BierTalk 9 – Interview mit Gisela Meinel-Hansen von der Brauerei Meinel aus Hof

Drei Frauen – eine Brauerei. Das ist vielleicht sogar das Erfolgsgeheimnis der Brauerei Meinel in Hof. Vor kurzem übernahmen die beiden Schwestern Monika und Gisela Meinel-Hansen das Ruder und führen jetzt das Unternehmen mit viel Schwung durch das nicht immer ruhige Fahrwasser. Gisela ist aber nicht nur Braumeisterin, sondern auch Mutter, Vorsitzende von Bierland Oberfranken und Präsidentin des Bundes der Doemensianer. Und vor knapp zehn Jahren startete sie das Label „HolladieBierfee“ – ein Bier von Frauen für Frauen. Grund genug für Markus Raupach und Holger Hahn, mit ihr bei einem BierTalk die Meinel-Biere zu verkosten und über den spannenden Alltag in Hof zu sprechen…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu unserem BierTalk Nummer 9, wie immer mit mir, dem Markus und …

Holger: … mir, dem Holger.

Markus: Dieses Mal ganz besonders schön für uns, wir haben unsere erste Dame im BierTalk, und das ist die Gisi Meinel-Hansen, die sich jetzt vielleicht kurz ein bisschen selber vorstellt.

Gisela Meinel-Hansen: Hallo, liebe Biergenießer, vielen herzlichen Dank für die Einladung, lieber Holger, lieber Markus. Ich bin die Gisi Meinel-Hansen, Biersommelier und Braumeisterin hier bei uns in der Meinel Bräu im schönen Hof in Bayern ganz oben. 30 Jahre bin ich alt und braue schon ziemlich lange Bier. Wir hier in der Brauerei machen 80 verschiedene Biersorten, darunter 7 klassische, einfach, die es das ganze Jahr über gibt, solange sie nicht ausgetrunken sind, und dann sozusagen immer die restlichen wechselnd saisonal. Ich freue mich, 3 Sorten mit euch beiden verkosten zu können.

 

Familienbrauerei mit Geschichte

Markus: Klingt doch schon mal sehr verheißungsvoll. Man muss vielleicht noch dazusagen, das ist ja eine richtige Familienbrauerei mit einer ganz langen Geschichte. Wenn man jetzt so auf deinen Vater zum Beispiel mal guckt, in den reinfühlt, der hat sich wahrscheinlich gedacht, Mensch, zwei Töchter, wie geht das weiter mit der Brauerei? Und dann sind sie auf einmal beides Brauerinnen und sind jetzt auch beide in der Brauerei, das ist natürlich schon toll. Kann man bei euch schon von einer Erfolgsgeschichte sprechen, oder?

Gisela Meinel-Hansen: Unser Papa hat sich da glaube ich sehr gefreut und die Mama auch. Und zusammen ist es echt ganz schön, momentan in der Geschäftsbrauerei bin ich mit meiner Schwester und noch mit meiner Mutter, also wir sind so ein Drei-Mädel-Haus und haben damit auch 70 Prozent Frauenanteil. Das ist echt megaschön und die besten Beratungstipps kriegen wir von unserem Papa, den wir immer anrufen können, wenn wir irgendwelche Fragen haben. Ein toller Familienbetrieb und wir freuen uns Bier zu brauen jeden Tag und das Schöne ist, dass wir das natürlich auch in dieser Zeit dürfen.

Markus: Holger, bist du da beeindruckt? Könntest du dir deine Tochter auch als Brauerin vorstellen?

Holger: Also die Stella kann ich mir als Brauerin nicht vorstellen, aber beeindruckt bin ich trotzdem. Man weiß ja auch nie, was kommt. Auf jeden Fall hat Vater Meinel aus meiner Sicht alles richtiggemacht. Sie sind ja nicht nur Brauerinnen geworden, sondern sind auch sausympathisch.

Markus: Das hast du schön gesagt. Und Gisi – apropos: sollten wir einfach schon mal ein Bierchen zusammen trinken, mit welchem möchtest du denn gerne anfangen?

Gisela Meinel-Hansen: Ich würde heute gerne mit euch zusammen das Kellermärzen trinken, das ist ganz neu, gibt’s seit Anfang April, also genaugenommen seit dem 1. April. Ich mache mal auf.

Markus: Da machen wir doch mit.

Holger: Ich mach’s auch mal auf.

 

Ein Kellerbier aus Hof

Gisela Meinel-Hansen: Sehr gut. Und beim Einschenken merkt man schon, Kellermärzen, Keller lässt ja auch so ein bisschen immer darauf hinweisen, dass es vom Biertyp eigentlich ein naturtrübes Bier ist. Das war auch uns ganz wichtig, wir hatten auch immer ein naturtrübes Bier in der Range, und haben das jetzt aber sozusagen aus zwei naturtrüben Bieren eines gemacht und das ist unser Kellermärzen mit einem anderen Hopfen, dem Pure und der Perle. Ein Märzen ist ja ein Festbier, sehr malzbetont mit viel Wiener Malz, drei verschiedenen Karamell-Malzen, einem kleinen Anteil Pilsner Malz. Ja, ihr Lieben und jetzt haben wir es ja auch im Glas und wir sehen eine echt schöne Trübung, sehr samtig, Karamellbonbon von der Farbe her, sehr stabil im Schaum. Kann man dann mal so das Näschen da reinstecken, dann riecht man die malzigen leicht süßlichen Aromen, aber natürlich auch so diese Frische der Hefe. Das Bier ist lang abgelagert, 7 bis 8 Wochen. Wir lassen das lange auslagern, streben einen relativ hohen Endverklärungsgrad an, weil wir keine Kurzzeiterhitzung oder Pasteurisierung haben. Das heißt, dass die Hefe einmal gut absetzt, das tut sie auch sehr schön, dass sie eine schöne Vorklärung haben und der hohe Endverklärungsgrad ermöglicht uns dann trotzdem eine relative Stabilität, wenn wir das in die Flasche füllen, ohne das nochmal zu erhitzen. Vier Monate MHD geben wir auf das Produkt, aber jetzt sollten wir mal trinken, Jungs, glaube ich. Vom CO2-Gehalt liegen wir da so ein bisschen unter dem klassischen Pils oder dem klassischen Hellen, 4,9 / 5 Gramm pro Liter. Das ist nicht so wahnsinnig spritzig, aber das steht einem Kellerbier sehr gut. Die Rohstoffe sind alle aus ökologischem Anbau. Der Clou bei der Sache ist nämlich einfach, man kann es zu vielen Gelegenheiten trinken, ein rundes Bier und passt eigentlich so gut auch zu einer Brotzeit hervorragend.

Markus: Wahnsinn! Da sind wir jetzt ganz schön platt, oder Holger? Mir fehlen grad die Worte.

Holger: Also was kann man da noch hinzufügen? Also ich habe jetzt die ganze Zeit währenddessen die Flasche angeschaut, naturtrüb und nachhaltig, und damit meint sie ja dann wahrscheinlich, dass alles aus biologischem Anbau kommt und auch Bio-Aromahopfen drin ist und so. Oder was ist mit Nachhaltigkeit genau gemeint?

 

Nachhaltigkeit in der Brauerei

Gisela Meinel-Hansen: Einmal, weil wir ein Projekt schon seit fast 8 Jahren unterstützen, und zwar ist das hier im Hofer Land eine Muschel, die Flussperlmuschel, die vom Aussterben bedroht ist. Und der Bund Naturschutz kümmert sich seit sehr vielen Jahren um diese Flussperlmuschel, dass sie hier sich vermehrt, eine Vermehrungsstation. Und mit dem Bier unterstützen wir vor allem dieses Projekt, weil uns die Wasserqualität so sehr am Herzen liegt, die sehr gut hier in Oberfranken ist. Allerdings möchten wir natürlich diesen Schatz bewahren. Und wir haben uns dazu entschlossen, nicht nur die Flussperlmuschel zu unterstützten, sondern auch andere Projekte, wenn einfach Dinge an uns herangetragen werden. Da haben wir gesagt, können wir das mit dem Bier ganz gut machen und das ist für uns einfach diese Nachhaltigkeit, dass wir einfach mit dem Erlös ein bisschen was zurückgeben. Und du hast noch mal angesprochen, lieber Holger, Pure und Perle, die beiden Aromahopfen neben dem schönen Bier. Pure ist sozusagen eine Nachzüchtung von Hersbrucker Spät aus dem Anbaugebiet Hersbruck, das ja jetzt zur Hallertau gehört.

Markus: Genau, aber immer noch örtlich und überhaupt in Franken geblieben ist, …

Gisela Meinel-Hansen: Genau.

Markus: … aber da eben angegliedert ist. Das finde ich auch eine sehr witzige Geschichte eigentlich. Aber es ist beim Wein übrigens auch so, es gibt ein Weinanbaugebiet an der Donau und dieses Weinanbaugebiet gehört zum Frankenwein, also auch irgendwie ganz spannend.

Gisela Meinel-Hansen: Oh.

 

Mensch ärgere Dich nicht!

Markus: Das ist der Baierwein. Also was mir übrigens auffällt, das Logo finde ich ganz spannend, weil ihr habt ja vorher euer klassisches Logo gehabt mit dem M. Das muss man sich so vorstellen, wie so eine Spielfigur von „Mensch, ärgere dich nicht!“ kann man sich das glaube ich vorstellen, für jemand, der das nicht im Kopf hat. Und oben in dem Kopf ist eine Damen-Silhouette und unten der Teil war praktisch ein M und sah dann aus wie ein großer Rock. Und jetzt habt ihr praktisch den Körper weggelassen und wir sehen nur noch dieses Kopfteil mit der Dame, die ein Bier trinkt. Ist das Absicht, habt ihr euch da ein bisschen verändert bewusst?

Gisela Meinel-Hansen: Richtig, genau. Auch seit dem 1. April, und zwar war für uns immer ein bisschen die Problematik, dass wir ein einheitliches Erscheinungsbild hatten. Das war ja mal vor 30 Jahren nicht unglaublich wichtig für eine Brauerei, aber heutzutage ist der Wiedererkennungswert auch für uns kleine Brauereien unglaublich wichtig. Und wir hatten witzigerweise natürlich unglaublich viele Varianten unseres Firmenlogos und auch unglaublich viele verschiedene Farben. Und das war jetzt eigentlich fast eine 5-jährige Arbeit, dass sich alle Generationen auch einig sind, dass wir sozusagen uns auf einen Farbton und ein Logo einigen. Und das war gar nicht so einfach, weil wir uns entscheiden mussten, war ist für uns auf dem Etikett wichtiger, einmal das Logo und danach eine Brauerei, oder ist es die Biersorte? Und deswegen haben wir gesagt, den wichtigsten Teil von ihr, ihren Kopf, und dass sie Bier trinkt, also eine biertrinkende Frau, den erhalten wir. Die Dame, die das tut, die ist nämlich auch mit uns verwandt, das ist unsere Urururgroßmutter, das soll die zusagen darstellen. War Wirtin in unserer Brauereigaststätte und hatte zwei Söhne und einer davon war der erste gelernte oder hauptberufliche Bierbrauer.

Markus: Holger, du bist doch ein Fan von solchen grafischen Sachen, was sagst du dazu?

 

Die Urururgroßmutter als Logo

Holger: Ich find es super. Also das habe ich da auch direkt drauf angesprochen. Ich finde das schön, also das neue Logo. Ein bisschen abgewichen ist man ja dann beim Blümla, aber das finde ich eben auch einfach prima. Ist ja auch ein Bier, was nicht immer zur Verfügung steht, so wie ich das jetzt kapiert habe. Ich finde das gut. Was hast du gesagt, die Urururgroßmutter?

Gisela Meinel-Hansen: Genau.

Holger: Das ist was. Gibt es da ein Foto oder woher weiß man das mit der Dame?

Gisela Meinel-Hansen: Genau, ich glaube, es ist eher eine Zeichnung. Und da ist sie eben einmal als Wirtin gemalt, also sie war eine recht robuste stämmige Frau. Trug immer relativ weite Kleider, wahrscheinlich war das auch, warum der damalige Zeichner oder Illustrator auf diesem sehr voluminösen Körper kam. Und dann wollte der, glaube ich, die Initialen Georg Meinel, das war dann ihr Enkel, den wollte der einfach dann noch mit reinpacken. Das war glaube ich so die Idee davon. Denn können wir leider nicht mehr befragen, weil wir auch gar nicht leider wissen, wer es gemacht hat. Und deswegen wissen wir auch nicht, ob der Nachfahren hätte, aber so haben wir uns das hergeleitet. Da hatten wir eine echt ganz tolle Kalligrafin, die Andrea Wunderlich, auch Oberfränkin und Biertrinkerin, und die hat sich der Sache angenommen und das hat dann echt gut funktioniert.

Holger: Oben in dem Etikett ist dann immer auch noch beschrieben, was einen erwartet so ein bisschen.

Gisela Meinel-Hansen: Genau.

Holger: Und wenn man sich das Dunkle zum Beispiel anschaut, dann passt es ganz besonders zu der Ururoma, verführerisch und malzig.

Gisela Meinel-Hansen: Ja, sehr gut Holger, sehr gut erkannt!

 

Verführerisch – die Brauerei mit drei Damen

Markus: Apropos verführerisch und malzig, wenn man das so als zwei Schwestern so eine Brauerei übernimmt oder plant zu übernehmen und dann vielleicht jeder noch einen Anhang hat oder so, wie entwickelt sich das? Ich meine, du bist mittlerweile sogar Mutter geworden. Wie kann man sich das vorstellen, ist das so ein Familienkosmos oder wie habt ihr das so ein bisschen miteinander ausgemacht?

Gisela Meinel-Hansen: Ja, das ist wirklich ein Familienkosmos. Man versucht sich halt abzustimmen, was hat der eine oder andere in seinem beruflichen Leben noch vor, bevor er vielleicht nach Hause geht. Das eine sind die Pläne, wie das immer so schön ist, und das andere ist, was dann auch wirklich passiert. Wir beide durften auch etwas früher sozusagen in den elterlichen Betrieb dann einsteigen. War aber auch sehr gut, wenn zwei Generationen in einem Betrieb sind, natürlich war das sehr spannend und sehr aufregend teilweise. Derzeit ist es so, dass der Freund meiner Schwester seit einem guten Jahr bei uns ist. Das war natürlich auch so eine Sache, weil ich glaube, es ist einfach ganz einfach wie in jeder Beziehung, egal auf welcher Ebene, du brauchst einfach Spielregeln. Und es ist natürlich schon sehr schwierig, das eine ist der Job und das andere ist das Privatleben. Und das sagen wir immer ganz weise, sollte man gut voneinander trennen. Das ist in einem Familienunternehmen zeitweise herausforderungsvoll, aber man braucht da einfach einen guten Plan. Bis jetzt toi, toi toi.

Holger: Ich habe Durst.

Markus: Na dann.

Gisela Meinel-Hansen: Ja, okay, dann machen wir mal das nächste auf, oder Holger?

 

Holger hat Durst

Holger: Ja gerne.

Gisela Meinel-Hansen: Hervorragend. Und zwar ist das unser Hopfenzupfer.

Markus: Ein kleines Fläschchen.

Gisela Meinel-Hansen: Genau.

Holger: Und mit dem „Mensch, ärgere dich nicht“ Frauchen sozusagen.

 

Der Hofer Hopfenzupfer

Gisela Meinel-Hansen: Ja, stimmt, genau, die mit der Halsschleife und dann hat sie auch noch ein bisschen andere Haare. Unser Hopfenzupfer – wenn man ihn jetzt eingeschenkt hat, sieht man so eine leichte, ganz leichte Opaleszenz. Das kommt daher, weil das Bier an sich naturtrüb ist, aber sehr gut abgelagert. Von der Farbe her ist es weizenfarben, würde ich sagen. Es hat auch einen stabilen Schaum, zu 100 Prozent gehopft aus frischen grünen Doldenhopfen. Wir haben hier keinen Hopfengarten um die Ecke, und vor sieben Jahren hatten wir einfach die Idee zu sagen, wie bringen wir den Hopfen unter den Biergenießern irgendwie näher. Da ist uns eben eingefallen, wir könnten doch ein Hopfenzupfer-Fest veranstalten und ein Großteil unseres Hopfens bekommen wir aus dem Anbaugebiet Spalt, nicht sehr weit von uns entfernt und mit dem LKW sind es circa eineinhalb Stunden. Und da fahren wir in der Früh zu unserem Hopfenbauer und holen uns da den frischesten Hopfen, bevor er auf die Darre kommt. Und dann nehmen wir den Hopfen mit, der hat dann circa einen Wassergehalt von 70 bis 80 Prozent. Und dann muss der natürlich schnell verarbeitet werden innerhalb von acht bis zehn Stunden. Daheim warten dann schon die vielen Helfer auf uns. Wenn man eine Metze, das ist bei uns ein kleiner 5-Liter-Eimer Hopfen von den Ranken gezupft hat, dann gibt es einen Hopfenlohn und das ist dann sozusagen auch Freibier oder eine Freilimo, je nachdem. Das ist eigentlich ein sehr buntgemischter Tag, meistens sind wir um 14 Uhr mit dem Zupfen fertig. An dem Tag brauen wir natürlich dann den Hopfenzupfer ein. Dann kommt das Bier auch wirklich erst zu Nikolaus raus, im Dezember. Meist reichen die zwei Sude, die wir einbrauen, bis Juli. Aber damit wir jetzt nicht verdursten, lieber Holger, einfach mal das Näschen reinstecken und das ist total schön, weil das so genau Gegenteil ist vom Kellermärzen, man riecht einfach ganz schön wirklich den Hopfen. Man kann es sich, glaube ich, sehr gut vorstellen, wenn man die Augen zumacht, dass man da in so einem Hopfengarten steht oder direkt in der Hopfendarre, wenn man das schon mal konnte. Oder wenn man jetzt zum Beispiel über eine Bergwiese geht und da ist frisch gemäht, also man hat einfach diese grünen grasigen Aromen von leicht getrockneten Bergblüten oder Gras oder Heu oder eben Hopfen im Aroma schon in der Nase. Das ist eigentlich das, was uns an dem Bier total fasziniert. Und jetzt zum Wohle, ihr zwei Hübschen!

Markus: Zum Wohle!

 

Das volle Hopfenaroma

Gisela Meinel-Hansen: Da merkt man jetzt natürlich auch, es ist gleich mit dem ersten Schluck auf der Zunge tonangebend natürlich der Hopfen. Es wirkt wunderbar herb. Ich finde, es ist sehr schön ausgeglichen, es bleibt im Mundraum, es bleibt auf der Zunge, aber es ist nicht so, dass es bin die Mundwinkel saust und da irgendwie jetzt so hängenbleibt und da jetzt ganz bitter wirken würde wie vielleicht eine herbe Medizin. Es ist da und wir schmecken die Fülle des Hopfens, wenn wir wieder ausatmen. Dann haben wir diesen retronasalen Effekt und das finde ich total schön. Und das Witzige ist, es ist natürlich jedes Jahr anders. Klar, weil jedes Jahr ist es auch so, dass wir zum Erntezeitpunkt andere Sorten bekommen. Das macht uns aber gar nichts. Und es ist einfach spannend, wenn der am 6. Dezember jedes Jahr rauskommt, wie wird der denn ein bisschen schmecken? Und viele haben natürlich einfach mitgezupft und wir wissen, der Hopfen ist ein Naturprodukt, oftmals sind die Dolden viel kleiner oder dann viel größer, je nachdem wie das Hopfenjahr wettertechnisch war. Und das ist einfach das, was uns so auch begeistert, und was der Mensch dann auch versteht zu lernen, dass es was ganz Natürliches ist und dass es die Kunst des Bierbrauens eigentlich ist, auch für die wunderbaren Rohstoffe, die ja immer unterschiedlich qualitätsbedingt sind, die gleichbleibende Qualität zu halten. Zu was passt der Hopfenzupfer? Wir finden, natürlich zu sehr würzigen oder einen gut gereiften Bergkäse, zu allen Wildgerichten, aber auch zu einer schönen Gans. Hunger!

Markus: Ja jetzt, wo du es sagst, merke ich es auch langsam.

Gisela Meinel-Hansen: Ok.

 

Grünhopfenbiere als Spezialität

Markus: Ich bin ein ganz großer Fan von diesen Frischhopfen- oder Grünhopfen-Bieren, die jetzt in den letzten Jahren immer mehr wieder gemacht werden, weil es einfach aromatisch was ganz Besonderes ist und weil man sehr schön die eigentlichen pflanzlichen Aromen merkt, die eben in den normalen Hopfenprodukten von den Pellets bis zum Extrakt relativ stark schon rausgenommen worden sind, wo man da einfach noch sehr, sehr nahe am eigentlichen Produkt ist. Das finde ich auch toll, dass ihr das macht und das auch wiederbelebt. Und ich kann mir auch vorstellen, dass es dem Holger mit dem Pils als Bierstil oder Imperial Pils gut geht, oder? Das magst du doch.

Holger: Ich mag das, wenn die Biere halt so eine Bittere haben und dass das auch so trocken ist. Also das Getränk ist dann so trocken und schlank und macht auch sowieso dann Lust auf einen zweiten Schluck. Und was ich auch noch tollfinde, ist eben das gemeinsame Erlebnis. Also wirklich bei so einem Hopfenzupfer-Fest da kann man wirklich die Leute so richtig mit dem Rohstoff auch mal in Verbindung bringen und dann erleben die auch, wie unglaublich intensiv so eine Dolde ist, also wenn man die halt so aufreißt und daran riecht. Und dann ist so der ganze Raum, auch wenn es draußen ist eigentlich, füllt sich ja voll mit diesem Hopfenaromen und so. Und das finde ich schon einfach prima. Und Saisonbiere finde ich sowieso klasse. Und Imperial Pils, also immer, wenn einer zu mir sagt so, du musst auf eine einsame Insel und du hast nur ein einziges Bier, was du mitnimmst, dann ist es immer ein Imperial Pils, und zwar das Trumer Imperial Pils, was ich so besonders tollfinde, aber das schmeckt mir auch sehr gut hier.

 

Erlebnis Hopfenanbaugebiet

Markus: Das ist doch schön. Ich meine, an der Stelle sollten wir vielleicht auch wirklich den Hören und Hörerinnen empfehlen: Wenn ihr mal die Gelegenheit habt zur Hopfenerntezeit rund um September, Anfang September bis Ende September ungefähr, in die Hopfenanbaugebiete zu gehen, übernachtet dort vielleicht mal. Das ist total faszinierend, wenn man da früh die Fenster aufmacht und der ganze Ort riecht nach Hopfen. Als das ist ganz intensiv, ganz eigener Geruch, dann auch mal in so einen Hopfengarten zu gehen, da eben die Aromen wahrzunehmen und dann auch in die Betriebe, wo der Hopfen dann gezupft wird. Das ist ein tolles Erlebnis, und wenn man da so richtig drin war, dann riecht man selber auch noch zwei, drei Tage lang danach. Also ganz spannend und toll, dass ihr euch um sowas auch verdient macht. Das ist schon großartig. Du bist auch engagiert bei Doemens zum Beispiel oder auch im Bierland Oberfranken. Wie ist das so, wenn man neben der Familie und der Familienbrauerei und dem ganzen Drumherum dann eben noch solche Ehrenamtsjobs hat? Wie empfindest du das?

 

Immaterielles Welterbe Genussregion Oberfranken

Holger: Die Jobs sind auf jeden Fall Leidenschaft und das ist einfach wunderbar zu sehen wie das ist, weil alleine aus meiner Vita, wenn man so will, ich bin aufgewachsen mit über sieben Brauereien bei uns in der Stadt Hof. Meine Mama war immer engagiert, für Bier was zu tun. Egal ob das jetzt aus der Nachbarbrauerei kam oder nicht, und ich glaube einfach, das wurde uns ein bisschen überliefert wie das Engagement für Bier auf der Ausbildungsschiene wie jetzt bei Doemens oder für Bierland Oberfranken einfach, um zu sagen, das macht unsere Region einfach so aus, das ist unsere Stärke, das ist ja UNESCO Weltkulturerbe. Und das ist einfach was unglaublich Wichtiges und das muss einfach viel mehr noch in die Köpfe. Das wird viel so gerne einfach von vielen einfach so wahrgenommen und ich glaube jetzt so langsam seit rund 15, 20 Jahren, glaube ich, versteht der Endverbraucher oder der Biergenießer immer mehr, was das eigentlich wirklich Wichtiges für unsere Region bedeutet und dass das einfach einzigartig in der Welt ist. Und dass wir einfach Bierland Oberfranken brauchen, dafür sorgt, dass es so weitergeht und dass das erhalten wird, weil leider Gottes von den ehemals zwölf Brauereien, und ich kannte halt sieben davon noch, nur noch vier bestehen als Familienbetrieb und dann halt noch unsere Nachbarbrauerei, die aber dem großen Konzern angehört. Einfach zu sagen, das ist eigentlich nicht unser Vorhaben, das weiterhin so zu forcieren. Weil der Wettbewerb war einfach angenehmer, wie es viele kleine „Zaunlatten“, sagt meine Mama, immer gab, als ein kleiner und viele große, das ist dann der Hai im Becken. Und es ist einfach ein anderes Miteinander und ich finde das total schön, und Bierland Oberfranken ist eigentlich wie eine Familie. Und generell ist unsere Branche einfach eher familiär, finde ich. Ich hoffe, ich kann da auch noch ein bisschen mehr bewegen. Aber der liebe Markus ist da auch voll dabei und ich glaube, wir sind grad ein sehr gutes Team und ich denke, da können wir noch sehr viel reißen.

Markus: Das glaube ich auch, zusammen kriegen wir da schon was auf die Reihe. Holger, warst du schon mal in Hof, hast du schon mal vor Ort verkostet?

Holger: Unbedingt, also ich war schon da. Und wir haben noch gar nicht über Kleinsibirien gesprochen, oder?

Gisela Meinel-Hansen: Ja stimmt. Aber du weißt auch, warum es so heißt, gell?

Holger: Erzähl!

 

Hof, das bayerische Sibirien

Gisela Meinel-Hansen: Hof wird wirklich das bayerische Sibirien genannt. Das stimmt gar nicht, dass das bei uns so wahnsinnig kalt ist, weil sonst würde die Braugerste auch nicht so gut wachsen. Durchschnittlich haben wir trotzdem Jahrestemperatur 16 Grad. Der Wind ist halt ein bisschen vielleicht auch das, was kälter sich anfühlen lässt, wir haben nämlich den böhmischen, deswegen drehen sich auch hervorragend hier die Windräder. Aber Bayerisch Sibirien kommt daher, dass 1815 hier sozusagen die Bayern gekommen, die Franken, da war das.

Markus: Genau.

Gisela Meinel-Hansen: Genau. Danke. Da war das so, dass die bayerischen Beamten, die jetzt nicht so dolle Arbeit geleistet haben, die wurden dann hier hochversetzt. Und weil das von München oder Oberbayern, wenn da halt mal einer so ein bisschen einen Schmu oder ein Schindluder getrieben hat, der dann strafversetzt wurde hier nach Oberfranken, da war das für die einfach unglaublich weit weg. Witzigerweise gab es eine Parallele zu Russland, das hat wohl der Zar auch mit Dienern gemacht, die auch nicht artig gewesen sind, und hat die sozusagen nach Sibirien geschickt. Und deswegen kommt das eigentlich daher, dass Beamte des königlichen Hofes, die nicht artig waren, nach Oberfranken oder Franken versetzt worden sind, also nach Hof, ganz an die Landesgrenze. Daher kommt das eigentlich. Nicht mal wegen dem Wetter oder dem Klima, sondern einfach nur, weil das ganz weit weg war vom bayerischen Nabel der Welt. Von München aus gesehen war es natürlich unglaublich weit weg.

 

Bayerische Beamte im Exil

Markus: Das hast du schön gesagt mit dem bayerischen Nabel der Welt. Weil die meisten Bayern, für die ist das schon, wenn sie die Donau überschreiten, ist praktisch schon Ausland. Insofern sind wir da in so einem Zwischenbereich. Aber Holger, du bist sowieso gänzlich aus dem Ausland eigentlich, wie lebt man sich da so ein in München?

Holger: Absolut, ich bin Preuße. Genau, das muss auch mal gesagt werden, jetzt haben wir schon so viele Podcasts gemacht, und ja, ich bin Preuße. Also das ist ganz furchtbar, aber so ist es. Ja.

Gisela Meinel-Hansen: Ach nee, das finde ich nicht furchtbar, das ist super.

Markus: Du kannst ja nichts dafür.

Gisela Meinel-Hansen: Außerdem haben die auch wunderbare Bierstile.

Holger: Ganz genau. Und irgendwann, da habe ich mich dann entschieden, ins Exil zu gehen, und bin dann im Nabel von Bayern gelandet. Ihr habt so einen schönen alten LKW auch.

Gisela Meinel-Hansen: Richtig, genau.

Holger: Habt ihr den noch?

 

Der alte LKW als Wahrzeichen

Gisela Meinel-Hansen: Mhm (bejahend). Genau, der ist Baujahr 1962 und der fährt immer noch zu den Wiesenfesten, die es bei uns sehr, sehr häufig gibt ab Ende Juni, jedes Wochenende feiert sozusagen eine andere Gemeinde oder Stadt ihr Volkswiesen- oder Heimatfest. Und da fährt er dann immer im Umzug geschmückt mit. Und ansonsten darf er dann auch mal ein Zelt transportieren oder Damen und Herren. Er hat schon eine Hopfenkönigin transportiert. Ja, das ist sozusagen unser großes Baby. Er muss mit Zwischengas gefahren werden, das kann ich leider nicht. Das ist so ein bisschen schade, aber wir haben da einen wunderbaren Mann, der das kann und der ist sozusagen auch derjenige, der den pflegt, flickt und Bewegungsfahrten,  wie man so schön sagt, mit ihm macht.

Holger: Ich habe selber so historische Fahrzeuge, da vielleicht ein kleiner Exkurs zum Thema Busgenuss, musst du dir mal angucken: www.busgenuss.de.

Gisela Meinel-Hansen: Oh.

Holger: Da bieten wir Genusstouren mit historischen Fahrzeugen an, also in erster Linie dann eben mit historischen Bussen. Und das ist so ein bisschen artverwandt, deshalb habe ich das jetzt angesprochen. Aber jetzt steht noch ein Bier aus, also obwohl wir zeitlich natürlich schon vollkommen überzogen haben.

 

Ein Wheat Pale Ale aus Hof

Gisela Meinel-Hansen: Oh nein, oh nein. Wir haben ein Weißbier, das Blümla, mit mehr Karamellmalz. Das sehen wir dann auch so ein bisschen an der Farbe. Und die Geschichte war einfach die, wir hatten vor doch wieder acht Jahren, die Zeit vergeht so schnell beim Bierbrauen, haben wir uns einfach überlegt, Weißbier ist schön und gut, aber wir hätten gerne irgendwas Fruchtiges. Zumal da vor sieben bis acht Jahren der Bierstil Pale Ale so ziemlich in Bayern oder generell so ein bisschen hier ankam. Wir wollen jetzt keine Pale Ale machen oder kein Pale Ale machen oder kein IPA, aber wir könnten es mal mit einem Weizen probieren und wir übersetzen, wie wir so ein Pale Ale hier machen würden. Deswegen heißt es auch Bayerisch Pale Ale bei uns. Und wir haben jetzt hier ein Bier, das in der Fruchtigkeit einem Weizen sozusagen ähnelt, auch ein bisschen im Geruch. Und dann haben wir aber zwei wunderbare Hopfensorten, wie ich finde, Mandarina Bavaria und Citra. Citra hatten wir die letzten drei Jahre aus Übersee und jetzt wird er auch Gottseidank in Bayern angebaut. Also wir haben einen bayerischen Citra und einen bayerischen Mandarina Bavaria. Da ist es wieder so, dass dieses Bier wahnsinnig von der Hopfennote lebt. Wir machen das mit dem Verfahren der Kalthopfer, der Hopfenzupfer war auch mit Doldenhopfen noch mal kaltgehopft. Und da heben wir immer einen Teil davon auf und geben den dann sozusagen noch mal rein. Und beim Blümla ist es genau ähnlich, wir geben den da schon in der Gärungsphase hinein und dann noch mal in der Lagerphase. Und jetzt würde ich sagen: Zum Wohl ihr Lieben!

Markus: Zum Wohl!

Holger: Hm, ja, riecht super. Ein Wheat Pale Ale, oder? So müsste man es sagen, oder?

Gisela Meinel-Hansen: Ja, es stimmt, hast Recht. Genau. Stimmt. Ja, sehr gut. Gibt es immer vor Ostern, ihr Lieben, kommt es immer raus. Und ist auch ungefähr auch so bis Juni, also bis Sommersonnenwende gibt’s das. Passt halt jetzt supergut zu Spargel oder auch zu einem Curry oder zu Fischgerichten oder zu Ziegenkäse oder zu grünem Spargel. Es ist echt supergut. Also so als Aperitif hier oder alles, was mit Rhabarber so süßsauer, süßlich ist, echt supergut.

Markus: Also da muss ich auch sagen, wenn man auf das Etikett schaut, bekommt man schon richtig Lust. Da merkt man vielleicht auch ein bisschen so den weiblichen Touch in der Brauerei, also richtig bunt, richtig spritzig, jung, frisch. Also das macht allein schon von daher richtig Lust, das in die Hand zu nehmen. Toll!

Holger: Das finde ich auch besonders gelungen. Also das finde ich irgendwie total schön. Und mir gefällt das auch, dass man am Etikett eigentlich sofort erkennen kann, was einen erwartet. Also das ist halt einfach eine Fruchtbombe.

 

Der weibliche Touch

Markus: Ja, und macht auch richtig Lust und Laune an so einem schönen Sommertag, wie wir den heute haben, so ein Bier zu genießen. Also ich glaube, ich nehme mir jetzt dann gleich den Rest und setze mich raus in den Garten und lass es mir richtig gutgehen.

Gisela Meinel-Hansen: Sehr gute Idee.

Holger: Perfekt. Da kann man nur sagen: Holla, die Bierfee.

Markus: Ach so, stimmt, darüber haben wir noch gar nicht gesprochen, Gisy, sag doch noch zwei Sätze zur Bierfee, das muss noch gesagt werden, glaube ich.

Gisela Meinel-Hansen: Gemeinsam seit acht Jahren machen wir mit einer guten Freundin und Braumeisterin, der Isabella Mereien von der Brauerei Drei Kronen, das Projekt HolladieBierfee. Und zwar brauen wir zwei verschiedene Biere, einmal ein Dinkel Ale und ein Lady Parker, beides mittlerweile gleichzeitig so erhalten. Es sind starke Biere immer mit wechselnder Hopfung, meistens mit zweifacher beziehungsweise dreifacher Gärung. Sind immer Starkbiere in kleinen Flaschen für die Damen dieser Welt gebraut. Die zwei Biere sind einfach wahnsinnig intensiv und bevor man sich mit einem Cocktail begnügt, kann man sich auch gerne sozusagen mit einer Bierfee begnügen.

Markus: Ja. Also ich glaube, das ist für uns als Nichtfrauen auch endlich mal ein authentisches Frauenbier, weil es einfach von euch, von Frauen gemacht wird und eben auch entsprechend ankommt. Also das Projekt begleite ich schon sehr lange und das ist immer gerade beim echten Zielpublikum ein echter Hit. Also vielen, vielen Dank, liebe Gisy, dass du die Zeit für uns hattest und dass wir uns über eure Biere unterhalten konnten und über eure Brauerei. War sehr schön. Wir wünschen euch natürlich weiterhin alles Gute für die Brauerei, alles Gute nach Hof und eine schöne Zeit und bis bald.

Gisela Meinel-Hansen: Vielen Dank. Alles Gute, ihr zwei, bleibt gesund!

Holger: Ebenso. Mach’s gut. Tschüss!

Gisela Meinel-Hansen: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 8 – Interview mit Christian „Blacky“ Schwarz von Radio Primaton aus Schweinfurt

Christian „Blacky“ Schwarz arbeitet jeden Tag als beliebter Morning-Show Moderator bei Radio Primaton in Schweinfurt. Schon zweimal war Biersommelier Markus Raupach dort zu Gast zum zweistündigen Sonntagsgespräch – jetzt haben er und sein Partner Holger Hahn den Spieß umgedreht und den sympathischen Unterfranken in ihren BierTalk eingeladen. Heraus kam ein spannendes und sehr persönliches Gespräch über Bier und Bierkultur – und wie jeder Mensch damit aufwächst…

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Markus: Hallo zusammen! Herzlich willkommen zu unserem BierTalk Nummer acht, natürlich wie immer mit mir, dem Markus und…

Holger: …und dem Holger.

Markus: Ja, und natürlich auch einem besonderen Gast, dieses Mal dem Blacky Schwarz, der sich aber gleich noch mal selbst ein bisschen vorstellen wird.

 

Wie die Jungfrau zum Kinde

Christian Schwarz: Ja, einen wunderschönen guten Morgen, ich komm ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde zu einem Bierpodcast auch das erste Mal in meinem Leben. Ich bin Radiomoderator eigentlich, Journalist, mache nebenbei relativ viele Veranstaltungen, im Moment gar keine und hab jetzt einfach dadurch auch Zeit zum Biertrinken und zum Bierpodcastmachen.

Markus: Jeder von uns hat sich natürlich auch ein paar Bierchen rausgesucht, die wir nebenbei aufmachen können. Vielleicht vorne weg die Frage: Du hast ja gerade gesagt, du machst viele Veranstaltungen, das heißt dein Terminkalender war auch relativ voll und ist jetzt leer, oder wie kann man sich das vorstellen?

 

Unfreiwillig auf Balkonien

Christian Schwarz: Mein Terminkalender war richtig voll. Also ich habe normalerweise sagen wir mal so ab Ende April bis Anfang, Mitte September kein freies Wochenende, und jetzt ist erst mal auf lange Sicht alles frei. Das heißt, ich entdecke gerade so Dinge, wie das Spazierengehen, das Wandern, das auf dem Balkon Sitzen, was ich eigentlich so überhaupt nicht kenne. Es hat so einen… ja, auf eine perverse Art, Urlaubscharakter, im Moment zumindest noch.

Markus: Ja, die Welt steht so ein bisschen still. Holger, du hast dir bestimmt auch ein schönes Bierchen ausgesucht.

Holger: Unbedingt. Ich habe mich inspirieren lassen von dir, wie so oft in meinem Leben schon, und bin nach Großbritannien gereist. Also natürlich nicht wirklich, aber du weißt, wie ich es meine und habe mir da ein unglaublich tolles Bierchen herausgeholt. Jetzt bist du wieder dran.

Markus: Beziehungsweise wir beide. Der Blacky kann natürlich gerne mitraten.

Christian Schwarz: Ein Bier aus Großbritannien! Unglaublich toll! Ehrlich gesagt, britisches Bier ist für mich immer so gefüllt bis zum Glasrand, dann den Schaum weggestrichen, Handtuch drunter und es ist zu warm.

 

Holger: Na ja, wunderbar, das ist ja prima, dass wir so einen typischen deutschen Biertrinker unter uns haben.

 

Warmes Bier im feuchten Land

Christian Schwarz: Das ist gar nicht der Punkt, aber ich war mal längere Zeit in Cambridge zum Englischlernen, und ich kann mich an diverse Pubs, also „The Anchor“ beispielsweise erinnern, da war es genauso. Ich bin dann, muss ich jetzt gestehen, ich weiß nicht, ob man das im Bierpodcast sagen darf, auf Cider umgestiegen, und es gab eine ganz fiese Diskothek für alle Sprachschüler, die hieß „Cindarella’s Rockefeller“ und auch da war das Bier eben eine eher tragische Erfahrung.

Holger: Ja gut, also Bier ist ja Heimat und damit auch Kultur, und ich kenne genügend Engländer, die zu uns rüber kommen und mich jedes mal fragen: Holger, warum macht er eigentlich das Glas nicht voll? Warum? Warum macht er das Glas nicht voll? Wir verstehen es nicht. Ich erzähle dann immer: Schaumkrone und Bild, und Auge isst mit und so, aber die schütteln dann immer nur ihren Kopf. Trotzdem: Was habe ich mir ausgesucht? Also ich geb noch einen Tipp mehr, ich hab ja gesagt, ich hab mich inspirieren lassen und Markus hat Bulldog ausgewählt, und in dem Land befinde ich mich jetzt auch biertechnisch.

Markus: Genau, aber du musst es doch noch aufmachen, dass wir hören können.

Holger: Ja unbedingt.

Markus: Ok das klingt wieder ziemlich nach Dose, wenn ich ehrlich bin, und in dem Land – meintest du damit auch Schottland?

Holger: Genau.

Markus: Hm. Belhaven vielleicht?

Holger: Belhaven ist richtig, Dose ist falsch.

Markus: Oh. Na immerhin.

 

Röstaromen aus Schottland

Holger: Ne, unbedingt. Ich bin schon wieder beeindruckt von dir, wie jedes Mal. Also ich habe mich entschieden für einen Scottish Oat Stout. Ein absoluter Klassiker der Belhaven Brauerei, und es ist so schön karamellig und malzig und es kommt so smoothie-mäßig eigentlich in den Mund. Das ist fast cremig, und das finde ich unglaublich toll, und für mich muss eigentlich ein Stout, mit Hafer gebraut, eigentlich genauso sein. Das ist, finde ich, ein exzellenter Vertreter seiner Klasse.

Christian Schwarz: Ok, ich bin absolut beeindruckt. Ich wusste nicht mal, dass es schottisches Bier gibt, also ich lerne heute lauter neue Sachen.

Holger: Was da auch unbedingt erwähnenswert ist, wir beide, also Markus und ich auch, wir sind immer total begeistert von Bierhistorie, aber auch Historie allgemein. Man kann ja beim Bier so viele Geschichten erzählen und kann die dann mit der damaligen Zeit auch verbinden. Und ich wusste gar nicht, aber vielleicht wusstest du das ja, Markus, dass also Kaiser Ferdinand I. hat eben das Bier der Belhaven Brewery damals als den „Burgunder Schottlands“ bezeichnet.

Markus: Herrje, das ist ja fast so gut wie der Champagner des Nordens in Berlin.

Holger: Absolut, und das ist schon ein Ritterschlag, oder? Also das muss man schon sagen.

 

Bier statt Whisky

Markus: Auf jeden Fall. Die Brauerei macht natürlich tolle Biere und die Schotten eben nicht nur Whisky, und du hast jetzt quasi ein Frühstücksbier, das ist doch auch mal schön. Ich muss aber noch mal auf den Blacky zurückkommen, das ist natürlich in England, wenn man da im Pub sitzt, wenn man eben diese zugegeben relativ warme Bier serviert bekommt, trotzdem einfach eine wunderschöne Atmosphäre. Für mich ist es ein bisschen so, wie wenn ich hier in Franken in der Brauereigaststätte bin, da sitzen auch alle möglichen Leute an Tischen zusammen, lernen sich kennen, unterhalten sich, es wird über Gott und die Welt geredet, ist einfach eine schöne, gemütliche Atmosphäre. So erlebe ich es in England letzten Endes in den Pubs auch.

Christian Schwarz: Das Großartige ist ja auch, dass die Abende da gar nicht so lang werden, weil die letzte Runde ist, glaube ich, schon immer so gegen 11, halb 12 oder so was, und dann wieder nach Hause.

