BierTalk 7 – Interview mit Werner Schuegraf, dem Hopfenhäcker aus München

Werner Schuegraf ist als Brauer schon lange in der Szene unterwegs und verwirklichte sich 2013 den lange gehegten Traum von der eigenen Brauerei. Der Hopfenhäcker war geboren – ganz bewusst im Spannungsfeld der traditionellen „Häcker“, den Hopfenbauern auf den Feldern, und der modernen „Hacker“, die tüfteln und an der Technik feilen, bis das gewünschte Ergebnis erzielt ist – freut Euch auf ein spannendes Gespräch mit dem Münchner Hinterhof-Brauer…

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Holger: Hallo und herzlich willkommen zum BierTalk. Die siebte Folge, natürlich wieder mit mir, dem Holger, und dem…

Markus: … Markus.

Holger: Wir haben bei uns einen ganz wunderbaren Braumeister, Werner Schuegraf aus München von der Brauerei Hopfenhäcker. Aber Werner, ich würd sagen, stell dich doch mal vor.

 

Ein U trotz UE

Werner Schuegraf: Hallo in die Runde. Ich stell mich erstmal richtig, mit meinem richtigen Namen vor: Werner Schuegraf, ganz kompliziert, weil da ein E hinter dem U ist, und es dient zur Dehnung des Us. Das gibt’s ja auch mit H, aber wir haben uns das E behalten. Also Schuegraf. Mein Weg vom Gymnasium geht eigentlich direkt in eine Lehre, weil’s bei uns zu Hause immer geheißen hat, was man studieren will, das soll man auch lernen, damit man auch handwerklich weiß, von was man spricht. Darum habe ich beim Spaten meine Lehre gemacht, ganz normale Brauer- und Mälzerlehre, um im Anschluss dann zu studieren – was ich auch getan habe, meinen Diplomingenieur in Weihenstephan. Beruflich aufgewachsen in der Situation, wo grad diese kleinen Brauereien wieder entstanden sind, 1984 Caspary, die erste gebaut in Deutschland. Bin dann auch nach dem Studium gleich in München in so eine kleine Brauerei gekommen, wo wir dann auch drei weitere gebaut haben, Gasthausbrauereien. Ich sag immer, das ist die Entwicklung 1.0. Wo wir jetzt sind mit dem Craft, das ist 2.0, weil wir da ganz andere Voraussetzungen haben, wie man denn unseren Kunden das Bier nahe bringt. Nach der Zeit Gasthausbrauerei ging’s dann ab in den Anlagenbau, also weltweit Brauereien bauen, konstruieren, in Betrieb nehmen, verkaufen. Bei einem namhaften Hersteller habe ich angefangen, eine Vertriebsabteilung aufzubauen, bin aber dann über zwei Stationen zu einer Firma gekommen, die ich dann übernommen habe, wo wir dann alles gemacht haben, wo wir konstruiert, gebaut, installiert, in Betrieb genommen haben. Da gab’s dann auch mal schwere Zeiten, da bin ich dann branchenfremd in die Gesundheitsbranche, also Milchsäurefermentation, Immunsystemstärkung. War ich dann ein paar Jahre unterwegs und bin ich auch immer noch. Brauerei und Milchsäurefermentation, also Gesundheitsprodukte, sind meine Parallelgeschäfte.

Holger: Und jetzt im Moment ist es ja so, dass du ja wirklich einer Garage braust, im Hinterhof braust in Haidhausen. Wie es ist eigentlich dazu gekommen?

 

