Michael Schnürle kam im Sommer 2020 mit seiner Ehefrau, seinen beiden Töchtern und seinem Hund nach Deutschland – als gebürtiger Brasilianer mit deutschen Eltern und einer großen Liebe für das Bier. In seiner Heimatstadt São Paulo hatte er vor einigen Jahren einen eigenen Taproom namens „BRETT Bierhaus“ eröffnet und mit viel Glück kurz vor dem Beginn der Covid19-Krise verkaufen können. Die perfekte Gelegenheit, den lange gehegten Traum vor allem seiner Frau zu erfüllen und nach Deutschland zu kommen. Nun baut sich der sympathische Gastro-Profi und Hobbymusiker ein neues Leben in der Mainmetropole Frankfurt auf. Im BierTalk geht es natürlich viel um die brasilianische Bierkultur und beispielsweise den einzigen eigenen Bierstil des Landes, das Catharina Sour, doch hören Sie selbst…
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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks. Heute mal wieder ein Special. Und wir überqueren auch mal wieder einen Ozean, zumindest prinzipiell. Also das werdet ihr gleich noch mitbekommen, warum einerseits ja und andererseits nein. Mit dabei bin natürlich wie immer ich und …
Holger: … der Holger.
Markus: Genau! Also ich, der Markus, wollte ich natürlich sagen. Unser Gast ist eben so ein bisschen in diesem Spannungsfeld der zwei Welten, denn er kommt quasi so ein bisschen aus Brasilien, ein bisschen aus Deutschland. Ist jetzt allerdings hier bei uns, muss sich aber erst wieder so ein bisschen zurechtfinden, was das Thema Bier angeht, aber wird sich gleich ein bisschen vorstellen. Der Michael Schnürle. Was gibt’s denn über dich von dir zu sagen?
Michael Schnürle: Erstmal vielen Dank! Es macht mir Spaß bei euch mitzumachen. Michael ist made in Germany and assembled in Brasil. Ich bin in Brasilien geboren von deutschen Eltern, also deswegen habe ich auch zuerst Deutsch gelernt und dann Portugiesisch, habe aber mein ganzes Leben lang in Brasilien verbracht und bin erst jetzt vor etwas weniger als drei Monaten nach Frankfurt gezogen mit samt Frau und Kindern und der Hund ist auch dabei. In Brasilien war ich an einer deutschen Schule und habe dann Hotelfachschule gemacht in Brasilien, war auch in der Hotellerie beschäftigt, immer als F&B Manager, also Food & Beverage Manager. Habe ich ein paar Jahre lang gemacht und dann habe ich angefangen für Investoren, also Investoren in der Hotelbranche zu arbeiten als Berater, als Machbarkeitsstudien und so weiter. Und das ist eigentlich das, was ich dann die ganze Zeit gemacht habe als Hauptarbeit. Im Mai 2018 habe ich mit einem Kumpel von mir ein Tap House in São Paulo eröffnet. Und da fing eigentlich mein Craftbier-Leben richtig, also ging das richtig in Schwung. Das haben wir dann auch gut geführt und das war erfolgreich. Und wir haben dann auch noch so viel Glück gehabt, grad noch vor Corona haben wir ein Angebot bekommen und haben es sehr vorteilhaft verkauft. Und dann bin ich halt nach Deutschland gezogen und alles, was Bier angeht oder Craftbier hier in Deutschland angeht, interessiert mich.
Markus: Du sprichst von deinem Craftbier-Leben in Brasilien. Jetzt werden einige Hörer vielleicht so ein bisschen Fragezeichen in den Augen haben. Gibt’s überhaupt Bier in Brasilien und gibt’s da überhaupt Craftbier? Was würdest du so jemandem antworten?
Michael Schnürle: Bier in Brasilien ist eigentlich zu 95 % so American Lager ähnlich. Also viel Mais, viel Reis, viel andere Sachen drin. Ein ganz leichtes und eher süßes Bier, was man dann auch eiskalt trinkt normalerweise. Also umso kälter, umso besser. Ich würde sagen, das ist okay, wenn man am Strand sitzt und 35 Grad Sonne hat auf dem Kopf und dann geht so ein Bier gut. Aber es gibt schon eine Craftbier-Szene, die gut wächst. Die ist jetzt auch schon, ich würde sagen, schon fast zehn Jahre alt. Also vor zehn Jahren hat es angefangen in Brasilien. Alles, was in Brasilien anfängt, fängt normalerweise in São Paulo an. Das ist da, wo ich geboren wurde und wo ich auch aufgewachsen und immer gelebt habe. Das ist eine 20 Millionen Stadt, da sind auch viele Ausländer und halt Leute von ganz Brasilien finden sich da zusammen, wie das in so einer Großstadt üblich ist. Und São Paulo ist auch weltweit bekannt als eine sehr starke Gastronomie-Stadt. Man kann in São Paulo von allem versuchen und finden, jederzeit 24 Stunden am Tag. Das ist so wie Los Angeles ähnlich, also eine sehr lebhafte Stadt. Was Gastronomie und Entertainment angeht, also da ist immer was los. Wir haben in Brasilien über 1200 Craftbier-Brauereien. Und nur im Jahre 2019 wurden 320 neue geöffnet. Also das geht jetzt sehr schnell. Jedes Jahr öffnen mehr Craftbier-Brauereien. Man muss schon sagen, das sind nicht alle Craftbier-Brauereien, die ihre eigene Brauerei haben. Also wir nennen das in Brasilien Zigeuner, ich weiß nicht, ob das hier auch so heißt. Die haben ihre eigenen Rezepte, aber haben keine eigenen Brauerei-Anlagen. Die machen das dann halt bei einem Partner irgendwie und erkaufen sich halt eine Zeit in deren Brauerei, wo sie dann ihre Biere brauen und dann auch selber verkaufen und vermarkten. In 2018 waren es 210. Also das wächst, jetzt jedes Jahr kommen 200, 300 neue Brauereien dazu. 80 % von dem Markt liegt im Süden und Südosten von Brasilien. Brasilien ist ja auch so ein riesiges Land, fast 80 % von der ganzen Wirtschaft von Brasilien ist auch im Süden, Südosten. Deswegen ist das auch sehr verständlich.