Markus: Ja, die Engländer haben da etwas Besonderes erfunden, und zwar wenn die dann zu Hause sind um 11, haben ja fast alle Engländer einen Hund. Und wenn der dann noch mal in die Kneipe gehen will, dann sagt er zu seiner Frau: Ich gehe noch mal mit dem Hund raus, I’m going to walk the dog. Und „I’m going to walk the dog“ meint eigentlich: „Ich gehe noch mal in die Kneipe.“

Christian Schwarz: Wieder was gelernt.

Holger: Ah, deshalb hast du einen Hund, jetzt weiß ich’s!

Markus: Jetzt weißt du’s, ja!

Christian Schwarz: Ja, Wahnsinn, der war ja vorher auch schon zu hören, glaube ich, so im Hintergrund so ein bisschen.

Markus: Ja, der hat mal kurz Laut gegeben, wahrscheinlich war’s der Postbote. Also England – das heißt, da hast du auf jeden Fall auch schon Bier konsumiert. Wie ist denn überhaupt so deine Bierhistorie – oder vielleicht magst du vorher ein Bier aufmachen? Du sollst ja nicht zu lange auf dem Trockenen sitzen.

 

Ein Helles aus der Stadt der Rauchbiere

Christian Schwarz: Ich kann auch mal ein Bier aufmachen. Ich meine, mein Bier ist jetzt nicht ganz so weit gereist, aber du hattest vorhin das Thema Bierdose angesprochen. Die Brauerei, um die es bei mir geht, hat vor einiger Zeit ihr Bier jetzt auch in Dosen rausgebracht und hat dafür teilweise einen ganz schönen Shitstorm kassiert. Ich würde alles auch wetten, dass ihr beide dieses Bier auch kennt. Also, machen wir’s mal auf. Ist ein bisschen ruhig.

Markus: Holger, darf ich?

Holger: Natürlich darfst du.

Markus: Also, weil der Sound, das klingt eindeutig nach Mahrs Bräu.

Christian Schwarz: Das ist ziemlich gut, hast du vollkommen recht. Was meinst du, was für eines…

Markus: Das U vielleicht, das Kellerbier?

Christian Schwarz: Nee, ich hab mir gedacht: Kellerbier ist noch zu hart jetzt so früh, ich trinke ein Helles.

Markus: Ah, schön! Das wird den Holger wiederum freuen, der ist ein großer Fan des Hellen.

Holger: Ja, also überhaupt der Mahrs Brauerei. Also ich bin ein großer Fan auch der Mahrs Brauerei und das U ist ja auch ein Bier, was ich auch schon in einem früheren BierTalk mir ausgesucht hatte. Also insofern Blacky, wir sind da sehr seelenverwandt, merke ich.

 

Bierdosen aus Bamberg

Christian Schwarz: Ich muss natürlich zugeben, ich hab natürlich auch von Markus gelernt. Ich durfte ihn ja auch schon diverse Male als Studiogast begrüßen. Er hat mich natürlich biertechnisch dann auch so ein bisschen noch weiter nach vorne gebracht.

Markus: Das adelt mich jetzt aber. Und wie kommst du an eine Mahrs-Bräu-Dose?

Christian Schwarz: Es ist gar keine Dose, ich habe tatsächlich eine Flasche. Mir ist aufgefallen, dass die mit den Dosen ein bisschen Ärger hatten, weil die haben erst vor kurzem – also, was heißt vor kurzem, ist auch schon wieder eine Weile her – ihr Bier auch in Dosen lanciert, und da gab’s auf Facebook zumindest ordentlich Feuer dafür von paar Menschen, die das, glaube ich nicht so gut fanden, wobei ich ja von dir gelernt habe, dass die Dose eigentlich das Perfekte ist, um ein Bier zu verpacken.

Markus: Das stimmt, ja.

Christian Schwarz: Wahnsinn.

Markus: Wie ist es mit deiner Biergeschichte, wann hast du denn dein erstes Bier getrunken? Kannst du dich noch erinnern?

 

Blackys erstes Bier

Christian Schwarz: Absolut, ich hab mein erstes Bier getrunken bei meinem Onkel, also beim Bruder meines Vaters, der war Elektrikermeiste, hatte eine kleine Werkstatt und hatte in Würzburg in Grombühl unten in seiner kleinen Werkstatt immer ein Fass Bier mit so einer selbst gebauten Zapfanlage stehen, und da war ich so – darf man das jetzt sagen? – 13, 14 Jahre alt und durfte zum ersten Mal probieren und mal selber versuchen zu zapfen, was völlig gescheitert ist, und mein erstes Bier war, als Würzburger, ein Würzburger Hofbräu, aber noch vor der Übernahme der Brauerei durch eine Großbrauerei.

Markus: So ähnlich ging es bei mir damals auch. Ich kann mich erinnern, es war im Biergarten von der Mahrs Bräu, wo ich mit meinen Eltern war und immer Bier holen musste von der Theke, und dann nippt man halt mal und… Alles Dinge, die man heute gar nicht mehr darf, aber wenn wir über die Vergangenheit reden, glaube ich, darf man das schon noch erzählen.

Christian Schwarz: Du, das war im letzten Jahrtausend, das ist völlig okay. Da kann man heute darüber hinwegsehen, wahrscheinlich. Das stimmt, außerdem hat der Holger noch ganz andere Geschichten auf Lager, denke ich.

Holger: Ich weiß nicht, ob ich mich das trauen soll jetzt.

Christian Schwarz: Jetzt bin ich neugierig, erzähl!

Holger: Ich wollte eigentlich noch mal auf das Thema Cider zurückkommen, wenn ich darf.

Markus: Das Outing muss jetzt schon irgendwie sein.

Holger: Ich trau mich aber nicht.

Markus: Na gut, Cider.

Christian Schwarz: Dann trinkt dir doch ein bisschen Mut an. Was willst du zu Cider erzählen?

 

Thema Cider

Holger: Es gibt also verschiedene Cider. Da gibt es einmal den Apple Cider, und dann gibt es ja auch mit so einem Brombeergeschmack, der heißt eigentlich Blackberry Cider, aber das finde ich schön, den könnte man ja dann Blacky Barry Cider nennen, für so Süßschnäbel wie dich. Also, Cider trinkt ja nur die Leute in den Pubs, die, sag ich mal… Also für die richtigen Biere, da sind sie zu schwach dafür, oder?

Christian Schwarz: Ja, genau so kannst du mich vorstellen: Ich bin so der Zierliche, Schüchterne, Schwache, genau das ist das Bild, das ich gerne von mir zeichne, gerade bei einem Podcast, der kein Bildmaterial bietet.

Markus: Wobei man natürlich eine kleine Lanze für den Cider schon brechen muss. Es stimmt, bis vor kurzem war das, gerade in England, so. Allerdings hat sich ähnlich wie beim Bier oder auch bei der Schokolade, beim Kaffee rund um die Cidergeschichte eine Craftkultur gebildet, es gibt jetzt richtig hochwertige Cider, teilweise werden sogar nur die Äpfel von einem Apfelbaum oder einem Birnbaum verarbeitet. Es gibt mit wilder Hefe bestimmte Gärungen, es gibt Cuvées… Einmal im Jahr ist in England immer das Great British Beer Festival, und da ist normalerweise nur Bier angesagt, so wie wir es vorhin schon beschrieben haben, aber seit ein paar Jahren gibt’s da auch einen Ciderstand, und da kann man dann um die 50, 60 verschiedene Ciders probieren, das macht wirklich Spaß, ist sehr interessant, allerdings in der Regel auch sehr alkoholisch.

Holger: Stimmt! Also, man darf es nicht vergleichen mit den französischen Apfelweinen, die in der Regel wesentlich weniger Alkohol haben.

Christian Schwarz: Ja, der Cidre hat so knapp zwei, zweieinhalb Prozent, und ein Cider ist wie ein normales Bier, oder?

Holger: Ja, genau, so fünf, fünfeinhalb haben die meistens, genau.

Markus: Ja, aber da fangen sie an. Ich hab in London durchaus auch welche mit 9, 10, 11 % getrunken. Dort ist der höhere Alkohol die Regel.

Holger: Na ja, weil du danach suchst.

Christian Schwarz: Ich wollt’s grad sagen! Ich kann mich erinnern, als Markus bei mir in der Sendung war, hat er auch Biere dabei gehabt, die hatten Alkoholgehalte, das kenn ich eigentlich nur von einem guten Schnaps oder einem Wein.

Markus: Ach, jetzt stehe ich wieder in dieser Ecke. Aber passt auf, ich mach jetzt auch mal mein Bier auf und ihr dürft raten, was es ist. Oder willst du noch was sagen, Holger?

Holger: Nein, du hast vollkommen recht, du darfst auch nicht verdursten.

Markus: Eben, also. Moment…

Holger: Eindeutig keine Dose.

 

Ein neues Bier

Christian Schwarz: Naja, es könnte aber auch ein Bügelverschluss gewesen sein.

Holger: Ich glaub nicht. Also eine 0.33er Flasche.

Christian Schwarz: Kann mir einer von euch sagen, wie ihr eine Flaschengröße hören könnt?

Markus: Das ist Betriebsgeheimnis.

Holger: Und außerdem, du kennst doch die Sendung „Wetten, dass…?“, oder? Und da haben der Markus und ich uns bestimmt zehnmal beworben, dass wir also beim Hören des Öffnens der Flasche immer Brauerei und Bierstil festlegen können, aber die haben uns jedes Mal abgelehnt. Ist doch komisch?

Christian Schwarz: Ja, aber ich glaube, Thomas Gottschalk macht doch jetzt auf seine alten Tage aus lauter Verzweiflung nochmal eine Folge im nächsten Jahr oder so. Ihr könnt euch noch bewerben.

Markus: Glaub sogar, Ende dieses Jahres! Müssen wir uns mal schlau machen, Holger. Also, 0.33 war falsch, Flasche war richtig, Bügelverschluss war auch falsch.

Christian Schwarz: Okay, das engt es jetzt noch nicht wirklich ein.

Holger: Ne, das stimmt.

Markus: Es kommt auch aus Franken, und es kommt auch von einer Brauerei, die mitunter in der Diskussion steht.

Holger: Da bin ich wirklich draußen, weil…

 

Die Wernecker Brauerei

Christian Schwarz: Kann es ein Wernecker sein, weil die ja Riesenprobleme im Moment haben und die Türen zusperren müssen?

Markus: Also wenn ich noch eins hätte, hätte ich das auf jeden Fall jetzt in unsere Sendung mit reingenommen, gerade weil wir dich auch mit dabei haben. Leider hatte ich keins mehr. Nein, wir sind in der fränkischen Hauptstadt.

Holger: Ich oute mich nicht. Also für mich… Also, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass seit 1806 Franken erst zu Bayern gehört, aber mehr…

Christan Schwarz: Ja, zwangsweise.

 

Ein neues altes Rotbier aus Nürnberg

Markus: Also, es handelt sich um ein Bier der Tucher Brauerei, und zwar das neue Rotbier. Und das machen sie wirklich ganz, ganz spannend, denn sie haben dafür das alte Sudhaus umgebaut, es gibt es alte Tucher Sudhaus, das aus den 1920er Jahren ist, ein richtiger Biertempel mit ganz viel Kupfer und schönen Kacheln und wunderbar. Sogar ein Braumeistersofa, der dann von oben gethront hat und sich das Ganze anschauen konnte. Und im Keller haben sie jetzt eine kleine Brauerei installiert und ganz, ganz viele Holzfässer. Was die da jetzt machen, ist, dass sie ein Bockbier einbrauen, ein sehr starkes Rotbier, das kommt dann in diese Holzfässer, lagert ungefähr ein halbes, dreiviertel Jahr, dann verschneiden die aus diesen verschiedenen Holzfässern das Bockbier, bis es dann einen perfekten Geschmack für den Braumeister hat, und das wird dann noch mal gemischt mit frisch gebrauten normalen Rotbier. Also die Idee dahinter ist, ein bisschen die ursprünglichen Rotbiere von vor 300, 400 Jahren zu reproduzieren, weil die eben auch immer verschnitten waren, in Holzfässer waren und gerne auch mit stärkeren Bieren gemischt waren. Der Geschmack ist wirklich fantastisch. Karamell, Vanille, sehr schöne Röstaromen, natürlich auch so brotig, getreidig, und sehr rund einfach. Also ein ganz angenehmes, spannendes, schönes Brotzeitbier mit einer Riesengeschichte.

Holger: Also, kann ich nur bestätigen. Ich kenn das Bier auch und bin auch absolut begeistert, ich hab das ja schon so oft angesprochen. Das Thema Preis-Leistungs-Verhältnis, das ist auch wieder so ein Bier, wo ich einfach… Im Prinzip muss man sagen: Viel zu billig, einfach viel zu billig.

Markus: Ist auch so, also muss man ehrlicherweise sagen, die Brauerei legt bei jeder Flasche, die sie verkauft, drauf. Machen sie aber bewusst, weil es ihnen da wirklich einerseits natürlich ein bisschen um das Marketing geht, aber eben auch darum, dieses ursprüngliche Nürnberger Rotbier wieder zu beleben. Und in der Diskussion sind sie ein bisschen, weil eine andere Brauerei, die in Nürnberg schon länger Rotbier macht, da jetzt so ein bisschen sich dran gestoßen hat, weil Tucher ja seine große Brauerei genau zwischen Nürnberg und Fürth stehen hat, also, das steht praktisch das Sudhaus auf der Fürther Seite, und direkt im selben Gebäude geht praktisch die Grenze durch die beiden Städte. Damit steht der Läuterbottich in Nürnberg. Und da war eben die Frage: Ist das denn überhaupt noch ein Nürnberger Rotbier, wenn ein Teil dieses verschnittenen Bieres dort gebraut worden ist? Deswegen große Diskussion. Ich mag auf jeden Fall dieses Bier und habe in den letzten Jahren auch wirklich die Tucher Brauerei mal von einer anderen Seite kennengelernt, vorher war das wirklich auch in der Kommunikation mit mir eher so eine Großbrauerei, relativ steril, relativ zurückhaltend, aber eben seit ein paar Jahren hat da die Sache wirklich geändert und sind jetzt sehr offen, sehr nett, und haben schon viele verrückte Sachen auch mit uns gemacht. Mit vielen Gruppen auch waren wir schon dort, haben das angeschaut. Kann man jedem nur empfehlen, sobald es wieder möglich ist, das alte Sudhaus in Nürnberg mal zu besichtigen.

Holger: Es gibt ja so ein paar Braumeister, finde ich, die auch kreativ sein wollen und dann ist es schön, wenn die das auch dürfen. Dass eben nicht nur Output und ökonomische Gesichtspunkte eine Rolle spielen, sondern dass man die auch kreativ sein lässt, weil so ein Bier zu entwickeln auch in der Produktentwicklung, des machst du nicht mal eben nebenbei am Wochenende, sondern da braucht es wirklich Zeit, sich so was zu überlegen. Mit den Eichenfässern, dann die Rezeptur festzulegen und so, bis man es wirklich so hat, dass man es gut stabil reproduzieren kann und so, also da gehört was dazu. Das ist Kunst, das ist echte Braukunst.

Christian Schwarz: Ihr kriegt mich wirklich dazu, dass ich heute noch in den Getränkemarkt muss. Mundschutz auf und los.

 

Bier und Rundfunk?

Markus: Auf jeden Fall. Wie ist es denn bei dir? Welche Rolle spielt Bier denn in deinem normalen täglichen Job?

Christian Schwarz: In meinem normalen Job?

Markus: Naja, also wenn du jetzt Veranstaltungen machst zum Beispiel oder so..

Christian Schwarz: Ah, okay, ich habe gedacht, weil ich mache eine Morgenshow im Radio, wenn ich da mit Bier anfangen würde, dann würde mein Arbeitgeber respektive Kunde irgendwann mal sagen: Nun ja… Grundsätzlich ist es auf Veranstaltungen so, dass ich den Leuten eher beim Biertrinken zuschaue. Ich arbeite als DJ, ich mache Moderationen, und da ist es halt einfach so, das so wirklich den sprichwörtlichen klaren Kopf brauchst, sonst hältst du das nicht durch, weil du ja grundsätzlich der Letzte bist, der nach Hause geht. Das heißt, da ist eigentlich Alkoholverbot, aber alkoholfreies Weizen ist immer drin, gerade im Sommer, und am Ende des Abends schmeckt es um so besser, dann noch ein Bier zu trinken.

Markus: Die alkoholfreien Biere werden immer wichtiger. Das könnte man sogar zur Morningshow machen. Also wenn ich mal wieder bei euch bin, sein darf, je nachdem, dann bringe ich dir mal welche mit. Dann kannst du früh auch mal so einen Milk Stout zum Frühstück trinken.

Christian Schwarz: Du, sobald wir wieder im Studio sind – wir machen ja seit fast fünf Wochen mittlerweile Home Office, also ich sitz jetzt auch hier zu Hause am Tisch – bin ich da sofort dabei, keine Frage. Hast du einen guten Tipp für ein alkoholfreies Bier? Ich bin immer noch auf alkoholfreiem Schneider Hefe, aber vielleicht gibt es ja noch was, was noch besser wäre.

Markus: Ich würde sagen, die bringe ich dir dann mit. Aktuell ist es so, dass die für mich besten alkoholfreien Bieren nicht aus Deutschland kommen, sondern aus England, wobei es jetzt gerade in den letzten Wochen und Monaten ein paar neue Entwicklungen aus Deutschland gab, die ich noch nicht verkostet habe. Da nehme ich mich mal als Testperson, verkoste das mal vor und bringe dir dann eine Range mit, und eine, die du dann auch vielleicht auch erstehen kannst.

Christian Schwarz: Du bist ja wirklich selbstlos, das find ich gut.

 

Alkoholfrei ist im Trend, Frauen auch

Holger: Was ich empfehlen könnte, wirklich dann auch als deutsches Bier, wäre das Nittenauer Le Chauffeur. Das ist ein wirklich sehr schönes, alkoholfreies IPA.

Markus: Schön fruchtig, schön hopfig, sehr angenehm, toll.

Holger: Mögen auch die Frauen, das ist ja bei Markus immer besonders wichtig, dass die Biere auch den Frauen schmecken. Das mögen die.

Christian Schwarz: Wir haben jetzt festgehalten, Markus mag alkoholstarke Biere und sie müssen Frauen schmecken, nur um jetzt alle Vorurteile nochmal hier öffentlich…

Holger: So ist es, und er hat nur einen Hund, weil:

Christian Schwarz: Genau, ich hab diesen Film gesehen, 101 Dalmatiner, den alten Zeichentrickfilm. Da wurde ja schon damals gezeigt, dass Hunde eine wunderbare Flirthilfe sind.

Markus: Das stimmt, das kann ich als Hundebesitzer nur sagen: Auf jeden Fall! Du begegnest ganz vielen verschiedenen Menschen auch des anderen Geschlechts, und wenn man einen entsprechend niedlichen Hund hat, was meiner auch wirklich ist, dann ist es ganz schnell so, dass man da ins Gespräch kommt.

Christian Schwarz: Und er fährt ein Cabrio. Das auch noch.

Holger: So ist es!

Markus: Die kleine Freude des kleinen Mannes. Ja, vielleicht nur ganz kurz: Wie habe ich mir den einen Radiomoderator im Home Office vorzustellen?

 

Home Office als Radiomoderator

Christian Schwarz: Das ist eine relativ strange Geschichte! Ich hab die erste Woche so verbracht, dass ich wirklich so aus dem Schlafzimmer rausgewankt bin, kurz zur Espressomaschine, dann quasi so, wie Gott mich schuf, mehr oder weniger in Jogginghose vor einem Mikrofon saß, und da Radio gemacht habe, hab dann aber relativ schnell gelernt, dass das nicht funktioniert, weil du dann einfach noch so im Schlafmodus bist. Jetzt stehe ich wirklich früh auf, dusche, ziehe mich an, ganz normal, setze mich an den Tisch und ja, wir machen Radio halt jetzt wirklich komplett von zu Hause aus, weil wir im Studio eben diese ganzen Abstandshygienedinge nicht hinbekommen und auch zu Anfang im näheren Umfeld des Senders jemanden hatten, der coronapositiv war, und dann alle nach Hause gegangen sind. Ja, ist mal ganz anders, also man muss halt nicht mehr ins Auto steigen, man muss nicht vor die Tür, aber es ist auch ein bisschen strange so ohne Studioatmosphäre.

Markus: Und das Equipment hast du zu Hause?

Christian Schwarz: Ich habe hier ganz lokal an dem Tag, an dem ich nach Hause kam, erst mal nur mit dem iPhone gearbeitet, dann festgestellt, das hat nicht viel Zukunft, und dann gedacht: Was machst du, rufst du bei Thomann an, in Treppendorf, bei euch um die Ecke. Ich rief da an mit dem Brustton der Überzeugung: Ich habe eine ganz seltsame Frage, und zwar arbeite ich beim Radio als Journalist, und ich bräuchte da Technik, um von zu Hause aus… Dann hat der gegrinst am Telefon und nur gesagt: 90 % unserer Anrufe sind nichts anderes. Kaufen Sie das, das und das, und dann habe ich gesagt: Ok, ich bräuchte es aber relativ schnell und dann haben die gesagt: Ja, wir kümmern uns drum, und am nächsten Morgen war alles da, was man braucht, das war sehr cool.

Markus: Das ist eine ganz tolle fränkische Erfolgsgeschichte, muss man sagen, Thomann. Ich hab ja auch mal beim Radio angefangen von mittlerweile 30 Jahren, damals war es noch eine ganz kleine Klitsche im Dorf, wo man trotzdem hingefahren ist, wenn man sein Kassettenbandaufnahmegerät, weil die Geschwindigkeit nicht gepasst hat oder so, vorbeigebracht hat, die hatten auch damals schon den tollen Service, das man hingehen kann, und halbe Stunde später war das dann schon wieder erledigt, weil sie eben wussten, die Journalisten brauchen das schnell für ihre Arbeit, und das ist für mich Wahnsinn, zu beobachten, was daraus geworden ist.

Christian Schwarz: Wenn du jetzt in diesen Ort rein fährst, und ich war letzten Sommer dort, als es noch ging – im Moment haben sie auch zu, machen nur noch Onlinehandel – das ist ja auch wie am Flughafen. Du hast jetzt eine Kneipe mit so einer Art Flughafenterminal drin, wo dann so ein Schriftband aufleuchtet, wenn deine Bestellung abholbereit ist. Unfassbar, was die alles gerissen haben mittlerweile.

Markus: Und sind die einzigen eigentlich in dem Business, die Amazon wirklich die Stirn bieten, und immer noch gute Umsätze auch online haben, weil sie halt sehr viel Beratung haben und immer Fachleute am Telefon.

Christian Schwarz: Klar, du rufst da an, und du kriegst sofort, was du willst, und du kannst hin, und du kannst alles, und ich meine alles, ausprobieren und kannst dir noch zum 10. Mal die Boxen anhören, ohne dass du die Leute nervst, ist schon grandios.

 

Holgers Coming Out oder unser letzter Rausch

Markus: Ja Holger, wie weit bist du da mit deinem Bierchen, und wie weit bist du mit deinem Coming Out?

Holger: Ich hab noch ein bisschen im Glas, weil du hast ja schon bemerkt, es ist noch nicht Mittag, mein Bier hat auch 7 %. Ich bin dann vorsichtig, auch, also bisschen und genieße natürlich. Ich bin ja sowieso kein Wirkungstrinker, sondern ein ausgesprochener Genusstrinker.

Christian Schwarz: Jetzt müssen wir aber trotzdem noch mal investigativ nachfragen, auch jetzt rein als Journalist. Es ist quasi eine Pflicht. Du wolltest uns ja noch erzählen, wie das in seiner Jugend war, und aufgrund deiner Zurückhaltung könnte ich mir vorstellen, dass du vielleicht als Wirkungstrinker begonnen hast, um dann zum Genießer zu werden?

Holger: Nee, überhaupt nicht, ich bin ein Kneipenkind aus dem Ruhrgebiet, meine Eltern haben eine Gaststätte gehabt auf der Rückseite vom Duisburger Hauptbahnhof, und meine Großeltern auch schon. Damals, wo ich Junge war, war Duisburg ein brummender, lebender Industriestandort mit 600.000 Einwohnern, Kohle und Stahl, war da Programm. Da war bei uns auch immer was los. Aber vielleicht ist es auch schon ein Thema der Verklärung ein Stück weit, aber ich habe das immer so erlebt, also dieses Feierabendbierchen, diese Feierabendbierkultur, die war bei uns ganz groß geschrieben, und die Männer, die kamen halt von der Schicht und haben dann einfach auch ein oder zwei Feierabendbierchen getrunken, haben in den Sparklub eingezahlt und sind dann nach Hause gegangen, und sind dann am Wochenende mit ihren Frauen wieder gekommen und so. Dann haben wir schöne Feste gehabt mit Musik und mit Tanz, Sparklubauszahlungen waren immer unglaublich begehrt. Da habe ich sehr positive Erinnerungen daran. Das Einzige, was ich sagen kann, wo es immer mal echt ein bisschen übertrieben wurde, war dann Karneval. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum ich den Karneval überhaupt nicht mag, weil für mich als Kind war das immer ganz furchtbar. Meine Eltern waren total… Absolute Anspannung und so, und die Gäste, die waren unerträglich, und das ist, glaube ich, auch ein Grund, warum ich das letzte Mal mit 21 Jahren betrunken war. So ist es wirklich, es glaubt man nicht, aber so ist es wirklich. Ich lehne das total ab und betone auch immer in den Verkostungen und auch bei unseren Veranstaltungen: Wir haben es mit Alkohol zu tun, und Alkohol ist ein Nervengift.

Christian Schwarz: Eine Erfahrung, die ich so 1:1 unterschreiben kann, da ich auch an Karneval beziehungsweise, wie es bei uns heißt, Fasching, Musik mache und lange auch in Kneipen und Diskotheken gearbeitet habe hinter der Bar, und die Erfahrung, die ich auch gemacht habe, die ist wirklich, wie du siehst, wie sich Leute verändern über den Abend, gerade, wenn du selber nüchtern bleibst, und willst diesen Kontrollverlust in deinem eigenen Leben partout nicht mehr haben. Deswegen, glaube ich, geht es uns wahrscheinlich, ich glaube, Markus geht es genauso. Ich kann mich nicht erinnern, so ganz genau, wann ich das letzte Mal wirklich regelrecht betrunken gewesen wäre.

Markus: Ich glaube, das war an meinem 30. oder 35. Geburtstag, den weiß ich jetzt nicht mehr ganz genau, da ist das irgendwie so passiert, aber normalerweise ist es bei mir tatsächlich auch so. Also natürlich hat man seine Jugendzeiten und stößt sich ein bisschen die Hörner ab und probiert mal hier und mal da. Und sicherlich haben wir an irgendeinem 17., 18. Geburtstag von einem Freund mal die Bar der Eltern ausgeleert und sämtliche Schnäpse ausgetrunken und danach die entsprechenden Erscheinungen gehabt. Aber ich habe ja dann auch lange als DJ gearbeitet und so, und wenn du dann eben professionell Leuten Spaß machst, die sich Stück für Stück betrinken, dann kriegt man auch so eine gewisse Distanz dazu, und finde ich auch wichtig, gerade auch in unserem Bereich. Also wir wissen viel über Bier, wir mögen Bier, wir können die Aromen beschreiben und die Herstellung und sind auch sehr begeistert von der Bierkultur. Aber deswegen muss man noch lange nicht jeden Tag zehn Stück in sich rein kippen. Das finde ich schon auch eine wichtige Botschaft, die man immer wieder unter die Leute bringen muss.

 

Sparklub

Christian Schwarz: Ich würde noch mal ganz gerne auf dieses Thema Sparklub zurückkommen, weil ich das so cool finde. Ich hab das ewig nicht mehr gehört. Ich weiß, es gibt in Schweinfurt einen Menschen, der allerdings eine Kaffeebar hat, der Mike Mangold von der Fleischerei, der hat das nochmal eingeführt, der hat einen Sparklub bei sich, hat also da dementsprechend so Fächer an der Wand hängen, aber ansonsten ist dieser Brauch irgendwie Geschichte, oder gibt es das in eurem Umfeld noch?

Holger: Also ich finde, in Oberfranken gibt es das relativ häufig noch. Also wenn ich mit Markus ab und zu da mal Brauereigaststätten oder normale Gaststätten besuche, dann hängt da oft noch ein Sparklubkasten. Ich weiß natürlich nicht, ob die noch aktiv sind oder da nur hängen oder so. Dann bin ich oft im Sauerland und in Ostwestfalen unterwegs, da ist es auch ein Brauch, der nach wie vor vollkommen existiert und im Ruhrgebiet sowieso. Da wird vielleicht nicht mehr so eine richtige Sparklubauszahlungen dann gemacht mit einem Fest, sondern das funktioniert dann so ein bisschen anders. Aber für uns war das also, das war richtig klasse. Also, die Leute sind, wie gesagt, sehr regelmäßig gekommen, haben ihr Kleingeld dann da reingesteckt, man hat dann immer einmal in der Woche geleert, hat dann ja diese Kästchen gehabt, jedes Kästchen hatte so eine Nummer, dann hat man so Tütchen von der Sparkasse bekommen, hat dann die Nummern da eingetragen, hat dann die ganzen Tütchen einfach zur Sparkasse gebracht und die haben dann tatsächlich einzeln gebucht. Ich weiß gar nicht, ob das heute alles noch genauso ist, aber so war das damals bei uns. Dann hatten sich manche wirklich richtig passabel was angespart, also teilweise sogar einen Jahresurlaub. Die Sparklubauszahlung, die war dann im Januar und dann hat halt jeder sein Erspartes über die zwölf Monate bekommen. Wir haben dann ein Buffet und alles mögliche sozusagen kostenlos zur Verfügung gestellt, und die Getränke mussten eben bezahlt werden, und das waren immer wirklich tolle tolle Feste.

Christian Schwarz: Grandios! Also aus Würzburg kenne ich das jetzt gar nicht, aber es ist echt eine coole Geschichte.

Markus: Aus Bamberg direkt kenne ich es auch nicht. Ich weiß auch, dass diese Kästen, wenn man so durch’s Land fährt, überall so ein bisschen rumhängen, aber so wirklich in Action habe ich es zum ersten Mal auch gesehen, als wir da im Sauerland waren und das ein oder andere Lokal besucht haben, wo man auch wirklich gesehen hat, dass da was drin steckt, und dass Leute sich damit beschäftigen.

Holger: Kleingeld ist ja gar kein Problem, das hast du dann so durch durch den Schlitz geschoben, aber an so einem richtigen Sparklubkasten ist dann immer noch so ein Schieber, so ein flacher Schieber, der dann sozusagen dafür sorgt, dass die gefalteten Scheine auch wirklich komplett durch den Schlitz gehen, also großartig ist das!

Christian Schwarz: Muss man fast bei Ebay schauen, ob es so Dinger noch gibt, könnte man sich auch in die Wohnung hängen.

Markus: Muss ein Wahnsinnsvertrauen auch zu dem Wirt gewesen sein, oder? Der hätte sich ja sonst am Ende des Jahres ganz schön bereichern können.

 

Der Wirt als Seelsorger

Holger: Ich denke, es macht wirklich meine Verbindungen zum Thema Bier auch aus und überhaupt zu Gastronomie auch, das war richtig schön. Also ich würde jetzt behaupten, meine Mutter, die kannte bei uns im Stadtteil, also hab ich ja gesagt, Rückseite Duisburger Hauptbahnhof ist dann der Stadtteil Neudorf, jedes Eheproblem, jedes! Also wirklich jedes! Und war verschwiegen wie ein Grab, und da sind die Frauen gekommen und haben sich ausgeheult, und die Männer gekommen, haben sich ausgeheult, und es war quasi die Mutter der Nation, und das hat alles zu dieser Bierkultur dazu gehört. Es war ein – heute würde man sagen „Come Together“. Und damals war das einfach eine schöne Kneipengemütlichkeit, eine Begegnung also, wo man lieber einer Kneipe saß, als irgendwo vor dem Fernsehen, oder vor einem Handy oder von einem PC, sondern man hat sich echt noch was zu sagen gehabt.

Christian Schwarz: Das ist es ja auch das, was man wirklich sagen kann, dass früher oder auch heute noch… Ein guter Wirt ist ja auch von Freund, Seelsorger bis zu Therapeut alles in einer Person vermutlich. Beichtvater, wie man es nennen will, und da bricht ja im Moment auch grad echt eine ganze Kultur weg, das ist ja erschreckend in den letzten Wochen.

 

Corona und die Gastronomie

Holger: Ja, also auch das, was wir jetzt erleben mit den Beschränkungen der Begegnung, das weiß ich gar nicht, was das ausmacht. Also für die Gastronomie kann es schwierig werden. Es kann einmal so sein, dass wir nie wieder so richtig dahin zurückkehren und man immer mehr auch auf Distanz bleibt und das auch hält, weil wir wissen jetzt alle ganz genau, was anderthalb Meter sind. Also das lernen ja gerade alle oder es kann auch so sein, hoffentlich, dass alle eben auch wieder ein Bedürfnis danach haben, dann so ein „Jetzt erst recht“ entsteht. Ich weiß es nicht, wie es sich entwickeln wird.

Markus: Ja, ist grad echte krasse Situation. Wir zeichnen ja an dem Tag auf, wo am Tag davor die Verlängerung der Maßnahme wieder angekündigt worden ist, und viele Wirte hatten, glaube ich, ganz große Hoffnungen darauf, dass sie irgendwie noch in Sommergeschäft hinbekommen, dass sie bei den großen Bierfesten und Volksfesten und sowas richtig viel verkaufen können, und das ist ja seit gestern klar, dass das nicht sein wird, und ich glaube jetzt ist auch in der Gastronomie endgültig das angekommen, und es wird bei sehr vielen ein großes Fragezeichen dahinter machen, ob sie wieder aufmachen, wie sie wieder aufmachen, und vor allem wenn man davon ausgeht, dass ja, auch wenn die wieder aufmachen dürfen, sehr viel weniger Menschen gleichzeitig im Lokal sein dürfen, wird der Umsatz auf jeden Fall drastisch sinken, und das macht es sicherlich schwierig, eine Gaststätte so nach dem alten Modell in Zukunft zu betreiben.

Christian Schwarz: Ein einziger Lichtblick ist, glaube ich, im Moment noch für Brauer, die regional durchaus noch eine Chance haben, was zu reißen, wenn sie Ideen haben. Ich weiß, ein bei uns ganz bekannter Mensch, der Ulrich Martin, der euch sicherlich was sagen wird mit dem wunderbaren Spezial, unter anderem bei seinen Bieren, der ja wirklich wie ein Weltmeister jetzt noch Abholungen möglich macht und hin und her, der aber zum Beispiel ein Problem mit Hamsterkäufen hat, weil neben Toilettenpapier außerdem auch Bierkisten gehamstert werden, und der einfach jetzt das Problem hat, dass da nicht genug Leergut zurück kommt.

Markus: Es gibt einige Brauereien, die jetzt zum Beispiel sagen: Mir läuft das Bier ab, aber bevor ich das verschenke oder vielleicht zu einer Brennerei gibt, dass sie daraus irgendwie Bierbrand macht, schütte ich es lieber weg, weil ich das Leergut brauche, und das ist schon krass, als dass mittlerweile die leere Flasche mehr wert ist als die volle. Das ist schon echt bedenklich, aber gut, wir werden sehen. Vielleicht kriegen wir ein positives Schlusswort hin. Also, worauf freust du dich denn, Blacky, wenn du endlich wieder weggehen darfst?

Christian Schwarz: Ich freue mich einfach drauf, mal wieder mit Leuten zusammen irgendwie zu sitzen, ich erlebte das im Moment ganz stark, ich bin so ein bisschen sportlich aktiv geworden, weil mir sonst die Decke auf den Kopf fällt, bin viel am Spazierengehen, Herumwandern und denk mir dann ganz oft hier bei uns in der Region: Wie schön wäre es jetzt, einfach in einen Biergarten zu gehen, dann steht bei mir im Regal auch noch der von dir verhasste Biergartenführer, das heißt, ich hätte auch noch immer die besten Ideen, was ich tun könnte, nur leider ist es alles zu. Und sobald das wieder geht, sitze ich im Biergarten und sorge für Umsatz, damit die Gastronomie sich erholt. Da tue ich, was ich kann, verspreche ich jetzt schon.

Markus: Ja Holger, da bist du bestimmt dabei, oder?

Holger: Unbedingt! Also das ist auch das, was mir total abgeht. Wir haben ja gerade ein unglaubliches Wetter. Hier in München nicht dann den Biergarten zu nutzen, ist eine Quälerei. Also das ist einfach, das geht überhaupt nicht! Das mache ich sofort, also sofort bin im Biergarten.

Markus: Okay, dann machen wir doch aus, sobald es wieder geht, treffen wir uns mal im Biergarten, hören uns vielleicht noch mal diese schöne Podcastfolge an und trinken eins zusammen.

Holger: Wunderbar!

Christian Schwarz: Perfekt, bin ich sofort dabei!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 7 – Interview mit Werner Schuegraf, dem Hopfenhäcker aus München

Werner Schuegraf ist als Brauer schon lange in der Szene unterwegs und verwirklichte sich 2013 den lange gehegten Traum von der eigenen Brauerei. Der Hopfenhäcker war geboren – ganz bewusst im Spannungsfeld der traditionellen „Häcker“, den Hopfenbauern auf den Feldern, und der modernen „Hacker“, die tüfteln und an der Technik feilen, bis das gewünschte Ergebnis erzielt ist – freut Euch auf ein spannendes Gespräch mit dem Münchner Hinterhof-Brauer…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Hallo und herzlich willkommen zum BierTalk. Die siebte Folge, natürlich wieder mit mir, dem Holger, und dem…

Markus: … Markus.

Holger: Wir haben bei uns einen ganz wunderbaren Braumeister, Werner Schuegraf aus München von der Brauerei Hopfenhäcker. Aber Werner, ich würd sagen, stell dich doch mal vor.

 

Ein U trotz UE

Werner Schuegraf: Hallo in die Runde. Ich stell mich erstmal richtig, mit meinem richtigen Namen vor: Werner Schuegraf, ganz kompliziert, weil da ein E hinter dem U ist, und es dient zur Dehnung des Us. Das gibt’s ja auch mit H, aber wir haben uns das E behalten. Also Schuegraf. Mein Weg vom Gymnasium geht eigentlich direkt in eine Lehre, weil’s bei uns zu Hause immer geheißen hat, was man studieren will, das soll man auch lernen, damit man auch handwerklich weiß, von was man spricht. Darum habe ich beim Spaten meine Lehre gemacht, ganz normale Brauer- und Mälzerlehre, um im Anschluss dann zu studieren – was ich auch getan habe, meinen Diplomingenieur in Weihenstephan. Beruflich aufgewachsen in der Situation, wo grad diese kleinen Brauereien wieder entstanden sind, 1984 Caspary, die erste gebaut in Deutschland. Bin dann auch nach dem Studium gleich in München in so eine kleine Brauerei gekommen, wo wir dann auch drei weitere gebaut haben, Gasthausbrauereien. Ich sag immer, das ist die Entwicklung 1.0. Wo wir jetzt sind mit dem Craft, das ist 2.0, weil wir da ganz andere Voraussetzungen haben, wie man denn unseren Kunden das Bier nahe bringt. Nach der Zeit Gasthausbrauerei ging’s dann ab in den Anlagenbau, also weltweit Brauereien bauen, konstruieren, in Betrieb nehmen, verkaufen. Bei einem namhaften Hersteller habe ich angefangen, eine Vertriebsabteilung aufzubauen, bin aber dann über zwei Stationen zu einer Firma gekommen, die ich dann übernommen habe, wo wir dann alles gemacht haben, wo wir konstruiert, gebaut, installiert, in Betrieb genommen haben. Da gab’s dann auch mal schwere Zeiten, da bin ich dann branchenfremd in die Gesundheitsbranche, also Milchsäurefermentation, Immunsystemstärkung. War ich dann ein paar Jahre unterwegs und bin ich auch immer noch. Brauerei und Milchsäurefermentation, also Gesundheitsprodukte, sind meine Parallelgeschäfte.

Holger: Und jetzt im Moment ist es ja so, dass du ja wirklich einer Garage braust, im Hinterhof braust in Haidhausen. Wie es ist eigentlich dazu gekommen?

 

Die Brauerei in der Garage

Werner Schuegraf: Ganz klassisch. Diese Gesundheitsprodukte, da haben wir 2013 damit angefangen und haben eine Firma gebaut, wo wir nach dem amerikanischen Traum in der Garage angefangen haben, um dort die Fermentation zu testen, einfach das Produkt zu entwickeln. Und diese Garage, die war dann frei, und da kam ein äußerer Anstoß, der gesagt hat: Lass uns ein bisschen Bier zusammen brauen, 2014. Und dann haben wir dort zusammen Bier gebraut, beziehungsweise ich hab’s gebraut, und es gab dann noch einen Amerikaner, den ich kennengelernt habe, der seinen Braumeister bei Doemens gemacht hat. Er hat eine sehr erfolgreiche Brauerei in den USA, alles richtig gemacht, alles gut, toller Brauer, der, muss sagen, fast deutscher als ich sein Bier braut. Und da haben wir einfach Samstag, Sonntag, Bier gebraut und haben so 60 Sude zusammen gemacht in eineinhalb Jahren, um einfach die Biere zu entwickeln, zu sehen, was ist möglich, was ist nicht möglich. Wir haben jeweils gesplittet auf drei verschiedene Gärbehälter, um Hefen auszutesten und so. Also eigentlich ganz klassische Produktentwicklung. Der Weg von der Garage noch mal kurz, das war 2016, wo die Leute dann immer vor der Garage gestanden sind und gesagt haben: Wann krieg ich jetzt endlich mal das Bier? Und ich habe gesagt: Alles schon wieder weg! Es war dann klar, wir müssen irgendwann einmal größer werden, und dieses Größerwerden, da kam dann der nächste Zufall. Wie es so ist, wurde uns das Gebäude angeboten in der Weißenburger Straße, und dann haben wir gesagt: Ja klar, machen wir, gehen wir da rein. Und dann kam das, was du sagst: Tja, jetzt brauchen wir natürlich auch eine Anlage. Da war das Erste so, dass man sagt, man hat Pläne, man weiß, wie man Anlagen baut, haben wir selber gemacht, also brauchen wir bloß noch einen Edelstahlverbieger, der die Dinge zusammenschweißt. Habe ich mit jemandem gesprochen, der dann gesagt hat: Passt mal auf, das kannst du zwar bauen, aber da hinten in der Garage, da schau doch mal, da steht ein Haufen Blech, vielleicht kannst du aus dem Blech was machen – und das ist unser jetziges Sudhaus.

Holger: Markus, wie ich dich so kenne, wirst du jetzt schon langsam mit den Füßen scharren und wirst sagen: Mensch, sehr interessant, aber irgendwann will ich auch mal probieren, oder?

Markus: Ja, also dieses Reden über Bier ist ganz nett, aber wenn ich fünf Flaschen vor mir habe und heute noch keines getrunken, dann wird es langsam Zeit.

Holger: Ja, Werner, dann würde ich sagen: Wie sollen wir einsteigen?

Werner Schuegraf: Klassisch würde ich natürlich sagen, gehen wir von leicht nach schwer. Was jetzt leider da nicht dabei ist, weil’s noch nicht fertig war zu dem Zeitpunkt, wo wir euch die Biere geschickt haben, das ist unser Alkoholfreies. Das wäre jetzt natürlich das Ideale schon mal für den Vormittag. Aber hätte, wenn, dann… Täte ich sagen, fangen wir mit einem Kill Bill an. Belgisch Wit, schön leicht und fruchtig zum Einstieg.

