BierTalk 3 – Interview mit Oliver Lemke vom Brauhaus Lemke aus Berlin

Er gilt als erster Craft-Brauer Deutschlands und hat dennoch seine ersten Brötchen mit Hell, Dunkel, Weizen und Pils verdient: Oliver Lemke. Heute Herr über drei Braustätten und einer der Väter der neuen Berliner Weisse, verkostet er mit Holger Hahn und Markus Raupach fünf seiner Biere und erzählt die Stories dahinter sowie das ein oder andere Geheimnis aus seiner Brauerei…

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Markus: Heute ist unser dritter BierTalk am Start, diesmal mit einem Gast aus Berlin, dem Oliver Lemke, der sicherlich gleich noch ein bisschen was über sich selber erzählen wird. Ansonsten sind wie immer dabei, ich, der Markus und …

Holger: … der Holger.

Markus: Und wie ich es gerade schon gesagt habe, Oli, vielleicht sagst du zwei, drei Takte zu dir. Du hast uns ja Biere auch schon geschickt, vielleicht magst du auch ein erstes auswählen, mit dem wir starten.

Oliver Lemke: Ich bin der Oli, bin hier in Berlin, muss gerade Wunden lecken hier aufgrund der Situation, die wir haben. Aber ansonsten bin ich seit 20 Jahren hier Brauer. Wir haben in Berlin vier gastronomische Betriebe, wir haben in den letzten Jahren eine schöne Brauerei gebaut und brauen so sage ich mal 16 unterschiedliche Bierstile standardmäßig plus noch ein paar Extras im Jahr.

Markus: Womit wollen wir denn anfangen?

 

Mit der Perle in den Abend

Oliver Lemke: Vielleicht fangen wir bei der Perle an, oder?

Markus: Super.

Oliver Lemke: Also mache ich jetzt meine Perle erstmal auf und ihr auch, oder wie?

Markus: Ja, ich auch.

Holger: Also bei mir ist jetzt was im Glas.

Oliver Lemke: Bei mir auch. Sensationell! Ist gelb?

Holger: Also gelb, ja, also gelb kann man natürlich dazu sagen, aber man könnte auch sagen, Gold, oder?

Oliver Lemke: Gold, brillant natürlich. Ja, sieht ganz gut aus bei mir, ich hoffe bei euch auch.

Markus: Ja, sehr verlockend. Ich habe richtig Durst.

Oliver Lemke: Zum Wohl!

Holger: Prost!

Oliver Lemke: Schön, dass wir diesen Termin auch gewählt haben, 16:14 Uhr, passt. Vielleicht ein paar Worte zur Perle?

Markus: Gerne.

Holger: Unbedingt.

 

Ein neues Helles aus Berlin

Oliver Lemke: Perle heißt Perle aufgrund eines der Hopfen, der da drin ist. Außer der Perle haben wir da noch Magnum drin und Mittelfrüh und Tradition, was ja so sehr traditionelle Hopfensorten für ein Helles sind. Die Perle ist unser Helles. Da fragt man sich vielleicht: Warum machen wir ein Helles? Weil wir sind ja in Berlin und nicht in München. Da sind wir gleich, glaube ich, bei einem, boah, ziemlich umfassenden Thema, wobei erstmal noch mal zu dem Bier selber. Wir haben versucht eigentlich ein traditionelles Helles, was Vollmundigkeit, Stammwürze, Alkoholgehalt, Farbe, generelle Charakteristik angeht, plus ein bisschen mehr Hopfen, aber nicht Bitterhopfen, sondern wirklich dieses Aroma speziell von der Perle da noch unterzubringen und natürlich auch von den anderen beiden Aromasorten. Das war das Ziel. Wir denken, es ist uns gut gelungen, sodass man also ein Helles hat, was so ein bisschen mehr Aroma spielt als das für die meisten Hellen am Markt üblich ist, die ja dann doch überwiegend malzbetont sind. Könnt ihr als Fachleute aus dem Süden das irgendwie nachvollziehen?

Markus: Auf jeden Fall. Ich finde, das hat richtig schönen Charakter und einen eigenen Geschmack, was mir sehr gut gefällt. Viele Helle sind ja schon ziemlich nah am Wasser gebaut und das hier hat aber wirklich durch das Karamellmalz und durch die wirklich schönen Hopfennoten also wirklich ein sehr angenehmes, würde man schon fast ein bisschen von der aromatische Richtung Export rüber tun, obwohl es ein ganz normales Helles ist. Also sehr schön, trinkt sich gut. Und ich bin normalerweise gar kein so ein Fan vom Hellen, aber das gefällt mir echt gut und passt mir jetzt auch zu der Zeit.

Holger: Also ich muss mich ja erstmal outen. Ich wohne natürlich hier in München, aber der Hörer weiß es ja und man hört es ja auch sowieso, ich bin ja kein Oberbayer. Und Helles ist jetzt, also wenn ich jetzt vier Stunden den Rasen mähe und wirklich Brand habe, dann geht das schon, aber ansonsten ist das einfach mir viel zu langweilig. Und bei dem Bier hier ist mir das ganz angenehm, weil es ein schönes, vollmundiges Bier ist. Ist auch, glaube ich, jetzt genau richtig zum Starten für unser Gespräch. Und die Perle finde ich sowieso prima, auch als Aromahopfen in einem Pils. Und Pils ist ja bekanntlich mein Lieblingsbierstil. Insofern bin ich ganz zufrieden. Was mich wirklich unglaublich verwundert, ist, was auch das Helle als Stil für einen Siegeszug durch die ganze Republik gemacht hat. Also du kannst heute in Hamburg an irgendeiner Tanke tanken und dann gehst du da rein und dann siehst du halt irgendwie ein Tegernseer Hell oder ein Augustiner da in der Kühltheke stehen. Und das ist schon unglaublich, oder? Also man kann eigentlich sagen, das ist ein Trend.

 

