfen, würde ich sagen, kann man da wenig durchschmecken, eher malzig, süß, also so ein richtiges Sonntagsbier, würde ich sagen, für den ganzen Nachmittag.

Markus: Ja, passt ja auch. Wir haben ja relativ späten Abend jetzt, und ich glaube, da ist so ein schönes „Ins Bett geh“-Bier vielleicht sogar eine sehr, sehr gute Wahl.

Holger: Und die Bügelflasche, und die Bügel Flasche. Das ist …

Michael Schnürle: Genau! Die Bügelflasche, also das muss ich schon sagen, also das finde ich echt cool. Also das haben wir in Brasilien nicht, diese Bügelflaschen. Also ich finde das irgendwie cool, diese Flaschen aufzupoppen, also das Geräusch, das dann kommt, das ist ein Erlebnis, noch ein neues Erlebnis für mich.

Markus: Gibt’s in Brasilien irgendeine Brauerei, die Bügelflaschen hat?

Michael Schnürle: Nein, das sind dann alles importierte Biere. Ich glaube, die werden überhaupt nicht gemacht diese Bügelflaschen in Brasilien, die bekommt man auch gar nicht. Es sei denn, man hebt sie sich selber auf und wäscht sie und benutzt sie dann wieder.

Holger: Was mich jetzt noch interessieren würde, wenn du sagst, ja, das ist einfach süffig und löscht den Durst, und das stimmt ja auch bei dem Bier ganz genau, aber wenn du dir jetzt brasilianische Speisen vorstellst und jetzt dieses deutsche Bier trinkst, was würdest du jetzt brasilianisches Essen dazu kombinieren? Erzähl doch mal, was würde gut passen?

Michael Schnürle: Eigentlich ist es ja so, also diese ganze Vielfalt an Lagers, die es hier in Deutschland gibt, ich will jetzt nicht unhöflich sein und sagen, dass das alles eins und dasselbe ist, weil das ja natürlich nicht eins und dasselbe ist, aber wenn ich zum Beispiel in den Supermarkt gehe und ich habe da 50 verschiedene Biere nebeneinander stehen, die alle eigentlich Variationen von Weißbier und von Lagerbier sind, bei mir kommt das alles so mehr oder weniger sehr ähnlich an. Lager ist halt das weit und breiteste Bier in Brasilien überhaupt. Also das passt eigentlich zu allem, was in Brasilien losgeht. Die Gastronomie ist auch sehr vielfältig, das ist sehr unterschiedlich, wo man gerade ist. Aber nachdem es in Brasilien meistens heiß ist, also warm, richtig warm, dann passt also gutes Lagerbier oft und meistens dazu. Kommt auch vor, dass man halt diese Speisen hat, die dann schon mehr Pfeffer dranhaben oder halt mehr gewürzt sind. Also dann passen natürlich die ganzen Ales, hauptsächlich die IPAs und die ganzen American Pale Ales, und das passt dann auch gut zusammen. Wobei ich sagen muss, dass heutzutage in der Bierszene die meisten Leute dann in diesem Tap House, normalerweise essen die dann Hamburger. Weil das halt das ist, was es dazu gibt. Also ist relativ einfältig dann das Essen, was es zu dem Craftbier normalerweise gibt. Craftbier ist noch nicht in den richtig guten Restaurants ein verbreitetes Angebot in Brasilien. Leider.

Holger: Aber ich habe so in Erinnerung, das Craftbier wirklich teuer ist in Brasilien. Also so 10 Dollar für ein Pint war keine Hürde.

Michael Schnürle: Das kann sein. Kommt drauf an, wo man ist und welches Bier man trinkt. Man muss bedenken, dass wenn man in so Delirium Café geht oder halt diese ganz traditionellen Tap House, die haben dann auch oft importierte Biere. Und die sind dann halt teuer, weil unsere Währung in Brasilien nichts wert ist. Im Moment ist es ja ganz heftig, also 1 Euro kostet über 6 Reals, also das Sechsfache. Wenn man nach Brasilien geht und sich die Preise anguckt, dann ist man als Deutscher erst mal überwältigt, das ist alles teuer, aber wenn man es dann umrechnet, ist es doch nicht so teuer. Es kommt dann drauf an, wann du da warst und wie der Wechselkurs stand. Ich habe darauf aufgepasst, dass unsere Biere, also die Biere vom Fass nicht mehr als 30 Reals der Pint gekostet haben. Das ist weniger als 5 Euro jetzt. Wenn ich jetzt mir hier überlege, was man hier für ein Pint in Frankfurt für Craftbier nimmt, ist das nicht sehr unterschiedlich, oder?

Markus: Ja, das stimmt. Wobei ich meine Reals, die ich zu Hause auch noch habe, tatsächlich, glaube ich, mit 4 zu 1 oder sowas getauscht habe. Da kommen wir dann schon fast an die 10 Euro hin. Aber das das stimmt natürlich, wenn der Kurs so nach unten gegangen ist, ist das natürlich auch krass. Wobei ich auch sagen muss, ich habe auch Freunde in Argentinien und da ist es ja noch viel krasser, was den Währungsverfall angeht.

Michael Schnürle: Genau!

Markus: Das ist ja ganz schlimm.

Michael Schnürle: Und natürlich ist dann auch da dazu zu sagen, also dass sowohl Hopfen als auch ein guter Teil von Malz in Brasilien noch importiert werden. Also Hopfen sowieso und Malz zum Teil auch. Das hängt dann auch alles vom Wechselkurs ein bisschen ab und das ist halt teuer. Also die Vermarktung von Bier in Brasilien ist teuer wegen der Logistik. Die Entfernungen sind ja so groß. Ich kann mich jetzt nicht daran erinnern genau an meine Geografieunterrichte in der Schule, aber ich glaube, der restliche Teil Europas sollte schon locker in Brasilien reinpassen, oder?

Markus: Ich glaube schon. Ja.

Michael Schnürle: Ja, eben.

Markus: Wenn ich mich richtig erinnern kann, habe ich auch so eine Grafik gesehen, allerdings in Brasilien. Aber man hat wirklich gesehen, dass Europa da tatsächlich reinpasst. Das ist schon gigantisch, merkt man auch, wenn man dahinfliegt, fliegt man ja Stunden über den Regenwald. Also das ist schon durchaus beeindruckend. Gott sei Dank noch. Jetzt würde ich aber schnell noch mein Bierchen aufmachen, wenn ihr erlaubt?

Michael Schnürle: Ja, bitte.

Markus: Weil jetzt habe ich nämlich langsam auch Durst, muss ich sagen. Und ich habe in meinem Kühlschrank mal geguckt, was habe ich denn da noch stehen, was ganz Exotisches. Weil ich mir jetzt gedacht habe, okay, da kann man jetzt mal, wenn man quasi nach Brasilien geht, kann man ja mal schauen. Und ich habe da eine schwarze Dose, da steht drauf Carbon Brews und dann 1 IBU, ein Hazy Pale Ale mit 4,7 % und eben 1 IBU. Also heißt, so gut wie gar nicht bitter. Jetzt bin ich mal gespannt, schauen wir mal. Also wie ihr gehört habt, eine Dose, und zwar ordentlich unter Dampf. Schauen wir mal. Jetzt muss ich hier erst mal ein bisschen warten, bis sich das Ganze gesetzt hat. Ach so ja, und es kommt übrigens aus Hong Kong. Also auch ganz interessant, eine Brauerei, wo man jetzt nicht alle Tage lang vorbeikommt. Und hat mir ein Freund mitgebracht. Und wenn man sich das Ganze anschaut, also zumindest das Thema Hazy Pale Ale, ist komplett getroffen. Also man kann fast, nein, man kann nicht durchgucken, also sehr milchig trüb die ganze Angelegenheit. Obendrüber ein relativ grobporiger, aber dichter Schaum. Und es riecht in der Tat sehr fruchtig, so Pfirsich, Maracuja in die Richtung. Mal gucken. Mhm (bejahend). Schmeckt man auch. Und ich schmecke schon eine gewisse Bittere. Also 1 IBU würde ich jetzt nicht sagen, ich würde es eher so in den 20, 25 einsortieren. Aber es ist schmackhaft. Und wenn jemand mal sowas in die Hand bekommt, Carbon Brews aus Honk Kong, dann gerne mal probieren, ist ein sauberes, schönes, sehr fruchtiges und spannendes und auch seltenes Bier. Prost!

Michael Schnürle: Prost!

Holger: Prost!

Michael Schnürle: Markus, vielleicht kannst du mir ja was beibringen wegen IBU. Wir haben öfters ein Gespräch gehabt in der Bar, dass IBUs so eigentlich relativ wären. Das, was man abmessen kann und das, was man dann abschmecken kann, kann eigentlich ganz verschieden sein. Stimmt das?

Markus: Im Grunde ist es eine rein rechnerische Größe. Also es gibt den Hopfen natürlich als Inhaltsstoff und der hat Bitterstoffe. Und dann kann ich ausrechnen, wie viel Kilo Hopfen gebe ich auf wie viel Liter meines Bieres, und habe dann praktisch ein Verhältnis, wenn ich weiß, soundso viel Prozent in meinem Hopfen, 10 % zum Beispiel sind Bitterstoffe, und ich habe dann eben 500 Gramm auf 100 Liter Bier, dann kann ich ausrechnen, wie viel Bitterstoffe ich in diese 100 Liter Bier gebe. Und da kommt dann rein rechnerisch die Bittereinheit dabei aus. Also das ist der rechnerische Wert, und der ist jetzt zum Beispiel bei einem hellen Bier so um die 20, bei dem Pils so um die 30, 35, und kann dann eben bei einem IPA auf 40, 50 und so weiter steigen, bei einem Weizen haben wir vielleicht 10. Also so in diesem Rahmen bewegt sich das. Und der andere Punkt ist aber, dass der Alkohol im Bier die Bittere, also zumindest in der Wahrnehmung, reduziert. Das heißt also, wenn ich ein sehr alkoholhaltiges Bier habe, dann merke ich die Bittere weniger, das heißt, auch dann schmecke ich, wenn ich zum Beispiel ein Pils mit 5 % und 35 Bittereinheiten habe, und dann habe ich ein Pale Ale mit 7 % und auch 35 Bittereinheiten, dann kommt mir das Pale Ale wesentlich weniger bitter vor, weil es mehr Alkohol hat. Also insofern ist es da oft auch eine Frage der Wahrnehmung und dann hat es auch noch was damit zu tun, wann kommt dieser Hopfen in das Bier? Ich kann den im normalen Brauprozess reingeben, dann überträgt sich eben ein gewisser Teil der Bittere, ungefähr ein Drittel. Oder ich kann den zum Beispiel Hopfenstopfen, Dry Hopping sagt man da auf Englisch. Wenn das Bier eigentlich schon fertig ist, dann überträgt sich noch wesentlich weniger von dieser Bittere, aber mehr von den Hopfenölen, weil das Bier dann eben schon kalt ist und die Hopfenöle im Kalten nicht verdunsten oder verdampfen, was sie normalerweise eben im heißen Bereich des Bieres noch tun. Das ist ein ziemlich komplexer Begriff insgesamt, aber die Bittereinheiten sind eher so ein Richtwert, also jetzt weniger etwas, wo ich genau weiß, was ich erwarten kann. Aber 1 IBU auf diese Dose zu schreiben ist schon ein bisschen mutig, muss ich sagen.

Michael Schnürle: Das ist Marketing, würde ich sagen.

Markus: Das glaube ich auch.

Holger: Die Zielgruppe ist ja hier ein Franke und da sind ja IBUs, ganz viele IBUs ganz furchtbar.

Markus: Allerdings! Ja. Aber habe ich es richtig erklärt, Holger?

Holger: Absolut! Du hast es richtig erklärt. Ja.

Michael Schnürle: Also vielen Dank! Ich hatte so eine Vorstellung, aber so richtig erklärt habe ich das nie bekommen.

Markus: Dann haben wir das doch jetzt mal nachgeholt. Das ist doch sehr schön.

Michael Schnürle: Genau!

Holger: Dazu kommt natürlich, dass die Wahrnehmung vollkommen unterschiedlich ist. Man kann ja ein IBU haben mit 85 Bittereinheiten und du hast halt eine schöne Kalthopfung. Die Bittere wird eben durch die Fruchtigkeit des Hopfens so ein bisschen umarmt, eingebunden. Und dann ist Das Empfinden doch wieder weniger, aber du hast trotzdem 85 IBUs. Das ist auch der Grund, warum ich in Verkostungen eigentlich nicht so gerne mit den Werten arbeite, weil sofort so ein Kopfkino anfängt. Dann sagst du halt, ein deutsches Pils hat so zwischen 25 und 35 IBUs und jetzt kommst du mit einem IPA mit 85. Und dann denkt jeder sofort: Um Gottes Willen! Das ist ja mehr als doppelt so bitter wie jetzt ein Pils. Und kann dann aber doch wieder in der Wahrnehmung ganz anders sein. Also ist ein Feld, aber man kann’s errechnen, man kann‘s auch messen, aber letzten Endes ist ja immer derjenige, der trinkt, entscheidend für den zweiten Schluck. Und davon leben wir ja alle.

Michael Schnürle: Mhm (bejahend).

Markus: Es gibt noch eine lustige Geschichte. Der Mikkeller hat ein Bier gemacht mit 1000 IBU. Da hat er halt einfach Unmengen an Hopfen verwendet, um das Bier herzustellen. Und da hat man dann wirklich mal überlegt: Okay! Ist das überhaupt möglich? Weil der Geschmack des Bieres war natürlich bitter, aber jetzt nicht so bitter im Verhältnis. Und dann hat man untersucht und festgestellt, dass es auch einfach eine Sättigung gibt in dem Brauwasser. Das heißt, es kann nur bis zu einer gewissen Menge Bitterstoffe überhaupt aufnehmen und danach kann ich noch so viel Hopfen und Bittere reingeben, das Wasser wird es einfach nicht mehr aufnehmen können. Das ist so, wie wenn du Zucker in deinen Tee tust und irgendwann kannst du halt noch mehr und noch mehr und noch mehr Zucker reingeben, aber er löst sich nicht mehr auf. Deswegen ist es dann rechnerisch eine sehr hohe Bittere, aber real endet das dann irgendwo so bei 100, 120. Da kann man einfach gar nicht mehr Bittereinheiten überhaupt reinkriegen, weil eben das Wasser das gar nicht mehr schluckt. Also insofern ist da dann auch viel Marketing dabei. Wie habt ihr denn die Biere ausgewählt für eure Bar?

Michael Schnürle: Das haben wir wirklich erlernen müssen, als eigentlich spezifisch ich. Ich war dafür verantwortlich. Ich muss schon sagen, also wir haben die Bar geöffnet, ich war dabei eigentlich nur, weil ich dann einen guten Weg hatte, gutes Craftbier für gute Preise zu trinken selber. Es war wirklich ein Lifestyle-Business. So hat es auch dann gut geklappt in dem Zusammenhang. Ich war als Investor dabei, ich hatte einen Partner, der hat das jeden Tag geschmissen, also der war jeden Tag da und hat aufgemacht. Und wir haben auch wirklich jeden Tag gearbeitet von Montag bis Montag. In Brasilien ist das üblich, da macht man am Sonntag nicht zu, das kommt gar nicht in Frage. Also sonntags sind die Leute auf der Straße und wollen essen, trinken, Party machen und wollen sich amüsieren. Und da muss man arbeiten, muss man offen sein in der Gastronomie. Das haben wir dann auch gemacht. Und ich war dann verantwortlich halt, ich sollte die Biere aussuchen, und ich musste dann auch halt die Preise feststellen, also errechnen und den Price Point finden, der dann auch für uns funktioniert. Es ist in São Paulo eigentlich so, wir sind so weit mit Craftbier gekommen, dass in den, sagen wir, durchschnittlichen, also Nachbarschaften, haben die meisten Nachbarschaften schon mindestens eine Craftbier Bar in der Nachbarschaft. Also man kann schon hinlaufen, was in São Paulo schon sehr viel bedeutet. Man läuft hier sehr wenig und fährt sehr viel und sitzt auch oft im Stau. Und wir haben die Bar glücklicherweise gleich bei uns zu Hause um die Ecke geöffnet, damit wir auch selber dahinlaufen konnten oder mit dem Fahrrad oder so. Und wir haben uns dann halt die Biere so ausgesucht, dass die vom Preis her auch funktioniert haben, hauptsächlich. Also wir haben uns fest vorgenommen, keine Biere zu verkaufen, die mehr als 27 oder 28 Reals kosten würden der Pint. Wobei unsere drei festen Biere, also wir hatten ein IPA, ein Lager oder Pils, und ein Weißbier, hatten wir so fest immer. Also das waren unsere festen Zapfen da. Die haben alle 18 Reals gekostet, nur Lager war etwas billiger, so 15 Reals oder so. Weil wir halt gemerkt haben, dass unsere Kunden aus der Nachbarschaft nicht bereit waren, viel mehr Geld auszugeben an einem Pint als diese 27, 28 Reals. Und dann habe ich eigentlich rückwärts gearbeitet, vom Preis aus dann gesucht, welche Biere funktionieren würden und welche Brauereien die besten Biere in dieser Preis-Marge liefern konnten. Und so haben wir die dann ausgesucht. Also wir hatten 8 Zapfen, 8 Taps, von denen hatten wir immer also die 3 festen Taps, und dann die anderen 5 haben wir dann versucht, so oft wie möglich auszuwechseln, also neue Biere daran zu zapfen. Also so oft wie möglich neue Biere dazuhaben, zu bieten. Aber normalerweise war es so, von den 8 Taps waren mindestens 5 Ales. Also der Brasilianer, der Craftbier trinkt, der hat Lust auf Ales. Sowohl IPAs, APAs, die große Mode sind jetzt die Juicy und New Englad IPAs, also diese ganz saftigen IPAs, und Double IPAs und Imperial IPAs. Dunkle Biere haben wir kaum verkauft, als Porter und Stout und so weiter, das war nicht oft der Fall. Also in São Paulo im Winter haben wir das manchmal gemacht. Das sind aber Biere, die schwerer sind zu verkaufen so in einem Tap House. Und wir hatten auch oft Sour Ales. Vielleicht kann der Markus ja mir auch noch was drüber beibringen, oder der Holger, über diese einzige brasilianische Biervarietät da, diese Catharina Sour, ob das wirklich etwas spezifisches Brasilianisches ist oder eigentlich nur eine Berliner Weisse oder eine neue Art von Berliner Weisse. Das hatten wir auch, das kam auch gut an, hauptsächlich bei den Frauen, also unter unseren Kunden. Wir mussten auch den Leuten noch ein bisschen beibringen, was Craftbier ist. Es war oft der Fall, dass die Leute kamen und haben gesagt: Na, Lust auf ein Bier? Und die Leute haben gesagt: Ja, gib mir mal so ein ganz normales Bier. Da haben wir halt mit Pilsen oder Lager angefangen und haben dann ein bisschen raufgearbeitet, APA und mal vielleicht ein Vienna Lager. Halt versucht, die IBUs ein bisschen raufzuarbeiten. Wir haben dann auch etliche Kunden sozusagen ausgebildet. Die waren uns dann auch treu.

Markus: Ja, das klingt doch faszinierend. Holger, soll ich kurz noch was zum Catharina Sour sagen oder magst du?

Holger: Unbedingt! Mach mal!

Markus: Ja, also kann ich gerne machen. Das ist ein Bierstil, und du hast schon zu Recht gesagt, die Basis ist die Berliner Weisse. Das Spannende ist allerdings, dass man die Berliner Weisse genommen hat, wie man sie, ich sag mal, vor 20 Jahren ungefähr in Deutschland bekommen hat. Das ist ein rein kesselsaures Bier, also mit Milchsäure gesäuertes Bier, was in Berlin dafür gemacht worden ist, mit Sirup getrunken zu werden, also mit Waldmeister oder mit Himbeersirup, und gar nicht pur als Getränk. Und da haben dann damals schlaue Köpfe in Brasilien bei den Brauereien gedacht, weil ja auch viele deutsche Wurzeln haben oder zumindest gerne sich an deutsche Bierstile anlehnen wollten, dass sie diese Berliner Weisse nehmen. Aber eben statt Waldmeister und Himbeere, was typische Früchte beziehungsweise Aromen hier in Deutschland sind, haben sie dann eben Früchte aus dem Regenwald genommen, alle möglichen, die da so in Brasilien wachsen, und haben das dann zugegeben nicht als Sirup, sondern als frische Frucht, und dann daraus eben einen neuen Bierstil kreiert in dem Bundesstaat Santa Catarina. Deswegen eben auch der Name Catharina Sour. So seit zwei, drei, vier Jahren sagen die Brasilianer auch, das ist unser eigener Bierstil. Ich hatte da durchaus kleine Diskussionen mit den Leuten unten, als ich bei einem Wettbewerb war. Weil, was ich sehr schade finde, ist, dass eben das, was bei uns bei der Berliner Weisse passiert, dass man die alten Stile wiederentdeckt, und da geht es eben nicht um reine Milchsäureregulierung, sondern da geht’s eben um wilde Hefen, um Aromen, die eben weit darüber hinausgehen. Das haben die in Brasilien gar nicht zugelassen im Wettbewerb für ein Catharina Sour. Und das ist natürlich schade, weil das ja eigentlich der Urbierstil ist. Aber auf jeden Fall eine ganz spannende Geschichte. Und dadurch, dass es eben so viele schöne Früchte und frische Früchte und aromatische Früchte gibt im Regenwald oder überhaupt in Brasilien, gibt’s da ganz, ganz tolle Variationen. Und ich habe eigentlich kaum eins bekommen, was mir nicht geschmeckt hat. Und habe auch die teilweise mit nach Deutschland genommen und hier auch in Veranstaltungen verwendet, und die Leute waren da auch immer total begeistert. Also auf jeden Fall eine coole Sache. Ich glaube, Holger, wir hatten uns auch schon mal drüber unterhalten über überhaupt diese Natur in Brasilien, die halt ganz anders ist als bei uns in Deutschland, wo eben alles am Leben und am Blühen und am Wachsen ist, und eben die Menschen da auch so drauf sind, oder? Hast du doch auch so erlebt.

Holger: So ist es. Also absolut! Das schwappt über auf die Mentalität. Ich bin total begeistert. Ich war da wahnsinnig gern und man muss vielleicht auch noch mal jetzt zum Schluss die wirklichen, also ich weiß gar nicht, ob ich das so sagen darf, die Klassiker. Aber für mich zum Beispiel ist halt so eine Brauerei wie Eisenbahn, das ist so typisch für mich irgendwie. Das hast du ja auch gerade vorhin schon angesprochen, da sind dann halt einfach Auswanderer nach Brasilien gegangen und haben die Bierkultur dann auch mitgenommen. Und dann heißt halt so eine Brauerei Eisenbahn. Und da war ich auch. Also das ist unbeschreiblich. Es ist schon toll, wenn man andere Kulturen auch so kennenlernen kann und sich dann doch sofort verbinden kann, weil eben das Bier dann der gemeinsame Nenner ist, der dann alles wieder verbindet. Das fasziniert mich halt immer wieder.

Markus: Jetzt würde mich zum Schluss noch interessieren, Michael, du bist ja rübergekommen jetzt mit deiner ganzen Familie, mit deiner Frau, mit deinen Kindern. Vielleicht, wenn du uns da noch mal einen kurzen Überblick gibst, wie groß ist denn deine Familie und wie sind jetzt eure Pläne? Oder seid ihr wegen der Corona-Geschichte gekommen? Oder wolltest du allgemein eher dich nach Deutschland orientieren? Oder wie kam das überhaupt?

Michael Schnürle: Ich bin jetzt, ich glaube, 15 Jahre verheiratet und meine frau ist Brasilianerin. Die hat sich eigentlich wahrscheinlich irgendwann vor 15 Jahren mal eine Hoffnung gemacht, ja, ich verheirate mich jetzt mit dem Schnürle, das geht jetzt bestimmt irgendwann bald ab nach Deutschland. Und das ist auch nicht passiert. Ich habe da sehr lange mich gewehrt, nach Deutschland zu ziehen, obwohl sie das immer vorgeschlagen hat oder öfters vorgeschlagen hat. Wir sind zu viert, eigentlich zu fünft, der Hund ist ja auch mitgekommen. Aber ich habe zwei Töchter, die eine ist neun Jahre, gestern neun Jahre alt geworden, und die älteste ist 13 Jahre alt. Sowohl die beiden Mädchen als auch meine Ehefrau, die sprechen noch kein oder sehr wenig Deutsch. Wir haben zu Hause kein Deutsch gesprochen, das habe ich verpasst mehr oder weniger, sagen wir so. Aber die lernen das jetzt, die müssen das jetzt aufholen. Und was uns nach Deutschland gezogen hat, sagen wir mal, also erst mal, ich war geschäftlich, würde ich sagen, an einem Punkt, wo alles in den letzten Jahren ziemlich gut gelaufen ist und ich konnte es mir auch leisten, sagen wir mal, jetzt ein Jahr lang nicht zu arbeiten oder nicht auf ein Gehalt zu arbeiten, sagen wir mal so. Und dann kam dazu, dass wenn man in São Paulo als Erwachsener oder als Ehepaar ohne Kinder gut verdient, ist São Paulo eine richtig tolle Stadt zum Leben. Also was da einem angeboten wird an Gastronomie, an Entertainment, also alles, alles. Es gibt alles und jederzeit bekommst du alles, was du möchtest. Du musst halt nur die Mittel haben und die Zeit haben. Aber für Kinder ist es nicht so eine freundliche Stadt. Also man hängt sehr viel von dem Auto ab, die Kinder mussten morgens in die Schule gefahren werden und dann mittags abgeholt werden und dann in den Club gefahren und dann nachmittags wieder nach Hause gefahren. Die haben für alles von uns beiden, also von meiner Frau und von mir abgehängt, weil sie halt nichts alleine machen durften. Also wir sind dann zum Schluss gekommen, dass wir den beiden Mädels das geschuldet haben, denen zu zeigen, dass es woanders auf der Welt auch anders sein kann. Uns war es wichtig, dass sie lernen halt, mit der Freiheit umzugehen und die auch selber zu erleben. Und das tun sie jetzt auch ganz gewaltig. Wir leben hier in Frankfurt auf dem Riedberg, das ist so ein neues Viertel, und die Kinder sind frei. Also sie fahren mit einem Roller. Das ist für euch eigentlich so selbstverständlich, aber für uns Brasilianer nicht. Also die fahren frei mit dem Fahrrad oder mit dem Roller und die sagen ganz einfach, ja, wir gehen auf den Spielplatz und ich mache mir keine Sorgen, wo sie sind und mit wem sie sind. Also das passt alles. Und der Hund, der hat auch gleich gelernt auf Deutsch sich zu verständigen und so weiter, also der ist auch ganz froh. Also wir haben uns alle sehr schnell eingelebt hier. Die Mädchen bemühen sich jetzt halt Deutsch zu lernen, wobei ich auch sagen muss, es ist schon erstaunlich, wie gut oder wie sehr die deutschen Schulen, auf jeden Fall hier in Frankfurt, darauf vorbereitet sind, Nicht-Deutschsprachige aufzunehmen und denen Deutsch beizubringen. Also das finde ich ganz toll. Also das wäre ja eigentlich nicht unbedingt so selbstverständlich, aber ist es, so ist es. Und das funktioniert dann auch. Also ich muss schon sagen, wir haben bisher nur die Vorteile gesehen rüber zu ziehen. Wir sind nicht vor Corona geflüchtet. Also ich muss schon sagen, wir haben in São Paulo sehr gut gelebt. Ich habe dort ein eigenes Haus, wo wir gelebt haben, ein großes Haus. Okay, wir hatten halt Quarantäne, wir mussten zu Hause bleiben. Aber ich meine, jeder hatte seinen eigenen Computer, wir hatten einen guten Internetanschluss, wir hatten Platz. Uns ging‘s nicht schlecht zu Hause. Also das war kein Problem. Wir hätten das auch abwarten können. Aber es war halt eine gute Gelegenheit, jetzt rüber zu kommen nach Deutschland. Also ich habe bis vor kurzem noch weiterhin für das Geschäft in Brasilien über Internet, also über Homeoffice gearbeitet. Das ist jetzt auch vorüber. Aber bisher habe ich das dann auch machen können. Die Kinder hatten sowieso schon ihre ganzen Routinen aufgegeben. Ich muss schon sagen, also der Umzug war dann schon viel einfacher als im Normalfall, wenn man sich von allem verabschieden muss und alles auflösen muss.

Markus: Klingt zumindest, als würden die Zeichen ja auf gut stehen. Als insofern vielen Dank, dass du uns diesen Einblick gegeben hast in dein Vorleben sozusagen. Und ich denke mal, wenn jemand Interesse hat, mehr über Brasilien oder Kontakte vielleicht auch zu haben oder sowas, der kann sich ja bei dir melden, du hast eine Facebook-Seite und eine Instagram-Seite.

Michael Schnürle: Genau!

Markus: Und die werden wir auch in den Shownotes verlinken vom Podcast, sodass ihr dahinkommt. Und insofern wie gesagt, vielen, vielen Dank für diese schöne halbe, dreiviertel Stunde mit dir und für die vielen Geschichten und Informationen, und auch dafür, dass wir diese Biere zusammen gemeinsam genießen konnten.

Holger: Auch von meiner Seite aus, also war ein spannendes Gespräch, ein spannender BierTalk. Da kann man mal wieder sehen, also wie das Schicksal mit uns allen spielt, oder? Also was verbindet uns? Eben das Thema Bier. Das ist doch großartig.

Michael Schnürle: Genau! Prost!

Markus: Perfektes Schlusswort. Prost! Vielen Dank! Und Tschüss an unsere Hörer.

Michael Schnürle: Vielen Dank! Tschüss!

Holger: Tschüss!

Markus: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 36 – Interview mit Thomas A. Vilgis, Professor für Physik an der Universität Mainz und Autor von BeerPairing

Als kochender Physiker arbeitete sich Thomas A. Vilgis in den letzten zehn Jahren intensiv in die Welt der Aromen und deren physikalische Aspekte ein. Dieser zweite Bildungsweg bescherte uns unter anderem das geniale Buch „BeerPairing“, in dem Vilgis die Aromen des Bieres in verschiedene Klassen einteilt und dabei unter anderem auch die „Bierlücke“ entdeckte. Im BierTalk mit Markus Raupach und Holger Hahn schaut er auf seine persönliche kulinarische Entwicklung zurück und gibt spannende Einblicke in seine aktuelle Forschung. Am besten gefiel den beiden Gastgebern das Fazit des Physikers: „Bier ist Superfood!“

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks. Wir sind jetzt schon bei der Nummer 36 angelangt und haben uns natürlich wieder einen besonderen Gast eingeladen. Vorher natürlich am Mikrofon wie immer ich, der Markus, und …

Holger: … der Holger.

Markus: Genau! Und unser Gast ist diesmal eine ganz spannende Person. Man könnte sagen, ein kochender Physiker oder ein Sensoriker oder ein Mensch, der einfach Neuland auch im ganzen Gebiet rund um die Ernährung betritt. Das ist der Thomas Vilgis, seines Zeichens Professor, und wird sich jetzt gleich selber mal ganz kurz vorstellen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Guten Tag! Es freut mich, hier zu sein, und es freut mich auch, an so einem BierTalk einmal teilzunehmen. Wie es Markus auch gerade schon eingeführt hat, ich bin also jetzt nicht der große Bierpapst und auch schon gar nicht der große Bierenner, sondern ich gehe das einfach ein bisschen von meinem Fachgebiet her an und das ist eben die Physik, das ist die Chemie, das sind im weitesten Sinne die Naturwissenschaften, da gehört nun ja auch das Bier dazu, das ich sehr gerne trinke, und mein molekularer Verstand. Das ist für mich immer wichtig, dass man dort einfach die Zusammenhänge erkennt. Und das ist so eigentlich auch mein Leben. Deswegen, auch wenn ich koche, wie es gerade so schön von Markus gesagt worden ist, im Grunde Physiker, auch da ist natürlich das Ziel, immer etwas zu verstehen, was molekülbasiert ist. Also ich tauche ganz tief ein in die Soßen und somit auch in das Bier und schwimme dann drin rum und schaue um mich herum, was sind denn da für Moleküle und was machen die überhaupt mit mir? Also ich bin wie so ein kleines Uboot, das da in allen möglichen Lebensmitteln eintaucht und versuche eben, dieses Molekulare eben besser zu verstehen.

Markus: Das war jetzt schon ganz tolles Kopfkino. Ich habe mir grad schon vorgestellt, wie das Molekül so rumfährt. Aber ein bisschen Understatement ist es doch, denn immerhin gehörst du zu den Personen, die ein Buch zum Thema Bier geschrieben haben, nämlich das Buch BeerPairing, wo du auch die Biere nach ihren Aromen und verschiedenen Kategorien eben ein bisschen aufgeschlüsselt hast und Empfehlungen gibst, was man dann dazu eben kombinieren kann. Und das ist schon ein bisschen Standardliteratur auch für alle Leute, die sich mit dem Thema Bier beschäftigen. Also insofern könnte man vielleicht noch grundsätzlich sagen: Du trinkst schon auch Bier gerne, oder nicht?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ich trinke jeden Tag ein Bier, das ist also für mich immer abends eigentlich der perfekte Einstieg zum Essen. Jetzt trinke ich da nicht gleich eine ganze Flasche, sondern ich teile das Bier mit meiner Frau. Das heißt, das nimmt dann eben den Aperitif ein. Das heißt, da wird eben dann tatsächlich eben der Magen präpariert. Da ist man ein bisschen Nüsse dazu, vielleicht auch mal das eine oder andere, eine Wurstscheibe. Also so wie das sind Frankreich eigentlich auch üblich ist, das haben wir dort immer sehr schön gesehen, weil natürlich immer das Getränk hat auch eine bestimmte Funktion. Also das Bier ist mit Sicherheit auch ein guter Durstlöscher, das gebe ich auch zu. Und grad in Sommertagen und so warmen Herbsttagen, wie wir das jetzt haben, ist das also ein idealer Aperitif. Weil Bier hat natürlich eine großartige Funktion, es ist bitter, es ist leicht süßlich, es dominiert aber doch bitter und es ist natürlich etwas ganz Großartiges, das als Aperitif zu verwenden.

Markus: Holger, jetzt habt ihr was gemeinsam, er trinkt auch jeden Tag ein Bier, oder?

Holger: Ja. Nee, absolut. Also ich sage das ja immer, dass das gesund ist, dass das der Beweis ist, dass Gott uns liebt und so. Und ich bin schon ganz gespannt, weil jeden Tag habe ich ja Glücksgefühle für Gaumen, Auge und Nase. Und jetzt einfach mal molekulare Eigenschaften damit zu verbinden, ja, hört sich spannend an. Mal sehen, was sich da mir noch Neues aufschließt.

Markus: Jeder hat ja ein Bier mitgebracht. Vielleicht magst du anfangen, uns deines vorzustellen?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ich fang mal an mit dem regionalen Bier, das ich hier aus Mainz mitgebracht habe. Das ist also eine kleine Mainzer Brauerei, das ist das Eulchenbier, das ist die Eulchen GmbH. Mit dem Bier hat es eine ganz besondere Bewandtnis, also das ist eigentlich eher nicht so molekular, sondern eigentlich eher emotional, weil einer der Brauer, also der Herr Vogel, das ist jemand, der aus meinem Heimatort kommt, nämlich von der Schwäbischen Alb aus Oberkochen. Und das war eigentlich unser alter Nachbar, also der Vater war unser alter Nachbar, und der war auch dann Förster und Forstbeauftragte in dem Ort. Und sein Sohn hat sich aufgemacht und braut Bier in Mainz. Also ihn verschlug es ähnlich wie mich nach Mainz. Und deswegen ist da auch eine besondere emotionale Bindung da. Und die machen eigentlich ganz ausgezeichnete Biere. Die machen jetzt nicht die ganz absurdesten, verrücktesten Biere mit den wildesten Hopfen und den wildesten IPAs und den bittersten Bitterbieren, sondern das sind eigentlich sehr süffige Biere. Die folgen eigentlich schon ein wenig dem klassischen Bierstilen, wenn auch natürlich mit Abweichungen, dass ein Weizen mehr gehopft ist und all solche Sachen. Zu Anfang der Corona-Krise haben sie sich etwas überlegt, sie machen Rettungsbier. Das ist also ein Kellerbier gewesen, naturtrübes Kellerbier, und da diente der Erlös, als da kostete der Kasten Bier so mit 0,3 Fläschchen kostete 65 Euro. Das ist also ein stolzer Preis. Aber der Erlös ging natürlich zur Rettung der Mainzer Gastronomie, also alle möglichen Gastro-Betriebe haben dann eben einen Zuschuss bekommen, also Wirtschaften und Gaststätten und Restaurants. Und deswegen habe ich das heute mitgebracht. Das ist sozusagen die letzte Flasche aus diesem Kasten. Und ich mache das gerade mal auf.

Holger: Was ja auch sehr schön ist, wenn man Vogel heißt und dann ein Eulenbier macht. Also das finde ich sehr lustig.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das ist mit Sicherheit Zufall gewesen. Und ich schenke das mal ein. Das hat also eine wunderbare Schaumbildung. Das ist also eine große Klasse. Der Schaum, der riecht schon sehr angenehm. Man riecht also tolle, fruchtige Aromen. Also da sieht man schon, dass mit dem Hopfen ein bisschen gespielt wird. Da sind so citrus-artige Aromen. Es ist auch das Bitterhopfige dabei, also eher das Waldige und das Harzige. Wenn man das riecht, dann hat man schon richtig Durst. Und der Schaum ist also kleinporig, fast schon cremig. Das heißt, da ist noch viel eigentlich an grenzflächenaktiven Substanzen vorhanden. Jetzt sind wir schon mitten in der molekularen Welt des Bieres. Der Schaum ist oben großporig, also wenn man von oben ins Glas schaut, dann ist es aber auch dann eher so schon cremiger Schaum, kleinporig. Und insofern bleibt der lange bestehen. Und wenn ich da jetzt ein Schlückchen nehme, dann ist da ein bisschen Restsüße vorhanden. Es ist ein toller Bittergeschmack, das macht sehr viel Freude auf der Zunge. Es hat ein tolles Mundgefühl. Es ist also auch von der Mundfülle sehr angenehm. Und es wirkt, der Bittergeschmack bleibt nicht zu lange auf der Zunge stehen. Man hat also kein zu langes Oral Coating, wie man im Neuhochdeutsch sagt. Also das benetzt die Zunge zwar kurzzeitig, aber nicht zu lange. Also man kann es einfach auch gut zum Essen trinken. Also es ist auch ein perfekter Aperitif. Und man sieht schon, mir läuft immer noch das Wasser im Mund zusammen. Da ist ganz ordentlich was los auf der Zunge.

Markus: Ich weiß nicht, ob du den mal kennengelernt hast, ein Freund von uns, der Dominik Maldoner war eine Zeit lang auch Braumeister beim Eulchen. Da war ich auch mal dort und der hat mir ganz viele Biere gezeigt und also ganz toll. Und ins Weizen habe ich mich am meisten verliebt, muss ich sagen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das ist also auch eines meiner Lieblingsbiere von der Brauerei. Das ist ein bisschen außergewöhnlich, da hat man eben nicht nur diese Banane in der Nase, sondern man hat eben doch noch ein bisschen mehr, auch ein bisschen Citrus, ein bisschen dieses Harzige, ein bisschen auch diese Kräuternoten und all diese Geschichten. Das finde ich immer sehr spannend. Aber trotzdem ist es natürlich ein Weizen geblieben.

Holger: Wenn wir jetzt doch mal quasi in die Physik gehen und noch mal den Schaum betrachten, dann spielt das Glas ja auch eine große Rolle, oder? Wie machst du das denn? Also wie beschäftigt man sich denn dann jetzt mit den Molekülen? Bevor du Biere auswählst, wie geht’s da zu? Ganz normal wie bei mir als normaler Mensch oder doch als Professor der Physik?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Nein, überhaupt nicht. Ich mache das also wie ein ganz normaler Mensch, weil ich bin ja prinzipiell eigentlich schon an Bier interessiert. Das heißt also, wenn es jetzt eine spannende Beschreibung gibt, also ich bin auch ein großer Freund der Craftbiere. Weil das ist natürlich eine total unübersichtliche Lage, so Garagenbiere gibt’s noch und nöcher und man verliert die Übersicht. Aber wenn es da immer etwas Spannendes gibt, ist es natürlich, hat es natürlich etwas, wo man auch nach der Beschreibung geht, wo man natürlich auch nach dem Hopfen geht. Das heißt also, ich schaue mir das Bier einfach an, und es ist natürlich so, dass ich immer das Bier also wie jeder andere Biertrinker oder wie jede andere Biertrinkerin auch auswähle und dann einfach da nachgeht, einfach zu sagen: Was rieche ich da, was sehe ich da in dem Bier? Was schmecke ich da überhaupt? Wie ist die Schaumstabilität? Und all solche Sachen. Das heißt also, diese physikalischen Eigenschaften, die kommen eigentlich immer erst später. Auch wenn man den ersten Schluck genommen hat, dann spürt man einfach auch die Karbonisierung. Das heißt also, man spürt so ein bisschen die Viskosität. Dann spürt man auch so ein bisschen an der Viskosität, also wieviel Restzucker, wieviel Dextrine sind da noch übriggeblieben und solche Dinge. Also wie lange bleiben die auf der Zunge. Das kann man so ein bisschen auch erkennen, also wie langkettig sind, also diese Stärkereste noch, die da übriggeblieben sind. Also die erhöhen ein bisschen die Viskosität, also da zusammen mit der Karbonisierung. Also dann geht’s dann so ein bisschen ab im Kopf, aber das alles fügt sich wieder zusammen zu einem Genussbild. Also wie gesagt, also auch, wenn die Physik da ab und zu mal mit mir durchgeht, bleibt das natürlich immer noch Genussmittel.

Holger: Was würdest du jetzt für ein FoodPairing dazu empfehlen zu deinem Bier? Also was wäre da passend für dich?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Für mich ist da passend eigentlich tatsächlich eben auch eine Wurstplatte. Ich würde dazu, weil das eben auch ein bisschen diese Restsüße hat, würde ich da zum Beispiel auch tatsächlich Münchner Weißwürste dazu nehmen, weil also abgesehen vom Weizen und solche Dinge, weil es eben diese Restsüße hat und mit dem süßen Senf könnte ich mir das gut vorstellen. Aber es geht natürlich auch zu einem Schmorgericht, das eben mit Weißwein oder vielleicht sogar auch mit Bier geschmort ist, wenn es nicht zu bitter ist und solche Dinge. Da kann ich sehr viele Gerichte eigentlich sehen. Ich nehme es gerne auch zum Aperitif, das muss ich mal sagen, weil der Aperitif bei mir immer begleitet wird mit ein bisschen, also wie gesagt, schon Nüsse, geröstete Nüsse, gesalzene Nüsse. Dann ist da immer natürlich die eine oder andere Salamischeibe dabei, auch vielleicht ein Stück rohes Gemüse, und dann brauche ich einfach so ein Getränk, was sich eben zu all diesen verschiedenen Eindrücken eigentlich einfügt. Da eignet sich dieses Kellerbier eigentlich auch hervorragend dazu, weil eben die Bittere betont ist, weil eben die Süße betont ist, weil es nicht so sauer ist und solche Dinge. Das ist eigentlich ein perfekter Aperitif. Aber wie gesagt, es geht auch zu vielen Gerichten. Also auch zu vegetarischen Gerichten mag ich das sehr gerne. Und immer dann, wenn es beim Wein kritisch wird, das ist immer die Frage, also der Wein streikt ja an vielen Punkten. Also jetzt gerade im Sommer, da ist die Tomate also so ein Weinfeind. Das mag kein Wein. Aber die Biere, die kommen mit der Tomate ganz, ganz, ganz toll zurecht. Und das ist dann immer für mich ein Zeichen, also auch zum Tomatensalat darf da ruhig ein bisschen Schinken drin sein, ein bisschen Raucharomen und solche Dinge, kommt dieses Kellerbier auch wunderbar.