Markus: Ja, auf jeden Fall. Also ich habe ja vor Ort, in Blumenau war ich auch schon zweimal beim Bierwettbewerb dort und habe auch viele dieser Biere probiert. Das letzte Mal war ich 2019 da. Und da waren es locker über 1000 Brauereien. Also Brasilien ist der drittgrößte Biermarkt der Welt, das können sich viele in Deutschland gar nicht vorstellen, also nach China und den USA. Also ein richtiges Bierland. Jetzt natürlich alles ein bisschen schwierig mit dem ganzen Corona-Thema. Können wir vielleicht gleich noch mal drüber sprechen. Ich glaube aber, dass der Holger ziemlich durstig ist. Wie sieht‘s denn bei dir aus an der Ecke, Holger?
Holger: Wie immer hast du natürlich recht. Das ist aber trotzdem sehr interessant, euch zuzuhören. Ich war auch schon mal in meinem Leben in Brasilien und habe da natürlich auch die Craftbier-Szene versucht kennen zu lernen. Ich kann nur sagen, auch bei entsprechend großen Wettbewerben, also zum Beispiel dem World Beer Award, haben brasilianische Biere auch durchaus großartige Erfolge erzielt. Ich kann mich sogar erinnern, dass da ein Rauchbier seinerzeit dabei war. Ich habe mich allerdings heute nicht für ein Rauchbier entschieden. Soll ich das mal verraten, was ich mir heute überlegt habe?
Markus: Kannst du gleich machen. Vorher will ich noch einwerfen, dieses Bier aus Brasilien, was du meinst, kommt lustigerweise von einer Brauerei, die sich den Namen Bamberg gegeben hat. Also Cervejaria Bamberg ist tatsächlich auch in der Nähe von São Paulo. Ich weiß nicht, Michael, ob du die kennst?
Michael Schnürle: Ja, die kenne ich sehr gut.
Markus: Der Alexandre Bazzo ist da der Chef. Genau.
Michael Schnürle: Ja. Wir waren sehr gute Partner, würde ich sagen. Ich nenne die immer Partner, also die Bierbrauereien, die mit uns zusammen beim Tap House gleich von Anfang an zusammen waren. Das ist ja immer so eine Sache, wenn man so eine kleine Bar aufmacht, dass die Biere immer frisch sind und dass man kleine und nicht so große Fässer immer gleich kaufen muss und wann man die bezahlen darf und so weiter. Also da war Bamberg wirklich sehr dabei am Anfang und hat uns auch geholfen. Wir haben oft die Biere von Bamberg in unserer Bar gehabt. Obwohl die sind ja eher auf Lagerbiere und Weißbiere spezialisiert. Ales haben die überhaupt keine, soweit ich verstanden habe.
Markus: Ja, also zumindest deutsche Bierstile ist so das Kernthema und der hat ja auch in Bamberg bei Weyermann Praktikum gemacht und hat da auch einige Partnerbrauereien wiederum, mit denen er in Franken dann Collaboration Sude macht. Und spielt halt diese Karte mit Bamberg sehr stark. Also er hat mich jetzt grad vor ein paar Tagen angeschrieben, dass ich ihm so ein paar Tipps geben sollte, weil er unten eine Präsentation machen will über Bamberg. Also durchaus spannend. Und er kämpft sich jetzt auch gerade so durch die Corona-Zeit, weil viele brasilianische Brauereien hauptsächlich Fassbier machen und dort gab‘s ja, soweit ich weiß, mittlerweile sogar mehrere Lockdowns. Und das ist natürlich dann schon heftig für die Gastronomie.
Michael Schnürle: Es war pure Glückssache, dass wir rechtzeitig verkauft haben. Einen Monat später mussten die dichtmachen. Was ich oft gesehen habe und was auch relativ gut funktioniert hat, ist, dass diese Bierbars dann Growlers umgeschaltet haben. Die Kunden haben das dann auch mitgemacht. Da ist man vorbeigekommen, hat sein Growler abgeholt von dem Bier und hat das dann zu Hause verkostet.
Markus: Jetzt müssen wir langsam ein bisschen aufhören, über so viel Bier zu reden, bevor der Holger …
Holger: Ich wollte jetzt gerade sagen, also ihr seid ja wirklich total nett zu mir. Und sagt dann noch so nach dem Motto, wir müssen mal auf den Holgi aufpassen und dann macht ihr einfach weiter, geht zur Tagesordnung über und so, und ich sitze hier. Darf ich jetzt erzählen?
Markus: Ja, ja. Ich habe doch jetzt gerade gesagt, wir denken an dich.