Die Brauerei in der Garage

Werner Schuegraf: Ganz klassisch. Diese Gesundheitsprodukte, da haben wir 2013 damit angefangen und haben eine Firma gebaut, wo wir nach dem amerikanischen Traum in der Garage angefangen haben, um dort die Fermentation zu testen, einfach das Produkt zu entwickeln. Und diese Garage, die war dann frei, und da kam ein äußerer Anstoß, der gesagt hat: Lass uns ein bisschen Bier zusammen brauen, 2014. Und dann haben wir dort zusammen Bier gebraut, beziehungsweise ich hab’s gebraut, und es gab dann noch einen Amerikaner, den ich kennengelernt habe, der seinen Braumeister bei Doemens gemacht hat. Er hat eine sehr erfolgreiche Brauerei in den USA, alles richtig gemacht, alles gut, toller Brauer, der, muss sagen, fast deutscher als ich sein Bier braut. Und da haben wir einfach Samstag, Sonntag, Bier gebraut und haben so 60 Sude zusammen gemacht in eineinhalb Jahren, um einfach die Biere zu entwickeln, zu sehen, was ist möglich, was ist nicht möglich. Wir haben jeweils gesplittet auf drei verschiedene Gärbehälter, um Hefen auszutesten und so. Also eigentlich ganz klassische Produktentwicklung. Der Weg von der Garage noch mal kurz, das war 2016, wo die Leute dann immer vor der Garage gestanden sind und gesagt haben: Wann krieg ich jetzt endlich mal das Bier? Und ich habe gesagt: Alles schon wieder weg! Es war dann klar, wir müssen irgendwann einmal größer werden, und dieses Größerwerden, da kam dann der nächste Zufall. Wie es so ist, wurde uns das Gebäude angeboten in der Weißenburger Straße, und dann haben wir gesagt: Ja klar, machen wir, gehen wir da rein. Und dann kam das, was du sagst: Tja, jetzt brauchen wir natürlich auch eine Anlage. Da war das Erste so, dass man sagt, man hat Pläne, man weiß, wie man Anlagen baut, haben wir selber gemacht, also brauchen wir bloß noch einen Edelstahlverbieger, der die Dinge zusammenschweißt. Habe ich mit jemandem gesprochen, der dann gesagt hat: Passt mal auf, das kannst du zwar bauen, aber da hinten in der Garage, da schau doch mal, da steht ein Haufen Blech, vielleicht kannst du aus dem Blech was machen – und das ist unser jetziges Sudhaus.

Holger: Markus, wie ich dich so kenne, wirst du jetzt schon langsam mit den Füßen scharren und wirst sagen: Mensch, sehr interessant, aber irgendwann will ich auch mal probieren, oder?

Markus: Ja, also dieses Reden über Bier ist ganz nett, aber wenn ich fünf Flaschen vor mir habe und heute noch keines getrunken, dann wird es langsam Zeit.

Holger: Ja, Werner, dann würde ich sagen: Wie sollen wir einsteigen?

Werner Schuegraf: Klassisch würde ich natürlich sagen, gehen wir von leicht nach schwer. Was jetzt leider da nicht dabei ist, weil’s noch nicht fertig war zu dem Zeitpunkt, wo wir euch die Biere geschickt haben, das ist unser Alkoholfreies. Das wäre jetzt natürlich das Ideale schon mal für den Vormittag. Aber hätte, wenn, dann… Täte ich sagen, fangen wir mit einem Kill Bill an. Belgisch Wit, schön leicht und fruchtig zum Einstieg.

Holger: Hört sich doch total super an. Also Kill Bill macht ein bisschen Angst, aber wir testen es mal. Dann los.

 

Ein Anfang mit Kill Bill

Werner Schuegraf: Ich mach dann mal mit, weil sonst krieg ich auch zu viel Durst.

Holger: Also „Kill Bill“ ist ja schon wilder Name. Und wenn man jetzt so das Etikett anschaut, dann gibt es da so eine rothaarige vollbusige Tante, die so ein Schwert schwingt…

Werner Schuegraf: Gut, unser Thema bei den Hopfenhäckern ist ja, dass wir Kreativbiere auch international in unserer Art interpretieren. Kill Bill ist ein Belgisch Wit, oder das Vorbild ist ein Belgisch Wit, wir haben da ein Bier, was mit viereinhalb Alkohol kommt, etwas Weizen hat, Pale Ale, Malze, vom Hopfen her eine ordentliche Portion Mosaic, das heißt, relativ fruchtig wird, und, eine Besonderheit, was die Belgier machen: Bitterorange und Koriander ins Bier zu geben, da bin ich auch mit dabei.

Holger: Also dann Prost!

Werner Schuegraf: Prost!

Markus: Prost!

Holger: Schon in der Nase, nicht, so ein bisschen die Bitterorange und das Koriander, sehr erfrischend. Jetzt haben wir heute ein bisschen abgekühlt. Aber gestern war es ja ziemlich heiß, sogar hier in München. Da wäre es das absolute Bier gewesen in meinen Augen. Was meinst du, Markus?

Markus: Für mich hat es sehr weinige Noten auch in der Nase, finde ich ganz spannend, und man merkt auch, dass es sehr trocken ist, hinten raus eine Bittere durchaus da ist, viel Kohlensäure. Eine spannende Interpretation von einem Wit, weil’s einfach noch ein bisschen mehr die anspruchsvollere Seite ist, die mich jetzt auch umschmeichelt, aber eben auch ein bisschen fordert, weil’s doch schon seinen Charakter hat. Schön, sehr schön!

Holger: Aber dieser trockene Charakter, also zumindest ist es jetzt bei mir so, macht Lust auf einen zweiten Schluck, und so soll es ja eigentlich sein, oder?