Holger: Bier kann man jetzt nicht nur trinken, sondern mit Bier kann man ja auch kochen. Und wäre das jetzt also ein Kellerbier, weiß ich gar nicht, ist das ein Kochbier oder welche Biere wendest du denn, wenn du kochst?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Generell eigentlich, wenn die Papiere nicht so bitter sind, also wenn die Hopfenaromen nachher sich nicht zu sehr in die Soße transportieren, dann sind die eigentlich immer kochgeeignet. Also ich koche gerne mit dunklen Bieren, mit sehr malzbetonten Bieren, weil sich die eben auch, also vor allem das Malz, das Dunkelmalz, das ist ja stärker geröstet, das heißt, man hat dann viel mehr Röstaromen da drin, die eben sich auch, wenn man zum Beispiel an angebratenes Fleisch denkt, ein Schmorgericht mit Rindfleisch, dann eignet sich einfach dieses malzig süßliche Bier noch gut dazu. Einfach darum, weil wenn man das ja köchemäßig korrekt ablöscht sozusagen, also diesen Ablösch-Vorgang, also dieses Kochen mit Bier durchführt, dann ist es ja nicht so, dass das Bier da auf einmal reingeschüttet wird, sondern das wird dann so in Schlucken reingegeben. Also wenn das Fleisch und das Gemüse angeröstet sind, dann kommen ja dieses Fleisch und das Gemüse dann wieder raus aus dem Topf, dann verbleiben dort eben die Reste, die sich an dem Topfboden angehaftet haben. Es verbleibt das Fett, das natürlich voller Aromen ist, genau diese Röstaromen, die eben durch das Gemüse beigekommen sind. Und das Gemüse hat ja auch viel Pflanzenzucker. Das Fleisch ein bisschen Öko-Protein. Also insofern auch ein bisschen Zucker, aber das ist meistens schon Maillard-reagiert. Und dann kommt eben dieses süßliche Bier dazu mit diesem Restzucker und eben dieser Röstaromen. Die Röstaromen reagieren nicht weiter und wenn man das in kleinen Schlugen dazu gibt, dann kann man eben diese verbliebenen Zucker dort noch karamellisieren. Und die haben von der Aromabildung her eine ganz andere Geschichte als eben diese Maillard-Reaktion. Diese Karamell-Reaktionen aus verschiedenen Zuckern, die geben eben eine ganz bestimmte Aromaklasse eben. Die geben dann so ein bisschen das Karamellige. Wenn man jetzt zum Beispiel an gekochten Sellerie denkt, dann riecht der immer so ein bisschen nach Curry, so ein bisschen diese Sellerie-Aromen, die ja auch Liebstöckel mit sich bringt. Dann sind das eher so curryartige Gerüche. Und die werden also hauptsächlich durch so Reaktionen mit verschiedenen Zuckern, das ist jetzt nicht unbedingt die Karamell-Reaktion, die man von einem Haushaltszucker her kennt, sondern das sind Karamell-Reaktionen von anderen Zuckern, die im Bier verblieben sind, längerkettigen Zuckern, auch Grenzdextrinen, diese Verzweigung noch haben von der Stärke, oder auch Pflanzenzuckern wie es eben bei Pflanzen ist. Und die machen eine ganz andere Aromabildung, und die ergänzen sich perfekt zu den Maillard-Reaktionen. Also die eben aus Zuckern und Aminosäuren kommen. Und das verbreitert eben das Aromaspektrum von so einem Schmorgericht ganz gewaltig, wenn man gerade das richtige Bier dazu nimmt. Wenn man da eben, ich sag mal, ein richtiges Bitterbier nimmt, also so ein bitteres Pils, so ein typisches Jever oder was auch immer, dann haben natürlich diese Alphasäuren und eben diese typischen Hopfenaromen keine Chance da zu reagieren, sich zu Aromen umzubauen. Und dann transportiert sich eben dieser Bittergeschmack in das Gericht hinein und das schmeckt nicht allen Leuten. Insofern ist das etwas sehr Spezielles und da muss man ein bisschen vorsichtig sein mit der Dosierung.

Markus: Vielen Dank! Jetzt weiß ich endlich mal, warum das so ist. Ein bisschen erinnert‘s mich auch an ein Gespräch, das ich vor, ach Gott, 20 Jahren oder sowas mit einem Emotionsforscher geführt habe, der sich ganz viel damit beschäftigt hat, wie das funktioniert, wenn sich Menschen verlieben. Und meine letzte Frage an ihn war dann, wenn er jetzt das alles technisch so aufgeschlüsselt hat und weiß, was wie wann funktioniert, ob er sich denn überhaupt noch so richtig verlieben kann. Und da wäre ja jetzt die Frage an dich: Wenn du jetzt immer so beim Kochen oder auch beim Trinken intern schon so ein bisschen analysierst und schaust, warum, wieso und wer und wie, kann man dann noch genießen? Also kann man das ausschalten und sagen, okay, jetzt bin ich mal nur noch Genussmensch? Oder ist das so ein Prozess, der irgendwie einfach immer abläuft?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Dieses molekulare Kopfkino, das passiert, wenn ich die ganze Zeit am Herd beim Prozessieren, sage ich mal, also beim Kochen. Und sobald ich am Tisch sitze mit meiner Frau, dann tritt das ganz gewaltig in den Hintergrund, dann hat man eben diesen schönen dampfenden Teller vor sich, diese schönen Getränke, und dann wird man da also automatisch zum Genussmenschen. Also dann schwelge ich und träume, und wenn es dann so ist, dass ich es gar nicht mehr machen kann, weil man ein ausgebildeter Koch sein muss und Sternekoch und solche Dinge, kann schon sein, dass man dann in die Nähe der Glückstränen kommt. Emotionsreicher kann man das Leben sich eigentlich gar nicht gestalten. Also diese technischen Seiten, diese physikalischen Seiten, die lösen ja auch Emotionen aus. Wenn man zum ersten Mal was versteht, was man noch nie verstanden hat im Leben, das macht einen richtig glücklich. Und ich meine, das ist das Forscherleben, deswegen hat man ja auch hier im Labor Glücksgefühle bei Dingen, die eigentlich völlig ohne Emotion anfangen. Also insofern, das Leben nutzt eigentlich beide Seiten, sowohl die Emotionen als eben auch diese analytischen Seiten und dieses kühle Denken der Physik und der Chemie. Also insofern ist das eine tolle Bereicherung.

Markus: Das ist ja eher sogar eine Verdopplung jetzt sozusagen. Also das macht mich ganz glücklich. Bevor der Holger jetzt auch in seine Glücksgefühle einsteigen darf mit seinem Bier, hätte ich vielleicht noch eine Frage. In deinem Buch sprichst du davon, dass man das Bier in verschiedene Kategorien oder Geschmacks-, Aroma-Kategorien einteilen kann und dass es eine Lücke gibt. Kannst du da ganz kurz einen kleinen Überblick dazu geben?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Die Aromen, die kommen ja irgendwo her, die sind ja nicht gottgegeben und die kommen ja irgendwo her und die kommen immer nur von den Produkten und von den Prozessen. Das heißt also, wenn man jetzt mal ein Bier sieht, ich meine, also das Bier hat eben so drei Standbeine, die eben zum Geschmack und Aroma beitragen. Das ist natürlich zum einen das Malz, das ist natürlich der Hopfen und das ist natürlich die Hefe. Und das ist natürlich gewisser maßen auch das Wasser, aber das Wasser hat ja kein eigenes Aroma. Das trägt also nur über sekundäre Prozesse dann dazu bei. Bei dem Malz hat man einfach den Angelpunkt, also welches Malz nehme ich, nehme ich jetzt Weizen oder nehme ich jetzt Gerste oder was auch immer, oder nehme ich sogar andere Malze, Roggenmalze. Dann habe ich natürlich die Möglichkeit, wie röste ich die. Dann habe ich eine Steuerung, im Prozess eine Steuerungsmethode, wie viele Prozessaromen trage ich da überhaupt rein? Und wenn zu viele Röstaromen hineingetragen sind, das Malz sehr dunkel ist, dann ist die enzymatische Aktivität natürlich nahe bei null. Das heißt, ich muss da noch ein anderes Malz dazugeben, das eben noch eine gewisse Enzymaktivität entfaltet, sozusagen, dass sich diese Schneideprozesse von Stärke und von Proteinen einfach von statten gehen. Und das ist die zweite Schiene, zum einen das Darren und das Rösten gibt die Röstaromen, und eben die Anzahl der Enzyme, die geben eben über das Schneiden von Stärke und von Proteinen natürlich Beiträge für die Aromabildung. Also sprich, eben die Aminosäure aus dem Protein, die sich nachher zum Aroma umbauen, sobald die Hefe ins Spiel kommt. Und die Hefe, die vervespert diese Aminosäuren, baut die zu Aromen um. Das sind dann so prozessorientierte Aromen, die aus der Hefe kommen. Und dann steuert die Hefe natürlich auch sehr viele Fruchtaromen bei, die nicht so lange Bestand haben. Und das andere ist natürlich immer auch der Hopfen. Der Hopfen hat diese ganzen Bitterstoffe zum einen für den Geschmack, aber eben auch die Aromen, die die Hofenblüte mit sich bringt. Das sind dann meistens floralen Aromen, viele Zitrusaromen, dann auch diese harzigen Aromen. Diese Aromen, die habe ich natürlich in diese Klassen eingeteilt, also schon in dem Buch Aroma. Diese Aroma-Klassen, die definieren sich natürlich eben nach diesem Geruchsstoff und wo kommen die her? Also sprich, aus dem Hopfen, aus dem Malz, aus den Prozessen, sprich, Rösten oder Hefen sind solche Dinge. Und da ist also immer genau festgelegt, wo dieses Aroma herkommt. Und da kann eins dieses Bier einfach nicht, das können die wenigsten Getränke eigentlich herstellen, das sind also diese typischen Gewürzaromen, die man eben von Zimt her kennt, von Tonkabohne her kennt, von der Gewürznelke her kennt. Also diese typischen Aromaklassen, die sich eben aus der Struktur-Chemie eigentlich ergeben. Und da hat dieses Bier einfach eine große Lücke in dieser gewürzigen Klasse, also sprich, Zimt, diese Phenylpropanoide, das schafft das Bier einfach nicht. Es sei denn, man legt’s ins getrocknete Eichenfass, oder man räuchert das Bier. Dann hat man einfach diese Aroma-Klasse mit dabei, weil diese Aromaten, diese Phenylpropanoiden natürlich eben aus diesen Hölzern kommen. Die anderen, Getreide, Hopfen und Hefe, die bringen den nicht zustande. Bis auf eine Ausnahme, das ist eben das Schinkenartige, das Rauchschinkenartige, was manchmal diese Weizenbiere haben. Aber das ist nicht nur Gewürzaroma, sondern gehört eigentlich eher zu der Klasse der Aromaten, sprich die Vanille oder das Benzaldehyd bei Mandeln und solche Dinge.

Markus: Also Holger, jetzt kannst du dann mal dein Bier aufmachen und wir gucken mal, ob es auch eine Lücke hat.

Holger: So einfach kann man es jetzt nicht mehr ausdrücken. Du wolltest sagen, ich soll bitte mal mein molekulares und mikrobiologisches Zusammenspiel vorstellen, oder?

Markus: Wenn du das so ausdrücken möchtest?

Holger: Ich mach‘s einfach mal auf. Das ist auch schon ein Prozess aus der Physik, also Hebelwirkung.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Völlig richtig. Gute Bemerkung.

Holger: Absolut und jetzt rein damit. Ich habe natürlich wie immer mir Gedanken darüber gemacht, welches Bier passt natürlich auch zum Talk und zum Gast. Ich habe mich entschieden für was ganz Verrücktes, und zwar für ein Paw Paw Bier. Und das kommt von Batzen Bräu in Bozen. Und Paw Paw ist eine Pflanze, die produziert eine Frucht und die sieht so ein bisschen aus wie eine Mango, wird genannt als indianische oder amerikanische Banane. Ich rieche jetzt mal rein. Wir haben hier so also erst mal natürlich fruchtige Aromen, man hat eine Mango-Note, also die Mango-Note überlagert vielleicht sogar die Bananennote. Es ist so ein richtig schönes, so ein fruchtiges Ale, also ein obergäriges Bier. Hat 5 %. Die Farbe ist so leicht opak-goldgelb, eine Schaumbildung habe ich nicht so eine gute, also kein so fester Schaum. Wenn man es jetzt verkostet, dann sind eben diese fruchtigen Aromen immer noch im Vordergrund, aber man hat auch das Bierige. Es ist so ein cremiges Mundgefühl. Und macht jetzt vielleicht, also weil wir ja auch gerade beim FoodPairing waren, so Lust auf einen schönen frischen Salat. Also das könnte ich mir dazu unheimlich gut vorstellen. Hat eine Bittere auch, die ist auch mit dabei, aber das Fruchtige ist doch sehr im Vordergrund. Sehr zufrieden bin ich damit. Es ist was ganz Besonderes. Muss man mal getrunken haben sowas.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Also Batzen Bräu ist sowieso ja immer eine große Empfehlung von uns. Aber der Holger berührt da ja noch einen ganz besonderen Punkt in Bezug auf das Thema Bier, weil natürlich ein Bier mit einer Indianer-Banane nicht unbedingt dem bayerischen Reinheitsgebot entspricht. Hast du dir während deiner Recherchen dazu auch Gedanken machen müssen oder machen wollen oder gemacht?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ja, zum Reinheitsgebot habe ich eine ziemlich ketzerische Einstellung. Mich freut es, dass es das gibt, und mich freut das auch, dass das eigentlich so viel Zuspruch findet. Aber man sollte das nicht zu religiös sehen. Also mich hatte schon mal die Süddeutsche Zeitung gefragt, was ich davon halte. Ich sagte damals, das ist ein Aroma-Verhinderer. Ich war auch immer so ein Freund von Bieren, auch diese Gruit-Biere, ich meine, das finde ich ein großartiges Bier, wo man dann halt durch Kräuter diese Bitterstoffe reinbekommt. Da gab‘s ja noch keinen Hopfen und gar nichts und alles solche Dinge, der Hopfen kam ja erst viel später. Das heißt also, ich bin da sehr experimentierfreudig, wie das so ist. Also ich möchte mich da nicht verschließen, aber wie gesagt, also ich bin da auch kein genereller Ablehner des Reinheitsgebotes. Im Gegenteil, man braucht solche Richtlinien. Aber wie gesagt, wenn man darüber hinausgeht und wenn man da mal auch Zitronenschalen dazugibt oder wenn man da auch mal Koriander dazugibt oder von mir aus auch Röstzwiebeln oder Schinken oder solche Sachen. Als Wahl-Mainzer könnte ich mir auch gut ein Fleischwurstbier mal vorstellen und solche Sachen. Wie gesagt, da bin ich also völlig offen. Das spielt für mich keine große Rolle, ich trinke eigentlich alles. Ich bin also Alles-Trinker und Alles-Esser und insofern schrecke ich auch vor Indianer-Bananen-Bieren nicht zurück.

Markus: Gut, dann seien die dir mal empfohlen. Vielleicht noch an der Stelle, du hast in dem Buch so ungefähr 50, 60 verschiedene Biere dann ja auch wirklich mal aufgeschlüsselt, was ja sehr spannend ist. Wie bist du denn zu der Auswahl dieser Biere gekommen? War das auch ein Prozess oder Zufall, oder?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das Buch, das habe ich mit einem Koch zusammen geschrieben, das ist der Rolf Caviezel aus der Schweiz, den ich schon lange kenne eben aus einer Zusammenarbeit über die Molekularküche. Da haben wir vorher, glaube ich, ein oder zwei oder drei Bücher geschrieben, und dann eben dieses Bierbuch. Und dann haben wir uns einfach überlegt, also was sind spannende Biere. Da sind wir einfach zum Schluss gekommen, also wir sollten Biere möglichst breit auswählen. Es war natürlich auch immer so ein bisschen eine Gratwanderung. Also man macht sich vielleicht keine Freunde, wenn man dann das eine Bier nicht hat und das andere und solche Geschichten. Da haben wir uns dann davon losgelöst, haben dann auch ein paar wirklich sehr spannende Schweizer Biere gehabt. Da fand ich eins besonders spannend, also ich bin ja ein sehr großer Freund von solchen Fichtennadeln- und Harzaromen. Also das schafft der Hopfen natürlich, aber eben nicht in aller Vollendung. Und da gibt’s so kleine Brauerei, also eine Garagenbrauerei, die macht dann einmal im Jahr so ein Radelbier aus Tannennadeln. Und das ist völlig, ich glaube manchmal, da steht man im Wald. Es ist unwahrscheinlich, und solche Dinge haben da natürlich Niederschlag gefunden, auch wenn das wirklich sehr seltene Biere sind, kaum zu bekommen. Aber auch da mal etwas zu kreieren und ein Gericht zu kreieren, aber genauso gut auch die Berliner Weisse und eben auch normale Pils und solche Dinge. Also das war dann Querbeet und dann hatten wir uns einfach überlegt, welche Gerichte kann man da wählen. Weil das ist auch ein bisschen so eine Balance, also die Bierstile sollen variieren, die Gerichte sollen variieren, und da so zwei Welten zusammenzubringen, das war auch so ein bisschen eine kritische Geschichte. Also kritisch im Sinne von Bierauswahl.

Markus: So an sich noch mal die Frage so als Physiker: Wie kommt man denn, wenn man jetzt so Physik studiert, dann zu dem Thema Aromen und Geschmack und Pairing? War das so eine zufällige Entwicklung oder hat es dich schon immer interessiert? Wie ging das?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Geschmack hat mich schon immer interessiert, das muss ich sagen, aber nie von der Wissenschaftsseite, sondern einfach von der Seite des Genussmenschen. Das heißt also, ich habe Zeitlebens eigentlich gerne gekocht. Schon als Kind habe ich damit eigentlich angefangen, bei meiner Mutter zu kiebitzen, sozusagen in die Töpfe zu schauen und sich dafür zu interessieren. Zu dem Europa bin ich eigentlich tatsächlich erst gekommen mit diesem Aroma-Buch. Ich hatte, muss ich auch zugeben, also vor 2009, 2010, als wir mit diesen Aroma-Geschichten anfingen, aufgrund dieses Buchs Aroma hatte ich wirklich null Ahnung. Ich hatte wirklich keine Ahnung von Aroma-Chemie. Ich hatte null, ja wirklich, ich war blank. Das war für mich einfach auch die Gelegenheit, da mal einzusteigen in diese Naturstoffchemie. Mich hatte das zwar immer interessiert, aber ich hatte nie Gelegenheit dazu, auch von der Forschung her nie. Dann hat mich das einfach mal gepackt. Und am Anfang hatte ich mich da wirklich schwergetan. Das heißt, ich habe da wirklich sozusagen im fortgeschrittenen Alter noch mal so ein Selbststudium in diesem Bereich angefangen. Ich habe dann sehr viel Original-Literatur gelesen, also Fachliteratur über diese ganze Aroma-Chemie. Ich habe dann auch ab und zu unsere Chemiker hier im Haus genervt mit dummen Fragen zu diesen Molekülstrukturen und mit dem Aufbau und solche Sachen, zu der Chemie dieser Systeme, dieser molekularen Systeme. Die spielen ja auch in der Polymer-Forschung eine große Rolle. Und insofern musste ich mich da komplett neu einarbeiten, aber seitdem lässt mich das eigentlich nicht mehr los. Weil ich kann da zwar nicht selbst forschen, also aktiv forschen, da fehlen mir einfach die Gerätschaften dazu und die Verfahren und die Analytik. Aber mich interessiert das sehr eben von dem Verständnis her und ich folge da der neuesten Literatur mit großem Interesse und versuche das auch zu übersetzen in die Sensorik, also in dieses Mundgefühl. Und wir machen dann auch ab und zu mal Aroma-Mischungen, also mit diesen Molekülen in Lösungen zu geben, daran zu riechen, solche Dinge zu erfassen. Also insofern lässt mich das Gebiet eigentlich nicht mehr los und ist eine nette Begleitung zur Physik, weil die Physik, die ist ja so multi-skalig, also von Nanometer bis hin zu makroskopischen Welten. Und diese Aromen, die spielen sich eben auf der Nano-Welt ab und dann wird’s eigentlich ganz spannend. Das Bier zeigt das ja auch. Also Bier hat zwar nur immer so zwischen 4, und je nach Stil, 12, manchmal 28 Prozent Alkohol, das heißt, dann können sich die Aromen raussuchen, wo sie da hingehen. Manche Aromen sind eben stark alkoholisch und weniger wasserlöslich und manche Geschmacksstoffe sind natürlich alle wasserlöslich. Das heißt also, hier hat man schon den klaren Unterschied im Bier, wo ist der Geschmack, wo sind eher die Aromen. Das heißt also, welche Rolle spielt eigentlich Alkohol im Bier. Und all diese Fragen kann man dann eigentlich ganz gut eigentlich diskutieren und klären.

Holger: Und dann noch die Temperaturen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Völlig richtig.

Holger: Jetzt ist es so hier bei mir im Raum, der ganze Raum ist voll mit Mango, also unglaublich. Markus, du fehlst, also du musst doch auch noch, was hast du dir mitgebracht?

Markus: Ja, ja. Ich muss natürlich jetzt auch erst mal die Physik walten lassen und die Hebelwirkung anwenden. Und dann mal gucken. Das war jetzt mal die andere Form, nämlich eine Dose. Ich glaube, das habt ihr gehört.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Genau!

Holger: Ja, das haben wir gehört.

Markus: Ich habe mir natürlich auch ein besonderes Bier ausgesucht, allerdings habe ich ein bisschen Rücksicht auf die Uhrzeit genommen und dessen, dass ich heute noch einiges vorhabe. Und habe deswegen ein eher alkoholarmes oder eigentlich sogar alkoholfreies Bier genommen. Das heißt also, leider muss ich jetzt auf die Aromen verzichten, die sich im Alkohol lösen. Aber ich hoffe, es sind noch genügend da, die sich im Wasser gelöst haben. Auf jeden Fall haben wir einen richtig schönen weißen mittel- bis feinporigen Schaum, der auch richtig gut steht. Das Bier selber ist so klassisch sonnengelb, würde ich sagen, fast durchsichtig, also leicht opal. Ich rieche mal rein. Und da haben wir jetzt, ganz interessant, so eine Mischung aus Stachelbeere, Apfel, Banane, ganz, ganz interessant. Ist sehr, sehr schön. So überhaupt auch ein bisschen dunkle Beeren, schwarze Johannisbeere, so dieses Gewürzige auch aus der schwarzen Johannisbeere. Probiere ich mal. Sehr schönes, weiches Mundgefühl. Dann kommen auch diese Früchte wieder und es geht dann über in so eine erst kräftige Bittere, die aber hinten raus sich wieder abschwächt, also gar nicht so lange nachhält. Insgesamt ein schöner weicher runder Trunk. Also toll! Was ist es für ein Bier? Ich war ein bisschen blasphemisch und habe mir gedacht, da muss ich jetzt heute schon irgendwas Besonderes auspacken. Und auf der Dose steht drauf „The King’s Cup“ und es kommt von Mikkeller, und zwar aus Dänemark. Und es ist ein Hoppy Wheat Ale, aber eben alkoholfrei. Das Spannende ist, er hat das speziell und exklusiv gebraut für die Burger King Gruppe. Also das ist praktisch ein Burger King Bier, was es dort auch nur in den Burger King Filialen gibt, und was eben gedacht ist als alkoholfreies Bier zu den jeweiligen Fastfood-Speisen. Also insofern vielleicht für den Molekularkoch ein bisschen blasphemisch, aber auf jeden Fall ein ganz tolles und spannendes Bier. Überhaupt, also ich glaube, dein neuestes Buch, woran du gerade arbeitest oder was jetzt rauskommt, geht ja hauptsächlich ums Thema Ernährung. Spielt da auch sowas wie Fastfood eine Rolle oder worum geht’s da?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Es geht natürlich schon auch um Fastfood. Es wäre kein Buch von mir, wenn es nicht um molekulare Zusammenhänge geht. Und das ist natürlich etwas, was mir am Herzen liegt. Lange Zeit habe ich Ernährung nicht verstanden. Also ich verstehe es auch heute noch nicht. Diese ganzen Studien, die es da gibt, und diese ganzen Ernährungsempfehlungen, die habe ich nie verstanden, wie man da dazu kommt und wie man das eigentlich behaupten kann, dass jetzt das und das gesund ist und das und das nicht gesund ist, und die gesättigten Fettsäuren ungesund und die ungesättigten gesund sein sollen. Und all diese Sachen, das ist natürlich alles in gewisser Weise Meinung. Ich wusste nie, wie man zu dieser Meinung kommt. Und wenn man die Originalarbeiten liest, wie das zustande kommt, dann stehen all diese Meinungen auf sehr schwachen Füßen. Das geht ja zurück auf die 50er, 60er Jahre in den USA und da gab’s nur eine wissenschaftliche Veröffentlichung, die erklärt hat, dass diese gesättigten Fettsäuren eigentlich weder gesund noch ungesund sind, also dass die sich völlig neutral verhalten. Aber das wollte kein Mensch wissen. Wenn man das sich alles anschaut, diese ganzen Ernährungsfragen, dann ist man wieder bei der Physik und Chemie. Denn bevor dieser Stoff, diese gesättigte Fettsäure zum Beispiel, bevor die natürlich, ich sag mal, irgendwo ankommen im Körper, da passiert ja eine ganze Reihe von Dingen. Und dann muss man sich fragen: Wo kommt diese gesättigte Fettsäure auch her? Was hat die für biologische Aufgaben? Also dort, wo sie herkommen, also sprich, in den Pflanzen oder in den Tieren. Und dann kommt man auf ganz andere Ideen. Das ist also in diesem Buch eigentlich gemacht worden, dass man versucht, das molekulare Verständnis dafür zu entwickeln, also was solche gesättigten Fettsäuren eigentlich machen. Weil wir brauchen die natürlich auch in Massen, deswegen stellt sie unser Körper auch en masse her. Wenn wir also nur noch ungesättigte Fettsäuren essen würden, dann wird unser Körper umso mehr herstellen. Das heißt also, er braucht sie einfach auch für die Membranen unserer Zellen, weil dort eben mit diesen Fettsäuren die Biege-Energie eingestellt wird. Und warum haben Pflanzen mehr ungesättigte? Das ist ganz einfach: Weil Pflanzen müssen das aushalten, dass sie manchmal in den Tropen stehen, dass sie manchmal bei uns stehen. Und Pflanzen müssen Temperaturen aushalten von, sage ich mal, -10 Grad im Winter bis hin zu 30, 40 Grad im Sommer, wenn die Sonne draufknallt. Und wir Tiere und Menschen haben es eigentlich sehr bequem, wir haben also immer diese 37 Grad. Also unsere Membranen brauchen eine konstante Flexibilität, während die Pflanzen brauchen eben eine sehr variable Flexibilität, und deswegen wird das eben über die Fettsäuren eingestellt. Das ist der einzige Grund dafür. Deswegen sind da viele Diskussionen einfach so geführt, dass man eben diese Ursprünge vergisst, dass man auch die physikalisch-chemischen Aufgaben dieser Nährstoffe einfach vergisst. Diese ganzen Beobachtungsstudien sind mit solch hohen Fehlern eigentlich behaftet, dass man da eigentlich nichts sagen kann. Weil selbst wir drei, die wir hier sozusagen am virtuellen Tisch sitzen, sind von unserer Physiologie her so unterschiedlich, dass die Empfehlung, die ich mir geben würde für meine Ernährung aufgrund meines schlichten naiven Körpergefühls, würde ich natürlich nicht übertragen wollen auf dich, Markus, oder auf dich, Holger.

Markus: Da sind sicherlich viele spannende Erkenntnisse zu erwarten. Habt ihr euch dann auch mit dem Thema Intervallfasten oder diesen ganzen modernen Superfoods oder sowas beschäftigt?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ja, das ist alles dort in diesem Buch zusammengefasst. Also das Intervallfasten hat natürlich im Augenblick einen sehr hohen Stellenwert. Da ist auch was dran. Also ob man das jetzt, sagen wir mal, welche Zeit man da sich aussucht, ich glaube, ist völlig egal. Das Intervallfasten hat also immer wieder einen molekularen Hintergrund. Denn das ist ja so, dass unsere Zellen, also wir haben ja aberwitzig viele Zellen in unserem Körper, die also alle physikalische oder physikalisch-chemische Aufgaben haben. So eine Zelle ist ja eigentlich nichts Besonderes, ich meine, basiert auf physikalisch-chemischen Wechselwirkungen. Da wird eigentlich viel zu viel Hype drumherum gemacht und wenn das nicht funktioniert, dann funktioniert‘s halt nicht. Ich bekomme natürlich die jeweiligen Nährstoffe dann zugeführt und die werden dann verstoffwechselt in der Zelle und umgebaut zu diesen Materialien, also diesen Molekülen, die gerade in dieser Zelle notwendig sind. Da bleibt bei diesem Umbau, da ist es wie in einer Chemiefabrik, da fällt auch was ab, also Abfall. Und dieser Abfall, der verbleibt bei den Zellen, und der braucht eben Zeit, bis er aus diesen Zellen hinauswandern kann. Macht die Zelle einfach mit ihrer eigenen Müllabfuhr, das heißt, dann sammelt sie diesen Abfall in sogenannten Bläschen, also in solchen Minimembranen, also ummantelt mit Zellmembranen, erst mit so einer einfachen Schicht, dann mit einer Doppelschicht. Da werden die eingesammelt und nach außen geschleust. Und dieser Prozess braucht einfach Zeit. Und da muss man der Zelle auch Zeit geben, um diesen Prozess ablaufen zu lassen. Das war früher vor dieser Intervall-Fastenzeit einfach die Zeit zwischen den Mahlzeiten. Man hat einfach ein-, zweimal am Tag gegessen, vielleicht ein bisschen was zwischendrin, aber nicht zu viel zwischendrin. Und zwischen zwei Mahlzeiten hatten die Zellen einfach genügend Zeit, diesen Reinigungsprozess und auch über Nacht dann sozusagen ablaufen zu lassen. Wenn wir aber heute sehen, wie gegessen wird, dann wird da gefrühstückt ausgiebig, dann hat man um 11 Hunger, dann kommt da der Power-Riegel und was weiß ich, und dann kommt um 12 das Mittagessen. Dann ist um 3 der Joghurt dran und der Apfel oder was weiß ich, um 4 dann der Nachmittags-Kaffee mit einem Stück Kuchen und dann um 18, 19, 20 Uhr das Abendessen. Das heißt, das sind viel zu kurze Intervalle eigentlich, wie man den Zellen dann eine Chance gibt, einfach da sozusagen diesen Reinigungsprozess durchzuführen, also diesen Aufräumprozess, die Zelle wieder stubenrein zu machen sozusagen. Das ist einfach zu kurz. Und deswegen ist das schon sinnvoll das zu machen. Oder man isst halt nur, wie das eben unsere Vorfahren im Paläolithikum auch gemacht haben, man isst einfach dann, wenn es was gibt, und dann hat man wieder eine lange Zeit Pause. Die Lebensgewohnheiten haben sich verändert, deswegen ist da schon was dran. Das lässt sich auch molekular belegen. Der Begriff Superfood, das ist natürlich Humbug, das ist kompletter Humbug. Also meiner Ansicht nach, um mal wieder zum Thema zurückzukommen, Bier ist ein Superfood.

Holger: Tja! Das sage ich schon immer.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ich muss auch noch mal, also wenn man dann Angst hat vor Alkohol, dann ist auch alkoholfreies Bier ein Superfood. Weil es bietet sehr viel, es ist eigentlich ein isotonisches Getränk. Ein alkoholfreies Bier nach dem Sport oder beim Sport ist also 10-mal besser wie so ein Energy Drink.

Markus: Das ist genau die Erkenntnis, die wir einerseits hören wollen, aber die wir natürlich auch schon mehrmals kommuniziert haben. Und es ist einfach ein großes Thema. Ich habe mit einem Berufskollegen von dir auch mal darüber gesprochen, und der hat gesagt: Das Einzige, was alkoholfreies Bier nicht leisten kann, ist, den Salz-Haushalt wieder in Ordnung zu bringen. Deswegen empfiehlt der dann immer dazu noch so ein paar Salzbrezeln, so kleine getrocknete, zu essen. Und das wäre für ihn nach einem Marathon zum Beispiel das perfekte Regenerationsprogramm, so ein paar Salzbrezeln und ein, zwei alkoholfreie Bierchen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das hat so viele Nährstoffe. Ich meine, das merkt man ja. Warum war das lange Zeit das Fastengetränk? Da konnte man nichts essen, was trinken durfte man. Das hat natürlich Kalorien, es hat natürlich auch ein bisschen Zucker, also ein bisschen Energie, es liefert natürlich auch noch Rest-Aminosäuren, es liefert viele Peptide, die aus dem Getreideprotein kommen. Das sind ja alles wirklich wahnsinnstolle Nährstoffe. Das sind auch Peptide, die bioaktiv sind und all solche Dinge. Das sind auch solche Geschichten, die man nicht vernachlässigen sollte, wenn man da diskutiert. Ich möchte auch noch mal eine Lanze brechen für das alkoholfreie Bier. Ich trinke das auch sehr gern, also besonders dann mittags, wenn ich dann nachmittags viele Termine habe, dann haben wir eigentlich auch immer alkoholfreies Bier zu Hause. Das heißt also, es ist mittlerweile so gut, vor fünf, sechs Jahren war das noch nicht so, dass alkoholfreie Biere so gut sind. Aber mittlerweile gibt’s so tolle alkoholfreie Biere, da vermisst man den Alkohol nicht mehr. Das heißt also, die Aroma-Freigabe ist kaum noch anders als bei Bieren, die ein bisschen Alkohol haben. Also insofern, da hat sich sehr viel getan in der Brauwelt. Und es macht uns eigentlich wirklich froh, dass es die Entwicklungen gibt.

Markus: Da sind wir auch sehr, sehr glücklich, ich habe auch schon lange immer wieder alkoholfreies Bier propagiert. Es gibt eben mittlerweile wirklich tolle Produkte. Leider aktuell vor allem außerhalb von Deutschland, wobei mittlerweile auch viele deutsche Brauereien nachziehen und sich da so ein bisschen anlehnen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Mhm (bejahend).

Markus: Und so hat man jetzt wirklich selbst ein alkoholfreies Stout oder solche Sachen, die wirklich volle Aromatik haben und es einen manchmal fast vergessen lassen. Ja, Holger, das war doch fast schon ein schönes Schlusswort mit dem Thema „Bier ist ein Superfood“. Hast du noch eine Frage?

Holger: Mich würde jetzt noch mal wirklich in der Tat interessieren, weil es gibt noch so ein Buch zum Thema Material und Genuss, und da spielt ja dann Kupfer eine Rolle. Und viele, viele alte Sudhäuser sind ja aus Kupfer und die katalytischen Eigenschaften und die Langlebigkeit und antibakterielle Wirkung und Wärmeleitfähigkeit und was weiß ich nicht. Aber aktuell baut man ja fast alles dann aus Edelstahl. Das ist ja auch noch mal ganz spannend, dann da genau hinzuschauen, was das wiederum macht. Weil wir haben ja auch schon des Öfteren gehört, dass zum Beispiel auch während der Gärung der Behälter eine ganz, ganz wichtige Rolle spielt, wie dann das Bier dann letzten Endes auch wirklich wird. Da würde ich auch noch gerne drauf eingehen, aber das sprengt vielleicht auch den Rahmen. Ich weiß es nicht.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das Kupfer ist natürlich ein ausgezeichnetes Material, es hat halt zwei Seiten. Zum einen ist Kupfer in großen Mengen toxisch, also für den Menschen auch. Das sieht man daran, dass eben das Kupfer tatsächlich, wie du gerade gesagt hast, eben auch gewisse Mikroorganismen tötet, also es wirkt antibakteriell, es wirkt antiviral und solche Dinge. Das lässt sich auch in Experimenten zeigen. Also ein ganz spannendes Experiment, finde ich, ist tatsächlich in Indien gemacht worden von einer indischen Arbeitsgruppe. Die haben also Wasser, das tatsächlich Keime hatte, schlimme Keime, also Kolibakterien, in verschiedene Gefäße gefüllt und dann über Nacht stehen lassen. Da war eben das Kupfer dabei, Keramik, Stahl, Edelstahl und solche Sachen. Und da war eben Kupfer das einzige, was am anderen Tag das Wasser tatsächlich keimfrei gemacht hat. Man konnte das danach tatsächlich trinken. Das heißt also, das Kupfer hat also tatsächlich diese speziellen Eigenschaften. Das liegt an bestimmten Wechselwirkungen mit diesen Kupferionen, die sich nach und nach aus der Oberfläche lösen und dann eben mit an bestimmte Proteine des Mikroorganismus andocken und dann diese Funktion lähmen und dann dieser Mikroorganismus eben abstirbt. Das passiert natürlich auch mit unseren Zellen, also wir sollten nicht zu viel Kupfer nehmen. Deshalb werden natürlich viele Kochgeschirre heute noch aus Kupfer genommen. Zum einen, weil sie natürlich gut Wärme leiten, zum anderen Teil werden die innen beschichtet, um einfach bei bestimmten, wenn man dann saure Sachen kocht, gerade zum Beispiel so Schmorgerichte mit viel Wein, mit saurem Bier und solche Sachen, dass sich gar nicht so viel löst. Im Brauwesen hat man das früher auch gemacht, und es ist halt auch so, dass also bestimmte Mikroorganismen aus den Hefen dann eben drunter leiden, wenn sie mit der Kupferoberfläche dann in Berührung kommen. Andererseits wurden natürlich Keime, wenn das Wasser nicht so richtig sauber war, also im Mittelalter oder was auch immer wurden natürlich da auch abgetötet. Also wie gesagt, das sind die beiden Seiten des Kupfers. Kupfergeschirr ist nach wie vor eine tolle Geschichte, vor allem, wenn man das vom Herd zieht, insbesondere auch von einem Gasherd, dann hört es eben sofort auf zu kochen. Wenn wir das dann mit einem dicken Edelstahltopf machen, dann kocht die Soße eben noch nach, karamellisiert noch nach. Und beim Kupfer ist es einfach nicht so, weil es reagiert sofort auf Wärmeänderungen. Und das ist der große Vorteil.

Markus: Ich setze einmal im Jahr ein Kupfergeschirr ein, nämlich immer rund um die Weihnachtszeit. Da gibt bei mir nämlich Feuerzangenbowle.

Markus: Und da ist allein aus optischem Grund natürlich ein großer Kupferkessel immer ein schöner Genuss.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ja, selbstverständlich. Bei mir hat das auch eine Funktion. Immer dann, wenn es Marmelade gibt oder wenn ich Marmelade koche beziehungsweise Konfitüre koche, wird das nach wie vor im Kupferkessel gemacht, weil dadurch diese Kupferjode ein bisschen bei der Vernetzung des Pektins helfen. Insofern kriegt die nachher eine bessere Konsistenz, diese Konfitüre. Insofern kann die also alles Mögliche noch, auf Kupfer kann man immer noch nicht so richtig verzichten.

Markus: Das war jetzt aber ein toller Tipp. Das werde ich auch mal machen. Wenn ich wieder Marmelade mache, dann mache ich das in meinem Feuerzangenbowlen-Topf.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ach so. Ja, ja.

Markus: Ich habe auch grad noch mal ein bisschen neues Kopfkino bekommen. Ich könnte mir vorstellen, wir machen vielleicht mal einen Koch-BierTalk, dass wir uns mal irgendwie treffen, wenn Zeit und Gelegenheit ist, und kochen vielleicht mal zusammen mit Bier.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das wäre super.

Markus: Und ich zeichne das nebenbei auf. Das fände ich eine ganz, ganz witzige Geschichte.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Wunderbar! Ich bin gern dabei.

Holger: Ich auch. Ich bin auch gerne dabei.

Markus: Da würde ich sagen, vielen, vielen Dank Thomas für deine Zeit, für die vielen Informationen! An die Hörer noch mal die Empfehlung: Schaut in die Shownotes, die Bücher sind wirklich für alle, die sich mit Bier beschäftigen, sehr interessant, und für mich eigentlich Pflichtlektüre. Danke für die Biere auch, war auch toll, an euch beide. Und dann heute noch einen wunderschönen Tag euch beiden!

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ebenso und vielen Dank für die Einladung zum Talk! Danke schön, Große Freude!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 35 – Interview mit Andrea Kalrait, Veranstaltungsleiterin der BrauBeviale in Nürnberg

Von Anfang an gehörte Andrea Kalrait zum Team der größten Branchenmesse Welt rund um das Thema Bier und Getränke, die heute als BrauBeviale und Beviale Family auch internationale Standbeine hat. Als passionierte Biertrinkerin und Biersommelière sowie International BeerJudge lebt und liebt sie das Nationalgetränk ihrer fränkischen Heimat und betritt oft auch als Botschafterin der Bierkultur die Bühnen der Welt. Im BierTalk mit Holger Hahn und Markus Raupach berichtet sie unter anderem von den besonderen Herausforderungen an eine Messe im Covid-Jahr und, wie sie es geschafft hat, mit ihrem Team trotz aller Widrigkeiten ein attraktives Konzept auf die Beine zu stellen, das vor allem das wichtigste Bedürfnis der Brauer befriedigen kann: Den persönlichen Austausch und die gegenseitige Unterstützung in diesen schwierigen Zeiten…

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Holger: Herzlich willkommen zum BierTalk Nummer 35. Ich bin absolut glücklich, weil wir haben wieder eine Dame als Gast bei uns. Aber am Mikrofon ist wie immer der Holger und der …

 

Markus: Markus.

Holger: Und der Gast ist die Andrea Kalrait. Andrea, du sitzt ja jetzt in Nürnberg und am besten stellst du dich selber vor.

Andrea Kalrait: Lieber Markus, lieber Holger, erst mal vielen Dank, dass ich bei eurem BierTalk dabei sein darf. Wenn es um mich geht, bin ich mir grad am Überlegen, was denn eure Zuhörer überhaupt interessiert. Und ich glaub, wichtig einfach nur zu wissen über mich, ist, dass ich natürlich zum einen verantwortlich bin für eine der wichtigen Messen für diese Branche, die BrauBeviale in Nürnberg. Zum anderen, dass ich absolute bierbegeisterte Konsumentin und Jurorin bin bei verschiedenen Beer Awards und Bier tatsächlich meine Leidenschaft ist, also nicht nur Job, sondern wirklich allumfassend.

Holger: Das hört sich doch super an und ist genau die absolute Voraussetzung für uns, als Gesprächspartner des BierTalks infrage zu kommen. Die BrauBeviale 2020 steht ja sicher auch unter dem Vorzeichen der ganzen Pandemie und der Sicherheit für die Besucher. Das ist grad nicht so einfach, stelle ich mir vor, in der Messebranche sein Unwesen zu treiben unter diesen Rahmenbedingungen. Oder betrifft euch das gar nicht?

Andrea Kalrait: Nein, da sagst du tatsächlich was Wahres. Einfach ist wirklich anders. Als im April das Oktoberfest abgesagt wurde, haben wir schon gestartet für die BrauBeviale zu überlegen: Wie kann denn eine Messe im Herbst mit diesen Rahmenbedingungen aussehen? Was ist möglich, was ist sinnvoll? Das hat natürlich dann auch alles noch ein bisschen gedauert, weil wir natürlich von der Politik auch den Input brauchten, was dürfen wir dann tatsächlich und ab wann dürfen wir es denn? Und wir wissen, dass wir eigentlich seit gestern in Bayern wieder Messen machen dürfen. Und Messen sind nicht wie viele glauben Großveranstaltungen, weil Großveranstaltungen sind ja nach wie vor bis Ende des Jahres nicht gestattet. Wir haben auf Fachmessen einfach andere Möglichkeiten mit Nachverfolgbarkeit, mit Abstand, mit Sicherheit, mit Hygiene, als es bei einem Rockkonzert oder ähnlichem möglich wäre. Und das stellt gerade bei uns hier in Nürnberg so ein bisschen alles auf den Kopf. Einige der Kollegen hier bei der Messe sind in Kurzarbeit und haben auch vielleicht ein bisschen den Sommer genießen können. Ich mit meinem Team und auch den Kollegen, die an der BrauBeviale arbeiten, wir haben eigentlich Überstunden geklopft und haben versucht, eine gute Veranstaltung als Basis aufzubauen.

Holger: Das sind auf jeden Fall großartige Neuigkeiten, weil ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass, ja, fast meine Lieblingsmesse dann vielleicht doch nicht stattfindet oder in einem Umfang, der eigentlich im Prinzip dann wirklich gar nichts bringt. So Markus, du bist ja gerade in Italien. Also wir sind ja schon wieder europäisch mehr oder weniger und gehen hier von Oberbayern nach Mittelfranken und jetzt an den Gardasee. Wie geht’s dir denn da?

Markus: Oh ja, eigentlich geht’s mir ganz gut. Also nur liebe Hörer, ihr werdet hören, ich habe ab und zu so ein bisschen Hintergrundgeräusche, weil mir hier nur die Hotellobby bleibt und hier wird gerne ein bisschen geputzt und gewienert und mit Gläsern gescheppert und so. Aber ich glaube, man hört mich ganz gut. Ja, grundsätzlich sehr, sehr spannend, ich habe natürlich auch den Weg des Bieres ein bisschen verfolgt, sprich, ich habe erst beim Markus Hoppe Station gemacht, der ja kurz vor den Alpen sozusagen liegt. Dann waren wir in Bozen beim Batzenbräu, wo wir den BierTalk aufgezeichnet haben, den ihr letzte Woche gehört habt. Jetzt bin ich hier gerade Zwischenstation am Gardasee, wo es auch interessante Brauereien gibt. Und ich werde dann noch nach Venedig rüberfahren und unterwegs auch natürlich noch zwei, drei Brauereien besuchen. Also durchaus spannend. Und nichtsdestotrotz heute ist das Wetter ein bisschen schlecht, aber das ist ja genau das Richtige, um mal eine Brauerei zu besuchen. Jetzt reden wir die ganze Zeit über Bier. Die Andrea hat sich doch bestimmt eins ausgesucht, was sie mit uns trinken möchte, oder?

Andrea Kalrait: Ja, ich habe mir tatsächlich eines ausgesucht und das war ja etwas, wo ihr mich schon ein bisschen vorgewarnt habt, wo ihr gesagt habt, hey, so ein Bier für unseren BierTalk wäre ganz gut. Und ich stand tatsächlich dann so vor meinem Bierkühlschrank, also eigentlich ein Weinklimaschrank, der bei uns Zuhause zum Bierklimaschrank umfunktioniert wurde. Und stand davor und habe mir gedacht: Welches Bier nehme ich denn jetzt? Und das ist ja nun, wie soll ich sagen, nicht ganz so einfach. Es kommt ja immer so auf die persönliche Tagessituation ein bisschen drauf an, auf was man Lust hat. Und da gibt’s natürlich das Thema, bleibt man im Reinheitsgebot oder nicht im Reinheitsgebot? Ich bin ja auch ein Fan von den Dingen, die nicht nur im Reinheitsgebot stattfinden. Und dann habe ich ein Bier entdeckt, wo ich mir gedacht habe, das ist es. Und zwar habe ich dieses Bier auf der letzten BrauBeviale das allererste Mal am Stand der Brewers Association verkosten dürfen. Es ist ein Bier von Indeed Brewing und es erinnert an Sommer. Es ist ein Lavendel-, Sonnenblumen-, Honig- und Dattel-Bier.