Holger: Hört sich doch total super an. Also Kill Bill macht ein bisschen Angst, aber wir testen es mal. Dann los.

 

Ein Anfang mit Kill Bill

Werner Schuegraf: Ich mach dann mal mit, weil sonst krieg ich auch zu viel Durst.

Holger: Also „Kill Bill“ ist ja schon wilder Name. Und wenn man jetzt so das Etikett anschaut, dann gibt es da so eine rothaarige vollbusige Tante, die so ein Schwert schwingt…

Werner Schuegraf: Gut, unser Thema bei den Hopfenhäckern ist ja, dass wir Kreativbiere auch international in unserer Art interpretieren. Kill Bill ist ein Belgisch Wit, oder das Vorbild ist ein Belgisch Wit, wir haben da ein Bier, was mit viereinhalb Alkohol kommt, etwas Weizen hat, Pale Ale, Malze, vom Hopfen her eine ordentliche Portion Mosaic, das heißt, relativ fruchtig wird, und, eine Besonderheit, was die Belgier machen: Bitterorange und Koriander ins Bier zu geben, da bin ich auch mit dabei.

Holger: Also dann Prost!

Werner Schuegraf: Prost!

Markus: Prost!

Holger: Schon in der Nase, nicht, so ein bisschen die Bitterorange und das Koriander, sehr erfrischend. Jetzt haben wir heute ein bisschen abgekühlt. Aber gestern war es ja ziemlich heiß, sogar hier in München. Da wäre es das absolute Bier gewesen in meinen Augen. Was meinst du, Markus?

Markus: Für mich hat es sehr weinige Noten auch in der Nase, finde ich ganz spannend, und man merkt auch, dass es sehr trocken ist, hinten raus eine Bittere durchaus da ist, viel Kohlensäure. Eine spannende Interpretation von einem Wit, weil’s einfach noch ein bisschen mehr die anspruchsvollere Seite ist, die mich jetzt auch umschmeichelt, aber eben auch ein bisschen fordert, weil’s doch schon seinen Charakter hat. Schön, sehr schön!

Holger: Aber dieser trockene Charakter, also zumindest ist es jetzt bei mir so, macht Lust auf einen zweiten Schluck, und so soll es ja eigentlich sein, oder?

 

Craft Bier als Durstlöscher

Werner Schuegraf: Ist eigentlich generell so meine Idee. Ich fange mal ganz vorne wieder an. Ich war in den 90er Jahren in den USA unterwegs mit dem Anlagenbau und habe gesehen, wie die angefangen haben in Amerika, ihre Craftbiere zu machen. Das war natürlich schon spannend. Anstrengende Biere, aber es war wahnsinnig spannend, dort zu sehen, wie Leute, die – das ist jetzt nicht überheblich, aber – erstmal nichts gelernt haben, aber einen Wahnsinnsenthusiasmus mitgebracht haben. Also nichts gelernt im Sinne des Brauers. Der Brauer, der da rüber geht, der bis unter die Schädeldecke ausgebildet ist, und da drüben kommen Leute, die einfach in die Garage gehen und ihr Bier machen, ja und dann den ganzen Abend erzählen, was sie alles machen und man sitzt daneben und sagt: Habe ich noch nicht gehört, weiß ich nicht, keine Ahnung. Diese Geschichte, dieses Craft, das hat mich fasziniert, und jetzt haben wir natürlich auch bei uns in Deutschland das Craft, dann heißt es wieder: Ja, das ist alles so wahnsinnig schwierig und anstrengend. Also unsere Idee von Craft oder Kreativ ist dann schon, dass man sagt, wir wollen auch Biere machen, die zwar anders sind, aber die beim Trinken Durst machen. Weil Bier ist ja eigentlich ein Mittel, was nicht Durst löscht, sondern erst Durst macht. Das ist eigentlich das, was ich so vertrete, und das möchte ich gerne durchziehen mit allen Bieren.

Markus: Endlich mal ein ehrlicher Brauer! Sehr schön!

 

Der Ritt auf der Rasierklinge

Holger: Wenn ich das so sagen darf, was ich wirklich unglaublich toll finde, ist: Bei allen Bieren, egal wie kreativ sie auch interpretiert sind, schaffst du immer – ich nenne es den Ritt auf der Rasierklinge. Du bist kreativ, aber du bist auch für jeden, der bierinteressiert ist, absolut trinkbar. Also auch jemand, der vielleicht jetzt nicht total abgefahrene Craftbier-Kreationen immer wieder auch trinkt und da zu Hause ist, sondern jemand, der einfach normales Helles trinkt hier in München, und jetzt mal Lust hat, was Neues auszuprobieren, die kommen auch immer klar. Und in meinen Augen schaffst du es immer, diesen Mittelweg zu gehen zwischen dieser manchmal verrückten Craft-Bierszene und unserer schönen kulturell wichtigen Brauerkultur oder Bierkultur, die wir hier besonders in Oberbayern natürlich haben. Und das fasziniert mich immer an allen Bieren, die du machst.

Werner Schuegraf: Man muss ja wissen, was man kann und nicht kann. Diese ganz extravaganten Craftbiere kann ich gar nicht, wahrscheinlich. Ich habe mal vor zwei Jahren ein Session IP gemacht, was ich dann gar nicht in den Verkauf gegeben habe, weil es so war, dass es mir die die Zehennägel aufgezogen hat. Im Grunde muss man sagen: Ja, jeder muss wissen, was er kann. Meine Seite der Rasierklinge ist dann hier die Trinkbare. Schon ein bisschen, manche Extravaganzen, ja klar, immer wieder mal, wir sind auch dafür jetzt mittlerweile schon ein bisschen bekannt, dass wir eben auf der trinkbaren Seite unterwegs sind.

Markus: Apropos Rasierklinge. Wenn ich jetzt das Etikett sehe und den Namen sehe, das ist ja schon ein bisschen martialisch. Wo kommt denn das Kill Bill her, und was wollt ihr dem Käufer damit sagen?

 

Echte Kunst muss nicht verstanden werden

Werner Schuegraf: Da haben wir natürlich ein bisschen ein Verständnis. Thema Kill Bill, wenn das jemand liest, dann meint er, das bringt einen um, also das ist mindestens 10 % Alkohol und so viel Hopfen, dass es zu den Ohren rauswächst, das haben wir nicht. Dieser ganze Entstehungsprozess mit den Etiketten, wo dann plötzlich der Karlheinz Drechsel aufgetaucht ist, der diese Motive macht. Da gab’s die Motive, und dann sitzt man davor, und dann heißt es: Das ist Kill Bill, so, fertig. Damit war das geboren, also gar nicht so viel dahinter, wie man sich vielleicht denken könnte. Klar hätten wir jetzt vielleicht noch ein Bier draus machen können, was ganz, ganz viel Alkohol hat und was ein wirklich umbringt, aber vielleicht genügt auch die Geschichte schon, das man sagt: Das ist ein Bier außerhalb unseres Biergesetzes, vielleicht ist das schon genug „Kill Bill“.

Markus: Das kann ich mir vorstellen, vor allem wenn man in München sitzt.

Holger: Unbedingt, und ich meine, hier ist alles Mögliche drin. Da ist Kreuzkümmel drin. Bergamotte ist da drin, Koriander, Bitterorange, das ist das volle Programm, wie sich’s auch für ein richtig schönes Belgisches Wit eben auch gehört, und das Etikett ist doch super! Oder nicht, Markus? Das gefällt dir doch, also sei doch nicht so!

Markus: Grafisch finde ich die hervorragend. Sensationell! Mich hat es nur interessiert. Ich finde es, ehrlich gesagt, auch mal schön, wenn jemand sagt: Ok, ich hab da einfach einen spontanen kreativen Prozess, sehe das, ordne das zu und finde es einfach gut, ohne jetzt eine endlose Story drumherum zu bauen. Es ist auch richtig schön, das Etikett. Also überhaupt die Etiketten. Wir haben sie ja alle vor uns, und ich kenne sie ja auch schon lange. Das ist wirklich was, was mich auch sehr bei euch begeistert.

Holger: Werner hätte natürlich auch sagen können: In der ersten Etage bei uns, da ist die Marketingabteilung und die Marktforschung hat da auf jeden Fall zwei Jahre erst mal geforscht, und dann sind wir zu einem Etikett und zum Namen gekommen, weil es unsere Zielgruppe besonders anspricht, hat die Marktforschung angeben.

 

Das Marketing im Souterrain

Werner Schuegraf: Holger, du weißt ja, wo bei uns das Marketing sitzt bei uns im Souterrain. Wir haben keines. Also ja, wir sind da tatsächlich ein bisschen anders unterwegs, was gar nicht vorstellbar ist. Wir sind da Biernerds. Natürlich geht die Welt nicht mehr ohne Marketing, deswegen haben wir da auch begrenzte Aktionen, aber das steht bei uns sicher nicht vorne dran. Wir brauen unser Bier, und wir schauen, dass wir es möglichst gut hinkriegen und dann über den persönlichen Kontakt an den Mann, die Frau, das ist unser Weg. Und ich mein, wir sind halt nicht mehr die Jüngsten, drum muss man irgendwann mal einsehen, was man kann und was man nicht kann.

Holger: Aber das ist ja das, was euch auch sympathisch macht, und ich habe extra ein bisschen überzogen, und du brauchst das auch noch gar nicht. Also das passt doch. Alle sprechen darüber, und ich glaube, du hast dich etabliert hier in München, und das muss man auch erst mal schaffen. Gehen wir doch mal zum nächsten Bierchen, damit wir noch was kennenlernen.

 

Handgehopftes Lager

Werner Schuegraf: Unseren Handgehopften, also ein Münchner Lager sag ich immer gern dazu, es ist eigentlich ein Helles. Aber um zu signalisieren, dass etwas ein bisschen etwas anderes ist als ein Helles, was es in München ja traditionell gibt, ist für mich der Begriff Lager immer eine Sache. Also ein helles Vollbier, zwölf Stammwürze, fünf Alkohol, aber kalt gehopft mit schönen amerikanischen Hopfen, also das ist eigentlich immer unsere Sache. Wir haben so um ein Drittel deutsche Hopfen, eine schöne Perle, einen Taurus, eigentlich das Programm. Wir haben jetzt auch ein Pils als Monatsbier momentan. Da gibt es Tettnanger oder einen Hersbrucker, dann auf der anderen Seite haben die Amerikaner natürlich schöne fruchtige Hopfensorten, und da kann ich mich nicht zurückhalten, also da bin ich nicht traditionell genug, dass ich sage: Nein, wir beschränken uns auf deutsche Hopfensorten, sondern ich liebe die Amerikaner, und das ist dann eigentlich immer so in der Mischung zwei Drittel amerikanisch, ein Drittel deutsch in unserem Handgehopften. Da haben wir einen Simcoe drin, da haben wir einen Centennial mit dabei, dann mittlerweile deutsche Cascade, in Deutschland angebaut. Sowas würde uns da erwarten.

Markus: Jetzt hast du mir so den Mund wässrig gemacht…

Holger: Absolut! Also, das muss ich auch sagen! Jetzt muss ich aber… Also ich habe auch in Wirklichkeit… Ich hab schon die Flasche aufgemacht…

Werner Schuegraf: Das ist ja gemein!

Markus: Sie liegt ja auch schon mal super in der Hand!

Werner Schuegraf: Der Klassiker. Euroflaschen 0,5 Liter.

Holger: Ab zur Isar runter, oder? Und da unten machen wir dann weiter. Aber leider, Markus, bist du zu weit weg. Wir müssen am Mikrofon bleiben, schade, schade.

Markus: Wäre wahrscheinlich heute auch gar nicht so einfach an der Isar.

Holger: Ach, mit Abstand.

Markus: Okay.

Holger: Ich war heute schon da und da war natürlich noch niemand so früh morgens. Aber man geht schon raus hier. Also der englische Garten ist auch voll.

 

Die Polizei im Englischen Garten

Werner Schuegraf: Und es kann nichts passieren, die Polizei ist immer dabei, hab es vorgestern wieder gesehen, wie ich in die Brauerei geradelt bin. Mit Mannschaftswagen und Streife wird patrouilliert. Also da kann einem nichts passieren an der Isar zurzeit.

Holger: Nee, absolut nicht. Im englischen Garten auch nicht. Jetzt zum Handgestopften. Markus, ich lass dir gern wieder den Vortritt.

Markus: Immer ich und das Helle! Nein, also sehr schön auf jeden Fall schon mal im Glas. Also bei mir steigen auch ganz schön die Perlen auf, macht mir da auch schon richtig viel Lust. Wenn man reinriecht, hat man eben als Basis natürlich das, was man vom Hellen kennt, so diese typischen deutschen Hopfennoten, aber oben drauf sind dann eben die fruchtigen amerikanischen Hopfen und die sind schon sehr präsent, grad viel Zitrusaroma auch, das macht mir jetzt auch richtig Lust. Ich nehme mal einen Schluck! Also wieder gut karbonisiert, das machst du anscheinend gerne. Trinkt sich gut, ist auch frisch, sehr erfrischend, leicht vom Körper her, so dass man es auch gut trinken kann. Klassisches Helles. Hinten raus machen sich die Hopfen wieder ein bisschen bemerkbar, winken noch mal. Finde ich sehr schön, also gefällt mir gut, als schönes Trinkbier. Könnte ich mir jetzt gut vorstellen, mit euch an der Isar zu sitzen.

Holger: So sehe ich es auch. Der Handgestopfte ist für mich so das Brot-und-Butter-Bier. Feierabend und jetzt ein schönes Helles. Zwischen und eben nicht einfach nur ein schnödes Helles, sondern schon auch was ein bisschen spannend ist und Centennial ist auch für mich so ein Hopfen mit so einer schönen, fruchtigen Note, den liebe ich eh. Den finde ich richtig klasse. Schmeckt’s dir auch, Werner?

 

Durchblick ohne Filtration

Werner Schuegraf: Mir schmeckt’s auch. Was mich immer noch fasziniert, jedes Mal wieder, das ist, wenn ihr durch das Bier schaut, es ist eigentlich klar. Das ist mir wichtig, ich filtriere das Bier nicht, sondern ich lagere es einfach entsprechend lang. Die Biere sind alle ab sechs Wochen oder acht Wochen im Lagerkeller und komplett ausgelagert, damit man halt einfach auch die Hefe rauskriegt. Weil ich denke, diese feinen Hopfennoten, die werden durch diese Hefetrübe oftmals sauber untergebuttert, und bei so einem Bier, was ja dann doch relativ feine Nuancen hat, würde mich die Hefe dann einfach stören, wenn die das übertüncht. Darum wird einfach gelagert, auch wenn es Platz kostet, aber das ist so mein Spleen, das sollte so sein, das macht mir immer wieder Spaß, wenn man es dann sieht.

Markus: Dadurch sind sie ja auch sehr bekömmlich, die Biere, das ist ja auch sehr schön.

Holger: Wenn wir jetzt weitergehen in unserem Weg, den Hopfenhäcker kennenzulernen, was würden wir dann verkosten?

 

Ein Münchner in rot

Werner Schuegraf: Ja, da hätten wir mal das erste Bier, was ich glaube, dass es gemacht werden muss, der Rote Münchner, was als Bezeichnung „Märzen“ trägt, wobei das nicht ganz richtig ist. Es ist kein Märzen, ist es auch ein 12er Stammwürze, auch 5 Alkohol, auch da Philosophie. Auch wenn es schwierig ist, man kann den Geschmack auch ohne Alkohol erzeugen, also mit weniger Alkohol. Die Challenge haben wir mal angefangen und der Rote Münchner, da gibt es wirklich Fans, muss man sagen. Die kaufen bei uns nix anderes.

Holger: Also ich würde mich auch als solcher bezeichnen. Also der Rote Münchner ist schon auch ein Lieblingsbier von mir, weil es eben auch so einfach so typisch malzaromatisch ist. Also ich finde es richtig großartig. Dann machen wir es jetzt mal auf, und auch dazu sagen wir mal was. So. Habt ihr das Einschütten gehört?

Markus: Wunderbar!

Holger: Ja, jetzt haben wir ein ganz anderes Bier, also wirklich ein ganz anderes. Sehr schöne Farbe, finde ich, eine unglaublich schöne Farbe, und eben auch so eine fruchtige Note habe ich in der Nase, Zitrusnoten, leichte Zitrusnoten, aber so… Moment, ich trink jetzt mal… Sehr schöner Malzkörper. Nicht so ein typisches Märzen, aber es geht doch in die Richtung, finde ich. Also auch wenn es nur so auf der Flasche 4,9 % hat, aber es geht trotzdem so in die Richtung, finde ich.

Werner Schuegraf: Es ist ja eigentlich ein klassisches Münchner Bier, ein Märzen, das es eigentlich nicht mehr gibt. Darum war das das erste. Oder die Frage: Was brauchen wir als Erstes? Das war klar, wir machen ein Märzen. Da haben wir auch wirklich lang daran gearbeitet, weil die Idee dann schon war, ein richtig rotes Bier zu machen und haben da viel mit amerikanischen Malzen gearbeitet, obwohl immer untergärig, war es nie erkennbar ein Märzen, bis ich dann gesagt habe, wir müssen einfach das Malz tauschen und ein bisschen mit der Farbe einen Kompromiss eingehen. Nach wie vor hat es diese rötliche Färbung, aber am Anfang war es wirklich ganz kirschrot, aber eben, wie gesagt, nicht erkennbar untergäriges Märzen, sondern eher ein Red Ale, dann das Malz getauscht, Münchner Malz genommen und vom ersten Sud an war es erkennbar in diesem Märzenrichtung. Malzkörper, schön malzaromatisch eben, dann die Hopfen dazu, das hat natürlich auch schon ein bisschen mehr Hopfen wie unser Handgehopfter, also mehr wie das helle Citra, hat da sicher einen Anteil an dem zitrusaartigen. Aber auch der deutsche Taurus, der ein bisschen dieses grüne Kräuterige mitbringt, das mag ich immer ganz gern, diese Mischung zwischen den Amerikanern fruchtig und deutsch bisschen grün, grasig, kräuterig. Finde ich immer ganz spannend.

Holger: Rotbier ist ja eigentlich ein fränkischer Bierstil. Und jetzt haben wir auch einen Franken mit in der Leitung. Markus, was sagst du denn?

 

Mit der fränkischen Brille

Markus: Ja, also aus fränkischer Perspektive würde ich sagen, es ist halt ein Münchner Rotbier. Weil bei uns würde man gerade bei einem Rotbier versuchen, Röstaromen nach Möglichkeit nicht zu haben, also vor allem nicht dieses kernige Röstaroma, was hier schon durchaus eine Rolle spielt. Auf der anderen Seite ist ein Rotbier vom Prinzip her einfach so ein sehr süffiges Bier, ein Bier, was man wunderbar im Biergarten, Bierkeller zu allen möglichen Speisen trinken und kombinieren kann, und ist auch so ein bisschen der Urbegriff eines sehr ausbalancierten, untergärigen Bieres, und schön ausgelagert natürlich auch, und da triffst du natürlich wieder voll ins Schwarze. Gefällt mir auch gut. Ich finde auch gut, dass du… Was das Märzen normalerweise angeht, ist ja vor allem die höhere Stammwürze, damit auch der höhere Alkohol, da finde ich es ganz gut, dass du dich entschieden hast, das eher beim Normalen zu belassen, weil’s halt dann noch mal ein bisschen mehr darauf einzahlt, dass ich davon auch in Ruhe zwei, drei, vier trinken kann und trotzdem schaffst du es, durch deine Hopfen- und Malzmischung ein sehr volles Aroma und sehr, sehr stimmiges und harmonisches hinzubekommen. Als insofern sicher kein Fränkisches Rotbier, muss es und will es aber auch nicht sein. Mir gefällt’s sehr gut, und ganz toll finde ich natürlich, also das Schöne ist… Bei uns ist jetzt grad strahlender Sonnenschein, ich hab das Glas genommen und habe es so richtig gegen die Sonne gehalten, und da sieht man, wie die Farbe richtig schön leuchtet, und das ist natürlich toll, also dieser schöne satte Rotton. Insgesamt ein eher dunkelbraunes Bier, und das mit diesem schönen Rot ganz schön und verlockend. Macht Spaß!

Holger: Also das ist nochmal so ein Bier, wo sich das bestätigt, finde ich, was ich vorhin schon gesagt habe mit dem Thema „Ritt auf der Rasierklinge“. Also du hast ja auch einige gastronomische Betriebe hier, die du belieferst, und der Rote Münchner kommt einfach an! Also das ist einfach auch ein Bier, was auch gerne getrunken wird, und eben auch ganz normal getrunken wird. Also da muss man auch so ein bisschen drauf achten, dass die Gastronomen auch ein Bier bekommen, was sie einfach verkaufen und auch jeder irgendwie schön findet.

 

Kräftig ohne mehr Alkohol

Werner Schuegraf: Genau, man muss sich nicht mit dem, was uns Craftlern immer wieder entgegenschlägt: Ihr macht ja nur Alkohol, muss man sich bei dem Bier nicht damit rumschlagen, es hat normalen Alkoholgehalt, es hat einen besonderen Geschmack, geht in eine besondere Richtung und viele sind einfach da, die sagen: Wow, genau das ist es! Passt zu schweren Dingen, also schwerem bis bisschen ausdrucksvollerem Essen, hat da Bestand dabei, und das kann man einfach so, wie du es sagst, trinken.

Markus: Was mir auch sehr gut gefällt, ist das Etikett. Da sieht man ja so das, was wir uns auch unter einem typischen Münchner vorstellen, in der typischen Pose, so ein kerniger, kräftiger Bajuvare mit dem Maßkrug in der Hand, und oben drüber so die Wolken, hat ein bisschen Anklang zum Münchner im Himmel, auch das macht richtig Lust auf das Bier.

 

Kunterbunte Etiketten

Holger: Stimmt genau, die Etiketten, die sind einfach wirklich outstanding. Finde ich richtig super. Die hängen ja auch als Bilder in der Brauerei, und das macht es auch noch mal so besonders, wenn man die so richtig als ganzes Motiv und groß und so sieht. Das ist sehr schön. So, weil wir ja jetzt schon bei den Franken waren, und uns belasten die ja immer so ein bisschen aus oberbayerischer Sicht, aber auf der anderen Seite haben sie dann auch spannende Biere, zum Beispiel die Rauchbiere, und in die Richtung gibt es ja auch von euch noch so ein Bier, und das wäre dann ein Smoked Baltic Porter, und der heißt Smokey Sten. Und da würde ich jetzt sagen, da gehen wir jetzt ins Finale und nehmen uns den mal vor, und da freue ich mich ja schon eigentlich den ganzen Morgen drauf, also absolut. Das ist aber schwarz!

Werner Schuegraf: Wir haben ja unsere drei Basis Crafts, wie ich immer sage, also die anders interpretierten bayrischen Bierstile, Münchner Bierstile, wir auch immer: Hell, Weiß und Rot. Hell und Rot hatten wir ja schon, dann kommen, so in der Mittelrange die Internationalen, wo wir das Kill Bill am Anfang hatten, also Belgisch Wit, dann gibt es unsere Imperial Red Ale, was der große Bruder zum Roten Münchner ist, und dann natürlich den Klassiker, ein IP, India Pale, bei uns als Lager untergärig ausgeführt und das ist so die Mittelrange. Da drüber ist dann das Smokey Sten als schon Freak-Stoff würde ich mal sagen, das ist so ein bisschen das Bier, was von unseren Bieren am meisten die Geister scheidet, weil halt eben Rauch, weil so schwarz, da auch schon siebeneinhalb Alkohol, also da ist schon ein bisschen was drin. Schwarz, stark, bisschen Rauch, ist immer so, wenn ich Verkostungen habe, oder Leute dahabe, wenn man das dann kombiniert, zum einem schönen Schokokuchen oder so etwas, dann lassen sich viele doch darauf ein. Und auch ganz spannend mit so einem Bier: Ich hatte letztens ein Erlebnis, wo eine Gruppe da war, lauter junge Mädels, wo ich mir  gedacht habe, auweia, das wird schwierig, denen das Bier nahe zu bringen, und am Ende ist eine aufgestanden, die gesagt hat: Ich trinke nie Bier, aber ich habe hier drei Biere verkostet, die alle ganz anders waren, und jetzt habe ich plötzlich Lust auf Bier, und die hat auch den Smokey Sten getrunken. Wunderbar, ganz anderer Geschmack, anderes Spektrum mal, und so kann man Bier trinken, das finde ich dann immer spannend, was einem da entgegenschlägt.

Holger: Ja, das ist auch meine Erfahrung. Also wenn Leute dabei sind, die eigentlich gar keine Biertrinker sind, die sind meistens auch offener, also, die haben kein Bild im Kopf, wie es jetzt zu schmecken hat oder keine Erwartung, sondern die lassen sich da sehr schön darauf ein, und dann können die das auch noch mal ganz anders erleben. So, Markus, jetzt hast du lange genug Zeit gehabt, sich mit dem Rauchbier – aus deiner Sicht ganz normales Rauchbier, oder? – auseinanderzusetzen, dann sag uns doch mal. Also du hast ja quasi das Rauchbier mit der Muttermilch aufgesogen, und wie es ist für dich?

 

Ein ganz normales Rauchbier?

Markus: Ich hab mich ein bisschen verliebt, es ist, glaube ich, mein neues Lieblingsbier von euch, wobei ich es mit Sicherheit schon mal getrunken hatte, aber noch nicht unter so guten Umständen wie jetzt hier. Natürlich ist es, wenn ich jetzt aus der Bamberger Sicht sehe, ist es jetzt kein sehr intensiv rauchiges Bier, muss es aber auch nicht sein, denn es ist ja sehr stark geprägt von den Röstaromen, von den Malzen und da finde ich, ist dieser leichte Rauch ein richtig schöner Unterton, der sich damit mischt, es kommt sehr viel Schokolade, sehr viel Kaffee, hinten raus auch so Espressonoten, also wo man wirklich sagt, dass ist ein sehr schönes Porter, Baltic Porter auf jeden Fall. Zum Baltic Porter muss man noch sagen, dass das einfach ein Bier war, was in den Hansestädten an der Ostsee gebraut worden ist, und dann wurde es einfach untergärig, weil es viel zu kalt war, um mit der warmen Hefe zu arbeiten, wie das die Londoner und die Dubliner gemacht haben. Ich muss noch mal einen Schluck nehmen.

Holger: Naja, und siebeneinhalb Prozent, also nur mal so nebenbei gemerkt.

Markus: Aber die sind gut versteckt, also das ist ja auch ein Punkt. Es gibt Biere mit siebeneinhalb Prozent, wo der Alkohol dir sozusagen sofort ins Gesicht springt, und das ist ein Bier mit siebeneinhalb Prozent, wo manche Leute vielleicht gar nicht merken, dass siebeneinhalb drin sind, sondern eher denken, das ist normales Bier. Ist natürlich auch ein bisschen gefährlich, aber zeigt auch, dass es gut gemacht ist, dass der Alkohol gut eingebunden ist, dass er seinen Job einfach gut macht als Aromenverstärker, also wo man einfach die klassischen malzigen schönen Porteraromen sehr intensiv wahrnimmt, und es ist auch sehr lang. Also wenn ich das getrunken hab, bleibt mir dieses Aroma sehr lange im Mund.

Holger: Ja, ist in meinen Augen auch so, der Nachtrunk ist wirklich prima, also richtig komplex, da kann man sich mit auseinandersetzen und immer noch darüber nachdenken. Muss man auch noch mal sagen, das ist ja ein Bier einfach mit Wasser, Malz, Hopfen, Hefe und sonst nix, also total reinheitsgebotskonform, und da kann man mal sehen, wieviel Kreativität das Reinheitsgebot auch zulässt.

 

Das Reinheitsgebot

Werner Schuegraf: Es gibt innerhalb des Reinheitsgebots viele Möglichkeiten, kreativ zu sein. Ich finde es immer ein bisschen schade, dass man andere natürliche Zutaten oder Bierstile, die einfach bekannt sind, die eingeführt sind, nicht brauen kann und darf, weil es gibt viele Kräuter, es gibt Grutbiere, es gibt alles Mögliche, was man machen kann, aber trotzdem, wir haben auch innerhalb der Vorschrift Dinge, die ich, richtig eingesetzt, einfach zu einem tollen Ganzen bringen kann. Da sollten wir immer daran arbeiten.

Holger: Ja, und das hast du hier auch gemacht. Also gar keine Frage. Mensch, das war doch richtig toll jetzt, diese kleine Bierreise durch die Hopfenhäckerwelt! Es gibt noch mehr zu entdecken – wir haben die Hanfblüte nicht entdeckt, haben IP-Brothers nicht entdeckt, wir haben den Wilderer nicht entdeckt. Also da fordere ich die Hörer dazu auf, das noch nachzuholen. Mir hat’s wahnsinnig viel Spaß gemacht. Ich wünsche euch noch einen schönen schönen Feiertag im Rahmen der Familie, genießt das Wetter und die freie Zeit! Ja, machts gut!

Markus: Ich träume immer noch von diesem wunderschönen Bier. Wunderbar, vielen Dank, damit hast du mir meinen Ostermontagmorgen wunderbar versüßt. Ich drück euch auch ganz fest die Daumen, dass es weiterhin gut läuft und freu mich schon drauf.

Werner Schuegraf: Hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, war für mich neu und dementsprechend mit bisschen Anfangsaufregung, aber wunderbar, hat Spaß gemacht, schönen Ostermontag!

Holger: Perfekt, super! Also macht’s gut!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 6 – Interview mit Christian Klemenz, Gründer der Bierothek, aus Bamberg

Christian Klemenz, gebürtiger Franke, entdeckte seine Liebe zum Bier spät, dafür aber gründlich. Erst erfand er eine Biermarke für den Export nach Indien. In den Klarglasflaschen mit Speziallackierung befand sich ein Kellerbier. Das geriet unabsichtlich in den in Deutschland aufkommenden Kellerbier-Hype und war auf einmal auch im Heimatland ein Renner. Auf dieser Erfahrung aufbauend, gründete Klemenz die Bierothek, heute ein internationales Filialnetz mit mehr als zehn Geschäften sowie einem florierenden Onlineshop. Im Gespräch mit Markus Raupach und Holger Hahn berichtet der Unternehmer von den neuesten Plänen und den spannendsten Erfahrungen…

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Markus: Hallo, herzlich willkommen zu unserem BierTalk Nummer 6. Wieder mal ein spannendes Gespräch rund ums Bier mit mir, dem Markus, und…

Holger: … dem Holger,…

Markus: … und wir haben natürlich noch einen Gast dabei, wie immer. Dieses Mal einen Gast, der im Grunde so ein bisschen auch aus meiner Ecke kommt, aus Franken, nämlich der Christian Klemenz. Ein bisschen mehr über sich selber wird er sicherlich gleich verraten. Stell dich doch mal vor!

Christian Klemenz: Ja hallo, ich bin der Christian Klemenz, wie schon gesagt, Gründer und Geschäftsführer von der Bierothek. Der Markus und ich, wir sitzen, obwohl ich auch in Bamberg bin, jetzt nicht zusammen. Wir sind jetzt ungefähr drei Kilometer auseinander, wahrscheinlich. Markus, du bist im Hain, ich bin im Bamberger Hafen.

Markus: Jo!

 

St. Erhard als Startpunkt

Christian Klemenz: Genau. Vor mittlerweile neun Jahren bin ich in die Bierbranche gekommen mit der Gründung von St. Erhard, dem St. Erhard-Bier und daraus ist dann auch die Bierothek entstanden. Und das ist mittlerweile das Hauptgeschäft.

Markus: Also ein ganz spannender Kosmos, der mittlerweile auch viele verschiedene Filialen hat. Da werden wir jetzt gleich ein bisschen drüber reden. Natürlich hat jeder von uns sich auch ein, zwei Bierchen ausgesucht, die wir währenddessen aufmachen. Vielleicht wollen wir mit einem Bierchen starten? Vielleicht mag der Holger ja mal mit einem anfangen?

 

Ein echter Klassiker zum Start

Holger: Oh Mann, du bist ja so gut zu mir heute. Also, ich hätte fast gesagt, ich hab so ein Brand, also lass uns bitte sofort ins Bier einsteigen, aber ich habe es mich natürlich nicht getraut, aber wie immer kannst du Gedankenlesen. Also, ich hole es mal raus hier, so… Und du kannst ja mal raten. Ich kann natürlich auch Tipps geben, aber meistens erkennst du es ja, wenn ich es öffne schon, aber allerspätestens, wenn ich es einschenke… So…

Markus: Also es klingt jetzt nicht nach einem sehr alkoholstarken Bier…

Holger: (lacht)

Markus: … klingt vielleicht ein bisschen heller…

Holger: (lacht)

Markus: Ah! Okay, oder hast du denn diesmal doch das Imperial Stout ausgesucht?

Holger: Also nicht ganz, aber ich hab mir… Christian, du kannst auch gerne mitraten. Es ist ein absoluter Klassiker der Craftbierszene. Ich weiß gar nicht, ob ich sogar sagen wollte, könnte, der Klassiker der Craftbierszene. Also das ist natürlich ein Superlativ, aber…

Christian Klemenz: Dann würde ich fast vermuten, du hast ein Sierra Nevada Pale Ale.

Holger: Fast, Christian! Sehr gut! Ich hab ein Sierra Nevada Torpedo.

Christian Klemenz: Ah, okay!

Holger: Also, der Christian ist schon ziemlich gut! Aber du hast recht, es wäre wahrscheinlich… Das normale Pale Ale wäre noch mehr Klassiker als das Torpedo, aber das Torpedo schmeckt mir einfach noch besser, so als Extra IPA bei so 7,2 %, also richtig leicht ist es nicht, aber da habe ich jetzt richtig Bock drauf gehabt. Mann, lecker!

 

Sierra Nevada als Topseller

Markus: Da beneiden wir dich jetzt ganz schön, nicht? Spannend ist ja auch, es hat ja seinen Namen daher, dass die den Hopfen wirklich in ein torpedo-artiges Gefäß getan haben und dann ihr Bier während der Lagerung da durchgepumpt haben. Also sehr spannende Geschichte eigentlich.

Holger: Und es ist ja auch ein Topseller, oder, Christian? Das Sierra Nevada, also jetzt nicht unbedingt das Torpedo, aber insgesamt die Produkte der Brauerei, die sind schon immer noch beliebt…

Christian Klemenz: Klar!

Holger: … und sind von Anfang an immer beliebt gewesen.

Christian Klemenz: Genau! Das kann man sicherlich sagen, so eine Konstante bei uns im Sortiment, die von Anfang an bis heute immer im Sortiment ihren Platz haben und hatten. Da wird sich wahrscheinlich auch trotz Corona nichts ändern.

 

Die aktuelle Lage der Craftbier-Szene

Holger: Wie beurteilst du das denn überhaupt? Also so aus meiner Wahrnehmung ist es ja so, es gab ja ganz zu Anfang der Craftbierszene… Da ist auch die Frage, was war der Anfang? Aber sagen wir jetzt mal, vor zehn Jahren vielleicht, dann waren so Nerds da, jeden Tag drei Biere, die ich noch nie getrunken habe. Was stellst du jetzt fest bei der Kundschaft? Ist es immer noch so, dieses Ausprobieren, immer neu, neu, neu oder ist es beides, ein bisschen ausprobieren, aber man weiß mittlerweile, wo man zu Hause ist, und die Biere werden auch gewollt. Wie ist im Moment der Markt?

Christian Klemenz: Wir als Bierothek haben von Anfang an schon immer versucht, uns ein bisschen breiter aufzustellen. Wir sprechen natürlich auch und wollen wir auch… Die Craftbier-Nerds, die ganz tief drin sind, die wollen wir natürlich auch gut bedienen und denen ein wechselndes, spannendes Sortiment bieten. Aber wir hatten eigentlich von Anfang an auch immer versucht, uns möglichst breit aufzustellen, um auch Leute zu erreichen, die jetzt mit dem Begriff Craftbier oder auch mit der ganzen Thematik vielleicht noch nicht so tief drin sind, die einfach Interesse an Bier im Allgemeinen haben. Wir sind ja auch einfach die Bierothek, verwenden auch den Begriff „Craftbier“ moderat, und das hat sich eigentlich bewährt und kommt uns auch jetzt sicherlich auch zugute in einer Phase, wo der Markt sich vielleicht ein bisschen konsolidiert, kann man ja sagen, dass wir uns auch ein bisschen breiter verstehen. Wir wollen natürlich auch die Fans ansprechen, die ganz tief drin sind, aber nicht nur die. Einfach von tollen Bieren begeistern.

Markus: Meine Frage zu dem Thema Sierra Nevada: Das war ja zumindest in den Anfängen immer eine teure Angelegenheit. Amerikanische Biere zu importieren, das war oft von der Qualität her schwierig. Ist es da so, jetzt in den letzten fünf, sechs Jahren, hat da eine Entwicklung stattgefunden, dass es einerseits vom Preis her sich verändert und andererseits auch die Qualität besser wird?

 

Die Kühlkette als Muss

Christian Klemenz: Man kann sicherlich schon allgemein sagen, dass die Kenntnis von hopfenbetonten Bieren, wie es eben Pale Ale und IPA ist, und wie die eigentlich schmecken sollen, und dass die frisch besser sind, dass dieses Wissen und diese Kenntnis dazu, dass die auf jeden Fall zugenommen hat. Erst auf der Braukunst Live! dieses Jahr habe ich mich mit paar Leuten super unterhalten, wo dann auch gesagt worden ist, vor Jahren, da wurden einem noch IPAs vorgesetzt, die ein Kenner heute gar nicht mehr trinken würde. Da hat schon eine Entwicklung stattgefunden, dass die Leute mehr Ahnung haben, wie diese Biere eigentlich schmecken sollen, und dass dann eben auch Frische und Kühlung Thema ist zum Beispiel. Da ist der Konsument schon ein bisschen more sophisticated geworden.

Markus: Ich meine jetzt auch ganz konkret für euch als Geschäft. Könnt ihr diese Biere jetzt einfacher importieren, könnt ihr sie billiger anbieten? Hat sich da was verändert, oder ist es nach wie vor gar nicht so einfach, so ein amerikanisches Craftbier zu kriegen?

Christian Klemenz: Da würde ich jetzt eigentlich nicht unbedingt sagen, dass sich da signifikant etwas geändert hat an der Beschaffung und Logistik und so weiter. Eigentlich eher so am Wettbewerbsumfeld, dass es quasi einfach ein breiteres Angebot, auch an in Deutschland gebrauten sehr guten IPAs gibt, die es ja in der Form vor sechs Jahren gar nicht so gegeben hat. Da ist die Palette und die Vielfalt einfach breiter geworden. Insofern haben da die internationalen Brauereien auch einfach mehr mit nationalem Wettbewerb dann zu tun.

Markus: Es ist eigentlich ganz schön gemein, dass der Holger was trinken darf und du noch nicht! Deswegen würde ich fast sagen, mach doch mal auch eins deiner Bierchen auf und erzähl uns, oder lässt du uns vielleicht auch raten, je nachdem?

Christian Klemenz: Ich kann euch gerne raten lassen! Also dann mache ich auch mal… Ich habe mir zwei Biere kalt- und bereitgestellt, und jetzt mach ich dann auch mal das erste auf… Habt ihr’s gehört?

Markus: Hm!

Holger: Darf ich noch mal reingrätschen?

Christian Klemenz: Ja bitte!

Das Torpedo Extra IPA

Holger: Also, also ich meine, es ist schon so ein supertolles Bier, und jetzt haben wir einfach gesagt, ok, wird im metallischen Zylinder, der aussieht wie ein Torpedo, da wird Dry Hopping betrieben, aber so zum Bier haben wir jetzt noch nichts gesagt, und deshalb mache ich das jetzt noch mal so in einem Galopp. Ich will einfach sagen, was mir so wahnsinnig gut gefällt. Also diese Mischung aus fruchtigen tropischen Aromen und Zitrusaromen, die sind einfach so gut ausbalanciert und es ist eigentlich eine totale Hopfenbombe, aber diese Hopfenbittere ist eben in diese Fruchtigkeit so toll eingebunden, und das finde ich bei dem Bier einfach hervorragend. Also, wer das nicht kennt, wer dieses IPA nicht kennt, sollte es auf jeden Fall probieren. Das will ich noch gesagt haben.

Markus: Sehr verständlich, und meistens wird es ja auch sogar als Double IPA gelistet. Also ich muss ein bisschen kucken, in welcher Kategorie es steht. Wenn ich mich erinnere, von der Akustik, ich finde es klang ein bisschen ähnlich, das Bier von Christian, wie dein Sound, oder was meinst du?

Holger: Und es war ja sowieso auch total verdächtig, dass er so irgendwie ganz auf Pale Ale kam, sofort, und möglicherweise ist es ja sowieso der Vater des Gedanken oder so. Also wir könnten ja mal auf ein Pale Ale tippen!

Christian Klemenz: Da liegst du ziemlich gut, ja! Ich hab auch was ziemlich Hopfenbetontes, und zwar… Ich schenke es nochmal ein, dann könnt ihr auch das Einschenken euch mitanhören.

Holger: Wenn ich richtig zuhöre, also natürlich beim Einschenken, aber auch das davor gesagte… Da hat er ja gemeint, die Deutschen haben jetzt lange nicht so richtig gute IPAs und Pale Ales gemacht. Also wahrscheinlich handelt es sich um ein deutsches Pale Ale. Würde ich jetzt tippen.

Markus: Könnte auch ein fränkisches sein, vielleicht!

 

Ein fränkisches Pale Ale

Christian Klemenz: Ihr seid schon sehr gut! Ich löse mal auf. Also, beides ist richtig. Es ist ein fränkisches Pale Ale, und zwar aus unserer Nachbarstadt sozusagen, in Bayreuth, von der Brauerei Maisel, beziehungsweise Maisel And Friends, das Maisel And Friends Pale Ale.

Holger: Das ist doch der Vorort von Bamberg, oder? Bayreuth ist, wenn man von Berlin kommt, irgendwie der Vorort von Bamberg. Oder darf man das nicht sagen?

Markus: Die Trabantenstadt würden wir vielleicht sagen.

Christian Klemenz: Da müssen wir jetzt vorsichtig sein, was wir sagen.

Markus: Nein, also grundsätzlich muss ich sagen, die Maiselbrauerei ist eine ganz tolle Brauerei, mit denen ich schon sehr lange und sehr gut und herzlich verbunden bin. Trotzdem ist es für mich ganz ehrlich nahezu der einzige Grund, nach Bayreuth zu fahren, aber halt ein sehr schöner.

 

Die Bayreuther Festspiele

Christian Klemenz: Also kein Wagnerfan?

Markus: Ja gut, da war ich einmal und hab sogar Frau Merkel getroffen, war ganz lustig, aber es war auch unglaublich heiß, und mehrere Stunden Wagner am Stück ist schon auch nicht so ganz ohne, noch dazu muss man sich dort ja absolut benehmen in jeder Situation. Dementsprechend fand ich es dann insgesamt ein bisschen steif und nicht unbedingt meine Welt.

Christian Klemenz: Du gehst also lieber fürs Bier nach Bayreuth.