 

Craft Bier als Durstlöscher

Werner Schuegraf: Ist eigentlich generell so meine Idee. Ich fange mal ganz vorne wieder an. Ich war in den 90er Jahren in den USA unterwegs mit dem Anlagenbau und habe gesehen, wie die angefangen haben in Amerika, ihre Craftbiere zu machen. Das war natürlich schon spannend. Anstrengende Biere, aber es war wahnsinnig spannend, dort zu sehen, wie Leute, die – das ist jetzt nicht überheblich, aber – erstmal nichts gelernt haben, aber einen Wahnsinnsenthusiasmus mitgebracht haben. Also nichts gelernt im Sinne des Brauers. Der Brauer, der da rüber geht, der bis unter die Schädeldecke ausgebildet ist, und da drüben kommen Leute, die einfach in die Garage gehen und ihr Bier machen, ja und dann den ganzen Abend erzählen, was sie alles machen und man sitzt daneben und sagt: Habe ich noch nicht gehört, weiß ich nicht, keine Ahnung. Diese Geschichte, dieses Craft, das hat mich fasziniert, und jetzt haben wir natürlich auch bei uns in Deutschland das Craft, dann heißt es wieder: Ja, das ist alles so wahnsinnig schwierig und anstrengend. Also unsere Idee von Craft oder Kreativ ist dann schon, dass man sagt, wir wollen auch Biere machen, die zwar anders sind, aber die beim Trinken Durst machen. Weil Bier ist ja eigentlich ein Mittel, was nicht Durst löscht, sondern erst Durst macht. Das ist eigentlich das, was ich so vertrete, und das möchte ich gerne durchziehen mit allen Bieren.

Markus: Endlich mal ein ehrlicher Brauer! Sehr schön!

 

Der Ritt auf der Rasierklinge

Holger: Wenn ich das so sagen darf, was ich wirklich unglaublich toll finde, ist: Bei allen Bieren, egal wie kreativ sie auch interpretiert sind, schaffst du immer – ich nenne es den Ritt auf der Rasierklinge. Du bist kreativ, aber du bist auch für jeden, der bierinteressiert ist, absolut trinkbar. Also auch jemand, der vielleicht jetzt nicht total abgefahrene Craftbier-Kreationen immer wieder auch trinkt und da zu Hause ist, sondern jemand, der einfach normales Helles trinkt hier in München, und jetzt mal Lust hat, was Neues auszuprobieren, die kommen auch immer klar. Und in meinen Augen schaffst du es immer, diesen Mittelweg zu gehen zwischen dieser manchmal verrückten Craft-Bierszene und unserer schönen kulturell wichtigen Brauerkultur oder Bierkultur, die wir hier besonders in Oberbayern natürlich haben. Und das fasziniert mich immer an allen Bieren, die du machst.

Werner Schuegraf: Man muss ja wissen, was man kann und nicht kann. Diese ganz extravaganten Craftbiere kann ich gar nicht, wahrscheinlich. Ich habe mal vor zwei Jahren ein Session IP gemacht, was ich dann gar nicht in den Verkauf gegeben habe, weil es so war, dass es mir die die Zehennägel aufgezogen hat. Im Grunde muss man sagen: Ja, jeder muss wissen, was er kann. Meine Seite der Rasierklinge ist dann hier die Trinkbare. Schon ein bisschen, manche Extravaganzen, ja klar, immer wieder mal, wir sind auch dafür jetzt mittlerweile schon ein bisschen bekannt, dass wir eben auf der trinkbaren Seite unterwegs sind.

Markus: Apropos Rasierklinge. Wenn ich jetzt das Etikett sehe und den Namen sehe, das ist ja schon ein bisschen martialisch. Wo kommt denn das Kill Bill her, und was wollt ihr dem Käufer damit sagen?

 

Echte Kunst muss nicht verstanden werden

Werner Schuegraf: Da haben wir natürlich ein bisschen ein Verständnis. Thema Kill Bill, wenn das jemand liest, dann meint er, das bringt einen um, also das ist mindestens 10 % Alkohol und so viel Hopfen, dass es zu den Ohren rauswächst, das haben wir nicht. Dieser ganze Entstehungsprozess mit den Etiketten, wo dann plötzlich der Karlheinz Drechsel aufgetaucht ist, der diese Motive macht. Da gab’s die Motive, und dann sitzt man davor, und dann heißt es: Das ist Kill Bill, so, fertig. Damit war das geboren, also gar nicht so viel dahinter, wie man sich vielleicht denken könnte. Klar hätten wir jetzt vielleicht noch ein Bier draus machen können, was ganz, ganz viel Alkohol hat und was ein wirklich umbringt, aber vielleicht genügt auch die Geschichte schon, das man sagt: Das ist ein Bier außerhalb unseres Biergesetzes, vielleicht ist das schon genug „Kill Bill“.