Holger: Manometer, das hört sich ja sehr spannend an. Dann mach‘s doch mal auf. Du bist ja auch Biersommelière und dann lass uns doch mal teilhaben, was du im Glas hast und wie sich das da entwickelt.

Andrea Kalrait: Alles klar. Also ich mache jetzt mal auf. Es ist, und jetzt werden viele wahrscheinlich auch wieder erschrecken, es ist in der Dose. Somit klingt es auch entsprechend, wenn man es öffnet.

Markus: Ich muss ja mich da outen und muss sagen, ich mag ja Dosenbier.

Andrea Kalrait: Ist auch manchmal durchaus praktisch. Aber ich habe auch schon erlebt, dass die Dose in so einem Camper zum Beispiel nicht mitmacht, weil die Dosenqualität manchmal sehr unterschiedlich ist. Wenn ich mein Bier jetzt so anschaue, ich habe ein Verkostungsglas einfach vor mir stehen, dass ihr euch das vorstellen könnt, ich habe ein fast schon dunkel-bernsteinfarbenes Bier im Glas mit einem schönen cremigen Schaum oben. Der Schaum hat so ein bisschen, geht ein bisschen so in die Cappuccino-Schiene rein, also schon noch hell, aber so wie man es sich eigentlich auf einem Cappuccino wünscht, so einen Schaum. Er hält auch ziemlich lange an. In der Farbkombination, der helle Cappuccino-Schaum mit diesem bernsteinfarbenen Bier macht schon mal einen schönen ersten Eindruck. Wenn ich die Nase dann nehme, dann habe ich zum einen getrocknete Früchte schon ein bisschen in der Nase, also diese Dattel-Anklänge. Ob ich es jetzt persönlich als Dattel erkennen würde, muss ich gestehen, weiß ich nicht so genau, könnte ich auch so ein bisschen in die Pflaumen-Schiene schieben. Aber durch die Kombination mit dem Honig, dass es Sonnenblumen-Honig ist, so viel Honig esse ich nicht, aber den Honig, den riecht man schon kräftig, und auch schöne Lavendel-Noten, die einem hier entgegenkommen, also das ist so ein Bier, wo ich sage, bei schönem Wetter, am besten vielleicht noch in der Provence bei so einem Lavendel-Feld, wäre das sicherlich eine tolle Kombination. Ich würde jetzt einen Schluck trinken.

Markus: Auf geht’s!

Holger: Das macht ja jetzt richtig Durst.

Andrea Kalrait: Mhm (bejahend).

Holger: Meine Güte.

Andrea Kalrait: Mein Bier ist nicht mehr zu kalt. Das ist auch ganz gut so, weil dadurch kommen die Aromen einfach nochmal schöner rüber. Es hat eine gewisse Süße dieses Bier, hat aber auch leichte Säurenoten, aber ganz, ganz minimal. Das, was ich in der Nase hatte, den Lavendel, den Honig und die Datteln, die habe ich genau so auch am Gaumen. Es ist unheimlich mundfüllend dieses Bier. Also das heißt, der ganze Mund hat was davon, wenn man dieses Bier trinkt. Von der Rezens her, muss ich jetzt gestehen, da ist es leider schon ein bisschen drüber. Weil ich habe ja gesagt, das ist ein Schätzchen aus meinem Weinklimaschrank und manchmal hütet man ja bestimmte Schätzchen ein bisschen länger. August, ne, jetzt im August quasi hat es das Haltbarkeitsdatum erreicht. Aber das ist bei dem Bier mit über 7 % Alkohol jetzt kein Thema. Es schmeckt trotzdem noch lecker. Ein bisschen mehr Rezens wäre hübsch, aber macht mir persönlich viel Spaß.

Holger: Sehr schön! Wunderbar! Vielleicht gehen wir noch mal, du hast ja das Thema Dose angesprochen, Markus, hat sich ja dann geoutet und hat gemeint, er wäre der Liebhaber der Dose, aber die Dose ist ja so ein bisschen ein Trend. Und so eine Messe soll ja auch Trends in den Vordergrund bringen. Und was siehst du denn für Trends in der Baubranche, die vielleicht jetzt auf der BrauBeviale 2020 zu sehen sein werden, die du vielleicht so ein bisschen herausheben möchtest?

Andrea Kalrait: Ich würde wahnsinnig gerne über Trends in diesem Jahr reden, aber wir merken, und das merken wir jetzt eigentlich schon seit April, dass wir im Moment natürlich den einen oder anderen Trend erleben, aber wir reden im Moment bei vielen Firmen über deutlich essenziellere Aspekte. Es geht um Überlebensfähigkeit, es geht um, wie schaffe ich diese Krise? Die BrauBeviale im November wird weniger die Messe sein, Neuigkeiten und Trends zu präsentieren, sondern eher mit der Branche gemeinsam, ich sage jetzt mal bayerisch, Ärmel hochkrempeln und wieder loslegen. Also die BrauBeviale in diesem Herbst versteht sich nicht als klassische Trendsetter- und Investitionsgüter-Messe für die Branche, sondern als Messe, um gemeinsam mit den Kunden und mit den Partnern zu schauen: Hey! Wie ist es euch die letzten Wochen und Monate ergangen? Wie geht’s euch? Was habt ihr vor? Wie können wir uns gemeinsam unterstützen, dass wir möglichst bald und gut aus dieser, in Anführungszeichen, „Talsohle“ wieder rauskommen können. Und somit ist auch, das merken wir auch bei den Ausstellern, die dieser Empfehlung von uns durchaus folgen. Also du hattest ja vorhin gesagt, von der Größe her, die BrauBeviale wird in diesem Jahr kleiner sein. Wir haben das aber auch ganz aktiv mit unseren Ausstellern und Kunden besprochen. Wir haben gesagt, es geht in diesem Jahr nicht um Größe, es geht nicht um wunderschöne Messestände, sondern es geht darum, da zu sein, Solidarität zu zeigen, als Gesprächspartner für die Kunden und für die Getränkehersteller da zu sein. Und das ist in diesem Jahr der Auftrag der BrauBeviale. Also eigentlich ein ganz anderer als sonst.

Holger: Ah ja, interessant. Ich glaube schon, dass das vielleicht auch toll ist für eure Kunden, so eine Plattform zu bieten, wo man sich austauscht. Aber ich habe auch den Eindruck, dass es vorbei ist zu überlegen, also lass uns das irgendwie überleben und dann ist es vorbei und dann geht’s weiter. Ich glaube halt, dass man vieles neu auch machen muss. Und ein weiteres Mal eben sind Innovationen wichtiger denn je. Man muss sich absetzen vom Mainstream und so eigentlich ist ja auch dieses „Immer wieder neu“ eigentlich die Regel. Also vor der Pandemie war das so und nach der Pandemie wird das auch sein. Wo siehst du denn die Hauptherausforderung?

Andrea Kalrait: Wir haben uns ja das Thema Zukunftsfähigkeit für die Branche auf die Fahne geschrieben. Und wie du schon sagst, also gerade jetzt ist das Thema natürlich wichtig: Wie positioniere ich mich? Und wir haben ja jetzt auch oder das haben ja auch Brauereien leidvoll erleben müssen, die auf Fassbier sich fokussiert hatten, was das in diesem Jahr bedeutet hat. Ich glaube aber tatsächlich, dass jeder, und wir haben ja nicht nur Brauereien als Besucher, sondern alle Getränkehersteller, dass jeder natürlich seinen Weg finden muss. Und wir sind jetzt gerade bei der Dose. Die Dose funktioniert sicherlich nicht für jeden, aber wenn ich zum Beispiel auch das Export-Thema andenke und so weiter, dann hat natürlich die Dose auch wieder entsprechende Aspekte, wo es Sinn macht. Also es ist ja immer ein Zusammenspiel von vielen Varianten, und die Tendenz, die wir im Moment sehen, ist tatsächlich, sich wieder treffen, den ersten Branchentreff überhaupt in diesem Jahr zu bekommen, um sich austauschen zu können, das ist es im Moment. Und auch wieder dieses persönliche Treffen, darum geht es. Es ist jetzt eher die Aufgabe zu schauen, wie können wir Begegnung wieder ermöglichen, um eben an der Zukunftsfähigkeit für alle, sowohl für die Getränkehersteller als auch für die Zulieferer zu arbeiten. Dass natürlich in den Betrieben überall geguckt wird und jeder schaut, wo er sich jetzt differenzieren kann, brauchen wir nicht darüber zu reden, Aber es ist, glaube ich, in der aktuellen Zeit weniger klar als jemals zuvor, wie ich mich konkret für die Zukunft aufstellen muss.

Holger: Dann ist sozusagen die Messe jetzt dieses Jahr der Live-Treffpunkt quasi für die Brauwirtschaft. So kann man es sagen, oder?

Andrea Kalrait: Genau, genau.

Holger: Markus, wie war das denn, deine Reise, was ist dir begegnet und vor allen Dingen was hast du auf dem Tisch stehen, damit wir mal zum zweiten Bierchen kommen?

Markus: Ja, auf jeden Fall. Also ich muss vorher noch mal sagen, ich finde das echt interessant, wie so eine Messe dann quasi ja schon so fast seelsorgerische Aspekte bekommt. Aber ich denke auch, es ist wichtig, weil, glaube ich, bei den Brauern es schon oft so ist, dass die ein bisschen in ihrer eigenen Suppe kochen und dann auch mit ihrem eigenen Elend so ein bisschen sich dann um sich selber drehen. Und da fehlen einfach dann Impulse und Anstöße, die von außen kommen. Und da sind natürlich solche Branchentreffs sicherlich sehr, sehr sinnvoll. Und da bin ich auch sehr froh, dass sich das entwickelt hat. Also früher hätten die sich auch auf einem Branchentreff nichts anderes erzählt als ihre Hektoliter, ob sie stimmen oder nicht. Aber mittlerweile reden sie ja auch wirklich miteinander und geben sich auch Tipps und helfen sich und unterstützen sich. Und das finde ich schon sehr wichtig. Ja, aber gut, zurück zum Thema Italien. Ja, wir haben lange überlegt, ob wir es machen sollen oder nicht, und haben jetzt dafür entschlossen, die Reise zu unternehmen. Man merkt hier natürlich, der Eindruck der Pandemie ist genauso da wie bei uns, zumal es Italien ja am Anfang auch noch wesentlich heftiger getroffen hat als Deutschland. Und ich muss sagen, wir haben das ja damals live erlebt, ich war im Februar noch in Rimini oder Anfang März war das sogar, beim Birra dell‘anno Bierwettbewerb. Und da ist im Anschluss auch immer eine Messe. Und das ist auch so, dass einige von den Brauern, die auf der Messe waren, jetzt eben nicht mehr da sind und man da auch wirklich merkt, wie das natürlich auch persönlich die Branche belastet und vielen auch zu denken gibt. Also das ist schon noch mal auch was, was Leute auch zusammenschweißt und wo doch viel auch emotional gesprochen wird. Also insofern war das jetzt auch in der Hinsicht für mich eine sehr interessante Reise. Und man merkt aber trotzdem, wie es eben auch in gewisser Weise eine Familie ist und wie man ein bisschen füreinander da ist und sich kümmert. Und jetzt auch zum Beispiel so die Brauereien, die ich unterwegs besuche, kann ich auch nur besuchen, weil Leute mir die Türen aufmachen. Da könnte man als normaler Gast überhaupt nicht reingucken, also in das Produktionsteil und so. Ja, wie auch immer. Also ich habe jedenfalls natürlich auch ein Bierchen dabei. Und das ist eines, was ich jetzt auf der Reise eben eingesammelt habe. Ich schenke es mal ein. Und zwar war ich, wie schon gesagt, ja noch beim Markus Hoppe in Waakirchen, und der war so nett und hat mir eine ganze Kiste zusammengepackt, so ein bisschen als Überlebenspaket. Und ein sehr, sehr schönes Bier, von dem hatte er nur noch zwei Flaschen, das ist sein New England Super Session IPA. Also viel, viel Name um wenig Alkohol, aber um ein ganz tolles Bier, weil es sich eben um ein IPA handelt, was mit 2,9 % eher am unteren Ende der Alkoholskala sozusagen ist, aber dafür auf der anderen Seite sehr, sehr intensiv, sehr, sehr fruchtig. Im Glas hat man schon logischerweise für ein New England IPA ein relativ trübes Bier. Also man würde sogar sagen, es ist opak, also man kann nicht durchgucken. Oben sitzt ein schöner weißer Schaum. Und wenn man die Nase drüber hält, dann sind eigentlich alle Tropenfrüchte da, Mango, Ananas, Litschi, ein bisschen Banane, ein bisschen Pfirsich, also sehr, sehr vielfältig, sehr, sehr vielschichtig. Jetzt trinke ich mal ein Schlückchen. Mmh! Da kommen die Früchte wieder und interessanterweise doch auch eine kräftige Bittere, die das aber schön abrundet. Also ein sehr, sehr angenehmes und sehr, sehr frisches Bier, wo man dem Markus nur sagen kann, bitte nächstes Jahr auf jeden Fall wieder machen. Tolle Geschichte! Ich habe noch eine Frage an die Andrea, und zwar ist es ja so, wir haben drüber gesprochen, du machst die Messe und du bist Biersommelière und so weiter, aber es gab ja die Andrea auch vor dieser Zeit. Also was mich mal interessieren würde, wie ist es denn so passiert, dass du in dieses Bierthema reingerutscht bist? Und du hast ja auch Familie, also dein Mann, der Jens und so, wie haben die denn darauf so reagiert? Also wie ist es denn im Hause Kalrait? Wann hast du denn so den Stab übernommen in Sachen Getränke?

Andrea Kalrait: Vielleicht fange ich mal ein bisschen wirklich tatsächlich weiter vorne an. Ich habe meinen Mann bei der Messe kennengelernt. Ich habe tatsächlich bei der NürnbergMesse eine Ausbildung gemacht, habe dann im Veranstaltungsteam angefangen zu arbeiten, habe dann auch noch parallel ein BWL-Studium draufgepackt. Und in der Zeit habe ich auch meinen Mann kennengelernt. Und ich bin eigentlich seit Anbeginn, die Jahre werde ich jetzt nicht nennen, man möge es mir nachsehen, da bin ich typisch Frau, glaube ich, also seit Anbeginn bin ich zumindest bei der BrauBeviale tätig gewesen. Am Anfang eben in der einfach Bearbeitungs-, Organisations-Ebene und inzwischen habe ich die Leitung übernommen. Und zwischendrin hatte ich dann natürlich ganz, ganz viele Messen, die ich besucht habe. Und dann gab’s ja diesen European Beer Star, der irgendwann ins Leben gerufen wurde. Und bei einer der Consumer‘s Favourite Verkostungen hatte ich das Glück, neben Wolfgang Stempfl zu stehen. Ich habe dann so mein Tablett durchprobiert und habe dann gesagt, also damals war ich noch bekennende Biermischgetränk-Trinkerin, man möge es mir nachsehen. Das war quasi so die Verfehlung in der Jugend. Und habe dann zu Wolfgang gesagt, also die Biere, die da stehen, die sind schon nicht schlecht, aber so eine Halbe, ich glaube, das finde ich schon anstrengend. Und dann sagt Wolfgang zu mir: Ja Andrea, aber das ist gar nicht so gedacht. Da reicht auch manchmal eben 0,1 oder vielleicht 0,2. Genuss mit Essen kombiniert und so weiter. Und das war für mich dann in dem Moment, wo der Schalter umgelegt wurde, wo ich gemerkt habe, okay, Bier, ich meine, Franken, ja, also unter einer Halben geht eigentlich fast gar nichts. Und das fand ich immer ein bisschen anstrengend auch von der Menge her. Und dadurch war ich eigentlich bis dahin eher Weintrinkerin. Und dann habe ich gemerkt, was für eine Vielfalt Bier bietet und habe dann auch die Ausbildung zur Biersommelière gemacht. Und so ging‘s dann einfach weiter. Ich war dann auch Verkosterin beim European Beer Star, Verkosterin beim World Beer Cup, Brussels Beer Challenge. Und Markus, wir haben uns ja bei vielen dieser Verkostungen auch getroffen.

Markus: Genau.

Andrea Kalrait: Ich hoffe, wir treffen uns auch im Oktober. Und somit ist dann auch irgendwann mein Mann natürlich infiziert worden mit dieser Bierbegeisterung. Und inzwischen auch meine Söhne. Also ich habe zwei Söhne, der Große ist 17, darf also schon Bier trinken. Der Kleine, naja, er nippt mal. Die finden das auch ganz spannend. Der Große fragt jetzt schon, wann er denn mal so die Biersommelier-Ausbildung machen kann. Habe ich gesagt, dann spar doch mal, dann kann das auch was werden. Ich muss gestehen, wir hatten jetzt während der Lockdown-Phase einige Bierverkostungen über Zoom mit Freunden, und das hat uns tatsächlich so ein bisschen über diese harte Zeit hinweggeholfen. Wir hatten dann teilweise bis zu 18 Biere am Abend, das war dann natürlich schon ein bisschen grenzwertig. Aber so viel geübt wie in diesem Jahr habe ich nicht, noch nie.

Markus: Wir haben ja sogar auch einen ganzen Bierwettbewerb komplett über Online-Verkostung über Zoom schon durchgeführt. Also das ist schon spannend. Und wie du schon sagst, ab einer gewissen Menge Bieren ist das natürlich dann auch irgendwann grenzwertig. Trotzdem, Holger, dir fehlt ja noch ein Bier. Was hast du denn dabei?

Holger: Erstmal muss ich sagen, das ist ja fast, da kann man ja fast sagen, Traumfrau, oder? Also für jemanden, der dann so Bier liebt und dann jemand zu haben, wo man abends in der Küche dann oder im Wohnzimmer oder wo auch immer Biere ausprobieren kann und sich austauschen kann und genießen kann. Also das stelle ich mir nicht schlecht vor. Was habe ich dabei?

Andrea Kalrait: Holger, darf ich dich kurz unterbrechen? Spätestens jetzt spiele ich diesen Podcast meinem Mann vor.

Holger: Ja, das solltest du tun. Falls er das noch nicht bemerkt hat, aber er scheint es ja noch nicht ausgesprochen zu haben, dann sag ihm, bestell ihm mal einen schönen Gruß von mir, er kann das durchaus mal loben.

Markus: Auf jeden Fall, auf jeden Fall.

Holger: Ich mach‘s jetzt mal auf. Ich hoffe, ihr habt‘s gehört. Das ist in dem Fall keine Dose. Ja Markus, willst du mal wieder raten? Das haben wir schon ganz lange nicht mehr gemacht. Rate doch mal.

Markus: Das stimmt, das stimmt, das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Ich habe jetzt allerdings auch wirklich nur ein kleines Glucksen gehört. Also okay, Dose nicht, also Flasche. Jetzt muss ich mal überlegen, was nimmt sich der Holger an so einem Tag für ein Bierchen? Also wir haben ja …

Holger: Naja, vor allen Dingen noch nicht mal Mittag, das muss man …

Markus: Ich wollt grad sagen, ja.

Holger: … den Hörern auch noch mal sagen. Also da haut sich die Andrea da was rein und du haust dir was rein. Also Wahnsinn!

Andrea Kalrait: Irgendwo in der Welt ist vier Uhr. Also ich bitte euch.

Holger: Kein Bier vor Vier, aber überall irgendwo ist Vier. Mhm (bejahend). Ja, ja.

Markus: Also gut, das heißt, du hast im schlimmsten Fall alkoholfreies Bier, würde ich fast sagen.

Holger: Na, was heißt im schlimmsten Fall?

Markus: Ah ja, ja, nein, ich bin ja ein großer Freund des alkoholfreien Bieres. Auf jeden Fall. Also insofern wirst du eines haben, trotzdem, hm, vielleicht hast du dir mal ein eher malzbetontes ausgesucht?

Holger: Auch nicht verkehrt.

Markus: Auch nicht verkehrt. Vom Bierstil her was Englisches?

Holger: Nein, überhaupt nicht.

Markus: Überhaupt nicht.

Holger: Ich bin ganz heimatverbunden geblieben. Vielleicht ein ganz kleiner Tipp, in dem Fall nicht Oberbayern, sondern Oberpfalz.

Markus: Das alkoholfreie Dunkle vom Winkler, heißt der glaube ich, oder?

Holger: Oh nee, nicht so speziell. Sondern ich habe halt gedacht, Mensch, Messe und Trends, also so wie ich das auch gerade hinterfragt hatte, und habe dann gedacht, alkoholfrei ist ja schon fast kein Trend mehr, sondern hat sich richtig etabliert. Und dazu wollte ich jetzt dann noch eins draufsetzen und habe halt gesagt, ein Biobier alkoholfrei. Und aus dem Grund habe ich mich für einen Neumarkter Lammsbräu Alkoholfrei entschieden.

Markus: Das dunkle Weizen oder das normale Alkoholfreie?

Holger: Nein, das ganz normale Alkoholfreie Lammsbräuer, ja, kann man sagen.

Markus: Habe ich dort vor Ort schon getrunken, wie schmeckt‘s dir denn?

Holger: Mir schmeckt es ganz hervorragend. Ich will euch das auch beschreiben. Das ist so eine leuchtende strohgelbe Farbe, und wenn man so reinriecht, dann hat man so blumige herbe Noten, so heuig ein bisschen. Und wenn man jetzt trinkt, dann hat man ein ganz schönes ausgewogenes Malzaroma. Also das Malzaroma steht für mich da im Vordergrund, aber so im Nachtrunk kommt schon auch eine schöne feinherbe Hopfennote. Und das ist so ein schöner spritziger Durstlöscher. Und man muss ja immer wieder auch betonen, alkoholfreie Biere sind isotonisch und vitaminhaltig und sind in jedem Fall viel gesünder als vieles andere, was man so alkoholfrei dann trinkt. Also ich kann das nur immer wieder sagen, alkoholfreie Biere sind ausgesprochen gesund.

Markus: Absolut! Andrea, das ist doch zumindest ein Trend, der ja schon auch ein paar Jahre wärt. Letztes Jahr war ich ja auf der BrauBeviale und habe jeden Tag, weiß nicht, sieben, acht Verkostungen ausschließlich mit alkoholfreien Bieren gemacht und viele, viele interessante Gespräche sowohl mit Brauern als auch mit Anlagenherstellern dazu geführt. Merkst du auch, dass das zunimmt und dass vielleicht auch es abnimmt, dass man in Franken oft so ein bisschen despektierlich auf das Thema guckt?

Andrea Kalrait: Ja, das in jedem Fall. Man muss aber auch dazusagen, dass sich natürlich aufgrund der Verfahren unheimlich viel getan hat. Wir hatten ja ganz lange entweder die, also es gab ja nur zwei Welten, sag ich jetzt mal, entweder es war sehr, sehr schlank und herb, oder es war sehr, sehr, ich sag jetzt mal, mastig, fast schon süß. Und dann gab‘s ja noch die Mischung, sage ich jetzt mal, den Blend aus beiden, wo man dann versucht hat, beide Welten irgendwie so ein bisschen zusammen zu bekommen. Aber jetzt gibt’s natürlich noch mit Hefe und was jetzt noch an vielen anderen Verfahren momentan getüftelt wird, sind wirklich, finde ich, sehr tolle Getränke, ja, Biere entstanden, die man da verkosten darf. Und ich bin da sehr froh. Also es ist ja auch, wenn wir den European Beer Star anschauen, das Thema Alkoholfrei als Kategorie wird ja auch immer weiter ausgebaut. Also ja, freut mich sehr, weil es natürlich auch, wie du auch schon sagtest, Holger, eine schöne Alternative ist, auch wenn man unterwegs ist. Also ich will keine Cola trinken und auch vielleicht kein Wasser und dann ist so ein alkoholfreies Bier eine wunderbare, erfrischende Alternative, auch wenn man noch Auto fahren muss. Und – by the way – für natürlich diese BrauBeviale jetzt im November empfehlen wir auch, dass eher alkoholfreie Biere an den Ständen ausgeschenkt werden. Also es darf jeder Biere verkosten auf der BrauBeviale, aber wir wissen natürlich auch, gerade, die wir in Bayern sitzen, wie unser Ministerpräsident mit Alkohol so reagiert. Und wir empfehlen da tatsächlich auch unseren Ausstellern doch zumindest Biere mit niedrigerem Alkoholgehalt oder sogar alkoholfrei für die Verköstigung ihrer Kunden am Hahn zu haben.

Holger: Ihr hattet ja immer die Craft Beer Corner auch auf der Messe.

Andrea Kalrait: Ja.

Holger: Wird die diesmal auch wieder stattfinden?

Andrea Kalrait: Ja, die wird tatsächlich auch wieder stattfinden, aber natürlich kann die nicht in dem gleichen Modus stattfinden. Also wenn man sich überlegt, dass wir im letzten Jahr auf 600 Quadratmeter irgendwie knapp 10.000 Besucher hatten. Also, wenn man dann mit eineinhalb Meter Abstand rechnet, ich glaube, braucht man kein Abitur, um zu verstehen, dass das so nicht möglich ist. Aber wir werden in jeder Halle eine Craft Drink Area haben, wo man auch diesen gemütlichen Aspekt, also dieses Zusammenkommen, gemeinsam mal anzustoßen, zu reden bei einem Bierchen, das transferieren wir tatsächlich eben auf die aktuelle Situation und somit wird es in jeder Halle eine Craft Drinks Area geben.

Markus: Da würde ich fast sagen, Holger, lass uns doch da zur BrauBeviale vielleicht einen BierTalk live noch mal aufzeichnen. Wir haben ja in Bozen die Premiere gehabt, das hat gut funktioniert, und das wäre ja eigentlich eine ganz witzige Idee zu sagen, wir nehmen mal eine oder mehrere dieser Craftbier Corners und schauen mal, wer uns da so vors Mikrofon läuft.

Holger: Bin ich sofort dabei. Find ich eine gute Idee. Ich muss ja auch sagen, also nichts gegen den normalen BierTalk Podcast, aber so ein BierTalk Live Podcast, der ist schon auch richtig toll. Also der hat was für sich. Und der hat mir jetzt in Bozen auch wahnsinnig Spaß gemacht.

Markus: Liebe Andrea, wenn du jetzt schon sagst, ihr habt den Weinkühlschrank umfunktioniert, was steht denn da noch so alles drin?

Andrea Kalrait: Es gibt auf verschiedenen Etagen verschiedene Biere natürlich. Und ganz unten gibt’s dann auch noch tatsächlich Wein und Sekt, also das darf dann auch nicht fehlen. Weil als Genussmensch bin ich natürlich offen für alles und ich bin sehr froh, dass Spirituosen nicht gekühlt werden müssen. Das entspannt die Lagerkapazität etwas. Ich bin ein Fan von außergewöhnlichen Bieren und ich hatte vor, ich glaube, das war jetzt vor drei Monaten, in einer unserer Verkostungen hatten wir ein Bier, das ich wirklich gehütet habe wie meinen Augapfel. Giovanni Campari kennst du, glaube ich, auch ganz gut, lieber Markus.

Markus: Ja.

Andrea Kalrait: Der hatte ein Bier kreiert, ein fassgereiftes Bier als Hommage an seinen Lieblingswein, an den Amarone. Also das heißt, dieses Bier wurde im Amarone-Fass gereift. Und ich hatte das Glück, eine dieser Flaschen bei einer der Bier-Querdenker-Veranstaltungen zu bekommen, im Nachgang noch. Und habe die also in meinem Kühlschrank stehenlassen und habe sie gehütet und dann haben wir sie geöffnet. Weil stand ja drauf, bis 2050 haltbar. Und lieber Giovanni, es tut mir leid, das Bier war damals bei den Bier-Querdenkern deutlich besser, also die 2050 hat nicht funktioniert. Aber es war einfach so diese Erinnerung an dieses Bier und es auch einfach so zu hüten, das war schon ein Erlebnis. Und insofern, mein Mann ist auch viel im Ausland unterwegs, wir sammeln aus aller Herren Länder die Biere zusammen, wir kommen bloß mit dem Trinken manchmal nicht so ganz nach.

Markus: Das kann ich durchaus nachempfinden. Vielleicht für unsere Hörer noch ganz kurz die Info: Giovanni Campari ist beim Birrificio del Ducato, also durchaus eine sehr namensreiche oder bekannte italienische Brauerei. Ja Holger, du hattest grad noch eine Frage?

Holger: Ja, ich wollte das Thema Ausland noch mal aufgreifen, weil die NürnbergMesse hat ja auch Ableger. Und da gibt’s ja dann auch Biermessen im Ausland. Und ich find‘s spannend, da auch noch mal was zu zu hören. Also erzähl doch darüber noch ein bisschen.

Andrea Kalrait: Ja, die Idee, die wir mit der Beviale Family, wie wir sie nennen, verfolgen, ist tatsächlich dieses internationale Netzwerk rund um die Herstellung von Bier zusammen zu bringen. Wir erleben das ja alle, die wir unterwegs sind, Markus hat das vorhin auch gesagt, wie man miteinander spricht, wie man sich austauscht. Und das gibt’s natürlich auch gerade im internationalen Gefüge auch. Also da entstehen Freundschaften über die Ozeane hinweg sozusagen und es sind auch alle immer sehr interessiert zu lernen, neue Wege zu gehen. Und gerade diesen Austausch versuchen wir mit unserer Produktfamilie sozusagen zu unterstützen. Wir haben Veranstaltungen in Russland, wir haben Veranstaltungen in, naja, eigentlich Mexiko, aber Mexiko hat natürlich jetzt im Moment in der aktuellen Situation auch so seine Schwierigkeiten. Aber grad die mexikanischen Brauer sind wahnsinnig interessiert und kreativ und wollen sich austauschen. Ich habe dort von einer jungen Brauerin ein Stout mit Himbeeren verkosten dürfen. Das war eine Sensation. Das war ein Nachtisch eigentlich par excellence. Und wir wissen natürlich auch, dass gerade der Zuliefererbereich, also sprich, die Hersteller von Anlagen, die sitzen natürlich ganz oft aufgrund der Historie in Europa, inzwischen natürlich auch in USA. Und wir wissen aber auch, dass gerade Craft Brewer nicht das Geld haben, irgendwohin großartig zu reisen. Und dadurch versuchen wir natürlich, in diese Regionen zu gehen, wo da auch einfach was passiert, wo eine Bierkultur entsteht.

Holger: Wirklich sehr spannend. Und ihr seid ja nicht nur in Mexiko, sondern ich weiß, Mailand ist ja auch mittlerweile dabei …

Andrea Kalrait: Indien. Indien sind wir. Man muss jetzt aber auch dazusagen, und das müssen wir jetzt leider auch sagen, wir müssen jetzt natürlich durch die aktuelle Situation auch ein bisschen gucken, wo und in welchem Land kann es jetzt wirklich wie weitergehen, weil sich da natürlich einfach Veränderungen ergeben, wo wir jetzt gucken müssen, was macht wo Sinn. Aber die Idee ist nach wie vor, die Branche zusammenzubringen. Und genau vor dem Hintergrund starten wir jetzt auch im Oktober eine neue Plattform, die myBeviale.com, um eben auch die digitale Ebene sozusagen mit einzubinden und hier diesen Austausch, dieses Miteinander hier zur unterstützen.

Holger: Da kann man auch noch mal schön zusammenfassen, also man kann wirklich sagen: Wir sind eine Familie. Der Dialog wird weiterhin im Vordergrund stehen. Es wird weitergehen, es bleibt international. Und der Rahmen ist sozusagen, die Beviale Family, die den Live-Treffpunkt für die Branche bildet. Also für mich war das jetzt schon wieder was richtig Spannendes, was ich alles hören durfte. Und die Idee, dann wirklich einen Live BierTalk zu machen, die finde ich ganz hervorragend.

Markus: Mir sind nur die Gedanken gekommen, gerade auch an Südamerika, wo wir ja auch gemeinsam schon mehrmals waren …

Andrea Kalrait: Da habe ich auch noch ein Bier im Kühlschrank.

Markus: Ja, da habe ich auch noch das ein oder andere.

Holger: Ja, aber oft ist es ja auch so, dass eben der Gast zwei Biere verkostet. Also ich will da jetzt nicht bremsen.

Andrea Kalrait: Ich bin ja in der Arbeit, ihr Lieben.

Markus: Das können wir ja auch das nächste Mal verschieben.

Andrea Kalrait: Der Klimaschrank ist zuhause, noch.

Markus: Noch. Nein, aber was ich eigentlich sagen wollte, da finde ich es halt schon auch einfach krass, weil ja einerseits jetzt die Herausforderungen der Pandemie da sind, aber halt ja vorher auch schon andere Herausforderungen bestanden haben. Zum Beispiel in Argentinien die Währungskrise, die es da gibt und so, was es natürlich auch noch mal schwer macht für die Brauer, wenn ich das Land verlasse und nicht weiß, was mein Geld wert ist, wenn ich wieder nach Hause komme. Also das ist durchaus schon krass. Und die haben natürlich jetzt auch zu kämpfen. Also insofern freue ich mich auch, dass die Andrea sagt, sie will sich da weiter engagieren und ich bin sehr gespannt, wie das weitergeht. Ich freue mich da auf viele, viele Treffen und schöne Stunden, die wir noch haben wollen. Und ich sage auf jeden Fall vielen, vielen Dank für den BierTalk, für die Zeit! Und wie gesagt, ich freue mich, wenn wir dann auf der Beviale uns wiedersehen und dort vielleicht live ein bisschen weiter talken.

Andrea Kalrait: Fände ich auch sehr schön, würde mich freuen. Ihr seid herzlich willkommen als unsere Gäste. Und ich kann eigentlich nur sagen: Bis dahin ihr und auch eure Zuhörer bleibt gesund, passt auf euch auf! Und ich freue mich auf ein persönliches Treffen im November.

Holger: Wir in jedem Fall auch. Vielen Dank für deine Zeit! Alles Gute!

Andrea Kalrait: Gerne. Danke schön!

Markus: Tschüss!

Holger: Tschüss!

Andrea Kalrait: Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 34 – Live vor Ort im Batzenbräu Bozen mit Thomas Münster, Tobi Tratter und André Hofer

Ein ganz besonderes Experiment: Der BierTalk live vor Ort, uncut aus dem Biergarten der Batzenbräu in Bozen. Mit den Brauern Thomas Münster und Tobi Tratter verkosten Markus Raupach, Holger Hahn und ihr Südtiroler Biersommelierkollege André Hofer sechs spannende Biere aus der Batzenbräu-Palette und im Nachgang noch das Meisterbier von André, der sich anschickt, zum nächsten Master of Beer zu werden. Dazwischen geht es natürlich viel ums Batzenbräu, um Südtirol und um die Liebe und Lust am Brauen, ein echtes Podcast-Schmankerl…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von unserem BierTalk. Es ist die Nummer 34 und das ist wirklich etwas ganz Besonderes, weil wir zum ersten Mal live sind. Das heißt, es ist nicht online über irgendein Tool, wo wir aufzeichnen, sondern wir sitzen hier im Biergarten, in einem der schönsten der Welt, in Bozen beim Batzenbräu, sind zu fünft an einem Tisch und werden jetzt gleich viele verschiedene Biere verkosten und uns natürlich schön unterhalten. Mit dabei bin einerseits ich, der Markus und …

Holger: … natürlich der Holger.

Markus: Genau. Und drei junge Männer voll des Bierdrangs, die sich jetzt am besten gleich mal kurz vorstellen. Fangen wir einfach rechtsrum die Reihe an. Wer bist du denn?

Thomas Münster: Mein Name ist Thomas Münster, ich komme aus Auer, aus einem kleinen Dorf südlich von Bozen. Ich bin im Batzenhäusle gelandet 2013, als ich auf der Suche nach Arbeit war und als Kellner hier gelandet bin. Und lange hat es nicht gedauert, wenn man den Bobo kennt, also die Bierpassion und die Liebe zum Bier wird einfach schnell vermittelt. Und somit hat es bei mir auch eingeschlagen. Und ich habe dann den Weg des Brauers eingeschlagen in Wien und dann den Meister in München abgeschlossen vor drei Jahren. Und wir sitzen jetzt hier in einer schönen Runde und freuen uns schon auf ein paar verschiedene Biere.

Markus: Auf jeden Fall. Übrigens nicht wundern, liebe Leute, es ist jetzt hier natürlich ein bisschen lauter, wir haben die komplette Kulisse. Wir lassen das auch ganz bewusst mal live durchlaufen, da erlebt ihr mal, wie das ist, unplugged, uncut, einfach wirklich den BierTalk live. Ja, weiter geht’s mit dir.

Tobi Tratter: Ich bin der Tobi. Ich bin auch Braumeister. Ich habe gedacht, also in der Oberschule hatte mal irgendwann meine Lateinlehrerin gesagt hat, also da habe ich mal einen wachen Moment gehabt in der Schule, da hat sie gesagt, ihr sollt das machen, was ihr jetzt Lust habt. Ihr braucht nicht, keine Ahnung, was studieren, da hab ich mir gedacht, ich trinke jeden Tag Bier, schauen wir mal, wie das so funktioniert. Und ab dem Zeitpunkt eigentlich ich habe schon meine Abschlussarbeit über Bierschaum zum Beispiel geschrieben, dann bin ich auch irgendwann mal ins Batzenhäusle gekommen. Weil wenn es ums Thema Bier geht, kommt man einfach nicht vorbei in Südtirol. Und der Christian hat mir damals dann empfohlen, ich soll in Wien die Ausbildung machen, durfte hier die nötigen Praktikumszeiten machen. Eigentlich bin ich seit 2013 auch hier in der Brauerei tätig. Ich habe dann später auch 2018 meinen Master noch gemacht und wie der Thomas, wir probieren halt unsere Leidenschaft und unser Wissen so weit auszunutzen, damit wir ein gescheites Bier rausbringen am Ende des Tages.

Markus: Fantastisch! Dann machen wir mit dir weiter.

André Hofer: Ja, grüßt euch. Mein Name ist Hofer, André, ich komme aus Dorf Tirol, das liegt bei Meran, also auch im schönen Südtirol, Italien. Ich komme von der Hotellerie, habe 2006 diesen Weinsommelier gemacht, wollte dann anschließend eben den Biersommelier machen, aber zur damaligen Zeit war das ein bisschen schwierig, ich wusste nicht wohin oder waren keine Angebote. Und dauerte dann eigentlich gute 10 Jahre, dass man dann eben diesen Biersommelier gemacht hat bei der Doemens in Gräfelfing. Und ja, ich bin dann infiziert geworden natürlich mit diesem Bier-Metier, habe dann auch angefangen, selber ein bisschen zu brauen. Paar Botanical Beers, Minze, Kardamom, eigentlich alles, was auch bei mir im Hotel irgendwie wächst. Wo ich ein bisschen Geld noch der Bank hatte, habe ich gesagt, okay, mache ich diesen Master auch irgendwie weiter und schließe dann jetzt im November werde ich diesen Master of Beer abschließen. Und war eine tolle Zeit da sozusagen, also es war anstrengend, war viel schriftliche Arbeit mit diesen Bierpaketen, lustig mit Freunden auch und viel getrunken auch, ohne Praxis geht’s auch nicht. Mal schauen, was die Zukunft bringt. Meine Facharbeit ist eben „Vom Lohnbrauer zum Kleinbrauer“ und mal schauen, was die Chancen gibt die nächsten Monate, Jahre. Ja, ich freue mich, dass ich heute hier sein darf und schauen, dass wir ein Bierchen trinken.

Markus: Wird es aus deiner Hand auch bald spannende Biere geben sozusagen?

André Hofer: Ja, ich habe was mit auch, ich hoffe, dass es relativ gekühlt ist in dieser Box.

Holger: So ein paar Bierchen trinken ist ja ein sehr gutes Stichwort.

Markus: Es heißt ja auch Biergarten.

Holger: Ja, es heißt eigentlich auch Biergarten. Und wenn ich das hier so sehe, dann …

André Hofer: Ein bisschen trocken.

Holger: … müssen wir mal was ändern hier am Tisch, glaube ich.

Markus: Okay! Na dann, hol uns doch mal was Schönes. Bin ich mal gespannt.

Thomas Münster: Ich hol jetzt einfach verschiedene Biere, was wir …

Markus: Genau, was ihr uns alles so präsentieren wollt. Mal schauen, wir haben ja fast unendlich Kapazität zum Aufzeichnen. Schauen wir einfach mal. Ja, fragen wir dich doch mal kurz so als Braumeister hier, was ist denn so für dich das Lieblingsbier, was du am liebsten braust?

Tobi Tratter: Ja, das ist extrem schwierig zu beantworten. Also so rein objektiv, wenn man dann um fünf Uhr irgendwann mal Feierabend hat und so wie es diesen Sommer auch wieder war, 35 Grad plus Luftfeuchte in der Brauerei, da geht man in den Biergarten und dann verdampft mal so im ersten Moment ein halbes Helles. Das ist klar wie Standard. Aber zum Brauen selber vielleicht deine eigentliche Frage, Vorteil hier ist, wir brauen immer wieder neue Biere. Und eigentlich ist das das Spannende. Also wenn wir wieder was Neues versuchen, wenn wir irgendwas auskopfen irgendwann wieder mal bei einem Bier. Weil die Idee in die Tat umzusetzen, das ist das Spannende. Weil da muss man sich ums Malz kümmern, ums Wasser kümmern, wie soll das Rezept ausschauen, wie sollen wir das vergären, welchen Hefestamm nehmen wir, welchen Tank nehmen wir überhaupt, weil das macht ja auch schon ganz, ganz viel aus. Das ist eigentlich die spannende Sache. Es ist halt zu sagen, welches Bier ich am liebsten braue, ist sehr, sehr schwierig. Also wir haben erst gestern wieder 50 Kilogramm Honig in den Topf oben reingehaut für unser Honigbier. Solche Biere, die wir wirklich nur einmal im Jahr machen, die sind immer wieder spannend. Auf der anderen Seite ist natürlich auch ein Helles immer konstant, die gleiche Qualität zu halten, das ist für einen Braumeister eigentlich auch ziemlich, ziemlich interessant. Weil da kommt‘s eigentlich aufs Fingerspitzengefühl an, die Parameter richtig handzuhaben. Und als die Frage ist in meinen Augen beinahe unbeantwortbar.

Markus: Okay!

Tobi Tratter: Vielleicht trinken wir mal zehn Bier und dann schaut’s anders aus. Bis jetzt …

Markus: Vielleicht eine Frage hätte ich noch an dich, André.

André Hofer: Ja.

Markus: Wir sind ja hier in Südtirol, und wie wir gerade gehört haben, ihr seid sehr kreativ, ihr macht euch viele Gedanken. Also auch viel mehr Gedanken als die meisten deutschen Brauer sich vielleicht in ihren Brauereien erst mal machen, weil die ihre Standardsorten machen und die gibt’s seit 500 Jahren. Wo kommt es denn bei euch in Südtirol her, dass ihr euch so andere Gedanken zum Bier macht und so anders an die Biere rangeht?

André Hofer: Ja, ich denke, weil wir relativ eigentlich kreativ sein müssen und weil wir natürlich mit unserer Biergeschichte auch eher dann auf Weißbier und Helles natürlich erst mal irgendwie festgelegt waren, wurden. Und durch diesen ganzen Boom, durch diese Craftbier-Szene hat man sich dann irgendwie Gedanken gemacht, wenn das natürlich die Engländer, die Amis können, wieso eigentlich wir nicht? Und unser Land hat natürlich sehr viele Optionen zum Beispiel mit unseren Trauben, Äpfeln, mit unseren Marillen, das sind die Aprikosen vom Vinschgau, wir haben natürlich sehr gute Ausgangsprodukte auch wie Honig, dass man auch was machen kann. Vielleicht sind wir auch irgendwie offener. Wie gesagt, Italien selbst hat natürlich nicht diese Brautradition und wir haben halt dieses Glück, dass wir sagen, okay, wir machen halt das, was wir Lust haben, was uns zur Verfügung steht, auch von den Getreidesorten wie Dinkel oder die Kastanien, die Trauben natürlich, aus der Toskana. Und ich glaube, es ist eine gute Sache, dass wir einfach da ohne größere Gedanken an die Sache rangehen können. Ob das jetzt jemand mag oder nicht mag, das ist eine andere Sache, aber irgendwie versuchen wir halt die Chance zu nutzen. Batzenbräu macht es so vor, dass eben dann, wenn der Bierstil eben auch erfolgreich sein kann.

Holger: Ich meine, Südtirol ist ein absolutes Genussland, das kann man ja sagen. Und vielleicht …

André Hofer: Wir genießen gern.

Holger: Ja, absolut. Ihr genießt gerne. Und vielleicht können wir ja ganz kurz mal beschreiben, wo sitzen wir überhaupt hier? Also wie sieht es hier aus und so? Die Hörer, also es kann ja sein, dass irgendwer noch nicht da war, dass man einfach mal beschreibt, wo sind wir hier eigentlich. Dann Andreas-Hofer-Straße, Nationalheld, und natürlich dann auch historisches Gasthaus und so. Vielleicht beschreibt ihr mal, wo sind wir hier eigentlich?

André Hofer: Also wie gesagt, Batzenbräu natürlich, die Ursprünge waren glaube ich Anfang 15. Jahrhundert, also 1405 war das eine Künstlerkneipe. Dass ja auch momentan noch verschiedene Musikveranstaltungen auch hier sind. Batzen selbst ist ja eigentlich eine Geldmünze. Mit denen hat man natürlich hier dann bezahlt. Deswegen heißt das dann zum Batzenhäusl. Und dann ab, glaube ich, ab 18. Jahrhundert wurde es immer mehr zum Wirtshaus auch. Und ich glaube, der Bobo ist seit, lass mal denken, glaube ich, seit einigen Jahren, seit 2002, glaube ich, hier oder Besitzer. Hat dann zehn Jahre später diese Brauerei dann eröffnet, haben jetzt auch modernisiert mit Tanks, Lagertanks. Und schön ist eben, dass er auch eben, wie gesagt, diese Kreativität fördert, auch andere leben lässt. Und zusammen sind wir stark. Irgendwie müssen wir alle überleben und jeder soll sein Bierchen brauen.

