BierTalk 32 – Interview mit Oliver Wesseloh, Kreativbrauerei Kehrwieder, aus Hamburg

Er gehört definitiv zu den Pionieren der deutschen Craftbrauer-Szene: Oliver Wesseloh aus Hamburg. Einst in die Welt ausgezogen, um in der Karibik Bier zu brauen, verkaufte er schließlich Brauanlagen in ganz Amerika und beschloss am Ende, nach Hause zurückzukehren, um in Hamburg quasi aus einer Molkerei eine Brauerei zusammenzuschrauben – und Weltmeister der Biersommeliers zu werden. Doch die Anfänge liegen bereits in der Jugend des sympathischen Nordlichts, das mit Holger Hahn und Markus Raupach stolze sechs Biere in 45 Minuten verkostet – sportlich, aber machbar – und sehr unterhaltsam…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks, heute Nummer 32. Wir sind wie immer weit gereist. Wir, das sind erst mal ich, der Markus, und …

Holger: … der Holger.

Markus: Also Bamberg und München. Wir sind weit gereist, nämlich bis nach Hamburg, um einen guten alten Freund dort kennen zu lernen oder mit euch kennen zu lernen, damit ihr ihn kennenlernen könnt, nämlich den Olli Wesseloh, der mit seiner lieben Frau Julia am Mikrofon sitzt. Und da sagen wir doch gleich mal: Hallo Olli! Und vielleicht stellst du dich kurz mal unseren Hörern vor.

Oliver Wesseloh: Moin Markus! Moin Holger! Vielen Dank für die Einladung! Julia und Oliver Wesseloh von der Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg, Brauer jetzt seit über 27 Jahren, seit 2011, da haben wir angefangen, die Kehrwieder Kreativbrauerei aufzubauen. Wir machen das zusammen als klassischen Familienbetrieb.

Markus: Also der Auftakt von einer Sache, die dann auch viele Generationen vielleicht andauert, wie das bei vielen Brauereien ja schon so ist, die es gibt. Ich habe neulich jetzt auf Facebook mal ein Foto gesehen von auch so anderen, die so in deiner Zeit angefangen haben und drunter hat dann einer kommentiert: Ob’s denn jetzt schon Planungen gibt für ein Altersheim für die ersten Craft-Brauer. Was würdest denn du so jemandem antworten?

Oliver Wesseloh: Den Post habe ich auch gesehen, fand ich auch sehr, sehr lustig. Weiß ich nicht, also wenn ich mir manche Leute angucke, habe ich nicht das Gefühl, besonders alt zu sein. Manchmal fühle ich mich so, aber nein, alles gut. Es ist eine schöne Szene, und ich glaube, da haben wir noch viel zu erleben. Ich habe nicht das Gefühl, dass diese erste Generation zum alten Eisen gehört. Altehrwürdig vielleicht bei vielen, aber ja.

Holger: Olli, der Bart ist grau und …

Oliver Wesseloh: Das stimmt.

Holger: … das bedeutet Erfahrung, maximale Erfahrung. So ist das.

Oliver Wesseloh: Genau.

Markus: Und es gibt ja eigentlich ein Bier, das für dich wirklich steht, dass du ja auch erfunden hast, auch vom Namen her, das ist der so genannte Prototyp. Hast du Lust, wollen wir vielleicht mit dem mal in unsere Verkostung einsteigen?

Oliver Wesseloh: Na klar, sehr gerne. Ist immer ein gern genommener Opener in Verkostungen von mir, weil es halt eben auch unser erstes Bier war. Ich glaube, im Januar 2013 haben wir den gebraut, nachdem wir dann lange Zeit nach einem Standort gesucht hatten und erst mal noch nicht fündig geworden sind. Haben wir dann einfach, das ist das Schöne an der Bierszene im Allgemeinen, dass die ja sehr dörflich ist, man kennt sich untereinander, und haben dann bei einem Freund in Dänemark, wo sich zur damaligen Zeit die Craftbier-Szene schon viel weiterentwickelt hatte, gesagt, fahren wir mal hin und machen mal ein erstes Bier, während wir noch am Standort suchen und Anlage bauen sind, um einfach mal auch zu gucken, wie die Leute darauf reagieren, ob unsere Ideen funktionieren oder nicht.

Markus: Jetzt haben wir es uns ja schon ein bisschen eingegossen, aber ich glaube, wir müssen noch mal ganz kurz eins vorher springen für die Hörer, die dich nicht kennen. Also du sprichst jetzt schon von der Standortsuche und so weiter, da sind wir ja im Grunde schon bei der Errichtung oder Einrichtung von einer Brauerei. Vielleicht, wenn wir da noch einen Schritt zurückgehen: Wie kommst du überhaupt zum Bier? Wie kommst du überhaupt nach Hamburg? Und wie war dann diese erste Idee, das dann umzusetzen?

Oliver Wesseloh: Es gab nicht diesen ersten Schlüsselmoment. Also Bier war einfach immer das Getränk, das mir getaugt hat, also dem Zeitpunkt, wo man Biertrinken vielleicht anfängt. Und habe dann durch einen Schüleraustausch mit einem kanadischen College die Inspiration bekommen, da tatsächlich auch beruflich was zu machen. Und zwar waren die Kanadier zuerst bei uns in Hamburg zu Besuch, also ich bin Hamburger gebürtig, so wie meine Frau Julia. Wir haben die in Hamburg vom Flughafen abgeholt, haben die gefragt, Leute, wie sieht das aus, wollt ihr heute noch was machen oder seid ihr platt, wollt ihr duschen und pennen gehen? Die sagten: Nee, nee, wir wollen heute unbedingt zwei Sachen machen, wir wollen die Reeperbahn sehen und wir wollen deutsches Bier trinken gehen. Alles klar! Beim Rückweg vom Flughafen dann an der Reeperbahn vorbeigefahren, dass wir zumindest mal rausgucken konnten, und sind dann abends in die Kneipe. Die haben sich in Rekordtempo einen reingestellt und das haben sie auch so die Zeit über, die sie hier waren dann die drei Wochen, so beibehalten. Und als wir dann im Gegenzug drüben in Toronto waren, sind wir am ersten Abend auch mit denen in eine Kneipe gegangen und die haben sich halt als allererstes, wir waren zu siebt, und die haben sich fünf Pitcher bestellt. Also diese Anderthalb-Liter-Eimer, aus denen man dann nachher maximal kohlensäurefrei sich in kleine Gläser das Bier noch mal umfüllt. Wir haben erst mal protestiert und gesagt, ey Leute, macht doch mal langsam irgendwie, das wäre doch schade, nicht so schön… Und die so: Nee, probiert‘s doch erst mal und dann sehen wir weiter. Ich weiß noch, das war ein Labatt Blue, weil damals zwar schon 18, durften wir aber trotzdem keine stärkeren Biere trinken, also nur Biere bis 3,5 Prozent. Und ich habe echt gedacht so: Was ist das denn? Alsterwasser Light oder was soll das sein? Da mir Kanada sehr gut gefallen hatte und die Leute immer alles, also egal wen ich in Kanada getroffen hatte, immer irgendwie eine Verbindung hatten so zu Deutschland und Bier, da habe ich ursprünglich aus Jux gesagt: Ach Mensch, dann gehe ich doch nach Kanada und braue denen deutsches Bier. Als ich dann zurück war und dann das Abi an stand und man sich mal so langsam Gedanken machen musste, habe ich gedacht: Ach, so doof ist die Idee eigentlich gar nicht. Ich habe dann bei einer Gasthaus-Brauerei hier in Hamburg angefangen und bin danach nach Berlin an die VLB, habe dort Brauwesen studiert, habe meinen Diplom-Ingenieur für Brauwesen gemacht, und dann hat es mich so ein bisschen lustig durch die Welt verschlagen. In Berlin habe ich dann, lustigerweise in Berlin erst, Julia kennengelernt, obwohl wir eigentlich im gleichen Freundeskreis aufgewachsen sind. Sind dann durch lustige Zufälle in der Karibik gelandet, erst Dominica, dann Cayman Islands, und da dann immer als Brauer, und zuletzt hat mich dann einer der drei großen Brauanlagen-Hersteller quasi abgeworben als technischen Vertriebsleiter für Nordamerika und die Karibik. Und das ist so der Punkt, der für mich Schlüssel-Zeitpunkt ist, weil ich dann dafür bezahlt wurde, die US Craft-Beer-Szene zu bereisen und denen Sudhäuser und Tanks zu verkaufen. Das war natürlich ein Traum für mich, weil ich dann halt eben abends immer mit den Brauereibesitzern, respektive Brauern, zusammengesessen habe und mit denen über ihre Biere gequatscht habe und festgestellt habe: Ach Mensch, ja genau, darum bin ich mal Brauer geworden, nämlich um Leute mit Bier zu begeistern. Als Brauer willst du natürlich immer dein eigenes Bier machen. Bis dahin fehlte mir so ein bisschen die Vision. Die habe ich da gefunden. Natürlich haben wir uns dann immer wieder darüber unterhalten, Julia und ich, das dann halt eben auch mal umzusetzen. Durch diverse Umstände war es dann 2011 soweit, dass wir gesagt haben so: Nee, alles klar, das machen wir jetzt. Ich habe dann halt auch die deutsche Szene immer so ein bisschen beobachtet, ob sich da was tut. Und das war so Anfang 2011, konnte man auch sehen, dass so langsam ein bisschen was passiert. Und gesagt: Okay! Entweder sind wir jetzt vom Start weg dabei oder wir lassen es. Und haben uns dafür entschieden, dann den Job zu kündigen und dann halt eben in unsere Heimat nach Hamburg zurück zu gehen und da die Kehrwieder Kreativbrauerei aufzubauen. Das war allerdings natürlich 2011, 2012. Wenn man da jetzt zu einer Bank gegangen wäre und denen gesagt hätte, ich habe ein Super-Geschäftsmodell, ich mache eine Brauerei auf, hätten die sich wahrscheinlich vor Lachen den Bauch gehalten, aber uns sicherlich kein Geld gegeben. Deswegen haben wir uns dann damals drangemacht, einfach aus alten Milchtanks unsere Brauanlage selber zu bauen, auf der wir auch immer noch tatsächlich brauen. Also das ist dann halt eben das Thema, also um den Bogen jetzt wieder zurück zu spannen, Standortsuche, Brauanlage bauen. Dann sind wir halt eben, als sich das alles ein bisschen in die Länge gezogen hat, zu Freunden nach Dänemark, um das erste Prototyp zu brauen.