Holger: Ich habe jetzt mir Folgendes überlegt und hatte mir gedacht: Wir gehen eben in ein fremdes Land, und da ist das Lagerbier absolut beherrschend, aber natürlich ist der Craftbier-Markt auch interessant. Und so habe ich mir einen alten Bierstil herausgesucht, der in der Craftbier-Szene dann auch wiederbelebt wird an der einen oder anderen Stelle. Und in dem Fall habe ich mich entschieden für ein Batzen Vienna. Also Batzenbräu ist eine Brauerei aus Bozen in Südtirol, also Norditalien, und das Vienna ist eben ein Wiener Lager. Ich mach‘s jetzt mal auf und schütte es auch ein. Da kann ich jetzt also einfach nur sagen, das hat so eine schöne leicht rötliche Farbe, ganz leichte Kupfernote, aber nur ganz leicht, ganz hell, und hat so eine opale Optik, also ist unfiltriert. Wenn man jetzt also reinriecht, dann sind ganz reichhaltige Malzaromen im Vordergrund, ein bisschen so Toastartiges, so wie man sich vielleicht ein schönes Oktoberfest-Bier auch vorstellt im Geruch. Jetzt trinke ich mal einen Schluck. Genauso, wie man es sich vorstellt. Die Malz-Komplexität, die ist nicht nur in der Nase im Vordergrund, sondern auch im Geschmack. Man hat so einen schönen karamellartigen Geschmack, einen schönen trockenen Abgang, die Malz- und die Hopfennote ist im Nachgeschmack schön da, man hat auch eine leichte Hopfenbittere, die da ist. Also eigentlich ein sehr, sehr schönes komplexes Bier. Und da ist ja auch eben ganz interessant, die Familie Dreher, da hat ja dann der Anton Dreher damals so im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts umgestellt eben auf die untergärige Brauweise, das haben viele gemacht. Und der war halt der erste, der dann eben diesen Lager-Bierstil oder den Wiener Typ entsprechend erfunden hat. Er hat dann irgendwann gemerkt, dass da entscheidend eben die Kühlung während der Lagerung ist. Und hat dann eben riesige Keller angelegt und die dann mit Eis versehen. Also ist ein ganz interessantes Thema. Und ich habe jetzt halt einfach gedacht, das ist genau richtig jetzt, wenn man über Brasilien spricht und die Craftbier-Szene. Und in dem ganzen Land, du hast es gesagt, der drittgrößte Biermarkt der Welt mit 139 Millionen Hektoliter. Da kann man Lagerbier erleben, so wie du es beschrieben hast, Michael, also Menge und eiskalt getrunken. Aber man kann, glaube ich, auch spannende Biere erleben, weil Brasilien dann auch ein Land ist, was eine Kreativität auch lebt. Und die Brasilianer probieren gerne aus und die Experimentierfreude und auch die lokalen Zutaten habe ich damals erlebt und so. Da habe ich dann gedacht, so ein Wiener Lager, das ist so wunderbar.
Markus: Es schlägt für mich auch eine Brücke nach Brasilien in eine andere Richtung, weil ja das Wiener Lager mit den Exilanten aus Österreich-Ungarn dann eben auch nach Amerika gekommen ist und in den USA und dann natürlich auch in Südamerika eine große Karriere als Bierstil hat. Jetzt sind wir aber gespannt, Michael, du hast dir wahrscheinlich eher ein deutsches Bier ausgesucht oder hast du ein brasilianisches mitgebracht?
Michael Schnürle: Ich habe mir vorgenommen, bevor wir verreisen, also raus aus Brasilien, habe ich den Rest des Lagers der Bar noch ausgetrunken, bevor wir verreist sind. Also ich habe …
Markus: Wie viele Tage warst du da im Delirium?
Michael Schnürle: Ich trinke jetzt ein ganz einfaches Bier, das habe ich hier im Supermarkt gekauft, das ist ein Altenmünster Urig Würzig. Also Flaschbier, so ein süffiges Bier. Sehr wenig Hopfen, würde ich sagen, kann man da wenig durchschmecken, eher malzig, süß, also so ein richtiges Sonntagsbier, würde ich sagen, für den ganzen Nachmittag.
Markus: Ja, passt ja auch. Wir haben ja relativ späten Abend jetzt, und ich glaube, da ist so ein schönes „Ins Bett geh“-Bier vielleicht sogar eine sehr, sehr gute Wahl.
Holger: Und die Bügelflasche, und die Bügel Flasche. Das ist …
Michael Schnürle: Genau! Die Bügelflasche, also das muss ich schon sagen, also das finde ich echt cool. Also das haben wir in Brasilien nicht, diese Bügelflaschen. Also ich finde das irgendwie cool, diese Flaschen aufzupoppen, also das Geräusch, das dann kommt, das ist ein Erlebnis, noch ein neues Erlebnis für mich.
Markus: Gibt’s in Brasilien irgendeine Brauerei, die Bügelflaschen hat?
Michael Schnürle: Nein, das sind dann alles importierte Biere. Ich glaube, die werden überhaupt nicht gemacht diese Bügelflaschen in Brasilien, die bekommt man auch gar nicht. Es sei denn, man hebt sie sich selber auf und wäscht sie und benutzt sie dann wieder.
Holger: Was mich jetzt noch interessieren würde, wenn du sagst, ja, das ist einfach süffig und löscht den Durst, und das stimmt ja auch bei dem Bier ganz genau, aber wenn du dir jetzt brasilianische Speisen vorstellst und jetzt dieses deutsche Bier trinkst, was würdest du jetzt brasilianisches Essen dazu kombinieren? Erzähl doch mal, was würde gut passen?