Markus: Genau. Man muss halt auch den Ort ein bisschen beschreiben. Wir sind hier quasi im Innenhof, also klassischer Brauereihof, würde ich jetzt mal sagen, nur eben in einer etwas moderneren Interpretation. Zu unserer Linken ist das uralte Batzenhäusl mit Malereien, mit mehreren Stockwerken verwinkelt, teilweise ist es gerade so hoch, dass man mit dem Kopf so durchpasst. Also sehr, sehr spannende, tolle Location. Gerade wenn es auch mal Herbst ist oder Winter ist, ist es da ganz, ganz besonders schön vom Ambiente her. Dann hinter uns so ein Querbau, ein bisschen modern, wo man einfach auch ein bisschen Partyambiente, vielleicht auch ein bisschen Pub-Stimmung sozusagen hat. Und rechtsrum geht’s dann in die Brauerei, wo die schönen kupfernen Sudkessel direkt an der Straße stehen mit Glasfassade. Das heißt, das sieht man schon von draußen. Und dazwischen im Hof eben ungefähr 20 Tische, die Hälfte rund, die Hälfte eckig. Es passen immer so sechs, acht Leute hin. Schöne braunweiße Schirme drumherum, alles schön im Batzenbräu-Logo. Schöne Bäume natürlich, die müssen noch wachsen, also die sind wahrscheinlich ungefähr so 10, 15, 20 Jahre alt.

Tobi Tratter: Ja, jetzt die Bäume, das ist ein bisschen besondere Geschichte. Also am Anfang hatten wir Buchen, nur Buchen, aber entweder haben die Gäste zu viel Bier ausgeschüttet oder das Licht war zu rar, die sind uns dann leider eingegangen. Und jetzt haben wir uns neue Bäume gekauft, dieses Mal Eichen. Also die kommen eigentlich aus Trient, wurden umgetopft und jetzt wachsen sie bei uns hier im Biergarten. Und das ist einfach herrlich im Sommer unter den Bäumen zu sitzen, einer der wenigen Orte in Bozen, wo man wirklich Biergartenstimmung hat und vielleicht noch im Kühlen, einen Laubbaum. Es ist recht angenehm. Ja.

Markus: Wunderbar! Oh! Jetzt kommt hier aber ein buntes Potpourri aus sechs verschiedenen kleinen Gläsern. Aha! Was haben wir denn da jetzt alles? Den Rest kriegen wir hin. Wunderbar! Vielen Dank!

Holger: Ich hatte mir schon Sorgen gemacht.

Thomas Münster: Das ist schwierig zu managen.

Markus: Jetzt haben wir fünfmal sechs Biere vor uns stehen von quasi hellgelb bis richtig dunkelbraun. Dazwischen ist auch mal was Rotes dabei. Überall richtig viel Schaum. Schaut so ein bisschen aus wie am Pokertisch so. Ich setzte jetzt mein rotes, also die sind alle in so einem schönen Holzbrettchen auch. Also spannend! Ja, erzähl doch mal, was haben wir denn da, wie setzt sich das zusammen.

Thomas Münster: Genau. Also das ist jetzt unser Bier-Sampler, den stellen wir eigentlich so meistens individuell für jeden Gast so zusammen, je nach seinem Geschmack. Natürlich bauen wir dann auch wieder gerne ein Bier ein, die sage ich mal saisonbedingt sind wie jetzt zum Beispiel ein Red Frieda oder ein Rauchbock in der Winterzeit, heute haben wir es noch. Auf jeden Fall ist das halt immer interessant bei unseren Gästen dann ein bisschen so draufzukommen, welche Geschmacksart ihnen einfach am meisten zusagt. Weil eben, ihr wisst ja, also jeder hat seinen eigenen Geschmack. Es gibt nicht den Universal-Biertrinker, das ist oft selten. Auf jeden Fall, wenn da ein Neueinsteiger kommt, dann präsentieren wir gerne den Bier-Sampler. Und mit wirklich einer Vielfalt von bis, also wir haben klassisches Helles, Fruchtbier, Sauerbier, bayerisch Dunkelbier, ein Rauchbock, ein Südtiroler Bier mit Gewürzen. Also wirklich auch mit bayerischer Hefe vergoren. Auf jeden Fall kommt man so ein bisschen an den Gast ran und kann sich dann rantasten an seinen Geschmack. Ich würde sagen, wir beginnen mit Nummer 1, oder?

Holger: Unbedingt!

Markus: Auf jeden Fall!

Holger: Ich habe schon gedacht, du kommst nicht mehr wieder. Soalnge haben wir schon den Biergarten beschrieben.

Tobi Tratter: Es war auch ein bisschen schwierig mit dem Schaum, alles zu managen.

Markus: Apropos beschreiben, Holger, beschreib uns doch mal, was wir da haben.

Holger: Da haben wir jetzt erst mal so ein ganz kleines, ich glaube, das heißt Brew Master One Glass von Rastal. Und da, das ist also gefüllt.

Markus: Gottseidank, ja, ja.

Holger: Das ist gefüllt. Und das ist jetzt halt so ein schönes Gold, hellgoldfarbenes Bier, klar, aber ich würde doch sagen, trotzdem unfiltriert. Und hat einen schönen weißen porigen Schaum, der auch sehr gut steht im Glas. Und lacht mich an.

Markus: Ja.

Holger: Ich will eigentlich gar nicht beschreiben, ich will trinken.

Markus: Na gut! Also …

Holger: Also Prost!

Thomas Münster: Prost!

Markus: Prost!

Tobi Tratter: Prost!

André Hofer: Prost!

Holger: Tobias, womit haben wir es denn zu tun? Sag doch mal!

Tobi Tratter: Wir haben so viele Biere, nein, wir haben es jetzt mit einem Südtiroler Hellen zu tun. Wir haben seit längerem schon, seit vier Jahren, haben wir ein Projekt laufen mit Südtiroler Bauern. Die bauen uns Gerste an, wir bringen die Gerste raus nach Deutschland zum Vermälzen, holen dann die Rohstoffe wieder zurück. Also ist zwar ein bisschen aufwendig, aber jetzt in Südtirol gibt’s doch nicht so viele Mälzereien, die uns das machen würden.

Holger: Marktlücke.

André Hofer: Ja, ich glaube, mit dem Filtern.

Tobi Tratter: Genau. Ja.

André Hofer: Und der war, ich glaube, einer der größten von Italien. Und durch diese Weltkriege, wie man weiß, da sind die Arbeiter, die sind zum Teil gefallen und der Rest hatte keine Arbeit mehr gehabt und die Frauen mussten bei den Kindern sein, und dann war das Geschichte.

Holger: Nein, überhaupt war Südtirol sowieso mal eine Kornkammer, also vor dem Obstanbau.

André Hofer: Wir waren nicht nur grundlastig.

Holger: So ist es.

Markus: Kann man aber auch zu Alkohol verarbeiten.

Tobi Tratter: Na, zu der Mälzerei. Die war wirklich bis 1989 aktiv. Damals halt dann der Besitzer ist umgesiedelt ins Piemont. Die Arbeiter hätten dürfen mitgehen, aber zum Beispiel mein Taufpate war selbst dabei betroffen, der war Mälzer dort. Der hat dann gesagt, nein, er bleibt hier bei der Familie, er will jetzt nicht weiß Gott wo hinziehen nur wegen dem Malz. Und dann ist eben, es ist zumindest halbwegs aufrechterhalten worden. Und jetzt ist doch die Feuerwehr, also Landesverband hat doch die Trainings und die Schulen, oder sagen wir die Schule für Feuerwehrleute, für die freiwilligen Feuerwehrleute ist jetzt dort untergebracht. Und es schmerzt schon ein bisschen, also wenn du Kurs hast und du schaust oben aufs Dach raus, dann sieht man noch einen großen Kamin der Darre, der dreht sich immer noch. Und das ist schon ein bisschen wehleidiges Raufschauen, aber der Zahn der Zeit, der nagt überall. Und deshalb müssen wir halt wieder die Gerste nach Deutschland bringen, doch vermälzen, wieder zurück. Und natürlich, das ist dann auch eine preisliche Frage gewesen, weil wir wollen die Bauern auch was verdienen lassen. Zudem kommt dann Transportkosten, die Lohnmälzerei, was dann natürlich noch hinzufällt. Und somit hat man eigentlich einen relativ teuren Rohstoff. Und deshalb konzentrieren wir uns drauf, mit dem Malz eigentlich immer eher besondere Biere zu machen. Und das war jetzt eigentlich so eine Mischung aus besonderen Bier ein Versuch. Wir wollten mal bewusst probieren, was passiert, wenn man ein gewisses Spezialmalz, unter Anführungszeichen, hernimmt und ein normales, stinknormales Helles braut.

André Hofer: Wie viel Prozent habt ihr da eigentlich drin?

Tobi Tratter: 100 Prozent. Also ist alles nur Pale Ale Malz.

André Hofer: Normal gehopft?

Tobi Tratter: Es ist wirklich ein klassisches Helles. Das haben wir dann natürlich, ist Corona dazwischengekommen, ist relativ lange im Lagertank gewesen. Also deshalb ist es auch perfekt blank und ausgelagert. Aber wir haben dann noch mal einen Schritt später entschieden, jetzt noch mal ein Helles nur hier im Biergarten anzubieten, das wäre aber auch vielleicht ein bisschen langweilig. Und dann haben wir es ein bisschen Hopfen gestopft, also wir haben einen neuen Hopfen bekommen, einen South African PAssion. Und den wollten wir mal probieren und da haben wir gedacht, du, wir haben ein helles Bier, relativ neutral, jetzt sehen wir mal, was der kann. Haben ihn dann Hopfen gestopft und das Bier dann als leichtes Summer Beer eigentlich hier im Biergarten. Und das läuft relativ gut, also es ist relativ angenehm zu trinken, es hat relativ wenig Alkohol mit 4,5 %, eine gewisse fruchtige Note durch den Hopfen, erfrischen. Und vor allem, wenn es heiß ist bei uns, braucht’s eher leichte Biere als Bockbier, sage ich mal so.

Markus: Eine perfekte Mariage, würde man fast sagen, in Anlehnung auf andere Bierkulturen. Aber ich finde, also gerade weil es so schön ausgelagert ist, dann kommt der Hopfen richtig schön zur Geltung. Und das gibt dem so den Kick, wo man sagt, Mensch, das macht‘s interessant. Oder Holger?

Holger: Wunderbares Biergarten-Bier. Die Nummer 2 lacht schon.

Markus: Ja, also man merkt, der Holger hat es eilig. Aber gut, also Kompliment auf jeden Fall, auch die Idee, so ein regionales Bier zu machen. Können wir vielleicht nachher noch mal darüber reden, ob es vielleicht auch Ideen gibt, Südtiroler Hopfen irgendwie zu kriegen. Aber nehmen wir ruhig erst mal Bier Nummer 2.

André Hofer: Genau.

Markus: Holger, was haben wir jetzt?

Holger: Jetzt haben wir schon etwas mehr Naturtrübe im Glas. Der Schaum ist auch hier sehr feinporig und weiß.

Markus: Aber die Nase ist ja auch schon ganz anders.

Holger: Ja, die Nase ist ganz, ganz anders. Also hier hat man eine Säure schon in der Nase und auch im Antrunk sehr, sehr spannend. Und ist auch eigentlich perfekt hier für so ein tolles Augustwetter hier in Bozen. Da kann es ja schon mal leicht auch über 30 Grad warm werden. Und da ist jetzt so ein Bier für mich eigentlich optimal. Ist so ein säuerliches, schönes, frisches Aperitif-Bier.

Markus: Ja.

Holger: Würde ich fast sagen.

Markus: Ist so ein bisschen was Apfeliges.

Holger: Genau.

Markus: Sehr, sehr spannend, ein bisschen sexy.

André Hofer: Wir haben zum Beispiel den Radler nicht hat, dann hat man halt wahrscheinlich eine Gose.

Markus: Ja.

Holger: Genau.

André Hofer: So ein bisschen.

Markus: Wie kommt ihr zu dem Bier, wie kommt’s?

Thomas Münster: Die Gose ist natürlich inspiriert von der Leipziger Gose. Aber wir wollten natürlich nicht wie bei allen unseren Bieren den Südtiroler Touch nicht vergessen. Somit haben wir hier ausschließlich Südtiroler Malz gewählt. Was für uns Braumeister natürlich hier die Herausforderung war, ist: Wie bekomme ich eine Säure in das Bier? Also wir stehen dafür, dass wir eigentlich nur saubere Biere machen. In einer kleinen Brauerei ist ja saubere Arbeit das A und O. Wir haben jetzt mittlerweile auch schon ein Labor eingerichtet, um einfach ständige Kontrollen zu haben. Und jeder Brauer weiß, dass Milchsäure-Bakterien sind der Todfeind Nummer eins, außer natürlich bei der Gose. Und hier haben wir dann einen Sud gebraut oder eine Würze, und das durch Kettle Sour, also mit Milchsäurebakterien im Sudhaus noch vergoren. Die Würze wieder aufgekocht, um da wirklich steril oder sauber zu arbeiten. Und dann erst natürlich die Würze vergoren. Das ist natürlicherweise ein Arbeitsaufwand von zwei Tagen, aber wenn man das Bier trinkt, dann sieht man, dass sich die zwei Tage absolut auszahlen. Auf jeden Fall haben wir danach gesagt, wir wollen kein Bier brauen wie jetzt zum Beispiel ein Biermischgetränk oder ein Radler oder Limonade, sondern eine Alternative zu einem Radler bietet. Und natürlich bietet sich eine Gose super an, weil ich eine Frische habe, die leichte Säure habe, einfach ein Alternativgetränk zu einem Radler. Und wir machen ja auch viele Bierverkostungen oder sind da in Hotels, und das erste Bier, was so für einen Biereinsteiger oder für Frauen insbesondere, ist meistens das Gose, was wir präsentieren. Weil einfach im Sommer, wie du genau richtig vorhin gesagt hast, also an einem heißen Sommertag ein schönes kühles Bier und hier die Gose gehört sich einfach. Und natürlich schmeckt man hier in der Nase die Frucht schon raus, also den Koriander. Und das Salz rundet das noch mal ein bisschen ab, also regt wieder schon zum Trinken an. Und somit ist die Gose eigentlich ein wirklich sehr, sehr interessanter Bierstil. Das erste Jahr haben wir gebraut und natürlich haben wir uns da ein bisschen schwerer getan als mit anderen Bierstile. Also da muss man erst mal den Kunden so ein bisschen gewöhnen an die Säure. Aber über die Jahre ist das wirklich fix im Sortiment und da sind wir stolz drauf.

Holger: Und auch toller Name, GoSexy.

Thomas Münster: Genau. Um den ein bisschen aufzupeppen den alten Bierstil, weil da gibt’s ja schon ewig, Gose, haben wir einfach noch mal xy dazugeschrieben, also GoSexy. Und das gefällt den Frauen dann noch mehr.

Holger: Ja, sowas gefällt auch dem Markus immer, oder?

Markus: Absolut! Also ich bin schon völlig begeistert. Aber es würde mich interessieren, André, du bist ja jetzt nicht direkt von der Brauerei, aber du hast ja bestimmt mitbekommen, als dieses Bier rauskam, wie war das denn? Wie hast du selber das empfunden und wie hast du so vielleicht andere Leute darüber reden hören? Wie kam sowas an?

André Hofer: Ich muss sagen, grundsätzlich selbst bin ich natürlich sehr offen, ich probiere gerne Neues aus. Wie gesagt, durch Sommerbierchen. Wenn man natürlich keine Limonade zuhause hat, was trinkt man? Ein Gose. Das Umfeld, ja, war eigentlich, ja, es ist zwiegespalten. Die einen, die Traditionalisten, die Hardcore-Biertrinker, nur ein Bierstil das ganze Leben lang. Und durch meine Verkostungen auch, wenn man das so ein bisschen anpreist, ich sage, okay, probiert ein Schlückchen. Am besten natürlich gratis, dann kannst schauen, ob es Dir schmeckt, dann kommen irgendwann die Leute, ah, eigentlich ist es ja doch nicht so schlecht. Ist natürlich ein anderer Geschmack. Wie gesagt, man muss sich erst daran gewöhnen auch. Das ist ja auch ein großer Punkt eben, dass die Leute einfach noch nicht wissen, okay, was ist das jetzt. Das schmeckt eher irgendwie salzig, sauer. Was hat das mit Bier zu tun? Aber ganz wichtig ist auch die Aufklärung. Und wenn man das ein bisschen aufklärt, dass es eines der Bierstile ist, was wir haben, dann schalten erst die Leute, aha, okay, da gibt’s ja auch was anderes als nur Helles oder nur die IPAs. Also manche sind gut informiert von den Bierstilen und manche, als Biersommelier hat man da halt wirklich viel Arbeit und auch die Personen, dass man ein bisschen aufklärt, um was es sich da handelt.

Holger: Unbedingt! Und man muss hier sagen, an dem Ort gelingt es auch wahnsinnig gut. Wir haben fast schon, also nicht eine Bierkarte, sondern ein Bierkartenbuch.

Markus: Oder einen Pass.

André Hofer: Passport.

Holger: Oder ein Passport. Genau. Und hinten sind ja sogar die beiden Hauptprotagonisten hier, Master of Beer oder wie, ja, Master of Beer ist der Christian Pichler, den haben wir ja auch schon im BierTalk gehabt, und dann The President of Beer, Bobo, alias Robert Widmann, oder umgekehrt. Und das ist auch toll, also dass hier die Servicekräfte, dass sie am Gast beraten und dass man sich das hier vorher anschauen kann und kann auch probieren und so. Und das gehört auch einfach dazu, wenn man so eine Biervielfalt präsentiert, dass das dann auch entsprechend an den Gast transportiert wird. Jetzt würde ich doch fast sagen, wir gehen zur Nummer 3 über.

Markus: Also der Holger hat heute echt, du hast Jungblut getankt hier in Südtirol. Wahnsinn! Also gut, dann. Aber es ist natürlich auch schön, weil jetzt haben wir ein rotes Bier, würde ich fast sagen. Also wir Franken würden sagen, es schaut aus wie roter Federweißer. Also sehr, sehr spannend, komplett trüb, also einen richtig schönen, geheimnisvollen Schimmer. Und jetzt bin ich mal gespannt, wie das riecht. Mmh! Sehr fruchtig. So eine Mischung aus Banane, Kirsche, Himbeere, also ganz viel …

Holger: So ein Beerenmix halt.

Markus: Ja.

Holger: So eine Beerenweiße, würde ich jetzt sagen.

Markus: Würdest du sagen? Okay! Da fragen wir einfach mal die Protagonisten. Was haben wir denn jetzt hier, welche Idee habt ihr da verfolgt?

Tobi Tratter: Tatsächlich ist es eine Beere, was verarbeitet wurde. Aber es ist die schwarze Johannesbeere, Cassis. Eigentlich bekannt für die Hopfensorten so wie Citra oder so. Also schwarze Johannesbeere wächst bei uns natürlich auch sehr, sehr gut. Wir hatten vor, glaube ich, damals vor anderthalb Jahren, zwei Jahren die Ideen, eigentlich könnten wir auch Fruchtbiere machen. Da sind wir wieder bei der vorherigen Frage, was der Thomas schon angesprochen hat. Wie schaffen wir es, ein Fruchtbier zu machen und das möglichst sauber ohne Risiko für die Brauerei. Und das war der erste Versuch, was wir gemacht haben. Also wie gesagt, schwarze Johannesbeere. Wir haben uns dazu gedacht eigentlich die rote Johannesbeere, die jeder kennt, die ist doch recht sauer. Eigentlich sollte das Bier einen leichten Säure-Touch haben. Somit sind wir zu dem Schluss gekommen, okay, auch hier noch Kettle Sour, haben wieder in der Pfanne mit Milchsäure vergoren eine Nacht lang, am nächsten Tag aufgekocht. Haben dann das Bier normal vergoren und später nach der Halbgärung praktisch in der Nachgärung haben wir dann noch mal die schwarzen Johannesbeeren kurz davor aufgekocht natürlich, damit das alles schön sauber bleibt. Diese Marmelade, unter Anführungszeichen, oben auch in den Tank reingekippt mit dem letzten Zucker, was auch die Beeren mitbringen, hat sich dann noch mal alles ein bisschen umgewälzt. Die Farbe ist sehr, sehr gut hervorgetreten. Und man sieht auch also, diese Trübe, die kommt eigentlich weniger von Hefe oder Protein, das ist einfach die Johannesbeere und speziell die schwarze hat viele Pektine. Und somit ist die Trübung stabiler als jedes Weißbier. Also das können wir noch zwei Jahre lagern und wir haben immer noch die gleiche Trübung.

Holger: Wie heißt es jetzt?

Tobi Tratter: Genau. Heißen tut das Bier Red Frieda.

Holger: Red Frieda?

Tobi Tratter: Genau. Das fragt uns auch jeder zweite, wieso heißt das Bier eigentlich Frieda? Und das ist halt eine lustige Geschichte, weil die vierte Tochter vom Christian, die Frieda, heißt eben Frieda, hat richtig knallrotes Haar. Und jeder, der die Frieda als erstes sieht, sticht sie sofort ins Auge, weil sie einfach einen Charakter ausstrahlt, der einzigartig ist. Und somit haben wir gesagt, das Bier ist auch einzigartig. Und das ist unser erstes Fruchtbier. Und deshalb haben wir gesagt, das Bier muss Frieda heißen.

Holger: Sehr gut.

Markus: Spätestens jetzt ist übrigens mindestens einer unserer klassischen bayerischen Stammhörer umgefallen. Also diese Braumeister klassischer Schule, weil als er gehört hat, wie du gesagt hast, ja da nehmen wir die Johannesbeeren und kippen die mal in den Tank oben rein, da ist der praktisch mit umgefallen. Wie ist es denn bei euch mit dem ganzen Thema Reinheitsgebot? Gibt’s hier überhaupt Regulationen? Und wie reagieren die Leute auf sowas?

Tobi Tratter: Wir versuchen, so viel wie möglich Biere nach dem deutschen Reinheitsgebot zu brauen. Also für uns ist das einfach ein Standard, der eigentlich viel über die Qualität aussagt. Also das ist sowieso faszinierend, aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe so viele, so ein facettenreiches Produkt wie Bier herzustellen. Aber manchmal ist es halt einfach nicht möglich, wenn du nur ein bisschen weitergehst, also irgendwann den Schritt weiter, irgendwann bist du über diese Grenze, über diesen roten gezogenen Strich Reinheitsgebot einfach drüber. Und das ist eigentlich relativ angenehm bei uns, also in Italien gibt es kein Reinheitsgebot. Also wir können brauen, wie wir lustig und munter sind. Und das hilft oft bei vielen Bieren schon weiter.

Markus: Ihr seid sehr lustig und sehr munter.

Holger: Ja, aber man muss ja auch sagen, was ist jetzt dagegen einzuwenden, wirklich …

Markus: Ja, nichts.

Holger: … reine Früchte zu verwenden? Man könnte jetzt sagen, also künstlich hergestellte Aromastoffe oder so, da kann man sich jetzt drüber streiten, aber wenn man jetzt 40 Kilo schwarze Johannesbeere auf 1 Hektoliter Bier gibt oder so, da ist doch nichts gegen einzuwenden.

André Hofer: Ist ja reines Naturprodukt.

Holger: Absolut!

Holger: Es ist halt eine andere Form von Reinheit.

Tobi Tratter: Unser Anspruch ist ja, ein Produkt, ein authentisches Produkt vor allem zu machen, da, wo wir mit beruhigtem Gewissen sagen können, so, das ist jetzt ein Fruchtbier. Fruchtbier, das haben wir erst vorgestern diskutiert, für uns wir diskutiert haben, ja, wie viel müssten wir eigentlich wirklich reinhauen, damit das wirklich Fruchtbier ist? Und wir haben gesagt, solange es schmeckt, ist ja super. Also ich glaube, es ist besser und authentischer wie zum Beispiel der 10-Millionste naturtrübe Radler am Markt. Letztlich ist es einfach ein  Badge, wo man sagt, du, ein Bier ist nicht Reinheitsgebot, das schmeckt aber lecker, es erfrischt genauso gut. Und vielleicht manchmal natürlich, du wirst nicht jedes Jahr das gleiche Bier schaffen, das versteht sich von selber. Aber wichtig ist, dass es den Leuten schmeckt, das Bier, glücklich sind und natürlich, dass es uns auch schmeckt.

Markus: Jetzt gebe ich mal dem Holger und sage, wir haben ja noch ein Bier.

Holger: Nee, nee, unbedingt!

Markus: Nummer 4.

Holger: Ja, Nummer 4.

Markus: Da kann ja mal der André uns das beschreiben. Also wenn du mal dem Mikrofon ein bisschen erzählst, was wir da so alles haben.

André Hofer: Sehr gerne. Also wir haben jetzt auch wie gesagt ein Bierchen vor uns. Wir haben ein sehr schönes, Schaumbildung ist auch noch vorhanden. Es ist üppig, aber trotzdem sichtbar. Von der Farbe her ein sehr schönes kastanienbraun, recht klar auch. Also ansprechend natürlich, also wir sprechen ja jetzt von einem dunklen Bier. In der Nase, da schauen wir mal. Mhm (bejahend). Also da sind ja vorwiegend diese Kaffeenoten. Ja, jetzt haben wir es fast mittags natürlich, den ersten Kaffee haben wir hinter uns, der zweite wäre jetzt das Bierchen. Und trinken wir erst mal.

Markus: Ja, Prost!

André Hofer: Zum Wohle!

Tobi Tratter: Prost!

André Hofer: Hoppala! Ist auch recht leicht auch im Trunk auch. Es hat einige Alkoholprozente drin, ich glaube, das wird bei 4,8 etwas sein. Recht trinkfreudig, kann man auch natürlich, wenn man es ein bisschen geschmacklich intensiver mag, kann man es auch im Sommer genießen. Also wird eine Lagerhefe wahrscheinlich sein, oder? Und ja, Speisen da passen, was könnte man dazu auch essen? Das ist jetzt die gute Frage.

Markus: Burger gibt’s hier ja zum Beispiel so gute, habe ich gehört.

Holger: Ja, unbedingt! Da lacht doch wieder die fränkische Seele, wie ich dich kenne.

Markus: Auf jeden Fall! Röstaromen, Schokolade, Kaffee.

Holger: Malz-Aromatik. Wahnsinn!

Markus: So muss Bier. Ja. Ich meine, es könnte natürlich noch ein bisschen Rauch haben, für unsereins. Aber …

Holger: Für den Bamberger …

Markus: Fantastisch! Also sehr schönes Bier.

André Hofer: Wir sind ja natürlich mit Rauch aufgewachsen, natürlich mit unserem Speck. Wo ich in Bamberg war. Ja, da musste ich mich erst daran gewöhnen, obwohl ich diesen Geruch kenne. Aber es ist ja trotzdem was anderes, wenn man das isst oder trinkt.

Holger: Auf jeden Fall ist das was anderes, ob man Speck isst oder trinkt. Das glaube ich auch.

André Hofer: Speck trinken ist blöde.

Markus: Am besten beides. So zusammen ist es super. Ja. Wahnsinn! Toll! Holger, du darfst …

Holger: Nee, nee, wir machen jetzt die Nummer 5, auf jeden Fall.

Markus: Machen wir Nummer 5, auf jeden Fall.

André Hofer: Jetzt geht’s zur Sache dann.

Holger: Das sieht aus wie das erste eigentlich.

André Hofer: Immer schneller.

Holger: Also ohne es jetzt überhaupt zu beschreiben oder reinzuriechen oder so, also es ist ja wirklich wie das Helle, also wie Nummer 1. Wahrscheinlich ist es jetzt ein heller Bock? Also vielleicht.

Markus: Schauen wir mal, oder ganz was anderes. Riechen wir mal dran. Na.

Holger: Na? Vielleicht doch nicht.

Markus: Vielleicht doch nicht.

Holger: Nee, vielleicht doch nicht.

Markus: Also da sind wir doch ein bisschen exotischer unterwegs.

Holger: Nee, nee unbedingt! Es ist ja so richtig fruchtig und so.

Markus: Ein bisschen Jasmin, ein bisschen Banane.

Holger: Also auf jeden Fall obergäriges Bier, das kann man schon …

André Hofer: Kräuter.

Markus: Kräuter. Genau.

Holger: Es gibt ja hier so ein Bier, das heißt Kranewitten, das könnte es fast sein, würde ich sagen.

Thomas Münster: Ziemlich heiß. Ist schon sehr, sehr heiß.

Markus: Sehr heiß, aber noch nicht ganz heiß?

Thomas Münster: Eigentlich schon verbrannt.

Markus: Ja gut, fragen wir mal euch. Was haben wir denn da?

Thomas Münster: Genau. Also das Bier war jetzt für mich ein Muss, weil wir waren ja vorhin beim Thema Reinheitsgebot. Und das Bier war das erste, jetzt sagen wir mal außerhalb vom deutschen und bayerischen Reinheitsgebot. Die Idee vom Christian war, hier einfach ein Südtiroler Bier zu brauen. Und natürlich, wenn man so nachdenkt, was ist klassisch Südtirolerisch, dann denkt man als erstes an Bier. Wie schon gesagt, das Bier südtirolerisch, ausschließlich mit Südtiroler Malz gebraut. Dann eben hat der Christian da an Speck gedacht. Das heißt, Speck wird mariniert mit Salz, Pfeffer und Wacholder. Diese Gewürze haben wir dann natürlich auch mit ins Bier genommen, vergoren mit einer Saisonhefe, also einer belgischen Hefe, was das Bier sehr, sehr trocken macht, sehr schlank. Die Gewürze und die Aromen kommen dann deutlich noch mehr zur Geltung. Wir empfehlen dieses Bier einfach zu einer klassischen Südtiroler Marend. Sagt man, in Deutschland oder Bayern heißt es ja Aufschnittplatte. Weil einfach das Bier wirklich diese schönen Aromen vom Wacholder drin hat, das leicht Salzige wieder am Ende, der Pfeffer unterstützt noch mal ein bisschen die Kräuter und auch das Gewürzige. Die Hefe ist da wirklich interessant, weil sie einfach komplett den Zucker vergärt, also kommt der Malzcharakter noch mal ein bisschen mehr zur Geltung. Und das ist einfach auch wieder mal ein Bier, wo wir stolz darauf sind, weil es das erste Bier war, natürlich mit nur Südtiroler Zutaten. Was mir auch wichtig ist zu sagen, bei all diesen Bieren ist das Südtiroler Qualitätssiegel drauf, wie bei vielen anderen Südtiroler Produkten. Und somit ist das ein besonderes Bier, was wir seit 2013, 2014 schon im Sortiment haben. Und ist ein Muss für uns. Also das Kranewitten, muss man dazusagen, ist übersetzt auf Südtirolerisch, als das deutsche Wort wäre Wacholder.

Markus: Weißt du, dass das einen großen alten Bruder hat?

Thomas Münster: Nein?

Markus: Und zwar, wenn du in den Nordosten Europas gehst, Estland, Finnland, dort gibt es einen Bierstil, der heißt Sahti. Und das ist allerdings mit Brothefe vergoren, aber auch über Wacholderzweigen dann geläutert. Hat in der Regel zehn oder mehr Prozent, also sehr kräftiges Bier. Und ist von der Aromatik aber hier sehr, sehr ähnlich, also sehr intensiv.

Thomas Münster: Interessant.

Markus: Schön präsentiert auch die Kräuter, die Fruchtigkeit. Also sehr spannend. Musst du mal probieren, das ist vielleicht noch eine Idee, so eine Finnisch-Südtiroler Collaboration Brew.

Holger: Aber da kannst du mal wieder hier sehen, was hier an Braukunst produziert wird.

Markus: Ja.

Holger: Das sind ja nur 5,5 Prozent, und was das trotzdem an Geschmack produziert. Da kannst du mal wieder sehen, was die Südtiroler können, ne.

Markus: Absolut! Ja.

Holger: Deshalb habe ich dich hierher gelotst.

Markus: Ich war schon vor dir hier. Aber mit dir bin ich anders hier, das gebe ich auf jeden Fall zu. Fantastisch!

Thomas Münster: Und man genießt das Bier wirklich mit einem selber gemachten Alpenkäse oder mit Speck oder Kaminwurzen, also klassischen Südtiroler Aufschnitt isst, dann passt das Bier einfach wirklich Weltklasse dazu.

Tobi Tratter: Vielleicht die Gewürzgurke sollte man weglassen. Also dann passt es nicht hundertprozentig.

Markus: Übrigens liebe Hörer, wenn ihr langsam merkt, dass der Geräuschpegel drumherum lauter wird, wir sind ja hier, wie gesagt, im Biergarten. Als wir angefangen haben, saßen wir hier noch alleine und dann kamen unsere Biere und dann kamen unsere Gäste. Also mittlerweile sind die ganzen Tische hier besetzt, überall sitzen Leute, haben alle fröhlich bunte lustige Biere vor sich stehen, freuen sich schon aufs Essen. Also wir werden auch, wenn wir hier fertig sind, natürlich die gute Küche des Hauses genießen. Aber wir haben noch ein Bier vor uns. Holger, und ich glaube, …

Holger: Ja, zum Glück!

Markus: … jetzt wird’s richtig ernst.

Holger: Zum Glück, zum Glück!

Markus: Mir schwant vieles.

André Hofer: Krasse Sache!

Markus: Zumindest ist es schon so, dass es leicht am Glas haften bleibt. Also werden wir ein bisschen mehr Alkohol wahrscheinlich hier schon drin haben.

Holger: So sieht‘s aus. Hier haben wir jetzt …

Markus: Das riecht endlich wie Bier.

Holger: Riecht endlich wie Bier. Also jetzt hör mal zu! Jetzt muss man natürlich, also er lacht sich halt kaputt, weil endlich ist Rauch da drin.

Markus: Ja.

Holger: Und ihr kennt den ja, also ich meine, Oberfranke, wird mit Rauchbier schon gesäugt. Und dann ist natürlich, ein normales Bier hat dann eine Rauchnote. Aber für alle anderen Menschen ist es ja nicht so.

Markus: Mmh! Es ist aber nicht nur Rauch. Also es hat, das Rauchige hat so ein bisschen Eiche, finde ich auch, so holzige Noten. Dann kommt auch ein bisschen Malzkaramell.

Holger: Es hat vor allen Dingen auch eine ganz tolle Farbe.

Markus: Oh ja.

Holger: Das muss man halt auch noch mal wertschätzen. Es ist ja so ein …

André Hofer: So richtig ansprechend.

Holger: Ja, so ein kupferfarbenes schönes Bier. Auch da schon richtig klar, wahrscheinlich auch sehr gut ausgelagert. Ich könnte mir jetzt vorstellen …

Markus: Mmh!

Holger: … jetzt bin ich nochmal wieder mutig, weil ich ja gerade so performen durfte. Da könnte man jetzt sagen, das ist ein Gourmet vielleicht?

Thomas Münster: Nein.

Holger: Also weiß nicht, nein.

Markus: Ist nicht stark genug dafür.

Holger: Nein, ist nicht stark genug. Ah, da seht ihr mal wieder, gut.

Markus: Da war der Wunsch Vater des Gedankens.

Holger: Ja, da war der Wunsch Vater des Gedankens. Das kann natürlich sehr gut sein. Tobias, was haben wir im Glas?

Tobi Tratter: Das ist jetzt unser Smoky Bock, also Rauchbock auf gut Deutsch, würde ich mal sagen. Und genau das ist wieder so ein Bier, ganz am Anfang hast du gefragt, was hier eigentlich so das Lieblingsbier ist zum Brauen? Und das ist eigentlich so wieder ein Beispiel dafür, wie war’s denn, wenn wir das das erste Mal gemacht haben? Da sind wir alle drei oben vor der Malz-, äh vor der Schrotmühle gestanden und dann: Ja, nee, nicht so viel Rauchmalz. Doch, doch, das ist ein Rauchbier. Na, nicht so viel Rauchmalz.

Holger: Markus hat gesagt, doch, doch.

Tobi Tratter: Und dann am Morgen, irgendwann haben wir uns geeinigt, okay, Hälfte Münchner, Hälfte Rauchmalz. Weil ich bin eher der gewesen, der gesagt hat, na, ein bisschen weniger ist vielleicht mehr. Der Christian: Na, na, na, gib Vollgas. Das ist Rauchbier. Und der Lutz ist so der Schlichter gewesen. Wir können ein bisschen was von beiden nehmen.

André Hofer: Der war dann der Schiedsrichter, oder.

Tobi Tratter: Also da, glaube ich, haben wir eine Stunde lang eingeschrotet. 20 Minuten ungefähr, eine Stunde und zehn Biere. Es war, eben, genau, das sind oft die Sachen, also vielleicht auch ein Quäntchen Glück gehört da dazu, also genau das Rezept auch zu treffen. Aber vielleicht macht’s auch genau das aus, wenn mehrere Leute zusammen wirklich auf einer fachlichen Ebene diskutieren und dann jeder seine Meinung einbringen kann. Weil es ist wirklich so gewesen, dieses Rezept ist so ein One Shot, haben wir uns gedacht, das machen wir mal. Und dann haben wir letztes Jahr den European Beer Star mit dem gewonnen, also die Goldmedaille.

Markus: Gegen alle Rauchbiere in Deutschland, wohlgemerkt.

Tobi Tratter: Und dann haben wir gesagt, scheiße, jetzt haben wir schon wieder ein Bier, was wir jetzt immer haben müssen. Und seitdem ist das Rauchbock eigentlich immer fix im Sortiment. Also das kann man das ganze Jahr trinken. Wir versuchen sowieso, immer übers ganze Jahr Bockbiere im Angebot zu haben. Wir haben einen Stammgast, der hat gesagt, er kann nicht alles Biere, also er trinkt gerne Bockbier, und er sagt, er kennt sich nicht mehr aus. Jetzt fängt er an, okay, ein, zwei, drei, vier, das war wirklich, eine Zeit lang hatten wir alle vier Bockbiere im Angebot, und dann hat er auch jeden Tag gewechselt. Ein Tag heller Bock, ein Tag normaler Bock, ein Tag Rauchbock, ein Tag Weißenbock. Und immer wieder von vorne. Bis irgendwann zum Glück der Bock fertig war, da hat er nur noch drei gemusst trinken.

Markus: Und was trinkt er jetzt?

Tobi Tratter: Jetzt momentan trinkt er Weißenbock, Rauchbock und heller Bock. Und nie mischen.

Thomas Münster: Der hat genug zu tun.

Markus: Ist immer ein klares Programm, finde ich sehr sympathisch. Ich kann mich erinnern, ich glaube, ich war damals im Halbfinale von dem Rauchbock. Und das ist einfach ein tolles ausgewogenes Bier. Weil das ist ja das Thema, man kann den Rauch überdimensionieren, dann ist es halt nur Rauch. Oder man kann ihn eben unterdimensionieren, dann ist es so ein Hauch von Rauch. Beides finde ich für ein echtes Rauchbier schwierig, sondern das muss eine Ausgewogenheit sein. Das muss da sein, das muss deutlich sein, aber es muss immer noch ein klares Bier sein und muss die typischen Bieraromen haben. Und das finde ich, Holger, ist hier gut gelungen, oder?

Holger: Auf jeden Fall! Also das ist wirklich ganz toll und schön ausgewogen und ausbalanciert.

André Hofer: Und es sollte ja auch getrunken werden. Nicht nur ein Bierchen, sondern …

Holger: Es soll Lust auf den zweiten Schluck machen. Genau.

Markus: Auf jeden Fall!

Holger: Absolut! Man kann ja ganz viel erleben, also ich habe jetzt da noch mal hier dieses Büchlein vor mir und wenn man jetzt eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, …

Markus: Also Holger lernt heute zählen.

Holger: … neun, zehn, elf und so weiter. Also das ist ja Wahnsinn, was hier alles im Angebot ist. Und nicht nur Südtirol ist eine Reise wert, sondern auch Bozen und das Batzenbräu. Kommt hierher, setzt euch hierhin, bestellt euch den Flight, den wir hatten. Und genießt das und beschäftigt euch mit den Bieren, setzt euch damit auseinander, und dann genießt noch die Südtiroler Küche. Und wer da dann nicht mehr glücklich wird oder das tollfindet, dem kann man nicht mehr helfen.

Markus: Oder er muss sich noch eine Südtirolerin oder einen Südtiroler suchen. Dann ist, glaube ich, alles gut, je nachdem. Aber wir haben ja noch eine kleine zweite Halbzeit, denn der André hat uns ja noch ein Bier von sich mitgebracht.

André Hofer: Genau.

Markus: Wollen wir das noch ganz schnell probieren, wenn ihr noch ein paar Gläser holt? Einfach dann testen wir das, dann haben wir praktisch noch so hintenraus was ganz Besonderes. Da sind wir mal gespannt, was du uns da mitgebracht hast.

Holger: Dein Homebrew Spezial.

André Hofer: Genau, Homebrew Spezial. Wie gesagt, ich komme aus der Homebrew Szene, ich habe 2016 eben mit Passion einen schönen Valentinstag gehabt, da haben wir das erste Bierchen gebraut. Und natürlich Tag der Liebe, zum Bier natürlich. Und ja, schauen wir mal. Wie gesagt, angefangen haben wir mit Botanical Beers. Mittlerweile mache ich auch gerne Biere, was recht, sagen wir mal, einfach auch hohe Drinkability haben. Und schauen wir mal, was das Bierchen hergibt.

Markus: Ist es dein Meistersud? Kann man das so sagen?

André Hofer: Ja, den werde ich jetzt wieder brauen, aber mit dem werde ich, wie gesagt, beim Master of Beer natürlich das Bier vorstellen. Und ich bin gespannt.

Markus: Also Südtirol hat übrigens die höchste Dichte an Absolventen des Master of Beer Programms, muss man sagen. Also ganz spannend, von Leuten, die sich einfach wirklich richtig gut mit dem Thema Bier auskennen. Wer damit nichts anfangen kann, es ist so, also Biersommeliers gibt’s ja jetzt schon länger, seit über zehn Jahren bilden verschiedene Institute aus. Aber es gibt eben jetzt noch so einen obendrauf, wo man als Biersommelier sagen kann, okay, jetzt spezialisiere ich mich noch mehr, gehe noch mehr in die Tiefe, gehe auch ein bisschen in die Geschichte. Und da kann ich dann eben Master of Beer werden. Und da ist der André mittendrin und wird uns jetzt gleich mal etwas einschenken, glaube ich.

André Hofer: Genau.

Markus: Ah! Das hast du noch in der Kühlung gehabt sozusagen.

André Hofer: Genau. Nachdem die hübsche Kellnerin das bringt, dann werden wir es einschenken.

Markus: Beschreib uns noch mal die hübsche Kellnerin. Nein Quatsch, wir sind ja hier beim Bier.

André Hofer: Ach so, genau.

Markus: Aber natürlich ist es auch immer schön, dass man hier wirklich viele Attraktionen hat in so einem Biergarten. Also alles gut, alles schön. Apropos Glas, wir hatten jetzt vorhin dieses Craftmaster Glas, jetzt haben wir das Teku-Glas, was übrigens auch eine italienische Erfindung ist, wissen auch die wenigsten. Also sehr spannend. Eigentlich mal entwickelt für Orval von zwei Italienern und mittlerweile eigentlich das Craftbier-Glas, was es so schlechthin gibt.

André Hofer: Schlechthin.

Markus: André, was nimmst du für Gläser normalerweise zum Verkosten, wenn du so für dich trainierst? Nimmst du da das Teku oder nimmst du da andere?

André Hofer: Ja, je nachdem, welchen Bierstil ich habe. Und ich muss auch dazu gestehen, ich nehme auch die Teku-Gläser, damit eben wahrscheinlich die Frucht mehr rauskommt, auch wenn es jetzt natürlich ein Lagerbierchen ist. Aber natürlich Verkosten hat ja auch ab und zu damit zu tun, das richtig zu bewerten und nicht nur für den Riechgenuss und für das Private. Und sonst, wie gesagt, von einer Tulpe bis hin zum Pokal eigentlich alles. Ich bin auch sehr experimentierfreudig, ich mache auch mal ungewöhnliche Sachen. Wie gesagt, dass ich natürlich mal ein großes Bierchen in ein Pilsglas reinhaue oder …

Markus: Mal aus der Kaffeetasse oder so?

André Hofer: Aus der Kaffeetasse nicht, aber ich mache verschiedene Biergläser, weil natürlich mit unseren Bierkursen, natürlich dass wir auch getestet haben und das ist eigentlich spannend zu sehen, wie sich ein Bier entwickelt. Es wurde ein bisschen geschüttelt, gerührt, ist nicht pasteurisiert, nicht filtriert.

Markus: Oh! Jetzt kommen die Flaschen übrigens mittlerweile an den Tisch. Wir haben eine, die man so ein bisschen kennt, so die klassische 0,3er-Flasche.

André Hofer: Genau.

Markus: Mit einem roten Kronkorken obendrauf, ein eher helles, deutlich trübes Bier. Sind wir mal gespannt. Und die andere Flasche würde man jetzt in Deutschland eher so als Weinflasche bezeichnen. Geht so in Richtung von einer Portwein-Flasche vielleicht sogar, also bauchig eher. Oben dicke Öffnung, großer Kronkorken drauf. Was haben wir denn da?