Markus: Da haben wir praktisch echt Glück gehabt, dass du dann auch wirklich am Ende doch wieder in Deutschland gelandet bist, sonst hätten wir den Prototyp gar nicht im Glas. Also insofern ist das ja schon mal ziemlich gut. Holger, du hast doch das Bier …

Holger: Männer, Männer, Männer, also Prototyp ist auch ein superspannendes Stichwort und ich höre auch super-gerne zu, aber das Bier wird warm, kann ich nur sagen, ist auch schon im Glas. Also wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich sagen, wir trinken mal einen Schluck. Sonst fragen die sich noch, wo die gelandet sind. Die sollen ja erkennen, dass es ein BierTalk ist, oder?

Markus: Dann erst mal: Prost! Und Holger, du kannst ja gleich ein bisschen was zu deinen Eindrücken zum Bier sagen. Prost!

Holger: Ich habe es halt schon im Glas. Also ihr habt’s auch im Glas schon, oder?

Oliver Wesseloh: Ja, natürlich.

Markus: Ja.

Holger: Dann bin ich ja beruhigt. Naja, also was habe ich hier im Glas? Ich habe ein naturtrübes, richtig schön goldfarbenes Bier im Glas, ein schöner weißer Schaum. Wenn man reinriecht, ist so eine schöne Fruchtigkeit da. Erinnert so ein bisschen an ein typisches kaltgehopftes Bier, also ein Pale Ale zum Beispiel. Aber ist ja eigentlich ein Lager, soweit ich weiß?

Oliver Wesseloh: Ja.

Holger: Ich verkoste mal einen Schluck. Prost!

Markus: Prost!

Oliver Wesseloh: Prost!

Holger: Da ist dann eben so eine schöne Bittere, ist trocken, ganz schlank. Hat für mich so eine leichte Maracuja-Note. Macht Lust auf den zweiten Schluck. Also ist so ein richtig schönes, also wir haben es ja hier richtig heiß in München, obwohl es auch schon ein bisschen geregnet hat. Aber mir ist halt, also ab 20 Grad wird es unerträglich, und ich glaube, wir haben gerade 26 oder 27 Grad. Ist genau das Richtige jetzt. Und deshalb mache ich das Glas jetzt auch leer. Prost!

Markus: Ja, Prost! Also aus der bayerischen Sicht würde ich ja jetzt fast sagen, Olli, wenn ich jetzt überlege, so im Jahr 2011, 2012, hätte ja jetzt ein bayerischer Braumeister gesagt, wie kommst du auf die Idee, so ein typisch bayerisches Lagerbier zu vergewaltigen und mit diesen ganzen Hopfen zu versetzen? Zu dieser Zeit, das ist ja schon was Besonderes, also wie kamst du dazu? Und warum hast du es dann Prototyp genannt?

Oliver Wesseloh: Zum einen ist meine Inspiration ja aus der US Craft-Bier-Szene zum gewissen Teil. Und wenn man mal wirklich in die Historie von denen zurückschaut, haben die sich wiederum von den europäischen Bierstilen inspirieren lassen und haben die halt mit ihren eigenen Rohstoffen gebraut. Dadurch sind dann halt eben diese sogenannten American Style Pale Ales entstanden, auch wenn es ja ein alter englischer Bierstil ist. Und ich habe gedacht, das ist eigentlich mal ein sehr, sehr sinnvoller Ansatz. Die paar Kollegen, du hast das Altersheim ja gerade schon genannt, oder Ruhesitz, die paar, die damals schon da waren, die haben im Prinzip alle ein IPA, also ein India Pale Ale als Flaggschiff gehabt. Auch wenn ich ein sehr, sehr großer Hop Hat bin und hopfige Biere sehr, sehr liebe, wollte ich aber halt eben nicht mit noch einem IPA einsteigen. Und fand es halt eben sinnvoll zu sagen, ja Mensch, die nehmen halt klassische Bierstile, also was ist denn einer der ganz klassischen Bierstile in Deutschland? Nehmen wir ein helles Lager und bohren das halt ein bisschen auf und machen das einfach ein bisschen peppiger, ein bisschen interessanter, sag ich jetzt mal, indem man halt eben Hopfen stopft, aber ansonsten das alles einigermaßen moderat hält.

Julia Wesseloh: Und wir hatten damals dann den Versuchsnamen genommen, Prototyp. Und das war so, dass Olli dann irgendwann sagte, er fährt mal nach Dänemark und braut mal das erste Bier. Und ich dachte: Ja, ja, fahr mal. Und in meiner Vorstellung war das so, dass er dann wiederkommt und noch ein bisschen an dem Rezept feilt und vielleicht hier noch ein bisschen die Hopfengabe ändert oder so. Also für mich war das noch kein fertiges Bier. Und dann ist er zurückgekommen und wir haben das damals noch in der Garage bei Ollis Eltern, Freunden und so, den ersten Bierverkäufern, sage ich mal, Interessierten vorgestellt. Und da haben wir halt gemerkt, das ist gleich ein Volltreffer. Und deswegen haben wir gesagt, der Prototyp geht jetzt in Serie. Und so ist der Name dann dageblieben.

Markus: Das ist, glaube ich, eine ziemlich weibliche Erfahrung, wenn der Mann irgendwie weggeht und dann macht er auf einmal Nägel mit Köpfen und kommt mit einem fertigen Produkt zurück und dann hat es so rechts überholt, so ungefähr. Finde ich klasse Sache. Inwiefern spielt denn der Prototyp heute in eurem Sortiment eine Rolle? Und habt ihr ihn verändert seitdem?

Oliver Wesseloh: Nein, der Prototyp ist immer noch exakt das gleiche Bier wie damals. Es ist lange Zeit unser Flaggschiff gewesen. Ich habe von sehr, sehr vielen Leuten, und ich glaube, die Rolle spielt das zu großen Teilen immer noch, das Feedback bekommen, dass das Prototyp quasi das Einstiegsbier in die Kreativbierwelt für viele Leute gewesen ist. Weil das Prototyp ist so ein bisschen wie so ein alter Bekannter, ein guter Kumpel, mit neuen Klamotten. Also ist sehr, sehr bekannt alles, also Holger, wie du es gerade auch beschrieben hattest, vom Körper schön schlank, da ist eine Bittere da, die ist aber halt eben jetzt vielleicht auf dem Niveau von einem süddeutschen Pils, also lange nicht auf einem, das, was wir im Norden kennen. Wie gesagt, schön erfrischend, Super-Drinkability, aber halt mit diesem schönen fruchtigen Add-On. Das ist halt eben, wie gesagt, Farbe alles, das ist bekannt. Und nimmt einen so ein bisschen an die Hand in die Welt, was da halt eben noch so kommt biermäßig. Dementsprechend war es halt eben für viele das Einstiegsbier, die Einstiegsdroge. Für uns natürlich ganz, ganz lange Zeit das Flaggschiff. Ich glaube, 2015 haben wir damit angefangen, wäre auch sogar eine schöne Überleitung zum nächsten Bier. 2015 haben wir damit angefangen, ich glaube, so 2017 hat dann das ü.NN, das überNormalNull, unser alkoholfreies Bier, das Prototyp mal eben rechts überholt. Damit ist Prototyp jetzt nur noch unser zweitstärkstes Bier.