Michael Schnürle: Eigentlich ist es ja so, also diese ganze Vielfalt an Lagers, die es hier in Deutschland gibt, ich will jetzt nicht unhöflich sein und sagen, dass das alles eins und dasselbe ist, weil das ja natürlich nicht eins und dasselbe ist, aber wenn ich zum Beispiel in den Supermarkt gehe und ich habe da 50 verschiedene Biere nebeneinander stehen, die alle eigentlich Variationen von Weißbier und von Lagerbier sind, bei mir kommt das alles so mehr oder weniger sehr ähnlich an. Lager ist halt das weit und breiteste Bier in Brasilien überhaupt. Also das passt eigentlich zu allem, was in Brasilien losgeht. Die Gastronomie ist auch sehr vielfältig, das ist sehr unterschiedlich, wo man gerade ist. Aber nachdem es in Brasilien meistens heiß ist, also warm, richtig warm, dann passt also gutes Lagerbier oft und meistens dazu. Kommt auch vor, dass man halt diese Speisen hat, die dann schon mehr Pfeffer dranhaben oder halt mehr gewürzt sind. Also dann passen natürlich die ganzen Ales, hauptsächlich die IPAs und die ganzen American Pale Ales, und das passt dann auch gut zusammen. Wobei ich sagen muss, dass heutzutage in der Bierszene die meisten Leute dann in diesem Tap House, normalerweise essen die dann Hamburger. Weil das halt das ist, was es dazu gibt. Also ist relativ einfältig dann das Essen, was es zu dem Craftbier normalerweise gibt. Craftbier ist noch nicht in den richtig guten Restaurants ein verbreitetes Angebot in Brasilien. Leider.
Holger: Aber ich habe so in Erinnerung, das Craftbier wirklich teuer ist in Brasilien. Also so 10 Dollar für ein Pint war keine Hürde.
Michael Schnürle: Das kann sein. Kommt drauf an, wo man ist und welches Bier man trinkt. Man muss bedenken, dass wenn man in so Delirium Café geht oder halt diese ganz traditionellen Tap House, die haben dann auch oft importierte Biere. Und die sind dann halt teuer, weil unsere Währung in Brasilien nichts wert ist. Im Moment ist es ja ganz heftig, also 1 Euro kostet über 6 Reals, also das Sechsfache. Wenn man nach Brasilien geht und sich die Preise anguckt, dann ist man als Deutscher erst mal überwältigt, das ist alles teuer, aber wenn man es dann umrechnet, ist es doch nicht so teuer. Es kommt dann drauf an, wann du da warst und wie der Wechselkurs stand. Ich habe darauf aufgepasst, dass unsere Biere, also die Biere vom Fass nicht mehr als 30 Reals der Pint gekostet haben. Das ist weniger als 5 Euro jetzt. Wenn ich jetzt mir hier überlege, was man hier für ein Pint in Frankfurt für Craftbier nimmt, ist das nicht sehr unterschiedlich, oder?
Markus: Ja, das stimmt. Wobei ich meine Reals, die ich zu Hause auch noch habe, tatsächlich, glaube ich, mit 4 zu 1 oder sowas getauscht habe. Da kommen wir dann schon fast an die 10 Euro hin. Aber das das stimmt natürlich, wenn der Kurs so nach unten gegangen ist, ist das natürlich auch krass. Wobei ich auch sagen muss, ich habe auch Freunde in Argentinien und da ist es ja noch viel krasser, was den Währungsverfall angeht.
Michael Schnürle: Genau!
Markus: Das ist ja ganz schlimm.
Michael Schnürle: Und natürlich ist dann auch da dazu zu sagen, also dass sowohl Hopfen als auch ein guter Teil von Malz in Brasilien noch importiert werden. Also Hopfen sowieso und Malz zum Teil auch. Das hängt dann auch alles vom Wechselkurs ein bisschen ab und das ist halt teuer. Also die Vermarktung von Bier in Brasilien ist teuer wegen der Logistik. Die Entfernungen sind ja so groß. Ich kann mich jetzt nicht daran erinnern genau an meine Geografieunterrichte in der Schule, aber ich glaube, der restliche Teil Europas sollte schon locker in Brasilien reinpassen, oder?
Markus: Ich glaube schon. Ja.
Michael Schnürle: Ja, eben.
Markus: Wenn ich mich richtig erinnern kann, habe ich auch so eine Grafik gesehen, allerdings in Brasilien. Aber man hat wirklich gesehen, dass Europa da tatsächlich reinpasst. Das ist schon gigantisch, merkt man auch, wenn man dahinfliegt, fliegt man ja Stunden über den Regenwald. Also das ist schon durchaus beeindruckend. Gott sei Dank noch. Jetzt würde ich aber schnell noch mein Bierchen aufmachen, wenn ihr erlaubt?
Michael Schnürle: Ja, bitte.
Markus: Weil jetzt habe ich nämlich langsam auch Durst, muss ich sagen. Und ich habe in meinem Kühlschrank mal geguckt, was habe ich denn da noch stehen, was ganz Exotisches. Weil ich mir jetzt gedacht habe, okay, da kann man jetzt mal, wenn man quasi nach Brasilien geht, kann man ja mal schauen. Und ich habe da eine schwarze Dose, da steht drauf Carbon Brews und dann 1 IBU, ein Hazy Pale Ale mit 4,7 % und eben 1 IBU. Also heißt, so gut wie gar nicht bitter. Jetzt bin ich mal gespannt, schauen wir mal. Also wie ihr gehört habt, eine Dose, und zwar ordentlich unter Dampf. Schauen wir mal. Jetzt muss ich hier erst mal ein bisschen warten, bis sich das Ganze gesetzt hat. Ach so ja, und es kommt übrigens aus Hong Kong. Also auch ganz interessant, eine Brauerei, wo man jetzt nicht alle Tage lang vorbeikommt. Und hat mir ein Freund mitgebracht. Und wenn man sich das Ganze anschaut, also zumindest das Thema Hazy Pale Ale, ist komplett getroffen. Also man kann fast, nein, man kann nicht durchgucken, also sehr milchig trüb die ganze Angelegenheit. Obendrüber ein relativ grobporiger, aber dichter Schaum. Und es riecht in der Tat sehr fruchtig, so Pfirsich, Maracuja in die Richtung. Mal gucken. Mhm (bejahend). Schmeckt man auch. Und ich schmecke schon eine gewisse Bittere. Also 1 IBU würde ich jetzt nicht sagen, ich würde es eher so in den 20, 25 einsortieren. Aber es ist schmackhaft. Und wenn jemand mal sowas in die Hand bekommt, Carbon Brews aus Honk Kong, dann gerne mal probieren, ist ein sauberes, schönes, sehr fruchtiges und spannendes und auch seltenes Bier. Prost!