André Hofer: Wenn ich mal zur Flasche kurz was erzählen darf. Wo wir angefangen haben zu brauen, haben wir gesagt, natürlich, wir brauchen ja auch Flaschen. Was haben wir gemacht? Wir sind in so ein Bierlokal gegangen, haben uns natürlich ein Distelhäuser Distel bestellt und das ist eigentlich eine Flasche, die natürlich die Distelhäuser im Angebot hat oder hatte, die Distel. Und die haben wir dann mitgenommen und haben dann natürlich gereinigt, und so hat das ein bisschen angefangen.

Markus: Das heißt, ihr müsst immer ein Bier trinken, bevor ihr eins abfüllen könnt?

André Hofer: Ja, mittlerweile haben wir es im Griff. Mittlerweile haben wir die Prosecco-Flaschen auch.

Markus: Oh ja! Jetzt erleben wir übrigens noch eine Premiere, das Bier wird mit dem Handy geöffnet. Also auch das ist natürlich eine typische Südtiroler Fähigkeit.

André Hofer: Ach so, ja genau.

Markus: Aber bevor ihr jetzt Angst bekommt, es ist natürlich nicht …

André Hofer: So extrem.

Markus: … so, dass das ganz normale Handy genommen wird, sondern dieses Handy hat eine Hülle und in die Hülle ist ein Flaschenöffner eingearbeitet. Also insofern …

André Hofer: Jetzt weiß ich nicht, ob das zu klein ist?

Markus: Aber natürlich haben wir die großen Kronkorken für diese spezielle Flasche.

André Hofer: Ja, das sind große Kronkorken.

Markus: Probier’s doch mal andersrum. Wenn du …

Tobi Tratter: Ja, das geht schon trotzdem.

Markus: Ah, jetzt geht’s auf. Jetzt! Da sieht man den erfahrenen Brauer, der kriegt alles auf.

Tobi Tratter: Ich fülle ziemlich viele Flaschen.

Markus: Und jetzt kommt’s uns auch schon ein bisschen entgegen und landet gerade im Glas.

André Hofer: Das ist schon lange gelagert natürlich, es ist am Anfang natürlich brillant und natürlich mit der Hefe, ein bisschen mehr einschenken.

Markus: Das heißt, das ist ein Bier, was in der Flasche noch weitergegoren hat?

André Hofer: Ja, ich mache eine Flaschengärung. Wir haben eine …

Markus: Danke schön!

André Hofer: … belgische Hefe drin. Etwas haben wir noch drinnen.

Markus: Wir können ja nach und nach.

André Hofer: Genau.

Markus: Stoßen wir vielleicht erst mal an auf dein tolles Bier. Danke schön, dass du uns das mitgebracht hast.

André Hofer: Prost!

Tobi Tratter: Prost!

Thomas Münster: Prost!

Holger: Prost!

Markus: Danke schön, dass wir es hier verkosten können.

André Hofer: Zum Wohle! Wie gesagt, Hefe natürlich Vitamin B.

Markus: Stimmt! Also ganz gesund auf jeden Fall.

André Hofer: Hat natürlich vom Malz, für die Cremigkeit auch Weißenmalz verarbeitet, ein bisschen Münchner, vorwiegend Pilsner. Das sieht man auch durch die Farbe eben. Ich habe da zum Vergleich auch, wie gesagt, eine kleine Flasche. Ist mir aufgefallen natürlich, dass verschiedene Flaschengrößen, auch die Reifezeit oder die Reife da auch anders ist.

Markus: Aha!

André Hofer: Beim Hopfen war ich eher, wie gesagt, zurückhaltend, weil natürlich eines möchte, was dann eher auch getrunken wird, nicht nur einen Schluck, sondern mehrere. Ich habe da einen Hallertauer Ariana mit drinnen. Wie gesagt, deswegen auch diese Zitrusnote.

Markus: Auch ein schönes Sommerbierchen, finde ich schön angenehm frisch.

André Hofer: Das ist halt interessant natürlich, wenn die Hefe am Boden liegt, schmeckt das oder riecht das Bier auch ein bisschen anders, ein bisschen weniger aromatisch.

Tobi Tratter: Man muss jetzt vielleicht auch mal anmerken, das letzte Bier war ein Rauchbock.

Markus: Ja, ja.

André Hofer: Also für das, dass sich die Aromen so stark wieder durchsetzen, also sehr, sehr gelungen, würde ich sagen.

Markus: Genau. Also das muss man auch sagen, liebe Hörer, wenn man jetzt nicht professionell trinkt, so wie wir, dann sollte das Rauchbier eher das letzte Bier sein. Aber das ist schon sehr, sehr spannend.

Holger: Nee, aber hier ein ganz tolles Mundgefühl, finde ich.

Markus: Ja.

Holger: Ein ganz, ganz tolles Mundgefühl.

Tobi Tratter: Kohlensäure schön eingebunden.

André Hofer: Danke.

Markus: Ja, wunderschön weich.

André Hofer: Was mir auch aufgefallen ist, eben auch, wie gesagt, natürlich, das lernt man bei unseren Professoren, immer natürlich die Kühlkette nicht unterbrechen. Das beste Bier habe ich leider zuhause. Ich habe immer kühl gelagert, kommen meine Freunde, trinken wir was. Und wenn ich natürlich dann in der weiten Welt rumreise, dann sage ich immer, bitte kühlen. Ja, ja, machen wir schon. Ich sage, ja, man merkt halt den Unterschied auch. Viele meinen einfach, dass das Bier, ja, das geht von alleine alles und passt schon, aber es ist ja eigentlich ein Naturprodukt und sollte auch so behandelt werden.

Holger: Gibt’s schon einen Namen, also irgendwie Dorf Tirol Special 1 oder so?

Markus: Bavaria One, South Tyrol One.

André Hofer: Ich war da ein bisschen offen. Wie gesagt, ich habe das jetzt als Golden Ale eingebraut. Weil natürlich das Problem immer ist in Südtirol, wenn ich jetzt mit den Fachbegriffen komme, versteht’s keiner. Gut, ich finde auch interessant zu sehen, okay, was sagen die? Okay. Ein Golden Ale, vielleicht hat das zu wenig Bittereinheiten, kann das dann eher ein bisschen so gehen. Eben, so ein bisschen ein Gespräch zu finden, du, hör mal, aber für mich ist das eigentlich ein anderer Bierstil. Und dann kommt’s drauf, mit wem man spricht, ist es natürlich der gute Kollege, der Bierfachmann, der Hotelgast? Das ist eigentlich interessant zu sehen, wie oft sie unterschiedlich und wie oft  sie auch gleich danach bewerten. Und je gleicher das bewertet, desto besser ist es eigentlich.

Markus: Also haben wir dann ab nächstes Jahr wahrscheinlich noch eine neue Südtiroler Brauerei. Kann man das so sehen?

André Hofer: Ja, mal schauen, wo wir das Geld rauszupfen, aber …

Markus: Freut ihr euch da drüber, wenn es mehr Brauereien in Südtirol gibt?

Tobi Tratter: Ja super, kann man woanders noch mehr Bier trinken.

Markus: Wunderbar! Das ist übrigens ein wunderbares Schlusswort. Wir sind jetzt bei einer guten Stunde Podcast angelandet. Ich glaube, wir müssen langsam zum Essen übergehen. Und deswegen, liebe Hörer, dürft ihr jetzt abschalten. Also wir freuen uns sehr, dass ihr dabei wart. Wir freuen uns sehr, dass ihr dabei wart, das heißt, großartig, vielen Dank für diesen tollen BierTalk, für die vielen Storys, Hintergründe und natürlich auch die vielen Bierchen. Und natürlich gerne auf ein nächstes Mal wieder. Ist ein spannendes Projekt, Holger, so live, …

Holger: Nee, unbedingt!

Markus: … vor Ort.

Holger: Ich kann das nur, das müssen wir wieder machen. BierTalk Live ist, glaube ich, ein ganz, ganz tolles Format.

Thomas Münster: Eindeutig! Es hat Spaß gemacht. Vielen Dank für die Einladung! Und unbedingt auf ein Neues!

Markus: Okay! Wunderbar! Dann tschüss, liebe Hörer! Habt viel Spaß! Ciao!

André Hofer: Tschüss!

Holger: Ciao, tschüss!

Tobi Tratter: Servus!

Thomas Münster: Servus!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 33 – Interview mit David Hertl, Braumanufaktur Hertl, aus Thüngfeld

Angefangen als Deutschlands jüngster Braumeister und Biersommelier startete David Hertl mit einer „Kochtopf“-Brauerei im Schlüsselfelder Ortsteil Thüngfeld – und zwar im Mutter Vronis Küche. Das gab natürlich schnell auch Diskussionen, weswegen mit Schweißgerät und Bohrmaschine eine etwas größere Brauanlage zusammengezimmert wurde. Mittlerweile gehört seine „kleinste und geilste Brauerei Frankens“ zu DEN Innovationsschmieden der Branche und zeigt so manch anderem gestandenen Brauer oder Craftie, wo der Frosch die Locken bzw. der Papa seine Weizheit hat. Im BierTalk erzählt David seine spannende Geschichte und verkostet mit den Moderatoren auch seine spannenden Kreationen, beispielsweise „Vater & Sohn“, ein Hybrid aus Domina Weintrauben und schokoladigem Imperial Stout, oder auch seine „Oma“, ein klassischer fränkischer Bock, der nicht nur – aber auch – als Betthupferl seinen Dienst tut…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum 33. BierTalk mit mir und dem …

Markus: Markus.

Holger: Genau. Ihr könnt euch ja vorstellen, also wir haben eine Schnapszahl und da haben wir uns was ganz Besonderes überlegt. Es geht nach Oberfranken und da zu der kleinsten Braumanufaktur Frankens. Aber falls irgendein Unternehmensberater zuhört, ihr beschäftigt euch ja immer ständig mit Innovationen, dann kann ich euch nur sagen, diese Braumanufaktur ist eine Innovationsschmiede. David Hertl, David herzlich willkommen! Stell dich doch kurz mal selber vor.

David Hertl: Guten Morgen! Habe die Ehre. Eine Schnapszahl und ich, das passt zusammen. Wir machen ja auch Schnaps, wir machen auch Bier. Willkommen erst mal in der kleinsten Brauerei Frankens oder der kleinsten und geilsten Brauerei Frankens, weil wir mittlerweile so gewachsen sind, dass wir nicht mehr die kleinste Brauerei sind, aber die kleinste und geilste Brauerei. Ich habe so eine kleine verrückte Brauerei, mein Opa hat dann irgendwann mal gesagt, du wirst Elektriker, hat mich entführt in eine Brauerei zum Praktikum Elektriker, Strippen ziehen und Lichtchen anschließen. Und ich habe mir gedacht: Bis ans Lebensende Elektriker, nie im Leben. Und habe mir überlegt: Ach! Alkoholproduktion, da steckt die Zukunft drin. Und mein Vater ist auch Winzer, also wir kommen aus der Alkohol-Produktion ein bisschen da her. Und da habe ich mir gedacht: Ach! Ob ich jetzt aus Trauben oder aus Malz Bier braue oder Wein mache, ist ja wurscht. Das ist der Hefe wurscht. Und so kam dann letztendlich irgendwann der Gedanke: Hey! Ich werde Brauer. Und das hat sich bis heute noch so bestätigt und ich bin Braumeister, Biersommelier und Weinsommelier mittlerweile auch.

Holger: Sehr gut, David! Du hast es ja schon angesprochen, da gibt’s den Opa und den Vater, und eigentlich gibt’s ja auch die Mutter. Und alle da bei euch, ihr seid ja ein richtiges Familienunternehmen. Erzähl das doch mal, wie das da bei euch zugeht.

David Hertl: Sympathisch chaotisch, sage ich immer, bei uns, passt‘s immer ganz gut. Und Mutti, Vater, Opa, Oma, die arbeiten dann auch alle, die einen bisschen mehr, die anderen ein bisschen weniger im Betrieb mit. Opa und Oma, die sind zu alt, dass sie auch ein bisschen Ruhe verdient haben. Und Mutti und Vater sind voll hier, also wenn man hier Bier kauft, dann erlebt man auf jeden Fall die zwei oder mich, einen von den dreien auf jeden Fall. Ich war so schlau, dass ich meine Familie abgefüllt habe im wahrsten Sinne, weil auf meinen Etiketten sind auch die wichtigsten Personen im Unternehmen drauf. Und das sind neben mir, ab und zu mal irgendwo tauche ich auch auf, beim Wein-Bier-Hybriden heute zum Beispiel. Aber natürlich, der Fokus liegt auf meiner Mutti, meinen Vater und meiner Oma und mein Opa. Und so hat sich das Ganze entwickelt und ist eigentlich richtig, richtig krass eingeschlagen, sodass wir nicht mehr die kleinste Brauerei sind. Wir sind einfach gewachsen, das ist verrückt. Wir verkaufen mittlerweile auch einen Gin & Tonic in die Elbphilharmonie. Alexander Herrmann, der Sternekoch hat uns entdeckt. Und ich war beim „Perfekten Dinner“ auch und durfte unser BBQ Bierseminar machen, also das, was ich jedes Wochenende für normale Leute mache, habe ich im Endeffekt beim „Perfekten Dinner“ ein wenig im Fernsehen gemacht. Und das ist rausgekommen und wir werden da ziemlich gehypt und kommen mit allem, was wir machen, eigentlich kaum noch nach. Wir sind jetzt gerade auch wieder „Opa“ ausverkauft, „Mutti“ ausverkauft, „Oma“ haben wir gerade abgefüllt, vor zwei Wochen rausgebracht, und das Ding ist schon vorbestellt, wie nur was. Und jetzt auch noch mal vielleicht noch 10 % der Charge haben wir noch da, dann ist das auch wieder weg. Und der nächste Sud dauert aber drei Wochen, weil das einfach ein Bock ist, der braucht einfach Zeit. Und wir geben unserem Bier sehr gerne Zeit. Und wenn wir halt schnell wachsen wie der Bierbedarf da ist oder das Bier da ist, dann ist halt mal was aus. Aber wir machen 44 Sorten im Jahr, also auch nicht ganz langweilig.

Holger: Tja, Markus, da hört man ja, also es ist ja klar, mit den 35 Minuten werden wir nicht auskommen. Eigentlich müssten wir eine Hertl BierTalk Serie machen. Oder was sagst du dazu? Das ist doch unglaublich, was der David da so raushaut.

Markus: Ja natürlich ist es unglaublich. Vor allem, ich kenne ihn und seinen Laden ja praktisch seit der allerersten Minute oder Stunde. Und was ich am Allermeisten bewundere, ist, dass er einfach einen genial guten Riecher hat, was man wann tut. Also so wie er angefangen hat damals, als die ganze Craftbier-Nummer überhaupt so ein bisschen in Deutschland losging mit eben auch einem IPA, hat dann aber relativ schnell die klassischen Bierstile entdeckt, ein gutes Kellerbier gemacht, war dann dabei, einfach ein bisschen die Verrückten abzuholen mit eben der Gurken Gose und den Weinbier-Geschichten und so weiter. Hat sich da einfach super einen Namen gemacht. Dann hat der Markt umgeschwenkt, man wollte einfach wieder klassische Bierstile haben. Wer war als erstes da? Der David. Und da haben wir dann eben ein Helles und schönes Kellerbier und einen schönen Bock und ein schönes Weizen, alle perfekt gebraut, aromatisch, wunderbar auf den Punkt, den Stil wunderbar repräsentiert. Und dann auch wieder weitergedacht: Okay, was kann man drum herum bauen? Den Gin entdeckt, das Tonic dazu entdeckt und so weiter. Also im Grunde, das ist das, was ich am tollsten finde, also nicht nur, dass er natürlich menschlich ein toller Typ ist und dass er auch einfach gute Produkte macht, aber dass er eben auch weiß, wann er was tun muss und wie er das auch so macht, dass sein Laden davon profitiert und er wirklich was aufbauen kann. Und da können sich nahezu alle Brauer, die ich in Deutschland kenne, eine Scheibe abschneiden.

Holger: Ja Manometer, das ist ein Statement. Jetzt haben wir von der Produkt-Range einiges aufgezählt und haben ja auch einiges vor uns stehen. David, womit beginnen wir?

David Hertl: Erstmal habe ich Gänsehaut, weil in einem Familienunternehmen ist man nicht gewohnt, dass man so viel Lob auf einmal bekommt. Wir fangen an mit unserem Tonic Water. Machen wir erst mal was Alkoholfreies. Wir haben ja grad mal zehn Uhr. Also wir verkosten ja heute ein bisschen früh. Und wir fangen einfach mal mit dem Tonic Water an und dann steigern wir uns von den Bieren her. Das Tonic Water ist auch so eine verrückte Idee. Vorm „Perfekten Dinner“ haben wir unseren Gin rausgebracht, und der war dann gefragt wie noch was, der hat sich verkauft wie Hölle und das ist explodiert wie nur was. Dann haben alle gefragt: Welches Tonic soll ich denn dazu verwenden? Und ich konnte immer nur semi-gute Antworten geben, wo ich nie so tausendprozentig hinter gestanden war. Und da habe ich mir überlegt: Hey! Du bist doch Braumeister. Du kannst einen Gin machen, du kannst alles machen. Das soll es scheitern bei einem Tonic? Und da habe ich gedacht: Ach! Dann machst du halt mal was mit und machst mal ein paar Kurse und verkostest, Blind-Verkostungen, und nach einem dreiviertel Jahr Verkosten Tonic Pur, Tonic mit Gin, haben wir letztendlich eine schöne Geschichte gefunden und haben ein HOP TONIC mit der Hopfensorte Cascade gemacht und das ist ziemlich genial geworden. Weil man es pur trinken kann, aber auch mit Gin.

Holger: Jetzt trinken wir es, glaube ich, erst mal pur. Bei euch sind ja immer alle Familienmitglieder abgebildet und auf dem Etikett sehe ich jetzt eine Hand, eine Zitrone und eine Hopfendolde. Von wem ist die Hand?

David Hertl: Die Hand ist von meinem Cousin, der hat die größten Pranken. Und dieses Bild ist so entstanden, der hatte im Endeffekt eigentlich einen Schwamm in der Hand und mein Künstler hat im Endeffekt diese Hand abgebildet und hat natürlich den Schwamm durch Hopfendolden und Zitrone ersetzt. Und so ist dieses Bild entstanden. Also mein Cousin ist auch indirekt verewigt in den Produkten.

Markus: Unglaublich!

Holger: Wahnsinn! Jetzt machen wir aber auf.

Markus: Yo!

David Hertl: Das Spannende ist, wir haben lange überlegt und hin und her und wir wollten ein Tonic Water, was für ein Radler auch kombinierbar ist, aber auch zum Gin kombinierbar ist. Und da haben wir uns überlegt: Was machen wir denn, wo setzen wir an? Und das ist ein Tonic Water, was nicht ganz so herb ist wie ein Thomas Henry oder wie die alle heißen, sondern es ist sehr, sehr angenehm zu trinken. Das ist eine nicht süße Zitronenlimonade mit einem bitteren Abgang. Das trifft‘s eigentlich ganz ehrlich und bringt‘s auf den Punkt. Man kann es gut trinken und man hat halt diese Hopfennote von Cascade. Wer irgendwann mal eine Hopfensorte Cascade in der Hand hatte, das ist wie ein Zitronenbonbon. Das ist hier halt eingefangen.

Holger: Nein, das kann man auch wirklich gut nachvollziehen. Das ist ja fast eine Limonade und sie ist eben nicht pappsüß, sondern hat so eine schöne Bittere im Nachtrunk. Markus, was sagst du dazu?

Markus: Ja, bin auch begeistert. Und ich finde es auch gar nicht so einfach. Also ich habe schon viele Versuche erlebt, wie man eben mit Hopfen irgendwie eine Limonade oder ein Wasser oder sowas gestalten kann. Es gibt in Deutschland eine Sorte, die sich so ein bisschen durchgesetzt hat, alle anderen sind gescheitert. Und ich habe in Brasilien noch eine Marke kennengelernt, die das wirklich richtig gut umgesetzt haben, da gibt’s das in Dosen. Aber ansonsten gibt’s das einfach nicht. Und in dieser Form jetzt, dass man es eben auch noch mit dem Gin schön verwenden kann, dass es nicht so süß ist, sondern wirklich einfach schön auch die Bittere repräsentiert, das gibt’s jetzt nur beim David. Und das hat mich schon letztes Jahr begeistert, also auch einfach nur so als Getränk, aber eben auch in der Kombination. Toll!

David Hertl: Kommt auch extrem gut an. Wir waren jetzt auch vor zwei Wochen das erste Mal mit HOP TONIC ausverkauft und ich war vollkommen baff. Mittlerweile haben wir es, glaube ich, ein Jahr oder eineinhalb Jahre im Sortiment. Und das ist halt so immer nebenbei getröpfelt, weil so das der Wingman zum Gin ist, zum Hopfen-Gin. Und dann haben wir uns überlegt auch: Wie geht die ganze Reise weiter? Und irgendwann haben wir wirklich Kunden, wo wirklich gezielt dieses Tonic Water, wirklich eine Kiste, bestellen und nicht einmal den Gin. Und dann war ich auch ein bisschen verblüfft, dass das auch funktioniert. Und das war eben auch der Gedanke dahinter. Und das ist natürlich immer schön, dass wenn ein Verrückter Gedanken hat oder so ein Entwicklerkopf wie ich, der dann irgendwas macht und das eigentlich zweispurig auslegt, dass man es wirklich pur trinken kann, und mit einem Gin, das in der Praxis auch funktioniert, das bestätigt einen dann auch. Das ist so total angenehm. Also total schön, dass man so diese erste Idee wirklich auch in der Praxis umgesetzt bekommt. Das ist ja auch immer die große, große Kunst.

Holger: Ja, ich hatte das ja am Anfang schon gesagt, es gibt ja Heerscharen von Beratern, die sich über Innovationen und neue Ideen und wie man Produkte entwickelt und Produktmarketing macht und wie man die quasi dann im Markt positioniert, und bei der Zielgruppe und alles. Und du, ja, du sitzt einfach in der Küche, denkst dir irgendwas aus, machst es, haust es raus, es ist erfolgreich und fertig. Das ist phänomenal. Also wirklich, ist absolut phänomenal. Und letzten Endes ist das ja auch so, dass du immer wieder auch zeigst, wie offen du bist eben für diese neuen Dinge. Und ich sag mal Gin ist jetzt nicht mein Ding, also mein Ding ist ja Bier, aber es ist ja auch ein Hype gerade um den Gin. Und was machst du denn lieber, Bier oder Gin?

David Hertl: Ganz, ganz klar, ich bin Braumeister und liebe Bier. Aber ich liebe halt auch alles, was irgendwie in der alkoholischen Gärung entstanden ist. Und deswegen finde ich einfach dieses Gin-Thema ein ganz, ganz spannendes Ding. Unser Gin ist ja auch 100 % aus Bier. Das ja das Schöne dran. Das weiß meistens immer niemand, der wird 100 % aus dem „Opa“ gebrannt, also das Bier „Opa“, der wird verbrannt und das ist eigentlich Bier-Brand, der dreifach destilliert wurde und eben dreifach auch mazeriert wurde mit Zitronengras, Hopfen, Malz und Wacholder natürlich.

Holger: Und natürlich auch hier Hallertauer Hopfensorten, Mandarina Bavaria zum Beispiel ist da drin.

David Hertl: Ja.

Holger: Und dann sagst du ja, das ist ein New Western Style Gin. Was bedeutet das?

David Hertl: Ein New Western Style Gin ist ein Gin der neuen Welt im wahrsten Sinne. Also sprich, ein Gin, der nicht klassisch trocken ist wie der London Dry Gin, sondern hat eine leichte Süße, und in dem Fall eben vom Malz bekommt er die leichte Süße und bekommt halt eine extreme Fruchtigkeit. Und der Fokus liegt ganz eindeutig nicht mehr zu 1000 % auf dem Wacholder, sondern auf die Zutaten, die man sonst noch zusätzlich verwendet. Also ein geupdateter London Dry Gin ist das im Endeffekt. Und das gibt’s auf dem deutschen Markt auch nicht. Habe ich in San Francisco kennengelernt und fand ich total weltbewegend gut, weil ich nicht der Gin-Trinker war zumindest, und mittlerweile kann ich mich sehr, sehr anfreunden. Aber dieser New Western Style, was im deutschen Markt eigentlich noch gar nicht vorhanden ist, der ist einfach ein Bier, wo mir einfach total liegt, weil du kannst den auch pur trinken.

Holger: Also „hand made by Hertl“. So Markus, wie würdest du denn gerne weitermachen? Was wäre jetzt, aus deiner Sicht, die richtige Reihenfolge? Wollen wir die Gurken Gose nehmen, wollen wir die „Oma“ kalt trinken oder die „Mutti“ genießen? Ja, also Wahnsinn!

Markus: Es ist wirklich schwierig und regt natürlich auch zu allerlei Wortspielen an. Denn wer hat schon die „Mutti“ und die „Oma“ kaltgestellt? Und naja, egal. Also wir haben ja die Gurken Gose, und die finde ich ja bei Menüs immer ganz spannend, gerade als Aperitif am Anfang. Sie ist natürlich sensorisch schon auch ein Hammer. Trotzdem könnte ich mir es als Überleitung ganz gut vorstellen, weil wir kommen jetzt vom Tonic, was ja trotzdem eine gewisse Süße auch hat, und gehen ja dann zum Bier, wo wir dann uns mit dem ausgewogenen Malzhopfen-Geschehen beschäftigen. Und ich glaube, die Gurken Gose könnte uns da unterwegs quasi nochmal so erden und noch mal völlig anders einfangen aromatisch, sodass wir dann wieder relativ neutral sind für das Bier. Außer ihr sagt jetzt, nee, lieber „Mutti“.

David Hertl: Nee, passt. Hört sich gut an.

Holger: Erst Gurken Gose, dann „Mutti“, wunderbar.

David Hertl: Ja, ganz genau. Hätte ich auch gesagt. Nach Sauerbier kannst du eh alles trinken dann wieder bestimmt.

Markus: Also Gurken Gose, ja, Wahnsinn! Geil auch, dass da draufsteht „Alkoholhaltiger Salat“. Also alles Dinge, über die man sprechen kann. Auf jeden Fall toll, dass es auch noch wirklich aus richtigen Gurken gemacht wird. Davon konnten wir uns vor Ort ja schon überzeugen. Und jetzt machen wir es doch einfach mal auf.

Holger: Und darüber hinaus auch noch World Beer Star Winner. Ich weiß jetzt gar nicht genau in welcher Kategorie, wahrscheinlich irgendwie Experimental Style oder so.

David Hertl: Fruit & Vegetarian Beers, also sprich, die ganzen Krieks, die ganzen Framboise, die ganzen Kirschbiere, Himbeerbier, wie sie alle heißen, die waren da auch in der Kategorie drin. Und da hat die Gurken Gose voll abgeräumt.

Holger: Ich kann nur sagen, wenn ich ins Glas rieche, dann kommt die Gurke so richtig raus. Also im Moment ist ja sowieso Gurkenernte, überall begegnet dir die Gurke. Also Wahnsinn, wie dieses Aroma hier aus dem Glas purzelt. Irgendwie, damit bist du ja auch ein bisschen berühmt geworden mit dieser Gurken Gose. Das hat schon auch irgendwie dazu beigetragen, die Marke Hertl so richtig zu pushen, oder nicht?

David Hertl: Das Verrückte ist, ja, definitiv, also die Gurken Gose war eigentlich eine vollkommene Schnapsidee, besser gesagt eine Bieridee, mit meinem Gurkenbauer meines Vertrauens. Der kam dann irgendwann auf dem Weihnachtsmarkt zu mir, der hat mich damals noch nicht mal großartig gekannt und der hat gemeint: David, ich wurde zu dir weitergeleitet, weil mir gesagt worden ist, wenn du es nicht machst, dann macht’s keiner. Und zwar ich suche jemanden, der mir ein Bier braut aus Gurken. Es gibt alles mit Gurken, aber kein Bier. Bitte ändere das! Und da habe überlegt und gemacht und getan und ich habe Probesude angesetzt und fand einfach den Bierstil Gose dafür prädestiniert wie nur was, weil halt einfach Salz und Koriander schon drin ist als so eine Würze. Und das passt einfach mit der Gurke super zusammen. Wir ballern auch 340 Kilo Gurken auf 10 Hektoliter, als Unmengen an Gurken kommt da drauf. Und das Spannende ist, ihr könnt auf Facebook auf unsere Braumanufaktur Hertl schauen, da haben wir auch gerade ein Video, wo wir diese Gurken reinballern in den Sud. Das ist schon immer wieder eine spannende Geschichte.

Holger: Ich habe mir das Video schon mal angeschaut. Da sieht man halt irgendwie so einen Mixer oder so eine Maschine, die die Gurke schneidet. Darunter ist dann halt ein Sack, wo das alles mit aufgefangen wird, und dann steht da jemand, wahrscheinlich auch irgendein Familienmitglied, und haut da die Gurken rein und so und macht säckeweise das Thema voll. Und das ist ja schon unglaublich.

David Hertl: Ich musste erst mal eine Brauerei finden, die das überhaupt mitmacht. Weil mir wurde es ja irgendwann verboten in Bayern, aber das ist eine längere Geschichte. Dann sind wir nach Tschechien geflüchtet, dann sind wir letztlich in Hagen, und in Hagen beim Vormann haben wir auch eine Sondergenehmigung und dürfen jetzt diese Gurken Gose auch in Deutschland brauen und in Deutschland auch verkaufen. Und das ist eine lange, lange Geschichte, aber das war immer kurios ohne Ende.

Holger: Ja, Wahnsinn!

David Hertl: Und die Gurken Gose hat mich wirklich, die begleitet mich seit sechs Jahren, sechseinhalb Jahren jetzt. Wir sind, glaube ich, da beim achten Sud oder neunten Sud. Entweder man liebt es oder man hasst es, weil das ist wirklich ein Bier mit extrem viel Charakter. Ich sage immer ganz gern: Sauer, salzig, verrückt. Darauf muss man sich einstellen und Bier im Kopf ausschalten, wenn man ein konservativer Biertrinker ist, und dann funktioniert das. Das hat eine Säure wie ein Weißwein. Und das hat schon was, auf jeden Fall Power.

Holger: Absolut! Ich stelle mir gerade vor, ich hole hier jemand von der Leopoldstraße ganz kurz hier rein und sage: Hey! Magst du ein Bier und so? Und schütte ihm dann die Gurken Gose ein. Dann krieg ich wahrscheinlich erst mal eine geschallert, also das glaube ich schon. Ja.

David Hertl: Das kann passieren.

Markus: Auf jeden Fall, also ich kann mich erinnern, ich habe das ziemlich am Anfang, als es sie gab, da habe ich für die Tourismusbehörde Bamberg eine Verkostung gemacht mit so Bierverrückten, angeblichen zumindest, aus Amerika, und habe dann beschlossen: Okay! Dann fangen wir auch wirklich verrückt an. Und habe ihnen eben als Entree die Gurken Gose gekühlt im Sektglas serviert. Und da sind die echt erst mal aus den Latschen gekippt. Also sowas kannten die auch noch überhaupt nicht. Und ja, es polarisiert, aber es ist total spannend. Es zeigt Leuten auch, was Bier alles sein kann. Ich denke mal, es ist eine doppelte Geschichte, weil einerseits lernen die Leute Bier neu kennen und andererseits lernen sie auch kennen, dass zum Beispiel so eine Gurke nicht unbedingt nur das Salatfrüchtchen ist, sondern dass die einfach auch eine Süße hat, dass die ein sehr schönes eigenes Aroma hat. Wenn man insgesamt schaut, dann könnte man da auch so Richtung Guave denken, Apfel und solche Sachen, sind da aromatisch eben in so einer Gurke auch mit drin. Das ist halt einfach eine tolle Frucht, mit der man viele, viele schöne Sachen machen kann. Und diese Idee, da ein Bier draus zu machen, finde ich echt toll. Und ich persönlich finde auch das Aroma sehr erfrischend. Also gerade als Anfang für ein Menü finde ich das total schön, weil es schließt auf, es begeistert, es macht neugierig, und es macht hungrig. Und das ist ja für so ein Menü auch total gut.

Holger: Ja, und darüber hinaus macht es auch offen im Kopf. Wenn man das dann entsprechend anmoderiert und sagt halt: Mensch, passt auf! Öffnet euch mal. Das hat jetzt nichts mit einem normalen Bier zu tun, aber ich möchte euch gerne vorführen, was Bier eben alles sein kann, so wie du gerade schon gesagt hast. Dann öffnest du einfach auch die Köpfe, also das Denken wird dann frei. Und das ist doch auch großartig, wenn man sagen kann: Mensch, was kann so ein Getränk alles auch mit Menschen machen in Verbindung mit der richtigen Speise oder mit der richtigen Situation und so. Und das ist schon eine großartige Geschichte. So!

Markus: Ich habe noch eine Frage für die Nerds unter den Zuhörern: David, wann kommt diese Gurke ins Spiel? Also wird die mit eingemaischt oder wird die mit geläutert oder wird die gestopft oder gärt die mit oder wann taucht die auf im Prozess?

David Hertl: Für die ganzen Bier-Nerds da draußen, das ist im Endeffekt ein ganz unkomplizierter Prozess, wenn man es ganz ehrlich betrachtet. Es ist gebraut wie ein Wet Hop IPA, also sprich, die Gurken werden im Läuterbottich, nachdem man abgeläutert hat und die Würze gekocht hat, werden die Guten im Läuterbottich vorgelegt und nach dem Würze kochen kommt dann die ganze Würze nochmal in den Läuterbottich und im Läuterbottich wird das Ganze nochmal geläutert durch die Gurken. Und dann wird es erst im Whirlpool weitergeleitet. Und das ist im Endeffekt die ganze Idee dahinter. Da kriegt man auch diese unglaubliche Menge an Gurke verarbeitet, weil es ja genauso viel ist wie Malz, wo reinkommt. Und dann funktioniert das und macht auch Spaß und man kriegt auch die Gurken wieder raus. Und deswegen hat es so ein leichtes Koch-Gurkenaroma, von eingeweckten Gurken ein bisschen in die Aromatik, ein bisschen ausgekochte Gurken. Deswegen bekommt man diese Aromatik.

Holger: Also ein Nachguss-Gurkenbier sozusagen.

David Hertl: Ein Nachguss-Gurkenbier. Und wer da noch Fragen hat, einfach eine E-Mail schreiben. Ich bin da relativ offen. Oder einfach auf Facebook schauen. Wir haben da sowas von viel gefilmt, dass da jeder Hobbybrauer oder so sich da Ideen rausziehen kann. Wir machen da kein Geheimnis draus.

Holger: Jetzt verkosten wir einfach mal die „Mutti“. Wunderbar!

Markus: Frische „Mutti“ um halb Zehn. So!

David Hertl: Die „Mutti“ ist relativ früh abgefüllt worden.

Holger: Das ist so schön, David, alles. Also unglaublich! Man muss fast eine Warnung aussprechen. Der Podcast ist vielleicht gar nicht für s Autofahren geeignet, weil man sich so kaputtlachen muss über diese Wortspiele mit „Opa“ und „Mutti“ und „Oma“ und weiß ich nicht. Also da müsst ihr ein bisschen vorsichtig sein, wenn ihr Auto fahrt. Schön das Lenkrad festhalten und sich nicht wegschmeißen im Auto.

Markus: Hat ja nicht jeder eine „Oma“ im Kühlschrank.

Holger: Nee, nee, hat nicht jeder eine „Oma“ im Kühlschrank. So! Ich find’s großartig, weil es ist so ein richtig schönes Helles ohne viel Schnörkel. Der Markus hat es vorhin auch schon gesagt, es ist ja auch so ein bisschen ein Trend. Also das Helle kommt ja gerade ganz stark, jeder macht Helles und so. Und ich habe mir jetzt extra für dieses Helle einen Willibecher bereitgestellt und wenn man jetzt so diesen Willibecher in der Hand hält, dann ist das einfach eine schöne, schöne Sache. Also das ist so eine schöne helle Schaumkrone und so eine Hefetrübe, eine goldene Farbe im Glas, der Geruch, der ist so ein bisschen getreidig, malzig, aber auch leicht fruchtig so.

David Hertl: Ja.

Holger: Und wenn man dann so den Antrunk hat, dann fast eine Honignote, vermute ich ein bisschen. Ich weiß nicht, habt ihr die auch, so eine leichte Honignote?

Markus: Ja.

David Hertl: Ja, ganz genau. Es ist ein charakterstarkes Helles, weil es auch komplett naturtrüb ist. Also man hat halt auch die ganze Hefe­-Aromatik, die Hefe-Fruchtigkeit mit dabei, und vor allem den Body von der Hefe. Also man bekommt den Körper von der Hefe mit ins Glas und den schmeckt man auch. Und Hefe ist einfach ein geiles Produkt, deswegen ist auch kein einziges Bier bei uns filtriert.

Holger: Ja.

Markus: Und was ich ganz coolfinde, ist, wir haben jetzt in den BierTalks auch schon ganz viele so südbayerische Brauereien erlebt, die sich dann in ihren Versuchen, ein Helles oder Kellerbier oder irgend sowas zu machen, eher so an die fränkische Tradition anlehnen. Hier, finde ich, ist es fast ein bisschen anders. Das ist eine sehr clevere, schöne Adaption von einem klassischen Münchner Hell. Hat die Drinkability, die Cremigkeit, das gesamte Aroma, also das finde ich sehr nah dran, wie wenn ich jetzt überlege, ich sitze im Augustiner. Und das finde ich auch schön, also dass man da die Charakteristik wirklich sehr schön rüberbringt und eben nicht zu sehr in so diese fränkische Ecke schiebt. Also das finde ich ganz, ganz schön.

David Hertl: Ja, man muss auch dazusagen, in Franken eine Brauerei zu gründen ist so eine der dümmsten Ideen, die man haben kann als Unternehmer. Und dann muss man sich natürlich ein bisschen absetzen von der Menge, wo man hier an Bier hat. Und da orientiere ich mich gern auch international oder regional oder deutschlandweit komplett. Das ist im Endeffekt, die Basis ist Münchner Helles, aber mit mehr Malz-Body, mit ein bisschen Karamellmalzen gespielt. Und auch vor allem mit der Trübe gespielt, ist ziemlich trüb auch im Glas, wenn man die Hefe mit reinnimmt. Und das macht halt auch Spaß und das bringt einfach viel Geschmack mit sich, was ein Helles eigentlich weniger hat.

Markus: Genau. Und dann habe ich jetzt noch eine Frage an den Holger. Hintendrauf steht nämlich „Wer Mutti Vroni kennt, liebt sie“. Nun hast du sie ja neulich mal wieder richtig gut kennengelernt. Kannst du das bestätigen?

Holger: Es ist eine Wucht. Das kann man einfach nur sagen. Es ist eine Wucht. Eine Wucht an Frau, eine Wucht an Köchin, eine Wucht an Gastfreundschaft, also so viel Herzlichkeit, wie ich da erlebe, wenn ich ab und zu mal da bin, das kann man gar nicht beschreiben, das kann man sich gar nicht vorstellen. Und sie ist ja hier auf dem Etikett auch abgebildet. Und ich finde auch, sage ich mal, die Art und Weise, wie du die Produkte eben künstlerisch auch da begleiten lässt, und auch die Haptik vom Etikett, also das ist fast wie so ein, weiß ich nicht, wie so ein Umweltpapier. Ich weiß nicht, ob es das auch wirklich ist, aber ich finde die Haptik vom Etikett auch so schön. Und das macht euch sympathisch. Und wenn man euch auch in Summe erlebt, also jetzt die Familie ja sowieso, aber auch die beiden Lehrlinge oder der Jimmy, ja, der Jimmy, der Brauer-Auszubildende aus Amerika, der schon über 50 ist und wahrscheinlich der älteste Brauer-Azubi der Bundesrepublik Deutschland, also das ist einfach genial. Ihr müsst dahin, ihr müsst dahin. Oder die Garagentore, wie die bemalt sind. Man kann es auch gar nicht verfehlen. Ich weiß gar nicht, ich bin jetzt schon wieder hier am Rumschwärmen. Eigentlich müssen wir ja weitermachen. Und womit machen wir eigentlich weiter?

Markus: Ich sag vielleicht noch einen Satz zur Mutti. Ich glaube, das Geheimnis ist, das trifft ja letzten Endes auf die ganze Familie zu, aber wenn man da ankommt, man ist sofort irgendwie aufgenommen. Als es ist dann eben nicht nur die Mutti vom David, sondern ein bisschen ist es auch deine. Das bringt sie so rüber und das bringt auch der Rest der Familie rüber, und dann bist du eben sofort Teil des Geschehens. Und das macht unheimlich viel und macht natürlich auch die ganze Marke sympathisch und die Biere sympathisch. Und ich glaube, das ist auch so was, wo man wirklich diese fränkische Herzlichkeit, die es nicht immer gibt, aber da auf jeden Fall gibt, wirklich erleben und lieben und schätzen lernen kann.

Holger: Unbedingt! Es steht ja auf der Flasche „Mutti‘s Sonnenschein / Die Helle!“. Mehr Mehrdeutigkeit gibt’s ja gar nicht. Aber jetzt, was machen wir jetzt? Jetzt müssen wir weitermachen, Jungs.

Markus: Auf die „Oma“!

David Hertl: Ja, jetzt müssen wir die „Oma“ aufmachen.

Holger: Okay! Dann auf. Und wir machen die „Oma“ auf. Erst haben wir die „Oma“ abgefüllt und jetzt löschen wir sie weg.

Markus: Abgefüllt, in den Kühlschrank gestellt, kaltgestellt sozusagen, kaltgemacht, jetzt wieder rausgeholt und aufgemacht.

David Hertl: Und die „Oma“ ist unser neuester Zugang, der jüngste Zugang im wahrsten Sinne. Die „Oma“ ist ein bernsteinfarbener hopfiger Bock. Kein 100 % klassischer Bock, weil es einfach so ein richtig schöner malzbetont, aber auch hopfenbetonter Bock ist. Und der Bock hat richtig viel Power, der hat 6,5 %. Aber das Gefährliche ist, das merkt man nicht. Deswegen haben wir es auch „Oma‘s Betthupferl“ genannt, weil dieser Bock hinterfotzig ist. Der zieht dir dann irgendwann die Beine weg und du musst schlafen.

Markus: Genau, richtig für die Uhrzeit. Wahnsinn!

Holger: Nee, und auch da, also die Wahrheit steht ja drauf, da steht drauf „Die Starke“. Auch wenn man jetzt den Alkohol nicht wirklich spürt, also das kann ich nur bestätigen, das ist so ein richtig schönes, rundes ausbalanciertes Bier, wo man sich wohlfühlt mit, also ein richtig schöner Bock halt. Aber es steht ja drauf, „Die Starke“. Da kann keiner meckern, wenn er dann doch irgendwie eine Überraschung erlebt.

Markus: Und wir sind jetzt natürlich dann doch mitten in der fränkischen Tradition. Das ist im Grunde die starke, kräftige Version von einem klassischen Kellerbier, also schöne Malzaromen, Karamell, Honig, das Alkoholische kommt natürlich auch irgendwo rüber, ist ein bisschen brotig. Also ganz, ganz intensiv auf der malzigen Seite hinten raus, so eine schöne, dezente Bittere, die das schön abrundet, sodass der Alkohol dann auch wieder gut eingebunden ist. Vom Optischen her wunderschöne Farbe, der Schaum ein bisschen cremig, also ganz, ganz tolles Bier. Und wie gesagt, da dann natürlich voll in der fränkischen Tradition. Wie lange arbeitet man an so einem Rezept, David?

David Hertl: Das hat ziemlich lange gedauert. Wir mussten uns erst mal überlegen: Was wird die „Oma“? Und das ist der härteste Gedanke, weil da hast du Helles, Kellerbier, Weißbier, und dann wollten wir irgendwie Radler oder das oder Märzen oder ein Export oder ein Pils oder sowas, und haben viele, viele Ideen gehabt, viele Sude gebraut, und haben uns überlegt, für was steht Franken? Franken steht für Bockbier. Und da habe ich mir überlegt: Hey! Machst du einen Bock. Und dann haben wir lange, lange, lange noch mal überlegt, bis wir überhaupt ein gutes Rezept hatten. Und der Name, der hat eigentlich am längsten gedauert. Also „Oma‘s Betthupferl“ hat am allerlängsten gedauert. Das hat, glaube ich, ewig gedauert, bis wir einen geilen Namen hatten, wo wir sagen, hey, das passt in die Linie und es wird auch das verkauft. Der Kunde erwartet dann auch wirklich ein Starkbier, „Die Starke“, und das passt halt auch bei meiner Oma richtig, richtig gut dazu. Wir haben den ganzjährig im Sortiment. Also ich will den gar nicht missen, weil es gibt eben viele Brauereien, die den Bock eben nicht ganzjährig haben. Und ich wollte aber immer einen Bock, wenn ich Bock drauf habe.

Markus: Jetzt steht da hinten drauf „Oma macht alle satt“. Also eigentlich macht ja „Mutti“ schon alle satt, so prinzipiell gesehen und nicht zuletzt mit ihren wunderbaren Kuchen. Ist es denn deine mütterliche oder väterliche Oma?

David Hertl: Meine väterliche Oma. Und die backt und kocht und macht. Und die ist ähnlich wie meine Mutti auch von der Herzensgelegenheit. Also die packt einfach den Tisch voll und du bist eigentlich immer überfressen. Weil jeder kennt’s ja, wenn man bei der Oma war, da geht man nicht hungrig heim oder sowas, das geht gar nicht. Kriegst noch ein Goodie da, ein Goodie da. Und wenn du schon vollgefressen bist, gibt’s noch was oben drauf und dann kannst du dich eigentlich immer meistens rollen danach.