Markus: Ja, Olli, das ist natürlich eine sehr, sehr gute Überleitung. Aber bevor wir zum ü.NN kommen, und jetzt gerade, wo sich die Julia auch schon zu Wort gemeldet hat, steht für mich ja dazwischen noch so ein anderes Bier, nämlich das SHIPA, das Single Hop IPA. Hat das eher deinen Nerv getroffen, Julia? Was würdest du sagen?

Julia Wesseloh: Ich finde das sehr, sehr spannend, weil es immer wieder, also die Idee ist ja, dass es immer das gleiche Bier ist, nur immer mit einem anderen Hopfen. Und dadurch erfährt man, und das war gerade 2014 …

Oliver Wesseloh: Nee, nee, das war direkt, 2 Monaten nach dem Prototyp.

Julia Wesseloh: 2013, Entschuldigung, also 2013 haben wir auch das erste SHIPA gebraut. Und da war diese Hopfenvielfalt ja noch völliges Neuland in Deutschland. Und mich fasziniert das immer wieder. Ich glaube, in den ersten Jahren hatten wir mal den größten Unterschied, da hatten wir erst, glaube ich, Hüll Melon, der so ein bisschen Honigmelone-, Erdbeer-Note ins Bier bringt. Und danach hatten wir Polaris. Das hat mich auch, die ja noch nicht so viel mit Hopfen jetzt zu tun hatte zu dem Zeitpunkt, total fasziniert, wie ein natürlicher Hopfen nach Eisbonbon schmecken kann. Und da sieht man einfach, wie unterschiedlich der Hopfen sein kann. Und das hat das Bier ganz gut gezeigt. Und so hat es auch viele Liebhaber jetzt, die sich immer wieder freuen. Jetzt gerade haben wir auch ein neues, das Cashmere, ist ja auch ein ganz neuer Hopfen, und da sind auch viele gespannt, um den Hopfen auch auszuprobieren.

Markus: Ja, da freue mich auch schon sehr drauf. Ich habe da meine erste intensive Erfahrung gemacht, glaube ich, auf der INTERNORGA damals mit dem Hallertauer Blanc, was auch sehr, sehr lustig war. Aber vielleicht sollten wir jetzt zu dem Bier kommen, was wir probieren wollen, nämlich das ü.NN, was ja so im Grunde seines Herzens eigentlich auch ein IPA ist. Ja, Olli, was sagst du denn dazu? Wie sollen wir es denn einschenken? Wie genießt man es am besten?

Oliver Wesseloh: Wie die meisten Biere, am liebsten aus dem Glas. Es ist ein IPA, natürlich. Hat eine gute Bittere, nur eben keinen Alkohol.

Markus: Also, dann machen wir es mal auf.

Oliver Wesseloh: Du hast da eben schon so einen richtig schönen kupfer-orangenen Ton, in dem Bier drin klassische, sage ich mal, fast schon englische IPA-Farbe. Der Schaum geht schon fast ein bisschen ins Beige hinein. Und wenn du eine Nase nimmst, ich liebe das immer wieder, primär süße Früchte, für mich ist das halt eben tropisch, Mango, ein bisschen reife Ananas und so einen Hauch Limette hintendran. Ich hatte vorhin gesagt, ich fange gerne Verkostungen mit dem Prototyp an und genau danach stelle ich das ü.NN auch immer, ohne primär jetzt erst mal über den Alkoholgehalt zu reden, sondern moderiere das Bier im Prinzip an wie ein klassisches IPA. Und frage dann hinterher immer so ein blöd in die Runde, was die Leute denn meinen, wie viel Alkohol das hat? In den meisten Fällen ist so die Einschätzung, irgendwo in einem Bereich zwischen 3 und 6 %.

Markus: Ja, und da sind wir ja eindeutig nicht, sondern deutlich darunter mit 0,4. Also durchaus spannend. Holger, du bist ja auch ein großer Fan dieses Bieres, mir gefällt ja am besten die Cremigkeit auch im Mund und es schaut ja wirklich auch sehr britisch aus fast, was sagst du denn?

Holger: Ich muss einfach gestehen, wo ich es zum ersten Mal getrunken habe, habe ich gedacht: Endlich! Also wirklich endlich hat die Bierwelt was produziert, was einfach unheimlich großartig schmeckt und dann auch noch total gesund ist. Also Bier ist ja sowieso gesund, aber alkoholfreies Bier insbesondere. Und ich war von Anfang an sehr begeistert von dem Bier und ich habe die Erfahrung vom Olli zu 100 %. Also ich mache das auch immer so, dass ich das mehr oder weniger erst mal nur einschenke und sage, hier, schön, dass ihr da seid und Prost! und so. Und grade so ein schöner Sommertag wie heute. Und dann sage ich: Und? Das ist doch besser als ein Alkoholfreies, oder? Das hat doch was. Und dann sagen alle: Yo! Das ist echt lecker. Und dann sage ich: Ja, aber scheiße, scheiße, hat fast kein Alkohol. Und dann sagen alle: Boah! Nee, nee, nee. Und dann hole ich die Flasche raus. Und dann gibt’s halt immer ein totales Aha-Erlebnis. Und das finde ich großartig, dass man eben jetzt auch noch mal, also Craftbier-Szene hat ja sowieso gebracht, dass wir ganz anders über Bier sprechen können als früher. Und diese Biere, die jetzt auch alkoholfrei oder alkoholarm sind, die machen es möglich, jetzt auch darüber richtig gut zu sprechen und Leute zu begeistern. Und das find ich großartig. Also herzlichen Glückwunsch! Und danke!

Oliver Wesseloh: Wir danken. Das Schöne dabei ist, aus meiner Sicht, tatsächlich, also auch wirklich aus meiner persönlichen Sicht, dass es jetzt Alternativen gibt, wo man mit Genuss alkoholfreie Biere trinkt. In der Vergangenheit war es ja eher so, dass wenn man zu einem Alkoholfreien gegriffen hat, dann war es geschmacklich ja doch immer eher eine Bestrafung anstatt irgendwie Belohnung dafür, dass man keinen Alkohol trinkt. Ich greife immer wieder gerne zum ü.NN oder meinetwegen auch zu anderen alkoholfreien Pale Ales oder sowas, einfach weil die eine gute Alternative sind, die einfach einen vollen Geschmack haben, nur halt eben kein Alkohol dabeihabe. Aber man vermisst halt eben nichts dabei. Und das ist wirklich das, was wirklich Spaß dabei macht.

Markus: Und was ich auch sehr faszinierend finde, ist, das schlägt ja auch eine Brücke zwischen der Küste sozusagen und Bayern, weil du ja das mit einem Freund zusammen entwickelt hast, mit dem Sebastian Jakob. Wie kam es denn überhaupt da dazu, dass gerade ihr zusammenarbeitet? Und warum kamt ihr dann gerade auf die Idee, sowas zu machen in eine alkoholfreie Richtung?

Julia Wesseloh: Ich bin ja immer sozusagen ein bisschen mittendrin und beobachtend. Also erstmal zu Sebastian Jakob, damit besteht, glaube ich, zu der Brauerei schon seit über 20 Jahren eine Freundschaft. Als wir dann gemerkt haben, wir brauchen neue Kapazitäten, da war uns halt wichtig, dass wir erstens jemanden finden, der Olli auch ans Sudhaus ranlässt. Hast du ja auch nicht oft, dass jemand das Vertrauen hat und ein Brauer das Sudhaus überlässt. Aber auch, weil es gibt ja immer noch Wochen dazwischen, wir brauen zwar und sind auch bei der Abfüllung dabei, aber in der Zeit dazwischen muss ja auch jemand gut aufs Bier aufpassen. Und da wussten wir halt beim Sebi, dass das gut funktioniert. Ich weiß noch, dass Olli irgendwann immer mal die Idee im Kopf rumgeisterte, alkoholfrei muss doch auch in lecker gehen. Da haben die sich dann ausgetauscht.