 

Das modernste Taphouse Europas

Markus: Absolut, aber das schon, also vielleicht als kurzer Tipp an die Hörer, wobei du wirst ja selber vielleicht gleich auch noch was sagen. Weil es gibt in Bayreuth von der Maiselbrauerei das Liebesbier und das ist eine ganze Bierwelt, also vielleicht in Deutschland mit das modernste und beste Taphouse, was es gibt, wo man sehr viele verschiedene Biere vom Hahn und aus der Flasche bekommt, eine Brauerei mit dabei ist. Die machen auch sehr viele Collaboration-Brews und Aktionen und Veranstaltungen, zweimal im Jahr ein großes Brauereifest und Hobbybrauerwettbewerb und so weiter. Also sind da wirklich einfach richtig gut dabei, und sie denken das ganze auch ein bisschen größer. Das heißt, Craft ist für die nicht nur Bier, sondern eben auch alle möglichen anderen Dinge, die haben einen Bäcker, haben einen Metzger, haben eine Kaffeerösterei dabei. Da sieht man einfach, dass das insgesamt schon ein richtiges Konzept ist, und nicht bloß mal eben so ein hingestelltes Teil.

Holger: Also ich hat das nicht besser sagen können. Also, Liebesbier, genau wie ich gerade gesagt habe, wer Torpedo nicht kennt, bitte Torpedo trinken, und wer Liebesbier nicht kennt, bitte hinfahren und essen gehen und durchprobieren, vielleicht sogar Michael König treffen, der da der Haus-Biersommelier ist, und sich von dem so ein bisschen durch die Maisel’s Bierwelt führen lassen. Das wirklich ein Tipp, absolut! Das, was man gastronomisch in Richtung Bier realisieren kann, ist da, glaube ich, realisiert. Auch Gastronomen, die interessiert sind, mal Ideen sich zu holen, können da durchaus hinfahren.

Markus: Christian, wie oft bist du denn dort?

Christian Klemenz: Ich bin tatsächlich auch ab und zu da. Wir arbeiten ja auch mit der Maiselbrauerei mit der Bierothek eng zusammen, vertreiben die Biere über unser Netzwerk. Ich glaube, in dem Zusammenhang war ich auch das letzte Mal in Bayreuth und im Liebesbier, als wir da ein paar Sachen besprochen haben.

Markus: Und wie geht’s dir mit dem Bier? Schmeckt’s dir?

Christian Klemenz: Ist sehr gut, insbesondere natürlich, wenn ich reinrieche… Es hat eine sehr schöne, frische Hopfennote. Da hatte ich ja vorhin auch schon angesprochen gehabt: Bei solchen Bieren ist natürlich auch immer die Frische einfach ein großes Thema. Das kommt hier gut zum Tragen.

Markus: Magst du unseren Hörern dazu noch ein bisschen was erzählen, wie das für dich überhaupt passiert ist, dass du jetzt sich so mit Bier beschäftigst?

 

Bier aus Franken für Indien

Christian Klemenz: Ich blicke jetzt quasi fast auf eine ganze Dekade zurück, jetzt kommen wir schon bald ins zehnte Jahr. Begonnen hat alles im Jahr 2010, also vor genau zehn Jahren, als ich zum Ende meines Studiums für ein Auslandssemester in Indien war. Ich war damals schon sehr gründungsinteressiert und wollte ein eigenes Unternehmen auf die Beine stellen und hab damals als gebürtiger Oberfranke natürlich auch schon eine ausgeprägte Leidenschaft für das Thema Bier gehabt, und ich habe das dann einfach so zusammengebracht letztendlich, und habe gesagt, okay, ich mache eine eigene Bierfirma. Ich gründe eine eigene Biermarke und bringe die nach Indien, und ich hab das dann auch gemacht, damals in Zusammenarbeit mit der Brauerei Rittmayer in Hallerndorf, mit der wir heute auch noch sehr gut und freundschaftlich zusammenarbeiten, das St. Erhard Kellerbier entwickelt und habe das tatsächlich als ersten Mark nach Indien exportiert. Dann kamen relativ schnell auch weitere Auslandsmärkte dazu: Hongkong, Neuseeland, Mexiko, Finnland und noch ein paar andere europäische Märkte. Durch diese Exportaktivität sind wir dann auf einmal in Kontakt gekommen mit Craftbierhändlern in anderen Ländern, und dadurch bin ich persönlich auch so wirklich eigentlich erst mit der globalen Craftbierszene in Kontakt gekommen. Als ich die Firma 2011 gegründet habe, war mir der Begriff Craftbier noch gar nicht wirklich präsent und eigentlich erst durch die Geschäftstätigkeit habe ich dann gemerkt: Okay, in anderen Ländern gibt es jenseits des Industriebiermarkts ein ganz eigenes Segment, wo der Markt auch anders funktioniert, der Handel auch anders getrieben wird. Und so sind wir da quasi reingerutscht, kann man fast sagen in den Bereich und haben dann 2013, 14 gesagt, wenn es diese Handelstruktur, wie sie es im Ausland gibt, in Deutschland nicht gibt, dann sollten wir da selbst aktiv werden, und haben dann eben mit der Bierothek die eigene Handelsparte gegründet.

Markus: Ihr wart ja die ersten, die auch mit einer besonderen Bierflasche in den Markt gestiegen sind.

Christian Klemenz: Wir hatten damals schon den Anspruch, Bier sehr hochwertig zu vermarkten. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Unser Hauptziel als Firma letztendlich ist, das Produkt Bier in seiner Wertigkeit zu steigern. Es wird ja oft der Vergleich mit dem Wein herangezogen. Wenn ich jetzt die fast zehn Jahre zurückblicke, dann würde ich behaupten, da hat sich auch schon ein bisschen etwas getan, was das Thema Wertigkeit betrifft. Der Weg und die Reise ist sicherlich noch nicht zu Ende, also da gibt es schon noch viel zu tun. Das war unser Grundgedanke von Anfang an. Wie schaffen wir es, diese besondere Wertigkeit besser zu vermitteln? Und damals war das eben auch ein Weg: Eine sehr hochwertige Flasche, des war quasi eine veredelte Flasche mit einem direkten Glasdruck. Das war der Grundgedanke dabei, warum wir uns damals für so ein spezielles Design entschieden haben.

 

Eine klare Flasche für Bier?

Markus: Das Besondere ist eben: Die Flasche ist durchsichtig, das heißt man konnte das Bier drin sehen und normalerweise ist es ja ein No-Go für Bier, aber durch euren Lack habt ihr die gleiche Lichtundurchlässigkeit geschaffen, wie es in einer dunklen Flasche der Fall ist. Damals war das auf jeden Fall was ganz was Neues am Biermarkt.

Christian Klemenz: Genau, das war auch ein sehr aufwändiges Verfahren, weil eben die Flasche extra noch mal gebrannt worden ist, mit einem speziellen UV-Lack und alles unter der Prämisse: Wie schaffen wir es, das Produkt irgendwie hochwertiger darzustellen, um die Wertigkeit von Bier besser zu vermitteln?

Holger: Jetzt müssen wir aber noch mal über das Bier reden, oder, Christian?

 

Kellerbier nach Übersee

Christian Klemenz: Selbstverständlich, genau, und zwar haben uns damals bewusst für ein Kellerbier entschieden, zum einen natürlich aufgrund der tollen Farbe, zum anderen auch, weil es eben Spezialitätencharakter damals hatte. Mittlerweile ist Kellerbier deutlich weiter verbreitet, aber damals war das absolut noch ein eher nischiges Thema außerhalb Frankens. Und ich hab damals mit Georg Rittmayer zusammen als Partner dieses Kellerbier entwickelt und wir haben das tatsächlich als allerersten Markt nach Übersee nach Indien verkauft.

Markus: Also wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich mir jetzt auch etwas einschenken.

Christian Klemenz: Bitte!

Markus: Da müsst ihr jetzt genau hinhören… Jetzt schenke ich es ein.

Holger: Also ein bisschen hat sich angehört nach Bügelflasche, oder?

Markus: Eher kalt.

Holger: Okay.

Christian Klemenz: Aber ich würde jetzt eher auf ein eher leichteres Bier tippen, also eher was Helles, Leichteres. Hat sich jetzt nicht unbedingt nach einem schweren, eher öligen Bier angehört.

Markus: Hell auf jeden Fall. Leichter – halt normal für unsere deutschen Verhältnisse, 5 % roundabout.

Holger: Hm, schwierig! Gib doch noch mal einen Tipp!

Markus: Es ist ein Bamberger Bier, und es ist ein Bamberger Bier, das es bis vor einer guten Woche noch überhaupt nie in einer Flasche gegeben hat.

Holger: Das Hansla kann es nicht sein, weil das war fast umgekehrt. Also erst in der Flasche und dann im Fass, sozusagen…

Markus: Genau!

Holger: Das kann es also nicht sein.

Christian Klemenz: Ich würde mal auf die Brauerei Greifenklau tippen.

Markus: Fast. Also Hansla war ja nicht schlecht von der Brauerei-Idee her, aber nicht dieselbe Brauerei.

 

Ein Rauchbier und doch kein Rauchbier

Holger: Also Rauchbierbrauerei, dann wäre ja… Also Spezial würde noch in Frage kommen, wenn ich deine Vorlieben so kenne…

Markus: Also ich löse es auf. Das ist aber auch sauschwer, zugegebenermaßen. Es handelt sich um das Spezial Ungespundet. Und das ist ein Bier… Die Brauerei Spezial kennt man ja sonst wirklich nur fürs Rauchbier, wenn man nicht in Bamberg ist. Dort gibt es seit einigen Jahrzehnten auch ein Helles, nicht Rauchiges, das eigentlich mal entstanden ist, weil der damalige Inhaber, der hat nach Franken geheiratet, er hat die Tochter praktisch geheiratet der Brauerei, und kam aber aus Norddeutschland und hat dann die Situation vorgefunden, dass er immer nur Rauchbier brauen musste und er selber kam eben aus dem Norden und wollte eigentlich lieber ein Helles trinken oder ein Pils und hat dann für sich selber in so einer Mini-Anlage so ein Helles gemacht. Und hat es dann immer getrunken, und die Gäste am Stammtisch haben das beobachtet und gesagt: Mensch, der trinkt da was ganz was anderes, warum trinkst du denn nicht dein Bier? Und da hat er denen das erklärt, und dann haben die gesagt: Ok, das würde ich jetzt aber auch gern mal probieren. Und dann fanden die das auch ganz interessant, und dann war das lange, lange Zeit so, dass es praktisch ein Geheimtipp war. Die Eingeweihten konnten im Spezial nach dem „U“ fragen, nach dem Ungespundeten, und das war dann dieses Helle, und wenn es gerade verfügbar war, dann haben sie es auch bekommen. Und jetzt, so ungefähr vor sechs, sieben, acht Jahren, haben sie es offiziell auf die Karte genommen. Das heißt, man kann jetzt auch ganz normal vor Ort des U bestellen, aber bis vor kurzem, bis vor einer Woche, gab es das immer nur vor Ort im Laden. Aber nachdem der jetzt eben wegen der Corona-Geschichte geschlossen ist, und das Bier natürlich vorhanden war, haben sie beschlossen, sie füllen das jetzt auch in die Flasche. Also praktisch mal ein Biergewinn durch diese Krise. Es ist wirklich ein fantastisches Bier, das ein wirklich klassisches, schönes, helles Lager ist.

Christian Klemenz: Aber wenn ich das jetzt kurz für werbliche Zwecke auch missbrauchen darf. Wir haben davon auch Wind bekommen, wie du gerade schon richtig gesagt hast, Markus, dass das jetzt aufgrund der Corona-Situation, das Bier erstmalig in der Flasche abgefüllt worden ist, und haben es uns dann auch nicht nehmen lassen, davon paar Kisten zu holen, die mittlerweile bei uns im Zentrallager sind, und man kann die Flaschen jetzt auch über unseren Onlineshop bundesweit erstehen, wenn man das jetzt mal probieren möchte, dieses Bier.

Markus: Kann ich nur empfehlen! Wunderschön weiches Mundgefühl, ganz samtig, schöner Körper, Honigaromen, bisschen Akazienhonig, hinten raus eine leichte, schöne Bittere, ganz dezentes Raucharoma. Also, der kann es nicht verheimlichen, dass es eben in einem Laden hergestellt ist, der sonst nur Rauchbier macht. Ähnlich wie beim Schlenkerla Hell, wo ja die Hefe auch vom Rauchbier verwendet wird und so eine kleine Rauchnote reingibt. Ein sehr einzigartiges Bier, und wahrscheinlich wird das auch nur jetzt einmal so gewesen sein, dass es das in Flaschen gibt. Also wer eine erstehen kann, der sollte das jetzt tun.

Holger: Dann leg mir mal eine zurück.

Markus: Schon passiert.

Holger: Christian, ich weiß gar nicht, ob du das weißt, aber ich komme aus dem Ruhrgebiet…

Christian Klemenz: Ja, ist mir bekannt!

 

Eine Bierothek in Duisburg?

Holger: Und ganz genau bin ich Duisburger, wenn man da jetzt in die Bierwelt blickt und schaut, wie ich groß geworden bin, da bin ich natürlich mit KöPi und Diebels groß geworden, aber es gab schon immer in Duisburg-Neudorf den Finkenkrug, und das ist ein Biertempel eigentlich, schon immer gewesen, aber eine Bierothek gibt es da noch nicht. Wenn ich jetzt Lust hätte, quasi in Duisburg eine Bierothek zu eröffnen, wie wäre das, also wie funktioniert das eigentlich?

Christian Klemenz: Dann würdest du dich einfach bei uns melden. Unsere Filialen sind ja im Franchise-Modell betrieben, das heißt unsere Betreiber sind selbstständige Unternehmer, die auf uns zukommen und sagen: Genau, sie hätten in der entsprechenden Stadt Interesse, eine Filiale zu eröffnen. Und dann würden wir quasi gemeinsam diesen Prozess begleiten und schauen: Okay, passt die Stadt, wo findet man eine passende Immobilie und so weiter, bis der Laden dann letztendlich dort steht.

Holger: Und ich müsste aber mit eigenem Kapital rein, oder würdest du das alles vorfinanzieren, oder wie geht das?

Christian Klemenz: Da sind wir flexibel. Also wir haben da auch unterschiedliche Modelle, zum Teil sind wir an den Betreibergesellschaften auch mit beteiligt. Es ist eigentlich auch immer so eine, auch wenn es sich komisch anhören, nachrangige Frage, die Finanzierungsfrage kommt eigentlich immer erst danach. Erst schaut man sich an: Okay, passt die Konstellation, passt das Setting, findet eine passende Immobilie und so weiter. Und wenn die Marktgegebenheiten da sind, kommt als Letztes die Finanzierungsfrage, und daran ist eigentlich bisher noch kein Projekt gescheitert, da haben wir bisher immer eine Lösung gefunden.

Markus: Wie viele Bierotheken gibt es da jetzt?

 

14 Bierotheken in Deutschland und eine in Wien

Christian Klemenz: Wir haben – schöne Überleitung, Ruhrgebiet – wir haben knapp bevor die Corona-Krise uns ein bisschen in die Parade gefahren ist, in Dortmund unsere 15. Bierothekfiliale eröffnet, wovon 14 in Deutschland sind und eine in Wien, in Österreich.

Holger: Aja, das ist ja spannend. Sehr gut, aber jetzt, ehrlich gesagt, ich habe ja Durst, und ich hab noch eins mitgebracht!

Christian Klemenz: Was für ein Zufall!

Holger: Also ihr habt vielleicht alle nur eins, ich habe wirklich zwei. Markus, darf ich?

Markus: Natürlich darfst du! Ich bin der letzte, der dir das verbieten würde!

Holger: Also dann, ich mache das nächste Bier auf. Ich freue mich so. Ich versuche, euch mal in die richtige Richtung zu schicken. Auf dem Kronkorken steht eine Zwölf.

Markus: Ui.

Christian Klemenz: Da klingelt bei mir noch nicht, da müsstest du noch einen Tipp geben.

Markus: Eine lateinische Zwölf oder eine arabische?

Holger: Eine arabische Zwölf, aber wieso ist das jetzt wichtig?

Christian Klemenz: Sonst könnte es ein Westvleteren sein.

Holger: Ja, ja, ja…

Markus: Es gibt auf jeden Fall belgische Brauereien, die das lateinisch schreiben… Hm… Zwölf würde natürlich generell schon in die Richtung Belgien deuten, sind wir dann da falsch?

Holger: Total richtig! Selbst Westvleteren ist jetzt gar nicht so weit weg!

 

St. Bernardus Abt 12

Markus: Dann weiß ich es, glaube ich! Viel blau auf dem Etikett?

Holger: Unbedingt.

Markus: Und ein Mönch, der manchmal zwinkert.

Holger: Bei jedem 1000. Etikett zwinkert der Mönch, genau.

Markus: Das ist das St. Bernadus…

Holger: … Abt 12, genau! Wenn man jetzt irgendwie Preis-Leistung definieren möchte, einfach sagen, was ist die Maßeinheit 100, wo sich alles dran orientiert, dann ist es das Bier in meinen Augen.

Christian Klemenz: Ist auf jeden Fall ein Spitzenbier zu einem sehr vernünftigen Preis. Da kann ich zustimmen.

 

Westvleteren und das belgische Bier

Markus: Das liegt auch tatsächlich in der Nähe von Westvleteren, das haben wir zwar schon paar Mal erwähnt, das ist von den belgischen Trappistenklöstern das vom Bier her wahrscheinlich bekannteste, aber eben auch das, wo man das Bier am wenigsten oft bekommt, gerade eben momentan ist der Markt extrem ausgetrocknet. Aber die anderen Trappistenköster machen natürlich auch gute Biere. Und direkt neben der Westvleteren-Abtei liegt die St.-Bernardus-Poduktionsstätte, und dort kann man auch sehr gute Biere erstehen. Manche sagen sogar, dass es da eine ziemliche Parallelität gibt zwischen den Westvleterenbieren und den St.-Bernadus-Bieren. Haben wir vor Ort getestet, finden wir nicht so, aber es sind auf jeden Fall sehr gute… Und ich beneide dich wirklich, weil so was habe ich jetzt nicht. Ich hab mir gedacht, der halbe Liter von dem guten U reicht mir eigentlich.

Holger: Tja, also da kann man mal wieder sehen, also für mich ist klar: Ich brauche sozusagen ein Starterbier. Normalerweise habe ich dann quasi ein Hauptspeisenbier, und dann habe ich natürlich noch ein Digestif-Bier, und St. Bernardus Abt 12 ist so ein schönes Digestif-Bier. Passt zu Käse, passt zu Schokolade, zu Dessert, man kann es auch einfach nur solo genießen, am allerliebsten vor dem Kamin mit netter Gesellschaft, aber ich will jetzt keine Bilder aufkommen lassen, auf gar keinen Fall.

 

Ein neues Zentrallager für die Bierothek

Markus: Ja, das ist gar nicht so einfach, so ein Bier auch einen guten Zustand zu halten, und Christian, ich hab gehört, ihr habt jetzt was Neues in der Bierothek, nämlich, dass ihr euch jetzt irgendwie auch eine Kühlkette kümmert, oder?

Christian Klemenz: Ja und zwar: Wir sind ja mit der Hauptzentrale im Bamberger Hafen beheimatet, auch immer noch mit der Verwaltung und bis vor kurzem war unser zentrales Lager auch hier im Bamberger Hafen, da sind wir zum einen räumlich einfach herausgewachsen. Durchs allgemeine Wachstum haben wir ein bisschen mehr Lagerkapazität gebraucht, und dann haben wir uns umgesehen: Wo finden wir mehr Lagerkapazität und haben uns dann auch gleichzeitig umgesehen, wenn wir schon ein neues, größeres Lager suchen, vielleicht finden wir dann auch was, wo wir was für die Bierqualität tun können und sind dann sehr froh, dass wir fündig geworden sind, ein Kühllager vor den Toren Bambergs zu finden. Das ist ein Lager, wo vorher Fleischverarbeitung stattgefunden hat, quasi das komplette Lager ist isoliert, hat die entsprechende Kühltechnik, und da sind wir jetzt seit knapp zwei Monaten und lagern jetzt an unserem Zentrallager wirklich alle Biere nur noch kühl, also auch nicht nur wenige, sondern wirklich alle Biere, die bei uns auf unserem Zentrallager stehen, werden auch gekühlt gelagert.

Markus: Die Adresse verrätst du aber nicht wahrscheinlich, sonst kommen jetzt ganz viele Leute und sagen: Ich möchte jetzt ganz viel kühles Bier.

Christian Klemenz: So ein Geheimnis ist es auch wieder nicht. Also wir sind da in Trunstadt, das ist einen Steinwurf von unserem alten Lager entfernt, direkt im Nahkreis Bamberg, direkt vor den Toren von Bamberg, autobahnnah, also logistisch sehr gut gelegen. Da sind wir sehr froh, dass wir eben zum einen mehr Kapazität haben, um das Wachstum zu stemmen und zum anderen einfach nochmal einen ganz großen Schritt hin zu mehr Bierqualität machen können.

 

20 Kästen Eiche im Keller

Holger: Unbedingt. Also ich weiß nicht, ob ich das schon jemals erzählt habe, aber Bier ist ja ein Frischeprodukt. Obwohl der Markus und ich natürlich immer wieder darüber reden, dass bestimmte Doppelböcke oder so in die Richtung gehende Biere auch unheimlich gut lagerfähig sind und besser werden – seit gestern weiß ich, dass er 20 Kästen Schlenkerla Eiche im Keller hat. Zwanzig!

Markus: Verschiedene Jahrgänge.

 

Holger als König von Deutschland

Holger: Aber das nur am Rande. Das, was ich jetzt eigentlich sagen wollte, ist: Wenn das mit der Politik so weitergeht, dann hat ja irgendwann keiner mehr Bock, irgendwie Verantwortung zu übernehmen, oder? Und wenn das dann so ist, dann werde ich quasi König von Deutschland. Also es gibt natürlich dann keine Demokratie mehr, weil das fände ich langweilig. Es wird eine klassische Monarchie, und das erste, was ich einführe, ist eine geschlossene Kühlkette für Bier. Also wenn ihr mich dann in der Tagesschau seht und denkt: Hey, das ist ja Holgi! Der ist jetzt König von Deutschland! Dann wisst ihr, das nächste, was kommt, ist: Geschlossene Kühlkette für Bier. Sehr gut gemacht, Christian, sehr gut!

Markus: Und ihr wisst jetzt auch ziemlich genau, was passiert, wenn man erst ein Double IPA und dann ein belgisches Quadrupel trinkt.

Holger: Jetzt werde nicht unverschämt!

 

Im Brauerei-Dreieck

Markus: Nein, nein, nein, wunderbar! Ja, damit sind jetzt auch schon am Ende von diesem BierTalk angelangt. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht! War schön, da mal in deine Welt ein bisschen einzutauchen, Christian. Und noch eines: Ihr seid da ja so in einem Brauereidreieck zwischen der Mainlust, den Weiherern und Beck in Trabelsdorf, das ist natürlich auch spannend, deshalb habt ihr es auch vom Lager nicht so weit, wenn mal Not am Bier ist, sozusagen. Von unserer Seite aus vielen, vielen Dank, dass du dabei warst. Vielleicht können wir dich ja auch mal wieder begrüßen, wenn du dann die nächste Bierothek irgendwo in Reykjavik aufmachst. Vielen, vielen Dank! Du hast uns natürlich auch zu tollen Bieren verholfen und dem Holger sogar zu zweien.

Holger: Unbedingt! Ich habe aber auch zwei mitgebracht, im Gegensatz zu dir!

Markus: Der kluge Mensch denkt vor, ich weiß.

Christian Klemenz: Hat mir auch großen Spaß gemacht, vielen Dank für die Einladung und gerne bis bald mal wieder!

Holger: Tschüss!

Christian Klemenz: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 2 – Interview mit Florian Perschel von BarthHaas aus Nürnberg

Florian Perschel kommt aus München und gehört zu den lieben Menschen, die sich um den Hopfen fürs Bier kümmern – er arbeitet bei BarthHaas in Nürnberg. Eigentlich sollte das unser JubiläumsbierTalk werden, aber am Ende ergab sich ein ganz aktueller Aufruf zur Hilfe für die Hopfenbauern – deshalb ist es nun ein neuer BierTalk spezial und wir empfehlen allen, besonders am Ende ganz genau zuzuhören…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

BierTalk 5 – Interview mit Christian Hans Müller von Hanscraft & Co.

Christian Hans Müller aus Aschaffenburg startete durch – von der Zahnmedizin an den Braukessel und wurde 2012 einer der ersten erfolgreichen Quereinsteiger im Craft Bier Business – und das aus Franken. Aus „Hans Müller Sommelierbier“ mit dem ersten Shooting Star „Bayerisch Nizza“ wurde „Hanscraft & Co.“, das mit dem IPA „Backbone Splitter“ neue Maßstäbe in Deutschland setzte. Doch die Entwicklung steht nicht still – und so verkosten Markus Raupach und Holger Hahn mit dem Aschaffenburger seine neuesten Bierkreationen und sprechen über seine Geschichte und Geschichten…

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Markus: Hallo zusammen! Willkommen zu unserem BierTalk Nummer 5, natürlich wie immer mit mir, dem Markus und dem …

Holger: Holger…

Markus: … und einem besonderen Gast, nämlich dem Christian Hans oder Hans Christian Müller. Das wird er gleich aufklären. Ja, stell dich doch am besten selber kurz vor.

Christian Hans Müller: Hi, servus! Christian Hans Müller, so ist die richtige Reihenfolge, so wie es die wenigsten am liebsten richtig machen. Aber mein Gott, es ist nicht schlimm. Es ist nur ein Name. Gründer, Brauer, Putzfrau, alles Mögliche von Hanscraft & Co. 2012 haben wir das Licht der Welt erblickt und seitdem bereichern wir so ein bisschen die Spezialitäten-Brauszene. Wir kommen aus Aschaffenburg…

Markus: Du hast uns ein paar Bierchen mitgebracht.

Christian Hans Müller: Hab ich, vier Stück!

 

Vier Biere für drei Männer

Holger: Wir machen einfach einmal das erste auf. Neues Produkt, das „Helle“. Ich mache es mir jetzt mal auf. Ihr werdet es jetzt hören. Jetzt schenke ich auch ein. So, ich hoffe, man hat es schön hören können.

Christian Hans Müller: Holger, wie ich kenne, Willibecher, klar…

Holger: Nee, Haferltasse! Deine Biere sind doch so gut, da ist es vollkommen egal, oder?

Christian Hans Müller: Ja, ist vollkommen egal. Genau.

Holger: Okay, also dann lege ich jetzt mal in mein professionelles Verkostungsglas rein.

Christian Hans Müller: Ich hab Durst, also ich würde gern, bevor es weitergeht, anstoßen.

Holger: Ja, Prost!

Christian Hans Müller: Prost!

Markus: Prost!

Christian Hans Müller: Ist schon fast weg! Ist schön warm draußen, aber wir sind da drin, wir bleiben zu Hause.

Holger: Markus, wie ist dein erster Eindruck?

 

Hanscraft Hell

Markus: Also, natürlich grundsätzlich gut, auch wenn ich wieder mal sagen muss, dass ich natürlich als Urfranke mit dem Hellen immer so ein bisschen meine Probleme habe, weil es einfach nicht mein Lieblingsbierstil ist, aber es ist ein sehr schönes, sehr geschmeidiges, sehr weiches Bier, was tatsächlich auch dazu verführt, dass man nicht nur den ersten und zweiten Schluck nimmt, sondern auch den dritten und vierten und fünften, insofern erfüllt es seinen Job schon mal sehr gut. Ich finde es sehr vollmundig, sehr intensiv im Aroma, und ich habe mir tatsächlich einen TeKu-Glas ausgewählt, allerdings nicht irgendeines, sondern eines, was ich mir letztes Jahr mitgebracht habe aus Chile. Insofern ist es ein bisschen weit gereist und passt aber vielleicht auch ein bisschen zum gesamten Motto hinter dem ganzen Hanscraft-Label. Bin mal gespannt, was ihr sagt.

Holger: Für mich ist auch so ein typisches Helles, und so, wie du schon gerade beschrieben hast, es ist heiß genug draußen, es ist ja fast sommerlich, und wenn man jetzt heute richtig draußen gewesen wäre und hätte da sportlich sich aktiv betätigt oder hätte vier Stunden den Rasen gemäht oder ähnliches getan, ja, dann wäre die Flasche wahrscheinlich jetzt schon leer! Ich habe mir übrigens auch einen Tekupokal ausgesucht. In der Tat.

 

Das TeKu-Glas

Markus: Falls jetzt einige Hörer noch nicht wissen, was ein Tekuglas ist: Das ist das erste so als Craftbierglas wahrgenommene Bierglas, entwickelt von zwei Italienern. Teku steht für Teo Musso und Kuaska, der eigentlich Lorenzo Dabove heißt, und die beiden haben eben damals für das belgische Orval ein Glas entwickelt, das dann sich durchgesetzt hat, weil es einen Stiel hatte, weil es eine besondere Form hat, bei all den Craftbier-Festen in Europa, und so wurde eben aus diesem Tekuglas für viele das Craftbierglas. Mittlerweile gibt es da viele andere, auch von anderen Firmen, die auch spannende Ansätze haben. Trotzdem ist es, glaube ich, immer noch so ein Standard.

Christian Hans Müller: Ihr bringt mich ein bisschen unter Zugzwang, ich glaub zum nächsten Bier hol ich mir dann auch eines.

Markus: Neues Produkt, hast du gesagt, das heißt, seit wann gibt es das?

Christian Hans Müller: Das Helle? Das haben wir dieses Jahr… im Januar haben wir das abgefüllt zum ersten Mal. Wir haben das Helle an sich schon eine ganze Weile als Fassbier für die regionale Gastronomie immer schon im Portfolio gehabt, aber die Nachfrage zum Flaschenbier wurde dann halt immer größer, als es dann mehr hieß, ja komm, macht ihr das dann auch mal in Flaschen und so weiter. Dass man das halt auch mal überregional zum Verkauf bekommt. Wir hatten es immer überregional auf Festivals mal dabei, vom Fass, aber eben nie als Flaschenbier. Und jetzt seit Januar zum ersten Mal in der Flasche verfügbar. Original Helles, quasi im Prinzip das gleiche, was wir vorher schon als Fassbier hatten. Angefangen in der Tat haben wir damit, als wir zwischen 2016 und 18 mit der Teufelsküche rumhantiert hatten und dort dann eben unsere Biere komplett im Ausschank hatten, und da auch grad für die Gäste, die jetzt nicht unbedingt wegen dem vierten, fünften oder sechsten neuen IPA kommen, dann einfach als klassisches Hausbier dieses Helle gemacht haben.

Holger: Ich würde mich gern nochmal mit der Flasche beschäftigen, weil wenn man dazu das Rückenetikett anschaut, dann gibt es da ja drei Sprachen, also erste Sprache ist klar, zweite Sprache ist auch klar, dritte Sprache: Humle… kornmalt… Vatten.. und jäst. Dann komme ich wieder klar mit Magnum Traditionen Mittelfrüh, aber erklär das mal.

 

Bier-Export nach Schweden

Christian Hans Müller: Wir haben das Glück, dass wir einen schwedischen Importeur haben, der komplett landesweit in Systembolaget gelistet ist. Systembolaget ist, für die, die es nicht wissen, das staatlich beaufsichtigte Alkoholmonopol von Schweden. Das heißt also, Alkohol über 3,5 % ist gar nicht im freien Handel verfügbar. Das heißt, du kannst kein Bier mit über 3,5 % Alkohol in Tankstellen, Supermärkten oder sonst irgendwo kaufen, sondern dafür gibt es ausschließlich Systembolaget, staatlich organisierte Bottle-Shops, eigentlich aufgezogen wie ein Getränke-Fachgroßhandel oder wie ein Getränkemarkt. Dort kannst du Bier, Wein, Spirituosen, alles Mögliche kaufen, aber eben nur da – was den Handel angeht, Gastronomie ist wieder etwas anderes. Daher auch die schwedische Sprache, weil diese staatlich organisierte Alkoholmonopol-Geschichte entsprechende Anforderungen an die Etikettierung, an die Darreichung, an alles Mögliche stellt. Und eins davon ist eben auch Inhalte in schwedischer Sprache.

Holger: Das bedeutet, dass für dich dann Schweden schon auch durchaus ein wichtiger Exportmarkt ist. Hast du noch andere Export-Highlights oder Zielmärkte, wo du sagst, Mensch, da geht besonders viel, und ich habe mich auch ein bisschen darauf spezialisiert, vielleicht?

 

Exportmarkt Slowenien

Christian Hans Müller: Also wir kucken jetzt ein bisschen in die Vergangenheit, nur weil wir können gerade schwer in die Zukunft kucken, das das geht uns allen so, was wir in der Vergangenheit sehr erfolgreich noch betrieben haben, ist Export nach Slowenien. Klingt wahrscheinlich auch sehr überraschend. Sehr kleines Land, hat zwei Millionen Einwohner und ist einfach nur klein, aber hat eine unheimlich starke Bierkultur, eine unheimlich starke Bieraffinität auch, ist ein richtiges Biertrinkerland, und da sind wir seit 2014 aktiv und auch relativ gut und erfolgreich, mit Fassbier überwiegend, aber auch in Slowenien haben wir eine Eigenart kreiert. Und zwar ist Slowenien das einzige Land auf dieser Welt, in dem es Backbone Splitter in Halbliter Flaschen gibt. Den gibt es sonst nirgendwo, habt ihr mit Sicherheit auch noch nie gesehen, weil wir das auch gar nicht so an die große Glocke hängen, denn wir hatten hier in Deutschland noch nie die Nachfrage danach, auch in Schweden noch nicht, oder sonst irgendwo. Rein für Slowenien haben wir Backbone Splitter in Halbliter Flaschen abgefüllt und auch ein entsprechend rein slowenisches Label gemacht dafür, da ist nichts dreisprachig, sondern es ist komplett slowenisch, und das zeigt ja allein auch, wie wichtig dieser Markt für uns ist, weil sonst hätten wir so einen Zirkus ja nicht gemacht.

Holger: Ich kenn das, die Flasche, und es ist so ein slowenisches Thema, dass die einfach glauben, wenn sie ein bisschen mehr Menge haben, dann ist es auch im Verhältnis billiger als jetzt so eine kleine Flasche, ist auch irgendwie so eine Mentalitätsthematik bei denen.

Christian Hans Müller: Aber ist nicht so!

 

Bierhandel in Schweden

Markus: Ja, um noch um noch kurz auf die Schwedengeschichte zurückzukommen: Das ist natürlich schon spannend, weil der Vorteil ist ja, wenn man im Systembolaget gelistet ist, dann kaufen die ja praktisch für das gesamte Land ein, sprich man hat einfach eine ordentliche Menge Bier, die man an den schwedischen Staat verkaufen kann, das schon mal guter Kunde, weil der auch bezahlt und weil es eben auch eine vernünftige Menge ist. Also insofern ist es schon eine richtig coole Sache, dass du es geschafft hast, dort gelistet zu werden.

Christian Hans Müller: Unter Umständen ist es so, dass einige Produkte dann landesweit zentral eingekauft werden, aber unser Importeur, dadurch dass der nicht so eine mega große Firma ist, der liefert tatsächlich mehrere Abnahmestellen an. Also das ist nicht so, dass da eine große Bestellung für Systembolaget zentral kommt und die verteilen dann intern, sondern sie müssen in der Tat die einzelnen Märkte direkt beliefern. Zwar auch per Versand, nicht hinfahren oder so, sondern per Versand, aber es ist jetzt nicht zum Beispiel, wie jetzt ein Erdinger oder ein Schlenkerla, die jetzt tatsächlich über diese Zentralorder einen ganzen LKW-Zug abladen, sondern bei uns ist das natürlich ein bisschen kleiner dimensioniert, zumal wir ja auch, ihr erkennt ja auch die schwedische Preispolitik, da ist ja die Biersteuer im Verhältnis zur deutschen Steuer in etwa zehnmal so hoch, und das wirkt sich natürlich auf den Endpreis aus. Klar kalkuliert jetzt Systembolaget nicht so wie normaler Bottleshop, was die Marge angeht, aber trotz allem stehen unsere Biere da ab 38, 39, teilweise über 40 Kronen, je nach Sorte in den Märkten und das sind dann auch 3,80, 3,90, 4 Euro die Flasche.

Markus: Ich glaub, wir müssten mal wieder eins aufmachen!

Christian Hans Müller: Ja, meines ist auch schon leer!

Holger: Unbedingt! Und in der Zeit, wo wir das alle tun, Hans, vielleicht nicht alle Hörer kennen jetzt den Backbone Splitter. Jetzt haben wir ihn schon angesprochen, vielleicht in der Zeit, bis alles im Glas ist, und so, kannst du dann vielleicht dann auch noch mal ganz kurz über den Backbone Splitter sprechen. Was nehmen wir denn als nächstes?

Markus: Single Hop!

Holger: Kellerpils, genau!

 

Backbone Splitter – das IPA der ersten Stunde

Christian Hans Müller: Ich soll was zum Backbone Splitter erzählen, habe ich verstanden, Holger?

Holger: Ja, schon, weil wir haben das Bier nicht in der Verkostung. Für mich ist es eines der besten IPAs, die ich kenne, beziehungsweise jemals getrunken habe, gehört einfach zu meinem Standardrepertoire, ist immer am Mann, immer – da muss man mal was zu sagen, oder?

Christian Hans Müller: Der Backbone Splitter zeichnet sich ja mal in erster Linie dadurch aus, dass es ihn heute in unserer Runde nicht gibt, das spricht ja schon mal Bände. Das heißt, den muss ich euch gar nicht vorstellen. Klar, die Hörer haben ihn natürlich jetzt nicht alle auf dem Schirm, vielleicht der ein oder andere schon. Für alle anderen ist der Backbone Splitter ein, ich würde mal schon fast sagen ein Evergreen, oder? Kann man das so sagen? Wir haben den Backbone Splitter zum ersten Mal auch 2014 abgefüllt, kam auch irgendwann so aus diesem Schub oder aus diesem, ich will nicht sagen, aus diesem Druck damals. Es gab einen Druck in dieser Bierszene, in der wir uns bewegen, aber aus dieser Situation heraus, dass es viele IPAs schon gab, aber es war nur ganz selten der Fall, dass mal eines so hervorstach und ich damals mit einem Blogger, der hatte damals die Seite „Lieblingsbier“, mit dem mal drüber gesprochen habe, wo ich sagte: Ich will nicht das zehntausendste IPA jetzt bringen. Und er sagte: Doch, weil es wäre mal wieder Zeit für ein gutes IPA! Mach doch mal ein gutes! Und ich sage: Okay, danke! Da war er dann, der Druck, und dann habe ich einfach mal versucht, ein gutes zu machen und den Backbone Splitter rausgebracht. Und siehe da, viele besinnen sich immer wieder auf den Backbone Splitter zurück, um sich zu erden. Viele entdecken ihn für sich neu, viele entdecken ihn für sich wieder. Der Backbone Splitter heute ist immer noch so, wie er Prinzip immer war, mit einer einzigen Veränderung in der ganzen Zeit, seit wir ihn haben. Es gab zwischenzeitlich mal ein Special mit anderem Hopfen, den Kazbek Special. Einmal, ansonsten ist der Backbone Splitter, wie gesagt, bis auf eine Veränderung, und da haben wir eine Hopfensorte einfach ausgetauscht, weil die ersetzte Hopfensorte gar nicht mehr so den Ertrag gebracht hat, hinsichtlich des Aromas, den er eigentlich von Beginn an hatte und den haben wir dann einfach mal ausgetauscht, so ein bisschen angepasst. Deswegen würde ich mal Evergreen sagen.

Markus: Ich kann mich erinnern, wir hatten mal eine Reihe von Veranstaltungen, ich glaube, zehn oder zwölf, Holger, da haben wir immer am Anfang für alle einen Cocktail gemacht, und den haben wir aus dem Backbone Splitter gemacht. Ich kann mich noch gut erinnern, die Leute waren immer begeistert und haben auch immer alles, was an Flaschen übrig war, am Schluss noch mitgenommen.

Holger: Da muss ich betonen: Das ging so in die Caipi-Richtung, also dieser Biercocktail. Da haben wir direkt zu Anfang, alle Frauen sozusagen für uns gewonnen, und das war natürlich super.

 

Ein Kellerpils aus Aschaffenburg

Markus: Was haben wir denn jetzt im Glas?

Holger: Also ich hab ein Kellerpils im Glas, ich weiß nicht, was ihr im Glas habt!

Christian Hans Müller: Ich hab noch Kellerpils im Glas, weil ich hab einen guten Zug drauf, glaub ich… Kellerpils, unser zweites Lager im Standardsortiment, sage ich mal. Wir haben zwei Lager, das erste hatten wir gerade, das zweite ist das Single Hop Kellerpils. Auch schon lange im Programm, also auch ein Bier, was sich bei uns mehr oder weniger etabliert hat, war ursprünglich der Gedanke dahinter, ein Bier zu schaffen, um noch mehr Leute dazu zu bewegen, sich für Craftbier, für Brauspezialitäten, für Kreativbier, wie man es auch immer nennen will, zu interessieren und einfach die Messlatte mal ein bisschen niedriger zu hängen, um den Einstieg zu vereinfachen. Also ein Bier, gebraut nach klassisch Pilsener Art, also deutscher Pilsener Braustil, aufgrund unserer technischen Möglichkeiten allerdings natürlich unfiltriert. Vorher aber noch hopfengestopft mit damals einer neuen Hopfenzüchtung, die sich beibehalten hat bis heute, das war der Hallertauer Blanc, der war damals ganz neu. Also wer den Hopfen kennt, weiß dann auch, dass das Bier jetzt auch schon ein paar Jahre im Programm sein muss. Aber auch hier haben wir zwischenzeitlich auch mal ein Kazbek Special gemacht, aber ansonsten konsequenterweise mit Hallertauer Blanc immer ein schönes Bier draus gemacht, was dem Pilsener an sich so ein gewisses Extra, so einen gewissen kleinen, fruchtigen Kick verleiht, aber im Gesamtbild, und das ist mein persönlicher Eindruck, nicht darüber hinwegtäuscht, dass es sich um Pilsener handelt.

Holger: Ja, also ich kann das bestätigen, also es hat so eine schöne Bittere, die eben auch in einem Pils in meinen Augen drin sein muss. Ich habe das damals so verstanden, du hattest doch auch vor, oder hast es noch vor, auch gastronomisch was zu machen, und sich auch ganz klar in der Region zu positionieren und so, und da war das Kellerpils auch dafür gedacht, eigentlich, oder? So hab ich das zu mindestens in Erinnerung, stimmt das nicht?

 

Kellerbier statt Craftbier

Christian Hans Müller: Ja, das war ein Teil davon, genau. Das war eben die Zeit mit der Teufelsküche. Vielleicht erinnerst du dich daran, wir hatten ja damals über meinen ehemaligen Partner die gastronomische Schiene noch betrieben und hatten ein Steakhaus in Aschaffenburg, in der Fußgängerzone, mit dem wir dann auch viel unserer Biervielfalt spielen konnten und das auch bewusst so gemacht haben, weil wir das wollten, und hatten dann eben auch, weshalb wir auch das Helle damals als Fassbier gemacht haben, einfach die Notwendigkeit aber gesehen, es nicht als reine Craftbierbar oder als reinen Craftbierladen zu betrachten, sondern wollten ja trotzdem auch den speisenden Gast, der jetzt nicht unbedingt der Biere wegen kam, zumindest noch mit was annäherungsweise Bekanntem oder annäherungsweise Gefälligem wie jetzt dem Hellen oder Kellerpils zumindest auch einen Schritt weit entgegenkommen, aber auch da dann vor Ort das Personal so geschult zu haben, das dann eben die Leute, die ein Kellerpils getrunken haben und denen auch aufgefallen ist, dass es hierbei um was Fruchtigeres geht als das klassische Pils, um ein bisschen was Anspruchsvolleres, die dann dahingehend aber auch zu beraten nach dem Motto: Du, wenn dir das doch geschmeckt hat, warum versuchst du es nicht mal mit einem Pale Ale, oder dies oder das. Ja, das war in der Tat der Auslöser des Ganzen, dieser gastronomische Gedanke. Diese Gastronomie an sich war ja auch für uns nur ein Mittel zum Zweck, da ja zu dem Zeitpunkt ja auch schon der Brauereibau eine wichtige Rolle gespielt hat, in dem ja auch Gastronomie stattfinden sollte und in dem ja auch dann dieses Thema bespielt werden sollte. Und da ja von uns keiner eine Ahnung von Gastronomie hatte, war eben mein ehemaliger Partner dann dafür vorgesehen, dieses Thema sich anzueignen, um da einen gewissen Erfahrungsschatz aufzubauen. Das hat er, muss man auch im Nachhinein wirklich sagen, sehr, sehr gut gemacht, und ist da mehr oder weniger als Vollblutgastronom auch aufgegangen.