Craft Bier und Deutschland

Oliver Lemke: Auf jeden Fall. Das bringt mich zu dem Eigentlichen, warum macht man das? Und wir haben, wenn man so ein bisschen zurückdreht jetzt das Rad der Zeit, irgendwann kam Craft. Alle Welt dachte, sie wird nun ganz schnell reich und machte ganz viele unterschiedliche tolle Ales und Stouts und belgische Biere und so weiter. Und ich glaube, wir sind uns einig, dass man heute nach einigen Jahren zumindest feststellen muss, dass die Erwartungen seitens des Handels und auch der Gastronomie, was das angeht, im Grunde sehr stark enttäuscht worden sind. Für mich eigentlich eine logische Geschichte, darum haben wir auch relativ frühzeitig, also wir haben immer die Standardbierstile, die deutschen natürlich weitergebraut, weil der Deutsche an sich sage ich mal, wenn ich den so klischeehaft schildern kann, denkt prinzipiell, das beste Bier der Welt kommt aus Deutschland. Jetzt kommen Leute und sagen: Ätsch, Bätsch, alles Unfug, du trinkst seit 30 Jahren Bier, ist alles doof, du musst jetzt Ales trinken. Die Wahrscheinlichkeit, dass da die Hälfte der Bevölkerung umschwenkt und sagt, juchhu! auf dich haben wir gewartet, ist doch eher gering. Deshalb ist das für mich völlig nachvollziehbar, dass das, was viele Leute erwartet haben, nicht passiert ist. Da kannst du bestimmt von leben, wenn du irgendwie 500 oder 1000 Hektoliter im Jahr machst. Da hast du irgendwie gerade in Berlin sage ich mal, hier gibt es dann doch viele Amerikaner, Australier, die das kennen und so, dann kann man bestimmt von seinem Dasein fristen. Wenn du aber so ein bisschen mehr Volumen machen willst, wird es schwer, weil da musst du in diesem dünnen Markt entweder die 30 anderen Anbieter wegbeißen, was schwierig wird, oder aber du musst Menschen umherziehen, was noch schwieriger ist. Ich will nicht sagen, das ist tot das Marktsegment, ich will bloß sagen, es hat sich nicht in fünf oder acht Jahren dorthin entwickelt, was man geglaubt hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass, wenn wir in zehn Jahren darüber sprechen, dass wir einen nennenswerten, aber immer noch kleinen Marktanteil für andere Biere haben werden. Aber es ist eben keine Explosion von jetzt auf gleich. Das sieht man, glaube ich, jetzt ziemlich deutlich, und darum ist meine Intention eigentlich auch immer gewesen und deshalb haben wir eben die Perle auch vor einem Jahr, glaube ich, in den Markt gebracht, um wachsen zu können im Hektoliter-Bereich auch anderes Klientel zu erreichen, die deutsche Bierstile mag. Eine Geschichte dazu noch zum Schluss. Alle meine Freunde, die kennen mich nun seit vielen Jahren und auf jede Party muss ich ein Bier mitbringen, und kriegen natürlich auch immer irgendwelche Kommentare zu dem Bier. Meistens muss ich oder oftmals in der Vergangenheit musste ich nachfragen, na, wie schmeckt dir das 030, oder? Und seitdem die Perle da ist, gehe ich auf Partys und kommen Leute dreimal am Abend, die gleichen sagen, ey Lemke, ich sag dir mal was, mit dieser Perle, da ist dir echt mal was gelungen. So ein geiles Bier. Mit dem Bier, das verstehen die Leute. Mehrfach passiert, ich könnte mich immer kringelnd lachen über die Leute, aber es funktioniert, ist geil. Funktioniert.

Holger: Ich kann das nur bestätigen. Aber da ist auch nichts gegen einzuwenden. Also ich will auch gar nicht gegen den Bierstil Helles schießen, sondern wenn du einfach Feierabend hast und brauchst irgendeinen Freund, dann ziehst du dir einfach ein Helles. Fertig! Und das ist auch das Tolle am Bier. Du kannst zu jeder Tagesstimmung, zu jedem Anlass und so, kannst du dir einen Stil raussuchen. Und dass das jetzt mit den neuen Bierstilen nicht total explodiert hat, begrüße ich auch, weil wir haben eine Bierkultur, die ist großartig in Deutschland, total vielseitig und ist auch kreativ und das ist Heimat. Also unsere Bierkultur ist Heimat. Und was sollen wir da umschwenken? Also das wäre ganz furchtbar gewesen, wenn ich mein Pils nicht mehr kriegen würde. Um Gottes willen.

Markus: Was mir so gut gefällt ist auch das Mundgefühl. Also man hat richtig einen schönen vollen Geschmack an dem Bier, der einem aber nicht über wird. Also eins, das man einfach schön trinken kann, ein sehr angenehmes Getränk, ein sehr weiches Getränk. Und ich glaube auch, dass dieses kleine bisschen mehr an Hopfen sich wirklich auszahlt. Also weil dann auch dieses eigentlich sehr Volle vom Aroma wieder weggeht, weil dann die Hopfenbittere kommt und damit eben auch dieser Effekt wieder da ist, dass man sagt, Mensch, dann nächster Schluck, nächste Flasche, weiter geht’s.

Oliver Lemke: Ist nicht so breit, macht nicht so satt.

Markus: Da ist euch echt was gelungen.

 

Der Bierpreis als Argument

Oliver Lemke: Und ein Thema noch, wo du sagst, Pils, Helles. Als eher Norddeutscher bin ich natürlich traditionell auch eher ein Pilstrinker gewesen und das ist sicherlich auch eingeflossen jetzt in das Design der Perle, Stichwort Hopfen. Aber wir haben natürlich noch ein anderes Problem: Als kleiner Brauer sind wir nicht konkurrenzfähig im Supermarkt, was den Preis angeht. Wenn da Oettinger und Sterni und weiß ich alles, sag ich mal, welche, die von sich behaupten zumindest Pilsbiere zu sein und da stelle ich jetzt mein Pils daneben und brauche 1,50 Euro oder 1,70 Euro für den Endverbraucher für die Flasche, dann ist das ein sehr einfacher Vergleich. Dann sagt der, aber das Sterni kostet mich doch die Flasche nur, keine Ahnung, 20 Cent, warum soll ich denn 1,60 Euro ausgeben? Und bei dem Hellen ist eben der Vorteil, das ist nicht so ein kannibalisierter Markt. Da hast du eben, eine Kiste Augustiner kostet auch hier in Berlin Geld oder ein Tegernseer. Das heißt, du bist beim Hellen auf einem anderen Preisniveau generell unterwegs und du hast nicht so viel unterschiedliche Anbieter. Ist eine Frage, der Preis auch, wenn ich ein Pale Ale braue, was genauso viel kostet in der Herstellung wie ein Pils, beim Pale Ale akzeptiert der Verbraucher einen Preis, der ist viermal so hoch wie bei einem Pils, das ist einfach so. Wir hätten auch ein schickes neues Pils noch machen können, aber das war auch ein Grund, aus wirtschaftlichen Erwägungen, dass wir gesagt haben, weil wir ein Helles halt noch nicht hatten, das waren die zwei Gründe, wo wir gesagt haben, okay, wir versuchen das noch mal ein Helles.

Markus: Ja. Wollen wir ein weiteres aufmachen? Seid ihr schon bereit?

Oliver Lemke: Sehr gerne.

Holger: Unbedingt.

Markus: Wenn wir die ganze Zeit vom Pale Ale reden, dann sollten wir das jetzt auch mal probieren.