Oliver Wesseloh: Da springe ich mal hier mit rein, genau, weil das war dann ein lustiger Zufall. Ich habe wieder beim Brauen beim Sebastian gesessen und habe halt eben gesagt: Weißt du was? Ich würde gern mal ein alkoholfreies IPA machen. Das Problem ist immer noch so ein bisschen die Methoden. Und Sebastian sagte: Du, mir hat hier grad ein Labor eine Hefe angeboten für ein alkoholfreies Weizen. Lass doch mal mit denen schnacken. Haben wir gemacht, das hat dann leider mit denen überhaupt nicht geklappt, weil die sich extrem affig angestellt haben und ganz komische Verträge aufsetzen wollten. Und dann habe ich einfach mal so ein bisschen rumgefragt bei der TU München und bei der VLB natürlich, und geschaut, was es da für Hefen gibt. Weil im Prinzip, wenn wir jetzt in die Verfahren gehen, gibt es ja halt eben klassisch drei Verfahren, und wir haben uns dann halt eben für das Verfahren von einer gärschwachen Hefe entschieden, weil alles andere technologisch sehr, sehr aufwendig ist. Und es mehr oder weniger aus Jux mal ausprobiert. Und da sagte Sebastian: Ja Mensch, das ist eigentlich eine coole Idee, das würde ich auch gerne mitmachen. Und dann haben wir halt sozusagen dieses alkoholfreie IPA dann zusammen entwickelt und bei ihm gebraut. Und betreiben wir auch beide relativ erfolgreich, würde ich sagen.

Julia Wesseloh: Das ist immer wieder faszinierend, weil rückblickend könnte man sagen, Mensch, das Marketing, hatte eine super Idee bei Kehrwieder, weil es tatsächlich einen Markt dafür gibt. Aber so weit vorausblickend haben wir da gar nicht geplant.

Oliver Wesseloh: Nein, es war ein Witz, das Bier war ein Jux ursprünglich.

Julia Wesseloh: Also das Bier war ein Jux und einfach Olli, der braut halt, was ihm gefällt. Und da hatte er einfach mal Lust drauf. Dass das dann solche Wellen schlägt und auch tatsächlich so viele Biere nach sich zieht, da hat keiner mit gerechnet. Und jetzt ist es unser auflagenstärktes Bier.

Markus: Eben. Und jetzt ist es euer stärkstes Bier. Das ist schon wirklich eine großartige Sache. Aber ich glaube, wir müssen langsam mal zum nächsten Bier gehen und klettern vielleicht die Alkoholleiter wieder ein bisschen hoch. Und da haben wir ja ein schönes Bier mit einem Namen, den du schon mal erwähnt hast: DOMINICA.

Oliver Wesseloh: Ich muss mal das ü.NN noch eben austrinken. Ich hatte gerade die ganze Zeit geredet, Entschuldung.

Julia Wesseloh: Genau. Während Olli …

Markus: Ja, das haben die Bayern den Hamburgern dann doch voraus. Meins ist natürlich schon lange leer.

Julia Wesseloh: Er hat sich einfach viel mehr eingeschenkt als mir. Deswegen muss er das jetzt austrinken.

Markus: Du, bei mir ist auch die Flasche leer.

Julia Wesseloh: Kurz was zu dem Namen. Also vielleicht ist es euch schon mal aufgefallen, die ersten vier Standards weichen da noch so ein bisschen ab, also ü.NN, Prototyp und SHIPA, die ersten Drei. Alle anderen werden nach Destinationen benannt. Und DOMINICA ist einfach unsere Lieblings-Karibikinsel und das Bier würden wir jetzt total gerne dort irgendwie in den Tropen, in den tropischen Wäldern trinken, weil es da gut hinpasst.

Markus: Sagt doch mal in zwei Sätzen, wie es da ausschaut und solange mache ich es auf.

Oliver Wesseloh: DOMINICA ist tatsächlich unser persönliches Paradies. Das ist eine sehr noch unberührte vulkanische Insel in der östlichen Karibik, das ist wilde Karibik pur, wie man es sich besser nicht vorstellen kann. Ja, war mein erster Job in der Karibik, da war Julia damals noch nicht mit, da hatte sie noch bei der Zeitung gearbeitet. Es ist tatsächlich für uns beide so das persönliche Paradies. Das ist wirklich eine wunder-wunder-wunderschöne Insel. Wenig touristisch erschlossen, was glaube ich aber auch gut ist, was sie halt eben noch sehr unberührt lässt. Ganz, ganz viel ursprünglicher Regenwald, ist glaube ich auch in World Heritage Site, der Regenwald ist irgendwie UNESCO-geschützt.

Julia Wesseloh: Und das Bier passt da einfach sehr, sehr gut hin, weil es leicht ist. Das ist genau das, was man da trinken möchte. Da möchte man jetzt irgendwie kein IPA mit 7,5 % trinken. Und es hat diese wunderbare Fruchtigkeit, die es eben da in der Karibik gibt, die da an den Bäumen hängt.

Markus: Ja, Holger, du warst doch schon überall in der Welt. Hast du in Dominica auch schon irgendjemandem einen LKW angedreht?

Holger: Nee, habe ich noch nicht. Also ich war zwar schon in der Karibik, aber da war ich noch nie. Also ich war auf Kuba mal und da habe ich ein totales Abenteuer erlebt. Und zwar bin ich da hin und war da sechs Wochen und habe mir dann in Santiago de Cuba einen alten Lada gebraucht gekauft. Also du siehst, ich kann es nicht lassen. Und bin dann da sechs Wochen über die Insel mit diesem gebrauchten Lada, und habe den dann in Havanna wieder verkauft und bin dann zurückgeflogen. Und das war ein super Urlaub. Also Prost!

Oliver Wesseloh: Klingt auf jeden Fall danach. Prost!

Markus: Und hast du am Ende teurer verkauft wahrscheinlich als du den eingekauft hast?

Holger: Selbstverständlich, das ist doch die Gebrauchtwagen-Luden-Ehre.

Markus: Also Fruchtigkeit ist ja wirklich Programm bei dem Bier. Das erschlägt einen ja fast schon durch die Nase. Also alle tropischen Früchte, die man sich vorstellen kann, wirklich sehr intensiv, sehr schön dann aber auch am Gaumen. Und trotzdem jetzt nicht so überbordend, dass man da irgendwie satt wird oder dass es einem zu viel wird, sondern einfach ein richtig schönes, angenehmes, tolles Bier. Also Kompliment! Hast du gut hinbekommen.

Oliver Wesseloh: Vielen Dank! Das ist tatsächlich auch, sage ich mal, das am stärksten wachsende Bier bei uns gerade, was wirklich, also jetzt gerade natürlich in der Sommerzeit, am stärksten nachgefragt wird. Damit haben wir eigentlich Mitte letzten Sommer angefangen und das mausert sich gerade dahin, ich glaube fast, die Nummer 3 bei uns einzunehmen. Ich glaube, das Schöne dabei ist, das ist so eine Mischung aus zwei, sage ich mal, Erfahrungen, die ich gemacht habe. Auf der einen Seite habe ich so ein etwas gespaltenes Verhältnis zu diesen sogenannten New England oder Hazy IPAs. Ich finde den einen Teil von den Bieren super, den einen Ansatz, den anderen finde ich Quatsch. Und zwar, fangen wir mit dem Quatsch an, also dass halt eben so ein irrer Aufwand betrieben wird, die Biere ungeheuer trüb zu machen. Also bis dahin, dass sie aussehen wie, als wenn man Hefe aus dem Tank gezogen hätte. Finde ich ein bisschen quatschig. Wir filtrieren unsere Biere nicht, aber wenn ich das Bier vernünftig auslagere, dann habe ich da nicht mehr so viel Trübung drin. Warum soll ich jetzt irgendwie alles unternehmen inklusive unvermälzten Weizen auf den Läuterbottich und ich weiß nicht was, damit ich da eine stehende Trübung reinkriege. Von dem Teil bin ich jetzt wenig Fan. Was ich toll finde, ist halt eben den Ansatz bei diesen IPAs zu sagen, okay, wir fahren die Bittere so weit wie möglich runter und die Fruchtigkeit bis zum Anschlag nach oben. Funktioniert, finde ich, super. Das andere war eine Erfahrung, die ich mal bei einem Collaboration-Sud gemacht habe, als ich mal in Sheffield war und mit dem Kollegen abends halt den klassischen Pub crawl gemacht habe. Und dann festgestellt habe, die ganzen Biere von den bekannten Brauereien, die man aus der Gegend kennt, also ob es jetzt Cloudwater, Wild Beer Co, selbst Beavertown, da kriegt man hier meistens die potenteren Biere. Aber alles, was da in den Pubs am Hahn hängt, da hat kaum ein Bier 5 %. Die sind alle so im Bereich zwischen, naja, 4,3 bis 4,7. Habe ich erst gedacht so, das ist ja komisch. Aber speziell, wenn man, in Bayern ja ähnlich, in UK immer Pines trinkt, hat das natürlich den Riesenvorteil, wenn du abends in einer Kneipe stehst, kannst du natürlich mit einem 4,5-prozentigem Bier ein paar mehr trinken. Das freut dich selber, weil du bist nicht nach dem zweiten Bier fertig, und den Wirt freut‘s auch, weil er halt ein paar mehr verkaufen kann. Da habe ich gedacht, da bin ich mal gespannt, finde ich ein gutes Konzept, und habe die beiden Sachen halt eben kombiniert. Also halt wirklich ein Bier, was halt eben schön schlank, Drinkability aufs Maximum geschoben und halt eben das Maximum an Frucht da rein. Also das Bier hat tatsächlich vom Hopfenstopfen her die doppelte Menge, deswegen Double Dry Hopped Pale Ale von dem, was wir ins SHIPA stopfen.