Markus: Vorher gefragt, ob du sie verewigen darfst?

David Hertl: Alle Etiketten, alle Biere sind mit den jeweiligen Personen komplett abgestimmt. Und die Rezepte wurden nach deren Auffassung so abgeändert, dass sie wirklich dahinterstehen können. Die Oma trinkt jetzt nicht jeden Tag Bockbier, muss man auch dazu sagen. Abe die findet das total genial, schmeckt super. Die trinkt dann halt bloß eine halbe Flasche, die andere halbe Flasche dann für den nächsten Tag. Das ist schon krass und ehrlich bei meiner Oma. Und die Etiketten-Freigabe, die haben wir natürlich nur mit den jeweiligen Personen. Weil wenn die sagen, hey, ich gefalle mir auf dem Bild nicht, dann ist es eine große Katastrophe, wenn ich da Bier reinfülle. Deswegen ist auch bei der „Mutti“, wer die „Mutti“-Flasche grad vor sich hat oder in der Hand hat, „Mutti“ ist auch zufälligerweise aus unerfindlichen Gründen 20 Jahre jünger gemacht worden auf dem Etikett. Aber das darf man ihr nicht sagen.

Markus: Das hat sie jetzt auch nicht gehört. Also auf jeden Fall strahlt sie immer wie der absolute Sonnenschein. Und das ist da auch gut eingefangen und das erlebt man immer genau so.

Holger: Du kannst ihr von mir einen schönen Gruß bestellen. Also sie strahlt so vom Herzen, die ist immer schön, also egal wie alt sie ist. Also das musst du ihr sagen.

David Hertl: Ja, ja. Um Gottes Willen. „Mutti“, die nimmt das total sympathisch auf. Also die ist da nicht eingeschnappt, wenn man da ehrlich ist. Also das ist ja das Schlimmste, was es gibt, wenn man dann eingeschnappt ist. Weil die wollte es ja so, und so hat sie es bekommen. Und wenn sie glücklich ist, dann bin ich auch glücklich und dann passt die Sache. Das Etikett ist ja auch wunderschön geworden, also muss man auch ganz, ganz klar sagen. Und das passt alles.

Holger: Vielleicht willst du noch zwei, drei Worte auch zum Künstler verlieren. Weil du hast ja sogar auch so KÜNSTLER-EDITIONEN, also mit bestimmten Etiketten. Also vielleicht sagst du da noch mal ganz kurz dazu: Wer ist das eigentlich? Wie seid ihr zusammengekommen? Wie seid ihr auf die Idee gekommen? Und warum gibt’s jetzt KÜNSTLER-EDITIONS-Bier?

David Hertl: Das war eine ganz witzige Geschichte. Der Künstler ist erst mal Simon Schacht aus Würzburg. Der ist eigentlich Graffiti-Sprayer und ein bisschen künstlerisch affin. Und der war Stammkunde bei uns, hat immer Bier gekauft. Vor mittlerweile sieben Jahren war das, da haben wir uns kennengelernt. Und der hat dann immer gesagt, David, dein Bier ist unglaublich gut, aber deine Etiketten sehen richtig scheiße aus. Gib mir bitte mal fünf Kisten Bier mit und dann lasse ich mir das mal durch den Kopf gehen. Und dann ist auf einmal der „Opa“ entstanden. So haben wir weitergesponnen bis heute noch. Ist auch mittlerweile ein Mitarbeiter hier und macht einen supergenialen Job und macht halt neben den Etiketten auch das Graffiti und das ganze Zeug und die ganzen Hauswände bemalen. Also wer mal hier ist, es sind eigentlich jedes Jahr mindestens zwei neue Graffitis zufälligerweise an der Wand.

Markus: Tätowieren tut er aber nicht auch noch, oder?

David Hertl: Natürlich tätowiert er auch.

Markus: Nein. Unglaublich!

Holger: Markus, das wäre doch mal was. Also du würdest dir quasi mehrere Bier-Brands auf deinen Körper tätowieren lassen und Hertl ist ganz vorne auf der Brust ganz groß.

Markus: Rund um den Bauchnabel.

David Hertl: Du wärst dann der Hertl Wingman.

Markus: Das kann dann mitwachsen.

Holger: Jetzt haben wir nur noch ein Bierchen. Um Gottes Willen, das ging jetzt aber doch irgendwie schnell. Ja, das ist ja doof. So ist es, oder? Also jetzt kommt der „Vater und der Sohn“.

David Hertl: Ja, der “Vater & Sohn”, nicht erschrecken, der kann minimal Gushing haben. Also von daher, der hat einfach so viel Power drin. Da ist mir ein bisschen Zucker noch nachvergoren teilweise, aber ich glaube, bei der Charge jetzt nicht mehr. Das waren nur 30 oder 40 Flaschen. Das war so ein Fässchen, wo in der Ecke stand und wo jeder irgendwie vergessen hat. Und das haben wir dann aus Versehen abgefüllt. Nur aufpassen, weg von der Tastatur! Safety First!

Markus: Das hat ja noch so eine schöne goldene Kappe, die muss man ja eh erst mal wegmachen. Aber danke für den Tipp.

Holger: Vielleicht zwei Worte zum Thema Gushing noch. Gushing bedeutet, dass wenn man die Flasche aufmacht, ich mach sie mal auf, und ja, es kommt raus und wie. Gushing bedeutet dann halt einfach, dass das Bier aus der Flasche raussprudelt und möglicherweise den ganzen Tisch versaut oder die Tastatur, wenn man nicht aufpasst. Aber ich habe jetzt aufgepasst, der ganze Raum ist jetzt voll von diesem Wein-Bier-Hybriden. So intensiv jetzt hier gerade vom Geruch, das kann man sich gar nicht vorstellen. Wenn ihr das jetzt riechen könntet, müsste man das Thema Wein & Bier Hybrid gar nicht erklären. Aber erkläre es mal, David.

David Hertl: Ja. Wein-Bier-Hybrid, das hat auch lange gedauert, bis wir da eine ordentliche Rezeptur hatten. Aber letztlich nehmen wir vom Winzer Traubensaft, also sprich, frisch gekelterten Traubensaft, wo ja jetzt theoretisch die Hefe auch dazugegeben wird. Und nehmen in der Brauerei frische Bierwürze, also sprich, Bier ohne Alkohol, Karamalz mit Hopfen, das ist im Endeffekt letztlich das Produkt. Dann kommt eine Bierhefe mit rein, dann wird der Traubensaft und der Biersaft, auf Deutsch gesagt, zusammen vermengt und zusammen vergoren. Und in dem Fall wurde es auch noch mal drei Monate lang ins Medium Toast amerikanische Weißeiche-Fass gelegt. Und deswegen hat es auch ziemlich viel Tannine auch drin. Also das macht richtig Spaß. Also hat 9 % und wird alles zusammen vergoren. Ist etwa ein dreiviertel Jahr lang gelagert worden und dann abgefüllt worden. Und jetzt haben wir noch die letzten 40, 50 Flaschen und wir sind grad schon wieder am nächsten Wein-Bier-Hybriden dran. Aber das ist noch eine Überraschung in der nächsten Zeit.

Markus: „Vater & Sohn“ und die Domina, also so heißt die Rebsorte. Und ich finde auch die Farbe ja unglaublich gut. Man muss sich das vorstellen, es ist so wie, wenn man so Schwarzkirschen hat, also sehr, sehr dunkel, fast schwarz. Aber dann eben so ein rötlicher Schimmer, der sich dann so durchzieht. Und auch der Schaum hat diesen leicht rötlichen Touch, und im Geruch ist es dann schon recht weinig, finde ich. Also da kommen die Trauben richtig gut rüber. Und ja, einfach eine faszinierende Geschichte, wo man einfach merkt, diese beiden Getränke passen schon auch gut zusammen, wenn man das gut macht.

Holger: Bei mir ist es so, es ergießt sich immer noch.

Markus: Meine war ganz brav.

David Hertl: Die Problematik ist, wenn zu viel von den Ablagerungen im Fass mit reinkommen, dann hat das einfach zu viel Schwebstoffe drin. Und dann kann es eben, witzigerweise eben jetzt beim Markus gar nichts, und das war ja die gleiche Flasche aus dem gleichen Regal, beim Holger hast du auf einmal Gushing. Da hast du einfach zu viel Trübstoffe mit reinbekommen und die erzeugen dann letztendlich ein bisschen Gushing. Das ist nicht mal eine Nachvergärung in der Flasche, sondern wirklich nur, weil die Partikel sich reiben und dann die Kohlensäure rauskommt. Das explodiert nicht, aber es ist halt komisch. Aber das Ding ist trotzdem genial. Also das Bier ist einfach der Hammer.

Markus: Das ist halt Natur.

David Hertl: Ja, ist Natur.

Holger: Ja, das ist Natur, und der Raupach, der guckt so böse.

Markus: Was?

Holger: Da bleibt das Bier natürlich in der Flasche. Da hat es Angst rauszukommen. Und bei mir denkt sich das Getränk: Oh! Ich bin beim Holgi, jetzt darf ich raus, ich komme raus, ich komme raus. Und deshalb ist das bei mir so gewesen.

Markus: Ich glaube ja eher, dass bei mir das Bier einfach gesehen hat, wie ich mir das Etikett angeschaut habe. Und sieht man ja praktisch Vater und Sohn gegenüber, aus den Augen strahlt dann praktisch so die Energie. Und beim David konzentriert sich das in der Hopfendolde und beim Vater dann in der Weinrebe. Und beides zusammen trifft dann in der Mitte und hat dann eben so dieses Zusammenkommen, vereinigt sich und hat ganz viel Energie. Und ich glaube, da war das Bier noch sehr beeindruckt und hat sich deswegen zurückgehalten und ist eben sehr anständig ins Glas gelaufen.

Holger: Ja, wahrscheinlich, wahrscheinlich war es so. Aber das Etikett finde ich besonders genial, wenn ich das mal so sagen darf. Und dein Vater ist auch genauso großartig getroffen wie du selbst. Also der kann das. Da muss man erst mal draufkommen. Also, dass ihr euch beide in die Augen schaut, auf Augenhöhe euch begegnet, also das ist ja auch nicht so einfach in einer Manufaktur mit Vater und Sohn, sich täglich zu begegnen und so. Der eine muss dann ein bisschen zurückstehen, muss den anderen machen lassen. Und all das, was da im Etikett mehr oder weniger aus der Wirklichkeit herüberkommt, ist sehr beeindruckend, finde ich. Ganz toll, wirklich ganz toll, „Vater & Sohn“.

David Hertl: Ja, das Etikett soll auch ein bisschen, dass ich gerne mit meinem Vater diskutiere. Und dass da die Laserstrahlen aus den Augen feuern und manchmal auch zu Explosionen kommt.

Markus: Aber trotzdem, glaube ich, kommt ihr immer zu einer konstruktiven Lösung am Ende. Und das finde ich schon gut. Ich glaube, da ist mittlerweile auch ein gewisses Vertrauen gewachsen. Ich kann mich noch erinnern, wo ich das erste Mal bei euch war, das ist jetzt doch schon zehn Jahre her oder so, da hattet ihr ja gerade aus einer Bohrmaschine eine Malzmühle gebaut. Und da hat mir auch der Vater dann ganz stolz erzählt, wie ihr das gemacht habt und getüftelt habt, und das dann irgendwie hinbekommen. Und das war ja alles, wie man so schön sagt, komplett Hands-on. Und ich glaube, das ist, was bei euch einfach gewachsen ist, dass ihr beide wisst, okay, wir kriegen es hin und wir haben gute Ideen und am Ende wird es funktionieren und wir gehen vielleicht nicht den ganz normalen Weg und wir haben vielleicht auch schräge Ideen und wir haben da aber auch Respekt voreinander und am Ende klappt das aber und wir halten zusammen und ziehen an einem Strang. Und das, finde ich, merkt man in der Kommunikation und auch bei den Produkten und wenn man euch so erlebt.

David Hertl: Ich glaube, mein Unternehmen hätte sich nie so entwickelt, wenn ich nicht den Background von meiner Family hätte, wenn die nicht irgendwie alle irgendwas machen würden. Und das ist halt eine geile, sympathische Geschichte und dann funktioniert das. Und wir arbeiten alle zusammen und wir stehen nicht nur auf den Etiketten drauf, sondern das ist ja auch in echt so. Und dann macht das Ganze Spaß einfach. Das ist einfach ein Miteinander und kein Gegeneinander. Klar, gibt’s Reibungspunkte, wir sind eine ganz normale Familie wie jede andere auch. Nur, dass wir halt Bier machen.

Markus: Ihr habt viel Respekt und Wertschätzung letzten Endes füreinander. Und das ist, glaube ich, einfach gut. Und dann kommt eben sowas auch auf Augenhöhe raus und eben nicht in irgendeinem komischen Verhältnis. Und das hilft dann, glaube ich, auch.

David Hertl: Und du wirst auch geerdet. Also du kannst hier nicht arrogant werden, das haut nie hin. Also du kriegst dann sofort wieder von der Mutti eine gewäschert sprichwörtlich und dann kommt man wieder auf den Boden zurück und überlegt: Hey! Ist das jetzt wirklich eine gute Idee, was ich da gerade im Kopf habe, was meine Mutter und mein Vater alles schlechtfinden? Da muss man einfach darüber reden und dann funktioniert das ganz gut.

Holger: Dann machst du ja auch noch Seminare. Das können wir vielleicht auch noch ganz kurz erwähnen. Und wenn das dann so ist, dann wird ja auch dann bei euch zu Hause gekocht und alle sitzen an einem Tisch. Und das ist ja auch was ganz Besonderes.

David Hertl: Wir machen Brauseminare, BBQ Bierseminare, Gin Tastings, Firmen-Veranstaltungen, Junggesellen-Seminare und, und, und. Also alles, was mit dem Thema Bier zu tun hat, Bier, Gin, BBQ, das können wir ganz gut. Wir können auch gut Schäuferle machen. Also im Brauseminar gibt’s auch komplett das ganze Programm. Wir arbeiten ja auch, ein halbes Jahrzehnt ist es, glaube ich, mindestens, …

Markus: Mindestens.

David Hertl: … wo wir mit der BierAkademie zusammenarbeiten, und das funktioniert einfach genial. Und die Brauseminare von der BierAkademie finden auch bei uns statt und das ist halt einfach eine Win-Win-Situation. Und deswegen freue ich mich auch, dass ich heute euer Gast sein darf, weil wir halt wirklich auch uns alle schon ewig kennen. Also wir waren erst letzte Woche zusammengehockt beim Essen in der Brauerei und dann kam ja die bierige Idee, dass wir ja einen Podcast zusammen machen können. Und das ist halt einfach so eine schöne Situation, die einfach Spaß macht. Es ergibt sich alles, wenn man mal drüber redet und sich sympathisch ist.

Holger: Ich kann nur sagen, es war uns eine Freude und eine Ehre, dass du dabei warst. Vielen Dank für deine Zeit und für die spannenden Geschichten aus deinem Alltag. Das war richtig toll. Danke schön!

Markus: Und ich kann nur sagen, ich freue mich schon, wenn wir dann irgendwann mal wieder einen Teil machen und hat dann vielleicht den „Enkel“ und den „Urenkel“ und die „Uroma“ und den „Schwippschwager“ oder was weiß ich was alles noch im Glas. Da wird bestimmt noch Spannendes kommen. Danke David!

David Hertl: Ich danke euch auch und wünsche allen Bierverrückten da draußen, kommt einfach mal vorbei. Wenn ihr mich noch nicht kennt, dann lernt mich kennen. Und das ist keine Drohung.

Markus: Doch, ihr werdet ihn kennenlernen.

David Hertl: Ich wünsch euch was. Ciao, ciao! Schöne Grüße aus Franken!

Markus: Ciao!

Holger: Genau. Und wer nicht brav ist, wird abgefüllt. Tschüss!

Markus: Tschüss!

David Hertl: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 32 – Interview mit Oliver Wesseloh, Kreativbrauerei Kehrwieder, aus Hamburg

Er gehört definitiv zu den Pionieren der deutschen Craftbrauer-Szene: Oliver Wesseloh aus Hamburg. Einst in die Welt ausgezogen, um in der Karibik Bier zu brauen, verkaufte er schließlich Brauanlagen in ganz Amerika und beschloss am Ende, nach Hause zurückzukehren, um in Hamburg quasi aus einer Molkerei eine Brauerei zusammenzuschrauben – und Weltmeister der Biersommeliers zu werden. Doch die Anfänge liegen bereits in der Jugend des sympathischen Nordlichts, das mit Holger Hahn und Markus Raupach stolze sechs Biere in 45 Minuten verkostet – sportlich, aber machbar – und sehr unterhaltsam…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks, heute Nummer 32. Wir sind wie immer weit gereist. Wir, das sind erst mal ich, der Markus, und …

Holger: … der Holger.

Markus: Also Bamberg und München. Wir sind weit gereist, nämlich bis nach Hamburg, um einen guten alten Freund dort kennen zu lernen oder mit euch kennen zu lernen, damit ihr ihn kennenlernen könnt, nämlich den Olli Wesseloh, der mit seiner lieben Frau Julia am Mikrofon sitzt. Und da sagen wir doch gleich mal: Hallo Olli! Und vielleicht stellst du dich kurz mal unseren Hörern vor.

Oliver Wesseloh: Moin Markus! Moin Holger! Vielen Dank für die Einladung! Julia und Oliver Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg, Brauer jetzt seit über 27 Jahren, seit 2011, da haben wir angefangen, die Kehrwieder Kreativbrauerei aufzubauen. Wir machen das zusammen als klassischen Familienbetrieb.

Markus: Also der Auftakt von einer Sache, die dann auch viele Generationen vielleicht andauert, wie das bei vielen Brauereien ja schon so ist, die es gibt. Ich habe neulich jetzt auf Facebook mal ein Foto gesehen von auch so anderen, die so in deiner Zeit angefangen haben und drunter hat dann einer kommentiert: Ob’s denn jetzt schon Planungen gibt für ein Altersheim für die ersten Craft-Brauer. Was würdest denn du so jemandem antworten?

Oliver Wesseloh: Den Post habe ich auch gesehen, fand ich auch sehr, sehr lustig. Weiß ich nicht, also wenn ich mir manche Leute angucke, habe ich nicht das Gefühl, besonders alt zu sein. Manchmal fühle ich mich so, aber nein, alles gut. Es ist eine schöne Szene, und ich glaube, da haben wir noch viel zu erleben. Ich habe nicht das Gefühl, dass diese erste Generation zum alten Eisen gehört. Altehrwürdig vielleicht bei vielen, aber ja.

Holger: Olli, der Bart ist grau und …

Oliver Wesseloh: Das stimmt.

Holger: … das bedeutet Erfahrung, maximale Erfahrung. So ist das.

Oliver Wesseloh: Genau.

Markus: Und es gibt ja eigentlich ein Bier, das für dich wirklich steht, dass du ja auch erfunden hast, auch vom Namen her, das ist der so genannte Prototyp. Hast du Lust, wollen wir vielleicht mit dem mal in unsere Verkostung einsteigen?

Oliver Wesseloh: Na klar, sehr gerne. Ist immer ein gern genommener Opener in Verkostungen von mir, weil es halt eben auch unser erstes Bier war. Ich glaube, im Januar 2013 haben wir den gebraut, nachdem wir dann lange Zeit nach einem Standort gesucht hatten und erst mal noch nicht fündig geworden sind. Haben wir dann einfach, das ist das Schöne an der Bierszene im Allgemeinen, dass die ja sehr dörflich ist, man kennt sich untereinander, und haben dann bei einem Freund in Dänemark, wo sich zur damaligen Zeit die Craftbier-Szene schon viel weiterentwickelt hatte, gesagt, fahren wir mal hin und machen mal ein erstes Bier, während wir noch am Standort suchen und Anlage bauen sind, um einfach mal auch zu gucken, wie die Leute darauf reagieren, ob unsere Ideen funktionieren oder nicht.

Markus: Jetzt haben wir es uns ja schon ein bisschen eingegossen, aber ich glaube, wir müssen noch mal ganz kurz eins vorher springen für die Hörer, die dich nicht kennen. Also du sprichst jetzt schon von der Standortsuche und so weiter, da sind wir ja im Grunde schon bei der Errichtung oder Einrichtung von einer Brauerei. Vielleicht, wenn wir da noch einen Schritt zurückgehen: Wie kommst du überhaupt zum Bier? Wie kommst du überhaupt nach Hamburg? Und wie war dann diese erste Idee, das dann umzusetzen?

Oliver Wesseloh: Es gab nicht diesen ersten Schlüsselmoment. Also Bier war einfach immer das Getränk, das mir getaugt hat, also dem Zeitpunkt, wo man Biertrinken vielleicht anfängt. Und habe dann durch einen Schüleraustausch mit einem kanadischen College die Inspiration bekommen, da tatsächlich auch beruflich was zu machen. Und zwar waren die Kanadier zuerst bei uns in Hamburg zu Besuch, also ich bin Hamburger gebürtig, so wie meine Frau Julia. Wir haben die in Hamburg vom Flughafen abgeholt, haben die gefragt, Leute, wie sieht das aus, wollt ihr heute noch was machen oder seid ihr platt, wollt ihr duschen und pennen gehen? Die sagten: Nee, nee, wir wollen heute unbedingt zwei Sachen machen, wir wollen die Reeperbahn sehen und wir wollen deutsches Bier trinken gehen. Alles klar! Beim Rückweg vom Flughafen dann an der Reeperbahn vorbeigefahren, dass wir zumindest mal rausgucken konnten, und sind dann abends in die Kneipe. Die haben sich in Rekordtempo einen reingestellt und das haben sie auch so die Zeit über, die sie hier waren dann die drei Wochen, so beibehalten. Und als wir dann im Gegenzug drüben in Toronto waren, sind wir am ersten Abend auch mit denen in eine Kneipe gegangen und die haben sich halt als allererstes, wir waren zu siebt, und die haben sich fünf Pitcher bestellt. Also diese Anderthalb-Liter-Eimer, aus denen man dann nachher maximal kohlensäurefrei sich in kleine Gläser das Bier noch mal umfüllt. Wir haben erst mal protestiert und gesagt, ey Leute, macht doch mal langsam irgendwie, das wäre doch schade, nicht so schön… Und die so: Nee, probiert‘s doch erst mal und dann sehen wir weiter. Ich weiß noch, das war ein Labatt Blue, weil damals zwar schon 18, durften wir aber trotzdem keine stärkeren Biere trinken, also nur Biere bis 3,5 Prozent. Und ich habe echt gedacht so: Was ist das denn? Alsterwasser Light oder was soll das sein? Da mir Kanada sehr gut gefallen hatte und die Leute immer alles, also egal wen ich in Kanada getroffen hatte, immer irgendwie eine Verbindung hatten so zu Deutschland und Bier, da habe ich ursprünglich aus Jux gesagt: Ach Mensch, dann gehe ich doch nach Kanada und braue denen deutsches Bier. Als ich dann zurück war und dann das Abi an stand und man sich mal so langsam Gedanken machen musste, habe ich gedacht: Ach, so doof ist die Idee eigentlich gar nicht. Ich habe dann bei einer Gasthaus-Brauerei hier in Hamburg angefangen und bin danach nach Berlin an die VLB, habe dort Brauwesen studiert, habe meinen Diplom-Ingenieur für Brauwesen gemacht, und dann hat es mich so ein bisschen lustig durch die Welt verschlagen. In Berlin habe ich dann, lustigerweise in Berlin erst, Julia kennengelernt, obwohl wir eigentlich im gleichen Freundeskreis aufgewachsen sind. Sind dann durch lustige Zufälle in der Karibik gelandet, erst Dominica, dann Cayman Islands, und da dann immer als Brauer, und zuletzt hat mich dann einer der drei großen Brauanlagen-Hersteller quasi abgeworben als technischen Vertriebsleiter für Nordamerika und die Karibik. Und das ist so der Punkt, der für mich Schlüssel-Zeitpunkt ist, weil ich dann dafür bezahlt wurde, die US Craft-Beer-Szene zu bereisen und denen Sudhäuser und Tanks zu verkaufen. Das war natürlich ein Traum für mich, weil ich dann halt eben abends immer mit den Brauereibesitzern, respektive Brauern, zusammengesessen habe und mit denen über ihre Biere gequatscht habe und festgestellt habe: Ach Mensch, ja genau, darum bin ich mal Brauer geworden, nämlich um Leute mit Bier zu begeistern. Als Brauer willst du natürlich immer dein eigenes Bier machen. Bis dahin fehlte mir so ein bisschen die Vision. Die habe ich da gefunden. Natürlich haben wir uns dann immer wieder darüber unterhalten, Julia und ich, das dann halt eben auch mal umzusetzen. Durch diverse Umstände war es dann 2011 soweit, dass wir gesagt haben so: Nee, alles klar, das machen wir jetzt. Ich habe dann halt auch die deutsche Szene immer so ein bisschen beobachtet, ob sich da was tut. Und das war so Anfang 2011, konnte man auch sehen, dass so langsam ein bisschen was passiert. Und gesagt: Okay! Entweder sind wir jetzt vom Start weg dabei oder wir lassen es. Und haben uns dafür entschieden, dann den Job zu kündigen und dann halt eben in unsere Heimat nach Hamburg zurück zu gehen und da die Kehrwieder Kreativbrauerei aufzubauen. Das war allerdings natürlich 2011, 2012. Wenn man da jetzt zu einer Bank gegangen wäre und denen gesagt hätte, ich habe ein Super-Geschäftsmodell, ich mache eine Brauerei auf, hätten die sich wahrscheinlich vor Lachen den Bauch gehalten, aber uns sicherlich kein Geld gegeben. Deswegen haben wir uns dann damals drangemacht, einfach aus alten Milchtanks unsere Brauanlage selber zu bauen, auf der wir auch immer noch tatsächlich brauen. Also das ist dann halt eben das Thema, also um den Bogen jetzt wieder zurück zu spannen, Standortsuche, Brauanlage bauen. Dann sind wir halt eben, als sich das alles ein bisschen in die Länge gezogen hat, zu Freunden nach Dänemark, um das erste Prototyp zu brauen.

Markus: Da haben wir praktisch echt Glück gehabt, dass du dann auch wirklich am Ende doch wieder in Deutschland gelandet bist, sonst hätten wir den Prototyp gar nicht im Glas. Also insofern ist das ja schon mal ziemlich gut. Holger, du hast doch das Bier …

Holger: Männer, Männer, Männer, also Prototyp ist auch ein superspannendes Stichwort und ich höre auch super-gerne zu, aber das Bier wird warm, kann ich nur sagen, ist auch schon im Glas. Also wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich sagen, wir trinken mal einen Schluck. Sonst fragen die sich noch, wo die gelandet sind. Die sollen ja erkennen, dass es ein BierTalk ist, oder?

Markus: Dann erst mal: Prost! Und Holger, du kannst ja gleich ein bisschen was zu deinen Eindrücken zum Bier sagen. Prost!

Holger: Ich habe es halt schon im Glas. Also ihr habt’s auch im Glas schon, oder?

Oliver Wesseloh: Ja, natürlich.

Markus: Ja.

Holger: Dann bin ich ja beruhigt. Naja, also was habe ich hier im Glas? Ich habe ein naturtrübes, richtig schön goldfarbenes Bier im Glas, ein schöner weißer Schaum. Wenn man reinriecht, ist so eine schöne Fruchtigkeit da. Erinnert so ein bisschen an ein typisches kaltgehopftes Bier, also ein Pale Ale zum Beispiel. Aber ist ja eigentlich ein Lager, soweit ich weiß?

Oliver Wesseloh: Ja.

Holger: Ich verkoste mal einen Schluck. Prost!

Markus: Prost!

Oliver Wesseloh: Prost!

Holger: Da ist dann eben so eine schöne Bittere, ist trocken, ganz schlank. Hat für mich so eine leichte Maracuja-Note. Macht Lust auf den zweiten Schluck. Also ist so ein richtig schönes, also wir haben es ja hier richtig heiß in München, obwohl es auch schon ein bisschen geregnet hat. Aber mir ist halt, also ab 20 Grad wird es unerträglich, und ich glaube, wir haben gerade 26 oder 27 Grad. Ist genau das Richtige jetzt. Und deshalb mache ich das Glas jetzt auch leer. Prost!

Markus: Ja, Prost! Also aus der bayerischen Sicht würde ich ja jetzt fast sagen, Olli, wenn ich jetzt überlege, so im Jahr 2011, 2012, hätte ja jetzt ein bayerischer Braumeister gesagt, wie kommst du auf die Idee, so ein typisch bayerisches Lagerbier zu vergewaltigen und mit diesen ganzen Hopfen zu versetzen? Zu dieser Zeit, das ist ja schon was Besonderes, also wie kamst du dazu? Und warum hast du es dann Prototyp genannt?

Oliver Wesseloh: Zum einen ist meine Inspiration ja aus der US Craft-Bier-Szene zum gewissen Teil. Und wenn man mal wirklich in die Historie von denen zurückschaut, haben die sich wiederum von den europäischen Bierstilen inspirieren lassen und haben die halt mit ihren eigenen Rohstoffen gebraut. Dadurch sind dann halt eben diese sogenannten American Style Pale Ales entstanden, auch wenn es ja ein alter englischer Bierstil ist. Und ich habe gedacht, das ist eigentlich mal ein sehr, sehr sinnvoller Ansatz. Die paar Kollegen, du hast das Altersheim ja gerade schon genannt, oder Ruhesitz, die paar, die damals schon da waren, die haben im Prinzip alle ein IPA, also ein India Pale Ale als Flaggschiff gehabt. Auch wenn ich ein sehr, sehr großer Hop Hat bin und hopfige Biere sehr, sehr liebe, wollte ich aber halt eben nicht mit noch einem IPA einsteigen. Und fand es halt eben sinnvoll zu sagen, ja Mensch, die nehmen halt klassische Bierstile, also was ist denn einer der ganz klassischen Bierstile in Deutschland? Nehmen wir ein helles Lager und bohren das halt ein bisschen auf und machen das einfach ein bisschen peppiger, ein bisschen interessanter, sag ich jetzt mal, indem man halt eben Hopfen stopft, aber ansonsten das alles einigermaßen moderat hält.

Julia Wesseloh: Und wir hatten damals dann den Versuchsnamen genommen, Prototyp. Und das war so, dass Olli dann irgendwann sagte, er fährt mal nach Dänemark und braut mal das erste Bier. Und ich dachte: Ja, ja, fahr mal. Und in meiner Vorstellung war das so, dass er dann wiederkommt und noch ein bisschen an dem Rezept feilt und vielleicht hier noch ein bisschen die Hopfengabe ändert oder so. Also für mich war das noch kein fertiges Bier. Und dann ist er zurückgekommen und wir haben das damals noch in der Garage bei Ollis Eltern, Freunden und so, den ersten Bierverkäufern, sage ich mal, Interessierten vorgestellt. Und da haben wir halt gemerkt, das ist gleich ein Volltreffer. Und deswegen haben wir gesagt, der Prototyp geht jetzt in Serie. Und so ist der Name dann dageblieben.

Markus: Das ist, glaube ich, eine ziemlich weibliche Erfahrung, wenn der Mann irgendwie weggeht und dann macht er auf einmal Nägel mit Köpfen und kommt mit einem fertigen Produkt zurück und dann hat es so rechts überholt, so ungefähr. Finde ich klasse Sache. Inwiefern spielt denn der Prototyp heute in eurem Sortiment eine Rolle? Und habt ihr ihn verändert seitdem?

Oliver Wesseloh: Nein, der Prototyp ist immer noch exakt das gleiche Bier wie damals. Es ist lange Zeit unser Flaggschiff gewesen. Ich habe von sehr, sehr vielen Leuten, und ich glaube, die Rolle spielt das zu großen Teilen immer noch, das Feedback bekommen, dass das Prototyp quasi das Einstiegsbier in die Kreativbierwelt für viele Leute gewesen ist. Weil das Prototyp ist so ein bisschen wie so ein alter Bekannter, ein guter Kumpel, mit neuen Klamotten. Also ist sehr, sehr bekannt alles, also Holger, wie du es gerade auch beschrieben hattest, vom Körper schön schlank, da ist eine Bittere da, die ist aber halt eben jetzt vielleicht auf dem Niveau von einem süddeutschen Pils, also lange nicht auf einem, das, was wir im Norden kennen. Wie gesagt, schön erfrischend, Super-Drinkability, aber halt mit diesem schönen fruchtigen Add-On. Das ist halt eben, wie gesagt, Farbe alles, das ist bekannt. Und nimmt einen so ein bisschen an die Hand in die Welt, was da halt eben noch so kommt biermäßig. Dementsprechend war es halt eben für viele das Einstiegsbier, die Einstiegsdroge. Für uns natürlich ganz, ganz lange Zeit das Flaggschiff. Ich glaube, 2015 haben wir damit angefangen, wäre auch sogar eine schöne Überleitung zum nächsten Bier. 2015 haben wir damit angefangen, ich glaube, so 2017 hat dann das ü.NN, das überNormalNull, unser alkoholfreies Bier, das Prototyp mal eben rechts überholt. Damit ist Prototyp jetzt nur noch unser zweitstärkstes Bier.

Markus: Ja, Olli, das ist natürlich eine sehr, sehr gute Überleitung. Aber bevor wir zum ü.NN kommen, und jetzt gerade, wo sich die Julia auch schon zu Wort gemeldet hat, steht für mich ja dazwischen noch so ein anderes Bier, nämlich das SHIPA, das Single Hop IPA. Hat das eher deinen Nerv getroffen, Julia? Was würdest du sagen?

Julia Wesseloh: Ich finde das sehr, sehr spannend, weil es immer wieder, also die Idee ist ja, dass es immer das gleiche Bier ist, nur immer mit einem anderen Hopfen. Und dadurch erfährt man, und das war gerade 2014 …

Oliver Wesseloh: Nee, nee, das war direkt, 2 Monaten nach dem Prototyp.

Julia Wesseloh: 2013, Entschuldigung, also 2013 haben wir auch das erste SHIPA gebraut. Und da war diese Hopfenvielfalt ja noch völliges Neuland in Deutschland. Und mich fasziniert das immer wieder. Ich glaube, in den ersten Jahren hatten wir mal den größten Unterschied, da hatten wir erst, glaube ich, Hüll Melon, der so ein bisschen Honigmelone-, Erdbeer-Note ins Bier bringt. Und danach hatten wir Polaris. Das hat mich auch, die ja noch nicht so viel mit Hopfen jetzt zu tun hatte zu dem Zeitpunkt, total fasziniert, wie ein natürlicher Hopfen nach Eisbonbon schmecken kann. Und da sieht man einfach, wie unterschiedlich der Hopfen sein kann. Und das hat das Bier ganz gut gezeigt. Und so hat es auch viele Liebhaber jetzt, die sich immer wieder freuen. Jetzt gerade haben wir auch ein neues, das Cashmere, ist ja auch ein ganz neuer Hopfen, und da sind auch viele gespannt, um den Hopfen auch auszuprobieren.

Markus: Ja, da freue mich auch schon sehr drauf. Ich habe da meine erste intensive Erfahrung gemacht, glaube ich, auf der INTERNORGA damals mit dem Hallertauer Blanc, was auch sehr, sehr lustig war. Aber vielleicht sollten wir jetzt zu dem Bier kommen, was wir probieren wollen, nämlich das ü.NN, was ja so im Grunde seines Herzens eigentlich auch ein IPA ist. Ja, Olli, was sagst du denn dazu? Wie sollen wir es denn einschenken? Wie genießt man es am besten?

Oliver Wesseloh: Wie die meisten Biere, am liebsten aus dem Glas. Es ist ein IPA, natürlich. Hat eine gute Bittere, nur eben keinen Alkohol.

Markus: Also, dann machen wir es mal auf.

Oliver Wesseloh: Du hast da eben schon so einen richtig schönen kupfer-orangenen Ton, in dem Bier drin klassische, sage ich mal, fast schon englische IPA-Farbe. Der Schaum geht schon fast ein bisschen ins Beige hinein. Und wenn du eine Nase nimmst, ich liebe das immer wieder, primär süße Früchte, für mich ist das halt eben tropisch, Mango, ein bisschen reife Ananas und so einen Hauch Limette hintendran. Ich hatte vorhin gesagt, ich fange gerne Verkostungen mit dem Prototyp an und genau danach stelle ich das ü.NN auch immer, ohne primär jetzt erst mal über den Alkoholgehalt zu reden, sondern moderiere das Bier im Prinzip an wie ein klassisches IPA. Und frage dann hinterher immer so ein blöd in die Runde, was die Leute denn meinen, wie viel Alkohol das hat? In den meisten Fällen ist so die Einschätzung, irgendwo in einem Bereich zwischen 3 und 6 %.

Markus: Ja, und da sind wir ja eindeutig nicht, sondern deutlich darunter mit 0,4. Also durchaus spannend. Holger, du bist ja auch ein großer Fan dieses Bieres, mir gefällt ja am besten die Cremigkeit auch im Mund und es schaut ja wirklich auch sehr britisch aus fast, was sagst du denn?

Holger: Ich muss einfach gestehen, wo ich es zum ersten Mal getrunken habe, habe ich gedacht: Endlich! Also wirklich endlich hat die Bierwelt was produziert, was einfach unheimlich großartig schmeckt und dann auch noch total gesund ist. Also Bier ist ja sowieso gesund, aber alkoholfreies Bier insbesondere. Und ich war von Anfang an sehr begeistert von dem Bier und ich habe die Erfahrung vom Olli zu 100 %. Also ich mache das auch immer so, dass ich das mehr oder weniger erst mal nur einschenke und sage, hier, schön, dass ihr da seid und Prost! und so. Und grade so ein schöner Sommertag wie heute. Und dann sage ich: Und? Das ist doch besser als ein Alkoholfreies, oder? Das hat doch was. Und dann sagen alle: Yo! Das ist echt lecker. Und dann sage ich: Ja, aber scheiße, scheiße, hat fast kein Alkohol. Und dann sagen alle: Boah! Nee, nee, nee. Und dann hole ich die Flasche raus. Und dann gibt’s halt immer ein totales Aha-Erlebnis. Und das finde ich großartig, dass man eben jetzt auch noch mal, also Craftbier-Szene hat ja sowieso gebracht, dass wir ganz anders über Bier sprechen können als früher. Und diese Biere, die jetzt auch alkoholfrei oder alkoholarm sind, die machen es möglich, jetzt auch darüber richtig gut zu sprechen und Leute zu begeistern. Und das find ich großartig. Also herzlichen Glückwunsch! Und danke!

Oliver Wesseloh: Wir danken. Das Schöne dabei ist, aus meiner Sicht, tatsächlich, also auch wirklich aus meiner persönlichen Sicht, dass es jetzt Alternativen gibt, wo man mit Genuss alkoholfreie Biere trinkt. In der Vergangenheit war es ja eher so, dass wenn man zu einem Alkoholfreien gegriffen hat, dann war es geschmacklich ja doch immer eher eine Bestrafung anstatt irgendwie Belohnung dafür, dass man keinen Alkohol trinkt. Ich greife immer wieder gerne zum ü.NN oder meinetwegen auch zu anderen alkoholfreien Pale Ales oder sowas, einfach weil die eine gute Alternative sind, die einfach einen vollen Geschmack haben, nur halt eben kein Alkohol dabeihabe. Aber man vermisst halt eben nichts dabei. Und das ist wirklich das, was wirklich Spaß dabei macht.

Markus: Und was ich auch sehr faszinierend finde, ist, das schlägt ja auch eine Brücke zwischen der Küste sozusagen und Bayern, weil du ja das mit einem Freund zusammen entwickelt hast, mit dem Sebastian Jakob. Wie kam es denn überhaupt da dazu, dass gerade ihr zusammenarbeitet? Und warum kamt ihr dann gerade auf die Idee, sowas zu machen in eine alkoholfreie Richtung?

Julia Wesseloh: Ich bin ja immer sozusagen ein bisschen mittendrin und beobachtend. Also erstmal zu Sebastian Jakob, damit besteht, glaube ich, zu der Brauerei schon seit über 20 Jahren eine Freundschaft. Als wir dann gemerkt haben, wir brauchen neue Kapazitäten, da war uns halt wichtig, dass wir erstens jemanden finden, der Olli auch ans Sudhaus ranlässt. Hast du ja auch nicht oft, dass jemand das Vertrauen hat und ein Brauer das Sudhaus überlässt. Aber auch, weil es gibt ja immer noch Wochen dazwischen, wir brauen zwar und sind auch bei der Abfüllung dabei, aber in der Zeit dazwischen muss ja auch jemand gut aufs Bier aufpassen. Und da wussten wir halt beim Sebi, dass das gut funktioniert. Ich weiß noch, dass Olli irgendwann immer mal die Idee im Kopf rumgeisterte, alkoholfrei muss doch auch in lecker gehen. Da haben die sich dann ausgetauscht.

Oliver Wesseloh: Da springe ich mal hier mit rein, genau, weil das war dann ein lustiger Zufall. Ich habe wieder beim Brauen beim Sebastian gesessen und habe halt eben gesagt: Weißt du was? Ich würde gern mal ein alkoholfreies IPA machen. Das Problem ist immer noch so ein bisschen die Methoden. Und Sebastian sagte: Du, mir hat hier grad ein Labor eine Hefe angeboten für ein alkoholfreies Weizen. Lass doch mal mit denen schnacken. Haben wir gemacht, das hat dann leider mit denen überhaupt nicht geklappt, weil die sich extrem affig angestellt haben und ganz komische Verträge aufsetzen wollten. Und dann habe ich einfach mal so ein bisschen rumgefragt bei der TU München und bei der VLB natürlich, und geschaut, was es da für Hefen gibt. Weil im Prinzip, wenn wir jetzt in die Verfahren gehen, gibt es ja halt eben klassisch drei Verfahren, und wir haben uns dann halt eben für das Verfahren von einer gärschwachen Hefe entschieden, weil alles andere technologisch sehr, sehr aufwendig ist. Und es mehr oder weniger aus Jux mal ausprobiert. Und da sagte Sebastian: Ja Mensch, das ist eigentlich eine coole Idee, das würde ich auch gerne mitmachen. Und dann haben wir halt sozusagen dieses alkoholfreie IPA dann zusammen entwickelt und bei ihm gebraut. Und betreiben wir auch beide relativ erfolgreich, würde ich sagen.

Julia Wesseloh: Das ist immer wieder faszinierend, weil rückblickend könnte man sagen, Mensch, das Marketing, hatte eine super Idee bei Kehrwieder, weil es tatsächlich einen Markt dafür gibt. Aber so weit vorausblickend haben wir da gar nicht geplant.

Oliver Wesseloh: Nein, es war ein Witz, das Bier war ein Jux ursprünglich.

Julia Wesseloh: Also das Bier war ein Jux und einfach Olli, der braut halt, was ihm gefällt. Und da hatte er einfach mal Lust drauf. Dass das dann solche Wellen schlägt und auch tatsächlich so viele Biere nach sich zieht, da hat keiner mit gerechnet. Und jetzt ist es unser auflagenstärktes Bier.

Markus: Eben. Und jetzt ist es euer stärkstes Bier. Das ist schon wirklich eine großartige Sache. Aber ich glaube, wir müssen langsam mal zum nächsten Bier gehen und klettern vielleicht die Alkoholleiter wieder ein bisschen hoch. Und da haben wir ja ein schönes Bier mit einem Namen, den du schon mal erwähnt hast: DOMINICA.

Oliver Wesseloh: Ich muss mal das ü.NN noch eben austrinken. Ich hatte gerade die ganze Zeit geredet, Entschuldung.

Julia Wesseloh: Genau. Während Olli …

Markus: Ja, das haben die Bayern den Hamburgern dann doch voraus. Meins ist natürlich schon lange leer.

Julia Wesseloh: Er hat sich einfach viel mehr eingeschenkt als mir. Deswegen muss er das jetzt austrinken.

Markus: Du, bei mir ist auch die Flasche leer.

Julia Wesseloh: Kurz was zu dem Namen. Also vielleicht ist es euch schon mal aufgefallen, die ersten vier Standards weichen da noch so ein bisschen ab, also ü.NN, Prototyp und SHIPA, die ersten Drei. Alle anderen werden nach Destinationen benannt. Und DOMINICA ist einfach unsere Lieblings-Karibikinsel und das Bier würden wir jetzt total gerne dort irgendwie in den Tropen, in den tropischen Wäldern trinken, weil es da gut hinpasst.

Markus: Sagt doch mal in zwei Sätzen, wie es da ausschaut und solange mache ich es auf.

Oliver Wesseloh: DOMINICA ist tatsächlich unser persönliches Paradies. Das ist eine sehr noch unberührte vulkanische Insel in der östlichen Karibik, das ist wilde Karibik pur, wie man es sich besser nicht vorstellen kann. Ja, war mein erster Job in der Karibik, da war Julia damals noch nicht mit, da hatte sie noch bei der Zeitung gearbeitet. Es ist tatsächlich für uns beide so das persönliche Paradies. Das ist wirklich eine wunder-wunder-wunderschöne Insel. Wenig touristisch erschlossen, was glaube ich aber auch gut ist, was sie halt eben noch sehr unberührt lässt. Ganz, ganz viel ursprünglicher Regenwald, ist glaube ich auch in World Heritage Site, der Regenwald ist irgendwie UNESCO-geschützt.

Julia Wesseloh: Und das Bier passt da einfach sehr, sehr gut hin, weil es leicht ist. Das ist genau das, was man da trinken möchte. Da möchte man jetzt irgendwie kein IPA mit 7,5 % trinken. Und es hat diese wunderbare Fruchtigkeit, die es eben da in der Karibik gibt, die da an den Bäumen hängt.