 

Ein Pale Ale mit Vorwahl

Oliver Lemke: So machen wir das, ich bin dabei. Zum Pale Ale, heißt 030. Für den, der in Berlin schon mal angerufen hat, der weiß, dass das unsere Vorwahl ist. Ist auch eine Geschichte, die nicht auf meinem Mist gewachsen ist, ich habe das damals bei, ich glaube, 805 heißt das, von Firestone Walker, als ich da war in Kalifornien, da fand ich das eine gute Idee. Aber der Matt Brynildson von Firestone hat es auch geklaut. Ursprünglich gab es irgendwo von den Great Lakes, glaube ich, von irgendeiner Brauerei. Die Vorwahl da zu nutzen ist nicht ganz neu, aber dennoch in Deutschland neu gewesen und ich fand, gerade weil Berlin so eine schöne Vorwahl hat, passt das. Pale Ale finde ich generell einen sehr, sehr schönen Bierstil, weil er eben genau wie ein Helles oder ein Pils, Stammwürze, Alkohol et cetera, das passt alles, als Bier, wo man auch mal ein paar am Abend trinken kann. Ein ganz großer Teil der Pale Ales, die hier unterwegs sind, die wollen eigentlich Session IPAs sein oder sind es. Das heißt, die Hopfen-Charakteristik ist viel zu dominant, was auch dazu führt, dass ich eben nicht einen 6er-Träger davon trinken kann. Und wir haben wie bei allen anderen Bieren auch immer im Fokus gehabt Biere zu machen, die Drinkability haben und die eben das ermöglichen, dass du auch von Pale Ale einige trinken kannst und dir der Hopfen nicht den Mund versperrt. Darum ist es für den einen oder anderen vielleicht hopfentechnisch nicht so aromatisch wie er es erwartet. Und das Zweite dazu ist: Ich habe einen Lieblingshopfen in dieser Welt, der fruchtige Hopfen, das ist der Centennial. Den kann man hier, es sind zwar auch noch ein paar andere drin, aber der ist hier federführend. Zum Wohl erstmal!

Markus: Ja. Prost! Auch wieder ein sehr, sehr schönes Bier. Mein Problem ist, ich bin wirklich von deinen Bieren eigentlich schon, seit ich sie kenne, begeistert. Was ich da besonders spannend finde, ist eigentlich die Geschichte dahinter. Also wir haben uns mal sehr lange eben auch über deine Geschichte unterhalten, und die fängt eigentlich schon im letzten Jahrtausend an als Craft-Beer-Brauer. Und da hast du schon solche Bierstile gemacht, die zu dem Zeitpunkt in Deutschland nahezu unbekannt waren. Hast du damals im Pale Ale angefangen?

 

Die Anfänge vom Brauhaus Lemke

Oliver Lemke: Ja, in der Tat haben wir mit Ales angefangen. Der Grund dafür liegt einfach in meiner Historie. Ich bin von Hause, hier an der VLB habe ich Brauwesen studiert. Und während der Studienzeit habe ich so für Anlagenbauer gearbeitet und habe Brauereien in der Welt in Betrieb genommen und aufgebaut. Vorher war ich noch mal ein Jahr in den USA. Also ich habe so ein bisschen international geschnüffelt, was so geht, und bin dadurch natürlich ziemlich zeitig, also seit Mitte der 80er, in Kontakt gekommen mit anderen Bierstilen. Hat mich damals noch gar nicht so überzeugt, so ein Plan, was du tust in deinem Leben, ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber der reift auch und es nimmt Wendungen und Wirrungen, die man zuvor nicht erwartet hat. Aber ich habe das alles so irgendwie aufgesogen in meiner Jugend, bin auch viel verreist, Australien, Südamerika und so. Und als dann irgendwie die Situation war, dass man anfängt zu arbeiten oder studieren erst mal, und als der Entschluss reifte, eine eigene Brauerei zu machen, fiel das alles so ineinander, also wie so Puzzleteilchen. Dass du sagst: Okay, Brauerei ja, aber nicht im Großbetrieb. Ich habe früher auch bei Polar mal gearbeitet als Praktikant oder bei Jever und wusste, okay, groß hat auch seine Vorzüge, aber eigentlich wollte ich was selber machen. Und das war gerade die Zeit der Gasthausbrauereien, die erste Welle war vorbei, als ich fertigwurde mit dem Studium, 1996, 1997. Es war aber klar, eine eigene kleine Brauerei soll es sein, und jetzt kam der Input aus den internationalen Erfahrungen, und dann war relativ schnell klar Kleinbrauerei oder Gasthausbrauerei ja, aber anders. Und es zeigte sich auch nicht nur in der Auswahl der Bierstile, sondern auch die Anlage war selbstgebaut. Dann hat man dieses japanische Speisenkonzept Yakitorie, es war alles anders, also es hatte mit den herkömmlichen Gasthausbrauereien so gar nichts zu tun. Heute würde man sagen, ist irgendein Start-up von irgendeinem, der den Schuss nicht gehört hat oder sehr weit in die Zukunft guckt. Und es hat auch dementsprechend nicht funktioniert, sodass ich über Jahre auch ein Stück weit zurückrudern musste, sei es, was das Speisenkonzept anging oder auch, was die Vielzahl der Bierstile anging. Aber das war eben, die Ausgangsbasis war halt schon getriggert durch diese eben genannten Faktoren. Und so kam es dazu, dass wir dann eben, wenn du heute bei Untappd guckst oder so, oder bei RateBeer, ich verfolge das nicht so, aber ich glaube, sie haben vor 2002, 2003 oder so waren IPA Ratings da die ersten. Da wusste hier noch kein Mensch was von IPA. Wir haben Spaß da dran gehabt, aber es war unverkäuflich im Endeffekt. Und weißt du was? Am Ende haben wir nicht daraus gelernt, heute machen wir auch eine Menge Biere, die unverkäuflich sind. Aber nicht, weil sie nicht gut wären, sondern weil der Markt einfach noch nicht da ist. Wir haben alleine an Analysekosten irgendwie 20.000, 30.000 Euro mittlerweile, um dahin zu kommen, wo wir sind. Eigentlich ist es Spinnerei, aber es macht halt Spaß.

Markus: Und das ist aber auch das Schöne. Also ich glaube, wenn du jetzt wirklich zurückblickst, dass du jetzt seit über 20 Jahren mit Leidenschaft Brauer bist und auch letzten Endes dich durch viele Rückschläge nicht hast abbringen lassen, noch dazu in Berlin, das ist schon aller Ehren wert.

Oliver Lemke: Das war nicht immer nur auf meinem Mist gewachsen, sondern es ist nie ein Werk von einem, sondern es gibt immer verschiedene Leute, die dazu beitragen.

Markus: Und interessant, dass du auch Leute hattest, die waren eine Zeit lang bei dir, dann sind sie wieder weitergezogen. Du hast schon für viele Leute, glaube ich, den Bierweg geebnet.

 