Markus: Und dann hast du vorhin erwähnt, du braust in deiner Anlage selbstgemacht aus Milchzubehör. Das ist aber nicht so, dass dieses Bier jetzt in der Milchkanne entsteht, oder? Wie können wir uns das vorstellen?

Oliver Wesseloh: Je nachdem, wie du Milchkanne definierst. Es sind alte Milchkühltanks, also die jetzt tatsächlich bei, ich glaube, irgendwo bei unserer Homepage müsste man da noch ein Bild davon sehen können, die früher bei den Milchbauern standen und dann halt eben nach dem Melken die Milch zwischengelagert wurde, bis sie halt eben dann von den Milch-Lkws abgeholt wurde. Und die haben halt eben eine kühl-respektive Heiz-Zone unten drauf und das nutzen wir halt eben und haben uns da noch ein Gestell drunter dazu gebaut und die Rohrleitungen bauen müssen. Und da haben wir eben unser kleines Vier-Geräte-Sudhaus, mit dem wir dann da arbeiten. Da sind wir tatsächlich noch bei Handarbeit at its best. Nicht, dass ich das sagen würde, das muss alles so sein, also man könnte ein paar Sachen tatsächlich automatisieren ohne irgendwelche Qualitäts- oder irgendwas Einbußen. Aber bei uns wird wirklich noch der Treber komplett von Hand nach oben rausgeschaufelt, jedes Dampfventil wird von Hand aufgemacht und von Hand zugemacht. Weniger automatisiert geht nicht.

Markus: Holger, da waren wir doch beide auch schon, oder? Jetzt muss ich mal ganz kurz, aber trotzdem, damit wir ein bisschen vorankommen, das nächste Bier hat nämlich so einen spannenden Namen. Und da könntest du ja vielleicht noch mal einleiten, das Alte Land. Holger, das kennst du jetzt aber, oder?

Holger: Nee, nee, unbedingt. Also du weißt ja, ich habe ja auch schon mal in Hamburg gelebt, etwas mehr über vier Jahre. Und das Alte Land ist quasi vor den Toren Hamburgs einfach ein schönes Gebiet, wo Obst angebaut wird, vor allen Dingen Obst. Und das ist natürlich auch ein Naherholungsgebiet. Und jetzt lese ich ja hier Frucht Gose. Ja, also das ist natürlich ein schöner alter Bierstil, der fast von der Bildfläche verschwunden war, aber jetzt ja immer mehr kommt. Und du hast mir ja heute schon erzählt beim World Beer Awards gab‘s auch tolle Gosen. Und da freue ich mich jetzt ganz besonders darüber. Aber ich habe noch einen Wunsch. Lass uns doch noch mal ein bisschen auch über den Verein sprechen, den der Olli da gegründet hat, glaube ich, sogar, also „Die Deutschen Kreativbrauer“. Und da geht’s ja auch so ein bisschen darum, wie macht man eigentlich Bier und wofür steht der Verein und wofür setzt der sich ein und wofür kämpft der Verein. Und dabei können wir ja die schöne Frucht Gose verkosten.

Markus: Ja, sehr, sehr gerne. Also ich habe das DOMINICA ja auch schon leer. Also müssen wir gerne zu der spannenden Erzählung über die Kreativbrauer was trinken. Also lass uns gerne aufmachen und Olli, dann sind wir mal gespannt, was du zum Bier und zu den Kreativbrauern erzählst.

Oliver Wesseloh: Da passt in der Tat das Bier wunderbar dazu, weil es eine perfekte Verkörperung von dieser Thematik ist. Die Deutschen Kreativbrauer, und die habe nicht ich gegründet, aber mitgegründet, wir waren insgesamt 11 Gründungsmitglieder, gehen auch zurück, ich glaube, auf das Jahr 2014 oder 2015, 2014 haben wir uns das erste Mal damals beim Thomas Wachno in Bad Rappenau, dem Hopfenstopfer, getroffen. Das war noch eine ganz kleine Gruppe, da war der Alex Himburg noch dabei, Thorsten Schoppe, Andi von der Pax Bräu, vergesse ich jetzt einen? Naja. Und haben dann in 2015 quasi gesagt, okay, lasst uns einen Verband gründen. Im Prinzip aus zwei Beweggründen, auf der einen Seite ist bis dahin dann ja auch schon der Begriff Craft im weitesten Sinne, naja, maximal vergewaltigt worden in Deutschland. Also zwischenzeitlich hat ja auch Beck‘s Craftbier gemacht. Und die Problematik war natürlich, es gibt aus den USA von der Brewers Association eine Definition für Craft Beer, die in Deutschland aber natürlich überhaupt nicht funktioniert. Und ansonsten gab es halt eben keine greifbare Definition. Also jeder hat das irgendwie so ein bisschen für sich dahin definiert, bis hin zum, ich glaube, das waren die privaten Brauereien, die gesagt haben, naja, bei uns in Franken machen wir schon seit 200 Jahren Craftbier. Ich so: Ja, okay, wenn man halt Handwerk, wenn man es direkt übersetzt und sagt, handwerklich, fein, fein, aber wenn man seit 200 Jahren eine Biersorte macht, ist das sicherlich toll, aber ist, glaube ich, ein bisschen ein anderer Ansatz dabei. Also ging es darum, so ein bisschen einen Begriff zu etablieren, deswegen haben wir uns auch bewusst gegen den Begriff Craft entschieden, sondern halt eben für Kreativbier, respektive Kreativbrauer, haben das einmal umrissen, dafür eine Definition für uns gesetzt und haben dann auch oder arbeiten auch weiterhin daran, die Möglichkeit zu eröffnen, bundeseinheitlich nach einem Natürlichkeitsgebot zu brauen. Ich möchte jetzt gar nicht erst das Fass aufmachen, aber die aktuelle Gesetzeslage in Deutschland ist mehr als überarbeitungsbedürftig, speziell dass es in Bayern eine andere Regelung gibt als im Rest von Deutschland. Diese Gose zum Beispiel, dadurch dass sie mit Himbeeren gebraut wurde, ich darf das in Hamburg, ich habe dafür eine Ausnahmegenehmigung, die ich beantragen muss, in Bayern gibt’s diese Möglichkeit zum Beispiel gar nicht. Das ist natürlich Quatsch. Und wir möchten uns aber schon dafür einsetzen, dass halt eben nur natürliche Rohstoffe zum Brauen hergenommen werden. Also es gibt ja auch teilweise Tendenzen, in manchen Ländern einfach irgendwelche Aromen-Extrakte halt eben her zu nehmen. Da muss ich ganz ehrlich sagen, das halte ich auch für totalen Mist. Das tut nicht Not. Das ist dann tatsächlich brauen aus dem Baukasten.

Markus: Da gab‘s ja mal eine lange Diskussion auf Facebook zu einem Zimtschnecken-Bier. Also insofern, eine sehr, sehr lustige Geschichte.

Oliver Wesseloh: Ja. Wobei man da auch wirklich sagen muss, ich meine, da hatte der Verfasser dieses Beitrags auch den maximalen Werbeeffekt für die andere Brauerei erzielt, muss man sagen. Aber ganz ehrlich, auch wenn ich die Jungs schätze, die das Bier machen, aber wenn man auf seine Flasche natürliches Zimtschnecken-Aroma draufschreibt, fällt mir wenig dazu ein.