Holger: Markus, du musst noch mal was zum Bier sagen. Du hast, glaube ich noch gar nichts um Bier gesagt. Du hast ja gesagt, du fürchtest dich als Oberfranke…

Markus: Ich muss mich eh ein bisschen entschuldigen schon fast beim Hans, weil ich ja immer sagt, hier so als aus der fränkischen Perspektive, aber natürlich bist du in Unterfranken auch Franke, gar kein Thema, aber ich werde oft so ein bisschen von anderen darauf reduziert, und dann fällt einem das halt so ein bisschen ein, und Kellerpils triggert natürlich etwas, weil es natürlich spannend ist, wenn man mit der Idee des Kellerbieres spielt und es dann auf andere Bierstile überträgt. Ich finde es sehr schön, muss sagen, was mir gut gefällt ist, dass der Blanc ja wirklich so eine weinig- säuerliche, fast Ananas-Note irgendwie so ganz leicht mit reinbringt, und das ist ja was, was ich eben im normalen Lager und im normalen Pils so nicht habe. Hat aber auch, finde ich, so ein bisschen was, was so in Richtung (unv. #00:15:19.1#) geht, sowas Kräutriges, Grünes, Grasiges, das zusammen gefällt mir wirklich gut. Also ist ein sehr angenehmes Bier. An den Blanc habe ich noch eine interessante Erinnerung: Den hatten wir damals in meinem Biersommelier-Kurs, das ist schon lange, lange her, da gab es den damals noch als Versuchshopfen, da hatte er noch gar keinen Namen, sondern nur eine Nummer. Da haben wir ein bisschen was bekommen für unseren Biersommelier-Kurs, Sud, den wir am Ende gemacht haben, und da haben wir damals einen Weizenbock gemacht und haben den dann mit Hallertauer Blanc gestopft und auf der Consumenta in Nürnberg ausgeschenkt. Das war unglaublich, weil wirklich die Frauen reihenweise auf dieses Bier abgeflogen sind, ohne Ende. Deswegen ist es für mich ein sehr magischer Hopfen. Wobei ich auch einmal ein negatives Erlebnis hatte, muss ich zugeben. Ich habe mal in Hamburg auf der Internorga das Single Hop vom Oli Wesseloh mit Hallertauer Blanc getrunken, und da habe ich vorher so ein bisschen erzählt von diesen Erfahrungen, und dann war ich ein bisschen enttäuscht, weil es sich dort ganz anders niedergeschlagen hat in seiner Rezeptur. Also, fand ich auch interessant, dass die Rezeptur natürlich auch viel damit zu tun hat, wie so ein Hopfen sich am Schluss entfaltet.

Christian Hans Müller: Das kann ich nachvollziehen. Ich glaube auch, der Hallertauer Blanc… Ich kenne jetzt das… Wahrscheinlich war es eins aus der SHIPA Serie, oder?

Markus: Genau!

 

Das SHIPA – eine interessante Idee aus Hamburg

Christian Hans Müller: … diese SHIPA IPA von Kehrwieder. Ich selbst habe es nie getrunken. Ich bin aber ein großer Fan von dem SHIPA Hüll Melon. Das war, glaube ich, sein zweites, drittes, viertes oder so. Das hat er schon relativ früh mal rausgebracht. Das war so für mich so ein Ding, wo ich sagen musste, das war sensationell. Das SHIPA Hallertauer Blanc kenne ich leider nicht, aber ich muss auch ganz ehrlich sagen – ich arbeite ja jetzt auch lange mit diesem Hopfen, grad was das Kellerpils angeht – ich kann mir durchaus vorstellen, dass dieser Hopfen in dieser Intensität, wie er für ein IPA gefordert ist, wahrscheinlich deutlich hinter anderen Hopfen zurücksteht, aber in dieser Dezentheit, wie er jetzt in diesem Kellerpils drin ist, oder wie man es vielleicht auch im Weizenbock oder überhaupt einem Bock auch gut platzieren könnte, durchaus seine Berechtigung hat, mehr als das, sondern da wirklich als ganz tolle Bereicherung und Erfrischung in so einem Bier wirken kann. Beim IPA gebe ich dir recht, stell ich es mir auch schwierig vor, ohne es allerdings zu kennen.

Holger: Ihr geht ja schon wieder richtig ab wie die Zäpfchen. Wir müssen ja auch so ein bisschen unsere Hörer denken, die wollen ja sicher das nächste Bierchen kennenlernen. Jetzt haben wir so zwei Themen. Einmal natürlich die ganze Sensorik und alles, was ihr jetzt da gerade so fachmännisch hier in den Orbit rausgehauen habt. Was auch noch mal ein Thema ist, ist: Jetzt hat ja der Markus gesagt, damals wo er sein Biersommelier-Kurs gemacht hat – da kann ich nur sagen, Christian Hans Müller ist auch Biersommelier…

Christian Hans Müller: Yes!

Holger: …und der hat seinen Biersommelier in Chicago gemacht. Das wäre auch noch mal was wert. Also du könntest jetzt zwei Sachen machen, erst mal ansagen, was ist jetzt das nächste? Und währenddessen wiederum ein bisschen auch über deine Zeit in Chicago sprechen, vielleicht. Wie kam es überhaupt dazu?

 

Ein Biersommelier aus Chicago

Christian Hans Müller: Als nächstes Bier würde ich jetzt mal sagen: Jungs, wenn ihr auch am Weg zum Kühlschrank seid: Tropical Nizza Double Dry Hopped Wheat Pale Ale. Im Prinzip, auch von der Grundidee, war das eine Abwandlung unseres anderen Evergreens, den wir so immer wieder am Start haben, unseres Bayerisch Nizzas, auch schon seit zig Jahren. Ich weiß noch die ersten Beiträge, die ersten Interviews, es war alles noch in schwarz-weiß. Also das Bier haben wir schon wirklich lange am Start, und Tropical Nizza war letztes Jahr auch eine Idee, wo wir gesagt haben, wir wollen vom Bayerisch Nizza mal wieder eine Abwandlung machen, denn wir hatten mal ein Bayerisch Nizza Melon Special gemacht, das haben wir einmal ausschließlich da mit Hüll Melon gebraut und gestopft, und das war eine Sache, die sehr gut ankam, wo viele Leute gesagt haben: Mensch, wann kommt das denn mal wieder? Macht ihr das nochmal? Aber getreu unserer Linie, Specials wirklich immer nur einmal zu machen, war das leider abzulehnen. Es kam aber dann die Idee, weil ja noch so gerade diese Hazy- und New-England-Geschichte sehr populär war, zu der Zeit auch diese Double-Dry-Hopped-Geschichte, das wir Tropical Nizza ins Leben gerufen haben, sprich, aus dem Bayerisch Nizza an sich ein Bier zu machen, was dann am Ende als Double-Dry-Hopped-Version mit ganz anderen Hopfen wiederum zum Tragen kommt, also vom Grundbier fast Bayerisch Nizza, nicht ganz, also es ist von der Stimmung her ein bisschen abgewandelt. Man sieht es auch, wenn man es im Glas hat. Es erinnert von der Farbe nicht wirklich an das Bayerisch Nizza, es ist ein bisschen dünkler, ein bisschen rötlicher. Da haben wir ein paar Abwandlungen gemacht, was die Karamellmalze angeht, weil grad bei diesen Double-Dry-Hopped-Sachen ist es wichtig, für mein persönliches Dafürhalten einen anderen karamelligen Unterbau zu haben, mehr abfedern kann, weil hinten raus wirds doch schon heavy. Dann entsprechend mit den Sorten Sinco, Mosaic und Citra für ein bisschen mehr tropisches Aroma zu sorgen, weil wir hatten ja von Beginn an Bayerisch Nizza immer mehr so in diese mediterrane Schiene gepackt, aus dieser mediterranen Sache raus eher in dieses Tropische, in dieses Passionsfruchtige et cetera et cetera zu gehen, dann mit Mosaic und Cinco den Citra zu ergänzen. Der Citra ist ja trotzdem noch im Bayerisch Nizza drin, allerdings dann mit Summit und Chinook noch.

 

Hazy IPA, Bayrisch Nizza mal anders

Markus: Wunderbar, da muss ich immer ein bisschen dran denken, dass das eigentlich für mich im Sommer bei Verkostungen immer so eine Allzweckwaffe ist. Das normale Nizza jetzt. Wir haben das ganz oft so, dass wir zum Beispiel so eine große Sektkühler-Metallschüssel haben, voll mit Eis, und da dann eben zehn, zwölf Flaschen Bayerisch Nizza rein. Wenn Leute ankommen, dann einfach Flasche auf, irgendwo schön miteinander zusammenstehen, unterhalten, Menschen zusammenbringen. Tolles Bier, was jeden abholen, zum Beispiel viele Frauen abholen kann, die vielleicht keine bitteren Biere mögen, aber es ist eben auch was für jemanden, der ein anspruchsvolles Bier will mit bisschen mehr Aroma, bisschen mehr Geschmack. Dazu noch die tolle Geschichte – muss man vielleicht an der Stelle auch sagen, dass Bayerisch Nizza ja für Aschaffenburg steht. Die genaue Geschichte kann man nachlesen, aber das ist auch toll, dass du dir da so einen schönen Namen hast einfallen lassen, und für mich ist das einfach so ein Bier, was auch so für dieses Schöne, Lockere, Leichte, Spaßige an der Craftbier-Szene steht, was sie am Anfang ja war. Es war am Anfang wirklich so ein Wohlfühl-Ding, wo alle miteinander in der Community waren, alle haben sich geliebt, und jeder hatte Spaß, und dieses Bier hat das repräsentiert wie, glaube ich, kaum ein anderes.

Christian Hans Müller: Jetzt hat Markus noch mal den Kopf aus der Schlinge gekriegt, weil ich wollt grad sagen, er hat jetzt zum dritten Mal gesagt, damit hat er die Frauen abgeholt.

Holger: Ja, das ist mir auch aufgefallen.

Christian Hans Müller: Ja, ich wollte jetzt über Frauen sprechen, aber Holger will über Chicago sprechen. Also sprechen wir über Chicago. Warum Chicago? Chicago ist eine schöne Stadt, ich habe Familie in Chicago, insofern war das für mich schon mal eine Hürde weniger, mich dort niederzulassen für so eine Maßnahme. Das zweite ist natürlich, man muss auch mal gucken, was ist terminlich kompatibel und was ist nicht kompatibel. Und auch das war ein Auslöser. Und dann war ganz klar so diese Frage auf dem Tisch: Chicago ja oder nein? Und dann: Ja, klar, also Chicago! Und deswegen habe ich das in Chicago gemacht. Man muss auch sagen, das war schon eine tolle Zeit. Es ist ein bisschen anders, als ihr das kennt, vom Ablauf her gewesen, da es eben an einer Stelle stattfindet. Ich glaube, in Deutschland ist das an zwei Stellen, wo es stattfindet, da ist es ja mit Obertrum und allem noch.

 

Biersommelier werden bei der Deutschen Bierakademie oder Doemens

Holger: Ja, es gibt also, oder zu der Zeit gab es eben zwei Ausbildungsstätten. Einmal die Bierakademie, wo es eben dann in Oberfranken stattgefunden hat. Und dann gab es noch die Doemens-Geschichte, wo die erste Woche in Gräfelfing war und die zweite Woche dann in Obertrum bei Trumer.

Christian Hans Müller: Ja, das war schon interessant, also auch die ganze Bierkultur. Wer ein bisschen den Einblick hat, wir reden jetzt über einige Jahre hinter uns liegend, der weiß ja, dass da schon vieles mit dem gewissen Vorsprung ausgeübt wurde und auch in einer Stadt wie Chicago dieser ganze Hype ja viel komprimierter, viel zentralisierter stattfinden konnte als jetzt, sagen wir mal vergleichsweise, in einer deutschen Großstadt. Da gab es unheimlich viele interessante Bars und gastronomische Konzepte zu entdecken. Brewpups, was alles… Wir haben zum Beispiel damals auch gebraut im Haymarket, was eine sehr interessante Brauerei inklusive Brewpub ist. Also jedes Mal, wenn ich wieder in Chicago bin, bin ich auch jedes Mal im Haymarket, da finde ich blind hin, von da finde ich auch blind wieder zurück, wo auch immer ich hinmuss, egal.

Holger: Also man hört schon, es war eine intensive Zeit.

Christian Hans Müller: Sehr!

Holger: Also dann kommen wir auch schon so ein bisschen ins Finale, oder? Jetzt haben wir noch Bohemia Crown.

Christian Hans Müller: Nein, ihr habt noch nichts zu dem Bier erzählt!

Holger: Ah, haben wir das noch nicht gemacht? Markus, ich habe dich doch aufgefordert, was zu sagen, warum sagst du nichts?

 

Foodpairing mit Bayrisch Nizza

Markus: Das ist ja mal ein Bier mit einer sehr schönen, klaren Botschaft. Tropical Nizza, das heißt, es ist fruchtig, es hat diese Maracuja-Pfirsich-Orangen-Mango-Noten, die einfach unheimlich viel Spaß machen. Dadurch, dass es auf der Weizenbasis ist, eben nicht so ein IPA mit einer hohen Bittere, ist es aber auch sehr angenehm zu trinken. Sehr erfrischend, relativ viel Kohlensäure, aber das gehört ja zum Bierstil dazu. Insofern ein tolles Sommerbier, ein schönes, erfrischendes Bier, und eins, was mir wirklich aromatisch so die volle Bandbreite gibt. Da kann man natürlich auch mit dem Essen schön spielen, mit Käse vielleicht schön spielen. Also ein Bier, was mir in seiner normalen Version schon immer viel Spaß gemacht hat, aber so natürlich noch mal besser ist für mich jetzt, weil ich auf dieses Tropische auch sehr stehe.

Holger: Aber jetzt gehen wir zum nächsten Bier, oder? Also Bohemia Crown. Bitte bitte.

Christian Hans Müller: Bohemia Crown! Hater sagen, Bohemia Clown… So, habt ihr es schon im Glas?

Holger: Ich hab’s schon im Glas.

Markus: Mm.

 

Bohemian Double Dry Hopped Pale Ale

Christian Hans Müller: Ich auch. Kurz zu dem Bier, also auch hier Double Dry Hopped Pale Ale, fällt ganz in die Zeit, entstand eigentlich bei dieser Competition, die wir Anfang letzten Jahres mit der Split Decision gemacht haben. Erinnert ihr euch noch? Wir hatten mit der Split Decision zwei Biere ins Rennen geschickt, und zwar Juicy IPAs, einmal Hallertauer Style und einmal Yakima Style, und haben die Leute einfach mal so abstimmen lassen: Was findet ihr geiler, was ist euer Favorit. Und zwar haben wir eine Abstimmung auf Instagram gemacht, wir hatten einfach mal so Feedback gesammelt, was die Leute uns so zurückmelden, weil so als kleine Brauerei bist du ja auch Empfänger für Feedback einfach. Leute kaufen irgendwo irgendwann mal Bier und schreiben uns dann E-Mails, und schreiben: Ich habe das getrunken, fand ich super, oder ich hab das getrunken, fand ich kacke… Gibt ja alles, wollen wir es mal auch ehrlich betrachten, und da war es dann einfach so, aus dieser Instagram Umfrage, aus diesem Feedback, das wir per E-Mail bekommen haben, und auch aus den Abverkaufszahlen haben wir dann ermittelt Was hat den Leuten besser geschmeckt? Das Split Decision Hallertau Style mit deutschen Hopfen, das war dann mit deutschem Cascade, mit Huell Melon und mit Hallertauer Blanc im Übrigen auch, gegenüber dem gleichen Bier, gestopft mit Sinco, Mosaic und Citra, genauso wie das Tropical Nizza, also das gleiche Grundbier, weil das Grundbier als Juicy IPA hatte ja nur einen ganz leichten Kochhopfenanteil, weil es sollte ja nicht bitter sein, und hatten im Prinzip ein Patch gebraut, haben den geteilt, deswegen Split Decision, geteilt und unterschiedlich gestopft. Das war die Idee dahinter. So, und dann hatte am Ende der amerikanische Hopfen die Nase vorn. Für mich persönlich, ich fand den Hallertauer interessanter, aber meine Meinung zählt dabei nicht, wir haben ja die Leute abstimmen lassen. So, also kam am Ende dabei raus, dass die Leute den Yakima lieber gemocht haben, demzufolge gab es dann die nächste Runde. Yakima brauchte einen neuen Gegner, Hallertau war ausgeschieden und als nächster Hopfengegner hat sich dann eben die Tschechische Republik aufgedrängt. Wir hatten dann ein Bier gebraut, was wir wieder gesplittet haben, aber als Double Dry Hopped Version gemacht haben, also ein bisschen intensiver. Das eine, Yakima River heißt es dann übrigens, (unv. #00:25:56.6#) Split Decision Yakima Style, etwas intensiver, und den zweiten Part, anstelle der Hallertauer Hopfen, dann mit den tschechischen Hopfen Sladek und Kazbek. Hater sagen, Lolek und Bolek, aber das ist eine alte TV-Serie. Wer so alt ist wie ich, der kennt das.

Markus: Ja, ist mir auch grad eingefallen.

Christian Hans Müller: Ja, genau. Wir sind da ja so eine Generation. Ich habe deswegen einfach mal den Herausforderer heute ins Rennen geschickt, nämlich den Bohemia Crown, das ist der Tschechische Hopfen, gegenüber dem Titelverteidiger, dem amerikanischen Hopfen. Ich bin mir ziemlich sicher, der Kazbek mag mehr oder weniger ein bisschen bekannt sein, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand den Sladek vorher kannte und dass in diesem Bier einfach der Sladek mal so ein bisschen das Licht der Welt erblicken konnte. Und jetzt trinken wir es einfach! Zum Wohl!

Markus: Zum Wohl!

Holger: Prost! Ich habe meine Kollegin gehabt, die hieß Sladek, da muss ich gerade drüber nachdenken, aber…

Markus: Mit Vornamen?

Holger: Mit Vornamen…

 

Weizenmalz im IPA

Markus: Also ich freue mich auf jeden Fall über das Bier, wenn wir über die Sensorik sprechen, finde ich, da merkt man, dass es ein bisschen mehr Alkohol hat, und dass sich das dann schön verbindet mit den Hopfennoten zu so einem Honigton, der auch insgesamt, wenn man dann getrunken hat, viel Wärme macht und dieses Citrus schön betont. Gefällt mir gut, und ich habe auch so Gewürznoten. Jetzt kenne ich den Hopfen nicht, vielleicht ist der dafür verantwortlich. Das geht fast schon in so eine Gewürzmelange, wie man es von indischen Gerichten kennt oder so. Also ganz, ganz spannend, so ein schönes Nebenbei-Aroma. Vielleicht ist auch die Hefe, die das macht, weiß ich nicht. Was mir auch noch aufgefallen ist: Es hat relativ viel Kohlensäure. Ist ja auch Weizenmalz mit drin, also hast du da vielleicht ein bisschen auch Anklänge Richtung Weizen gedacht? Also auf jeden Fall ein gutes Bier.

Christian Hans Müller: Markus, ich freue mich, dass du den Honig erwähnst, weil das Bier ist jetzt nicht mehr von frischesten Status, aber ich finde auch, das hat sich sehr interessant entwickelt. Grad dieses Gewürzartige, des kam über die Zeit hinzu. Ich würde fast sagen, das ist jetzt keine Alterungserscheinung, aber das ist einfach ein Reifearoma, was sich entwickelt hat. Der Honig allerdings, der jetzt schon sehr intensiv so in Richtung bisschen Akazie geht und so weiter, der war frisch nach dem Abfüllen auch sehr dominant. Also es war ein sehr deutliches Honigaroma drin, aber auch dieser leichte Joghurt-Touch, ihr kennt es vielleicht von dem einen oder anderen IPA, was so ein bisschen erdbeerjoghurtartig ist, wird von vielen auch oftmals als Off-Flavour bezeichnet, aber ist eigentlich eine logische Konsequenz, wenn man das Produkt versteht. Das war auch da mit drin, und du hattest wirklich so dieses Zusammenspiel aus Joghurtnoten und Honig, also gerade so dieser griechische Dessert. Eigentlich megaspannend, war aber nur beim frisch abgefüllten Bier so. Also ich glaube, als wir schon die ersten in der Auslieferung hatten, dann… Man muss sich auch vorstellen, wenn wir so ein Bier frisch abfüllen und das intern verkosten, bis es dann mal ausgeliefert wird, dabei überwiegend an den Großhandel erstmal verkaufen, der es dann wiederum erst verteilen muss, da vergehen halt einfach ein paar Tage. Das war relativ schnell flüchtig, dieser Eindruck von diesem Joghurt und dem Honig im Zusammenspiel. Diese Joghurtnoten, die sind raus mittlerweile, dafür kommen diese gewürzartigen Sachen. Aber dieser Honig hat sich meiner Meinung nach noch ein bisschen verändert, positiv verändert und bildet jetzt schon wieder ein ganz anderes Bild ab, was ich aber auch ziemlich geil finde. Ich muss auch sagen, ich hab das Bier jetzt auch schon ein paar Wochen nicht mehr gehabt, ehrlich gesagt, aber jedes Mal aufs Neue spannend. Also sowas muss man immer wieder rausbringen, glaube ich.

 

Der achthöchste Berg im Kaukasus

Holger: Und das ist auch das, was mir so an dieser Szene unheimlich gut gefällt, dass es ja Biere gibt, die eine unglaubliche Komplexität haben und mitbringen. Es ist einfach großartig, immer wieder neue Dinge zu erkennen und zu erleben und wir haben das auch schon ein paar Mal jetzt gehabt bei unseren BierTalks, dass wir einfach auch kennen, dass Biere sich verändern und reifen und anders werden und man immer wieder Neues kennenlernt. Aber ihr seid ja totale Experten, also wenn ich euch so zuhöre, das ist ja unglaublich. Aber jetzt die absolute Expertenfrage: Wie heißt denn der achthöchste Berg im Kaukasus?

Christian Hans Müller: Kazbek!

Holger: So ist es!

Markus: Oder Sladek!

Christian Hans Müller: Ne, Kazbek! Aber…

Holger: Pass auf, du, also nicht, dass ich jetzt den Klugscheiß-Modus schon ausmache. Also so leicht kommst du mir nicht davon, weil es war davon auszugehen, dass du Klugscheißer das weißt.

Christian Hans Müller: Wer kennt nicht den achthöchsten Berg im Kaukasus!

Holger: So ist es, ja also das das weiß ja wirklich jeder!

Markus: Ganz wichtig!

Holger: …aber jetzt kommt die spezielle Spezialfrage: Wie hoch ist der achthöchste Berg im Kaukasus? Sofort bitte, sofort! Ihr googelt doch jetzt…

Markus: 4732!

Holger: Ihr googelt, ihr googelt! Sofort! 2335 Meter.

Markus: Süß!

Holger: Das sticht einfach heraus, wie der Gipfel des Kaukasus, der Namensgeber halt.

Christian Hans Müller: Jetzt müsst ihr es abmoderieren. Also ich krieg es jetzt nicht mehr hin.

 

Die Erstbesteigung des Kazbek

Markus: Jetzt können uns noch darüber unterhalten, wer den Kazbek erstmals bestiegen hat! Nein, aber ich glaube, man merkt, die Biere tun ihre Wirkung, vielleicht sollten wir es auch dabei belassen. Es war auf jeden Fall ein schöner Ausstieg, war ganz toll, Hans, mit dir zu reden und über dich und deine Biere zu erfahren, hat viel Freude gemacht und du hast ein ganzes Universum, Panoptikum, wie man das bezeichnen mag, an Bieren und auch an Erfahrung. Dafür danken wir dir auch sehr, dass du uns damit so reichlich bescherst!

Christian Hans Müller: Das habe ich sehr gerne gemacht, ich habe mich auch riesig darüber gefreut, als ich die Anfrage bekommen habe, Teil bei eurem Podcast zu sein, und vielen Dank auch dafür!

Holger: Also auch Dank zurück in deine Richtung, Hans, du bist einfach für mich einer der absolut spannendsten Protagonisten, warst es immer, und bist es hoffentlich auch noch lang und wirklich vielen, vielen Dank, dass du dabei warst, so offen warst, und ich wünsche dir noch einen schönen Abend! Jawoll!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 4 – Interview mit Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes

2013 startete Holger Eichele als Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Brauer-Bund in Berlin und landete mitten im Berliner Craft-Bier-Boom. Drei Jahre später stand das größte Jubiläum des Jahrhunderts für die Deutschen Brauer auf dem Programm: 500 Jahre Reinheitsgebot. Und jetzt fordert die Corona-Krise alle Kräfte des erfahrenen Journalisten. Markus Raupach und Holger Hahn haben sich mit ihm zum virtuellen Gespräch getroffen…

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Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Ja, hallo zusammen! Wir begrüßen euch ganz herzlich zu unserem BierTalk Nummer vier, heute wieder in Berlin und diesmal mit Holger Eichele, dem Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Mit dabei wie immer Markus und…

Holger: … Holger…

Markus: … und eben unser Gast, wenn du dich vielleicht kurz vorstellst?

Holger Eichele: Ja, hallo in die Runde, danke für die Einladung. Erstmal freue mich sehr, dass dieses Gespräch zustande gekommen ist. Mein Name ist Holger Eichele. Ich bin Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes seit sechs Jahren. Ich habe eine journalistische Vergangenheit, war 20 Jahre Redakteur im Zeitungsverlag, Korrespondent in Berlin im Hauptstadtbüro und hatte dann dazwischen auch noch einen vierjährigen Ausflug in die Bundesregierung als Sprecher im damaligen Bundesverbraucherministerium.

 

Von der Zeitung zum Brauerbund

Markus: Wahnsinn, was für ein Lebenslauf! Wir haben uns natürlich alle auch ein Bierchen mitgenommen, die werden wir so nach und nach aufmachen und auch darüber ein bisschen sprechen. Vorher würde es mich aber interessieren: Du hast gerade gesagt, du bist seit sechs Jahren dabei, kann mich erinnern, wir haben uns sogar damals, ziemlich am Anfang, kennengelernt. Hättest du dir das alles gedacht, was in den sechs Jahren jetzt passiert ist, als du damals zum ersten Mal in dein Büro gekommen bist?

Holger Eichele: Nein, das hätte ich mir nicht gedacht. Das übertraf sicherlich die Erwartungen in die eine oder in die andere Richtung. Ich hatte Verbandsarbeit ja zuvor nur als Außenstehender wahrgenommen. Ich war lange Jahre Journalist und wusste, Verbände sind wichtig für die Meinungsbildung, dann war ich im Ministerium und habe erlebt, wie Verbände auftreten, wie Verbände organisiert sind, wie die Kommunikation zwischen Verbänden, also Wirtschaftsverbänden auf der einen Seite und Politik, Regierung auf der anderen Seite stattfindet. Aber Verbandsarbeit ist das eine, das andere ist unser Produkt und die Emotionalität von Bier, gerade in Deutschland. Die habe ich sicherlich unterschätzt, als ich in den Brauer-Bund eingetreten bin, dass ich hier ein Produkt vertrete, das sehr emotional ist, bei dem jeder mitredet und auch jeder mitreden kann und mitreden soll, und dass, egal, was es zu berichten gibt, es immer auf der ersten Seite der Bild-Zeitung steht. Also ein sehr prominentes, emotionales, weltweit bekanntes Produkt, und das ist wirklich eine Herausforderung in die eine Richtung, positive Richtung wie die negative Richtung. Natürlich ganz viel Positives ist mit Bier als Nationalgetränk verbunden: Die Braukultur, das Wissen, das dahintersteht, das Handwerk, die Vielfalt, die Rohstoffe wie Hopfen und Malz, das Reinheitsgebot, das sich damit verbindet. Aber natürlich bietet es auch eine Angriffsfläche oder lädt NGOs ein – Stichwort Münchner Umweltinstitut. Wenn ein Thema hochgezogen werden soll, und wenn es emotional hochgezogen werden soll, dann bedient man sich des Biers als Vehikel, oder missbraucht Bier auch, um Themen in die Schlagzeilen zu bringen. Man erinnere sich auch an den komischen Professor mit seiner Mikroplastik-Kampagne, der, wie man spät herausgefunden hat, die Fäden seines eigenen Hemdes in unserem Bier gefunden hat. Das ist dann die andere Seite der Medaille, und das ist eine Herausforderung für den Verband, damit umzugehen.

Markus: Ja, und da ist dann eigentlich auch die Kernkompetenz des Journalisten gefordert, oder?

Holger Eichele: Ja, Journalismus ist das eine, das journalistische Handwerk ist das eine, ich bin aber auch dankbar, muss ich sagen, für die Jahre im Ministerium, weil ich da gelernt habe, wie wichtig auch interne Kommunikation ist. Als Journalist kommentierst du immer nur extern, du publiziert in deinen Medien, und gerade die Berliner Journaille ist weit, weit weg von den Entscheidungsträgern, auch wenn sie immer den Eindruck erweckt, nahe dran zu sein. Aber dass Gerhard Schröder mich mal für einen kritischen Kommentar angerufen und gerügt hätte, ist mir jetzt nicht in Erinnerung. Kann man schalten und walten. Interne Kommunikation, also jetzt im Ministerium, war es so, das Parlament einzubinden, die Abgeordneten einzubinden, die Verbände einzubinden, die Bundesländer einzubinden. Das ist eine Herausforderung. Genauso wichtig ist es für den Verband, die Mitglieder einzubinden, auf einer Landesebene, auf der Bundesebene, auf der europäischen Ebene Behörden einzubinden. Die interne Kommunikation ist eine große Herausforderung für alle Verbände, da transparent zu sein, aktuell zu sein, relevant zu sein, gerade in der Krise. Gerade jetzt sehen wir wie ungeheuer wichtig Kommunikation ist, weil der Bedarf an Wissen ist immens.

 

Ein Auftakt nach Maß

Markus: Wobei ich ein bisschen den Eindruck habe, dass Wissen schon vorhanden ist, aber die Akzeptanz des Wissens bei vielen nicht. Aber bevor wir zu sehr in die Theorie abschweifen – ich hab‘s heut gar nicht so leicht mit zwei Holgers, aber vielleicht frage ich mal meinen normalen Holger sozusagen, was er denn für ein Bier mitgebracht hat. Vielleicht wollen wir mit dir dieses Mal starten.

Holger: Also ich habe mir lange, eigentlich sehr wirklich sehr lange überlegt: Was suche ich mir für ein Bier aus, wenn der Holger jetzt da ist, und Deutscher Brauer-Bund und so, also da hat man ja dann doch ein bisschen Respekt. Und dann habe ich so überlegt, welche Brauereien mich nachhaltig beeindrucken und das auch schon seit langer Zeit. Dann habe ich auch gedacht, ach irgendwie muss das auch was aus dem Süden sein, weil ich bin ja hier in München zuhause und habe mich dann für ein bayerisches Bier entschieden, und zwar für ein Meckatzer, und das hat mehrere Gründe. Also erstens schmeckt’s mir wahnsinnig gut, das ist ein Hefeweizen Alkoholfrei, also Meckatzer Hefeweizen Alkoholfrei. Ich finde die Brauerei insgesamt sehr bemerkenswert, insbesondere den Michael Weiß als Brauereiinhaber, der beeindruckt mich auch stark als Person, und deshalb habe ich mich dafür entschieden. Ich schütte das jetzt mal ein und versuche wie immer, Durst zu produzieren. Also, Achtung… So, ich weiß jetzt nicht, was ihr gehört habt, aber…

Markus: Ein Öffnen!

Holger: Ja, das Hefeweizen läuft ja so sanft ins Glas hinein, hat eine ganz tolle Farbe, also das ist so richtig, so eine Anmutung schon fast von Kupfer so ein bisschen. Wenn man reinriecht, so ganz klassisch, natürlich ist eine Bananennote da, aber auch so eine leichte Melonennote, also sehr schön. Ich würde es auch ganz gern mal probieren, ja? Einen Moment…

 

Als Bayer nach Berlin

Markus: So lange können wir ja den anderen Holger mal kurz fragen: Du bist ja eigentlich kein Berliner, sondern du bist ja tatsächlich echter Bayer.

Holger Eichele: Ja, ich bin in Starnberg geboren. Meine Eltern stammen auch aus Bayern, bin am Ostufer des Starnberger Sees aufgewachsen, dann in ein humanistisches Gymnasium gegangen, dort wurden einem noch die Reste des bayerischen Dialektes ausgetrieben, brutalstmöglich, und dann durch das Studium in Berlin an der FU, dann natürlich auch durch den Job, ist vom bayerischen Dialekt nicht mehr wie hängen geblieben, aber ich habe ihn drauf, das ist sicher. Ich spreche Bayerisch und ich verstehe Bayerisch. Seit 15 Jahren in Berlin, versuche ich mir, das Berlinerische mehr und mehr anzugewöhnen. Da unterstützt mich meine Tochter, die jetzt schon im Alter von drei die hübschen Sprüche aus dem Kindergarten mitbringt.

 

Dialekt als Chance

Markus: Das ist ja gar nicht so leicht. Wie ist es denn bei dir, Holger, andersrum? Ich meine, du kommst ja aus dem Ruhrgebiet und hast deine Kinder jetzt in München. Kann man das andersrum feststellen, dass die jetzt mehr Bayrisch sprechen, und du dadurch etwas mitnimmst?

Holger: Nee, überhaupt nicht. Ich denke, München ist auch so ein Umfeld, wo leider ganz wenig noch Dialekt gesprochen wird auf der Straße. Also klar, echte Münchner gibt es noch, aber ich müsste suchen und ja, wir sind alle hochdeutsch unterwegs, in der Schule auch. Ich kann’s auch nicht. Ich kann’s gut verstehen, also Oberbayerisch geht ja sowieso noch super, aber wenn man dann so ins Niederbayerische geht und so, da muss man sich dann schon ein bisschen mehr konzentrieren. Geht aber gut. Ich finde es total klasse, wenn das jemand kann, und wenn das auch gepflegt wird. Und Bayerisch, kann man ja sagen, ist ja gar kein Dialekt, sondern echte Sprache.

Holger Eichele: Mit einzelnen Elementen wie der dreifachen Verneinung, die man weltweit so einzigartig nur in Bayern findet. Wir hom fei koa Bier nimmer ned nochad. Die dreifache Verneinung, damit auch jedem klar ist, was die Stunde geschlagen hat.

Markus: Das gibt es nicht mal einmal im Fränkischen, also da habe ich doch schon wieder was dazugelernt. Meckatz, ist das ein Ort, an dem du auch schon mal warst?

 

Meckatz – ein Ort und ein Bier

Holger Eichele: Beim Michael Weiß war ich noch nicht, das habe ich auch vor mir, aber ich sehe seine Biere immer mal wieder in Berlin, auch in Feinkostgeschäften. Finde ich ganz spannend, wie so regionale Marken den deutschen Markt erobern.

Holger: Ja stimmt, also Michael Weiß ist da rührig und will auch in Berlin sich positionieren. Es heißt ja Meckatzer Löwenbräu und ansässig dann eben in Meckatz im Allgäu. So, da das halt ein Brot-und-Butter-Produkt ist, ist das Gold, also Meckatzer Gold, es wird dann gesagt, das ist ein Sonntagsbier. Ist in dem Zusammenhang dann auch ein eigener Bier-Stil, so wird das immer erklärt. Das gibt es also wirklich schon immer. Und das Hefeweizen Alkoholfrei ist jetzt vergleichsweise ein junges Produkt. Was mich ganz nachhaltig beeindruckt hat, Holger, ich weiß gar nicht, ob du das weiß oder ob das überhaupt irgendwie jemand nochmal so wahrgenommen hat wie ich. Das ist schon ziemlich lange her, da gab’s mal so eine Diskussion, dass man ein Werbeverbot für Alkohol einführt, also dass es eben auch für Bier keine Werbung mehr geben darf, so wie für Zigaretten. Und da hat man darüber diskutiert, und dann haben die sich eine Markenstrategie überlegt und haben gesagt, wir müssen anfangen, mit Bildern zu sprechen und haben dann so eine fiktive Allgäuer Landschaft kreiert. Die war künstlich, aber man hat sofort gemerkt: Alles klar, das ist Allgäu. Das haben die meines Erachtens so perfekt gemacht, dass du, wenn du dieses Bild gesehen hast, war klar, das ist Meckatzer. Ohne, dass da irgendwas stand, und das, fand ich, war eine ganz tolle Markenstrategie. Die hatten sogar einen Regenschirm, wo du dann auf der Innenseite eben diese Allgäuer Landschaft über dir hattest. Das fand ich beeindruckend, und ich habe mich schon ein paar Mal auch mit Michael Weiß getroffen und auch schon zusammengesetzt zu verschiedenen Themen. Ich habe das ja vorhin schon gesagt, für mich ein unglaublich spannender Mann als Diplombrauer und auch als Diplomkaufmann, also wirklich spannend, wie der, ja ich glaube jetzt in vierter Generation diese Brauerei hervorragend führt.

Holger Eichele: Prädestiniert, um bei euch eingeladen zu werden für einen der nächsten Podcasts.

Holger: Ja, werde ich machen!

Markus: Ist eine gute Idee! Ja, überhaupt das Thema Alkohol in der Brauerei, Alkohol im Bier ist ja sicherlich was, was dich auch viel beschäftigt im Brauer-Bund, oder?

 

Der deutsche Biermarkt im Vergleich

Holger Eichele: Ja, wir sind nicht nur der größte europäische Markt, der deutsche Markt mit ein bisschen weniger als 100 Millionen Hektoliter, also weit vor Russland, Frankreich, Großbritannien, Polen, et cetera. Wir sind als größter europäischer Biermarkt auch der freieste Markt Europas, wenn nicht sogar der westlichen Welt mit noch den wenigsten Regulierungen. Das hat verschiedene Gründe, aber klar ist, dass es eine Menge Arbeit und eine Menge Energie erfordert, die Freiheiten, die wir haben, die gesellschaftlichen Freiheiten auch für die Zukunft zu verteidigen. Und das heißt zum Beispiel: Freie Werbung, das heißt die Freiheit des Einkaufens, also ich kann in Deutschland in den Getränkemarkt gehen und muss nicht durch einen schwarzen Vorhang in einen schummrigen Bereich, wo dann der Alkohol angeboten wird, sondern ich kann alkoholische Getränke wie Bier, also ein niedrig alkoholisches Getränk kann ich in Deutschland bei erwerben, kann es frei konsumieren. Ich habe keine Warnhinweise auf den Produkten jetzt, wie sie zum Beispiel für Zigarettenschachteln vorgeschrieben sind et cetera. Das ist sicherlich eine Freiheit, die wir zu schätzen wissen, eine Freiheit aber, für die wir auch viel tun, nämlich uns beteiligen an Präventionskampagnen, Präventionskonzepten, um eben Alkoholmissbrauch in Deutschland auch eine klare Botschaft entgegenzusetzen, also deutlich zu machen: Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung als Brauerinnen und Brauer, wir brauen nicht nur gute Biere, sondern wir betreiben auch, unterstützen auch Prävention. Also wir tun was dafür, dass der Missbrauch in Deutschland bei Alkohol weiter zurückgeht, und wir tun was dafür, um uns diesen freien Markt zu erhalten.

 

Ein Hoch auf das alkoholfreie Bier

Markus: Ja, nun trinkt der Holger ja ein alkoholfreies Bier. Da erlebe ich ja oft – also ich bin ein großer Freund und Verfechter des alkoholfreien Bieres, aber ich erlebe oft gerade hier bei uns in Franken, dass viele Brauereien und auch vor allem Brauer selber so ein alkoholfreies Bier gar nicht als Bier sehen oder als Getränk sehen oder eher wirklich… das gar nicht wirklich in ihrer Welt sehen würden und es eher gar nicht gut finden, dass es so was gibt. Erlebst du das auch? Also dass aus den Brauereien, aus den Mitgliedern da auch Stimmen kommen, die da eher skeptisch sind oder ist das mittlerweile schon überall angekommen mit dem Thema alkoholfrei?

Holger Eichele: Markus, wenn du einverstanden bist, und Holger, wenn du einverstanden bist, ich würde das mal öffnen, weil ich ertrage es nicht länger, diese kühle Flasche anzuschauen und warm werden zu lassen. Ich schenke mir jetzt ein Warsteiner Alkoholfrei Herb ein, mein Kühlschrank ist etwas spärlich ausgestattet mit Bier. Weiß ich nicht, ob das jetzt was mit Corona zu tun hat… Zu alkoholfreiem Bier und deiner Frage, Markus, alkoholfreies Bier ist ein Segment, das sich sensationellen entwickelt. Wir sind jetzt bei 7 % Marktanteil, gehen auf 10 % Marktanteil hoch in Deutschland in den nächsten Jahren, und das ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Welche andere Branche von Alkoholherstellern kann denn so ein Produkt bieten? Ich weiß nicht, wer von euch mal alkoholfreien Sekt probiert hat oder alkoholfreien Wein? Markus, du hast, glaube ich, kürzlich gesprochen über alkoholfreien Gin, aber auch nicht so, dass man eine Werbebotschaft daraus formulieren könnte. Also, nach der Geburt meiner Tochter ist mir ein alkoholfreier Sekt angeboten worden, das Erlebnis war furchtbar. Also ich meine jetzt nicht die Geburt, sondern das geschmackliche Erlebnis. Wir haben mit alkoholfreien Bieren eine völlig neue, eigenständige Produktkategorie geschaffen, wir haben es geschafft, von diesem Substitut, von diesem Autofahrerbier, es hieß ja auch AUBI, als das vor 46, 47 Jahren in der DDR auf der Leipziger Messe erstmals vorgestellt worden ist, da hieß es ja AUBI, Autofahrerbier. Das ist was, was ich trinken kann, wenn ich kein echtes Bier trinken darf. Da ist heute ein völlig anderer Ansatz dahinter, es ist ein eigenständiges Getränk, eine eigenständige Kategorie, ist ein Lifestyle-Getränk, es hat eine ungeheure geschmackliche Bandbreite, malzig, süßlich, herb… Ich habe jetzt ein Herb von mir, bis hin zu den alkoholfreien Bieren, die Craftbrauereien anbieten, also sehr hopfenintensive Biere, und ich habe ein Getränk, das zu jeder Tageszeit passt und das ich zu jedem Anlass trinken kann, auch, wenn ich Bock drauf habe, um neun Uhr zum Frühstück ein alkoholfreies Weißbier, warum nicht? Und danach eine Runde Sport! Also geniales Produkt. Ich würde es nicht verstehen, wenn innerhalb der Branche es da dann noch, sage ich mal, Denkverbote oder Fehlwahrnehmung gibt, also wer nicht verstanden hat, welche Chancen im alkoholfreien Bier liegen, welche Wertschöpfung, auch welcher Imagegewinn für die Brauwirtschaft. Alle Studien zeigen, wir erreichen mit alkoholfreien Bieren hunderttausende Haushalte, die wir mit alkoholhaltigen Bieren niemals erreicht hätten in Deutschland. Wir erschließen da völlig neue Konsumentenkreise. Deswegen gibt es nur Chancen durch diese Produktkategorie, und die müssen wir auch, da sind wir wieder bei der internen Kommunikation, die wir müssen wir natürlich auch als Verband herausstellen.