Markus: Das kann ich mir vorstellen, vor allem wenn man in München sitzt.

Holger: Unbedingt, und ich meine, hier ist alles Mögliche drin. Da ist Kreuzkümmel drin. Bergamotte ist da drin, Koriander, Bitterorange, das ist das volle Programm, wie sich’s auch für ein richtig schönes Belgisches Wit eben auch gehört, und das Etikett ist doch super! Oder nicht, Markus? Das gefällt dir doch, also sei doch nicht so!

Markus: Grafisch finde ich die hervorragend. Sensationell! Mich hat es nur interessiert. Ich finde es, ehrlich gesagt, auch mal schön, wenn jemand sagt: Ok, ich hab da einfach einen spontanen kreativen Prozess, sehe das, ordne das zu und finde es einfach gut, ohne jetzt eine endlose Story drumherum zu bauen. Es ist auch richtig schön, das Etikett. Also überhaupt die Etiketten. Wir haben sie ja alle vor uns, und ich kenne sie ja auch schon lange. Das ist wirklich was, was mich auch sehr bei euch begeistert.

Holger: Werner hätte natürlich auch sagen können: In der ersten Etage bei uns, da ist die Marketingabteilung und die Marktforschung hat da auf jeden Fall zwei Jahre erst mal geforscht, und dann sind wir zu einem Etikett und zum Namen gekommen, weil es unsere Zielgruppe besonders anspricht, hat die Marktforschung angeben.

 

Das Marketing im Souterrain

Werner Schuegraf: Holger, du weißt ja, wo bei uns das Marketing sitzt bei uns im Souterrain. Wir haben keines. Also ja, wir sind da tatsächlich ein bisschen anders unterwegs, was gar nicht vorstellbar ist. Wir sind da Biernerds. Natürlich geht die Welt nicht mehr ohne Marketing, deswegen haben wir da auch begrenzte Aktionen, aber das steht bei uns sicher nicht vorne dran. Wir brauen unser Bier, und wir schauen, dass wir es möglichst gut hinkriegen und dann über den persönlichen Kontakt an den Mann, die Frau, das ist unser Weg. Und ich mein, wir sind halt nicht mehr die Jüngsten, drum muss man irgendwann mal einsehen, was man kann und was man nicht kann.

Holger: Aber das ist ja das, was euch auch sympathisch macht, und ich habe extra ein bisschen überzogen, und du brauchst das auch noch gar nicht. Also das passt doch. Alle sprechen darüber, und ich glaube, du hast dich etabliert hier in München, und das muss man auch erst mal schaffen. Gehen wir doch mal zum nächsten Bierchen, damit wir noch was kennenlernen.

 

Handgehopftes Lager

Werner Schuegraf: Unseren Handgehopften, also ein Münchner Lager sag ich immer gern dazu, es ist eigentlich ein Helles. Aber um zu signalisieren, dass etwas ein bisschen etwas anderes ist als ein Helles, was es in München ja traditionell gibt, ist für mich der Begriff Lager immer eine Sache. Also ein helles Vollbier, zwölf Stammwürze, fünf Alkohol, aber kalt gehopft mit schönen amerikanischen Hopfen, also das ist eigentlich immer unsere Sache. Wir haben so um ein Drittel deutsche Hopfen, eine schöne Perle, einen Taurus, eigentlich das Programm. Wir haben jetzt auch ein Pils als Monatsbier momentan. Da gibt es Tettnanger oder einen Hersbrucker, dann auf der anderen Seite haben die Amerikaner natürlich schöne fruchtige Hopfensorten, und da kann ich mich nicht zurückhalten, also da bin ich nicht traditionell genug, dass ich sage: Nein, wir beschränken uns auf deutsche Hopfensorten, sondern ich liebe die Amerikaner, und das ist dann eigentlich immer so in der Mischung zwei Drittel amerikanisch, ein Drittel deutsch in unserem Handgehopften. Da haben wir einen Simcoe drin, da haben wir einen Centennial mit dabei, dann mittlerweile deutsche Cascade, in Deutschland angebaut. Sowas würde uns da erwarten.

Markus: Jetzt hast du mir so den Mund wässrig gemacht…

Holger: Absolut! Also, das muss ich auch sagen! Jetzt muss ich aber… Also ich habe auch in Wirklichkeit… Ich hab schon die Flasche aufgemacht…

Werner Schuegraf: Das ist ja gemein!

Markus: Sie liegt ja auch schon mal super in der Hand!

Werner Schuegraf: Der Klassiker. Euroflaschen 0,5 Liter.

Holger: Ab zur Isar runter, oder? Und da unten machen wir dann weiter. Aber leider, Markus, bist du zu weit weg. Wir müssen am Mikrofon bleiben, schade, schade.