Gutes Bier ist Teamwork

Oliver Lemke: Mir ist immer wichtig, oder ich bin immer bemüht, dass man Leute hier eine Weile hat, voneinander profitiert und dass man hinterher ein gutes Verhältnis hat. Und meistens funktioniert das auch. Wir haben also auch Leute, die weggegangen sind, wo wir ein Super-Verhältnis pflegen bis heute. Wo auch immer die Option wieder da ist, dass sie zurückkommen. Die meisten Leute gehen wirklich im Guten und man ist sehr zufrieden mit dem, was man gemeinsam geschafft hat. Ja. Aber man muss auch sagen, das, was wir hier machen, ist auch dauerhaft nicht für jeden, weil es auch echt anstrengend ist. Also wenn du dir überlegst, von dieser 2-Hekto-Anlage bis heute 35 Hekto. Also wir sind eigentlich seit 20 Jahren eine Baustelle. Ich habe gute Leute gehabt, die aber vielleicht als Brauer gut gewesen wären oder als Betriebsleiter oder was auch immer, aber diesen permanenten zusätzlichen Stress nicht ausgehalten haben oder auch nicht wollten. Und das kann ich auch nachvollziehen. Weißt du? Also mir als Unternehmer, ich habe sowieso eine andere Herangehensweise an das ganze Thema, aber als Mitarbeiter, wenn du jetzt zum Mitarbeiter gehst und sagst, pass mal auf, wir haben jetzt ein halbes Jahr Stress, dann sagt der: Ist in Ordnung, kann ich mit leben. Wo wir zum Beispiel Brauhaus Mitte die Fassaden rausgerissen haben und im Winter im Freien Bier gebraut für einen ganzen Winter lang. Das kannst du noch Leuten vermitteln, aber wenn das vorbei ist und die Fassade ist wieder da und du sagst, so, okay, und als nächstes müssen wir jetzt ein neues Sudhaus planen und hier müssen wir irgendwie diesen (unv. #00:15:42.7#), einen Weg schaffen, dass wir irgendwie ein (unv. #00:15:44.5#) da reinsetzen und einen Schornstein bauen, wo gar keine Möglichkeit. Also es kommt immer wieder was Neues, das ist immer neu, immer neu, immer neu. Manchen Leuten, und das kann ich voll nachvollziehen, ist das nach einer gewissen Zeit, dass sie sagen: Ey Lemke, weißt du, du findest nie ein Ende. Hat Spaß gemacht, aber ich suche mein Glück und mein bisschen jetzt Runterkommen woanders. Und das gab es schon öfter. Ja. Auch verständlich, wie gesagt, habe ich volles Verständnis für.

Markus: Wobei natürlich das auch ein bisschen der Kern des Unternehmertums ist, dass du eigentlich immer wieder gucken musst, dass du nicht stehenbleiben kannst. Sondern wenn man mal irgendeinen Punkt erreicht hat, muss man im Kopf eigentlich schon wieder wissen, wo man dann die nächsten Schritte geht und was man hier ausprobiert, um einfach da auch immer weiter am Ball zu bleiben und sich weiter zu entwickeln.

Oliver Lemke: Es gibt Leute, die finden das auch cool, die sind gerade deshalb hier. Weißt du? Und die sagen: Hey, was ist das Nächste?

Holger: Ich wollte einfach nur sagen, dass so die Tradition der Walz innerhalb der Handwerkschaften, der Zünfte, die ist nicht umsonst entstanden. Also du hast einmal als Geselle die Möglichkeit verschiedene Betriebe kennen zu lernen, verschiedene Lehrmeister zu haben, deinen Horizont zu erweitern und für die Betriebe war es auch jedes Mal eine Bereicherung, weil du bei jedem Betrieb auch wieder was von den anderen Betrieben mit eingebracht hast. Ich weiß nicht, bei den Brauern ist die Walz nicht mehr so verbreitet wie bei den Zimmerleuten und so, aber so wie du es jetzt beschreibst, ist es auch eine Art von Walz, die dann da entsteht.

Oliver Lemke: Korrekt.

 

Der Blick über den Tellerrand

Holger: Und gerade, wenn dann Leute aus dem internationalen Kontext dazukommen, dann können die sehr bereichernd sein, weil die einfach übern Tellerrand geschaut haben und Leute, die dann sich entscheiden, wirklich aus der Komfortzone raus zu gehen, in ein fremdes Land zu gehen in eine fremde Umgebung mit einer fremden Sprache und so, da kann man sowieso immer mehr erwarten als jetzt bei jemandem, der sage ich mal einen 9-to-5-Job am liebsten hat.

Oliver Lemke: Klar, ich kenne das seit frühesten Tagen, in unserer Branche ist das total üblich immer schon gelesen, dass du im Ausland begehrt bist, also egal, wo ich war im Ausland, im Brauereibereich waren immer Deutsche, VLBler, Weihenstephaner, Ulmer, Doemensianer, immer unterwegs. Und dementsprechend war das auch, das hat auch diesen familiären Charakter geprägt, wo du dich immer überall willkommen gefühlt hast. Ich meine, Markus hat es schon hundertmal gehört die kleine Geschichte, wo ich bei Anheuser-Busch vorgesprochen habe da und saß vor Gary Kramer. Das war zu der Zeit der oberste Brauer im Anheuser-Busch-Konzern, der sich eine halbe Stunde Zeit genommen hat für einen Nobody aus Deutschland damals im zweiten, dritten Semester. Das ist schon bezeichnend für die Branche auch, dass es schon einen familiären Touch hat und man immer willkommen ist im Ausland, egal wo du eigentlich aufschlägst. Habe ich immer sehr genossen.

Markus: Holger, magst du uns ein Bierchen aussuchen, was wir als nächstes trinken?

Holger: Also ich fände ja schon toll irgendwie, wenn wir jetzt mal auch über die Budike sprechen. Und es ist eines meiner absoluten Lemke-Lieblingsbiere, wenn ich das so sagen darf.

Oliver Lemke: Sie macht sich auch ganz, ganz schlecht hinterher, hinter dem letzten Bier, was wir wahrscheinlich trinken.

Holger: Obwohl Oli, also ich kann dir sagen, also ich will mich jetzt nicht als Säufer outen, das bin ich auch nicht, ich bin wirklich Genusstrinker und kein Wirkungstrinker, aber wenn du irgendwann gar nichts mehr schmeckst und weiß ich nicht wie viele Biere du verkostet hast, dann einfach nur mal ein schönes Sauerbier und dann geht es auch wieder.

Oliver Lemke: Ja. Es neutralisiert halt.

Holger: Ja genau.

 