 

Das Reinheitsgebot und seine Berechtigung

Markus: Gilt das auch für das Thema Reinheitsgebot?

Holger Eichele: Ich hatte ein echtes Aha-Erlebnis in den ersten Monaten meiner Tätigkeit für den Brauer-Bund, als ich zu den Kollegen… Also, ich wollte das nicht so detailliert sagen… als ich in ein benachbartes europäisches Land gefahren bin, zu den Kollegen dort und habe einen Brauer von uns aus dem Verband mitgenommen, der Ahnung hat, ich bin ja kein gelernter Brauer, wie gesagt, und wir haben dann eine Brauereiführung gemacht, eine große, stolze Brauerei mit einer langen Geschichte und haben uns dann noch mal einzelne Schritte erklären lassen, und ich habe dann auch sehr kindlich naiv nachgefragt, was sind denn da für Säcke auf der Palette. Ja, das ist unser Entschaumungsmittel, damit wir den Schaum rausbekommen, bevor wir das Bier lagern. Warum müsst ihr den Schaum rausbekommen? Sonst erreichen wir nicht 100 % der Lagerkapazität im Tank. Ach so, und wie kommt der Schaum wieder rein? Dafür nehmen wir das Granulat dahinten. Dann hat er den Nachteil, sagte der Brauer, dass dann die Farbe kippt, aber mit der Farbe kann man ja auch nachsteuern. Diese Episode hat mir vor Augen geführt, welche Errungenschaft wir haben mit dem Reinheitsgebot, weil wir eben alle in der EU zugelassenen Zusatzstoffe durch das Reinheitsgebot ausschließen. Also dieser Griff in diese technische Trickkiste ist nach Reinheitsgebot nicht zulässig. Ich will nicht sagen, dass es irgendwas Unlauteres oder Gesundheitsgefährdendes wäre, was sich hinter den ganzen E-Nummern, die fürs Brauen in Europa zugelassen sind, verbirgt. Mitnichten. Wir haben die Biere auch verkostet dort in der Brauerei, und wir waren uns einig, dass sie ganz hervorragend schmecken. Auch viele internationale Biere, die ich in Berlin im Späti bekomme, schmecken ganz hervorragend, außerhalb des Reinheitsgebots, aber hervorragende, geschmacklich hervorragende Biere. Aber mir ist klar geworden, dass wir uns doch auf ein Verfahren committet haben, das nach Reinheitsgebot die Biere im Brauen deutlich aufwändiger und natürlich auch teurer macht in der Herstellung, als es eben ohne Reinheitsgebot und mit dem Griff in dieser E-Nummer-Trickkiste möglich wäre. Diesen Qualitätsvorsprung, den haben wir alle, den nutzen wir alle, und das ist, sag ich mal, die wichtigste Botschaft jenseits jetzt von Bio, Slow Brewing und anderen Raffinessen.

 

Das dritte Bier

Markus: Ja, dann komm ich doch vielleicht auch mal zu meinem Bier. Manchmal machen wir uns einen Spaß draus und machen es erst auf und schauen mal, ob jemand errät, was es ist, und das könnten wir ja mal probieren, vielleicht hört ja einer von euch beiden, was ich da gerade aufmache, Moment…

Holger: Also ich zum Beispiel bin mir hundertprozentig sicher, es ist kein Dosenbier.

Markus: Nicht schlecht. Ja, das ist schon mal richtig.

Holger: Ja, das ist ja bei dir nicht immer so!

Markus: Stimmt!

Holger: Du bist ja auch ein Liebhaber der Dose.

Holger Eichele: Ich würde die Glashöhe zwischen 15 und 23 Zentimeter einschätzen.

 

Der Weisse Bock aus Bamberg

Markus: Perfekt! Doch, da kommen wir ungefähr hin, hab zwar kein Metermaß da, aber ich würde auch sagen, die Glashöhe stimmt. Das ist ein klassisches Tekuglas, was ich gerade verwende, und ich muss sagen, ich habe schon erwartet, dass ihr beide ein alkoholfreies Bier nehmt, und da habe ich mich heute mal dafür entschieden, das vielleicht ein bisschen auszugleichen und habe mich für ein regionales Bier entschieden, nämlich einen Dunklen Weizenbock, der von der Mahrs Bräu kommt, der ein bisschen im Gegensatz zu dem steht, was ich gerade gesagt habe, denn da steht einfach nur „Weisser Bock, mehr Alkohol“, also insofern da eine klare Ansage in die Richtung. Ist ein ganz tolles Bier und eben ein Weizenbock, der dunkel ist und ganz hervorragend von diesen fruchtigen, bananisch-frischen Aromen lebt, aber eben auch Röstaromen, Malzaromen, bisschen was Schokoladiges hat, einfach so ein wunderschönes Allroundbier, was man auch super zum Beispiel mit Schokolade oder mit Marzipan kombinieren kann, also ein feines Bier. Weiß nicht, habt ihr das schon mal getrunken?

Holger: Ich kenne es, weil na ja, also ich habe ja schon auch ein Mahrs Bräu… Ich glaube bei der bei der ersten Folge, habe ich ja ein a U mir ausgewählt, und Mahrs ist… also eigentlich jedes Produkt finde ich da genial. Das ist so richtig schöne oberfränkische Bierkultur, wie sie leibt und lebt, und auch ein Beispiel ist für all das, was der Holger heute schon auch über das Tolle am Brauereiwesen in Deutschland alles schon gesagt hat, also das findet sich da alles wieder.

 

Bierkultur, Biergeschichte und Kulturgeschichte

Markus: Doch, also wirklich eine faszinierende Brauerei, die auch schon viele 100 Jahre alt ist, den einzigen Stehstammtisch hat in der Welt, das ist auch ganz spannend. Also man hat da im Durchgang von der Brauerei so ein Schränkchen stehen, mit lauter Fächern mit Schlössern dran, und es gibt einen Stammtisch, eine feste Gruppe, wo jeder einen Krug in einem dieser Fächer hat, und wenn er kommt, kann er eben seinen Krug rausholen, sich einschenken lassen, und dann stehen die da im Durchgang von der Brauerei und haben dann praktisch ihren Stammtisch jeden Tag. Man kann auch nicht einfach mitmachen, sondern muss da wirklich abwarten, bis man aufgenommen wird. Eine ganz spannende Geschichte, wo auch noch sehr viel Biertradition dahintersteckt. Ist vielleicht auch ein Thema, Tradition. Wenn du, Holger, aus Bayern vom Starnberger See kommst, dann bist du ja doch sicherlich mit viel Biertradition aufgewachsen. Erlebst du denn da in Restdeutschland Gegensätze oder Ressentiments, oder eher Begeisterung, oder wie ist es vielleicht auch im Ausland?

Holger Eichele: Ich erlebe, jede Region und auch jedes Bundesland, aber auch die Regionen in den Bundesländern pflegen die eigenen Traditionen. Das ist ja das Schöne, das Besondere auch in unserem Land. Die Bierstile, die auch sehr emotional vertreten und verteidigt werden, ich sag jetzt einmal Düsseldorf und Köln, das ist schon sehr interessant zu sehen, wie Bier Teil der Kulturgeschichte ist, wenn man die Schützenfeste ansieht, die Frühlingsfeste, das Oktoberfest, auch die kirchlichen Feste. Wenn man dann noch… Wem sag ich’s, Markus, du als Autor und auch Historiker bist ja da tief vorgedrungen, die Geschichte der Klöster, die das Brauen ja in Deutschland erstmals im größeren Maßstab hat möglich werden lassen. Das ist schon großartig in der Geschichte, egal wohin ich komme, und da schließe ich jetzt auch mal die politische Ebene ein, die ja im Zentrum unserer Arbeit steht, den Bundestag, aber egal, wohin ich ins Land komme, die Wertschätzung für Bier und Brauereien ist in Deutschland immens hoch. Das ist nicht das Verdienst des Verbandes, das ist das Verdienst der Brauerinnen und Brauer, das Verdienst der Brauereien, die genau dieses Image geschaffen haben, über viele Jahrhunderte und Jahrzehnte, und wir haben vor einem Jahr eine europaweite Umfrage zu Bier, Wein und Spirituosen gehabt, um unseren europäischen Dachverband, der diese kulturelle Wertschätzung zum Ausdruck gebracht hat, der Bevölkerung für ihre Brauereien, ganz buchstäblich ihre Brauereien, aber auch klar gezeigt hat: Auch der wirtschaftliche Beitrag, der wird klar gesehen. Brauereien produzieren nicht nur gutes Bier, sondern sie leisten auch einen großen Beitrag für unsere mittelständisch geprägte Volkswirtschaft, wenn man jetzt mal alles addiert, was da dranhängt an Jobs, in der Gastronomie, in der Logistik, in der Landwirtschaft. Es gibt eine Studie, die errechnet hat, dass am Ende unterm Strich 485.000 Jobs stehen, darunter 75 % im Hospitality, also in Gaststätten, Restaurants, Eventsektor, die ganz eng verbunden sind mit Brauereien und ihrem Produkt Bier. Und das ist vielleicht auch eine Botschaft, an die sollte man erinnern in diesen Tagen, wenn es um die Frage geht: Wie erhalten wir angesichts der Corona-Krise unseren Mittelstand und unser Handwerk?

 

Das Oktoberfest 2020

Markus: Es steht da jetzt mehr und mehr in Frage, ob es dieses Jahr überhaupt ein Oktoberfest geben wird. Ist das schon eine Sache, die man diskutiert, und ist es überhaupt vorstellbar, was könnte das für Auswirkungen haben, wenn so ein Fest nicht stattfindet?

Holger: Das ist erst mal noch weit weg, ein Stück weit, wahrscheinlich auch nicht richtig vorstellbar, das wäre auch für die Stadt und für die Region wäre das ein Nightmare! Also auch volkswirtschaftlich muss man das einfach auch bewerten, und da kann man jetzt überhaupt nicht sagen, was da am 19. September eröffnet wird oder nicht. Also ich hoffe schon, dass wir dann wieder ein normales gesellschaftliches Leben erleben, das hoffe ich sehr.

 

Die deutsche Brauwirtschaft in der Corona-Krise

Holger Eichele: Womit wir unsere Tage, teilweise auch die Nächte verbringen, Markus, ist die Beratung von Brauereien in dieser schwierigen Situation. Die Lage ist verheerend, und die Lage ist dramatisch. Man kann das nicht anders beschreiben. Ich spitze da auch zu, und ich übertreibe auch nicht, wenn man sieht, dass das Gastrogeschäft ja komplett weggefallen ist, das Geschäft mit Events, Schützenfeste, Frühlingsfeste, die Bundesliga steht still, die EM ist abgesagt und verschoben worden. Wir haben Brauereien, die haben einen Gastroanteil von 80 oder 90 %! Wenn das wegbricht, das kann durch nichts aufgefangen werden. Das Handelsgeschäft ist rückläufig, die zum Teil sehr positiven Meldungen, die ich zu Beginn gesehen habe, die habe ich immer nicht ganz geglaubt, und das war, glaube ich, auch richtig, da misstrauisch zu sein. Es gibt eine Kaufzurückhaltung bei Bier. Verbraucher konzentrieren sich jetzt auf andere Artikel und leider auch noch zu häufig auf Toilettenpapier. Aber zu sagen, wir hätten jetzt die Situationen, wie sie aus Spanien gemeldet werden, dass die Verbraucher jetzt in die Supermärkte rennen und die Getränkemärkte und Bier bunkern würden für die Tage und Wochenende und Abende, die sie zuhause verbringen müssen, das ist mitnichten so. Also der Handel geht nach unten, Gastronomie ist komplett abgestürzt auf null, das Eventgeschäft ist weg und die wichtigsten Länder für den Export aus deutscher Sicht, China und Italien, sind ausgerechnet die Länder, die von dieser schrecklichen Pandemie am meisten betroffen sind. Also die Lage für die Brauwirtschaft ist unterm Strich wirklich verheerend. Und wir haben auch diese Woche noch mal eine Initiative, um zu versuchen, das der Bundesregierung klarzumachen. Die Stundung von Steuern ist ein wichtiges Signal, ein wichtiger Schritt, Kredite über die KfW, auch ein wichtiger Schritt, so sie dann überhaupt von der Hausbank ermöglicht werden. Wir haben nur speziell in der Gastronomie und auch im Brauereigeschäft das Problem, es wird niemals einen Nachholeffekt geben. Ein Autokauf kann verschoben werden, der neue Staubsauger oder der Geschirrspüler kann verschoben werden. Aber was am Wochenende, an diesem sonnigen Wochenende in der Gastronomie eben nicht bestellt wurde, vom Schnitzel über das Vanilleeis bis zum Bier, das wird niemals nachgeholt werden. Deswegen sind Kredite da allenfalls nur sehr bedingt eine Lösung. Dann müssen wir gerade für die Brauereien und für die Gastronomiebetriebe, die eben eine sehr dünne Kapitaldecke haben, da müssen wir über ganz direkte und sehr schnelle Staatshilfen, über Zuschüsse sprechen. Wenn man es nicht tun, dann wachen wir nach dieser Krise auf in einer völlig veränderten Landschaft, und dann will ich mir nicht vorstellen, wie unsere Innenstädte aussehen und unsere Dörfer, in denen eben diese Gastronomie fehlt.

Markus: Wahre, aber auch sehr traurige Worte, die aber völlig berechtigt sind, sehe ich auch so. Gibt’s denn trotzdem irgendeine Art Lichtblick im Moment, wo du sagen kannst, was du vielleicht jemanden, gerade einem Brauer vielleicht, der grad sehr verzweifelt ist, ein bisschen mit auf den Weg geben kannst, oder ist es momentan einfach kaum möglich?

 

Ein düsterer Ausblick

Holger Eichele: Wir versuchen schon auch Erwartungsmanagement zu betreiben, das seriös ist. Es kam jetzt gerade vor paar Minuten die Eilmeldung rein, dass Österreich wieder öffnen möchte, aber auch schrittweise, und in Österreich ist es so, wie wir es für Deutschland auch erwarten, die Restaurants und die Gaststätten stehen bei der Eröffnung am Schluss. Also erst kommt der Handel dran, der Einzelhandel, die Kaufhäuser unter bestimmten Regularien, Bedingungen, Abstand, Hygiene, et cetera. Aber Gaststätten und Events werden sicherlich auch in Deutschland am Ende der Strecke erst wieder aufgemacht. Will ich auch gar nicht in Frage stellen, von hier aus.  Wir wissen, welche Ereignisse dazu geführt haben, dass die Ausbreitung sich dramatisch beschleunigt hat im Februar, im März. Es waren eben die Festivitäten jetzt wie in Ischgl, oder es war das Fußballstadion von Mailand et cetera. Deswegen ist es richtig, dass man da sehr sorgfältig ist und das genau abwägt. Das muss die Politik entscheiden, und ich traue das der Bundesregierung zu, dass sie das weiterhin auch gut entscheidet. Aber wir müssen darauf aufmerksam machen, dass es mit jedem Tag kritischer wird für die Gastronomie, aber auch für einzelne Brauereien, und dass denen geholfen werden muss, sonst haben wir hunderte Jahre Geschichte, und ich schaue da gerade auf unsere Familienbetriebe, die Bernecker Brauerei, sehr dramatisches Beispiel, 400 Jahre alt, Ersten Weltkrieg, Zweiten Weltkrieg überlebt, Corona aber jetzt nicht. Wenn wir da nicht rasch handeln, dann sterben uns auch gerade diese Familienbetriebe weg, und das ist wirklich die Verantwortung der Politik, da dann auch unkonventionell ranzugehen. Es ist ein Teil unseres kulturellen Lebens, es ist ein Teil unserer gesellschaftlichen Geschichte in Deutschland, was da im Moment zu kollabieren droht. Und diese Betriebe, diese Gaststätten, die Brauereien mit ihrer Jahrhunderte alten Geschichte, die kommen nie wieder.

Holger: Das sind so furchtbare Schlusswort, es geht ja gar nicht, da müssen wir noch mal die Kurve kratzen!

 

Es muss und wird weitergehen

Holger Eichele: Natürlich gibt es auch eine Zeit nach der Krise. Natürlich wird wieder gefeiert und miteinander angestoßen und gegrillt et cetera. Ich denke mir, dass viele Menschen auch Geselligkeit, Gemeinschaft, das ist ja das, wovon Bier und Braukultur auch lebt, dass viele Menschen Geselligkeit, Gemeinschaft auch ganz anders wertschätzen werden, wenn diese Krise vorbei ist. Vielleicht schafft diese Krise auch eine Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Also das sind schon positive Dinge, aber die Erschütterungen und die Bremsspuren und die Zerstörungen wirtschaftlicher Art wird man in jeder Branche noch viele, viele Jahre und Jahrzehnte später ablesen können, und da ist leider die Brauwirtschaft und die Gastronomie eben keine Ausnahme, bei allen Versuchen eines positiven Ausblicks, die ich so geben kann.

Holger: Ich glaube einfach, dass die Leute schon merken, was ist wirklich wichtig, und was vermissen sie sehr, und das ist einfach der Mitmensch, das gesellschaftliche Miteinander. Ich sag ja immer auf die Frage „Warum bin ich so begeistert vom Produkt? Und warum fasziniert mich das Thema Bier so?“, dann sage ich immer: Das ist einfach unkompliziert, ist bodenständig und ist es beste Mittel zu Get Together. Das ist für mich Bier, wenn es allen so nochmal richtig deutlich wird, dass sie das richtig vermissen gerade auch, dann glaube ich, ist es auch eine Errungenschaft, die man so oft auf einer anderen Weise gar nicht so sehr ins Bewusstsein hätte rücken können – das ist vielleicht jetzt so ein bisschen die Kurve gekratzt.

Holger Eichele: Bravo!

 

Ein Umdenken ist nötig

Markus: Ich denke auch letzten Endes, das eine ist ja auch die Realität, der wir uns schlicht und einfach stellen werden müssen, also auch die Brauwirtschaft und auch die Gastronomie, das kann man ja auch gar nicht wegdiskutieren. Das ist so, wie es ist. Die andere Frage ist natürlich schon, ob nicht gerade in der Gastronomie viele jetzt doch jahrelang so vor sich hin weiter existiert haben, ohne sich wirklich Gedanken zu machen, wie es denn überhaupt in Zukunft werden soll. Wir hatten ja auch schon andere krasse Veränderungen in der Gastronomiebranche bis hin eben zum Beispiel auch zum Thema Alkohol und der sinkende Bierkonsum überhaupt in der Bevölkerung, das Thema Preissensibilität und so weiter, auch für Familienbetriebe, wo lange Zeit einfach Familienangehörige weit unter Wert beschäftigt und angestellt worden sind. Also ich denke mal, da wird sich viel an Umdenken vielleicht auch ergeben. Und es ist für mich auch vielleicht noch eine positive Seite, dass man jetzt einfach noch mal die Möglichkeit hat, innezuhalten, sich neu aufzustellen, zu überlegen, wo kann ich vielleicht auch von den Dingen, die jetzt wichtig sind, also das Digitale, des Außer-Haus-Geschäft, das Liefergeschäft, die Kundenbindung, Regionalität, das Storytelling über die eigene Brauerei, über die eigenen Biere – das mehr in den Fokus zu rücken, könnte spannend werden. Also ich denk mal, was wir ja tun können, ist, dass wir uns vielleicht einem halben, dreiviertel Jahr, vielleicht zum Oktoberfest, noch mal zu einem BierTalk treffen und einmal kucken, so eine Zwischenbilanz ziehen, was passiert ist und wie es dann weitergeht. Fände ich ganz spannend, und da fallen mir bestimmt bis dahin auch wieder lustige Biere ein, die ich dann zu unserem BierTalk mitbringen kann.

Holger Eichele: Sehr sehr gerne. Also da sollten wir auf jeden Fall Oktoberfestbiere verkosten. Wie es auch immer kommt, darauf würde ich mich freuen.

Markus: Ich hätte sogar noch welche im Keller, du wahrscheinlich auch, Holger?

Holger: Unbedingt, du kennst mich doch!

Markus: Okay, ja dann vielen, vielen Dank an euch beide, natürlich ganz besonders an den Holger Eichele in Berlin. Viel Kraft, weil du natürlich jetzt quasi rund um die Uhr beschäftigt bist, und das wird sicherlich die nächsten vier oder sechs oder acht Wochen nicht aufhören. Viel Energie und viel Erfolg letzten Endes auch bei der Arbeit weiterhin für unser Bier!

Holger Eichele: Vielen Dank, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute und noch eine schöne Woche. Danke!

Holger: Danke ebenso! Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle folgen unter www.biertalk.de.

BierTalk 3 – Interview mit Oliver Lemke vom Brauhaus Lemke aus Berlin

Er gilt als erster Craft-Brauer Deutschlands und hat dennoch seine ersten Brötchen mit Hell, Dunkel, Weizen und Pils verdient: Oliver Lemke. Heute Herr über drei Braustätten und einer der Väter der neuen Berliner Weisse, verkostet er mit Holger Hahn und Markus Raupach fünf seiner Biere und erzählt die Stories dahinter sowie das ein oder andere Geheimnis aus seiner Brauerei…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Heute ist unser dritter BierTalk am Start, diesmal mit einem Gast aus Berlin, dem Oliver Lemke, der sicherlich gleich noch ein bisschen was über sich selber erzählen wird. Ansonsten sind wie immer dabei, ich, der Markus und …

Holger: … der Holger.

Markus: Und wie ich es gerade schon gesagt habe, Oli, vielleicht sagst du zwei, drei Takte zu dir. Du hast uns ja Biere auch schon geschickt, vielleicht magst du auch ein erstes auswählen, mit dem wir starten.

Oliver Lemke: Ich bin der Oli, bin hier in Berlin, muss gerade Wunden lecken hier aufgrund der Situation, die wir haben. Aber ansonsten bin ich seit 20 Jahren hier Brauer. Wir haben in Berlin vier gastronomische Betriebe, wir haben in den letzten Jahren eine schöne Brauerei gebaut und brauen so sage ich mal 16 unterschiedliche Bierstile standardmäßig plus noch ein paar Extras im Jahr.

Markus: Womit wollen wir denn anfangen?

 

Mit der Perle in den Abend

Oliver Lemke: Vielleicht fangen wir bei der Perle an, oder?

Markus: Super.

Oliver Lemke: Also mache ich jetzt meine Perle erstmal auf und ihr auch, oder wie?

Markus: Ja, ich auch.

Holger: Also bei mir ist jetzt was im Glas.

Oliver Lemke: Bei mir auch. Sensationell! Ist gelb?

Holger: Also gelb, ja, also gelb kann man natürlich dazu sagen, aber man könnte auch sagen, Gold, oder?

Oliver Lemke: Gold, brillant natürlich. Ja, sieht ganz gut aus bei mir, ich hoffe bei euch auch.

Markus: Ja, sehr verlockend. Ich habe richtig Durst.

Oliver Lemke: Zum Wohl!

Holger: Prost!

Oliver Lemke: Schön, dass wir diesen Termin auch gewählt haben, 16:14 Uhr, passt. Vielleicht ein paar Worte zur Perle?

Markus: Gerne.

Holger: Unbedingt.

 

Ein neues Helles aus Berlin

Oliver Lemke: Perle heißt Perle aufgrund eines der Hopfen, der da drin ist. Außer der Perle haben wir da noch Magnum drin und Mittelfrüh und Tradition, was ja so sehr traditionelle Hopfensorten für ein Helles sind. Die Perle ist unser Helles. Da fragt man sich vielleicht: Warum machen wir ein Helles? Weil wir sind ja in Berlin und nicht in München. Da sind wir gleich, glaube ich, bei einem, boah, ziemlich umfassenden Thema, wobei erstmal noch mal zu dem Bier selber. Wir haben versucht eigentlich ein traditionelles Helles, was Vollmundigkeit, Stammwürze, Alkoholgehalt, Farbe, generelle Charakteristik angeht, plus ein bisschen mehr Hopfen, aber nicht Bitterhopfen, sondern wirklich dieses Aroma speziell von der Perle da noch unterzubringen und natürlich auch von den anderen beiden Aromasorten. Das war das Ziel. Wir denken, es ist uns gut gelungen, sodass man also ein Helles hat, was so ein bisschen mehr Aroma spielt als das für die meisten Hellen am Markt üblich ist, die ja dann doch überwiegend malzbetont sind. Könnt ihr als Fachleute aus dem Süden das irgendwie nachvollziehen?

Markus: Auf jeden Fall. Ich finde, das hat richtig schönen Charakter und einen eigenen Geschmack, was mir sehr gut gefällt. Viele Helle sind ja schon ziemlich nah am Wasser gebaut und das hier hat aber wirklich durch das Karamellmalz und durch die wirklich schönen Hopfennoten also wirklich ein sehr angenehmes, würde man schon fast ein bisschen von der aromatische Richtung Export rüber tun, obwohl es ein ganz normales Helles ist. Also sehr schön, trinkt sich gut. Und ich bin normalerweise gar kein so ein Fan vom Hellen, aber das gefällt mir echt gut und passt mir jetzt auch zu der Zeit.

Holger: Also ich muss mich ja erstmal outen. Ich wohne natürlich hier in München, aber der Hörer weiß es ja und man hört es ja auch sowieso, ich bin ja kein Oberbayer. Und Helles ist jetzt, also wenn ich jetzt vier Stunden den Rasen mähe und wirklich Brand habe, dann geht das schon, aber ansonsten ist das einfach mir viel zu langweilig. Und bei dem Bier hier ist mir das ganz angenehm, weil es ein schönes, vollmundiges Bier ist. Ist auch, glaube ich, jetzt genau richtig zum Starten für unser Gespräch. Und die Perle finde ich sowieso prima, auch als Aromahopfen in einem Pils. Und Pils ist ja bekanntlich mein Lieblingsbierstil. Insofern bin ich ganz zufrieden. Was mich wirklich unglaublich verwundert, ist, was auch das Helle als Stil für einen Siegeszug durch die ganze Republik gemacht hat. Also du kannst heute in Hamburg an irgendeiner Tanke tanken und dann gehst du da rein und dann siehst du halt irgendwie ein Tegernseer Hell oder ein Augustiner da in der Kühltheke stehen. Und das ist schon unglaublich, oder? Also man kann eigentlich sagen, das ist ein Trend.

 

Craft Bier und Deutschland

Oliver Lemke: Auf jeden Fall. Das bringt mich zu dem Eigentlichen, warum macht man das? Und wir haben, wenn man so ein bisschen zurückdreht jetzt das Rad der Zeit, irgendwann kam Craft. Alle Welt dachte, sie wird nun ganz schnell reich und machte ganz viele unterschiedliche tolle Ales und Stouts und belgische Biere und so weiter. Und ich glaube, wir sind uns einig, dass man heute nach einigen Jahren zumindest feststellen muss, dass die Erwartungen seitens des Handels und auch der Gastronomie, was das angeht, im Grunde sehr stark enttäuscht worden sind. Für mich eigentlich eine logische Geschichte, darum haben wir auch relativ frühzeitig, also wir haben immer die Standardbierstile, die deutschen natürlich weitergebraut, weil der Deutsche an sich sage ich mal, wenn ich den so klischeehaft schildern kann, denkt prinzipiell, das beste Bier der Welt kommt aus Deutschland. Jetzt kommen Leute und sagen: Ätsch, Bätsch, alles Unfug, du trinkst seit 30 Jahren Bier, ist alles doof, du musst jetzt Ales trinken. Die Wahrscheinlichkeit, dass da die Hälfte der Bevölkerung umschwenkt und sagt, juchhu! auf dich haben wir gewartet, ist doch eher gering. Deshalb ist das für mich völlig nachvollziehbar, dass das, was viele Leute erwartet haben, nicht passiert ist. Da kannst du bestimmt von leben, wenn du irgendwie 500 oder 1000 Hektoliter im Jahr machst. Da hast du irgendwie gerade in Berlin sage ich mal, hier gibt es dann doch viele Amerikaner, Australier, die das kennen und so, dann kann man bestimmt von seinem Dasein fristen. Wenn du aber so ein bisschen mehr Volumen machen willst, wird es schwer, weil da musst du in diesem dünnen Markt entweder die 30 anderen Anbieter wegbeißen, was schwierig wird, oder aber du musst Menschen umherziehen, was noch schwieriger ist. Ich will nicht sagen, das ist tot das Marktsegment, ich will bloß sagen, es hat sich nicht in fünf oder acht Jahren dorthin entwickelt, was man geglaubt hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass, wenn wir in zehn Jahren darüber sprechen, dass wir einen nennenswerten, aber immer noch kleinen Marktanteil für andere Biere haben werden. Aber es ist eben keine Explosion von jetzt auf gleich. Das sieht man, glaube ich, jetzt ziemlich deutlich, und darum ist meine Intention eigentlich auch immer gewesen und deshalb haben wir eben die Perle auch vor einem Jahr, glaube ich, in den Markt gebracht, um wachsen zu können im Hektoliter-Bereich auch anderes Klientel zu erreichen, die deutsche Bierstile mag. Eine Geschichte dazu noch zum Schluss. Alle meine Freunde, die kennen mich nun seit vielen Jahren und auf jede Party muss ich ein Bier mitbringen, und kriegen natürlich auch immer irgendwelche Kommentare zu dem Bier. Meistens muss ich oder oftmals in der Vergangenheit musste ich nachfragen, na, wie schmeckt dir das 030, oder? Und seitdem die Perle da ist, gehe ich auf Partys und kommen Leute dreimal am Abend, die gleichen sagen, ey Lemke, ich sag dir mal was, mit dieser Perle, da ist dir echt mal was gelungen. So ein geiles Bier. Mit dem Bier, das verstehen die Leute. Mehrfach passiert, ich könnte mich immer kringelnd lachen über die Leute, aber es funktioniert, ist geil. Funktioniert.

Holger: Ich kann das nur bestätigen. Aber da ist auch nichts gegen einzuwenden. Also ich will auch gar nicht gegen den Bierstil Helles schießen, sondern wenn du einfach Feierabend hast und brauchst irgendeinen Freund, dann ziehst du dir einfach ein Helles. Fertig! Und das ist auch das Tolle am Bier. Du kannst zu jeder Tagesstimmung, zu jedem Anlass und so, kannst du dir einen Stil raussuchen. Und dass das jetzt mit den neuen Bierstilen nicht total explodiert hat, begrüße ich auch, weil wir haben eine Bierkultur, die ist großartig in Deutschland, total vielseitig und ist auch kreativ und das ist Heimat. Also unsere Bierkultur ist Heimat. Und was sollen wir da umschwenken? Also das wäre ganz furchtbar gewesen, wenn ich mein Pils nicht mehr kriegen würde. Um Gottes willen.

Markus: Was mir so gut gefällt ist auch das Mundgefühl. Also man hat richtig einen schönen vollen Geschmack an dem Bier, der einem aber nicht über wird. Also eins, das man einfach schön trinken kann, ein sehr angenehmes Getränk, ein sehr weiches Getränk. Und ich glaube auch, dass dieses kleine bisschen mehr an Hopfen sich wirklich auszahlt. Also weil dann auch dieses eigentlich sehr Volle vom Aroma wieder weggeht, weil dann die Hopfenbittere kommt und damit eben auch dieser Effekt wieder da ist, dass man sagt, Mensch, dann nächster Schluck, nächste Flasche, weiter geht’s.

Oliver Lemke: Ist nicht so breit, macht nicht so satt.

Markus: Da ist euch echt was gelungen.

 

Der Bierpreis als Argument

Oliver Lemke: Und ein Thema noch, wo du sagst, Pils, Helles. Als eher Norddeutscher bin ich natürlich traditionell auch eher ein Pilstrinker gewesen und das ist sicherlich auch eingeflossen jetzt in das Design der Perle, Stichwort Hopfen. Aber wir haben natürlich noch ein anderes Problem: Als kleiner Brauer sind wir nicht konkurrenzfähig im Supermarkt, was den Preis angeht. Wenn da Oettinger und Sterni und weiß ich alles, sag ich mal, welche, die von sich behaupten zumindest Pilsbiere zu sein und da stelle ich jetzt mein Pils daneben und brauche 1,50 Euro oder 1,70 Euro für den Endverbraucher für die Flasche, dann ist das ein sehr einfacher Vergleich. Dann sagt der, aber das Sterni kostet mich doch die Flasche nur, keine Ahnung, 20 Cent, warum soll ich denn 1,60 Euro ausgeben? Und bei dem Hellen ist eben der Vorteil, das ist nicht so ein kannibalisierter Markt. Da hast du eben, eine Kiste Augustiner kostet auch hier in Berlin Geld oder ein Tegernseer. Das heißt, du bist beim Hellen auf einem anderen Preisniveau generell unterwegs und du hast nicht so viel unterschiedliche Anbieter. Ist eine Frage, der Preis auch, wenn ich ein Pale Ale braue, was genauso viel kostet in der Herstellung wie ein Pils, beim Pale Ale akzeptiert der Verbraucher einen Preis, der ist viermal so hoch wie bei einem Pils, das ist einfach so. Wir hätten auch ein schickes neues Pils noch machen können, aber das war auch ein Grund, aus wirtschaftlichen Erwägungen, dass wir gesagt haben, weil wir ein Helles halt noch nicht hatten, das waren die zwei Gründe, wo wir gesagt haben, okay, wir versuchen das noch mal ein Helles.

Markus: Ja. Wollen wir ein weiteres aufmachen? Seid ihr schon bereit?

Oliver Lemke: Sehr gerne.

Holger: Unbedingt.

Markus: Wenn wir die ganze Zeit vom Pale Ale reden, dann sollten wir das jetzt auch mal probieren.

 

Ein Pale Ale mit Vorwahl

Oliver Lemke: So machen wir das, ich bin dabei. Zum Pale Ale, heißt 030. Für den, der in Berlin schon mal angerufen hat, der weiß, dass das unsere Vorwahl ist. Ist auch eine Geschichte, die nicht auf meinem Mist gewachsen ist, ich habe das damals bei, ich glaube, 805 heißt das, von Firestone Walker, als ich da war in Kalifornien, da fand ich das eine gute Idee. Aber der Matt Brynildson von Firestone hat es auch geklaut. Ursprünglich gab es irgendwo von den Great Lakes, glaube ich, von irgendeiner Brauerei. Die Vorwahl da zu nutzen ist nicht ganz neu, aber dennoch in Deutschland neu gewesen und ich fand, gerade weil Berlin so eine schöne Vorwahl hat, passt das. Pale Ale finde ich generell einen sehr, sehr schönen Bierstil, weil er eben genau wie ein Helles oder ein Pils, Stammwürze, Alkohol et cetera, das passt alles, als Bier, wo man auch mal ein paar am Abend trinken kann. Ein ganz großer Teil der Pale Ales, die hier unterwegs sind, die wollen eigentlich Session IPAs sein oder sind es. Das heißt, die Hopfen-Charakteristik ist viel zu dominant, was auch dazu führt, dass ich eben nicht einen 6er-Träger davon trinken kann. Und wir haben wie bei allen anderen Bieren auch immer im Fokus gehabt Biere zu machen, die Drinkability haben und die eben das ermöglichen, dass du auch von Pale Ale einige trinken kannst und dir der Hopfen nicht den Mund versperrt. Darum ist es für den einen oder anderen vielleicht hopfentechnisch nicht so aromatisch wie er es erwartet. Und das Zweite dazu ist: Ich habe einen Lieblingshopfen in dieser Welt, der fruchtige Hopfen, das ist der Centennial. Den kann man hier, es sind zwar auch noch ein paar andere drin, aber der ist hier federführend. Zum Wohl erstmal!

Markus: Ja. Prost! Auch wieder ein sehr, sehr schönes Bier. Mein Problem ist, ich bin wirklich von deinen Bieren eigentlich schon, seit ich sie kenne, begeistert. Was ich da besonders spannend finde, ist eigentlich die Geschichte dahinter. Also wir haben uns mal sehr lange eben auch über deine Geschichte unterhalten, und die fängt eigentlich schon im letzten Jahrtausend an als Craft-Beer-Brauer. Und da hast du schon solche Bierstile gemacht, die zu dem Zeitpunkt in Deutschland nahezu unbekannt waren. Hast du damals im Pale Ale angefangen?

 

Die Anfänge vom Brauhaus Lemke

Oliver Lemke: Ja, in der Tat haben wir mit Ales angefangen. Der Grund dafür liegt einfach in meiner Historie. Ich bin von Hause, hier an der VLB habe ich Brauwesen studiert. Und während der Studienzeit habe ich so für Anlagenbauer gearbeitet und habe Brauereien in der Welt in Betrieb genommen und aufgebaut. Vorher war ich noch mal ein Jahr in den USA. Also ich habe so ein bisschen international geschnüffelt, was so geht, und bin dadurch natürlich ziemlich zeitig, also seit Mitte der 80er, in Kontakt gekommen mit anderen Bierstilen. Hat mich damals noch gar nicht so überzeugt, so ein Plan, was du tust in deinem Leben, ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber der reift auch und es nimmt Wendungen und Wirrungen, die man zuvor nicht erwartet hat. Aber ich habe das alles so irgendwie aufgesogen in meiner Jugend, bin auch viel verreist, Australien, Südamerika und so. Und als dann irgendwie die Situation war, dass man anfängt zu arbeiten oder studieren erst mal, und als der Entschluss reifte, eine eigene Brauerei zu machen, fiel das alles so ineinander, also wie so Puzzleteilchen. Dass du sagst: Okay, Brauerei ja, aber nicht im Großbetrieb. Ich habe früher auch bei Polar mal gearbeitet als Praktikant oder bei Jever und wusste, okay, groß hat auch seine Vorzüge, aber eigentlich wollte ich was selber machen. Und das war gerade die Zeit der Gasthausbrauereien, die erste Welle war vorbei, als ich fertigwurde mit dem Studium, 1996, 1997. Es war aber klar, eine eigene kleine Brauerei soll es sein, und jetzt kam der Input aus den internationalen Erfahrungen, und dann war relativ schnell klar Kleinbrauerei oder Gasthausbrauerei ja, aber anders. Und es zeigte sich auch nicht nur in der Auswahl der Bierstile, sondern auch die Anlage war selbstgebaut. Dann hat man dieses japanische Speisenkonzept Yakitorie, es war alles anders, also es hatte mit den herkömmlichen Gasthausbrauereien so gar nichts zu tun. Heute würde man sagen, ist irgendein Start-up von irgendeinem, der den Schuss nicht gehört hat oder sehr weit in die Zukunft guckt. Und es hat auch dementsprechend nicht funktioniert, sodass ich über Jahre auch ein Stück weit zurückrudern musste, sei es, was das Speisenkonzept anging oder auch, was die Vielzahl der Bierstile anging. Aber das war eben, die Ausgangsbasis war halt schon getriggert durch diese eben genannten Faktoren. Und so kam es dazu, dass wir dann eben, wenn du heute bei Untappd guckst oder so, oder bei RateBeer, ich verfolge das nicht so, aber ich glaube, sie haben vor 2002, 2003 oder so waren IPA Ratings da die ersten. Da wusste hier noch kein Mensch was von IPA. Wir haben Spaß da dran gehabt, aber es war unverkäuflich im Endeffekt. Und weißt du was? Am Ende haben wir nicht daraus gelernt, heute machen wir auch eine Menge Biere, die unverkäuflich sind. Aber nicht, weil sie nicht gut wären, sondern weil der Markt einfach noch nicht da ist. Wir haben alleine an Analysekosten irgendwie 20.000, 30.000 Euro mittlerweile, um dahin zu kommen, wo wir sind. Eigentlich ist es Spinnerei, aber es macht halt Spaß.

Markus: Und das ist aber auch das Schöne. Also ich glaube, wenn du jetzt wirklich zurückblickst, dass du jetzt seit über 20 Jahren mit Leidenschaft Brauer bist und auch letzten Endes dich durch viele Rückschläge nicht hast abbringen lassen, noch dazu in Berlin, das ist schon aller Ehren wert.

Oliver Lemke: Das war nicht immer nur auf meinem Mist gewachsen, sondern es ist nie ein Werk von einem, sondern es gibt immer verschiedene Leute, die dazu beitragen.

Markus: Und interessant, dass du auch Leute hattest, die waren eine Zeit lang bei dir, dann sind sie wieder weitergezogen. Du hast schon für viele Leute, glaube ich, den Bierweg geebnet.

 

Gutes Bier ist Teamwork

Oliver Lemke: Mir ist immer wichtig, oder ich bin immer bemüht, dass man Leute hier eine Weile hat, voneinander profitiert und dass man hinterher ein gutes Verhältnis hat. Und meistens funktioniert das auch. Wir haben also auch Leute, die weggegangen sind, wo wir ein Super-Verhältnis pflegen bis heute. Wo auch immer die Option wieder da ist, dass sie zurückkommen. Die meisten Leute gehen wirklich im Guten und man ist sehr zufrieden mit dem, was man gemeinsam geschafft hat. Ja. Aber man muss auch sagen, das, was wir hier machen, ist auch dauerhaft nicht für jeden, weil es auch echt anstrengend ist. Also wenn du dir überlegst, von dieser 2-Hekto-Anlage bis heute 35 Hekto. Also wir sind eigentlich seit 20 Jahren eine Baustelle. Ich habe gute Leute gehabt, die aber vielleicht als Brauer gut gewesen wären oder als Betriebsleiter oder was auch immer, aber diesen permanenten zusätzlichen Stress nicht ausgehalten haben oder auch nicht wollten. Und das kann ich auch nachvollziehen. Weißt du? Also mir als Unternehmer, ich habe sowieso eine andere Herangehensweise an das ganze Thema, aber als Mitarbeiter, wenn du jetzt zum Mitarbeiter gehst und sagst, pass mal auf, wir haben jetzt ein halbes Jahr Stress, dann sagt der: Ist in Ordnung, kann ich mit leben. Wo wir zum Beispiel Brauhaus Mitte die Fassaden rausgerissen haben und im Winter im Freien Bier gebraut für einen ganzen Winter lang. Das kannst du noch Leuten vermitteln, aber wenn das vorbei ist und die Fassade ist wieder da und du sagst, so, okay, und als nächstes müssen wir jetzt ein neues Sudhaus planen und hier müssen wir irgendwie diesen (unv. #00:15:42.7#), einen Weg schaffen, dass wir irgendwie ein (unv. #00:15:44.5#) da reinsetzen und einen Schornstein bauen, wo gar keine Möglichkeit. Also es kommt immer wieder was Neues, das ist immer neu, immer neu, immer neu. Manchen Leuten, und das kann ich voll nachvollziehen, ist das nach einer gewissen Zeit, dass sie sagen: Ey Lemke, weißt du, du findest nie ein Ende. Hat Spaß gemacht, aber ich suche mein Glück und mein bisschen jetzt Runterkommen woanders. Und das gab es schon öfter. Ja. Auch verständlich, wie gesagt, habe ich volles Verständnis für.

Markus: Wobei natürlich das auch ein bisschen der Kern des Unternehmertums ist, dass du eigentlich immer wieder gucken musst, dass du nicht stehenbleiben kannst. Sondern wenn man mal irgendeinen Punkt erreicht hat, muss man im Kopf eigentlich schon wieder wissen, wo man dann die nächsten Schritte geht und was man hier ausprobiert, um einfach da auch immer weiter am Ball zu bleiben und sich weiter zu entwickeln.