Markus: Wäre wahrscheinlich heute auch gar nicht so einfach an der Isar.

Holger: Ach, mit Abstand.

Markus: Okay.

Holger: Ich war heute schon da und da war natürlich noch niemand so früh morgens. Aber man geht schon raus hier. Also der englische Garten ist auch voll.

 

Die Polizei im Englischen Garten

Werner Schuegraf: Und es kann nichts passieren, die Polizei ist immer dabei, hab es vorgestern wieder gesehen, wie ich in die Brauerei geradelt bin. Mit Mannschaftswagen und Streife wird patrouilliert. Also da kann einem nichts passieren an der Isar zurzeit.

Holger: Nee, absolut nicht. Im englischen Garten auch nicht. Jetzt zum Handgestopften. Markus, ich lass dir gern wieder den Vortritt.

Markus: Immer ich und das Helle! Nein, also sehr schön auf jeden Fall schon mal im Glas. Also bei mir steigen auch ganz schön die Perlen auf, macht mir da auch schon richtig viel Lust. Wenn man reinriecht, hat man eben als Basis natürlich das, was man vom Hellen kennt, so diese typischen deutschen Hopfennoten, aber oben drauf sind dann eben die fruchtigen amerikanischen Hopfen und die sind schon sehr präsent, grad viel Zitrusaroma auch, das macht mir jetzt auch richtig Lust. Ich nehme mal einen Schluck! Also wieder gut karbonisiert, das machst du anscheinend gerne. Trinkt sich gut, ist auch frisch, sehr erfrischend, leicht vom Körper her, so dass man es auch gut trinken kann. Klassisches Helles. Hinten raus machen sich die Hopfen wieder ein bisschen bemerkbar, winken noch mal. Finde ich sehr schön, also gefällt mir gut, als schönes Trinkbier. Könnte ich mir jetzt gut vorstellen, mit euch an der Isar zu sitzen.

Holger: So sehe ich es auch. Der Handgestopfte ist für mich so das Brot-und-Butter-Bier. Feierabend und jetzt ein schönes Helles. Zwischen und eben nicht einfach nur ein schnödes Helles, sondern schon auch was ein bisschen spannend ist und Centennial ist auch für mich so ein Hopfen mit so einer schönen, fruchtigen Note, den liebe ich eh. Den finde ich richtig klasse. Schmeckt’s dir auch, Werner?

 

Durchblick ohne Filtration

Werner Schuegraf: Mir schmeckt’s auch. Was mich immer noch fasziniert, jedes Mal wieder, das ist, wenn ihr durch das Bier schaut, es ist eigentlich klar. Das ist mir wichtig, ich filtriere das Bier nicht, sondern ich lagere es einfach entsprechend lang. Die Biere sind alle ab sechs Wochen oder acht Wochen im Lagerkeller und komplett ausgelagert, damit man halt einfach auch die Hefe rauskriegt. Weil ich denke, diese feinen Hopfennoten, die werden durch diese Hefetrübe oftmals sauber untergebuttert, und bei so einem Bier, was ja dann doch relativ feine Nuancen hat, würde mich die Hefe dann einfach stören, wenn die das übertüncht. Darum wird einfach gelagert, auch wenn es Platz kostet, aber das ist so mein Spleen, das sollte so sein, das macht mir immer wieder Spaß, wenn man es dann sieht.

Markus: Dadurch sind sie ja auch sehr bekömmlich, die Biere, das ist ja auch sehr schön.

Holger: Wenn wir jetzt weitergehen in unserem Weg, den Hopfenhäcker kennenzulernen, was würden wir dann verkosten?

 

Ein Münchner in rot

Werner Schuegraf: Ja, da hätten wir mal das erste Bier, was ich glaube, dass es gemacht werden muss, der Rote Münchner, was als Bezeichnung „Märzen“ trägt, wobei das nicht ganz richtig ist. Es ist kein Märzen, ist es auch ein 12er Stammwürze, auch 5 Alkohol, auch da Philosophie. Auch wenn es schwierig ist, man kann den Geschmack auch ohne Alkohol erzeugen, also mit weniger Alkohol. Die Challenge haben wir mal angefangen und der Rote Münchner, da gibt es wirklich Fans, muss man sagen. Die kaufen bei uns nix anderes.

Holger: Also ich würde mich auch als solcher bezeichnen. Also der Rote Münchner ist schon auch ein Lieblingsbier von mir, weil es eben auch so einfach so typisch malzaromatisch ist. Also ich finde es richtig großartig. Dann machen wir es jetzt mal auf, und auch dazu sagen wir mal was. So. Habt ihr das Einschütten gehört?