Die Rückkehr der Berliner Weissen

Oliver Lemke: Ja, wir haben die Budike. Kurz zum Namen, ich sag mal, man kann natürlich fünf Podcasts füllen mit der Budike alleine, wir müssen das natürlich hier reduzieren. Berliner Weiße, alter Bierstil, 1600 schieß mich tot, Markus, weiß das alles viel besser, du bist quasi Bierhistoriker. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht vor einigen Jahren den Champagner des Nordens quasi wieder zu entwickeln und zu sagen, okay, wir haben jetzt ein Bier, was auf Mischgärungsbasis funktionieren ähnlich wie Lambic & Gueuze, was die Berliner Weisse heute in ihrer gewohnten Form nicht mehr ist, das ist ganz weit weg davon. Und so sind wir angetreten, haben gesagt, okay, wir scannen jetzt ohne Ende Mikroorganismen unter Teilhabe natürlich auch von Brettanomyces, weil wir wissen aus der Literatur und aus Promotionsarbeiten, dass die definitiv Teil der Budike war, was auch völlig nachvollziehbar ist bei den damaligen Arbeitsweisen. Und kreieren ein Bier, was per Mischgärung funktioniert, was nahe da rankommt, wie es früher gewesen sein mag, wenn ein Sud gut gelaufen ist. So würde ich es formulieren. Weil es gab natürlich damals keine Kontinuität und es gab ähnlich, also ich kenne das von belgischen Kollegen, die pro Fermenter 200 unterschiedliche Mikroorganismen drin haben und dann versuchen, Kontinuität zu erreichen über das Verschneiden. Das ist auch ein möglicher Ansatz, den haben wir nicht gewählt. Sondern wir haben gewählt einen Ansatz der Moderne, wo wir gesagt haben, wie kriegen wir eine reproduzierbares Produkt unter Einbindung dieser unterschiedliche Mikroorganismen, indem wir diese gezielt auswählen, in gezielten Mischungsverhältnissen anstellen, was natürlich beim Brauen ein ziemlicher Akt ist, weil du jedes Mal mit einer neuen Reinzucht startest. Es ist also nicht so wie beim normalen Bier, wo du erntest und den nächsten Sud anstellst, sondern jede Budike wird speziell aus dem Reagenzglas quasi hergeführt, unterschiedliche Organismen. Dann wird geguckt, oder wir haben natürlich unsere Erfahrung durch die Jahre und wir haben fünf Diplomanden habe ich betreut bei Professor Methner, die ihre Masterarbeit oder Studienarbeiten über dieses Thema gemacht haben unter meiner Leitung. Und so haben wir natürlich diese ganzen Modalitäten rausgekitzelt und geguckt, wie kommen wir diesem Ziel des Champagners des Nordens, ups, darf ich nicht sagen, am nächsten. Und das ist das Ergebnis, was wir hier jetzt verkosten. Und das ist ein Bier, was sich natürlich verändert, das ist relativ jung. Und dieses Bier wird natürlich dadurch, dass es lebende Organismen hat, wir haben Evidenz, dass die Brettanomyces auch nach 20 Jahren noch effektiv in der Flasche ist. Und so wird sich auch dieses Bier in den nächsten 20 Jahren, wenn es nicht getrunken wird, verändern. Unser Anspruch ist, auszuliefern schon in einer Qualität, die so ist, dass man sagt, das ist toll, und dann eben es wie ein Wein auch hinlegen kann über Jahre und schauen kann, wie es sich entwickelt.

Markus: Da würde jetzt ein Unbedarfter vielleicht, der noch gar nicht viel damit zu tun hat, sagen, wieso ist das jetzt was Besonderes? Im Grunde es gibt doch schon immer Berliner Weisse. Als ich den 70ern, 80ern in West Berlin war, habe ich das getrunken, das war dann halt grün oder rot. Und was ist denn da jetzt eigentlich neu dran? Warum hat man da eine Uni involviert? Warum?

Oliver Lemke: Also man hat folgendes getan, man hat von der ursprünglichen Art und Weise dieses Bier als Mischgärung mit unterschiedlichen Mikroorganismen zu produzieren ist man abgewichen, weil es natürlich für deutsche Brauer herkömmlicher Natur eine Katastrophe ist. Also ich brauch einen Organismus, der mein Bier produziert in Reinzucht, das ist unser Anspruch bei Pilsbieren, bei Hellem, bei allem, was wir produzieren. Und das, was bei der Weisse ursprünglich war oder eben auch in Belgien praktiziert wird, ist für einen deutschen Brauer eigentlich undenkbar. Weil diese Organismen sind natürlich auch welche seines (unv. #00:22:24.3# Laktus?), seines Brett, die ich in keiner Brauerei der Welt überhaupt haben möchte oder in keiner Brauerei in Deutschland. Also war der Weg klar, dass die Großbrauerei sagen würde eines Tages, wir stampfen diesen alten Weg ein, wo wir gar nicht wissen, was wir so genau tun und gar nicht so genau wissen, was für Mikroorganismen da drin sind, und ersetzen das Produkt durch eines, was wir nach wissenschaftlichen und schematischen Kriterien mit Kontinuität herstellen können. Das hat dazu geführt, dass wir heute so genannte kettle-saure Biere oder sogar durch Zugabe von Milchsäure produzieren, die schlussendlich mit einer angesäuerten milchsauren Würze agieren, wo der pH-Wert dann eingefroren wird. Dann sagt man, okay, bei 3,5 oder was auch immer, will ich ankommen, dann stoppe ich den Prozess jetzt, und dann setze ich eine ganz normale obergärige Hefe rauf und das war’s. Das Produkt, was ich dann erhalte, ist eindimensional. Also im Regelfall ist es zitronensauer so ein bisschen von der Anmutung her und hat halt keine Tiefe, keine Komplexität. Das ist einfach ein eindimensionales Getränk. Oftmals auch beim Beispiel jetzt Berliner Kindl, so dass es im Grunde schwer trinkbar ist, ohne dass ich diesen Sirup dazu addiere. Und der Sirup ist eben als Gegenspieler der Säure, das funktioniert, das ist ein erfrischendes Sommergetränk, ist aber halt im Grunde ein Biermischgetränk, wo dann eben auch keine Braukunst oder so wirklich dahintersteht. Und es gibt eine Menge Leute, die sich mit dem Thema Berliner Weisse jetzt auch auseinandersetzen, weltweit auch, egal ob das jetzt Catharina Sour ist da in Brasilien oder auch hier oder in den USA, und die meisten meines Wissens verfolgen nach wie vor diesen Weg, dass ich es möglichst simpel gestalte, also diesen Kettle Sour Weg. Und unser Anspruch war bewusst das nicht zu tun, sondern das Original wieder zu beleben. Und das Resultat ist jetzt ein Bier, was trotz der Tatsache, dass es eine geringe Stammwürze hat und einen geringen Alkoholgehalt, sehr komplex und tief ist. Wenn man das schmeckt, wird man feststellen, ich habe unfassbar viele Nuancen da drin, gerade durch diesen leichten Brett-Charakter, wo man aber sehr vorsichtig sein muss, weil wenn der zu stark wird, dann kannst du es auch nicht mehr trinken. Es ist mit Sicherheit das anspruchsvollste Bier, was wir brauen.

Markus: Ja, sehr spannend und anspruchsvoll in der Brauerei, denke ich mal, weil man unheimlich aufpassen muss, wo die Mikroorganismen sind und wo sie nicht sind.

Oliver Lemke: Wir haben für die Weisse einen separaten Keller. Du kennst bei uns die Situation, ursprünglich wurde sie am Schloss produziert, das war aber sehr aufwändig, weil wir dann mit dem Tank da rüberfahren mussten und so weiter. Und jetzt ist der alte Keller unterm Brauhaus am Alex, da ist das Sudhaus stillgelegt, das ist unser Berliner Weisse Keller, das heißt, der ist in einer Entfernung von 150 Metern vom Rest der Brauerei und bisher funktioniert es ganz gut.

Markus: Holger, wie ist das, wenn du in München jemandem so ein Bier servierst, wie reagieren die denn darauf?

 

Der Bayer und das Sauerbier

Holger: Die hauen mir eine runter. Also kommt drauf an, wer es ist. Aber wenn ich jetzt hier auf die Straße gehe und einfach einen typischen Münchner einfach einlade und sage, magst du ein Bier, und ich schütte es ihm ein und er wundert sich schon, warum es so trüb ist und so, aber dann trinkt er halt, weil er Durst hat und Bier ist nicht schlecht hier in der Stadt, aber dann haut er mir eine runter. Also das würden die nicht verstehen. Also jetzt gibt es natürlich genügend Leute hier, die aus der Craft-Beer-Szene kommen beziehungsweise die eben auch wertschätzen und die setzen sich dann natürlich damit auseinander und reden von der Komplexität, die ohne Zweifel dieses Bier hat und so. Aber ich nehme es ganz gerne auch in Verkostungen, aber ich muss schon sagen, man muss die Leute begleiten. Also du kannst jetzt nicht einfach sagen so: Prost! Man muss schon das anmoderieren, muss auch darüber reden, wie besonders das ist, muss vor allen Dingen auch bei den meisten, denke ich, dieses Bild von dem Bier, was die dann im Kopf haben, erst mal versuchen herauszubekommen, damit die ganz frei werden, also dass die sich öffnen können und nicht irgendwie mit ihren Erwartungen in dieses Bier einsteigen. Weil sonst kommt eine Enttäuschung.