Michael Schnürle: Prost!
Holger: Prost!
Michael Schnürle: Markus, vielleicht kannst du mir ja was beibringen wegen IBU. Wir haben öfters ein Gespräch gehabt in der Bar, dass IBUs so eigentlich relativ wären. Das, was man abmessen kann und das, was man dann abschmecken kann, kann eigentlich ganz verschieden sein. Stimmt das?
Markus: Im Grunde ist es eine rein rechnerische Größe. Also es gibt den Hopfen natürlich als Inhaltsstoff und der hat Bitterstoffe. Und dann kann ich ausrechnen, wie viel Kilo Hopfen gebe ich auf wie viel Liter meines Bieres, und habe dann praktisch ein Verhältnis, wenn ich weiß, soundso viel Prozent in meinem Hopfen, 10 % zum Beispiel sind Bitterstoffe, und ich habe dann eben 500 Gramm auf 100 Liter Bier, dann kann ich ausrechnen, wie viel Bitterstoffe ich in diese 100 Liter Bier gebe. Und da kommt dann rein rechnerisch die Bittereinheit dabei aus. Also das ist der rechnerische Wert, und der ist jetzt zum Beispiel bei einem hellen Bier so um die 20, bei dem Pils so um die 30, 35, und kann dann eben bei einem IPA auf 40, 50 und so weiter steigen, bei einem Weizen haben wir vielleicht 10. Also so in diesem Rahmen bewegt sich das. Und der andere Punkt ist aber, dass der Alkohol im Bier die Bittere, also zumindest in der Wahrnehmung, reduziert. Das heißt also, wenn ich ein sehr alkoholhaltiges Bier habe, dann merke ich die Bittere weniger, das heißt, auch dann schmecke ich, wenn ich zum Beispiel ein Pils mit 5 % und 35 Bittereinheiten habe, und dann habe ich ein Pale Ale mit 7 % und auch 35 Bittereinheiten, dann kommt mir das Pale Ale wesentlich weniger bitter vor, weil es mehr Alkohol hat. Also insofern ist es da oft auch eine Frage der Wahrnehmung und dann hat es auch noch was damit zu tun, wann kommt dieser Hopfen in das Bier? Ich kann den im normalen Brauprozess reingeben, dann überträgt sich eben ein gewisser Teil der Bittere, ungefähr ein Drittel. Oder ich kann den zum Beispiel Hopfenstopfen, Dry Hopping sagt man da auf Englisch. Wenn das Bier eigentlich schon fertig ist, dann überträgt sich noch wesentlich weniger von dieser Bittere, aber mehr von den Hopfenölen, weil das Bier dann eben schon kalt ist und die Hopfenöle im Kalten nicht verdunsten oder verdampfen, was sie normalerweise eben im heißen Bereich des Bieres noch tun. Das ist ein ziemlich komplexer Begriff insgesamt, aber die Bittereinheiten sind eher so ein Richtwert, also jetzt weniger etwas, wo ich genau weiß, was ich erwarten kann. Aber 1 IBU auf diese Dose zu schreiben ist schon ein bisschen mutig, muss ich sagen.
Michael Schnürle: Das ist Marketing, würde ich sagen.
Markus: Das glaube ich auch.
Holger: Die Zielgruppe ist ja hier ein Franke und da sind ja IBUs, ganz viele IBUs ganz furchtbar.
Markus: Allerdings! Ja. Aber habe ich es richtig erklärt, Holger?
Holger: Absolut! Du hast es richtig erklärt. Ja.
Michael Schnürle: Also vielen Dank! Ich hatte so eine Vorstellung, aber so richtig erklärt habe ich das nie bekommen.
Markus: Dann haben wir das doch jetzt mal nachgeholt. Das ist doch sehr schön.
Michael Schnürle: Genau!
Holger: Dazu kommt natürlich, dass die Wahrnehmung vollkommen unterschiedlich ist. Man kann ja ein IBU haben mit 85 Bittereinheiten und du hast halt eine schöne Kalthopfung. Die Bittere wird eben durch die Fruchtigkeit des Hopfens so ein bisschen umarmt, eingebunden. Und dann ist Das Empfinden doch wieder weniger, aber du hast trotzdem 85 IBUs. Das ist auch der Grund, warum ich in Verkostungen eigentlich nicht so gerne mit den Werten arbeite, weil sofort so ein Kopfkino anfängt. Dann sagst du halt, ein deutsches Pils hat so zwischen 25 und 35 IBUs und jetzt kommst du mit einem IPA mit 85. Und dann denkt jeder sofort: Um Gottes Willen! Das ist ja mehr als doppelt so bitter wie jetzt ein Pils. Und kann dann aber doch wieder in der Wahrnehmung ganz anders sein. Also ist ein Feld, aber man kann’s errechnen, man kann‘s auch messen, aber letzten Endes ist ja immer derjenige, der trinkt, entscheidend für den zweiten Schluck. Und davon leben wir ja alle.
Michael Schnürle: Mhm (bejahend).