Markus: Wunderbar!

Holger: Ja, jetzt haben wir ein ganz anderes Bier, also wirklich ein ganz anderes. Sehr schöne Farbe, finde ich, eine unglaublich schöne Farbe, und eben auch so eine fruchtige Note habe ich in der Nase, Zitrusnoten, leichte Zitrusnoten, aber so… Moment, ich trink jetzt mal… Sehr schöner Malzkörper. Nicht so ein typisches Märzen, aber es geht doch in die Richtung, finde ich. Also auch wenn es nur so auf der Flasche 4,9 % hat, aber es geht trotzdem so in die Richtung, finde ich.

Werner Schuegraf: Es ist ja eigentlich ein klassisches Münchner Bier, ein Märzen, das es eigentlich nicht mehr gibt. Darum war das das erste. Oder die Frage: Was brauchen wir als Erstes? Das war klar, wir machen ein Märzen. Da haben wir auch wirklich lang daran gearbeitet, weil die Idee dann schon war, ein richtig rotes Bier zu machen und haben da viel mit amerikanischen Malzen gearbeitet, obwohl immer untergärig, war es nie erkennbar ein Märzen, bis ich dann gesagt habe, wir müssen einfach das Malz tauschen und ein bisschen mit der Farbe einen Kompromiss eingehen. Nach wie vor hat es diese rötliche Färbung, aber am Anfang war es wirklich ganz kirschrot, aber eben, wie gesagt, nicht erkennbar untergäriges Märzen, sondern eher ein Red Ale, dann das Malz getauscht, Münchner Malz genommen und vom ersten Sud an war es erkennbar in diesem Märzenrichtung. Malzkörper, schön malzaromatisch eben, dann die Hopfen dazu, das hat natürlich auch schon ein bisschen mehr Hopfen wie unser Handgehopfter, also mehr wie das helle Citra, hat da sicher einen Anteil an dem zitrusaartigen. Aber auch der deutsche Taurus, der ein bisschen dieses grüne Kräuterige mitbringt, das mag ich immer ganz gern, diese Mischung zwischen den Amerikanern fruchtig und deutsch bisschen grün, grasig, kräuterig. Finde ich immer ganz spannend.

Holger: Rotbier ist ja eigentlich ein fränkischer Bierstil. Und jetzt haben wir auch einen Franken mit in der Leitung. Markus, was sagst du denn?

 

Mit der fränkischen Brille

Markus: Ja, also aus fränkischer Perspektive würde ich sagen, es ist halt ein Münchner Rotbier. Weil bei uns würde man gerade bei einem Rotbier versuchen, Röstaromen nach Möglichkeit nicht zu haben, also vor allem nicht dieses kernige Röstaroma, was hier schon durchaus eine Rolle spielt. Auf der anderen Seite ist ein Rotbier vom Prinzip her einfach so ein sehr süffiges Bier, ein Bier, was man wunderbar im Biergarten, Bierkeller zu allen möglichen Speisen trinken und kombinieren kann, und ist auch so ein bisschen der Urbegriff eines sehr ausbalancierten, untergärigen Bieres, und schön ausgelagert natürlich auch, und da triffst du natürlich wieder voll ins Schwarze. Gefällt mir auch gut. Ich finde auch gut, dass du… Was das Märzen normalerweise angeht, ist ja vor allem die höhere Stammwürze, damit auch der höhere Alkohol, da finde ich es ganz gut, dass du dich entschieden hast, das eher beim Normalen zu belassen, weil’s halt dann noch mal ein bisschen mehr darauf einzahlt, dass ich davon auch in Ruhe zwei, drei, vier trinken kann und trotzdem schaffst du es, durch deine Hopfen- und Malzmischung ein sehr volles Aroma und sehr, sehr stimmiges und harmonisches hinzubekommen. Als insofern sicher kein Fränkisches Rotbier, muss es und will es aber auch nicht sein. Mir gefällt’s sehr gut, und ganz toll finde ich natürlich, also das Schöne ist… Bei uns ist jetzt grad strahlender Sonnenschein, ich hab das Glas genommen und habe es so richtig gegen die Sonne gehalten, und da sieht man, wie die Farbe richtig schön leuchtet, und das ist natürlich toll, also dieser schöne satte Rotton. Insgesamt ein eher dunkelbraunes Bier, und das mit diesem schönen Rot ganz schön und verlockend. Macht Spaß!

Holger: Also das ist nochmal so ein Bier, wo sich das bestätigt, finde ich, was ich vorhin schon gesagt habe mit dem Thema „Ritt auf der Rasierklinge“. Also du hast ja auch einige gastronomische Betriebe hier, die du belieferst, und der Rote Münchner kommt einfach an! Also das ist einfach auch ein Bier, was auch gerne getrunken wird, und eben auch ganz normal getrunken wird. Also da muss man auch so ein bisschen drauf achten, dass die Gastronomen auch ein Bier bekommen, was sie einfach verkaufen und auch jeder irgendwie schön findet.