Oliver Lemke: Wir machen es den Leuten leicht dadurch, dass wir noch drei weitere Varianten davon machen. Die kennt ihr ja, Himbeere, Waldmeister und die Berliner Eiche, wo aber dann eben nicht mit Sirup gearbeitet wird, sondern das Bier liegt in der Tat auf Himbeeren, auf Waldmeister oder auf Eichenspänen. Und das sind so sag ich mal die Einstiegsdrogen, die den Zugang wahrscheinlich deutlich einfacher machen. Also ist meine Erfahrung, wenn ich mit Leuten dieses Bier verkoste. Waldmeister ist speziell, da gibt es entweder Fans oder welche, die sagen, kann ich nicht. Himbeere ist eigentlich ein Ding, was alle lieben. Und die Eiche, mein eigentlicher Favorit, weil die Süße des Holzes so einen wunderschön Gegenpol zu der Säure liefert und weil es auch echt eine Ausnahme ist, dass man ein schwachalkoholisches Bier mit Holz in Verbindung bringt, was im Regelfall wenig funktioniert, da gibt es echte Fans, die sagen, das ist sensationell und das kann ich auch sehr, sehr gut nachvollziehen. Und dann gibt es welche, die sagen, ich schmecke das Holz gar nicht.

Holger: Also ich muss auch sagen, die Eiche ist auch mein absoluter Favorit. Wenn ich bei euch bin und für den Markus mal wieder Bier holen muss, dann nehme ich mir immer eine Flasche Eiche oder auch mehr mit.

Oliver Lemke: Das ist gut.

Holger: Das muss ich auch sagen. Nee, aber jetzt noch mal zum Bier. Was mich besonders unheimlich beeindruckt, kann man schon fast sagen, ist diese süße, säuerliche Balance, die dieses Bier hat. Und auch so dieser Apfelmost, der da so rauskommt und so, den finde ich großartig. Ich bin total begeistert. Und ich wusste gar nicht, also ich habe auch mal neun Jahre in Berlin gelebt übrigens und liebe diese Stadt auch, aber jetzt mit dem Thema diese alten Schankstätten, dass die eben diese Budike, also von Boutique abgeleitet, das wusste ich gar nicht.

 

Champagner Weisse und Sandweisse

Oliver Lemke: Das wusste ich auch erst durch Literatur jetzt, so alt sind wir alle nicht, dass wir das auch wissen. Es gab die Champagner Weisse und die Sand Weisse, die eingegraben wurde zehn Jahre und, und, und. Und die Budike Weisse war die des einfachen Mannes oder der einfachen Frau, und so war es eben naheliegend das Bier auch entsprechend zu nennen. Und wir haben in der Pipeline, das Spielfeld ist erst begonnen, sage ich mal, also wir arbeiten seit Jahren fast schon, kann man sagen, an der Luise, das wird eine hochprozentige Berliner Weisse werden, als wirklich als Champagner Ersatz. Wobei da sehr, sehr anspruchsvoll ist den Brett-Charakter im Zaume zu halten. Also da kann man noch viel machen im Bereich Berliner Weisse. Ich würde fast sagen, das ist kein, nur ein Bierstil, sondern es ist quasi übergeordnet, dass ich also mehrere Spielfelder dort habe.

 

Himbeer Weisse, Kirsch Weisse und Waldmeister Weisse

Markus: Ich muss sagen, für mich am spannendsten ist die Himbeer Weisse, das ist mein absolutes Lieblingsgetränk. Da nehme ich immer mindestens zwei, wenn ich da bin. Und ich muss sagen, was ich auch faszinierend finde, bei der Waldmeister Weissen konnte man über die Jahre sehr gut nachvollziehen, wie ihr so ein Produkt entwickelt. Der Geschmack, wenn ich überlege, die allererste, die ihr mir mal zum Probieren gegeben habt, verglichen mit dem, was es jetzt gibt und all die Schritte zwischen, fand ich total spannend eben zu sehen, wie ihr euch nach und nach an den Geschmack rantastet, wie da die Balance austariert wird, wie man dann versucht, das gut rüber zu bringen, wie es dann auch konsistent bleibt, wenn das Bier ein bisschen älter ist, und so weiter. Also fand nicht ganz spannend. Und auch vor dem Hintergrund, dass die meisten Leute gar nicht wissen, wie Waldmeister eigentlich schmeckt. Also der normale Mensch hat Waldmeister immer nur als künstliches Aroma aus irgendetwas, die wenigsten hatten wirklich schon mal ein Waldmeister Blatt irgendwie im Mund. Und das gut umzusetzen, finde ich echt total spannend und finde ich auch als Projekt einfach eine ganz, ganz coole Geschichte.

Oliver Lemke: Und als nächstes muss ich noch, ich weiß nicht, ob du das schon mal gekostet hattest, wir hatten seinerzeit ein Sondersud gemacht, Kirsche, hast du die mal gekostet?

Markus: Mhm (bejahend). Ja. Und da fand ich die Entwicklung so spannend. Das ist jetzt großartig.

Oliver Lemke: Die haben wir jetzt wieder. Also damals war so im Team hier die Entscheidung, ich habe gesagt, wir machen erst mal einmal Frucht und dann war die Entscheidung klar, Himbeere, weil die Himbeere ist echt so in your face, also ist total Himbeere pur. Und die Kirsche war subtiler, ich fand die Kirsche eigentlich fast noch spannender und darum haben wir die Kirsche jetzt wieder eingebraut. Also diesen Sommer wird es auch die Kirsche wieder geben.

Markus: Magst du uns noch ein Abschlussbier kredenzen? Wir haben jetzt noch zwei, aber die werden wir nicht mehr beide schaffen.

Oliver Lemke: Ach, ich lasse euch wählen, weißt du.

Markus: Das ist natürlich jetzt gemein, also Holger, ich würde fast sagen, wir verlängern den Podcast um zehn Minuten und machen sie doch beide, oder? Was sagst du?

Holger: Ich würde jetzt einfach sagen, auf jeden Fall jetzt als nächstes muss eigentlich das Spree Coast IPA kommen. Weil ich habe, glaube ich, gestern das Paket bekommen und habe es heute ausgepackt und so, und seitdem freue ich mich darauf. Also das wäre sehr gemein, wenn das also jetzt nicht käme.

Oliver Lemke: Wenn ihr euch nicht entscheiden könnt, machen wir beide. Los, geben wir Gas.

Markus: Wir machen beide. Du hast da grad schon eines aufgemacht, ich glaube, das war das Spree Coast, oder?