Markus: Aber mir fällt was ein. Du hast ja gesagt, in dem wir sind Himbeeren drin, nur kenne ich ja Himbeerbiere, die sind aber normalerweise alle rot. Das ist jetzt aber eher so minimal rosa angetönt.

Oliver Wesseloh: Genau. Es hat einen ganz leichten Pinkstich, kommt aus zweierlei. Also zum einen ist mein Ansatz immer, wenn ich Biere mit irgendwas mache, dann möchte ich eine Balance haben. Ich möchte, dass der Originalbierstil zu erkennen ist und ich möchte, dass der Zusatz zu erkennen ist. Eben diese knalle pinken Himbeerbiere, da riechst du rein und du schmeckst da rein und du riechst und schmeckst nur Himbeere. Kannst auch fast eine Himbeerbrause trinken. Das finde ich dann so ein bisschen schade. Das ist Punkt eins. Punkt zwei kommt‘s auch mit daher, weil wir in dem Fall jetzt die Himbeeren im Sudhaus eingesetzt haben, also im heißen Bereich. Wenn du Himbeeren nachher in den Lagerkeller mit reinpackst, in den Tank, dann liegen die länger mit im Bier drin, du extrahierst mehr Farbe und auch Aroma. Du hast aber natürlich auch das Risiko, dass du dir eine Sekundärinfektion reinholst, weil du packst dir natürlich Früchte ins Bier und da gibt’s natürlich dann auch wiederum die Variante, dass manche halt Fruchtpüree einfach mit reingeben. Das ist natürlich auch einfach. Aber das käme für mich halt eben einfach nicht in Frage. Das ist eigener Ehrenkodex, aber als auch der Ehrenkodex des Verbands deutscher Kreativbrauer, dass man sowas nicht macht. Und wir haben halt eben hier aus dem Alten Land Himbeeren genommen, also Altes Land wird auch eine Serie von uns sein werden. Das fing an mal mit dem Skagen vor zwei Jahren, da hatten wir eine Sanddorn Gose. Jetzt heißen die halt eben alle Altes Land, nächstes Jahr wird es mit ziemlicher Sicherheit rote Johannisbeeren geben, das Jahr darauf Stachelbeeren. Da habe ich schon meine ganzen Ausnahmegenehmigungen für beantragt. Also halt eben immer regionale Beeren dann damit reinschmeißen und immer so eine saisonale Spezialität zum Anfang des Sommers. Weil die Gose halt eben auch einfach schön leicht und erfrischend ist und halt eben dadurch, dass sie gar keine Restsüße hat, einfach wirklich fast durstlöschend ist und für so einen warmen Sommertag wunderbar funktioniert.

Julia Wesseloh: Natürlich werden die Johannesbeeren um die gleiche Zeit geerntet, wie wir das Bier rausbringen. Deswegen haben wir jetzt zum Beispiel schon uns um die Johannesbeeren gekümmert. Die werden dann eingefroren und kommen dann nächstes Jahr passend rein. Weil wenn wir die frisch nehmen würden, dann würde das Bier zum Winter hin fertig werden und das ist wenig hilfreich.

Oliver Wesseloh: Ja, oder Ende Sommer.

Markus: Also braucht ihr noch mal eine extra Tiefkühltruhe für die Johannisbeeren. Kann ich ja gut verstehen. Holger, erkennst du denn dein Altes Land wieder?

Holger: Nee, unbedingt! Mir schmeckt das ja wahnsinnig gut, überhaupt diesen Bierstil finde ich ganz toll. Und da fällt mir was ein, das heißt Schneeeule Marlene. Die Szene, die munkelt so ein bisschen, dass du mit der Ulrike zusammenarbeiten möchtest. Stimmt das?

Oliver Wesseloh: Da seid ihr ja topaktuell unterwegs. Das ist richtig. Die Ulli war vor ein paar Tagen bei uns zu Besuch und wir werden uns auch in ein paar Wochen gemeinsam treffen für so ein Braumeister Camp. Und ja, na klar, also natürlich verstehen wir uns super zusammen, da wird sicherlich auch noch was draus entspringen. Aber dazu dann mehr, wenn es ein bisschen weiter gegoren ist, sage ich mal.

Holger: Da machen wir dann ein Collab Podcast mit euch beiden.

Oliver Wesseloh: Genau.

Markus: Also vor allem die Ulrike, die ist ja auch eine gute Freundin von mir und ich habe sie schon 25.000-mal zum BierTalk eingeladen und sie schafft es immer wieder, irgendeinen Punkt zu finden, warum sie dann doch grad mal so wieder drumherum kommt. Aber wenn ihr es zusammen macht, dann werdet ihr festgenagelt, dann machen wir das. Aber jetzt müssen wir unbedingt zu etwas Erfrischenderem kommen. Julia, was sagst du denn, wir haben jetzt ja ein Bier mit Kaffee? Wie hast du das denn, als der Olli mit der Idee kam, wie ging‘s dir denn damit?

Julia Wesseloh: Sehr gut. Ich mochte schon das El Duderino immer sehr gerne. Das ist ja die Entsprechung, hat nur 10 % Alkohol. Das ist sozusagen der große Bruder von dem, was jetzt kommt. Ich mag den Kaffee sehr gerne, ich mag die Rösterei sehr gerne, mit denen wir das zusammen machen. Die Hamburger Rösterei möchte ich fast sagen Quijote Kaffee, da habe ich mich riesig darauf gefreut.

Markus: Da kennen ja viele einfach nur den Sound vom ROAD RUNNER. Haben jetzt bestimmt auch alle im Kopf. Jetzt hören wir uns mal den Sound an, wenn man den ROAD RUNNER öffnet, die Flasche aufmacht. Olli, wie kamt ihr denn auf den Namen?

Oliver Wesseloh: Wir sitzen meistens immer mit einem Bier zusammen oder mehrere und grübeln darüber, und das ROAD RUNNER ist ja halt jetzt als zweites Alkoholfreies bei uns in der Riege. Dadurch, dass der Kaffee mit drin ist, hat es halt eben tatsächlich die Qualität, ich sag jetzt mal, darf man wahrscheinlich überhaupt nicht sagen, das ist ganz böse immer bei Auto oder irgendwas mit Bier zusammenzubringen, aber es ist das Bier, was dir auf jeden Fall genug Dampf gibt, um die ganze Nacht durchzuhalten.

Julia Wesseloh: Hat 18 Milligramm auf 100 Milliliter Koffein.

Oliver Wesseloh: Genau.

Julia Wesseloh: Also das macht wach, nicht duun wie wir hier im Norden sagen.

Oliver Wesseloh: Genau. Da wirst du so auf Club-Mate-Niveau vom Koffeingehalt.

Holger: Ich als Ruhrgebietler kann ja mal einen raushauen. Kannst du den ganzen Abend und die ganze Nacht trinken, wirst aber nicht hacke von dem Zeug.

Oliver Wesseloh: Genau. Das war halt eine lange Überlegung tatsächlich. Also wir hatten natürlich irgendwann den Gedanken, nachdem das überNormalNull so massiv durchgestartet ist, ist natürlich die Überlegung naheliegend zu sagen: Ach Mensch, da ist offensichtlich Bedarf da. Machen wir da noch mal was anderes in der Richtung. Ich fand es nur insofern schwierig erst mal, weil was machst du dann? Wenn man jetzt irgendwas anderes Hopfiges auch gemacht hätte als zweites, ist natürlich das Risiko da, dass es einfach Kunden vom ü.NN mit abzieht. Also dass man einfach die Mengen verlagert. Das ist natürlich wenig sinnvoll. Und ein dunkles Bier war naheliegend, aber dunkle Biere fristen in Deutschland immer noch so ein Nischendasein. Aber wie Julia schon sagte, das El Duderino, was da ja noch im Hintergrund lauert, das haben wir schon, warte mal, das ist jetzt das dritte, vierte Jahr. Dieses Jahr ist es das vierte, ne? Genau. Das heißt, wir müssten 2016, Dezember 17, 16, egal, damit angefangen haben. Das war unser erstes Bier als Gemeinschaftsprojekt mit unseren Freunden von Quijote. Ist halt ein wirklich unheimlich tolles Bier, was auch massiv nachgefragt wird. Das gibt’s halt eben immer nur einmal im Jahr als Saisonal. Das war natürlich der Ansatz zu sagen, naja gut, okay, dann lasst doch halt eben genau diesen Effekt nehmen, dass wir halt eben da anstatt Hopfen zu stopfen, Kaffee stopfen wieder in dem Alkoholfreien. Also auch das war wiederum erst mal ein Versuch. Scheint auch sehr, sehr gut zu funktionieren, zumal das halt eben jetzt, also durch den Koffeingehalt eben einfach noch mal gerade in der Gastro-Szene, die jetzt leider mit anderen Sachen zu kämpfen hat, aber prinzipiell sehr, sehr viel Anklang gefunden hat, weil natürlich auch gerne mal ein Barkeeper vielleicht auch mal was mittrinkt, aber halt eben nicht per se was mit Alkohol. Und dann den Effekt hast, dass dich das auch noch wachmacht. Super!