Markus: Ja, Holger, du warst doch schon überall in der Welt. Hast du in Dominica auch schon irgendjemandem einen LKW angedreht?

Holger: Nee, habe ich noch nicht. Also ich war zwar schon in der Karibik, aber da war ich noch nie. Also ich war auf Kuba mal und da habe ich ein totales Abenteuer erlebt. Und zwar bin ich da hin und war da sechs Wochen und habe mir dann in Santiago de Cuba einen alten Lada gebraucht gekauft. Also du siehst, ich kann es nicht lassen. Und bin dann da sechs Wochen über die Insel mit diesem gebrauchten Lada, und habe den dann in Havanna wieder verkauft und bin dann zurückgeflogen. Und das war ein super Urlaub. Also Prost!

Oliver Wesseloh: Klingt auf jeden Fall danach. Prost!

Markus: Und hast du am Ende teurer verkauft wahrscheinlich als du den eingekauft hast?

Holger: Selbstverständlich, das ist doch die Gebrauchtwagen-Luden-Ehre.

Markus: Also Fruchtigkeit ist ja wirklich Programm bei dem Bier. Das erschlägt einen ja fast schon durch die Nase. Also alle tropischen Früchte, die man sich vorstellen kann, wirklich sehr intensiv, sehr schön dann aber auch am Gaumen. Und trotzdem jetzt nicht so überbordend, dass man da irgendwie satt wird oder dass es einem zu viel wird, sondern einfach ein richtig schönes, angenehmes, tolles Bier. Also Kompliment! Hast du gut hinbekommen.

Oliver Wesseloh: Vielen Dank! Das ist tatsächlich auch, sage ich mal, das am stärksten wachsende Bier bei uns gerade, was wirklich, also jetzt gerade natürlich in der Sommerzeit, am stärksten nachgefragt wird. Damit haben wir eigentlich Mitte letzten Sommer angefangen und das mausert sich gerade dahin, ich glaube fast, die Nummer 3 bei uns einzunehmen. Ich glaube, das Schöne dabei ist, das ist so eine Mischung aus zwei, sage ich mal, Erfahrungen, die ich gemacht habe. Auf der einen Seite habe ich so ein etwas gespaltenes Verhältnis zu diesen sogenannten New England oder Hazy IPAs. Ich finde den einen Teil von den Bieren super, den einen Ansatz, den anderen finde ich Quatsch. Und zwar, fangen wir mit dem Quatsch an, also dass halt eben so ein irrer Aufwand betrieben wird, die Biere ungeheuer trüb zu machen. Also bis dahin, dass sie aussehen wie, als wenn man Hefe aus dem Tank gezogen hätte. Finde ich ein bisschen quatschig. Wir filtrieren unsere Biere nicht, aber wenn ich das Bier vernünftig auslagere, dann habe ich da nicht mehr so viel Trübung drin. Warum soll ich jetzt irgendwie alles unternehmen inklusive unvermälzten Weizen auf den Läuterbottich und ich weiß nicht was, damit ich da eine stehende Trübung reinkriege. Von dem Teil bin ich jetzt wenig Fan. Was ich toll finde, ist halt eben den Ansatz bei diesen IPAs zu sagen, okay, wir fahren die Bittere so weit wie möglich runter und die Fruchtigkeit bis zum Anschlag nach oben. Funktioniert, finde ich, super. Das andere war eine Erfahrung, die ich mal bei einem Collaboration-Sud gemacht habe, als ich mal in Sheffield war und mit dem Kollegen abends halt den klassischen Pub crawl gemacht habe. Und dann festgestellt habe, die ganzen Biere von den bekannten Brauereien, die man aus der Gegend kennt, also ob es jetzt Cloudwater, Wild Beer Co, selbst Beavertown, da kriegt man hier meistens die potenteren Biere. Aber alles, was da in den Pubs am Hahn hängt, da hat kaum ein Bier 5 %. Die sind alle so im Bereich zwischen, naja, 4,3 bis 4,7. Habe ich erst gedacht so, das ist ja komisch. Aber speziell, wenn man, in Bayern ja ähnlich, in UK immer Pines trinkt, hat das natürlich den Riesenvorteil, wenn du abends in einer Kneipe stehst, kannst du natürlich mit einem 4,5-prozentigem Bier ein paar mehr trinken. Das freut dich selber, weil du bist nicht nach dem zweiten Bier fertig, und den Wirt freut‘s auch, weil er halt ein paar mehr verkaufen kann. Da habe ich gedacht, da bin ich mal gespannt, finde ich ein gutes Konzept, und habe die beiden Sachen halt eben kombiniert. Also halt wirklich ein Bier, was halt eben schön schlank, Drinkability aufs Maximum geschoben und halt eben das Maximum an Frucht da rein. Also das Bier hat tatsächlich vom Hopfenstopfen her die doppelte Menge, deswegen Double Dry Hopped Pale Ale von dem, was wir ins SHIPA stopfen.

Markus: Und dann hast du vorhin erwähnt, du braust in deiner Anlage selbstgemacht aus Milchzubehör. Das ist aber nicht so, dass dieses Bier jetzt in der Milchkanne entsteht, oder? Wie können wir uns das vorstellen?

Oliver Wesseloh: Je nachdem, wie du Milchkanne definierst. Es sind alte Milchkühltanks, also die jetzt tatsächlich bei, ich glaube, irgendwo bei unserer Homepage müsste man da noch ein Bild davon sehen können, die früher bei den Milchbauern standen und dann halt eben nach dem Melken die Milch zwischengelagert wurde, bis sie halt eben dann von den Milch-Lkws abgeholt wurde. Und die haben halt eben eine kühl-respektive Heiz-Zone unten drauf und das nutzen wir halt eben und haben uns da noch ein Gestell drunter dazu gebaut und die Rohrleitungen bauen müssen. Und da haben wir eben unser kleines Vier-Geräte-Sudhaus, mit dem wir dann da arbeiten. Da sind wir tatsächlich noch bei Handarbeit at its best. Nicht, dass ich das sagen würde, das muss alles so sein, also man könnte ein paar Sachen tatsächlich automatisieren ohne irgendwelche Qualitäts- oder irgendwas Einbußen. Aber bei uns wird wirklich noch der Treber komplett von Hand nach oben rausgeschaufelt, jedes Dampfventil wird von Hand aufgemacht und von Hand zugemacht. Weniger automatisiert geht nicht.

Markus: Holger, da waren wir doch beide auch schon, oder? Jetzt muss ich mal ganz kurz, aber trotzdem, damit wir ein bisschen vorankommen, das nächste Bier hat nämlich so einen spannenden Namen. Und da könntest du ja vielleicht noch mal einleiten, das Alte Land. Holger, das kennst du jetzt aber, oder?

Holger: Nee, nee, unbedingt. Also du weißt ja, ich habe ja auch schon mal in Hamburg gelebt, etwas mehr über vier Jahre. Und das Alte Land ist quasi vor den Toren Hamburgs einfach ein schönes Gebiet, wo Obst angebaut wird, vor allen Dingen Obst. Und das ist natürlich auch ein Naherholungsgebiet. Und jetzt lese ich ja hier Frucht Gose. Ja, also das ist natürlich ein schöner alter Bierstil, der fast von der Bildfläche verschwunden war, aber jetzt ja immer mehr kommt. Und du hast mir ja heute schon erzählt beim World Beer Awards gab‘s auch tolle Gosen. Und da freue ich mich jetzt ganz besonders darüber. Aber ich habe noch einen Wunsch. Lass uns doch noch mal ein bisschen auch über den Verein sprechen, den der Olli da gegründet hat, glaube ich, sogar, also „Die Deutschen Kreativbrauer“. Und da geht’s ja auch so ein bisschen darum, wie macht man eigentlich Bier und wofür steht der Verein und wofür setzt der sich ein und wofür kämpft der Verein. Und dabei können wir ja die schöne Frucht Gose verkosten.

Markus: Ja, sehr, sehr gerne. Also ich habe das DOMINICA ja auch schon leer. Also müssen wir gerne zu der spannenden Erzählung über die Kreativbrauer was trinken. Also lass uns gerne aufmachen und Olli, dann sind wir mal gespannt, was du zum Bier und zu den Kreativbrauern erzählst.

Oliver Wesseloh: Da passt in der Tat das Bier wunderbar dazu, weil es eine perfekte Verkörperung von dieser Thematik ist. Die Deutschen Kreativbrauer, und die habe nicht ich gegründet, aber mitgegründet, wir waren insgesamt 11 Gründungsmitglieder, gehen auch zurück, ich glaube, auf das Jahr 2014 oder 2015, 2014 haben wir uns das erste Mal damals beim Thomas Wachno in Bad Rappenau, dem Hopfenstopfer, getroffen. Das war noch eine ganz kleine Gruppe, da war der Alex Himburg noch dabei, Thorsten Schoppe, Andi von der Pax Bräu, vergesse ich jetzt einen? Naja. Und haben dann in 2015 quasi gesagt, okay, lasst uns einen Verband gründen. Im Prinzip aus zwei Beweggründen, auf der einen Seite ist bis dahin dann ja auch schon der Begriff Craft im weitesten Sinne, naja, maximal vergewaltigt worden in Deutschland. Also zwischenzeitlich hat ja auch Beck‘s Craftbier gemacht. Und die Problematik war natürlich, es gibt aus den USA von der Brewers Association eine Definition für Craft Beer, die in Deutschland aber natürlich überhaupt nicht funktioniert. Und ansonsten gab es halt eben keine greifbare Definition. Also jeder hat das irgendwie so ein bisschen für sich dahin definiert, bis hin zum, ich glaube, das waren die privaten Brauereien, die gesagt haben, naja, bei uns in Franken machen wir schon seit 200 Jahren Craftbier. Ich so: Ja, okay, wenn man halt Handwerk, wenn man es direkt übersetzt und sagt, handwerklich, fein, fein, aber wenn man seit 200 Jahren eine Biersorte macht, ist das sicherlich toll, aber ist, glaube ich, ein bisschen ein anderer Ansatz dabei. Also ging es darum, so ein bisschen einen Begriff zu etablieren, deswegen haben wir uns auch bewusst gegen den Begriff Craft entschieden, sondern halt eben für Kreativbier, respektive Kreativbrauer, haben das einmal umrissen, dafür eine Definition für uns gesetzt und haben dann auch oder arbeiten auch weiterhin daran, die Möglichkeit zu eröffnen, bundeseinheitlich nach einem Natürlichkeitsgebot zu brauen. Ich möchte jetzt gar nicht erst das Fass aufmachen, aber die aktuelle Gesetzeslage in Deutschland ist mehr als überarbeitungsbedürftig, speziell dass es in Bayern eine andere Regelung gibt als im Rest von Deutschland. Diese Gose zum Beispiel, dadurch dass sie mit Himbeeren gebraut wurde, ich darf das in Hamburg, ich habe dafür eine Ausnahmegenehmigung, die ich beantragen muss, in Bayern gibt’s diese Möglichkeit zum Beispiel gar nicht. Das ist natürlich Quatsch. Und wir möchten uns aber schon dafür einsetzen, dass halt eben nur natürliche Rohstoffe zum Brauen hergenommen werden. Also es gibt ja auch teilweise Tendenzen, in manchen Ländern einfach irgendwelche Aromen-Extrakte halt eben her zu nehmen. Da muss ich ganz ehrlich sagen, das halte ich auch für totalen Mist. Das tut nicht Not. Das ist dann tatsächlich brauen aus dem Baukasten.

Markus: Da gab‘s ja mal eine lange Diskussion auf Facebook zu einem Zimtschnecken-Bier. Also insofern, eine sehr, sehr lustige Geschichte.

Oliver Wesseloh: Ja. Wobei man da auch wirklich sagen muss, ich meine, da hatte der Verfasser dieses Beitrags auch den maximalen Werbeeffekt für die andere Brauerei erzielt, muss man sagen. Aber ganz ehrlich, auch wenn ich die Jungs schätze, die das Bier machen, aber wenn man auf seine Flasche natürliches Zimtschnecken-Aroma draufschreibt, fällt mir wenig dazu ein.

Markus: Aber mir fällt was ein. Du hast ja gesagt, in dem wir sind Himbeeren drin, nur kenne ich ja Himbeerbiere, die sind aber normalerweise alle rot. Das ist jetzt aber eher so minimal rosa angetönt.

Oliver Wesseloh: Genau. Es hat einen ganz leichten Pinkstich, kommt aus zweierlei. Also zum einen ist mein Ansatz immer, wenn ich Biere mit irgendwas mache, dann möchte ich eine Balance haben. Ich möchte, dass der Originalbierstil zu erkennen ist und ich möchte, dass der Zusatz zu erkennen ist. Eben diese knalle pinken Himbeerbiere, da riechst du rein und du schmeckst da rein und du riechst und schmeckst nur Himbeere. Kannst auch fast eine Himbeerbrause trinken. Das finde ich dann so ein bisschen schade. Das ist Punkt eins. Punkt zwei kommt‘s auch mit daher, weil wir in dem Fall jetzt die Himbeeren im Sudhaus eingesetzt haben, also im heißen Bereich. Wenn du Himbeeren nachher in den Lagerkeller mit reinpackst, in den Tank, dann liegen die länger mit im Bier drin, du extrahierst mehr Farbe und auch Aroma. Du hast aber natürlich auch das Risiko, dass du dir eine Sekundärinfektion reinholst, weil du packst dir natürlich Früchte ins Bier und da gibt’s natürlich dann auch wiederum die Variante, dass manche halt Fruchtpüree einfach mit reingeben. Das ist natürlich auch einfach. Aber das käme für mich halt eben einfach nicht in Frage. Das ist eigener Ehrenkodex, aber als auch der Ehrenkodex des Verbands deutscher Kreativbrauer, dass man sowas nicht macht. Und wir haben halt eben hier aus dem Alten Land Himbeeren genommen, also Altes Land wird auch eine Serie von uns sein werden. Das fing an mal mit dem Skagen vor zwei Jahren, da hatten wir eine Sanddorn Gose. Jetzt heißen die halt eben alle Altes Land, nächstes Jahr wird es mit ziemlicher Sicherheit rote Johannisbeeren geben, das Jahr darauf Stachelbeeren. Da habe ich schon meine ganzen Ausnahmegenehmigungen für beantragt. Also halt eben immer regionale Beeren dann damit reinschmeißen und immer so eine saisonale Spezialität zum Anfang des Sommers. Weil die Gose halt eben auch einfach schön leicht und erfrischend ist und halt eben dadurch, dass sie gar keine Restsüße hat, einfach wirklich fast durstlöschend ist und für so einen warmen Sommertag wunderbar funktioniert.

Julia Wesseloh: Natürlich werden die Johannesbeeren um die gleiche Zeit geerntet, wie wir das Bier rausbringen. Deswegen haben wir jetzt zum Beispiel schon uns um die Johannesbeeren gekümmert. Die werden dann eingefroren und kommen dann nächstes Jahr passend rein. Weil wenn wir die frisch nehmen würden, dann würde das Bier zum Winter hin fertig werden und das ist wenig hilfreich.

Oliver Wesseloh: Ja, oder Ende Sommer.

Markus: Also braucht ihr noch mal eine extra Tiefkühltruhe für die Johannisbeeren. Kann ich ja gut verstehen. Holger, erkennst du denn dein Altes Land wieder?

Holger: Nee, unbedingt! Mir schmeckt das ja wahnsinnig gut, überhaupt diesen Bierstil finde ich ganz toll. Und da fällt mir was ein, das heißt Schneeeule Marlene. Die Szene, die munkelt so ein bisschen, dass du mit der Ulrike zusammenarbeiten möchtest. Stimmt das?

Oliver Wesseloh: Da seid ihr ja topaktuell unterwegs. Das ist richtig. Die Ulli war vor ein paar Tagen bei uns zu Besuch und wir werden uns auch in ein paar Wochen gemeinsam treffen für so ein Braumeister Camp. Und ja, na klar, also natürlich verstehen wir uns super zusammen, da wird sicherlich auch noch was draus entspringen. Aber dazu dann mehr, wenn es ein bisschen weiter gegoren ist, sage ich mal.

Holger: Da machen wir dann ein Collab Podcast mit euch beiden.

Oliver Wesseloh: Genau.

Markus: Also vor allem die Ulrike, die ist ja auch eine gute Freundin von mir und ich habe sie schon 25.000-mal zum BierTalk eingeladen und sie schafft es immer wieder, irgendeinen Punkt zu finden, warum sie dann doch grad mal so wieder drumherum kommt. Aber wenn ihr es zusammen macht, dann werdet ihr festgenagelt, dann machen wir das. Aber jetzt müssen wir unbedingt zu etwas Erfrischenderem kommen. Julia, was sagst du denn, wir haben jetzt ja ein Bier mit Kaffee? Wie hast du das denn, als der Olli mit der Idee kam, wie ging‘s dir denn damit?

Julia Wesseloh: Sehr gut. Ich mochte schon das El Duderino immer sehr gerne. Das ist ja die Entsprechung, hat nur 10 % Alkohol. Das ist sozusagen der große Bruder von dem, was jetzt kommt. Ich mag den Kaffee sehr gerne, ich mag die Rösterei sehr gerne, mit denen wir das zusammen machen. Die Hamburger Rösterei möchte ich fast sagen Quijote Kaffee, da habe ich mich riesig darauf gefreut.

Markus: Da kennen ja viele einfach nur den Sound vom ROAD RUNNER. Haben jetzt bestimmt auch alle im Kopf. Jetzt hören wir uns mal den Sound an, wenn man den ROAD RUNNER öffnet, die Flasche aufmacht. Olli, wie kamt ihr denn auf den Namen?

Oliver Wesseloh: Wir sitzen meistens immer mit einem Bier zusammen oder mehrere und grübeln darüber, und das ROAD RUNNER ist ja halt jetzt als zweites Alkoholfreies bei uns in der Riege. Dadurch, dass der Kaffee mit drin ist, hat es halt eben tatsächlich die Qualität, ich sag jetzt mal, darf man wahrscheinlich überhaupt nicht sagen, das ist ganz böse immer bei Auto oder irgendwas mit Bier zusammenzubringen, aber es ist das Bier, was dir auf jeden Fall genug Dampf gibt, um die ganze Nacht durchzuhalten.

Julia Wesseloh: Hat 18 Milligramm auf 100 Milliliter Koffein.

Oliver Wesseloh: Genau.

Julia Wesseloh: Also das macht wach, nicht duun wie wir hier im Norden sagen.

Oliver Wesseloh: Genau. Da wirst du so auf Club-Mate-Niveau vom Koffeingehalt.

Holger: Ich als Ruhrgebietler kann ja mal einen raushauen. Kannst du den ganzen Abend und die ganze Nacht trinken, wirst aber nicht hacke von dem Zeug.

Oliver Wesseloh: Genau. Das war halt eine lange Überlegung tatsächlich. Also wir hatten natürlich irgendwann den Gedanken, nachdem das überNormalNull so massiv durchgestartet ist, ist natürlich die Überlegung naheliegend zu sagen: Ach Mensch, da ist offensichtlich Bedarf da. Machen wir da noch mal was anderes in der Richtung. Ich fand es nur insofern schwierig erst mal, weil was machst du dann? Wenn man jetzt irgendwas anderes Hopfiges auch gemacht hätte als zweites, ist natürlich das Risiko da, dass es einfach Kunden vom ü.NN mit abzieht. Also dass man einfach die Mengen verlagert. Das ist natürlich wenig sinnvoll. Und ein dunkles Bier war naheliegend, aber dunkle Biere fristen in Deutschland immer noch so ein Nischendasein. Aber wie Julia schon sagte, das El Duderino, was da ja noch im Hintergrund lauert, das haben wir schon, warte mal, das ist jetzt das dritte, vierte Jahr. Dieses Jahr ist es das vierte, ne? Genau. Das heißt, wir müssten 2016, Dezember 17, 16, egal, damit angefangen haben. Das war unser erstes Bier als Gemeinschaftsprojekt mit unseren Freunden von Quijote. Ist halt ein wirklich unheimlich tolles Bier, was auch massiv nachgefragt wird. Das gibt’s halt eben immer nur einmal im Jahr als Saisonal. Das war natürlich der Ansatz zu sagen, naja gut, okay, dann lasst doch halt eben genau diesen Effekt nehmen, dass wir halt eben da anstatt Hopfen zu stopfen, Kaffee stopfen wieder in dem Alkoholfreien. Also auch das war wiederum erst mal ein Versuch. Scheint auch sehr, sehr gut zu funktionieren, zumal das halt eben jetzt, also durch den Koffeingehalt eben einfach noch mal gerade in der Gastro-Szene, die jetzt leider mit anderen Sachen zu kämpfen hat, aber prinzipiell sehr, sehr viel Anklang gefunden hat, weil natürlich auch gerne mal ein Barkeeper vielleicht auch mal was mittrinkt, aber halt eben nicht per se was mit Alkohol. Und dann den Effekt hast, dass dich das auch noch wachmacht. Super!

Markus: Ganz toll! Ich hatte da mein Aha-Erlebnis ein bisschen, ich habe Freunde in England, die haben die Big Drop Brewery und machen ja ausschließlich alkoholfreie Biere und haben sich auch wirklich extrem dieser speziellen Auswahl von Hefen und wie man eben die Prozesse optimiert und so weiter verschrieben. Und waren da auch schon recht bald am Start mit einem sehr guten Milk Stout. Da habe ich mir immer gedacht, Mensch, warum macht das eigentlich in Deutschland keiner? Weil das eigentlich von der Aromatik her klasse ist, mal dieses schöne Malzige zu haben, aber halt nicht so süß wie ein Malzbier, mit wirklich einem schönen Anklang an Bierstil. Und da habe ich mich total gefreut, dass ich das gesehen habe und auch sofort mich eingedeckt und habe das eigentlich fast immer hier. Also das ist schon eine ganz, ganz tolle Geschichte. Vielleicht sollten wir zum Schluss noch den großen Bruder probieren. Holger, was kommt dir denn in den Sinn, wenn man vom Dude spricht?

Holger: Dude ist für mich ein Kumpel, oder? Und ihr wisst ja, ich habe mal unter Tage gearbeitet und ein Kumpel ist jemand, der dir in jeder Lebenslage hilft. Und so ist es ja wahrscheinlich gemeint hier, wenn man 10 % Alkohol draufschreibt, oder?

Markus: Julia, was sagst du? Ist es so gemeint?

Julia Wesseloh: Ja, nicht ganz. Also natürlich auch, aber es ist so ein bisschen in Anlehnung an The Big Lebowski „The Dude“ oder El Duderino. Olli hat das an das Lieblingsgetränk des Dude angepasst.

Oliver Wesseloh: Es ist tatsächlich eine dieser lustigen Sachen. Ich habe so mein kleines schwarzes Büchlein, wo ich mir immer mal wieder Bierideen rein notiere, die dann noch nicht ganz ausgegoren sind. Da fehlt vielleicht noch so der letzte Schliff. Da ist auch eben dieses Bier aus dem Jux entstanden. Also ich bin ein großer Fan von diesem Film, ich liebe „The Big Lebowski“. Und der Dude trinkt dann ja im Film die ganze Zeit als Cocktail White Russian, den er aber im Film auch immer nur Caucasian nennt. Aus Jux habe ich halt eben mal gesagt, ey Mensch, das müsste man doch mal als Bier brauen können. Letztendlich, wenn man es mal runterbricht, ein White Russian als Cocktail ist halt eben Wodka, also viel Alkohol, Kahlúa, Kaffeelikör und Milch. Und da habe ich gedacht: Mensch, wenn man die drei klassischen Stout-Stile, Russian, Imperial, Stout, Milk Stout und Coffee Stout zusammenwirft, dann hat man im Prinzip einen Caucasian Stout. So ist der Dude entstanden, also wirklich ein bisschen aus Jux, muss auch Spaß machen der ganze Quatsch, den wir da machen. Siehe da, es funktioniert grandios. Es ist ein Knaller-Bier, wie gesagt, inzwischen hat sich das so einen kleinen Kultstatus erarbeitet, dass die Leute halt eben wirklich schon darauf warten. Es ist bei uns, weil es irrwitzig aufwendig ist, das Bier hat 25 Grad Plato. Um auf die 10 % Alkohol zu kommen, das alleine aus Malz rauszuholen bedarf schon einen irren Aufwand im Sudhaus. Also wir machen zwei Maischen für eine Würzepfanne.

Julia Wesseloh: Ich weiß noch, wir hatten mal einen Brauer als Praktikant zu Besuch, der in einer klassischen Brauerei gelernt hat, und der sagte: Das geht doch gar nicht. Das kann man doch gar nicht machen.

Oliver Wesseloh: Ja.

Markus: Das ist, glaube ich, bei vielen Brauern in der klassischen Ausbildung manchmal so das Thema, dass da irgendwelche Mauern stehen, die man eben erst mal überwinden muss. Aber jetzt machen wir es doch mal auf und probieren es mal. Holger, magst du uns deine Eindrücke schildern?

Holger: Ja. Naja, also es ist dunkel, also ziemlich dunkel.

Markus: Schwarz wie die Nacht.

Holger: Wie die Nacht. Wenn man jetzt so ein bisschen das Bier im Glas schwenkt, dann hat man ja so richtig diese Alkoholschlieren schon an der Glaswandung. Wenn man das sieht, liebe Hörer, da muss man, also wie man hier in Bayern sagt, Obacht haben, oder im Norden würde man sagen, Wahrschau!, also auf jeden Fall Wahrschau!

Markus: Ich habe ein bisschen Angst ums Glas, nicht dass es danach so schwarz gefärbt bleibt und ich es wegschmeißen muss.

Holger: Nein, nein, das ist bei mir nicht so. Also, wenn das schwarz ist da im Glas, dann hast du wieder nicht richtig gespült.

Markus: Siehst du, sowas muss ich mir anhören, Olli, unglaublich, oder?

Holger: Ja, ja, Raupach, ein ganz besonderes Tierchen halt einfach. Der Alkohol ist auf jeden Fall im Vordergrund, finde ich. Die Rezenz finde ich sehr schön. Also das hat so eine sehr schöne weiche Rezenz, ein ganz tolles Mundgefühl auch. Und der Nachtrunk, der gibt so eine schöne wohlige Wärme. Also das ist so ein Bierchen, wo ich jetzt sagen würde, das ist ein Dessert. Also so würde ich das sehen.

Julia Wesseloh: Würdest du auch eher wie so eine dunkle Schokolade in kleinen Häppchen einfach genießen.

Oliver Wesseloh: Ja.

Holger: So ist es. Manche nehmen sich ja noch dann eine Tafel Schokolade irgendwie zum Sonntagabend, aber ich werde mir jetzt den Rest des Bieres, was ich schon ganz früh am Anfang unseres BierTalks herausgeholt habe, vielleicht dann noch wärmer werden lasse und freue mich dann noch und denk an euch beide und denk an Hamburg und hab Fernweh.

Markus: Man könnte auch eine Kugel Vanilleeis reingeben oder Johannisbeer-Sorbet oder so. Wäre sicherlich auch eine spannende Geschichte. Was ich lustig finde, ist, dass durch den Kaffee es ja fast so rüberkommt, als wäre es fassgelagert. Also finde ich ganz, ganz spannend von der Aromatik. Aber jetzt hat der Holger ja gerade seinen berühmten Satz vom ganz besonderen Kerlchen gebracht. Da muss man vielleicht noch auf eine Sache kurz mal eingehen. Olli, du hast ja auch, da haben wir uns, glaube ich, auch dann so richtig erst kennengelernt, einen tollen Tag gehabt vor vielen Jahren, wo du Weltmeister der Biersommeliers geworden bist. Vielleicht, wenn du da noch mal kurz erzählst, wie das überhaupt für dich kam und ob das eine Bedeutung für dich hatte und ob es jetzt noch eine hat.

Oliver Wesseloh: Wie das kam, ja, das ist lustig. Naja, ich habe ja im Zuge dessen, als ich dann in den USA tätig war, bin ich dann über die Ausbildung zum Biersommelier gestolpert. Ich habe dann 2012, glaube ich, erst die Ausbildung gemacht und 2013 war die WM. Und ich habe mich da im Prinzip angemeldet, weil ich gedacht habe, okay, das ist mal ein schönes Event. Das war ja eben im Zuge der drinktec in München, wo ich dann eh war. Super, dann triffst du die ganzen Kollegen, kannst noch ein bisschen was lernen. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, da irgendwas zu reißen, weil ich wusste, dass viele Kollegen sich wirklich intensiv darauf vorbereiten und ein paar Kollegen fast ein Jahr lang gearbeitet haben mit wöchentlichen Training-Sessions und allem Drum und Dran. Deswegen habe ich mir nicht im Ansatz Chancen ausgerechnet, war auch gar nicht meine Motivation. Sondern das war wirklich einfach Lernen und Netzwerken, sage ich mal. Das war sicherlich ein Vorteil, weil da gehst du natürlich ohne Druck in sowas rein. Auf einmal stellte ich fest, dass ich durch die Vorrunden durchgekommen bin und in den letzten sechs war. Und habe gedacht, na hopsa, was ist denn hier passiert? Und habe tatsächlich noch kurz darüber nachgedacht, ob ich das gerade gebrauchen kann, wenn ich das gewinnen würde, weil mitten im Aufbau der eigenen Brauerei 2013 dann dachte, okay, damit hast du ja auch eine Aufgabe, kriege ich das überhaupt alles gewuppt. Gedacht, na gut, okay, absichtlich verlieren tut man nicht, das ist unsportlich. Und hatte dann auch das große Glück, dass eines der drei Biere, die im Finale auf dem Tisch standen, ein Bierstil war, den ich sehr liebe, Imperial IPA von einer Brauerei, die ich sehr gut kenne und sehr schätze und bei der ich halt eben auch schon, ich glaube, zwei oder drei Mal vorher zu Besuch war, eben von Firestone Walker das Double Jack. Von daher floss die Liebe für dieses Bier aus mir heraus. Und das ist, glaube ich, halt eben, das Wichtige bei der WM generell, letztendlich, wenn es ums Finale, um die Präsentation geht, dass man seine eigene Liebe und Verehrung für dieses Produkt so weitergibt, dass alle anderen denken, oh genau, das muss ich jetzt auch trinken. Ich hatte halt auch den großen Vorteil zur damaligen Zeit, dass ich halt eben durch meine Tätigkeit in den USA irre viele Bierstile probiert habe und mit den Herstellern dieser Biere direkt gesprochen habe. Dass natürlich das ein Training war, was jetzt nicht von mir als bewusstes Training da war, aber halt natürlich so viel Input gegeben hat mir, dass das für andere sicherlich schwer war, die vielleicht nur in Europa waren. Natürlich war das ein Riesengewinn für uns.

Julia Wesseloh: Also aus Marketingsicht war es natürlich fast ein Sechser im Lotto, weil ich konnte irgendwie schöne Berichte über Olli schreiben und wir konnten dadurch auch die Marke bekannter machen.

Holger: Endlich mal positiv über den Olli schreiben, ist natürlich gut.

Markus: Und dann hatte ich noch das Foto dazu gemacht, dann war natürlich alles bestens.

Holger: Absolut! Also was du aber gerade beschrieben hast mit dem Black Jack und so, du hast ja dann gesagt, wenn dann die Begeisterung aus mir herausfloss und so, da gibt’s ein ganz, ganz tolles Goethe Zitat, das heißt nämlich: Wenn du es nicht spürst, kannst du es auch nicht erjagen. So war es ja wahrscheinlich, oder?

Oliver Wesseloh: Korrekt, absolut!

Julia Wesseloh: Wieder dem Blickwinkel so ein bisschen von außen. Ollis großer Vorteil war, dass er es gar nicht unbedingt wollte. Also es war jetzt nicht so, dass er dachte, der Titel bringt ihn jetzt wahnsinnig voran, sondern der hat einfach dieses Bier da auf dem Tisch gesehen und dachte: Boah! Dieses Bier ist so toll und hat da auch besondere Erlebnisse mit verbunden. Und dann war das so ein Selbstgänger.

Oliver Wesseloh: Bist du eigentlich manchmal eifersüchtig auf Biere?

Markus: An dieser Stelle geht der Podcast über in „Szenen einer Ehe“ Wesselohs. Nein klar, aber ich habe das damals ja auch gesehen. Ich habe deine Augen gesehen, als du das hochgehoben hast und da hat man wirklich gemerkt, okay, cool, du hast das gleich verbunden und dann ist das gelaufen. Also fand ich auch einen ganz tollen Tag. Wir müssen leider langsam, aber sicher zum Schluss kommen. Ich hätte trotzdem noch eine Frage am Ende, nämlich wir müssen auch nach vorne schauen: Wie schaut‘s denn für euch jetzt mit der Zukunft aus? Wie seid ihr jetzt durch die schwierigen Monate der Corona-Einschränkungen gekommen? Und was denkt ihr, wie wird es sich für euch und vielleicht auch für die anderen Craft Brauer so in der nächsten Zeit entwickeln?

Oliver Wesseloh: Das Glück ist, wir sind da, Stand aktuell, ziemlich genau mit einer Null rausgekommen, also weder Zuwachs noch Verlust. Ist schon mal sehr viel wert in der aktuellen Zeit, finde ich. Ich habe jetzt noch nicht so eine komplette Analyse gemacht, aber ich glaube, es haben sich ganz viele Verschiebungen ergeben. Aber glücklicherweise hat sich das, was irgendwo weggebrochen ist, woanders wieder dazu begeben. Macht viel Arbeit, aber besser als nichts, keine Arbeit zu haben. Also von daher sind wir sehr, sehr froh. Es ist natürlich der Ausblick jetzt nach vorne. Also eigentlich seit zwei Jahren suchen händeringend nach einem neuen Standort, weil wir natürlich am liebsten unsere komplette Produktion in die eigenen Hände nehmen würden. Das ist für uns jetzt oberste Priorität. Wir haben das immer so ein bisschen am Rande verfolgt. Gerade in Hamburg ist es natürlich ein Problem was zu finden, viele Projekte haben sich dann zerschlagen. Wir würden aber gerne halt eben in Hamburg bleiben, weil das unsere Heimatstadt ist. Wir sind da auch mit zumindest einem Kollegen aus dem größeren Bereich hier im Norden am Gucken, ob wir vielleicht auch zusammen was aufbauen. Dann kann man sich doch ein bisschen sparen, als wenn sich jeder was kleineres dahinbaut.

Julia Wesseloh: Und das ist ja auch so ein bisschen unser Ansatz, deswegen haben wir als Unternehmen auch gegründet, nicht so irgendwie allein und Vollgas auf der Überholspur, sondern auch zu gucken, wo kann man auch zusammenarbeiten. So ein Sudhaus kann man sich sehr gut teilen.

Markus: Da können wir dir eigentlich nur unseren BierTalk mit Uwe Kalms ans Herz legen. Der hat nämlich auch mit einem Freund zusammen eine Brauerei gemacht, wo sie praktisch beide Gypsies in der eigenen Brauerei sind. Also sehr, sehr witzig. Bleibt uns eigentlich nur noch, dir, euch alles, alles Gute zu wünschen und vielen, vielen Dank zu sagen für die Zeit, für die Informationen und für diese tollen Biere. Also war ja wieder großartig dieses Potpourri. Das macht mir immer unglaublich viel Spaß, mal so eine Reihe zu verkosten und das eben auch mit demjenigen, der es gemacht hat. Also von meiner Seite aus schon mal vielen, vielen, vielen Dank!

Holger: Ihr werdet es nicht glauben, ich habe jetzt wirklich eine Vanillekugel reingetan. Und ich kann euch nur sagen, also wenn ihr eine Schwiegermutter habt und dann so Sonntagnachmittag Eiskaffee serviert, die merkt‘s nicht. He-he, die merkt’s nicht. Schönen Abend noch.

Julia Wesseloh: Und vielen Dank für eure Gastfreundschaft! Vielen Dank für die Einladung.

Oliver Wesseloh: Genau. Auch von meiner Seite vielen, vielen, herzlichen Dank! Schön, dass wir dabei sein durften. Wir haben uns die Biere ja geteilt. Also ich kann nur sagen, wenn ihr euch diese sechs Biere in diesem Tempo jetzt gerade alle komplett reingeschraubt habt, dann gute Nacht!

Holger: Ja, gute Nacht!

Markus: Gute Nacht! Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 31 – Interview mit Simon Rossmann, Betriebsleiter bei Giesinger in München

Simon Rossmann fand sich als frisch gelernter Braumeister auf einmal bei einer kleinen Garagenbrauerei in München wieder – und zeichnet mit verantwortlich für die rasante Entwicklung, die als „Bierlaboratorium“ begann und sich nun anschickt, das neue Highlight auf dem Oktoberfest zu werden. Sympathisch, bodenständig und natürlich ungemein kompetent, so könnte man den Betriebsleiter charakterisieren, bei seinen Bieren ist er zudem auch experimentierfreudig und kreativ, aber eben dennoch am Boden geblieben und der klassischen Münchner Bierkehle sehr zugetan, was diese auch sehr freut und für eine große Fangemeinde in der Landeshauptstadt sorgt. Im BierTalk mit Holger und Markus erzählt Simon nicht nur seine Geschichte und die der Brauerei mit ihrem neuen Brunnen, sondern verkostet auch fünf echte Schmankerl, das sollte man sich nicht entgehen lassen…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zu unserem 31. BierTalk, wie immer mit dem …

Markus: Markus …

Holger: … und mir, dem Holger. Heute sind wir sozusagen voll in München und haben ein unglaubliches Gesprächsthema, nämlich die Giesinger Brauerei. Zu Gast ist der Simon Rossmann, das ist der technische Betriebsleiter dieser grandiosen Brauerei. Simon, grüß dich!

Simon Rossmann: Markus, Holger, ich grüße euch! Schön, dass ich dabei sein kann.

Holger: Es ist uns eine absolute Ehre. Also habe die Ehre!

Markus: Große Ehre. Ja.

Holger: Simon, magst du mal was zu dir sagen? Wer bist du, was macht dich aus, wieso Brauer und dann auch noch beim Giesinger? Also erzähl doch mal.

Simon Rossmann: Im Prinzip, wie kommt man zu sowas wie Brauwesen oder Bier brauen oder Bier trinken? Ich bin tatsächlich seit 2008 mit dabei und wir haben, da werden wir noch drauf kommen, in der Garage angefangen. Also ich habe schon zwei Erweiterungsstufen mitgemacht. Und ich selber habe in Weihenstephan Brauwesen studiert und fand immer schon faszinierend, ich wollte ursprünglich mal Lebensmittelchemiker werden, da ist es nicht dazu gekommen, dann Brauwesen studieren hat auch viel, viel Naturwissenschaften mit dabei. Und dann hat sich das so ergeben. Ich komme ursprünglich aus dem Allgäu, bin dann aber aufgrund des Studiums nach Freising beziehungsweise München. Und da schließt sich der Kreis wieder, kleine Brauerei quasi kennengelernt und hängengeblieben sozusagen.

Holger: Ja, sehr interessant. Wenn man so ein Leben eines Brauingenieurs Revue passieren lässt, was ja bei dir noch lange nicht der Fall ist, weil du ja noch so ein junger Mann bist, aber wenn man das jetzt täte, ich kenne da wenige, die in ihrem Brauingenieurleben zwei komplette Brauereien haben aufbauen dürfen. Das ist doch was ganz Besonderes, oder?

Simon Rossmann: Ja, also das macht man schon öfter, aber dann ist man im Anlagenbau beschäftigt, dann macht man das ständig. Aber selber quasi als technischer Leiter in der Brauerei ist es definitiv selten bis seltenst, vor allem in München. Also es kommt halt mal was dazu, da mal ein neues Teil nach Jahren, klar. Wir haben noch nicht so lange Brautradition, aber es ist dann doch schon bemerkenswert, was dahintersteht. Und da können wir gerne noch drüber reden.

Holger: Markus, du da, also mit deinen tollen Brauereien in Bamberg und Umgebung, also jetzt haben wir hier auch was, wo ich mal richtig mit angeben kann. Und du warst ja auch schon da, erzähl du doch mal.

Markus: Absolut!

Holger: Wie erlebst du Giesinger?

Markus: Naja, wie erlebe ich Giesinger? Ich erlebe das ganz toll. Also am Anfang, muss ich sagen, habe ich das etwas zwiegespalten erlebt, weil mein erster Kontakt war, dass ich die Giesinger Brauerei in unserem Brauereiführer aufnehmen wollte und angerufen habe und gesagt habe, schön, es gibt jetzt in München eine neue Brauerei. Und dann war die Antwort: Nein! Weil wir sind nicht München, wir sind Giesing. Und dann musste ich das erst mal lernen und verstehen, habe das aber mittlerweile auch verstanden und durchaus verinnerlicht. Und ich muss einfach sagen, ich fand das bisher jedes Mal toll. Also schon, wie es dort gelebt wird, wie es zelebriert wird, wie offen die Leute sind. Wie auch jeder, der da arbeitet im Service oder auch in der Brauerei, einfach liebe Menschen sind, mit denen man total schnell in Kontakt kommt. Die auch über all die Biere gut Bescheid wissen und die einfach wirklich das Gefühl vermitteln, man ist da ein bisschen zu Hause, und das vielleicht sogar besser machen als so manch 100 Jahre alter Familienbetrieb, den man auch so kennt. Also insofern, das hat mir schon immer gut gefallen. Und ich meine, noch zu dem letzten, wo du gerade drüber gesprochen hast, Holger, ich finde es halt auch spannend, wenn man dann eben auch selber dafür verantwortlich ist, dass man die Brauerei neu bauen muss, weil man eben so gut gebraut hat, weil man so viel Bier verkauft hat, dass man sagt, okay, jetzt brauche ich halt eine neue größere Anlage, um diesen neuen Bedarf auch decken zu können. Und das ist natürlich was, da kann man sich jeden Tag mal auf die Schulter klopfen und das darf man auch. Finde ich gut.

Holger: Unbedingt! Und apropos Schulterklopfen, und damit wir nicht verdursten und total in die Unterhopfung gehen, Simon, wir haben ja Biere vor uns stehen und leg doch mal eins fest, womit wir jetzt hier starten.

Simon Rossmann: Na ja, du hast von Unterhopfung gesprochen, dann würde ich doch sagen, machen wir als schönen Aperitif erst mal ein Pils, oder?

Holger: Unbedingt! Also da bin ich ja immer für zu haben.

Simon Rossmann: Beziehungsweise ein Kellerpils.

Holger: Ein Kellerpils. Genau, ein naturtrübes Pils.

Markus: Hat ja auch so die Aperitif-Größe. Also insofern machen wir …

Holger: Also schön, dass ihr da seid. Prost!

Markus: Prost!

Simon Rossmann: Sehr zum Wohle! Und man muss dazu sagen, selbst als Münchner wirst du ja Pils-technisch nicht gerade verwöhnt von den hiesigen Brauereien, weil es fast keiner mehr hat. Und ein Kellerpils kriegst du ja erst recht nicht. Wir sehen tatsächlich, dass das Pils immer mehr Nachfrage hat bei den Leuten. Und da kommst du auch ganz interessanterweise in die Gastro gut rein, weil ein Pilstrinker ist immer irgendwo mal dabei, aber bevor man jetzt nur diese industriellen Riesenbrauer schon aus Norddeutschland hat, hat man halt ein Münchner Produkt und das kommt relativ gut an.

Holger: Ja. Also mir schmeckt‘s auch hervorragend. Wie geht’s dir, Markus?

Markus: Ja, sehr fein. Also ich finde, das hat tatsächlich auch viel von einem Kellerbier, also so vom Mundgefühl her, von der Weichheit eben, wie das schön eingebunden ist. Auch nicht zu viel Kohlensäure. Das ist sehr angenehm. Und hinten raus kommt dann eben schon kernige Bittere und das sagt mir dann auch ordentlich was. Das finde ich auch schön. Das ist relativ schlank, obwohl es ja doch viel Alkohol hat. Also finde ich echt ein tolles, spannendes Bier und auch eins, was eben deutlich anders ist als das, was man in München vielleicht sonst so als Pils bekommt.

Holger: Und ich als Exil-Münchner kann nur sagen, endlich, endlich, endlich. Also Simon, jetzt starten wir doch mal. Also vor 14 Jahren hat die Erfolgsgeschichte angefangen in Giesing in einer Garage?

Simon Rossmann: Naja, Doppelgarage war es dann schon. Aber ja, es war eine in Untergiesing, muss man auch noch mal dazu sagen, so einfach ist es ja auch nicht. Und zwar in einem Hinterhof, muss man tatsächlich sagen. Und das war mehr oder weniger Zufall, es war jetzt erst gar nicht mal so der Hintergrund, es muss Giesing sein. Weil der Geschäftsführer, der Steffen, was er heute noch ist, der kommt ja ursprünglich gar nicht aus München, und der damalige Braumeister, der es mit ihm gegründet hat, auch nicht, der kommt aus Franken. Drum war das denen, in Anführungszeichen, erst mal „wurscht“, Hauptsache irgendwo was finden. Aber es hat natürlich wirkliche Fügung sein müssen und Giesing sich dann irgendwie angeboten. Wobei es halt natürlich in einem Hinterhof war, also sprich, Nachbarn und so weiter waren vor Ort. Und so wild konnte man dann natürlich auch nicht machen, wie man es ja sonst von Brauereien kennt. Also unabhängig von der Wirkung des Produktes, sondern einfach die Flaschen klappern, die Schrotmühle läuft und so weiter und so fort. Also es war nicht immer ganz einfach, aber wir haben das ganz gut hinbekommen auf jeden Fall.

Holger: Und du bist von Anfang an dabei oder bist du erst später dazugekommen?