Oliver Lemke: Genau. Ja.

Markus: Dann ziehe ich mal nach hier.

 

Spee Coast IPA – ein West Coast India Pale Ale aus Berlin

Oliver Lemke: Ich fange schon mal an. Die Geschichte dahinter ist auch sehr schön, und zwar hat die Hop Growers Association, also der Hopfenpflanzer Verband der USA, seit einigen Jahren inszenieren die einen Wettbewerb, verschicken Hopfen und sagen, hier, die, die ihr mitmacht, macht einen Wettbewerb unter Zuhilfenahme unseres Hopfens. Ihr könnt den auch noch ergänzen durch anderen Hopfen oder ihr könnt was weglassen, wie auch immer. Und wer macht das beste West Coast Style IPA in Deutschland? Da haben wir gleich beim ersten Mal mitgemacht und ich habe dieses Bier geschrieben einfach nur aus der Theorie. Dann haben wir mitgemacht und haben nichts gewonnen. Und fand das Bier aber super eigentlich und hatten auch einen Spree Coast, und haben das Bier dann trotzdem auf den Markt gebracht. Und dann kam der damalige Braumeister Andy Hegny, Markus, du kennst den noch, ne?

Markus: Ja.

Oliver Lemke: Der Andy ist ein großer Freund von Citra und ich mag überhaupt kein Citra, weil diese harzigen Noten und so, das ist alles nicht so meins. Habe ich vorhin schon gesagt, wenn ihr aber jetzt Centennial, Cascade ein bisschen. Der Andy kam dann nach Hause und hat das von mir entworfene Spree Coast mit Citra gestoppt, sage ich mal, bis der Arzt kommt. Und meinte, hier, guck mal, so muss es sein. Und da habe ich gesagt, Pfui Deibel, so kann das keiner saufen. Und dann haben wir uns geeinigt und dann haben wir gesagt, okay, ein Teil von dem Citra, den er da reingemacht hat, den machen wir da rein. Und ich glaube, ein Viertel oder so. Und dann haben wir das gleiche Bier im nächsten Jahr eingereicht und haben Gold gewonnen bei dieser Hop Growers Association. Dazu muss man sagen, das ist zwar ein kleiner Wettbewerb, aber da sitzen mit John Mallet oder Matt Brynaldsen wirklich Leute drin, die schon eine Reputation haben. Also da sitzt nicht irgendeiner, also das war uns schon ein wichtiger Award, obwohl er klein war. Und ein Jahr später oder zwei Jahre später eben den European Beer Star. Was schließen wir daraus? Auch hier dieses Bier ist ein Teamwork. Also einer schreibt das Rezept, macht die Grundgeschichte und der andere frickelt dran rum und sagt, müssen wir was ändern, und so ist es echt unser gemeinsames Projekt gewesen, was wir jetzt zum Erfolg geführt haben. Und der Andy hat sich dann auch gleich das Etikett quasi oder ein Teil des Etiketts auf den Nacken tätowieren lassen. Sensationell, ja. Das war irgendwie diese Geschichte. Und geschmacklich ist es also wirklich West Coast Style. Also wir haben ein Standard IPA, was ein bisschen lieblicher ist, was ein bisschen netter ist für Starter, und hier ist wirklich die volle bittere ein bisschen Harzigkeit, aber auch Centennial und Cascade als Aromaspender Grundlage. Ich finde es toll, ich trinke es mittlerweile deutlich, deutlich lieber noch als unser Standard IPA. Auch viele Amerikaner kommen hier auf den Hof oder so und sagen, hey, ich bin gewöhnt zu Hause meine IPAs und so, aber hier, da habe ich eins gefunden, was dem das Wasser reichen kann. Bin ich sehr zufrieden mit und verkauft sich auch gut.

Markus: Ich kann mich auch noch gut erinnern an den European Beer Star, an die die Winners Night, da hatte der Andy glaube ich das Tattoo ziemlich frisch ganz stolz jedem präsentiert und hatte auch schon das eine oder andere IPA auf diesen Erfolg getrunken. Das war schon …

Oliver Lemke: Aber weißt du, ist doch in Ordnung. Er ist Teil dieses Produktes, er hat das mitentwickelt und da kann man dann auch stolz drauf sein. Passt, finde ich. Was ich vorhin gesagt habe, jeder leistet seinen Beitrag hier. Wäre schlimm, wenn nicht.

Holger: Unbedingt. Ich kenne es und mir geht es auch so wie den Amerikanern, ich mag das sehr. Und ich mag sowieso gerne bittere Biere, aber die dürfen nicht so plump bitter sein. Und hier mit den 75 Bittereinheiten ist das einfach so schön auch in seiner Fruchtigkeit eingebettet, das Bier meines Erachtens wirklich großartig sein lassen. Und es ist auch nicht zu Tode gestopft. Als das auch oft, gerade bei den amerikanischen IPAs so, das sind totale Hop Heads, die einfach alles zu Tode stopfen mit Hopfen. Und das mag ich nicht. Und hier ist es auch wieder so eine schöne Ausgewogenheit, die Bittereinheiten zwar andeuten, aber die dich auch nicht fertigmachen. Und das mag ich sehr an dem Bier.

Markus: Schön ist auch diese Mischung aus diesem Citrus, harzigen, kräutrigen, ist auch so ein bisschen Anis und so. Also es ist eine unheimlich große Bandbreite an Aromen in dem Bier. Das macht mir also auch richtig viel Spaß.

Oliver Lemke: Fein, fein. Freut mich, dass ihr zufrieden seid mit dem, was wir hier so machen.

Markus: Kannst du uns jede Woche schicken, so ein Paket.

 

Bier-Vielfalt aus der Bundeshauptstadt

Oliver Lemke: Alles klar. Aber es ist auch wirklich, wenn man mal zurückdenkt so, also diese Vielfalt, weißt du, das ist echt, macht super viel Spaß vor einem Kühlschrank zu stehen und zu sagen, okay, wo habe ich denn jetzt Bock drauf. Und eben nicht da reinzugreifen und immer das gleiche Bier zu trinken. Und bei Leuten wie uns haben sich die Trinkgewohnheiten, glaube ich, drastisch geändert. Ich kriege ja schon, wenn ich eine 0,5er sehe irgendwo, habe ich schon den Kanal eigentlich zu. Ist mir viel zu viel. Wieviel 0,5er an einem Abend trinkst du? 4 Stück? Ich nicht so viel. Also 4 Stück ist so Maximum, viel mehr mag ich nicht. Dann habe ich maximal 4 Geschmackserlebnisse, ist mir zu wenig für einen Abend.

Markus: Wir hatten einen Psychologie-Professor zu Gast, den Claus-Christian Carbon, und der hat auch ein bisschen so die Trends erforscht und erzählt, dass es eben auch tatsächlich in diese Richtung geht. Also dass die Leute tendenziell eher deutlich weniger konsumieren, aber dafür viel mehr Verschiedenes. Kann man natürlich mit so einer Palette wunderbar reinkommen.

Oliver Lemke: Wollen wir noch eins nehmen? Oder habt ihr keine Zeit mehr?