Markus: Es gibt noch eine lustige Geschichte. Der Mikkeller hat ein Bier gemacht mit 1000 IBU. Da hat er halt einfach Unmengen an Hopfen verwendet, um das Bier herzustellen. Und da hat man dann wirklich mal überlegt: Okay! Ist das überhaupt möglich? Weil der Geschmack des Bieres war natürlich bitter, aber jetzt nicht so bitter im Verhältnis. Und dann hat man untersucht und festgestellt, dass es auch einfach eine Sättigung gibt in dem Brauwasser. Das heißt, es kann nur bis zu einer gewissen Menge Bitterstoffe überhaupt aufnehmen und danach kann ich noch so viel Hopfen und Bittere reingeben, das Wasser wird es einfach nicht mehr aufnehmen können. Das ist so, wie wenn du Zucker in deinen Tee tust und irgendwann kannst du halt noch mehr und noch mehr und noch mehr Zucker reingeben, aber er löst sich nicht mehr auf. Deswegen ist es dann rechnerisch eine sehr hohe Bittere, aber real endet das dann irgendwo so bei 100, 120. Da kann man einfach gar nicht mehr Bittereinheiten überhaupt reinkriegen, weil eben das Wasser das gar nicht mehr schluckt. Also insofern ist da dann auch viel Marketing dabei. Wie habt ihr denn die Biere ausgewählt für eure Bar?
Michael Schnürle: Das haben wir wirklich erlernen müssen, als eigentlich spezifisch ich. Ich war dafür verantwortlich. Ich muss schon sagen, also wir haben die Bar geöffnet, ich war dabei eigentlich nur, weil ich dann einen guten Weg hatte, gutes Craftbier für gute Preise zu trinken selber. Es war wirklich ein Lifestyle-Business. So hat es auch dann gut geklappt in dem Zusammenhang. Ich war als Investor dabei, ich hatte einen Partner, der hat das jeden Tag geschmissen, also der war jeden Tag da und hat aufgemacht. Und wir haben auch wirklich jeden Tag gearbeitet von Montag bis Montag. In Brasilien ist das üblich, da macht man am Sonntag nicht zu, das kommt gar nicht in Frage. Also sonntags sind die Leute auf der Straße und wollen essen, trinken, Party machen und wollen sich amüsieren. Und da muss man arbeiten, muss man offen sein in der Gastronomie. Das haben wir dann auch gemacht. Und ich war dann verantwortlich halt, ich sollte die Biere aussuchen, und ich musste dann auch halt die Preise feststellen, also errechnen und den Price Point finden, der dann auch für uns funktioniert. Es ist in São Paulo eigentlich so, wir sind so weit mit Craftbier gekommen, dass in den, sagen wir, durchschnittlichen, also Nachbarschaften, haben die meisten Nachbarschaften schon mindestens eine Craftbier Bar in der Nachbarschaft. Also man kann schon hinlaufen, was in São Paulo schon sehr viel bedeutet. Man läuft hier sehr wenig und fährt sehr viel und sitzt auch oft im Stau. Und wir haben die Bar glücklicherweise gleich bei uns zu Hause um die Ecke geöffnet, damit wir auch selber dahinlaufen konnten oder mit dem Fahrrad oder so. Und wir haben uns dann halt die Biere so ausgesucht, dass die vom Preis her auch funktioniert haben, hauptsächlich. Also wir haben uns fest vorgenommen, keine Biere zu verkaufen, die mehr als 27 oder 28 Reals kosten würden der Pint. Wobei unsere drei festen Biere, also wir hatten ein IPA, ein Lager oder Pils, und ein Weißbier, hatten wir so fest immer. Also das waren unsere festen Zapfen da. Die haben alle 18 Reals gekostet, nur Lager war etwas billiger, so 15 Reals oder so. Weil wir halt gemerkt haben, dass unsere Kunden aus der Nachbarschaft nicht bereit waren, viel mehr Geld auszugeben an einem Pint als diese 27, 28 Reals. Und dann habe ich eigentlich rückwärts gearbeitet, vom Preis aus dann gesucht, welche Biere funktionieren würden und welche Brauereien die besten Biere in dieser Preis-Marge liefern konnten. Und so haben wir die dann ausgesucht. Also wir hatten 8 Zapfen, 8 Taps, von denen hatten wir immer also die 3 festen Taps, und dann die anderen 5 haben wir dann versucht, so oft wie möglich auszuwechseln, also neue Biere daran zu zapfen. Also so oft wie möglich neue Biere dazuhaben, zu bieten. Aber normalerweise war es so, von den 8 Taps waren mindestens 5 Ales. Also der Brasilianer, der Craftbier trinkt, der hat Lust auf Ales. Sowohl IPAs, APAs, die große Mode sind jetzt die Juicy und New Englad IPAs, also diese ganz saftigen IPAs, und Double IPAs und Imperial IPAs. Dunkle Biere haben wir kaum verkauft, als Porter und Stout und so weiter, das war nicht oft der Fall. Also in São Paulo im Winter haben wir das manchmal gemacht. Das sind aber Biere, die schwerer sind zu verkaufen so in einem Tap House. Und wir hatten auch oft Sour Ales. Vielleicht kann der Markus ja mir auch noch was drüber beibringen, oder der Holger, über diese einzige brasilianische Biervarietät da, diese Catharina Sour, ob das wirklich etwas spezifisches Brasilianisches ist oder eigentlich nur eine Berliner Weisse oder eine neue Art von Berliner Weisse. Das hatten wir auch, das kam auch gut an, hauptsächlich bei den Frauen, also unter unseren Kunden. Wir mussten auch den Leuten noch ein bisschen beibringen, was Craftbier ist. Es war oft der Fall, dass die Leute kamen und haben gesagt: Na, Lust auf ein Bier? Und die Leute haben gesagt: Ja, gib mir mal so ein ganz normales Bier. Da haben wir halt mit Pilsen oder Lager angefangen und haben dann ein bisschen raufgearbeitet, APA und mal vielleicht ein Vienna Lager. Halt versucht, die IBUs ein bisschen raufzuarbeiten. Wir haben dann auch etliche Kunden sozusagen ausgebildet. Die waren uns dann auch treu.