Markus: Ganz toll! Ich hatte da mein Aha-Erlebnis ein bisschen, ich habe Freunde in England, die haben die Big Drop Brewery und machen ja ausschließlich alkoholfreie Biere und haben sich auch wirklich extrem dieser speziellen Auswahl von Hefen und wie man eben die Prozesse optimiert und so weiter verschrieben. Und waren da auch schon recht bald am Start mit einem sehr guten Milk Stout. Da habe ich mir immer gedacht, Mensch, warum macht das eigentlich in Deutschland keiner? Weil das eigentlich von der Aromatik her klasse ist, mal dieses schöne Malzige zu haben, aber halt nicht so süß wie ein Malzbier, mit wirklich einem schönen Anklang an Bierstil. Und da habe ich mich total gefreut, dass ich das gesehen habe und auch sofort mich eingedeckt und habe das eigentlich fast immer hier. Also das ist schon eine ganz, ganz tolle Geschichte. Vielleicht sollten wir zum Schluss noch den großen Bruder probieren. Holger, was kommt dir denn in den Sinn, wenn man vom Dude spricht?

Holger: Dude ist für mich ein Kumpel, oder? Und ihr wisst ja, ich habe mal unter Tage gearbeitet und ein Kumpel ist jemand, der dir in jeder Lebenslage hilft. Und so ist es ja wahrscheinlich gemeint hier, wenn man 10 % Alkohol draufschreibt, oder?

Markus: Julia, was sagst du? Ist es so gemeint?

Julia Wesseloh: Ja, nicht ganz. Also natürlich auch, aber es ist so ein bisschen in Anlehnung an The Big Lebowski „The Dude“ oder El Duderino. Olli hat das an das Lieblingsgetränk des Dude angepasst.

Oliver Wesseloh: Es ist tatsächlich eine dieser lustigen Sachen. Ich habe so mein kleines schwarzes Büchlein, wo ich mir immer mal wieder Bierideen rein notiere, die dann noch nicht ganz ausgegoren sind. Da fehlt vielleicht noch so der letzte Schliff. Da ist auch eben dieses Bier aus dem Jux entstanden. Also ich bin ein großer Fan von diesem Film, ich liebe „The Big Lebowski“. Und der Dude trinkt dann ja im Film die ganze Zeit als Cocktail White Russian, den er aber im Film auch immer nur Caucasian nennt. Aus Jux habe ich halt eben mal gesagt, ey Mensch, das müsste man doch mal als Bier brauen können. Letztendlich, wenn man es mal runterbricht, ein White Russian als Cocktail ist halt eben Wodka, also viel Alkohol, Kahlúa, Kaffeelikör und Milch. Und da habe ich gedacht: Mensch, wenn man die drei klassischen Stout-Stile, Russian, Imperial, Stout, Milk Stout und Coffee Stout zusammenwirft, dann hat man im Prinzip einen Caucasian Stout. So ist der Dude entstanden, also wirklich ein bisschen aus Jux, muss auch Spaß machen der ganze Quatsch, den wir da machen. Siehe da, es funktioniert grandios. Es ist ein Knaller-Bier, wie gesagt, inzwischen hat sich das so einen kleinen Kultstatus erarbeitet, dass die Leute halt eben wirklich schon darauf warten. Es ist bei uns, weil es irrwitzig aufwendig ist, das Bier hat 25 Grad Plato. Um auf die 10 % Alkohol zu kommen, das alleine aus Malz rauszuholen bedarf schon einen irren Aufwand im Sudhaus. Also wir machen zwei Maischen für eine Würzepfanne.

Julia Wesseloh: Ich weiß noch, wir hatten mal einen Brauer als Praktikant zu Besuch, der in einer klassischen Brauerei gelernt hat, und der sagte: Das geht doch gar nicht. Das kann man doch gar nicht machen.

Oliver Wesseloh: Ja.

Markus: Das ist, glaube ich, bei vielen Brauern in der klassischen Ausbildung manchmal so das Thema, dass da irgendwelche Mauern stehen, die man eben erst mal überwinden muss. Aber jetzt machen wir es doch mal auf und probieren es mal. Holger, magst du uns deine Eindrücke schildern?

Holger: Ja. Naja, also es ist dunkel, also ziemlich dunkel.

Markus: Schwarz wie die Nacht.

Holger: Wie die Nacht. Wenn man jetzt so ein bisschen das Bier im Glas schwenkt, dann hat man ja so richtig diese Alkoholschlieren schon an der Glaswandung. Wenn man das sieht, liebe Hörer, da muss man, also wie man hier in Bayern sagt, Obacht haben, oder im Norden würde man sagen, Wahrschau!, also auf jeden Fall Wahrschau!

Markus: Ich habe ein bisschen Angst ums Glas, nicht dass es danach so schwarz gefärbt bleibt und ich es wegschmeißen muss.

Holger: Nein, nein, das ist bei mir nicht so. Also, wenn das schwarz ist da im Glas, dann hast du wieder nicht richtig gespült.

Markus: Siehst du, sowas muss ich mir anhören, Olli, unglaublich, oder?

Holger: Ja, ja, Raupach, ein ganz besonderes Tierchen halt einfach. Der Alkohol ist auf jeden Fall im Vordergrund, finde ich. Die Rezenz finde ich sehr schön. Also das hat so eine sehr schöne weiche Rezenz, ein ganz tolles Mundgefühl auch. Und der Nachtrunk, der gibt so eine schöne wohlige Wärme. Also das ist so ein Bierchen, wo ich jetzt sagen würde, das ist ein Dessert. Also so würde ich das sehen.

Julia Wesseloh: Würdest du auch eher wie so eine dunkle Schokolade in kleinen Häppchen einfach genießen.

Oliver Wesseloh: Ja.

Holger: So ist es. Manche nehmen sich ja noch dann eine Tafel Schokolade irgendwie zum Sonntagabend, aber ich werde mir jetzt den Rest des Bieres, was ich schon ganz früh am Anfang unseres BierTalks herausgeholt habe, vielleicht dann noch wärmer werden lasse und freue mich dann noch und denk an euch beide und denk an Hamburg und hab Fernweh.

Markus: Man könnte auch eine Kugel Vanilleeis reingeben oder Johannisbeer-Sorbet oder so. Wäre sicherlich auch eine spannende Geschichte. Was ich lustig finde, ist, dass durch den Kaffee es ja fast so rüberkommt, als wäre es fassgelagert. Also finde ich ganz, ganz spannend von der Aromatik. Aber jetzt hat der Holger ja gerade seinen berühmten Satz vom ganz besonderen Kerlchen gebracht. Da muss man vielleicht noch auf eine Sache kurz mal eingehen. Olli, du hast ja auch, da haben wir uns, glaube ich, auch dann so richtig erst kennengelernt, einen tollen Tag gehabt vor vielen Jahren, wo du Weltmeister der Biersommeliers geworden bist. Vielleicht, wenn du da noch mal kurz erzählst, wie das überhaupt für dich kam und ob das eine Bedeutung für dich hatte und ob es jetzt noch eine hat.