 

Kräftig ohne mehr Alkohol

Werner Schuegraf: Genau, man muss sich nicht mit dem, was uns Craftlern immer wieder entgegenschlägt: Ihr macht ja nur Alkohol, muss man sich bei dem Bier nicht damit rumschlagen, es hat normalen Alkoholgehalt, es hat einen besonderen Geschmack, geht in eine besondere Richtung und viele sind einfach da, die sagen: Wow, genau das ist es! Passt zu schweren Dingen, also schwerem bis bisschen ausdrucksvollerem Essen, hat da Bestand dabei, und das kann man einfach so, wie du es sagst, trinken.

Markus: Was mir auch sehr gut gefällt, ist das Etikett. Da sieht man ja so das, was wir uns auch unter einem typischen Münchner vorstellen, in der typischen Pose, so ein kerniger, kräftiger Bajuvare mit dem Maßkrug in der Hand, und oben drüber so die Wolken, hat ein bisschen Anklang zum Münchner im Himmel, auch das macht richtig Lust auf das Bier.

 

Kunterbunte Etiketten

Holger: Stimmt genau, die Etiketten, die sind einfach wirklich outstanding. Finde ich richtig super. Die hängen ja auch als Bilder in der Brauerei, und das macht es auch noch mal so besonders, wenn man die so richtig als ganzes Motiv und groß und so sieht. Das ist sehr schön. So, weil wir ja jetzt schon bei den Franken waren, und uns belasten die ja immer so ein bisschen aus oberbayerischer Sicht, aber auf der anderen Seite haben sie dann auch spannende Biere, zum Beispiel die Rauchbiere, und in die Richtung gibt es ja auch von euch noch so ein Bier, und das wäre dann ein Smoked Baltic Porter, und der heißt Smokey Sten. Und da würde ich jetzt sagen, da gehen wir jetzt ins Finale und nehmen uns den mal vor, und da freue ich mich ja schon eigentlich den ganzen Morgen drauf, also absolut. Das ist aber schwarz!

Werner Schuegraf: Wir haben ja unsere drei Basis Crafts, wie ich immer sage, also die anders interpretierten bayrischen Bierstile, Münchner Bierstile, wir auch immer: Hell, Weiß und Rot. Hell und Rot hatten wir ja schon, dann kommen, so in der Mittelrange die Internationalen, wo wir das Kill Bill am Anfang hatten, also Belgisch Wit, dann gibt es unsere Imperial Red Ale, was der große Bruder zum Roten Münchner ist, und dann natürlich den Klassiker, ein IP, India Pale, bei uns als Lager untergärig ausgeführt und das ist so die Mittelrange. Da drüber ist dann das Smokey Sten als schon Freak-Stoff würde ich mal sagen, das ist so ein bisschen das Bier, was von unseren Bieren am meisten die Geister scheidet, weil halt eben Rauch, weil so schwarz, da auch schon siebeneinhalb Alkohol, also da ist schon ein bisschen was drin. Schwarz, stark, bisschen Rauch, ist immer so, wenn ich Verkostungen habe, oder Leute dahabe, wenn man das dann kombiniert, zum einem schönen Schokokuchen oder so etwas, dann lassen sich viele doch darauf ein. Und auch ganz spannend mit so einem Bier: Ich hatte letztens ein Erlebnis, wo eine Gruppe da war, lauter junge Mädels, wo ich mir  gedacht habe, auweia, das wird schwierig, denen das Bier nahe zu bringen, und am Ende ist eine aufgestanden, die gesagt hat: Ich trinke nie Bier, aber ich habe hier drei Biere verkostet, die alle ganz anders waren, und jetzt habe ich plötzlich Lust auf Bier, und die hat auch den Smokey Sten getrunken. Wunderbar, ganz anderer Geschmack, anderes Spektrum mal, und so kann man Bier trinken, das finde ich dann immer spannend, was einem da entgegenschlägt.

Holger: Ja, das ist auch meine Erfahrung. Also wenn Leute dabei sind, die eigentlich gar keine Biertrinker sind, die sind meistens auch offener, also, die haben kein Bild im Kopf, wie es jetzt zu schmecken hat oder keine Erwartung, sondern die lassen sich da sehr schön darauf ein, und dann können die das auch noch mal ganz anders erleben. So, Markus, jetzt hast du lange genug Zeit gehabt, sich mit dem Rauchbier – aus deiner Sicht ganz normales Rauchbier, oder? – auseinanderzusetzen, dann sag uns doch mal. Also du hast ja quasi das Rauchbier mit der Muttermilch aufgesogen, und wie es ist für dich?