Markus: Ja, das klingt doch faszinierend. Holger, soll ich kurz noch was zum Catharina Sour sagen oder magst du?
Holger: Unbedingt! Mach mal!
Markus: Ja, also kann ich gerne machen. Das ist ein Bierstil, und du hast schon zu Recht gesagt, die Basis ist die Berliner Weisse. Das Spannende ist allerdings, dass man die Berliner Weisse genommen hat, wie man sie, ich sag mal, vor 20 Jahren ungefähr in Deutschland bekommen hat. Das ist ein rein kesselsaures Bier, also mit Milchsäure gesäuertes Bier, was in Berlin dafür gemacht worden ist, mit Sirup getrunken zu werden, also mit Waldmeister oder mit Himbeersirup, und gar nicht pur als Getränk. Und da haben dann damals schlaue Köpfe in Brasilien bei den Brauereien gedacht, weil ja auch viele deutsche Wurzeln haben oder zumindest gerne sich an deutsche Bierstile anlehnen wollten, dass sie diese Berliner Weisse nehmen. Aber eben statt Waldmeister und Himbeere, was typische Früchte beziehungsweise Aromen hier in Deutschland sind, haben sie dann eben Früchte aus dem Regenwald genommen, alle möglichen, die da so in Brasilien wachsen, und haben das dann zugegeben nicht als Sirup, sondern als frische Frucht, und dann daraus eben einen neuen Bierstil kreiert in dem Bundesstaat Santa Catarina. Deswegen eben auch der Name Catharina Sour. So seit zwei, drei, vier Jahren sagen die Brasilianer auch, das ist unser eigener Bierstil. Ich hatte da durchaus kleine Diskussionen mit den Leuten unten, als ich bei einem Wettbewerb war. Weil, was ich sehr schade finde, ist, dass eben das, was bei uns bei der Berliner Weisse passiert, dass man die alten Stile wiederentdeckt, und da geht es eben nicht um reine Milchsäureregulierung, sondern da geht’s eben um wilde Hefen, um Aromen, die eben weit darüber hinausgehen. Das haben die in Brasilien gar nicht zugelassen im Wettbewerb für ein Catharina Sour. Und das ist natürlich schade, weil das ja eigentlich der Urbierstil ist. Aber auf jeden Fall eine ganz spannende Geschichte. Und dadurch, dass es eben so viele schöne Früchte und frische Früchte und aromatische Früchte gibt im Regenwald oder überhaupt in Brasilien, gibt’s da ganz, ganz tolle Variationen. Und ich habe eigentlich kaum eins bekommen, was mir nicht geschmeckt hat. Und habe auch die teilweise mit nach Deutschland genommen und hier auch in Veranstaltungen verwendet, und die Leute waren da auch immer total begeistert. Also auf jeden Fall eine coole Sache. Ich glaube, Holger, wir hatten uns auch schon mal drüber unterhalten über überhaupt diese Natur in Brasilien, die halt ganz anders ist als bei uns in Deutschland, wo eben alles am Leben und am Blühen und am Wachsen ist, und eben die Menschen da auch so drauf sind, oder? Hast du doch auch so erlebt.
Holger: So ist es. Also absolut! Das schwappt über auf die Mentalität. Ich bin total begeistert. Ich war da wahnsinnig gern und man muss vielleicht auch noch mal jetzt zum Schluss die wirklichen, also ich weiß gar nicht, ob ich das so sagen darf, die Klassiker. Aber für mich zum Beispiel ist halt so eine Brauerei wie Eisenbahn, das ist so typisch für mich irgendwie. Das hast du ja auch gerade vorhin schon angesprochen, da sind dann halt einfach Auswanderer nach Brasilien gegangen und haben die Bierkultur dann auch mitgenommen. Und dann heißt halt so eine Brauerei Eisenbahn. Und da war ich auch. Also das ist unbeschreiblich. Es ist schon toll, wenn man andere Kulturen auch so kennenlernen kann und sich dann doch sofort verbinden kann, weil eben das Bier dann der gemeinsame Nenner ist, der dann alles wieder verbindet. Das fasziniert mich halt immer wieder.
Markus: Jetzt würde mich zum Schluss noch interessieren, Michael, du bist ja rübergekommen jetzt mit deiner ganzen Familie, mit deiner Frau, mit deinen Kindern. Vielleicht, wenn du uns da noch mal einen kurzen Überblick gibst, wie groß ist denn deine Familie und wie sind jetzt eure Pläne? Oder seid ihr wegen der Corona-Geschichte gekommen? Oder wolltest du allgemein eher dich nach Deutschland orientieren? Oder wie kam das überhaupt?