Simon Rossmann: Ich bin 2008 dann dazugestoßen. Also ich bin keiner von den Gründern sozusagen, aber ich bin 2008 im Rahmen eines Praktikums dazugestoßen und natürlich für immer geblieben. Weil ich habe mir gedacht, die Chance musst du nutzen, in eine kleine Brauerei kommst du eigentlich so gesehen nicht, vor allem nicht in München. Und sowas aufstrebendes, da muss man quasi ja mehr oder weniger den Hopfen und das Malz nehmen und Bier draus machen, habe ich mir gedacht, und bin dann dabeigeblieben.

Markus: Damals schon die Vision gehabt, dass das so schnell so wird, wie es jetzt ist?

Simon Rossmann: Ich selber muss sagen, für mich war immer klar, da geht noch mehr, auch von den Sorten. Man muss ja auch dazu sagen, wir haben ja mit Nicht-Reinheitsgebotsbieren angefangen, also mit Gewürzbieren und Fruchtbieren. Das war eigentlich die Idee, auch mit dem Hang nach belgischem Vorbild, damals nur in einer anderen Version. Das heißt, von Reinheitsgebot war noch nie die Rede am Anfang, darum hieß es am Anfang auch Bierlaboratorium. Man hat aber natürlich sehr, sehr schnell gemerkt, dass die Leute auch mal nach Hell-, Weißbier, Dunkel fragen. Darum hat man angefangen parallel zu arbeiten. Aber für mich war immer klar, ich bin natürlich immer am Produkt und habe für mich auch gewusst, es geht immer noch mehr mit den Sorten. Da geht noch viel, viel mehr. Unabhängig davon, dass die Nachfrage natürlich gestiegen ist und München groß genug ist auch, um Bier zu verkaufen, in meinen Augen, vor allem Nischenprodukte, hat sich das definitiv fast von selber ergeben. Aber wir haben natürlich viel dafür tun müssen, keine Frage.

Holger: Ich weiß, ich hatte das erste Mal Kontakt, da war in der Birkenau ein Straßenfest, und da gab‘s dann Bier. Und ich denke, wow, also das ist ja richtig gut. Und dann ging die Erfolgsgeschichte weiter. Aber bevor wir weiter die Erfolgsgeschichte erzählen, würde ich doch vorschlagen, wir gehen auch ein Bier weiter. Was nehmen wir?

Simon Rossmann: Sehr gerne. Der Markus kann auch, wenn er will, vorschlagen.

Markus: Wenn ihr mich fragt, ich habe zwei Biere, die mich wirklich interessieren. Also die anderen bestimmt auch, aber wo ich sagen würde, das wäre so ein Schwerpunkt. Einmal natürlich ein Dunkles, weil ein Münchner Dunkel ist ja eigentlich so ein Urbierstil. Und das würde mich total interessieren, wie ihr den interpretiert. Also da, fände ich interessant. Und das andere wäre dieses Munique, weil allein das Etikett schon ganz viele Fragen in mir aufwirft. Und natürlich auch so diese Idee, einen untergärigen Bock entsprechend zu stopfen und spannend zu machen, das mich auch interessiert. Also das wären so die beiden, wo ich sage, die will ich auf jeden Fall getrunken haben.

Holger: Aber Markus, das war doch wieder nicht die Frage. Pass doch mal auf, verdammt. Also die Frage war doch, welches Bier wir als nächstes gerne trinken. Und da ist doch jetzt quasi nach dem Pils ein heller Bock, also das geht doch gar nicht, Markus.

Markus: Naja, also als Bierprofis muss das grundsätzlich natürlich immer gehen, weil (unv. #00:09:38.9#) …

Simon Rossmann: Ich wollte es grad sagen. Also …

Markus: … weißt du ja nie, was kommt. Auf der anderen Seite gebe ich dir natürlich Recht, wir wollen ja das auch ein bisschen nachvollziehbar machen. Also dann klettern wir die Leiter halt langsam hoch und dann müssen wir jetzt eigentlich von dem Pils zum naturtrüben Kellerbier und dann zum Märzen und können dann halt zum Munique.

Simon Rossmann: Um die Reihe in meinen Augen weiterzuspinnen, würde ich jetzt aufgrund des Anlasses natürlich das Festbier nehmen, dann das Dunkle und dann tatsächlich den hellen Bock zum Schluss.

Holger: Ich mach’s auf.

Markus: Also hinein.

Holger: Bitte schaut auf diese Farbe, schaut auf diese Farbe. Ist das nicht großartig? So ein schönes Festbier.

Simon Rossmann: Ja, man beachte auch den Schaum, diesen beigefarbenen cremigen. Also ich sag immer, da will man reinbeißen.

Markus: Ist das das Wiener Malz, was das macht?

Simon Rossmann: Genau. Unser Märzen ist tatsächlich kein, sage ich jetzt mal, 60er-Jahre-Stil Münchner Märzen, sondern ich habe tatsächlich ausschließlich Wiener Malz drin und zwei spezielle Karamell-Malze. Und von der Hopfung Spalter Select, sowohl in der Bittere als auch im Aroma deutlich. Und ja, wenn man sich auch mal so die Geschichte des Märzens anschaut, dann war Märzen nie ein Stil, der wenig Hopfen vertragen hat, sondern der war schon immer ordentlich hopfig. Und das passt ja auch ganz gut zu dieser Restsüße. Also ich bin gespannt, was ihr sagt, ist für mich selber auch ein schönes Bier, was ich sonst immer gerne trinke. Zum Wohle!

Markus: Ja, es trinkt sich wunderschön. Zum Wohle! Also ich finde, was ich ganz toll wiederfinde, ist das Mundgefühl, finde ich ganz schön, schön cremig. Dann hat man in der Nase ja schon diese leichten Röstaromen, malzigen Aromen, die sich dann eben mischen mit den Hopfen, ein bisschen grün, grasig, kräutrig. Und dann, wenn man es im Mund hat, dann kommt das Wiener Malz so schön rüber, das mag ich auch gern, und Karamell-Noten, und dann verbindet sich das am Ende schön zu so einer kleinen Geschmackssymphonie, die dann am Ende auch wieder sagt, ein bisschen Bittere ist doch da und jetzt trockne ich den Mund aus und dann hast du wieder Lust weiterzumachen. Und das ist wirklich ein sehr, sehr schönes, angenehmes Bier, wo man wirklich einfach sagt, schön, da sitze ich, da trinke ich zwei, drei, vier, habe einen schönen Nachmittag. Gefällt mir echt gut. Holger, was sagst denn du?

Holger: Ich kann euch nur zustimmen. Ich finde auch, einfach die Karamellnote, die da ist und dann aber trotzdem kommt dann im Nachtrunk eben auch diese schöne Hopfenbittere. Und das ist so wunderbar in der Balance. Ich habe das ja gerade schon erwähnt, und das sage ich nicht, um hier Punkte zu sammeln im BierTalk, sondern das ist wirklich so. Also das Giesinger Märzen ist eines meiner absoluten normalen Trinkbiere geworden, wenn ich jetzt nicht professionell trinke, sondern einfach nur für mich. Und alleine das schon ist, glaube ich, eines der größten Komplimente, die ich überhaupt einem Bier machen kann.

Markus: Da könnte ich ja jetzt so ein bisschen neckisch auch sagen, ist jetzt schon das zweite Bier, was fast so ein bisschen fränkisch inspiriert ist, also so von der Idee her, von der Drinkability, vom Gesamten, von der Komposition her sind wir hier ja relativ weit weg bei beiden Bieren vom klassischen Münchner Ideal. Finde ich ja gut.

Simon Rossmann: Genau. Es kommt ja auch noch dazu, dass du ja, in Anführungszeichen, kein Märzen mehr findest. Und auch das Oktoberfest, was ja eine andere Brauart ist, wir haben ja definitiv die Bernsteinfarbe hier, ich wollte auch kein helles Märzen machen in diesem Sinne. Wir haben aber hier auch dieses, was ich immer schön finde bei diesem Bier auch, diese nussige Seite vom Malz, die nicht immer so oft durchkommt bei Bieren. Das ist tatsächlich auch so, wir haben ja auch schon Rauchbiere gebraut, so ist es auch nicht, da kann man viel machen mit dem Malz. Und für mich war die Idee, ein Märzen technisch einfach mal den Leuten zu zeigen, auch im klassischen Stil, gut, wir haben 5,7 %, es geht noch mehr. Da kannst du Malz perfekt in Szene setzen, ohne gleich wieder wie bei einem Dunklen vielleicht zu kräftig zu werden, was viele schon von vornherein ausschließen. Aber Märzen ist so, in meinen Augen, unsere Verknüpfung für jemanden, der sonst nur Helles trinkt, auch mal übers Märzen vielleicht zum Dunklen zu kommen. Das werden wir ja gleich noch mal erleben. Aber es ist definitiv eine schöne Geschichte, vollmundig, geht in viele Richtungen, man kann mit dem Bier, wie es der Holger richtig sagt, einfach nur trinken, einen schönen Tag haben. Man kann aber tatsächlich auch darüber reden und das macht‘s Märzen eigentlich so spannend, und das ist auch tatsächlich so ein kleiner Geheimtipp bei unseren Kunden, Gästen: Märzen ist immer gern gesehen. Eine schöne Anekdote ist auch, um kurz auszuholen, das habe ich das erst Mal eingebraut in diesem Stil, wie es jetzt ist, 2014 ja eben, und war dann im Stüberl oben und da war ein Rentnerstammtisch oben, alle Märzen getrunken. Und dann kam ich damals mit meinen 31 und sage: Wieso trinkt ihr denn alle Märzen? Dann kam sofort die Antwort: Ja, das kennen wir doch noch aus der Jugend aus den 70er Jahren, da gab‘s noch in München Märzen. Aber sie sind so begeistert, und wenn man das schafft, dann denke ich, dann ist es eine wunderschöne Geschichte, dass man jemand nach Jahren, wo sie doch ihr Jugendbier, weil es die Großbrauereien nicht mehr machen, wiederfinden, ironischerweise wieder von einem jungen Brauer gebraut genießen können, dann muss ich schon sagen, dann freut man sich und kann wunderbar auch heimgehen und sagen: Okay! Da können wir weiter anknüpfen. Geheimtipp, wie gesagt.

Holger: Jetzt würde ich fast vorschlagen, wenn ihr beide einverstanden seid, jetzt haben wir ganz lange übers Märzen gesprochen, wir gehen jetzt noch mal ein Bier weiter, dann aber noch mal in die Geschichte zurück. Wir sind ja immer noch in der Doppelgarage, aber irgendwann …

Simon Rossmann: Genau.

Holger: … wurde daraus ja mehr. Und jetzt haben wir gesagt, wir machen das Dunkle auf, oder?

Markus: Da gefällt mir ja der Deckel schon mal super. Blau ist ja meine Lieblingsfarbe und mit diesem Gelb zusammen, sehr schön.

Simon Rossmann: Man beachte auch den Mond im Vergleich zu, die Erhellung habt’s ihr jetzt nicht, aber auch beim Pils, also es sind auch viele Details in unseren Etiketten immer, aber sind wir mal gespannt.

Markus: Da werden sogar die Bäume blau beim Dunklen.

Simon Rossmann: Genau. Das passt auch recht gut, wenn wir das Dunkle und das Märzen jetzt gerade angehen, Holger, wenn du sagst, Geschichte. Weil das sind ja trotzdem noch Biersorten, die ich nach wie vor in der, in Anführungszeichen, „alten“ Brauerei in der Martin-Luther-Straße braue, aber natürlich in einer neuen Abfüllung. Unser Dunkles ist eigentlich auch natürlich naturtrüb und hat aber auch eine Power an Malzen mit dabei. Wir haben eine kräftigere Stammwürze mit 13,5, wir haben Münchner Malz mit drin, wir haben dunkles Karamellmalz, Röstmalz, zwei verschiedene, haben Hallertauer Tradition und Tettnanger mit drin. Ich bin gespannt, wie es euch mundet. Also zum Wohle!

Holger: Zum Wohle!

Markus: Prost!

Simon Rossmann: Auch nicht zu gefärbt, also es ist kein Röstmalz-Bier drin. Es kommt tatsächlich über das Maisch-Verfahren und über die Malzsorten rein diese Farbe. Es ist auch kein Gramm helles Malz oder Wiener Malz drin, ausschließlich Münchner Malz und diese Spezialmalze.

Holger: Markus, da lacht doch schon wieder das Frankenherz, oder?

Markus: Auf jeden Fall. Es strahlt über beide Ohren sozusagen. Ich sag mal so, es geht ja schon los, wenn man sich das Bier anschaut. Man hat diese wunderschöne Kastanienfarbe, wie auch immer man es genau bezeichnen will, es ist so ein schöner rötlicher Schimmer in diesem Dunkelbraun, Rostbraun. Oben drüber steht der Schaum schön dicht, so mittelgrobe Poren, würde ich sagen. Dann eben auch leicht getönt, also passt sehr schön dazu. Es ist so leicht trüb, würde ich mal sagen, so ein kleines geheimnisvolles Leuchten hat man hier. Und wenn man dann reinriecht und reinschmeckt, dominieren diese Röstaromen. Heißt dann auch, schon so ein bisschen schokoladig und vor allem kaffeeiges Aroma mit dabei. Also wo man wirklich auch merkt, dass da die Röstmalze entsprechend eine Rolle spielen. Im Mund, finde ich, kommt dann aber auch die Süße schön, also wo man fast so ein bisschen Honigtöne schon hat. Und insgesamt es wirklich eine sehr angenehme runde Geschichte ist. Für mich eine etwas höhere Kohlensäure jetzt, sehr gut, passt auch schön zu dem Bier, und sorgt vielleicht auch ein bisschen dazu, dass man hinten raus dann wieder ein bisschen frischer wird und sagt, okay, jetzt kann es wieder weitergehen und man nimmt den nächsten Schluck. Also sehr angenehm und mich hat es wirklich schon gefangen sozusagen. Also bin ich gerne dabei.

Holger: Sehr schön. So, Simon, jetzt machen wir weiter. Also ihr habt dann irgendwann mal mehr vorgehabt und dann habt ihr nach einer Lokalität gesucht. Da war ja eigentlich schon klar, es muss in Giesing sein, oder? Und dann kam die Martin-Luther-Straße, oder ging das nicht so nahtlos?

Simon Rossmann: Tatsächlich war es ein Zufall. Wir haben ja immer schon überlegt: Wo könnten wir hin? Da gab‘s ja die Kraemer Mühle, ich weiß nicht, ob euch das was sagt, auch in Giesing. Das war eine ehemalige Malzmühle, da ist jetzt eine Rösterei drin und Büros. Also das war schon immer irgendwie im Gespräch, irgendwo könnten wir noch mal was machen. Tatsächlich ist man, ja, wie man halt immer am Anfang so ist, nie dazu gekommen. Es hat auch sämtliche finanzielle und hintergründige Geschichten gehabt, das nicht zu machen, weil man musste ja erst mal schauen, wollen die Leute das überhaupt? Tatsächlich hat sich das durch einen mehr oder weniger Zufall ergeben, weil wir sind ja auch eine GmbH, also eine private Brauerei. Und im Zuge dieses Suchens beziehungsweise Findens einer neuen Lokalität haben wir auch einen jetzigen Gesellschafter kennengelernt, der Veranstaltungen in München macht und für sich gesagt hat, ja, er würde seine Veranstaltungsräume freigeben beziehungsweise seine Lagerflächen auslagern, weil er vergrößert. Und dann war die Option, dass wir quasi uns das mal anschauen können. Ihm gefällt das Bier und ob das nicht was für uns wäre. Und ihr wart ja schon beide vor Ort, es ist natürlich genau die richtige Lage am Giesinger Berg. Ja, es war halt dann mittlerweile Obergiesing, aber wie auch immer, Giesing trotzdem noch. Und da mussten wir einfach sagen, das muss gehen, diese Chance haben wir nur noch einmal, und dann ging’s halt wieder los. Und so ist es dann auch gekommen.

Holger: Und dann habt ihr ja auch noch mal eine Gastronomie noch zusätzlich dazu genommen, das Giesinger Bräustüberl.

Simon Rossmann: Genau.

Holger: Und das ist ja auch noch mal eine Challenge, quasi eine Brauerei aufzubauen, eine Brauanlage da reinzubauen, diesen ganzen Standort in Betrieb zu nehmen und dann gleichzeitig auch noch eine Gastro da rein zu machen mit Küche und mit allem. Also das ist schon was.

Simon Rossmann: Der Punkt ist ja, die Idee war nie, Gastro zu machen erst mal. Die Idee war immer, wir machen einen Verköstigungsraum, wo es dann Brotzeiten gibt. Das hat sich natürlich sehr schnell erledigt, weil dementsprechend sind die Anfragen gestiegen und so weiter und so fort. Und dann, ja, man weiß ja, wie es in München mit Gastro ist, das ist auch nicht immer ganz einfach, geschweige denn spätestens welche Kassensysteme nimmt man, wie schaut es da aus? Also da kommt man dann richtig ins Strudeln. Und da war ich zum ersten Mal froh, dass ich tatsächlich beim Bier bleiben darf und nicht wie der Steffen sich dann total in diese Gastro reinschmeißen musste. Weil irgendwie, wenn mal das Rad läuft, dann läuft’s. Es ist aber nach wie vor ganz wichtig für uns gewesen, weil natürlich das ein extremer Werbeeffekt auch fürs Bier war, einfach vor Ort das Bier zu trinken. Und davor konnten wir in der Garage maximal fünf, sechs Leute drin haben, beziehungsweise wir haben samstags immer Braukurse gemacht, und da waren dann mal 15, 16 Leute da, aber dann war die Hütte voll. Und da konnte man halt mit 100 Leuten am Anfang plus Gastro plus Essen, was natürlich immer zum Bier auch gehört, punkten, und das hat uns ganz weit nach vorne gebracht, muss man trotzdem dazu sagen. Also es war in jeglicher Hinsicht vogelwild das zu machen. Aber wie wir halt immer sind, einfach wäre uns zu langweilig, habe ich manchmal das Gefühl. Es muss immer eine Extrem-Herausforderung sein. Aber wie gesagt, das hat funktioniert. Ja.

Markus: Ich finde, das hat man auch ganz gut erlebt oder erlebt es auch ganz gut, wenn man sich dann bei euch mal die Speisekarte anschaut. Also das heißt, man hat ja wirklich so ganz traditionelle Urmünchner Gerichte, also wo man teilweise Teile von Tieren isst, die ich noch nie im Leben gegessen habe. Man hat mir erzählt, das sind wirklich klassische, typische Münchner Dinge, die auch gut schmecken, habe ich ja vor Ort dann auch schon probiert. Und auf der anderen Seite gibt’s dann zum Beispiel auch einen Eisbock, den man eigentlich kaum in einer Brauerei bekommt, live serviert aus der Tiefkühltruhe, der dann am Tisch zelebriert wird. Und das sind dann eigentlich so die beiden Enden der Fahnenstange. Also einmal bodenständig, klassisch, dass auch der Urmünchner sagt, Mensch, da gehe ich hin, hat einen vernünftigen Preis, gute Qualität, spannendes Essen, fühle mich einfach zu Hause. Und auf der anderen Seite eben, wenn ich wirklich mal was Besonderes will, eine besondere Spielerei rund um das Thema Bier, dann bekomme ich das auch nur bei euch. Und das fand ich wirklich eine tolle Kombination.

Holger: Wenn man das alles so haargenau plant, und ich glaube, wenn man das bei euch so gemacht hätte, dann wären da ja viele schlaue Köpfe gewesen, die wahrscheinlich auch gesagt hätten: Oh! Zu schnelles Wachstum ist auch nicht gut. Und schaffen wir das? Und jetzt müssen wir erst mal einen entsprechenden Personalplan machen und so weiter. Es ist einfach erst mal passiert.

Simon Rossmann: Genau.

Holger: Es war eben eine Herausforderung und dann hat es einfach geklappt. Wir nehmen jetzt das Kellerbier, ich mach es jetzt mal auf. Wunderbar!

Markus: Da bin ich ja jetzt mal sehr gespannt.

Holger: Jetzt haben wir ja mit dem Oberfranken so einen Kellerbier-Experten in unserer Runde. Also was mir auf jeden Fall auffällt, es ist natürlich auch wieder naturtrüb, wie so ein Kellerbier halt auch zu sein hat. Und dann aber auch so eine ganz tolle schöne goldgelbe Farbe und ein schöner weißer Schaum. Wenn man jetzt also reinriecht, hat man eben so schöne Malznoten. Naja, und es ist eben ganz weich, es hat kaum Kohlensäure, wie sich‘s eben für ein Kellerbier auch geziemt. Und es ist rund und ausbalanciert und die Hopfennote lässt sich erahnen. Aber die Malz-Aromatik steht total im Vordergrund und macht auf jeden Fall auch hier wieder Lust auf einen zweiten Schluck. In der Sommelier-Sprache darf man es ja eigentlich nicht sagen, aber das ist eben süffig. Das ist eben einfach süffig. Und es hören ja auch normale Leute zu, und was soll ich hier da …

Simon Rossmann: Du meinst Nicht-Sommeliers?

Holger: Genau. Also was soll ich mich da lumpen lassen?

Markus: Was ich tollfinde, ist da, dass diese Zitrusnote auch schön rüberkommt.

Simon Rossmann: Genau. Auf das wollte ich gerade raus. Die Idee ist ja immer, wir sind ja in München und es trinkt ja, und man merkt es auch an den Jüngeren, es wird nur noch Hell getrunken. Und dadurch, dass wir ja quasi schon zwangsweise naturtrüb sind, ist es ja gar kein klassisches Helles. Wenn man’s einordnen würde, hat es eher Export-Charakter. Dafür ist aber die Hopfenaromatik zu deutlich. Und ich wollte bewusst damals ein Bier erschaffen als Hauptbier, ich meine, das ist 75 % von unserem Anteil, ein Bier, was einzigartig ist, im Prinzip wie so eine eigene Marke, also weder Helles noch Export, aber für sich steht deswegen ja auch Erhellung. Wir haben naturtrübes Kellerbier, da muss man halt auch aufpassen, es ist jetzt nicht im Prinzip unser Hauptbier, wenn es in Franken wäre. Weil da gebe ich dir recht, Markus, dann wäre das Märzen eher ein klassisches fränkisches Kellerbier, auch von der Farbe schon, aber es ist, wenn man so will, dann ein Münchner Kellerbier, aber halt nicht einfach nur ein Standard naturtrübes Helles, sondern da steckt schon mehr dahinter. Wir arbeiten auch mit Karamellmalz mit drei verschiedenen Hopfensorten. Ja, das ist unser Aushängeschild und ich freue mich nach wie vor jedes Mal, wenn jemand sagt, ich trinke noch eins und noch eins, dann passt das ja super.

Markus: Und so schön weich vom Mundgefühl. Also das finde ich wieder schön. Macht ihr denn grundsätzlich alles im Dekoktionsverfahren oder gibt’s da ein Geheimnis dahinter, dass es so weich ist?

Simon Rossmann: Tatsächlich ist das, diese Erhellung ist Infusion genauso wie das Pils. Jede Biersorte hat bei mir ein anderes Maischverfahren tatsächlich. Und die Erhellung und das Pils, was wir gerade getrunken haben, wurde schon auch hier in der neuen Brauerei hergestellt, wo wir vielleicht jetzt auch den Switch machen können, schon mit diesem neuen weichen Brunnenwasser. Davor habe ich natürlich in der alten Brauerei mit Sauermalz gearbeitet, um diese harsche Härte vom Münchner Wasser abzufedern. Aber ich gebe dir recht, tatsächlich haben wir ein bisschen mehr Weichheit noch, und die lässt den Hopfen noch ein bisschen spannender rauskommen als tatsächlich davor. Es ist eleganter geworden noch, muss ich tatsächlich sagen.

Holger: Das ist doch eine wunderbare Überleitung jetzt zum neuen Standort. Du hast jetzt gerade davon gesprochen, naja, das ist halt schon das Brunnenwasser, was ja eine deutsche härte von null hat, also gar keine Härte.

Simon Rossmann: 0,6.

Holger: Ja okay, okay. Jetzt erzähl doch mal, also da gab‘s eben diese Crowdfunding-Aktionen und dann seid ihr so richtig durchgestartet. Das ist doch jetzt eine super Überleitung.

Simon Rossmann: Ja, wir haben ja schon einige von diesen Crowdfunding-Geschichten ausprobiert und immer auch am Anfang erst mal mit dem Hintergrund, natürlich Stammkunden zu akquirieren und Leute zu begeistern und mal was anderes auszuprobieren an Finanzierungsmöglichkeiten, nicht immer nur klassisch Bank und wie auch immer. Aber wir haben uns überlegt, okay, wir wollten einen Brunnen bauen und da werden sämtliche Analysen davor gemacht und Horizonte angeschaut, also total spannend auch im Geografischen. Über 100 Meter, wenn du runter willst, schaltet sich auch das Bergbauamt ein, also hochspannend, was da passiert. Ja, man geht ins Erdreich rein. Und kurzum, wir hatten eigentlich geplant, dass der Brunnen so für 300.000, 400.000 Euro erschwinglich war bei dieser Tiefe. Wir mussten aber noch mal gefühlt 30 Meter weiter. Und das hat dazu geführt, dass wir auch ein bisschen höhere Kosten hatten. Und da haben wir doch gesagt, komm, da machen wir doch noch mal eine Crowdfunding-Kampagne. Ich hätte ja persönlich als Brauer, als Produktionsleiter nicht gedacht, dass das Thema Brunnen für, ich sage jetzt mal, Bierfans oder Unterstützer so spannend sein kann, dass man wirklich sagt, hey, komm, da investieren wir. Also gigantisch, was da an Feedback kam. Und jetzt steht er da, Holger, du hast ihn gesehen, er läuft, und ist jetzt auch verantwortlich dafür, dass wir tatsächlich auch offiziell Münchner Bier haben. Weil das war die letzte Station, die man noch benötigt, um, wenn es um geografisch geschützte Sachen geht, natürlich kommt‘s auch auf die Sorte an, aber Wasser ist ein wichtiger Punkt, um wirklich Münchner Brauerei zu sein.

Markus: Das ist ja, glaube ich, auch das, was das Ganze eben so sexy gemacht hat für die Fans und für eure Freunde einfach, weil sie gesagt haben: Okay! Wenn ihr eine vollwertige Münchner Brauerei seid, dann habt ihr ganz andere Möglichkeiten. Werden wir auch noch drüber sprechen. Und eben dieser letzte Schritt ist der Brunnen. Und ich glaube, das war dann auch das, weswegen da alle dann gesagt haben: Okay! Das muss jetzt noch sein. Und war das dann ein bisschen so wie man das aus diesen amerikanischen Filmen vom Erdölbohren kennt, dass ihr dann so alle zusammengesessen seid und es ging noch einen Meter tiefer und noch einen Meter, und man hat überlegt, wann kommt jetzt endlich das Wasser? Und irgendwann war der Durchbruch und es spritzt, und dann habt ihr gesagt: Super! Oder wie können wir uns das vorstellen?

Holger: Du guckst eindeutig zu viel Fernsehen.

Simon Rossmann: Wir haben ja alle inoffiziell tatsächlich auf Erdöl gehofft. Nein, tatsächlich ist es ja so, wir haben weder einen artesischen Brunnen, also der selber Druck hat, noch ist es eine Blase. Tatsächlich ist der Sand, also das Wasser im Sand gespeichert und das sickert nach und nach durch quasi. Rohre, die perforiert sind, beziehungsweise Schlitze haben und dann wird es nach oben gepumpt. Tatsächlich werden am Anfang oder es wird erst mal eine Probebohrung genommen, wir wussten tatsächlich erst kurz vor knapp, haben wir überhaupt Wasser? Und allein die Genehmigung hat ja schon zwei Jahre gedauert und wir hatten keinen Plan B. Wieder mal, das ist diese Nummer Richtung zweites Werk, Gastro, ja oder nein? Ja, machen wir halt, wird schon gehen. Wie den Brunnen auch, wir hätten keinen Plan B gehabt. Es liegt hier kein Wasseranschluss da, der diese Brauerei so extrem fördern könnte oder versorgen könnte. Den hätten wir erst erschließen müssen über riesengroße Sachen. Das heißt, am Ende des Tages war das so der erste Punkt, wo ich dann wieder ruhig schlafen konnte, als es dann hieß vom Brunnenbauer, Wasser ist da. Dann wussten wir zwar noch nicht, wie viel oder wie viel gefördert werden kann, aber wir waren schon immer Giesinger Bräu, am Ende funktioniert‘s dann tatsächlich wieder immer. Und dementsprechend haben wir jetzt auch das nächste Kapitel für uns abgeschlossen.

Holger: Also so klassische Unternehmensberater, die hättet ihr nicht engagieren dürfen, weil sonst wäre es nie was geworden. Jetzt wollen wir nicht gehässig sein.

Simon Rossmann: Ich sage immer, das war die teuerste Marketingausgabe ever. Aber ich bin ja nur Brauer, also deswegen. Nein, es ist tatsächlich spannend, wenn man auch tatsächlich eine andere Wertschätzung zum letzten Rohstoff, was man sonst eigentlich nie so, selbst in Sommelier-Kreisen nicht groß, in Anführungszeichen, im Mund nimmt, ist das Wasser tatsächlich, und jetzt aber verantwortlich zu sein über Jahrtausende altes Wasser und daraus einfach Bier zu machen. Wenn man sich vorstellt, irgendjemand vor 5000, 6000, 7000 Jahren hätte gewusst, dass aus diesem Regenwasser mal Giesinger Bier wird, und wir reden jetzt über die Weichheit, das ist dann schon irgendwas, was ja noch so ein bisschen eiskalt den Rücken runterläuft und irgendwie dann doch spannend ist die ganze Geschichte.

Holger: Mir ist das auf jeden Fall eiskalt den Rücken runtergelaufen, wo ich jetzt diese riesengroße, ja, eigentlich Produktionsanlage, Brauerei da gesehen habe. Also dann auch die Tanks, wo dann eben diejenigen, die sich auch engagiert haben, da durften dann Leute ihre Hobbys sagen und da hat dann einer gesagt, ich angle gerne und trinke gern Bier. Und da ist einer der Tanks eben dann so graffiti-mäßig lackiert worden. Das gibt’s ja alles nur bei euch, also das gibt’s ja sonst nirgendwo. Wenn man auf eure Homepage geht, dann kann man sich über die Menschen, die Giesinger ausmachen, im Inneren sozusagen informieren. Und ich glaube, das ist es. Wir sagen alle, Bier ist Heimat und so, Bier ist local, also sing global drink local und so, da gibt’s ja T-Shirts dazu, aber ihr macht‘s einfach. Und das ist so großartig. Weil es so großartig ist, gehen wir jetzt ins Finale und holen uns …

Simon Rossmann: Gerne.

Holger: … hier noch so einen schönen, hellen, untergärigen Bock in die Runde.

Markus: Da muss man vielleicht noch ein bisschen dazu denken, wenn du grad so von Gänsehaut und Vorstellungen sprichst, ich glaube, das ist vielleicht auch das, was eben jetzt einerseits euren Fans, aber sicherlich auch euch selber und vielleicht auch der Konkurrenz so ein bisschen Gänsehaut verursacht, wenn man sich überlegt: Okay! Ihr seid jetzt dann eine vollwertige Münchner Brauerei. Wir haben dann nächstes Jahr im September den Einzug, den Festeinzug der Brauer zum Oktoberfest, und dann rollt vorne dran ein Giesinger Pferdefuhrwerk mit Bier. Und es gibt dann ein riesengroßes Zelt und dann ist man Bestandteil dieser Veranstaltung. Also nächstes Jahr ist vielleicht ein bisschen bald gesagt, aber grundsätzlich ist das doch sicherlich auch Gänsehaut, dass man sagt: Okay! Es wurden so viele Hürden in den Weg gelegt und so viele Dinge gemacht, wo man eigentlich gedacht hat, das ist sowas, das ist niemals möglich. Und dann hat man es in relativ kurzer Zeit geschafft, aus einem relativ kleinen Ding raus so sich zu entwickeln, dass man das tun kann. Ich glaube, das ist schon was, wo man dann auch irgendwann später seinen Enkeln und Urenkeln erzählen kann, Mensch, wir haben wirklich Biergeschichte geschrieben. Und da finde ich, passt dann auch dieses Bockbier ganz gut dazu, weil sowas ähnliches gibt’s ja dann vielleicht auch in eurem Zelt, oder? Denkt ihr schon an solche Sachen?

Simon Rossmann: Weiß ich nicht, aber ich weiß auf jeden Fall, dass wir 2020 haben und ich würde doch nicht mit irgendwelchen Pferden, ich weiß schon, das ist immer spannend, also auch wieder aus meiner Sicht, wir werden sehen, was dann passiert, ich würde dann natürlich mit dem neuesten MAN, was weiß ich, TGX vorfahren, weil ich meine, was bringen mir die Pferde? Ich meine, so wird ja kein Bier mehr ausgeliefert. Das heißt, man muss ja dann auch am aktuellen Stand bleiben und das kann man ja auch kombinieren. Vielleicht sind dann die Pferde im Lkw drin bei ein paar Paletten Bier, ich weiß es nicht. Oder ein paar, nicht Holzfässern, sondern Edelstahlfässern oder vielleicht sogar Edelstahltanks, wie es ja auf der Wiesn der Fall ist. Nein, man muss natürlich die Tradition noch ein bisschen für die Touristen ausweiten.

Markus: Jetzt hast du, glaube ich, einigen Leuten einen halben Herzinfarkt beschert.

Simon Rossmann: Nein, tatsächlich denke ich, aufgrund der Größe ist es schwierig, da jetzt eine Aussage zu treffen, weil das steht noch alles in den Sternen und wir müssen ja erst mal schauen hier, was weitergeht. Aber wer weiß, was passiert? Wir haben tatsächlich damals unser Zehnjähriges gefeiert, am Hohenzollernplatz war das, und haben da so zwei kleine Ponys mit einer Bierkutsche geholt. Mit Absicht, da haben nur zwei Leute draufgepasst. Wer weiß, was demnächst passiert?

Markus: Eben. Es geht ja auch eher ums Träumen, es geht ja nicht unbedingt darum, dass man das jetzt schon irgendwie festmacht oder so, sondern einfach diesen schönen Traum, den ihr nach und nach verwirklicht habt, einfach vielleicht ein bisschen weiter zu träumen.

Simon Rossmann: Wir haben ja schon zum Aprilscherz mal ein Wiesn-Zelt zeichnen lassen und Fotos auf der Wiesn gemacht. Und ich habe heute noch Leute, die zur Rampe oder die zu mir in die Brauerei kommen und sagen: Ja, aber nächstes Jahr gibt’s euer Oktoberfest-Bier wieder. Also, wenn ich es nicht weiß, dann weiß es keiner. Ja doch, ich war doch bei euch im Zelt. Und dann sage ich, auch wenn ich das wüsste, dann wäre ich dabei gewesen. Also was bedeutet das? Offensichtlich hat das so gefruchtet, dass wir theoretisch schon präsent sind, ohne präsent zu sein. Das ist ja auch schon mal ein Schritt weiter für die nächste Richtung, oder?

Markus: Cool! Das ist ja fast schon metaphysisch.

Simon Rossmann: Schauen wir mal.

Markus: Wahnsinn! Also gut.

Simon Rossmann: Es ist verrückt.

Markus: Lasst uns mal an dieses wunderschöne Bierchen gehen, wo schön auch Munique draufsteht.

Holger: Das ist ja ein Collab, ne?

Simon Rossmann: Ja, damals habe ich mit dem Frank Pfeifer und dem Michael Geißler von Hopsteiner quasi diese Kollaboration gemacht, einfach aufgrund des Hopfens, was damals ja auf diesen Zuchtfeldern steht, wird meistens sonst irgendwo reinverschnitten oder in die Biogasanlage gefahren. Da haben wir tatsächlich mal gesagt, oder der Alex Feilner, besser gesagt, von der Züchtung hat gesagt, ich ernte mal alles ab und pelletiere das im Labor und dann nennen wir den Unique sozusagen. Und wie das eine zum anderen kommt, haben wir natürlich gesagt, da müssen wir Munique draus machen. Und so ist der helle Bock entstanden, weil ich ja auch sehr großer Freund von hellen Bockbieren bin, aber die findest du ja in München, abgesehen vom Andechser Bergbock und einmal im Jahr vom Augustiner Maibock, auch nicht mehr. Dementsprechend haben wir das eigentlich übers Jahr. Und es ist unglaublich, das zieht jedes Jahr noch mehr an. Ich hätte es nicht gedacht. Auch wo es immer heißt, es wird immer weniger getrunken und weniger Alkohol, können wir nicht in dem Sinne unterschreiben, weil offensichtlich hat dieses Bier was, so habe ich es dann auch eingebraut mit den anderen, was ein heller Bock haben muss. Wobei, wir sind hier jetzt, wie gesagt, in Maibock-Richtung, auch von der Farbe, auch wieder ein bisschen bernsteinartig. Wir haben ein unglaubliches Hopfenaroma und natürlich auch eine Bittere da. Wir sind da bei 40, 45 Bittereinheiten, die man aber so gar nicht merkt, weil wir eine hohe Restsüße haben trotzdem. Also ein gefährlich süffiges Bier auch wieder, was auch immer mehr Freunde mit sich bringt. Unglaublich!

Markus: Dann lassen wir den Dschinn mal aus der Flasche, oder? Moment! Flaschengeist sozusagen.

Simon Rossmann: Ich habe es schon eingeschenkt. Aber das macht ja nichts.

Markus: Wir haben noch geträumt.

Simon Rossmann: Genau.

Holger: Aber Simon, wenn ich dir jetzt so zugehört habe, das ist schon klasse. Weil ich meine, hundertprozentig ist es so, dass alle das ja auch beobachten, also auch von den angestammten Brauereien, alle werden das beobachten. Und was du da auch dann als Braumeister auf die Füße stellst und so wie du es auch erklärst, welche Gedanken dahinter sind und wie du an die Rezepte dann letzten Endes dich gedanklich herantastest und sie dann umsetzt und so, also ich weiß auch nicht, wieso, aber ich musste jetzt an Walter Röhrl, den ja jeder kennt, der Rallye-Weltmeister. Und wisst ihr eigentlich, wie der damals dann zu Audi kam? Wisst ihr das eigentlich?

Markus: Nein.

Simon Rossmann: Wenn du es nicht weißt, dann weiß es keiner mehr.

Holger: Ihr wisst es wieder nicht. Deshalb erzähle ich es euch. Und zwar war das so, der Walter Röhrl, der ist ja auch für Opel gefahren und der war ja wahnsinnig erfolgreich, weil er einfach ein Genie ist. Und dann hat der Ferdinand Piëch, Gott hab ihn selig, der hat dann irgendwann entschieden, pass auf, hol den Kerl zu uns, weil es ist billiger mit ihm zu fahren als gegen ihn. Da musste ich grad einfach dran denken.

Simon Rossmann: Das kennt man.

Markus: Das heißt aber, würde ja dann logischerweise bedeuten, dass bei dir alle zwei Tage ein Übernahmeangebot im Briefkasten liegt, oder?

Simon Rossmann: Na ja, sagen wir es mal so, die Branche ist vielleicht nicht so geldträchtig wie die Formel 1 oder irgendwelche anderen Sachen, aber tatsächlich ist es nicht so. Weil das Schöne ist tatsächlich an meinem Beruf ja nicht nur die eine Seite, das Bier erst mal herzustellen, wie man es immer ganz schön auch darstellen kann, sondern das, was dahintersteht. Und man muss sich auch vorstellen, wenn ich die ganzen Brauer und auch selbst die Azubis, die wir haben, die hier auch wirklich jeden Tag reinkommen, und wie gesagt, in der Produktion bin ich der älteste mit 35. Es produzieren hier Brauer von 20 bis 29. Und das muss man sich mal vorstellen: Wo hast du das in einer Brauerei? Das sind natürlich, ist von 0 bis 100 alles vertreten, aber die Leute sind so mit dabei und haben auch so Spaß an den Produkten, dass man einfach auch sagt, dann kann man das quasi in die Flasche packen. Das ist für mich immer die fünfte Zutat, auch bei uns in der Logistik, wie da jeder versucht, in diesem Inbetriebnahme-Wahn einfach klar zu kommen, weil einfach der Gedanke ist, klar, Giesinger Bräu, wir machen was Neues. Und das ist schon sowas, wo ich dann sage, ja, Übernahme hin oder her, woanders, da müsstest du dann wieder bei null anfangen. Ganz abgesehen davon, dass die Biere ja auch schon vorgegeben sind. Und da weiß ich nicht, ob das dann das tatsächlich meine Zukunft sein könnte. Aber wer weiß, was passiert.

Markus: Wer weiß. Also auf jeden Fall …

Simon Rossmann: Vielleicht machen wir ja noch ein paar Sidekicks auf, wer weiß.

Markus: Wer weiß. Also auf jeden Fall muss ich dem Bier wieder, oder dir, wieder ein Kompliment machen für dieses Bier. Weil es ja ganz schön weich, angenehm toll zu trinken ist und seinen Bock-Charakter eigentlich schön versteckt. Also man merkt schon, dass da ein bisschen Dampf dahinter ist, aber in einer sehr angenehmen Art und Weise. Die Hopfen kommen richtig schön grün rüber, finde ich. Also man hat ganz, ganz tolle intensive Hopfenaromen, die eben so in diese klassischen, kräutrig, herben, grasigen, ein bisschen Citrus natürlich auch rübergehen, aber da wirklich sehr, auch so nah am ursprünglichen Hanf fast schon sind. Das finde ich echt eine ganz tolle Kombi. Und dann noch eben mit dem Wiener Malz, mit dem Karamellmalz das dann wieder schön abgefangen wird im Mund, schön weich ist. Also ja, tolles Bier auch, also wirklich, gefällt mir richtig gut.

Holger: Ich bin auch total froh, dass wir uns so entschieden haben, mal einfach so die Hauptbiere in den Vordergrund gestellt haben und haben dann jetzt mit dem Munique einfach noch mal ein Spezialbier. Und dass wir nicht nur jetzt bewusst auf diese ganz besonderen Biere gegangen sind oder gar auf die Craftbiere, die ja auch erwähnenswert sind mit dem Lemondrop Triple zum Beispiel, eines meiner absoluten Highlights. Aber ich finde das gut, dass wir heute uns total auf die Hauptbiere konzentriert haben. Und bei einem nächsten Mal können wir uns ja auch noch mal nur auf die Spezialbiere und Craftbiere konzentrieren. Wer weiß es, mit was weiß ich für einer neuen Brauanlage irgendwo in München. Für mich ist es ja auch so, die Heilig-Kreuz-Kirche, die ist ja gegenüber des Bräustüberls, und vielleicht ist ja auch Gott im Spiel. Also das kann ja auch noch sein irgendwie.

Simon Rossmann: Weißt du, was ich dir tatsächlich sagen muss? Wir haben ja damals, gegenüber ist ja die Lutherkirche, die protestantische, und dann die Heilig-Kreuz-Kirche, die katholische, wir haben sie parallel von beiden Priestern / Priesterinnen segnen lassen. Vielleicht liegt‘s auch daran, ich weiß es nicht.

Holger: Also wahrscheinlich.

Simon Rossmann: Nicht der gläubigste Mensch, aber manchmal brauchen Sachen eine Basis, die keiner hinterfragt, und dann ist irgendein Grundrauschen drin, was passt. Wir schauen mal, was passiert. Man darf ja jetzt auch nicht vergessen bei den ganzen Bieren, wir hatten jetzt fünf Biere, wir waren, wie du schon sagst, alle untergärig. Wir hatten schon so eine untergärige Biervielfalt auch. Das ist ja auch immer, meistens wird es dann erst spannend, bei den meisten, wenn es obergärig wird. Also von dem her lasst uns gern noch mal den Teil 2 irgendwo in der Kirche machen, wo auch immer. Schauen wir mal.

Holger: Unbedingt! Wir haben ja immer schon gesagt, wir machen irgendwann auch mal BierTalk live. Und das werden wir auch sicher irgendwann tun.

Markus: Sehr schön! Also ein gesegnetes Bier von einem gesegneten Braumeister in einer gesegneten Brauerei, das sicherlich auch für sehr selige Biertrinker sorgt, die dann auch genüsslich und gemütlich entschlummern. Das ist doch wirklich ganz, ganz toll. Also entschlummern in den Schlaf, nicht ansonsten natürlich.

Simon Rossmann: Nein, Schlaf. Genau.

Markus: Sehr, sehr schön! Toller BierTalk, tolle Range heute.

Holger: Absolut! Ich bedanke mich bei euch beiden für diesen kurzweiligen und doch überzogenen BierTalk. Mir hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht. Und Simon, vielen, vielen Dank für deine Zeit.

Simon Rossmann: Immer gern.

Holger: Und Markus, wie immer, dich an meiner Seite zu haben, ist einfach unschlagbar. Danke!

Markus: Das kann ich nur zurückgeben. Vielen Dank an euch beide. Toll! Danke!

Holger: Tschüss!

Simon Rossmann: Ich sage auch danke. Ciao! Servus!

Markus: Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 13 – Interview mit Matthias Breitenfellner, Bier-Importeur aus Bangkok

Matthias Breitenfeller wuchs in der wunderschönen Dreiflüssestadt Passau auf – und in das Importgeschäft seiner Eltern hinein. Die kauften allerlei Asiatisches, vor allem aus Thailand, und boten es in Deutschland feil. Nach dem Studium drehte der Junior jedoch den Spieß um, und seitdem fließt Passauer Hacklberg-Bier nach Fernost. Zudem lernte Matthias noch die Liebe seines Lebens kennen und alle Ecken von Bangkok lieben. Im BierTalk erzählt er, wie es zu all dem kommen konnte – und verkostet natürlich auch echte illegale Garagenbiere aus den thailändischen Hinterhofbraustätten…

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