Oliver Lemke: Es gibt Leute, die finden das auch cool, die sind gerade deshalb hier. Weißt du? Und die sagen: Hey, was ist das Nächste?

Holger: Ich wollte einfach nur sagen, dass so die Tradition der Walz innerhalb der Handwerkschaften, der Zünfte, die ist nicht umsonst entstanden. Also du hast einmal als Geselle die Möglichkeit verschiedene Betriebe kennen zu lernen, verschiedene Lehrmeister zu haben, deinen Horizont zu erweitern und für die Betriebe war es auch jedes Mal eine Bereicherung, weil du bei jedem Betrieb auch wieder was von den anderen Betrieben mit eingebracht hast. Ich weiß nicht, bei den Brauern ist die Walz nicht mehr so verbreitet wie bei den Zimmerleuten und so, aber so wie du es jetzt beschreibst, ist es auch eine Art von Walz, die dann da entsteht.

Oliver Lemke: Korrekt.

 

Der Blick über den Tellerrand

Holger: Und gerade, wenn dann Leute aus dem internationalen Kontext dazukommen, dann können die sehr bereichernd sein, weil die einfach übern Tellerrand geschaut haben und Leute, die dann sich entscheiden, wirklich aus der Komfortzone raus zu gehen, in ein fremdes Land zu gehen in eine fremde Umgebung mit einer fremden Sprache und so, da kann man sowieso immer mehr erwarten als jetzt bei jemandem, der sage ich mal einen 9-to-5-Job am liebsten hat.

Oliver Lemke: Klar, ich kenne das seit frühesten Tagen, in unserer Branche ist das total üblich immer schon gelesen, dass du im Ausland begehrt bist, also egal, wo ich war im Ausland, im Brauereibereich waren immer Deutsche, VLBler, Weihenstephaner, Ulmer, Doemensianer, immer unterwegs. Und dementsprechend war das auch, das hat auch diesen familiären Charakter geprägt, wo du dich immer überall willkommen gefühlt hast. Ich meine, Markus hat es schon hundertmal gehört die kleine Geschichte, wo ich bei Anheuser-Busch vorgesprochen habe da und saß vor Gary Kramer. Das war zu der Zeit der oberste Brauer im Anheuser-Busch-Konzern, der sich eine halbe Stunde Zeit genommen hat für einen Nobody aus Deutschland damals im zweiten, dritten Semester. Das ist schon bezeichnend für die Branche auch, dass es schon einen familiären Touch hat und man immer willkommen ist im Ausland, egal wo du eigentlich aufschlägst. Habe ich immer sehr genossen.

Markus: Holger, magst du uns ein Bierchen aussuchen, was wir als nächstes trinken?

Holger: Also ich fände ja schon toll irgendwie, wenn wir jetzt mal auch über die Budike sprechen. Und es ist eines meiner absoluten Lemke-Lieblingsbiere, wenn ich das so sagen darf.

Oliver Lemke: Sie macht sich auch ganz, ganz schlecht hinterher, hinter dem letzten Bier, was wir wahrscheinlich trinken.

Holger: Obwohl Oli, also ich kann dir sagen, also ich will mich jetzt nicht als Säufer outen, das bin ich auch nicht, ich bin wirklich Genusstrinker und kein Wirkungstrinker, aber wenn du irgendwann gar nichts mehr schmeckst und weiß ich nicht wie viele Biere du verkostet hast, dann einfach nur mal ein schönes Sauerbier und dann geht es auch wieder.

Oliver Lemke: Ja. Es neutralisiert halt.

Holger: Ja genau.

 

Die Rückkehr der Berliner Weissen

Oliver Lemke: Ja, wir haben die Budike. Kurz zum Namen, ich sag mal, man kann natürlich fünf Podcasts füllen mit der Budike alleine, wir müssen das natürlich hier reduzieren. Berliner Weiße, alter Bierstil, 1600 schieß mich tot, Markus, weiß das alles viel besser, du bist quasi Bierhistoriker. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht vor einigen Jahren den Champagner des Nordens quasi wieder zu entwickeln und zu sagen, okay, wir haben jetzt ein Bier, was auf Mischgärungsbasis funktionieren ähnlich wie Lambic & Gueuze, was die Berliner Weisse heute in ihrer gewohnten Form nicht mehr ist, das ist ganz weit weg davon. Und so sind wir angetreten, haben gesagt, okay, wir scannen jetzt ohne Ende Mikroorganismen unter Teilhabe natürlich auch von Brettanomyces, weil wir wissen aus der Literatur und aus Promotionsarbeiten, dass die definitiv Teil der Budike war, was auch völlig nachvollziehbar ist bei den damaligen Arbeitsweisen. Und kreieren ein Bier, was per Mischgärung funktioniert, was nahe da rankommt, wie es früher gewesen sein mag, wenn ein Sud gut gelaufen ist. So würde ich es formulieren. Weil es gab natürlich damals keine Kontinuität und es gab ähnlich, also ich kenne das von belgischen Kollegen, die pro Fermenter 200 unterschiedliche Mikroorganismen drin haben und dann versuchen, Kontinuität zu erreichen über das Verschneiden. Das ist auch ein möglicher Ansatz, den haben wir nicht gewählt. Sondern wir haben gewählt einen Ansatz der Moderne, wo wir gesagt haben, wie kriegen wir eine reproduzierbares Produkt unter Einbindung dieser unterschiedliche Mikroorganismen, indem wir diese gezielt auswählen, in gezielten Mischungsverhältnissen anstellen, was natürlich beim Brauen ein ziemlicher Akt ist, weil du jedes Mal mit einer neuen Reinzucht startest. Es ist also nicht so wie beim normalen Bier, wo du erntest und den nächsten Sud anstellst, sondern jede Budike wird speziell aus dem Reagenzglas quasi hergeführt, unterschiedliche Organismen. Dann wird geguckt, oder wir haben natürlich unsere Erfahrung durch die Jahre und wir haben fünf Diplomanden habe ich betreut bei Professor Methner, die ihre Masterarbeit oder Studienarbeiten über dieses Thema gemacht haben unter meiner Leitung. Und so haben wir natürlich diese ganzen Modalitäten rausgekitzelt und geguckt, wie kommen wir diesem Ziel des Champagners des Nordens, ups, darf ich nicht sagen, am nächsten. Und das ist das Ergebnis, was wir hier jetzt verkosten. Und das ist ein Bier, was sich natürlich verändert, das ist relativ jung. Und dieses Bier wird natürlich dadurch, dass es lebende Organismen hat, wir haben Evidenz, dass die Brettanomyces auch nach 20 Jahren noch effektiv in der Flasche ist. Und so wird sich auch dieses Bier in den nächsten 20 Jahren, wenn es nicht getrunken wird, verändern. Unser Anspruch ist, auszuliefern schon in einer Qualität, die so ist, dass man sagt, das ist toll, und dann eben es wie ein Wein auch hinlegen kann über Jahre und schauen kann, wie es sich entwickelt.

Markus: Da würde jetzt ein Unbedarfter vielleicht, der noch gar nicht viel damit zu tun hat, sagen, wieso ist das jetzt was Besonderes? Im Grunde es gibt doch schon immer Berliner Weisse. Als ich den 70ern, 80ern in West Berlin war, habe ich das getrunken, das war dann halt grün oder rot. Und was ist denn da jetzt eigentlich neu dran? Warum hat man da eine Uni involviert? Warum?

Oliver Lemke: Also man hat folgendes getan, man hat von der ursprünglichen Art und Weise dieses Bier als Mischgärung mit unterschiedlichen Mikroorganismen zu produzieren ist man abgewichen, weil es natürlich für deutsche Brauer herkömmlicher Natur eine Katastrophe ist. Also ich brauch einen Organismus, der mein Bier produziert in Reinzucht, das ist unser Anspruch bei Pilsbieren, bei Hellem, bei allem, was wir produzieren. Und das, was bei der Weisse ursprünglich war oder eben auch in Belgien praktiziert wird, ist für einen deutschen Brauer eigentlich undenkbar. Weil diese Organismen sind natürlich auch welche seines (unv. #00:22:24.3# Laktus?), seines Brett, die ich in keiner Brauerei der Welt überhaupt haben möchte oder in keiner Brauerei in Deutschland. Also war der Weg klar, dass die Großbrauerei sagen würde eines Tages, wir stampfen diesen alten Weg ein, wo wir gar nicht wissen, was wir so genau tun und gar nicht so genau wissen, was für Mikroorganismen da drin sind, und ersetzen das Produkt durch eines, was wir nach wissenschaftlichen und schematischen Kriterien mit Kontinuität herstellen können. Das hat dazu geführt, dass wir heute so genannte kettle-saure Biere oder sogar durch Zugabe von Milchsäure produzieren, die schlussendlich mit einer angesäuerten milchsauren Würze agieren, wo der pH-Wert dann eingefroren wird. Dann sagt man, okay, bei 3,5 oder was auch immer, will ich ankommen, dann stoppe ich den Prozess jetzt, und dann setze ich eine ganz normale obergärige Hefe rauf und das war’s. Das Produkt, was ich dann erhalte, ist eindimensional. Also im Regelfall ist es zitronensauer so ein bisschen von der Anmutung her und hat halt keine Tiefe, keine Komplexität. Das ist einfach ein eindimensionales Getränk. Oftmals auch beim Beispiel jetzt Berliner Kindl, so dass es im Grunde schwer trinkbar ist, ohne dass ich diesen Sirup dazu addiere. Und der Sirup ist eben als Gegenspieler der Säure, das funktioniert, das ist ein erfrischendes Sommergetränk, ist aber halt im Grunde ein Biermischgetränk, wo dann eben auch keine Braukunst oder so wirklich dahintersteht. Und es gibt eine Menge Leute, die sich mit dem Thema Berliner Weisse jetzt auch auseinandersetzen, weltweit auch, egal ob das jetzt Catharina Sour ist da in Brasilien oder auch hier oder in den USA, und die meisten meines Wissens verfolgen nach wie vor diesen Weg, dass ich es möglichst simpel gestalte, also diesen Kettle Sour Weg. Und unser Anspruch war bewusst das nicht zu tun, sondern das Original wieder zu beleben. Und das Resultat ist jetzt ein Bier, was trotz der Tatsache, dass es eine geringe Stammwürze hat und einen geringen Alkoholgehalt, sehr komplex und tief ist. Wenn man das schmeckt, wird man feststellen, ich habe unfassbar viele Nuancen da drin, gerade durch diesen leichten Brett-Charakter, wo man aber sehr vorsichtig sein muss, weil wenn der zu stark wird, dann kannst du es auch nicht mehr trinken. Es ist mit Sicherheit das anspruchsvollste Bier, was wir brauen.

Markus: Ja, sehr spannend und anspruchsvoll in der Brauerei, denke ich mal, weil man unheimlich aufpassen muss, wo die Mikroorganismen sind und wo sie nicht sind.

Oliver Lemke: Wir haben für die Weisse einen separaten Keller. Du kennst bei uns die Situation, ursprünglich wurde sie am Schloss produziert, das war aber sehr aufwändig, weil wir dann mit dem Tank da rüberfahren mussten und so weiter. Und jetzt ist der alte Keller unterm Brauhaus am Alex, da ist das Sudhaus stillgelegt, das ist unser Berliner Weisse Keller, das heißt, der ist in einer Entfernung von 150 Metern vom Rest der Brauerei und bisher funktioniert es ganz gut.

Markus: Holger, wie ist das, wenn du in München jemandem so ein Bier servierst, wie reagieren die denn darauf?

 

Der Bayer und das Sauerbier

Holger: Die hauen mir eine runter. Also kommt drauf an, wer es ist. Aber wenn ich jetzt hier auf die Straße gehe und einfach einen typischen Münchner einfach einlade und sage, magst du ein Bier, und ich schütte es ihm ein und er wundert sich schon, warum es so trüb ist und so, aber dann trinkt er halt, weil er Durst hat und Bier ist nicht schlecht hier in der Stadt, aber dann haut er mir eine runter. Also das würden die nicht verstehen. Also jetzt gibt es natürlich genügend Leute hier, die aus der Craft-Beer-Szene kommen beziehungsweise die eben auch wertschätzen und die setzen sich dann natürlich damit auseinander und reden von der Komplexität, die ohne Zweifel dieses Bier hat und so. Aber ich nehme es ganz gerne auch in Verkostungen, aber ich muss schon sagen, man muss die Leute begleiten. Also du kannst jetzt nicht einfach sagen so: Prost! Man muss schon das anmoderieren, muss auch darüber reden, wie besonders das ist, muss vor allen Dingen auch bei den meisten, denke ich, dieses Bild von dem Bier, was die dann im Kopf haben, erst mal versuchen herauszubekommen, damit die ganz frei werden, also dass die sich öffnen können und nicht irgendwie mit ihren Erwartungen in dieses Bier einsteigen. Weil sonst kommt eine Enttäuschung.

Oliver Lemke: Wir machen es den Leuten leicht dadurch, dass wir noch drei weitere Varianten davon machen. Die kennt ihr ja, Himbeere, Waldmeister und die Berliner Eiche, wo aber dann eben nicht mit Sirup gearbeitet wird, sondern das Bier liegt in der Tat auf Himbeeren, auf Waldmeister oder auf Eichenspänen. Und das sind so sag ich mal die Einstiegsdrogen, die den Zugang wahrscheinlich deutlich einfacher machen. Also ist meine Erfahrung, wenn ich mit Leuten dieses Bier verkoste. Waldmeister ist speziell, da gibt es entweder Fans oder welche, die sagen, kann ich nicht. Himbeere ist eigentlich ein Ding, was alle lieben. Und die Eiche, mein eigentlicher Favorit, weil die Süße des Holzes so einen wunderschön Gegenpol zu der Säure liefert und weil es auch echt eine Ausnahme ist, dass man ein schwachalkoholisches Bier mit Holz in Verbindung bringt, was im Regelfall wenig funktioniert, da gibt es echte Fans, die sagen, das ist sensationell und das kann ich auch sehr, sehr gut nachvollziehen. Und dann gibt es welche, die sagen, ich schmecke das Holz gar nicht.

Holger: Also ich muss auch sagen, die Eiche ist auch mein absoluter Favorit. Wenn ich bei euch bin und für den Markus mal wieder Bier holen muss, dann nehme ich mir immer eine Flasche Eiche oder auch mehr mit.

Oliver Lemke: Das ist gut.

Holger: Das muss ich auch sagen. Nee, aber jetzt noch mal zum Bier. Was mich besonders unheimlich beeindruckt, kann man schon fast sagen, ist diese süße, säuerliche Balance, die dieses Bier hat. Und auch so dieser Apfelmost, der da so rauskommt und so, den finde ich großartig. Ich bin total begeistert. Und ich wusste gar nicht, also ich habe auch mal neun Jahre in Berlin gelebt übrigens und liebe diese Stadt auch, aber jetzt mit dem Thema diese alten Schankstätten, dass die eben diese Budike, also von Boutique abgeleitet, das wusste ich gar nicht.

 

Champagner Weisse und Sandweisse

Oliver Lemke: Das wusste ich auch erst durch Literatur jetzt, so alt sind wir alle nicht, dass wir das auch wissen. Es gab die Champagner Weisse und die Sand Weisse, die eingegraben wurde zehn Jahre und, und, und. Und die Budike Weisse war die des einfachen Mannes oder der einfachen Frau, und so war es eben naheliegend das Bier auch entsprechend zu nennen. Und wir haben in der Pipeline, das Spielfeld ist erst begonnen, sage ich mal, also wir arbeiten seit Jahren fast schon, kann man sagen, an der Luise, das wird eine hochprozentige Berliner Weisse werden, als wirklich als Champagner Ersatz. Wobei da sehr, sehr anspruchsvoll ist den Brett-Charakter im Zaume zu halten. Also da kann man noch viel machen im Bereich Berliner Weisse. Ich würde fast sagen, das ist kein, nur ein Bierstil, sondern es ist quasi übergeordnet, dass ich also mehrere Spielfelder dort habe.

 

Himbeer Weisse, Kirsch Weisse und Waldmeister Weisse

Markus: Ich muss sagen, für mich am spannendsten ist die Himbeer Weisse, das ist mein absolutes Lieblingsgetränk. Da nehme ich immer mindestens zwei, wenn ich da bin. Und ich muss sagen, was ich auch faszinierend finde, bei der Waldmeister Weissen konnte man über die Jahre sehr gut nachvollziehen, wie ihr so ein Produkt entwickelt. Der Geschmack, wenn ich überlege, die allererste, die ihr mir mal zum Probieren gegeben habt, verglichen mit dem, was es jetzt gibt und all die Schritte zwischen, fand ich total spannend eben zu sehen, wie ihr euch nach und nach an den Geschmack rantastet, wie da die Balance austariert wird, wie man dann versucht, das gut rüber zu bringen, wie es dann auch konsistent bleibt, wenn das Bier ein bisschen älter ist, und so weiter. Also fand nicht ganz spannend. Und auch vor dem Hintergrund, dass die meisten Leute gar nicht wissen, wie Waldmeister eigentlich schmeckt. Also der normale Mensch hat Waldmeister immer nur als künstliches Aroma aus irgendetwas, die wenigsten hatten wirklich schon mal ein Waldmeister Blatt irgendwie im Mund. Und das gut umzusetzen, finde ich echt total spannend und finde ich auch als Projekt einfach eine ganz, ganz coole Geschichte.

Oliver Lemke: Und als nächstes muss ich noch, ich weiß nicht, ob du das schon mal gekostet hattest, wir hatten seinerzeit ein Sondersud gemacht, Kirsche, hast du die mal gekostet?

Markus: Mhm (bejahend). Ja. Und da fand ich die Entwicklung so spannend. Das ist jetzt großartig.

Oliver Lemke: Die haben wir jetzt wieder. Also damals war so im Team hier die Entscheidung, ich habe gesagt, wir machen erst mal einmal Frucht und dann war die Entscheidung klar, Himbeere, weil die Himbeere ist echt so in your face, also ist total Himbeere pur. Und die Kirsche war subtiler, ich fand die Kirsche eigentlich fast noch spannender und darum haben wir die Kirsche jetzt wieder eingebraut. Also diesen Sommer wird es auch die Kirsche wieder geben.

Markus: Magst du uns noch ein Abschlussbier kredenzen? Wir haben jetzt noch zwei, aber die werden wir nicht mehr beide schaffen.

Oliver Lemke: Ach, ich lasse euch wählen, weißt du.

Markus: Das ist natürlich jetzt gemein, also Holger, ich würde fast sagen, wir verlängern den Podcast um zehn Minuten und machen sie doch beide, oder? Was sagst du?

Holger: Ich würde jetzt einfach sagen, auf jeden Fall jetzt als nächstes muss eigentlich das Spree Coast IPA kommen. Weil ich habe, glaube ich, gestern das Paket bekommen und habe es heute ausgepackt und so, und seitdem freue ich mich darauf. Also das wäre sehr gemein, wenn das also jetzt nicht käme.

Oliver Lemke: Wenn ihr euch nicht entscheiden könnt, machen wir beide. Los, geben wir Gas.

Markus: Wir machen beide. Du hast da grad schon eines aufgemacht, ich glaube, das war das Spree Coast, oder?

Oliver Lemke: Genau. Ja.

Markus: Dann ziehe ich mal nach hier.

 

Spee Coast IPA – ein West Coast India Pale Ale aus Berlin

Oliver Lemke: Ich fange schon mal an. Die Geschichte dahinter ist auch sehr schön, und zwar hat die Hop Growers Association, also der Hopfenpflanzer Verband der USA, seit einigen Jahren inszenieren die einen Wettbewerb, verschicken Hopfen und sagen, hier, die, die ihr mitmacht, macht einen Wettbewerb unter Zuhilfenahme unseres Hopfens. Ihr könnt den auch noch ergänzen durch anderen Hopfen oder ihr könnt was weglassen, wie auch immer. Und wer macht das beste West Coast Style IPA in Deutschland? Da haben wir gleich beim ersten Mal mitgemacht und ich habe dieses Bier geschrieben einfach nur aus der Theorie. Dann haben wir mitgemacht und haben nichts gewonnen. Und fand das Bier aber super eigentlich und hatten auch einen Spree Coast, und haben das Bier dann trotzdem auf den Markt gebracht. Und dann kam der damalige Braumeister Andy Hegny, Markus, du kennst den noch, ne?

Markus: Ja.

Oliver Lemke: Der Andy ist ein großer Freund von Citra und ich mag überhaupt kein Citra, weil diese harzigen Noten und so, das ist alles nicht so meins. Habe ich vorhin schon gesagt, wenn ihr aber jetzt Centennial, Cascade ein bisschen. Der Andy kam dann nach Hause und hat das von mir entworfene Spree Coast mit Citra gestoppt, sage ich mal, bis der Arzt kommt. Und meinte, hier, guck mal, so muss es sein. Und da habe ich gesagt, Pfui Deibel, so kann das keiner saufen. Und dann haben wir uns geeinigt und dann haben wir gesagt, okay, ein Teil von dem Citra, den er da reingemacht hat, den machen wir da rein. Und ich glaube, ein Viertel oder so. Und dann haben wir das gleiche Bier im nächsten Jahr eingereicht und haben Gold gewonnen bei dieser Hop Growers Association. Dazu muss man sagen, das ist zwar ein kleiner Wettbewerb, aber da sitzen mit John Mallet oder Matt Brynaldsen wirklich Leute drin, die schon eine Reputation haben. Also da sitzt nicht irgendeiner, also das war uns schon ein wichtiger Award, obwohl er klein war. Und ein Jahr später oder zwei Jahre später eben den European Beer Star. Was schließen wir daraus? Auch hier dieses Bier ist ein Teamwork. Also einer schreibt das Rezept, macht die Grundgeschichte und der andere frickelt dran rum und sagt, müssen wir was ändern, und so ist es echt unser gemeinsames Projekt gewesen, was wir jetzt zum Erfolg geführt haben. Und der Andy hat sich dann auch gleich das Etikett quasi oder ein Teil des Etiketts auf den Nacken tätowieren lassen. Sensationell, ja. Das war irgendwie diese Geschichte. Und geschmacklich ist es also wirklich West Coast Style. Also wir haben ein Standard IPA, was ein bisschen lieblicher ist, was ein bisschen netter ist für Starter, und hier ist wirklich die volle bittere ein bisschen Harzigkeit, aber auch Centennial und Cascade als Aromaspender Grundlage. Ich finde es toll, ich trinke es mittlerweile deutlich, deutlich lieber noch als unser Standard IPA. Auch viele Amerikaner kommen hier auf den Hof oder so und sagen, hey, ich bin gewöhnt zu Hause meine IPAs und so, aber hier, da habe ich eins gefunden, was dem das Wasser reichen kann. Bin ich sehr zufrieden mit und verkauft sich auch gut.

Markus: Ich kann mich auch noch gut erinnern an den European Beer Star, an die die Winners Night, da hatte der Andy glaube ich das Tattoo ziemlich frisch ganz stolz jedem präsentiert und hatte auch schon das eine oder andere IPA auf diesen Erfolg getrunken. Das war schon …

Oliver Lemke: Aber weißt du, ist doch in Ordnung. Er ist Teil dieses Produktes, er hat das mitentwickelt und da kann man dann auch stolz drauf sein. Passt, finde ich. Was ich vorhin gesagt habe, jeder leistet seinen Beitrag hier. Wäre schlimm, wenn nicht.

Holger: Unbedingt. Ich kenne es und mir geht es auch so wie den Amerikanern, ich mag das sehr. Und ich mag sowieso gerne bittere Biere, aber die dürfen nicht so plump bitter sein. Und hier mit den 75 Bittereinheiten ist das einfach so schön auch in seiner Fruchtigkeit eingebettet, das Bier meines Erachtens wirklich großartig sein lassen. Und es ist auch nicht zu Tode gestopft. Als das auch oft, gerade bei den amerikanischen IPAs so, das sind totale Hop Heads, die einfach alles zu Tode stopfen mit Hopfen. Und das mag ich nicht. Und hier ist es auch wieder so eine schöne Ausgewogenheit, die Bittereinheiten zwar andeuten, aber die dich auch nicht fertigmachen. Und das mag ich sehr an dem Bier.

Markus: Schön ist auch diese Mischung aus diesem Citrus, harzigen, kräutrigen, ist auch so ein bisschen Anis und so. Also es ist eine unheimlich große Bandbreite an Aromen in dem Bier. Das macht mir also auch richtig viel Spaß.

Oliver Lemke: Fein, fein. Freut mich, dass ihr zufrieden seid mit dem, was wir hier so machen.

Markus: Kannst du uns jede Woche schicken, so ein Paket.

 

Bier-Vielfalt aus der Bundeshauptstadt

Oliver Lemke: Alles klar. Aber es ist auch wirklich, wenn man mal zurückdenkt so, also diese Vielfalt, weißt du, das ist echt, macht super viel Spaß vor einem Kühlschrank zu stehen und zu sagen, okay, wo habe ich denn jetzt Bock drauf. Und eben nicht da reinzugreifen und immer das gleiche Bier zu trinken. Und bei Leuten wie uns haben sich die Trinkgewohnheiten, glaube ich, drastisch geändert. Ich kriege ja schon, wenn ich eine 0,5er sehe irgendwo, habe ich schon den Kanal eigentlich zu. Ist mir viel zu viel. Wieviel 0,5er an einem Abend trinkst du? 4 Stück? Ich nicht so viel. Also 4 Stück ist so Maximum, viel mehr mag ich nicht. Dann habe ich maximal 4 Geschmackserlebnisse, ist mir zu wenig für einen Abend.

Markus: Wir hatten einen Psychologie-Professor zu Gast, den Claus-Christian Carbon, und der hat auch ein bisschen so die Trends erforscht und erzählt, dass es eben auch tatsächlich in diese Richtung geht. Also dass die Leute tendenziell eher deutlich weniger konsumieren, aber dafür viel mehr Verschiedenes. Kann man natürlich mit so einer Palette wunderbar reinkommen.

Oliver Lemke: Wollen wir noch eins nehmen? Oder habt ihr keine Zeit mehr?

 

Barrel Blend – ein Imperial Stout als Kunstwerk

Markus: Naja, wenn du uns den Barrel Bland schickst, da gibt’s nichts. Ich meine, allein das Bier ist deswegen schon faszinierend, weil man es gar nicht am normalen Etikett erkennt. Das Etikett schaut aus wie das ganz normale Imperial Stout und dass es dieses besondere Bier ist, dieser Barrel Blend, erkennt man nur an der Binde, die oben um den Hals gewickelt ist sozusagen.

Oliver Lemke: Und es sollte einen kleinen Stempel haben.

Markus: Stimmt, meins hat jetzt auch einen Stempel, früher hatte es diesen aber nicht. Und auf der Binde sieht man dann auch ein bisschen, welche Fässer verwendet wurden. Hier steht jetzt Cherry Bourbon, Cognac und Tequila, kann man sich, glaube ich, schon eine Menge an Aromen vorstellen. Aber was es genau damit auf sich hat, wirst du jetzt sicherlich uns gleich erzählen.

Oliver Lemke: Erstmal ein Geheimnis lüften. Die Banderole haben wir irgendwie vor ein paar Jahren produziert, die ist nur exemplarisch. Das heißt, wenn wir jetzt, ich sehe schon zum Beispiel in diesen Barrel Blend ist Rum drin und der Rum steht nicht mit auf der Binde. Also die Binde darfst du mich für eins zu eins umsetzen in Realität.

Markus: Aber sie zeigt zumindest, dass es diese spezielle Version vom Imperial Stout ist.

Oliver Lemke: Korrekt. Genau. Wenn ich dieses Bier blende, ist die Idee, möglichst Komplexität zu erreichen, ohne aber, und das wisst ihr auch, vielfach ist es so, dass der Alkohol dich erschlägt. Die Idee ist Komplexität, aber ohne, dass der Alkohol zu dominant ist und ohne, dass einer der Bierstile oder der Spirituosenstile, die da drin sind, zu dominant wird. Bei Rum zum Beispiel ist es total gefährlich. Wenn du mehr als 5 Prozent Rum Vorbelegung hast, dann schmeckt das nur noch nach Rum. Haben wir mal ausprobiert, fanden die Jungs hier super cool. Dann habe ich gesagt, ist nicht meins, da siehst du am Caribbean Stout oder so. Finde ich nicht gut, weil nicht balanciert. Aber jeder findet was anderes schön. Also die Idee ist, ich nehme ein Bier, lege das auf unterschiedliche Vorbelegung, ein paar stehen da drauf, Cherry, Bourbon, Tequila, was auch immer, uns in den Keller kommt, lass das eine Weile darauf liegen, fange an zu blenden. Muss man sich so vorstellen, dann sitzt man hier, hat diese unterschiedlichen Biere da und arbeitet wirklich mit einer Pipette, weil es muss reproduzierbar sein. Im Regelfall versuchst du erstmal eine Basis rauszufinden. Das heißt, du guckst, welches Bier ist von denen, die du hier hast, wirklich das Beste, was am meisten das verkörpert, was du erreichen willst. Das ist ganz, ganz oft das Whiskygelagerte, sei es Rye oder Bourbon oder was auch immer. Weil die Erfahrung zeigt, dass diese Whiskey-Geschichte einfach unfassbar gut zu unserem Stout passt und im Regelfall überhaupt zu diesen Bieren Stouts und Barley Wines. Und dann sagst du, okay, das ist jetzt nicht genug, ich möchte auch die anderen Komponenten da noch reinbringen. Und dann kommen die teilweise in nur 5 Prozent, teilweise in 20 Prozent, je nachdem. Manchmal ist es auch so, dass noch ein Imperial IPA mit dazukommt, um ein Stück Fruchtigkeit mit reinzubringen aus dem Hopfen. Und so probiert man dann rum, hat einen schönen Tag für sich selber und am Ende hat man dann ein Produkt und kann das Mischungsverhältnis in die Produktion runtergeben und sagen, hey, bitte einmal so blenden. Dann wird das geblendet und geht auf den Mischtank und dann geht’s auf den Füller und das ist das Resultat. Aber im Regelfall sind es so um die 1000 Flaschen.

Markus: Die es jedes Jahr nur einmal gibt?

Oliver Lemke: Genau. Korrekt.

Markus: Da fühlen wir uns jetzt aber sehr geehrt, dass wir das probieren können. Dann immerhin schon mal ein Promille davon.

Oliver Lemke: Da musst du dich nicht geehrt fühlen, du bist ja ein guter Kunde, du kaufst jedes Mal eine Kiste.

Markus: Das stimmt, mindestens eine.

Oliver Lemke: Alles gut, alles gut.

 

Blending beim Bier

Holger: Vielleicht noch mal ganz kurz zum Blending. Das ist auch, finde ich, eine totale Kunst. In den belgischen Brauereien gibt es richtige Blend Master, die machen gar nichts anderes als eben nur dieses Blending. Und was mich da so fasziniert, ist eben, dass man heutzutage auch mit vollautomatisierten Brauanlagen ganz viel gute Qualität produzieren kann. Aber wenn man eben so ein Blend macht, das geht eben nicht mit irgendwas Vollautomatischem.

Oliver Lemke: Genau.

Holger: Das geht nur mit dem Menschen.

Oliver Lemke: Korrekt.

Holger: Und das finde ich super.

Oliver Lemke: Das ist also zurück zur Urform des Bierbrauens. Das ist ein Stück weit unterm Tisch gefallen. Das ist ja bei der Berliner Weisse genauso wie beim Blending jetzt, dass man also eine Rolle rückwärts macht und sagt, okay, Produktkontinuität, wissenschaftlicher Ansatz, alle super, alles schön, aber das muss man paaren mit den Dingen wie unsere Vorväter und Vormütter Bier gebraut haben. Und da geht es eben um Blenden, da geht es um unterschiedlichste Mikroorganismen und, und, und. Das kann man sehr schön kombinieren, finde ich. Das heißt nicht, man macht (unv. #00:40:05.4#) Style und alles ist egal, sondern man packt diese alten Prinzipien in Leitplanken und kreiert dadurch eben schöne neue Produkte. Das funktioniert, glaube ich, ganz gut.

Markus: Back to the roots sozusagen, weil auch diese ganzen Blending-Diskussionen, also früher war es einfach notwendig Biere zu beenden, um überhaupt vernünftig trinkbare Dinge zu erhalten, also bis zur Erfindung des Porters und alles, was danach in England kam, war das durchaus üblich, und selbst in Franken hat man den Verschneid-Bock noch bis vor wenigen Jahren genutzt, um einfach von dem einen Sud auf den anderen nach und nach über zu blenden sozusagen, damit der Normalkonsument am Stammtisch nicht merkt, dass der Sud jetzt gewechselt wird. Also insofern ganz spannend oder, wenn man nach Tschechien schaut zum Beispiel, da wird heute noch geblendet, die haben ein dunkles Bier und ein Helles und dann kann ich eben auch die Mischung davon bestellen. Das wäre für Deutsche eigentlich ziemlich undenkbar. Da muss man immer so ein bisschen die Bierkulturen sehen.

Oliver Lemke: Klar.

 

Der perfekte Genuss

Markus: Was ich toll finde an diesem Barrel Blend, also ich habe ihn auch extra schon eine Stunde vorher aus dem Kühlschrank, also weil das echt ein Bier ist, was man eigentlich deutlich wärmer genießen sollte, 10, 12 Grad als jetzt ein normales Bier, vielleicht sogar 14 Grad, das muss jeder ein bisschen für sich selber rausfinden. Für mich ist es eigentlich das perfekte Bier, wenn ich jetzt irgendein Festgericht habe, also wir haben jetzt bald Ostern oder zum Beispiel letztes Jahr habe ich es zu Weihnachten aufgemacht. Da ist das einfach ein Bier, was wirklich zu diesen typischen Gerichten, die wir so haben, so ein Gänsebraten mit Wirsing und Klößen und schöner Soße und was weiß ich, Preiselbeeren dazu oder so, da ist das ein Bier, was total gut andockt, ein Food Pairing mit allem anbietet, schön bestehen kann und wirklich so einen Abend richtig rundmacht. Und da merkt man auch immer an so einem Bier, wie viel besser ein Bier sein kann als ein Wein. Da finde ich eben toll, dass die Brauereien eben auch ein Angebot haben, das heißt, man kann den ganz normalen Menschen abholen mit einem schönen Hellen, aber man kann eben auch jemanden, der jetzt einen perfekten Genuss haben will, dem kann ich dann zum Beispiel so ein Barrel Blend bieten und der ist dann eine halbe Stunde damit beschäftigt, einfach nur ins Glas rein zu riechen und ist davon schon begeistert.

Holger: Markus, ein wunderbares Schlusswort. Ich glaube, besser kriegen wir es nicht hin.

Oliver Lemke: Über das Bier haben wir noch nicht geredet. Aber ist auch egal, es ist schön, dass es dir gefällt, Markus. Du hast es gut ausgedrückt. So sehe ich das auch.

Markus: Ich kann mich noch erinnern, ich glaube, das war auf der Internorga damals in Hamburg, wo ich das zum ersten Mal auch einem größeren Publikum vorgestellt habe, und das war echt ein ganz, ganz toller Moment. Weil damals, ja, es war unbekannt, überhaupt ein Bier in ein nicht vorbelegtes Fass zu tun, es war unbekannt, ein Bier aus verschiedenen Fässern zu blenden und es dann so zu präsentieren. Da hat man wirklich gemerkt, wie bei vielen im Kopf einfach was passiert ist. Also bei vielen, die eben vorher aus der Weinecke, aus der Spirituosenecke kamen und immer aufs Bier so herabgeschaut haben und gesagt, na, ihr mit eurem Hellen und Pilz und alles gut und schön, aber wenn es um Geschmack und Genuss geht, dann trinke ich halt mein Weinchen. Da habe ich wirklich Leute echt abholen können und mit dem Bier auch begeistern können. Also auch deswegen bin ich wahrscheinlich so davon begeistert.

Oliver Lemke: Macht das mal weiter mit dem Leute begeistern, das ist gut, das brauchen wir.

Markus: Wir sind jetzt, glaube ich, eh schon beim doppelten Podcast oder so. Wir freuen uns sehr, dass du unser Gast warst, Oli. Das war ein ganz, ganz tolles Gespräch und hat auch mal wieder gezeigt, wie viel Enthusiasmus und Begeisterung und auch Handwerkskunst und Unternehmergeist alles in einer Brauerei stecken kann und auch muss, wenn sie eben lange Bestand haben sollen und eine Perspektive auch für die Zukunft haben soll. Also vielen, vielen Dank, war ein ganz toller BierTalk mit dir.

Oliver Lemke: Gerne immer. Freut mich, dass ich dabei sein durfte. Ich bin immer für euch da.

Holger: Grüß mir Berlin, Oli.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 1 – Interview mit Markus Raupach, Gründer der Deutschen BierAkademie

Am 31.3.2020 gestaltete der Nürnberger Sender max neo einen kompletten Tag rund um das Thema Bier. Als Studiogast hatte sich CvD Sven Grillenberger Markus Raupach geladen. Hören Sie spannende Hintergrundinformationen zur Geschichte der BierAkademie, aktuelle Einschätzungen zur Lage der Bier-Branche in Corona-Zeiten und eine Live-Verkostung von Bier und Schokolade – gerne auch zum Mitmachen…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

BierTalk 2 – Interview mit Prof. Dr. Claus-Christian Carbon von der Universität Bamberg

Claus-Christian Carbon ist seit 2008 Professor für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Schon viel länger ist er aber Liebhaber der fränkischen Bierkultur und widmete sich in seinen Forschungen intensiv den Themen Wahrnehmung und Sensorik. Gemeinsam mit der Deutschen BierAkademie führte sein Lehrstuhl 2018 einen umfangreichen Versuch zum Thema „Bier und Musik“ durch. Grund genug also, um sich im BierTalk über Bier und seine Versuchungen zu unterhalten…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

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Markus: Hallo zusammen, dann begrüßen wir euch mal ganz herzlich zu unserem BierTalk Nummer zwei. Natürlich wie immer mit mir, mit dem Markus …

Holger: … und mit mir, dem Holger.

Markus: Wir haben natürlich auch einen Gast, der sich am besten vielleicht kurz selbst vorstellt.

Claus-Christian Carbon: Hallo, grüßt euch! Hier spricht Claus-Christian Carbon, ich bin hier Professor. Hier bedeutet Uni Bamberg, also in Bamberg, in der schönen Bierstadt Bamberg. Ich bin Psychologe von Haus aus und interessiere mich vor allem für sowas wie Wahrnehmung, sowas wie Genuss. Und mich interessiert deswegen Bier sehr und deswegen arbeite ich auch mit Markus zusammen. Einfach deswegen, weil wir eben der Meinung sind, dass man das Ganze wissenschaftlich auch angehen kann. Also die Wahrnehmung, den Genuss besser zu erforschen und dann auch solche spannenden Sachen zusammenzubringen wie Regionalität und Identität. Und dazu werden wir vielleicht nachher ein bisschen was sprechen können.

 

Die Sensorik in der Wissenschaft

Markus: Ja. Und wie es sich für einen BierTalk gehört, haben wir natürlich auch jeder ein Bier ausgesucht, das wir nach und nach aufmachen und über das wir auch ein bisschen reden. Vielleicht vorneweg, Claus-Christian Carbon, wenn du ein bisschen was dazu sagst für uns Laien jetzt in der Beziehung: Wenn jetzt jemand ein Bier trinkt, wie wird denn die Wahrnehmung die Sensorik damit berührt jetzt von der wissenschaftlichen Seite aus?

Claus-Christian Carbon: Das Spannende ist ja genau das, was uns jetzt gerade fehlt in Zeiten wie beispielsweise einer Pandemie. Wo wir tatsächlich nicht zusammenkommen können, fehlt uns genau dieser gesellige Aspekt ganz, ganz stark. Also Bier trinken bedeutet meist, außer es ist eben in einer pathologischen Weise, dass man eben tatsächlich Bier trinkt, um zu kompensieren und so weiter, daheimsitzt und depressiv ist, traurig ist und so weiter. Aber wir sprechen mal von den positiven Seiten, die ja tatsächlich sehr, sehr stark sind mit Bierfesten, mit Geselligkeiten und so weiter, dass man mit seinen Freunden tatsächlich trinkt und genießt, dann hat das eben auch eine unglaubliche soziale Komponente. Es hat auch eine gesellschaftliche Komponente, weil wir kommen beispielsweise in Wirtschaften zusammen. Und ich bin auch der Meinung, dass wenn Menschen noch zusammenkommen in Wirtschaften, dass es dann vielleicht auch sowas gibt wie eine Moderation des Ganzen. Also natürlich ist ein Stammtisch manchmal auch ein bisschen wüst und natürlich wird da auch gefeixt und politisiert, aber es gibt eben Menschen, die tatsächlich auch mal sagen können, du, das geht mir jetzt zu weit oder kannst du dann tatsächlich nochmal überdenken, was du da gerade gesagt hast? Oder der Wirt kommt und sagt: Also das geht mir jetzt ein bisschen zu weit, weil eben vielleicht das Gedankengut ein bisschen abschweift. Das heißt, das Ganze hat eine soziologische, eine gesellschaftliche Komponente.

 

Ein Professor und sein Bier

Markus: Du hast ja selber auch ein Bierchen dir ausgesucht.

Claus-Christian Carbon: Ja.

Markus: Vielleicht stellst du uns das mal kurz vor und dann können wir mal ein bisschen mal schauen, was für Wahrnehmungen du hast. Vielleicht kennen wir das Bier oder erinnern uns an ein ähnliches Bier, dann können wir da vielleicht auch ein bisschen darüber reden und können über die verschiedenen Aspekte vielleicht ein bisschen sprechen.

Claus-Christian Carbon: Also erstmal mache ich es jetzt authentisch auf. Vielleicht erkennt ihr es ja am Aufmachen. Das ist ziemlich unwahrscheinlich, aber jetzt setze ich mal an. Eine 0,5 Liter Flasche und es ist ein Rauchsüdla, ein Spezialsud der Brauerei Knoblach aus Schammelsdorf. Etwas eigentlich sehr, sehr Besonderes, nicht unbedingt was sehr, sehr Teures. Das ist eben das Tolle an Franken, dass die Biere nicht unbedingt superteuer sind, aber superexklusiv. Weil tatsächlich, dazu kannst du bestimmt viel mehr sagen, aber das ist nicht einfach nur eine Familienbrauerei, die tolle Biere macht, tolle Standardbiere macht, sondern die machen eben auch immer Spezialsude und das ist eben etwas, das mache ich heute auf, das trinken wir heute, und das könnte ich in einem halben Jahr wahrscheinlich gar nicht mehr kaufen. Ein leicht rauchiges Bier, ich schenke mir das mal ein.

Markus: Während du einschenkst, können wir den Holger mal ins Boot holen. Rauchbier ist für dich auch nicht fremd, was würdest du denn jetzt erwarten, was der Claus-Christian für Eindrücke hat?