Michael Schnürle: Ich bin jetzt, ich glaube, 15 Jahre verheiratet und meine frau ist Brasilianerin. Die hat sich eigentlich wahrscheinlich irgendwann vor 15 Jahren mal eine Hoffnung gemacht, ja, ich verheirate mich jetzt mit dem Schnürle, das geht jetzt bestimmt irgendwann bald ab nach Deutschland. Und das ist auch nicht passiert. Ich habe da sehr lange mich gewehrt, nach Deutschland zu ziehen, obwohl sie das immer vorgeschlagen hat oder öfters vorgeschlagen hat. Wir sind zu viert, eigentlich zu fünft, der Hund ist ja auch mitgekommen. Aber ich habe zwei Töchter, die eine ist neun Jahre, gestern neun Jahre alt geworden, und die älteste ist 13 Jahre alt. Sowohl die beiden Mädchen als auch meine Ehefrau, die sprechen noch kein oder sehr wenig Deutsch. Wir haben zu Hause kein Deutsch gesprochen, das habe ich verpasst mehr oder weniger, sagen wir so. Aber die lernen das jetzt, die müssen das jetzt aufholen. Und was uns nach Deutschland gezogen hat, sagen wir mal, also erst mal, ich war geschäftlich, würde ich sagen, an einem Punkt, wo alles in den letzten Jahren ziemlich gut gelaufen ist und ich konnte es mir auch leisten, sagen wir mal, jetzt ein Jahr lang nicht zu arbeiten oder nicht auf ein Gehalt zu arbeiten, sagen wir mal so. Und dann kam dazu, dass wenn man in São Paulo als Erwachsener oder als Ehepaar ohne Kinder gut verdient, ist São Paulo eine richtig tolle Stadt zum Leben. Also was da einem angeboten wird an Gastronomie, an Entertainment, also alles, alles. Es gibt alles und jederzeit bekommst du alles, was du möchtest. Du musst halt nur die Mittel haben und die Zeit haben. Aber für Kinder ist es nicht so eine freundliche Stadt. Also man hängt sehr viel von dem Auto ab, die Kinder mussten morgens in die Schule gefahren werden und dann mittags abgeholt werden und dann in den Club gefahren und dann nachmittags wieder nach Hause gefahren. Die haben für alles von uns beiden, also von meiner Frau und von mir abgehängt, weil sie halt nichts alleine machen durften. Also wir sind dann zum Schluss gekommen, dass wir den beiden Mädels das geschuldet haben, denen zu zeigen, dass es woanders auf der Welt auch anders sein kann. Uns war es wichtig, dass sie lernen halt, mit der Freiheit umzugehen und die auch selber zu erleben. Und das tun sie jetzt auch ganz gewaltig. Wir leben hier in Frankfurt auf dem Riedberg, das ist so ein neues Viertel, und die Kinder sind frei. Also sie fahren mit einem Roller. Das ist für euch eigentlich so selbstverständlich, aber für uns Brasilianer nicht. Also die fahren frei mit dem Fahrrad oder mit dem Roller und die sagen ganz einfach, ja, wir gehen auf den Spielplatz und ich mache mir keine Sorgen, wo sie sind und mit wem sie sind. Also das passt alles. Und der Hund, der hat auch gleich gelernt auf Deutsch sich zu verständigen und so weiter, also der ist auch ganz froh. Also wir haben uns alle sehr schnell eingelebt hier. Die Mädchen bemühen sich jetzt halt Deutsch zu lernen, wobei ich auch sagen muss, es ist schon erstaunlich, wie gut oder wie sehr die deutschen Schulen, auf jeden Fall hier in Frankfurt, darauf vorbereitet sind, Nicht-Deutschsprachige aufzunehmen und denen Deutsch beizubringen. Also das finde ich ganz toll. Also das wäre ja eigentlich nicht unbedingt so selbstverständlich, aber ist es, so ist es. Und das funktioniert dann auch. Also ich muss schon sagen, wir haben bisher nur die Vorteile gesehen rüber zu ziehen. Wir sind nicht vor Corona geflüchtet. Also ich muss schon sagen, wir haben in São Paulo sehr gut gelebt. Ich habe dort ein eigenes Haus, wo wir gelebt haben, ein großes Haus. Okay, wir hatten halt Quarantäne, wir mussten zu Hause bleiben. Aber ich meine, jeder hatte seinen eigenen Computer, wir hatten einen guten Internetanschluss, wir hatten Platz. Uns ging‘s nicht schlecht zu Hause. Also das war kein Problem. Wir hätten das auch abwarten können. Aber es war halt eine gute Gelegenheit, jetzt rüber zu kommen nach Deutschland. Also ich habe bis vor kurzem noch weiterhin für das Geschäft in Brasilien über Internet, also über Homeoffice gearbeitet. Das ist jetzt auch vorüber. Aber bisher habe ich das dann auch machen können. Die Kinder hatten sowieso schon ihre ganzen Routinen aufgegeben. Ich muss schon sagen, also der Umzug war dann schon viel einfacher als im Normalfall, wenn man sich von allem verabschieden muss und alles auflösen muss.
Markus: Klingt zumindest, als würden die Zeichen ja auf gut stehen. Als insofern vielen Dank, dass du uns diesen Einblick gegeben hast in dein Vorleben sozusagen. Und ich denke mal, wenn jemand Interesse hat, mehr über Brasilien oder Kontakte vielleicht auch zu haben oder sowas, der kann sich ja bei dir melden, du hast eine Facebook-Seite und eine Instagram-Seite.
Michael Schnürle: Genau!
Markus: Und die werden wir auch in den Shownotes verlinken vom Podcast, sodass ihr dahinkommt. Und insofern wie gesagt, vielen, vielen Dank für diese schöne halbe, dreiviertel Stunde mit dir und für die vielen Geschichten und Informationen, und auch dafür, dass wir diese Biere zusammen gemeinsam genießen konnten.
Holger: Auch von meiner Seite aus, also war ein spannendes Gespräch, ein spannender BierTalk. Da kann man mal wieder sehen, also wie das Schicksal mit uns allen spielt, oder? Also was verbindet uns? Eben das Thema Bier. Das ist doch großartig.
Michael Schnürle: Genau! Prost!
Markus: Perfektes Schlusswort. Prost! Vielen Dank! Und Tschüss an unsere Hörer.
Michael Schnürle: Vielen Dank! Tschüss!
Holger: Tschüss!
Markus: Ciao!
BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de