 

Ein ganz normales Rauchbier?

Markus: Ich hab mich ein bisschen verliebt, es ist, glaube ich, mein neues Lieblingsbier von euch, wobei ich es mit Sicherheit schon mal getrunken hatte, aber noch nicht unter so guten Umständen wie jetzt hier. Natürlich ist es, wenn ich jetzt aus der Bamberger Sicht sehe, ist es jetzt kein sehr intensiv rauchiges Bier, muss es aber auch nicht sein, denn es ist ja sehr stark geprägt von den Röstaromen, von den Malzen und da finde ich, ist dieser leichte Rauch ein richtig schöner Unterton, der sich damit mischt, es kommt sehr viel Schokolade, sehr viel Kaffee, hinten raus auch so Espressonoten, also wo man wirklich sagt, dass ist ein sehr schönes Porter, Baltic Porter auf jeden Fall. Zum Baltic Porter muss man noch sagen, dass das einfach ein Bier war, was in den Hansestädten an der Ostsee gebraut worden ist, und dann wurde es einfach untergärig, weil es viel zu kalt war, um mit der warmen Hefe zu arbeiten, wie das die Londoner und die Dubliner gemacht haben. Ich muss noch mal einen Schluck nehmen.

Holger: Naja, und siebeneinhalb Prozent, also nur mal so nebenbei gemerkt.

Markus: Aber die sind gut versteckt, also das ist ja auch ein Punkt. Es gibt Biere mit siebeneinhalb Prozent, wo der Alkohol dir sozusagen sofort ins Gesicht springt, und das ist ein Bier mit siebeneinhalb Prozent, wo manche Leute vielleicht gar nicht merken, dass siebeneinhalb drin sind, sondern eher denken, das ist normales Bier. Ist natürlich auch ein bisschen gefährlich, aber zeigt auch, dass es gut gemacht ist, dass der Alkohol gut eingebunden ist, dass er seinen Job einfach gut macht als Aromenverstärker, also wo man einfach die klassischen malzigen schönen Porteraromen sehr intensiv wahrnimmt, und es ist auch sehr lang. Also wenn ich das getrunken hab, bleibt mir dieses Aroma sehr lange im Mund.

Holger: Ja, ist in meinen Augen auch so, der Nachtrunk ist wirklich prima, also richtig komplex, da kann man sich mit auseinandersetzen und immer noch darüber nachdenken. Muss man auch noch mal sagen, das ist ja ein Bier einfach mit Wasser, Malz, Hopfen, Hefe und sonst nix, also total reinheitsgebotskonform, und da kann man mal sehen, wieviel Kreativität das Reinheitsgebot auch zulässt.

 

Das Reinheitsgebot

Werner Schuegraf: Es gibt innerhalb des Reinheitsgebots viele Möglichkeiten, kreativ zu sein. Ich finde es immer ein bisschen schade, dass man andere natürliche Zutaten oder Bierstile, die einfach bekannt sind, die eingeführt sind, nicht brauen kann und darf, weil es gibt viele Kräuter, es gibt Grutbiere, es gibt alles Mögliche, was man machen kann, aber trotzdem, wir haben auch innerhalb der Vorschrift Dinge, die ich, richtig eingesetzt, einfach zu einem tollen Ganzen bringen kann. Da sollten wir immer daran arbeiten.

Holger: Ja, und das hast du hier auch gemacht. Also gar keine Frage. Mensch, das war doch richtig toll jetzt, diese kleine Bierreise durch die Hopfenhäckerwelt! Es gibt noch mehr zu entdecken – wir haben die Hanfblüte nicht entdeckt, haben IP-Brothers nicht entdeckt, wir haben den Wilderer nicht entdeckt. Also da fordere ich die Hörer dazu auf, das noch nachzuholen. Mir hat’s wahnsinnig viel Spaß gemacht. Ich wünsche euch noch einen schönen schönen Feiertag im Rahmen der Familie, genießt das Wetter und die freie Zeit! Ja, machts gut!

Markus: Ich träume immer noch von diesem wunderschönen Bier. Wunderbar, vielen Dank, damit hast du mir meinen Ostermontagmorgen wunderbar versüßt. Ich drück euch auch ganz fest die Daumen, dass es weiterhin gut läuft und freu mich schon drauf.

Werner Schuegraf: Hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, war für mich neu und dementsprechend mit bisschen Anfangsaufregung, aber wunderbar, hat Spaß gemacht, schönen Ostermontag!

Holger: Perfekt, super! Also macht’s gut!

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