 

Bier ist Get Together

Holger: Naja, also ich möchte eigentlich noch mal Bezug nehmen auf das, was er vorher gesagt hat, weil ich das ja auch immer sage. Also Bier ist einfach Get Together und Bier ist Geselligkeit, ist Heimat und ist unkompliziert. Also so wie ich auch selbst, also als Ruhrgebietler sind wir auch total unkompliziert. Und deshalb liebe ich das so sehr. Und weil Bier halt Heimat ist, ist das so, dass, wenn ich mit Rauchbier arbeite, und das mache ich ziemlich häufig auch, um auch zu zeigen, was Bier sein kann, dann ist das bei den meisten Leuten so, dass die sagen, Mensch, also das schmeckt ja wie so ein geräucherter Schinken. Das ist eigentlich die sensorische Wahrnehmung, die da jeder hat und ich selbst auch. Aber wenn man ganz im Norden ist, also zum Beispiel in Ostfriesland, so in Aurich oder Emden, so diese Ecke, da ist es für die Leute ganz typisch, dass die sagen, das ist ganz klar, Räucherfisch. Also die würden nie auf die Idee kommen, das mit Räucherschinken zu verbinden. Und wenn ich dann sage, also ich erlebe das als Räucherschinken, dann widersprechen die mir und sagen, nein, nein, das ist Räucherfisch, ganz klar. Und das Lustige ist dann, wenn man darüber nachdenkt, hat man auch dann die Bilder im Kopf. Also wenn man dann probiert und dann noch mal nachschmeckt, so nach dem Motto, könnte das jetzt eigentlich auch eine geräucherte Forelle sein, dann bejaht man das. Und das finde ich unglaublich spannend. Dann sind wir ja total eben auch in der Psychologie.

 

Assoziationen beim Bier

Claus-Christian Carbon: Ganz genau. Es ist eine ganz, ganz spannende Sache. Ein Doktorand von mir, der Stefan Ortlieb und ich haben gerade, vor zwei Tagen haben wir veröffentlicht einen Artikel. Das ist eigentlich einfach gar nichts Originäres von uns, sondern wir haben eine Schrift übersetzt aus dem 19. Jahrhundert von Fechner. Das ist so ein ganz, ganz wesentlicher sogenannter Psychophysiker. Also der hat das erste Mal angefangen, psychische Phänomene so zu verstehen, dass man erst die Physik sich anschaut, die Physik verändert. Also zum Beispiel würde man jetzt bestimmte Noten, Geschmacksnoten, Aromanoten in einem Bier leicht verändern und dann eben schauen, wie die Übersetzung ist in das Psychische. Und der hat was sehr, sehr spannendes geschrieben 1866 und bisher war das nur für Deutsche verfügbar, weil es eben in Deutsch geschrieben ist, auch noch in Fraktur, und das heißt das Assoziationsprinzip. Und was Holger gerade beschrieben hat, ist genau das, was 1866 im Prinzip das erste Mal erkundet worden ist, nämlich wir bewerten Dinge nach unseren Assoziationen. Wir haben beispielsweise als Nordlichter eben die Assoziation zu Räucherfisch und stellen uns dann tatsächlich sofort einen Fisch vor und haben eine mehr oder weniger gute Assoziation. Die meisten werden eine positive Assoziation haben, kann aber auch ganz anders sein. Kann was ganz, ganz Negatives sein. Und dann wird dieses Getränk auch unglaublich schlecht ankommen. Nehmen wir mal ein Beispiel mit dem Schinken, also für die Süddeutschen ist das dann meist eben der Schwarzwälder Schinken, das ist ja eben kein luftgetrockneter Schinken, sondern eindeutig einer über Buchenholz geräucherter. Und das ist ja genau das, was hier auch gemacht wird, es wird über Buchenholz geräuchert das Malz. Und das Spannende ist eben, wenn ich beispielsweise mit Leuten spreche, die Vegetarier sind, die sagen teilweise einfach: Bah! Das ist ja ekelhaft. Das stinkt nach totem Fleisch. Und andere sagen: Ah, das erinnert mich so toll an genau das und an einen vielleicht schönen Urlaub oder irgendwas. Das sind eben auch ganze Narrative, ganze Geschichten, die mit einem Mal aktiviert werden. Und das ist das Magische daran und deswegen ist dieses Assoziationsprinzip von 1866 so der Art aktuell noch heute.

Markus: Kann man ja ein richtiges Storytelling praktisch aus so einem Bier machen, weil man dann praktisch in dem Geschmack über die Assoziationen eine gesamte Geschichte dahinter verpacken kann.

Claus-Christian Carbon: Richtig. Und das Spannende ist, Markus, es ist eben nicht nur so, dass diese Assoziationen alle automatisch laufen. Die laufen ziemlich automatisch ab, aber wie du es gerade angedeutet hast, du kannst das natürlich auch lenken. Du kannst einfach beispielsweise über eine Bilderwelt, die du präsentierst, oder zum Beispiel auch ein Storytelling, kannst du genau diese Assoziationen eher wahrscheinlich machen als weniger wahrscheinlich. Und damit kannst du tatsächlich unglaublich erfolgreiches Marketing machen, hoffentlich in einer positiven Weise, dass man eben die Werte, die man auch wirklich hat, transportiert.

 

Wer braucht Marketing?

Holger: Gerade das Thema Marketing ist für mich immer so ein Thema, braucht man das eigentlich? Also wenn man das jetzt rein aus der Unternehmenssicht und der Gewinne und der Gewinnmaximierung sieht, dann braucht man das natürlich. Aber Marketing hat halt ganz viel mit Manipulation zu tun. Und das ist für mich so eine Grenze, die ganz schwierig ist. Also ich gebe jetzt mal ein Beispiel, das kennt jeder, dass zum Beispiel Alexander von Humboldt, also das ist dieses Segelschiff mit den grünen Segeln, das ja auch Becks verwendet, und das hat, glaube ich, an der Ecke wahnsinnig gut funktioniert und ist auch das, was der Christian gerade beschreibt. Also ich trinke mir ein Becks und denke zwangsläufig eben an die Alexander von Humboldt, an die Freiheit, an dieses Fernweh. Also genau das ist es. Und das produziert auch Geschmack. Wenn bei mir in den Verkostungen, also wenn das jetzt so ist, dass eben die Leute aus unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik unterschiedliche Wahrnehmungen haben, dann reden wir natürlich auch darüber, woher kommt das? Ich äußere mich dann so ähnlich. Ich sage dann immer: Ja, also das ist wahrscheinlich so wie eure Mütter euch irgendwas gegeben haben und haben dann darüber berichtet und haben dann einfach gesagt, das ist geräuchert. Und das bleibt dann hängen. Und die können natürlich auch noch mal verändert werden oder diese Begriffe bilden sich dann später und die Verbindungen, das weiß ich gar nicht ganz genau. Aber ich glaube, das hat ganz viel auch mit Zuhause zu tun und wie wird man groß. Essen oder Geschmack ist Heimat. Also das ist so, glaube ich, oder?

Claus-Christian Carbon: Ganz, ganz stark. Diese Assoziationen beziehen sich halt immer auf eine Lerngeschichte. Das hört sich jetzt ein bisschen nüchtern an, aber im Prinzip ist das das ja. In einer Lerngeschichte, in einer individuellen Lerngeschichte sind eben die Episoden des eigenen Lebens drinnen. Und wenn das zum Beispiel positive Sachen sind, also deine Mama hat dir eben ganz, ganz tolle positive Sachen beigebracht und gezeigt und so weiter, und dieses Bild deiner Mutter oder vielleicht eine Situation, die mal erfahren worden ist mit deiner Mutter, wird gerade aktiviert über so etwas. Was weiß ich, irgend so ein Beispiel wie, das nehme ich immer, Multi Sanostol. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt.

Holger: Ja, absolut.

Claus-Christian Carbon: Multi Sanostol ist so ein Saft.

Holger: Da habe ich jetzt sofort die Verpackung im Auge.

Claus-Christian Carbon: Ja genau, dieses …

Markus: Und ich die Melodie im Ohr.

Claus-Christian Carbon: Genau. Richtig. Auch die Melodie. Und das ist zum Beispiel in unserer Kindheit, wir sind ungefähr ja gleiches Alter, ähnliches Alter auf jeden Fall, und wir sind eben aufgewachsen mit dem. Da ist die Zeit gewesen, als es nicht mehr Lebertran, also man das nicht mehr so gemacht hat, weil man eben gemerkt hat, dass es irgendwie ein Wahnsinn ist, die ganzen Wale dafür abzuschlachten, dass Kinder Vitamin D kriegen in Deutschland und in anderen Ländern. Und dann hat man eben diesen Ersatzstoff entwickelt und der war wahnsinnig süß und so weiter. Und wenn ihr den mal irgendwann noch mal irgendwo herkriegt und das einfach mal aufmacht, dann werdet ihr ganz, ganz schnell merken, dass ihr wie Kinder euch gerade fühlt. Und das ist ein ganz wohliges Gefühl, weil meist hat es uns ja unglaublich gut geschmeckt. Und wir haben das aber nie wieder probiert, weil man natürlich kein Multi Sanostol eigentlich als Erwachsener isst oder trinkt oder. Es ist auch unglaublich teuer und so weiter. Keiner würde auf so eine Idee kommen. Aber wenn ihr das macht, habt ihr plötzlich diese ganz, ganz starken positiven Assoziationen, meist positiven Assoziationen, weil man eben die damals auch ganz positiv erlebt hat. Diese Situation, wo man das dann getrunken hat, das war ein Privileg, das war eben, wenn man vielleicht was Besonderes gemacht hat, oder wenn einfach eine warmherzige Mutter oder Vater eben einem das eingeschenkt haben.

 

Kopfkino durch Bier

Markus: Da kann man auch wieder den Rückschluss praktisch ziehen. Wenn ich jetzt grad an das Rauchsüdla denke, das habe ich nämlich witzigerweise vor zwei, drei Tagen auch aufgemacht, weil ich mir eben eine Flasche besorgt habe, um das eben auch zu verkosten, und da ist wirklich bei mir dann auch im Kopf der Film abgelaufen, wie ich zum ersten Mal damals beim Knoblach in Schammelsdorf war, in der Wirtschaft, wie voll das war. Ich weiß noch, was wir damals gegessen haben und so. Also da merkt man, wie viel Erinnerungen auch abgespeichert werden mit sensorischen Eindrücken.

Claus-Christian Carbon: Genau.

Markus: Apropos sensorische Eindrücke, wie geht‘s dir denn mit dem Bier? Was würdest du denn zum Geruch und zum Geschmack sagen?

Claus-Christian Carbon: Also ich finde das sehr, sehr angenehm. Ich liebe, muss ich dazusagen, Rauchbiere. Das ist natürlich eine wichtige Vorbedingung, wahrscheinlich, weil ich auch positive Assoziationen eben habe. Man darf natürlich das immer nicht überschätzen. Das ist natürlich nur eine Komponente dieser Assoziationen. Aber trotzdem, die sind bei mir sehr positiv. Ich mag durchaus sowas wie einen Schwarzwälder Schinken auch. Und hier ist es tatsächlich so, das ist eine zurückgenommene Rauchbier-, Rauchmalz-Note, die da drin ist. Das ist sehr angenehm, obwohl ich auch die ganz, ganz starken, also Schlenkerla liebe ich. Das ist so für mich das Nonplusultra an Stärke von Rauchbier. Und da geht es mir zum Beispiel so wie dem Markus: Wenn ich einfach ein Schlenkerla aufmache, meist trinke ich es natürlich wirklich im Schlenkerla, aber dann ist es einfach so, dass bei mir immer positive Assoziationen zusammenkommen. Weil da sitze ich mit meinem Team, mit meinen Freunden im Schlenkerla, und genau das fühle ich dann auch und das spüre ich auch. Und hier, muss ich auch sagen, ich habe einfach, wenn ich das jetzt aufmache, vielleicht ist das tatsächlich eines der besten Mittel zurzeit gegen die Isolation in einer Zeit, wo wir tatsächlich nicht einfach rausgehen können wegen Covid-19, dass man tatsächlich sich wieder vertraut macht, ich rieche gerade noch mal, an eine Zeit, wo man eben sich ungezwungen einfach treffen konnte. Und das spüre ich jetzt gerade sehr. Was ich sehr angenehm empfinde an dem Bier, das ist eben nicht süß, sondern das hat trotzdem eine herbe Note, aber eben nicht wie die fränkischen Biere insgesamt, nicht zu herb. Ich finde das sehr, sehr außergewöhnlich, das schmeckt anders als das Hartmann. Das Hartmann ist ein bisschen weniger malzig, finde ich, rauchmalzig. Es hat durchaus Kanten, also es ist nicht ganz, ganz weich und geschmeidig. Ich mag das sehr gerne. Ich würde es als idiosynkratisch bezeichnen. Es ist tatsächlich ein außergewöhnliches Rauchbier, es schmeckt anders als die, die ich bisher kannte.

Markus: Mit Hartmann meinst du den Felsentrunk von Hartmann Würgau?

Claus-Christian Carbon: Genau. Richtig.

Markus: Da ist Whiskey-Rauchmalz drin, der hat natürlich noch mal eine andere Note.

Claus-Christian Carbon: Eine stärkere Weichheit irgendwie, habe ich das Gefühl wenigstens. Also ich finde den Hartmann ja sagenhaft, muss ich sagen, diesen Felsentrunk. Ich lebe den.

 

Alkoholfreies Bier in der Verkostung

Holger: Ihr werdet jetzt staunen, also wirklich, ihr werdet staunen. Und zwar habe ich ein alkoholfreies Bier dabei, das ist ein Warsteiner herb alkoholfrei. In dem Zusammenhang, wo wir jetzt gerade diskutiert haben, ist es so, dass ich gerade mit diesem Bier auch wiederum oft Blindverkostung mache. Und habe da die Erfahrung, dass so gut wie nicht passiert, also ich würde wirklich sagen 98 oder 99 Prozent, dass jemand da merkt, dass das überhaupt alkoholfrei ist. Das ist auch sehr spannend.

Claus-Christian Carbon: Ja super.

Markus: Ja, dann mach doch mal auf.

Holger: Also ich soll mal aufmachen? Ja?

Markus: Ja, absolut.

Holger: Dann werde ich euch versuchen jetzt mit dem Geräuschbild also Durst zu machen.

Markus: Klingt schon gut.

Claus-Christian Carbon: Da ist relativ groß das Glas, oder?

Holger: Ja, ja, natürlich. Das habe ich extra gewählt, weil ich jetzt auch ein bisschen schneller einschütten wollte, damit sich das besser anhört und quasi euch das Wasser im Mund zusammenläuft, wo man einfach denkt: Mein Gott, habe ich Durst. Also ja, Prost!

Alkoholfreies Bier als Alternative

Markus: Ja, so ein Warsteiner alkoholfrei ist natürlich auch eine spannende Nummer, weil alkoholfreie Biere jetzt immer wichtiger werden und trotzdem die Herausforderung natürlich bestanden hat zumindest bisher für die Brauereien, dass sie versucht haben mit ihrem alkoholfreien Bier so ein Gegenstück oder eine Alternative zu dem Normalbier, das sie haben, herzustellen. Ändert sich jetzt gerade ein bisschen, jetzt gerade wird alkoholfreies Bier was Eigenständiges, sodass es immer mehr Leute gibt, die überhaupt noch nie ein normales Bier getrunken haben, sondern mit alkoholfreiem Bier überhaupt einsteigen. Und da wäre für mich tatsächlich auch mal an den Fachmann die Frage: Wie ist denn das mit dem Alkohol als Substanz in der Sensorik? Also macht das was aus, ändert sich das? Oder ist das, wenn man alkoholfreie Sachen verkostet, eigentlich sehr ähnlich?

Claus-Christian Carbon: Also die erste sehr, sehr spannende Sache ist: Wir haben das sogar mal erforscht vor langer, langer Zeit, da war ich noch Student an der Universität Trier, da haben wir Verkostungen gemacht von alkoholfreien und alkoholhaltigen Getränken, angeblich. Das Spannende ist: Wir haben den Leuten natürlich nicht gesagt, was was ist. Zum Schluss war es so, dass alle alkoholfrei waren. Und zwar waren das damals Bitburger alkoholfrei, das war, ich glaube, es hieß Drive. Auf jeden Fall kam das gerade auf dieses Bier. Und das Spannende ist: Wir haben die Leute auch einschätzen lassen, wie sie sich jetzt gerade fühlen. Und dann haben wir tatsächlich auf dem Universitätscampus vor der Mensa so einen Stand aufgemacht und die Leute haben erst mal berichtet, oh, jetzt darf ich aber nicht mehr so viel trinken, ich merke schon, der Alkohol schlägt an und ich muss ja heute noch studieren. Diese Untersuchung ist durchaus auch ethisch durchaus bedenklich. Einfach deswegen, also natürlich ist es erstmal unbedenklich, rein physikalisch, weil die haben keinen Alkohol getrunken, deswegen kann ich das natürlich machen. Aber die Welt ist eben eine zutiefst psychologische, also die Realität, die wir erleben, ist eine psychologische und nicht eine physikalische. Natürlich in gewissen Grenzen ist sie auch physikalisch. Wenn du rausgehst und es ist minus 20 Grad, wirst du erfrieren, da hilft dir die Psychologie nichts, aber da fühlst du ja auch tatsächlich, dass es sehr, sehr kalt ist. Es ist ja nicht so, dass die völlig entfremdet ist die psychologische Welt. Aber die psychologische Welt war tatsächlich so, dass die Menschen, die hier mitgemacht haben, die Versuchspersonen, angegeben haben, dass sie langsam betrunken werden. Und manche Männer haben dann gesagt: Boah, jetzt habe ich … Die haben dann wirklich drei Biere getrunken und haben gesagt: Ich bin ja total Kante. Ich habe jetzt richtig viel getrunken. Und fühlten sich so und haben auch angefangen zu lallen. Und das Spannende ist, wenn wir, und das hat auch was mit der Assoziation zu tun, sobald wir tatsächlich anfangen, etwas zu trinken, was typischerweise Alkohol hat und wir tatsächlich darauf trainiert sind, dass wir eine gewisse Wirkung haben, werden wir die auch schon antizipieren. Wir werden sie tatsächlich schon vorerleben. Und das ist nicht irgendwie etwas Magisches, sondern das macht natürlich totalen Sinn. Also wenn wir tatsächlich wissen, dass wir aus unserer Lerngeschichte gleich etwas erleben werden, werden wir uns darauf vorbereiten. Und das ist sogar hier mit der Alkoholwirkung so. Bezogen auf die Sensorik, es gibt tatsächlich kaum eine Forschung dazu, was der Alkohol tatsächlich Vorteilhaftes bringen könnte für die Aromen. Wichtig ist nur zu sagen, dass manchmal der Alkohol tatsächlich was sehr negatives Wahrgenommenes sein kann. Dass man eben sagt: Das ist sehr sprittig, ein Bier oder ein Wein schmeckt sprittig. Und das ist tatsächlich eher was Negatives. Eigentlich sollte man den Alkohol nicht groß, man kann ihn vielleicht spüren, das kann auch durchaus was Positives sein, aber man sollte ihn eigentlich nicht direkt schmecken. Und Wie tatsächlich Alkohol als Überträger von Aromen tatsächlich dienen kann, ist einfach nicht richtig gut erforscht.

 

Betrunken ohne Alkohol?

Markus: Spannend. Also ich habe da noch eine kurze Nachfrage. Würde jetzt bedeuten, wenn jemand noch nie die Nebenwirkungen von Alkohol erlebt hat, dann könnte er sie auch nicht antizipieren?

Claus-Christian Carbon: Ich habe keine empirischen Daten, wurde nie durchgeführt, aber meine starke Hypothese für ein künftiges Experiment, was wir vielleicht mal auch tatsächlich machen werden, ist tatsächlich, die werden dann keinen Alkohol, also sie werden keine typischen Wirkungen zeigen, die Alkohol auswirken müsste. Also dass man eben lallt irgendwann, dass man eben unkonzentriert ist, dass man müde wird und so weiter. Ganz genau. Aber die anderen werden es sehr, sehr stark merken. Und vielleicht kennt ihr das sogar, und es ist noch nicht ein Zeichen dafür, dass man jetzt wirklich dem Alkoholismus oder sowas anheimgefallen ist, aber ihr kennt das vielleicht, dass man tatsächlich schon eine gewisse Art von leichter Benommenheit fühlt, wenn man eben tatsächlich an Bier denkt oder dass man weiß, jetzt trinkt man gleich was. Man kann das tatsächlich antizipieren. Und deswegen kann man auch Gegenmaßnahmen ergreifen sozusagen. Also es ist auf jeden Fall, Wahrnehmung ist nicht einfach eine Sensorik, die dort ist, sondern es ist immer etwas Mitgedachtes und es ist immer etwas Multisensorisches. Das ist vielleicht auch was ganz Spannendes. Also als vorhin Holger sein Bier aufgemacht hat, dieses Warsteiner, und das eingeschüttet hat, haben wir, glaube ich, alle mitgekriegt, dass es ein relativ großes Glas ist. Ich habe es dann auch gesagt, und ich wollte es einfach wissen, ob es wirklich so ist oder ob meine Wahrnehmung trügerisch war. Und wir stellen uns dann tatsächlich vor, wie er das vollmundig reinschüttet. Und wahrscheinlich hat das auch dazu beigetragen, dass wir es doch als sehr angenehm erlebten. Es war eben nicht nur so ein Tastingglas, wie ich es jetzt habe, sondern es ist tatsächlich so ein großes, vollmundiges. Genau das will ich eigentlich aber auch hören, wenn es um normalen Biergenuss geht, weil das ja tatsächlich, das alkoholfreie Bier will ja im Widerstreit oder im Wettbewerb stehen mit normalem Bier, also sollte es genau diese Werte transportieren. Also war das genau richtig gemacht. Und es hat tatsächlich Lust gemacht, das jetzt auch mal zu trinken.

Markus: Tja Holger, bist du jetzt schon betrunken oder nicht?

Holger: Nee, nee, absolut nicht. Also du musst ja auch noch dein Bier trinken. Und ich würde tatsächlich gern auch noch mal übers Bier an sich sprechen, über das, was ich jetzt hier vor mir stehen habe. Also nicht ganz allgemein, sondern schon im Speziellen. Weil es aus mehrerlei Hinsicht wirklich spannend ist, damit sich zu beschäftigen.

Markus: Ich kann vorher meins aufmachen.

Holger: Ja also.

Markus: Wir haben ja so eine kleine Challenge, der Holger und ich, dass man immer hört, was es für ein Bier ist beim Öffnen. Also gucken wir mal, Holger, ob du das jetzt mitbekommst, was ich jetzt hier aufmache.

Holger: Oh, das war relativ klar.

Claus-Christian Carbon: Okay. Dann gib mir mal einen Tipp.

Markus: Ich bin weit weg vom Claus-Christian, ich bin relativ nahe bei dir.

Holger: Ah ja. Hm. Sehr nah oder relativ nah?

Markus: Was ist relativ?

Holger: Also für den Süddeutschen wahrscheinlich relativ nah, oder?

Markus: Nein, Also vom Herkunftsort des Bieres bin ich gar nicht in Deutschland.

Holger: Ah okay. Kann ich eine Schätzung abgeben?

Markus: Auf jeden Fall.

Holger: Also gut. Das war ja auf jeden Fall eine Dose. Also es war ja eine Dose, eine 0,5er Dose, oder?

Markus: Etwas kleiner.

Holger: Es war eine 0,3er? Echt?

Markus: Mhm (bejahend). Ja.

Holger: Okay. Ah nee, dann habe ich das falsch gehört. Okay. Ich habe tatsächlich ein dänisches Bier vor mir gehabt, 0,5er, eine Dose, aber dann bin ich falsch, weil die gibt es nicht in 0,33er.

Markus: Richtig. Ein bisschen weiter nördlich. Nein, ich bin auf der Insel in Schottland bei Brewdog und habe mir dort das alkoholfreie IPA eingeschenkt.

Claus-Christian Carbon: Wow!

 

Volles Aroma im alkoholfreien Bier

Markus: Also alkoholfrei war mir jetzt auch wichtig, weil ich heute tatsächlich noch ein bisschen was zu tun habe und man ja heute erst recht damit rechnen muss, dass man von der Polizei mal angehalten wird. Deswegen natürlich 0,0. Auf der anderen Seite wollte ich jetzt grad früh so ein bisschen mehr Aroma auch haben. Also vielleicht ganz kurz für die Mithörer, wir zeichnen das jetzt gerade am Morgen auf, deswegen ist mir das jetzt gerade auch wichtig. Und da wollte ich eben ein Bier haben, was ein bisschen auch diese kräuterigen, grasigen Aromen hat und insgesamt mehr hopfenbetont ist. Und so kam ich dann bei diesem alkoholfreien IPA raus. Können wir aber nachher auch noch ein bisschen mehr drüber sprechen. Ich muss mich sowieso erstmal eintrinken. Solange kann der Holger uns ja an der Philosophie seines alkoholfreien Bieres teilhaben lassen.

Holger: Du hast es jetzt schon erwähnt, wir haben eben noch Vormittag. Und ich weiß ja nicht, ob dann irgendwann ein Student von dir, Christian, sich den Podcast anhört, aber …

Claus-Christian Carbon: Da kann er ruhig machen. Das ist durchaus legal, was ich da mache.

Holger: Unbedingt, unbedingt. Also wir beschäftigen uns ja wissenschaftlich gerade damit.

Claus-Christian Carbon: Absolut. Genau.

Holger: Trotzdem finde ich es sehr beeindruckend, einen Professor zu haben, der eben sich morgens um zehn halt schon ein Rauchbier öffnet. Also das ist schon was.

Claus-Christian Carbon: Natürlich, für ein so schönes Podcast unbedingt. Ganz klar.

Holger: Unbedingt.

 

Qualität und Regionalität beim Bier

Claus-Christian Carbon: Die wichtige Sache ist vielleicht auch immer klar zu machen und das ist auch etwas, für was ich eigentlich immer sehr, sehr viel Werbung mache. Wir müssen in Qualität und wir dürfen nicht mehr in Quantitäten denken, gerade nicht mehr im 21. Jahrhundert und auch nicht mehr in einer Zeit, wo Ressourcen knapper werden, wo Sachen eigentlich immer teurer werden, die hochwertig sind. Und ich glaube, dass wir tatsächlich eher dazu übergehen sollten, zum Beispiel mal einen kleinen Schluck zu trinken, unglaublichen Genuss dabei zu haben und nicht mehr in diese Masse. Und das große Problem ist ja nicht nur, dass wir natürlich ein Problem haben, dass Menschen zu viel konsumieren, dass sie dadurch einfach von ihrer Körpergröße, von ihrer Körpergesundheit tatsächlich vielleicht einfach nicht mehr im gesunden Bereich sind. Die zweite Sache ist aber auch, dass natürlich Abhängigkeiten entstehen. Und die können wir einfach sehr, sehr gut damit kompensieren, dass wir durchaus mal verschiedene Sachen testen und austesten und eben auch sowas wie Bier eben nicht mehr als einen reinen Konsumartikel ansehen, den man eben standardmäßig in großen Mengen trinkt, sondern tatsächlich wertschätzt und eben darüber spricht, also BierTalk ist eine super Institution dafür. Und eben klarmachen kann, das ist ein echtes Genussmittel, das ist eben was sehr, sehr Besonderes, so wie eigentlich auch Schokolade eben nicht zu günstig eigentlich angeboten werden sollte. Dass man eben sich wirklich Gedanken macht: Woher kommt das? Was ist das genau? Und eben lieber ein bisschen weniger isst, lieber tollere Schokolade, aber dafür weniger. Und zum Schluss kommst du wahrscheinlich, in der Bilanz kommst du sogar günstiger weg, als wenn du diese andere Schiene fährst. Und deswegen verteidige ich das auch immer, dass man eben tatsächlich auch so ein Tasting auch vielleicht mal am Vormittag machen kann. Aber eben, man muss es alles mit Maßen und mit dem Verstand machen. Das ist eben das Wichtige.

Holger: Ich sag das auch so oft. Wenn ich so Gruppen habe, wo ich dann mich selber so ein bisschen fürchte, was da jetzt dann in den nächsten zwei Stunden passiert, dann versuche ich immer am Anfang klar zu stellen: Also Freunde, hier geht es jetzt echt um Genusstrinken, nicht um Wirkungstrinken.

Claus-Christian Carbon: Genau. Richtig.

Holger: Und das muss ich dann auch sagen: Ich habe noch nie erlebt, dass die sich dann nicht daran gehalten haben, sondern alle machen dann auch mit und sind ganz erstaunt über sich selbst übrigens.

Claus-Christian Carbon: Richtig.

 

Neue Horizonte durch Bier

Holger: Und was sie da noch alles entdecken können und haben dann auch noch nie sich in der Form mit dem Getränk so auseinandergesetzt und sind hinterher bereichert. Und das kriege ich dann auch gesagt. Und das ist natürlich auch das Schöne an der Aufgabe, also dass man sowieso Menschen schöne Momente schafft, aber wenn die dann darüber hinaus noch sagen, pass auf, du hast jetzt dafür gesorgt, dass ich mich ein Stück weit noch selber besser kennenlerne, wo hat man das? Das ist doch super.

Claus-Christian Carbon: Ganz genau. Das ist faszinierend einfach, dass du beispielsweise damit ja auch eine viel nachhaltigere Kultur entwickeln kannst, die zum Beispiel dahingehend aussieht, dass man Brauereien, die klein sind, die normalerweise einfach nicht überleben könnten, tatsächlich eine Überlebensgrundlage gibt, weil ich eben ihnen dann vielleicht auch ein bisschen mehr bezahlen kann. Weil ich nicht mehr einfach sage, komm, produziere hier günstig, sondern produziere hier ein superbes Produkt, was regional angebaut ist, was vielleicht biologisch, dynamisch angebaut worden ist. Was eben tatsächlich manche Dinge beachtet, die man eben sonst nicht beachten würde. Und plötzlich sind wir in einer, meines Erachtens, viel, viel besseren Welt, auch in einer besseren Bierwelt.

Holger: Es gibt eine wirklich große Auswahl an alkoholfreien Bieren und ich versuche dann immer auch so ein bisschen durchzugehen. Also ich mache oft dann auch Gastronomieschulungen und versuche einfach darauf hinzuweisen, was das Bier auch darüber hinaus eigentlich alles kann. Und erst reden wir immer darüber, also wie ist das eigentlich mit dem Alkoholgehalt? Ist da jetzt also noch Alkohol drin, da steht ja alkoholfrei drauf, oder nicht? Oder wie ist das mit den Bieren, wo da 0,0 vorne draufsteht und so weiter? Also da gehen wir halt so durch. Und dann kann man ja auf dem Rückenetikett das also feststellen, da steht dann kleiner 0,5 % Alkohol. Und dann reden wir halt darüber, wo noch überall richtig schnell auch Alkohol hineinkommt, also wo Gärung eine Rolle spielt. Also beispielsweise bei Obst, wenn es eben irgendwo steht und es ist vielleicht auch ein bisschen wärmer noch, ein heißer Sommertag, also wie schnell man da auch Alkohol gerade hat, wo man staunt. Und dann sprechen wir halt dann einfach auch darüber: Was ist eigentlich isotonisch? Und dann kommt ja darauf, dass eben isotonisch bedeutet, dass eben der Körper aufgrund der PH-Werte des Blutes und des Getränks eben diese Flüssigkeit auch optimal aufnehmen kann. Und dann kommt man auch dahin, dass eben so ein isotonisches alkoholfreies Bier auch dann für einen Sportler einfach ein ganz tolles Getränk ist, um auch Gesundheit zu produzieren, also wirklich in der Flüssigkeitsaufnahme da optimal zu sein. Und ich finde, dass eben Bier dann doch immer so diesen gegenteiligen Touch hat, also eben nicht gesund zu sein. Aber an der Ecke möchte ich behaupten, dass Bier gesund ist. Und das finde ich auch noch mal irgendwie, also für mich ist das ja sowieso ein Mittel zum Leben, aber man könnte jetzt an der Stelle auch sagen, das ist ein Lebensmittel.

 

Bier nach dem Marathon

Markus: Eine österreichische Universität hat dazu mal eine Untersuchung gemacht und dabei kam raus, dass ein alkoholfreies Weizen tatsächlich das beste Getränk ist, was man nach so einem Marathon zu sich nehmen kann. Man sollte allerdings ein paar Salzbrezeln dazu essen, weil das Salz das Einzige ist, was das Bier nicht ersetzen kann.

Holger: Und oft habe ich dann auch sehr junge Menschen bei mir. Also sehr jung, das muss man jetzt vielleicht auch definieren. Markus, du bist es zum Beispiel nicht, aber so unter 20-Jährigen, …

Markus: Danke!

Holger: … die sind sehr jung. Naja, und für die ist das natürlich was ganz Komisches, was ich da sage. Und wenn ich dann sage, also was trinkt ihr denn, wenn ihr wirklich Durst habt, und wenn dann irgendeiner dann noch sagt, okay, da ziehe ich mir halt eine Redbull Dose rein, finde ich super, dann kann ich nur sagen: Das ist aber ungesund.

 

Alkoholfreies Bier ist kalorienarm und durch das Reinheitsgebot sehr natürlich

Markus: Das ist vielleicht auch einer der großen Punkte, dass alkoholfreies Bier einfach den großen Vorteil hat, es ist trotzdem nach dem Reinheitsgebot gebraut. Das heißt, ich habe nur Wasser, Hopfen, Malz und Hefe. Und da ist kein künstlicher Farbstoff, kein künstliches Aroma, gar nichts drin. Also ist im Grunde ein alkoholfreies Bier per se schon mal gesünder und natürlicher als jede Cola, jedes Softdrink, das man so hat. Das ist auch was, was man glaube ich vielen Leuten erst bewusstmachen muss. Das hat weniger Kalorien als zum Beispiel ein Orangensaft und der darf auch ein halbes Prozent Alkohol haben. Also insofern, da ist immer viel in der Diskussion. Aber ich glaube, das ändert sich jetzt auch so. Also die Leute nehmen das alkoholfreie Thema immer mehr wahr beim Bier. Und im Gegensatz zum Beispiel zu Wein und Spirituosen ist das beim Bier auch wirklich darstellbar. Also ich habe neulich einen alkoholfreien Gin getrunken, das ist dann wirklich die Frage. Also da kostet die Flasche dann auch 50 Euro, 60 Euro und letzten Endes ist das ein aromatisiertes Wasser. Und da fragt man sich dann vielleicht schon, ob das unbedingt dann so sein muss. Beim Bier ist das, glaube ich, für viele sehr nachvollziehbar und der Brauprozess, all das, was eben auch handwerklich dahintersteckt, ist ja dasselbe. Und dann sage ich noch mal kurz ein bisschen was zu meinem kleinen Bierchen hier. Also das ist das Punk IPA alkoholfrei. Dazu muss man wissen, dass BrewDog eine der ersten Craft-Brauereien in Europa war. Und als Punks auch angefangen haben mit zwei Punks in einem Hund und sich nach und nach gemausert haben, mittlerweile dürften sie unter den Craft-Brauern in Europa die größten sein. Und produzieren zu 90 Prozent eigentlich nur ein Bier, nämlich ihr Punk IPA, das ist so das bekannteste. Und sie haben vor kurzem einen ganz guten Coup gelandet eigentlich. Sie haben von Stone die Brauerei in Berlin übernommen und haben damit jetzt auch nach dem Brexit innerhalb der EU eine Produktionsstätte, wo sie eben ihre Biere in ausreichender Zahl und mit einer guten Abfüllung und auch mit einer Dosenabfüllung dort gut auf den Markt bringen können. Und um diesem Punk IPA so einen Partner gegenüber zu stellen, haben sie eben jetzt das Ganze in einer alkoholfreien Version gemacht. Ich finde das sehr angenehm. Es gibt von BrewDog noch einen Nanny State, das ist wesentlich hopfenintensiver und auch bitterer. Mit dem Punk IPA alkoholfrei ist es wirklich so ein Everyday Drinking Beer und da kann ich mich auch gut dran gewöhnen. Also ich trinke das halt dann lieber als zum Beispiel ein Wasser, weil es einfach trotzdem Geschmack hat und ich habe aber keinen Alkohol. Das ist für mich gerade, wenn ich jetzt viel zuhause sitze und schreibe und arbeite, einfach ein schönes Alltagsgetränk.

Claus-Christian Carbon: Und das ist auch ganz wichtig, dass man sowas hat. Bei mir ist es tatsächlich Wasser, muss ich ganz klar sagen. Aber es ist eben wichtig, dass es etwas Natürliches ist, was ein Alltagsgetränk ist. Es gibt wahnsinnig viele Leute, die einfach immer Limo, immer Saft trinken. Ich meine, das ist ziemliches Gift, muss man einfach sagen. Einfach deswegen, weil es unglaublich süß ist, weil da unglaublich viel Zucker drin ist. Weil das einfach auch übersäuert, beispielsweise beim Saft. Das ist was ganz Tolles mal einen frischgepressten Saft zu trinken, aber dieses Standardmäßige, da sollte man eigentlich eher Wasser oder zum Beispiel alkoholfreie Biere, die auch noch von der Qualität her sehr gut sind, eigentlich nutzen. Das ist auch meine Philosophie. Ja.

 

Die Brauwirtschaft nach Corona

Markus: Ich bin mal gespannt, wo die Reise jetzt insgesamt so ein bisschen hingeht. Weil ich glaube, jetzt gerade, wenn man denkt, was eben nach dieser Corona-Zeit passieren wird, glaube ich, dass es noch mehr in die Richtung gehen muss, dass die wirklich handwerklich gemachten Biere auch teurer werden, weil einfach die Umsätze durch Feste nicht mehr da sind, weil die Gaststätten nicht mehr so gefüllt sein werden, zumindest für längere Zeit so wie früher. Und weil die Unkosten trotzdem bleiben oder sogar eher noch steigen, weil die Hygieneauflagen größer werden. Und das muss sich eigentlich in einem höheren Preis niederschlagen und muss dann auch bei den Kunden die Bereitschaft irgendwie geweckt werden, dass sie das dann auch bezahlen. Weil so wie bisher, glaube ich, kann man in der handwerklichen Bierwirtschaft eigentlich nicht weitermachen.

 

Spezialsude und Vintage Bier

Claus-Christian Carbon: Das sehe ich genauso, und da ist eben zum Beispiel mein Bier auch ein tolles Glanzlicht im Prinzip, dass man eben auch sowas schafft wie eine Saisonalität. Dass man vielleicht mal in einer bestimmten Saison was anderes anbietet oder eben tatsächlich Spezialsude anbietet. Dass man einfach mal rumexperimentiert, wo man auch seine Gemeinschaft, seine Community, einfach mal in den Bann ziehen kann. Dass man sagt, okay, das sind jetzt eben so und so viele tausend Flaschen, die wir produzieren, und dann war das das erstmal, dann ist der Sud eben weg. Und jetzt lasst uns den einfach mal probieren und so weiter. Und dann kann man sich auch überlegen, dass man tatsächlich einen ganz, ganz anderen Preis eigentlich verlangt. Und weil es eben dann wie beim Wein selbstverständlich auch ist, dass man vielleicht ein paar Biere gelagert hat. Da finde ich auch das Thema Vintage unglaublich interessant, dass man eben tatsächlich auch über Lagerung nachdenkt, dass man eben auch über Ausbau von Bieren nachdenkt. Und eben nicht mehr einfach sagt, okay, ein Bier ist das, was ich jede Woche kaufe. Da kaufe ich einen Kasten oder einen halben Kasten und mache die auf und nach einer halben Woche oder einer Woche oder nach einem Monat, wie auch immer, ich viel trinke, gehe ich wieder in den Getränkemarkt und kaufe genau das gleiche Bier wieder oder gehe in die Wirtschaft und trinke immer das Gleiche, sondern das ist eben tatsächlich so spannend und so vielfältig das Thema Bier, dass ich eigentlich jeden Tag neue Sachen ausprobieren kann. Und vielleicht auch von meiner Lieblingsbrauerei eben immer mal wieder irgendwelche Spezialitäten kriege, wo man auch eine Geschichte dazu hat, wo man auch eine Regionalität hat, wo man sagt, das ist jetzt, was weiß ich, bei meinem Bier ist es zum Beispiel ein Spalter-Hopfen, das ist ein rein fränkisches Produkt. Und das Malz ist zum Beispiel jetzt in Bamberg tatsächlich gemacht. Das sind wirklich spannende Sachen. Und ich glaube auch, Markus, es wird eine andere Bierkultur danach geben. Diese massenhaften Veranstaltungen wird es viel, viel weniger geben, die ich auch vermissen werde, muss ich sagen. Also ich finde das eine ganz, ganz tolle Sache, aber es wird vermutlich eher in den höherpreisigen Segmenten tatsächlich etwas geben, weil die Leute vielleicht weniger trinken, weniger zusammen trinken, aber eben trotzdem interessante neue Produkte haben wollen.

 

Gereiftes Bier im Keller

Markus: Ich denke, für heute sind wir jetzt auch ziemlich am Ende mit unserer Podcast-Zeit. Das war schon ein sehr, sehr gutes Schlusswort, was du da gemacht hast. Ich würde vorschlagen, wenn wir dann wieder dürfen, dann müssen wir uns mal zu dritt zusammensetzen und genau dieses Vintage Thema angehen. Denn da kann der Holger vielleicht jetzt gleich noch auch sein Schlusswort ein bisschen dazu machen. Wir haben beide einen Bierkeller mit ganz, ganz vielen gelagerten, gereiften Bieren verschiedener Jahrgänge, wo es dann auch wirklich richtig Spaß macht, das da rauszuholen.

Holger: Wir sind ein bisschen bekloppt. Also so würde man das im Ruhrgebiet sagen. Markus und ich, wir machen uns einen Spaß daraus bei Bieren, wo wir glauben, dass die gereifter noch besser beziehungsweise noch mal andere Aromen auftun können, als wenn man sie frisch trinkt, dass man da wirklich so richtig forscht. Also bei mir ist das wirklich so, ich mache das schon lange und habe so eine große Auswahl an bayerischen Doppelböcken und mache da auch Verkostungsnotizen dazu, wie die sich verändern. Und das ist also gar nicht so, dass die die ganze Zeit irgendwie besser werden, also besser und besser und besser und besser, sondern dass es so Schwankungen gibt. Also man kann durchaus sagen, okay, also nach zwei Jahren schmecken die super und dann im dritten Jahr ist es wieder ein bisschen schwächer, aber im vierten Jahr ist es dann noch besser als im zweiten. Das kann natürlich auch wieder mit der Psychologie zu tun haben. Und was ich auch oft feststelle, Beleuchtung macht Geschmack zum Beispiel, mit wem man zusammen ist, wie der Tag war, alles macht Geschmack. Und damit muss man eigentlich auch arbeiten. Und mit diesem Verkostungsnotizen habe ich natürlich keine Laborbedingungen, sondern ich mache das dann immer so, wie ich das dann erlebe in dem Moment, also das ist ja ganz subjektiv. Aber ja, man kann bei vielen Bieren eben, wenn sie malzaromatisch sind und einen gewisses Grad an Alkoholgehalt haben, kann man da vermuten, dass sie durch die Lagerung sogar noch etwas besser werden. Das ist bei vielen, vielen bayerischen Doppelböcken der Fall.

Claus-Christian Carbon: Und wenn du das jetzt auch noch auf Fässer ziehst beispielsweise und das ganz koordiniert machst, könnte das ein wahnsinnig spannendes Thema sein. Und ich hoffe, dass wir darüber auch mal sprechen können.

Markus: Das machen wir, also versprochen. Sobald wir wieder dürfen, machen wir einen Live BierTalk dann zu dritt vor Ort und können dann gemeinsam die Biere probieren. Vielen, vielen Dank, dass du dabei warst und eben auch am Morgen mit uns schon ein Bier verkostet hast. War uns eine Ehre, dich als Gast zu haben. Und wie gesagt, wir freuen uns, wenn wir dich dann bald mal live begrüßen können.

Claus-Christian Carbon: Danke! Ciao! Macht’s gut!

Holger: Ebenso. Dankeschön.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle folgen unter www.biertalk.de.