Oliver Wesseloh: Wie das kam, ja, das ist lustig. Naja, ich habe ja im Zuge dessen, als ich dann in den USA tätig war, bin ich dann über die Ausbildung zum Biersommelier gestolpert. Ich habe dann 2012, glaube ich, erst die Ausbildung gemacht und 2013 war die WM. Und ich habe mich da im Prinzip angemeldet, weil ich gedacht habe, okay, das ist mal ein schönes Event. Das war ja eben im Zuge der drinktec in München, wo ich dann eh war. Super, dann triffst du die ganzen Kollegen, kannst noch ein bisschen was lernen. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, da irgendwas zu reißen, weil ich wusste, dass viele Kollegen sich wirklich intensiv darauf vorbereiten und ein paar Kollegen fast ein Jahr lang gearbeitet haben mit wöchentlichen Training-Sessions und allem Drum und Dran. Deswegen habe ich mir nicht im Ansatz Chancen ausgerechnet, war auch gar nicht meine Motivation. Sondern das war wirklich einfach Lernen und Netzwerken, sage ich mal. Das war sicherlich ein Vorteil, weil da gehst du natürlich ohne Druck in sowas rein. Auf einmal stellte ich fest, dass ich durch die Vorrunden durchgekommen bin und in den letzten sechs war. Und habe gedacht, na hopsa, was ist denn hier passiert? Und habe tatsächlich noch kurz darüber nachgedacht, ob ich das gerade gebrauchen kann, wenn ich das gewinnen würde, weil mitten im Aufbau der eigenen Brauerei 2013 dann dachte, okay, damit hast du ja auch eine Aufgabe, kriege ich das überhaupt alles gewuppt. Gedacht, na gut, okay, absichtlich verlieren tut man nicht, das ist unsportlich. Und hatte dann auch das große Glück, dass eines der drei Biere, die im Finale auf dem Tisch standen, ein Bierstil war, den ich sehr liebe, Imperial IPA von einer Brauerei, die ich sehr gut kenne und sehr schätze und bei der ich halt eben auch schon, ich glaube, zwei oder drei Mal vorher zu Besuch war, eben von Firestone Walker das Double Jack. Von daher floss die Liebe für dieses Bier aus mir heraus. Und das ist, glaube ich, halt eben, das Wichtige bei der WM generell, letztendlich, wenn es ums Finale, um die Präsentation geht, dass man seine eigene Liebe und Verehrung für dieses Produkt so weitergibt, dass alle anderen denken, oh genau, das muss ich jetzt auch trinken. Ich hatte halt auch den großen Vorteil zur damaligen Zeit, dass ich halt eben durch meine Tätigkeit in den USA irre viele Bierstile probiert habe und mit den Herstellern dieser Biere direkt gesprochen habe. Dass natürlich das ein Training war, was jetzt nicht von mir als bewusstes Training da war, aber halt natürlich so viel Input gegeben hat mir, dass das für andere sicherlich schwer war, die vielleicht nur in Europa waren. Natürlich war das ein Riesengewinn für uns.

Julia Wesseloh: Also aus Marketingsicht war es natürlich fast ein Sechser im Lotto, weil ich konnte irgendwie schöne Berichte über Olli schreiben und wir konnten dadurch auch die Marke bekannter machen.

Holger: Endlich mal positiv über den Olli schreiben, ist natürlich gut.

Markus: Und dann hatte ich noch das Foto dazu gemacht, dann war natürlich alles bestens.

Holger: Absolut! Also was du aber gerade beschrieben hast mit dem Black Jack und so, du hast ja dann gesagt, wenn dann die Begeisterung aus mir herausfloss und so, da gibt’s ein ganz, ganz tolles Goethe Zitat, das heißt nämlich: Wenn du es nicht spürst, kannst du es auch nicht erjagen. So war es ja wahrscheinlich, oder?

Oliver Wesseloh: Korrekt, absolut!

Julia Wesseloh: Wieder dem Blickwinkel so ein bisschen von außen. Ollis großer Vorteil war, dass er es gar nicht unbedingt wollte. Also es war jetzt nicht so, dass er dachte, der Titel bringt ihn jetzt wahnsinnig voran, sondern der hat einfach dieses Bier da auf dem Tisch gesehen und dachte: Boah! Dieses Bier ist so toll und hat da auch besondere Erlebnisse mit verbunden. Und dann war das so ein Selbstgänger.

Oliver Wesseloh: Bist du eigentlich manchmal eifersüchtig auf Biere?

Markus: An dieser Stelle geht der Podcast über in „Szenen einer Ehe“ Wesselohs. Nein klar, aber ich habe das damals ja auch gesehen. Ich habe deine Augen gesehen, als du das hochgehoben hast und da hat man wirklich gemerkt, okay, cool, du hast das gleich verbunden und dann ist das gelaufen. Also fand ich auch einen ganz tollen Tag. Wir müssen leider langsam, aber sicher zum Schluss kommen. Ich hätte trotzdem noch eine Frage am Ende, nämlich wir müssen auch nach vorne schauen: Wie schaut‘s denn für euch jetzt mit der Zukunft aus? Wie seid ihr jetzt durch die schwierigen Monate der Corona-Einschränkungen gekommen? Und was denkt ihr, wie wird es sich für euch und vielleicht auch für die anderen Craft Brauer so in der nächsten Zeit entwickeln?

Oliver Wesseloh: Das Glück ist, wir sind da, Stand aktuell, ziemlich genau mit einer Null rausgekommen, also weder Zuwachs noch Verlust. Ist schon mal sehr viel wert in der aktuellen Zeit, finde ich. Ich habe jetzt noch nicht so eine komplette Analyse gemacht, aber ich glaube, es haben sich ganz viele Verschiebungen ergeben. Aber glücklicherweise hat sich das, was irgendwo weggebrochen ist, woanders wieder dazu begeben. Macht viel Arbeit, aber besser als nichts, keine Arbeit zu haben. Also von daher sind wir sehr, sehr froh. Es ist natürlich der Ausblick jetzt nach vorne. Also eigentlich seit zwei Jahren suchen händeringend nach einem neuen Standort, weil wir natürlich am liebsten unsere komplette Produktion in die eigenen Hände nehmen würden. Das ist für uns jetzt oberste Priorität. Wir haben das immer so ein bisschen am Rande verfolgt. Gerade in Hamburg ist es natürlich ein Problem was zu finden, viele Projekte haben sich dann zerschlagen. Wir würden aber gerne halt eben in Hamburg bleiben, weil das unsere Heimatstadt ist. Wir sind da auch mit zumindest einem Kollegen aus dem größeren Bereich hier im Norden am Gucken, ob wir vielleicht auch zusammen was aufbauen. Dann kann man sich doch ein bisschen sparen, als wenn sich jeder was kleineres dahinbaut.

Julia Wesseloh: Und das ist ja auch so ein bisschen unser Ansatz, deswegen haben wir als Unternehmen auch gegründet, nicht so irgendwie allein und Vollgas auf der Überholspur, sondern auch zu gucken, wo kann man auch zusammenarbeiten. So ein Sudhaus kann man sich sehr gut teilen.

Markus: Da können wir dir eigentlich nur unseren BierTalk mit Uwe Kalms ans Herz legen. Der hat nämlich auch mit einem Freund zusammen eine Brauerei gemacht, wo sie praktisch beide Gypsies in der eigenen Brauerei sind. Also sehr, sehr witzig. Bleibt uns eigentlich nur noch, dir, euch alles, alles Gute zu wünschen und vielen, vielen Dank zu sagen für die Zeit, für die Informationen und für diese tollen Biere. Also war ja wieder großartig dieses Potpourri. Das macht mir immer unglaublich viel Spaß, mal so eine Reihe zu verkosten und das eben auch mit demjenigen, der es gemacht hat. Also von meiner Seite aus schon mal vielen, vielen, vielen Dank!

Holger: Ihr werdet es nicht glauben, ich habe jetzt wirklich eine Vanillekugel reingetan. Und ich kann euch nur sagen, also wenn ihr eine Schwiegermutter habt und dann so Sonntagnachmittag Eiskaffee serviert, die merkt‘s nicht. He-he, die merkt’s nicht. Schönen Abend noch.

Julia Wesseloh: Und vielen Dank für eure Gastfreundschaft! Vielen Dank für die Einladung.

Oliver Wesseloh: Genau. Auch von meiner Seite vielen, vielen, herzlichen Dank! Schön, dass wir dabei sein durften. Wir haben uns die Biere ja geteilt. Also ich kann nur sagen, wenn ihr euch diese sechs Biere in diesem Tempo jetzt gerade alle komplett reingeschraubt habt, dann gute Nacht!

Holger: Ja, gute Nacht!

Markus: Gute Nacht! Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

Mehr lesen

Bier in einer neuen Dimension erleben

Neue Geschmacksdimensionen bei Weyermann-Bierseminaren Nachdem Anfang des Jahres das Weyermann-Gästezentrum in der Brennerstraße feierlich eröffnet wurde, gibt es ab dem 17. September die nächste Weyermann-Neuheit: Für die interessierte Öffentlichkeit finden…

Ein starkes Bier für Franken

Bockbier-Saison 2015/2016 beginnt In ganz Franken neigen sich so langsam die Volksfeste und Kirchweihen ihrem Ende entgegen, doch das Jahr ist noch lange nicht vorbei. Ab Mitte September kommen insbesondere…