 

Barrel Blend – ein Imperial Stout als Kunstwerk

Markus: Naja, wenn du uns den Barrel Bland schickst, da gibt’s nichts. Ich meine, allein das Bier ist deswegen schon faszinierend, weil man es gar nicht am normalen Etikett erkennt. Das Etikett schaut aus wie das ganz normale Imperial Stout und dass es dieses besondere Bier ist, dieser Barrel Blend, erkennt man nur an der Binde, die oben um den Hals gewickelt ist sozusagen.

Oliver Lemke: Und es sollte einen kleinen Stempel haben.

Markus: Stimmt, meins hat jetzt auch einen Stempel, früher hatte es diesen aber nicht. Und auf der Binde sieht man dann auch ein bisschen, welche Fässer verwendet wurden. Hier steht jetzt Cherry Bourbon, Cognac und Tequila, kann man sich, glaube ich, schon eine Menge an Aromen vorstellen. Aber was es genau damit auf sich hat, wirst du jetzt sicherlich uns gleich erzählen.

Oliver Lemke: Erstmal ein Geheimnis lüften. Die Banderole haben wir irgendwie vor ein paar Jahren produziert, die ist nur exemplarisch. Das heißt, wenn wir jetzt, ich sehe schon zum Beispiel in diesen Barrel Blend ist Rum drin und der Rum steht nicht mit auf der Binde. Also die Binde darfst du mich für eins zu eins umsetzen in Realität.

Markus: Aber sie zeigt zumindest, dass es diese spezielle Version vom Imperial Stout ist.

Oliver Lemke: Korrekt. Genau. Wenn ich dieses Bier blende, ist die Idee, möglichst Komplexität zu erreichen, ohne aber, und das wisst ihr auch, vielfach ist es so, dass der Alkohol dich erschlägt. Die Idee ist Komplexität, aber ohne, dass der Alkohol zu dominant ist und ohne, dass einer der Bierstile oder der Spirituosenstile, die da drin sind, zu dominant wird. Bei Rum zum Beispiel ist es total gefährlich. Wenn du mehr als 5 Prozent Rum Vorbelegung hast, dann schmeckt das nur noch nach Rum. Haben wir mal ausprobiert, fanden die Jungs hier super cool. Dann habe ich gesagt, ist nicht meins, da siehst du am Caribbean Stout oder so. Finde ich nicht gut, weil nicht balanciert. Aber jeder findet was anderes schön. Also die Idee ist, ich nehme ein Bier, lege das auf unterschiedliche Vorbelegung, ein paar stehen da drauf, Cherry, Bourbon, Tequila, was auch immer, uns in den Keller kommt, lass das eine Weile darauf liegen, fange an zu blenden. Muss man sich so vorstellen, dann sitzt man hier, hat diese unterschiedlichen Biere da und arbeitet wirklich mit einer Pipette, weil es muss reproduzierbar sein. Im Regelfall versuchst du erstmal eine Basis rauszufinden. Das heißt, du guckst, welches Bier ist von denen, die du hier hast, wirklich das Beste, was am meisten das verkörpert, was du erreichen willst. Das ist ganz, ganz oft das Whiskygelagerte, sei es Rye oder Bourbon oder was auch immer. Weil die Erfahrung zeigt, dass diese Whiskey-Geschichte einfach unfassbar gut zu unserem Stout passt und im Regelfall überhaupt zu diesen Bieren Stouts und Barley Wines. Und dann sagst du, okay, das ist jetzt nicht genug, ich möchte auch die anderen Komponenten da noch reinbringen. Und dann kommen die teilweise in nur 5 Prozent, teilweise in 20 Prozent, je nachdem. Manchmal ist es auch so, dass noch ein Imperial IPA mit dazukommt, um ein Stück Fruchtigkeit mit reinzubringen aus dem Hopfen. Und so probiert man dann rum, hat einen schönen Tag für sich selber und am Ende hat man dann ein Produkt und kann das Mischungsverhältnis in die Produktion runtergeben und sagen, hey, bitte einmal so blenden. Dann wird das geblendet und geht auf den Mischtank und dann geht’s auf den Füller und das ist das Resultat. Aber im Regelfall sind es so um die 1000 Flaschen.

Markus: Die es jedes Jahr nur einmal gibt?

Oliver Lemke: Genau. Korrekt.

Markus: Da fühlen wir uns jetzt aber sehr geehrt, dass wir das probieren können. Dann immerhin schon mal ein Promille davon.

Oliver Lemke: Da musst du dich nicht geehrt fühlen, du bist ja ein guter Kunde, du kaufst jedes Mal eine Kiste.

Markus: Das stimmt, mindestens eine.

Oliver Lemke: Alles gut, alles gut.

 

Blending beim Bier

Holger: Vielleicht noch mal ganz kurz zum Blending. Das ist auch, finde ich, eine totale Kunst. In den belgischen Brauereien gibt es richtige Blend Master, die machen gar nichts anderes als eben nur dieses Blending. Und was mich da so fasziniert, ist eben, dass man heutzutage auch mit vollautomatisierten Brauanlagen ganz viel gute Qualität produzieren kann. Aber wenn man eben so ein Blend macht, das geht eben nicht mit irgendwas Vollautomatischem.

Oliver Lemke: Genau.

Holger: Das geht nur mit dem Menschen.

Oliver Lemke: Korrekt.

Holger: Und das finde ich super.

Oliver Lemke: Das ist also zurück zur Urform des Bierbrauens. Das ist ein Stück weit unterm Tisch gefallen. Das ist ja bei der Berliner Weisse genauso wie beim Blending jetzt, dass man also eine Rolle rückwärts macht und sagt, okay, Produktkontinuität, wissenschaftlicher Ansatz, alle super, alles schön, aber das muss man paaren mit den Dingen wie unsere Vorväter und Vormütter Bier gebraut haben. Und da geht es eben um Blenden, da geht es um unterschiedlichste Mikroorganismen und, und, und. Das kann man sehr schön kombinieren, finde ich. Das heißt nicht, man macht (unv. #00:40:05.4#) Style und alles ist egal, sondern man packt diese alten Prinzipien in Leitplanken und kreiert dadurch eben schöne neue Produkte. Das funktioniert, glaube ich, ganz gut.

Markus: Back to the roots sozusagen, weil auch diese ganzen Blending-Diskussionen, also früher war es einfach notwendig Biere zu beenden, um überhaupt vernünftig trinkbare Dinge zu erhalten, also bis zur Erfindung des Porters und alles, was danach in England kam, war das durchaus üblich, und selbst in Franken hat man den Verschneid-Bock noch bis vor wenigen Jahren genutzt, um einfach von dem einen Sud auf den anderen nach und nach über zu blenden sozusagen, damit der Normalkonsument am Stammtisch nicht merkt, dass der Sud jetzt gewechselt wird. Also insofern ganz spannend oder, wenn man nach Tschechien schaut zum Beispiel, da wird heute noch geblendet, die haben ein dunkles Bier und ein Helles und dann kann ich eben auch die Mischung davon bestellen. Das wäre für Deutsche eigentlich ziemlich undenkbar. Da muss man immer so ein bisschen die Bierkulturen sehen.

Oliver Lemke: Klar.

 

Der perfekte Genuss

Markus: Was ich toll finde an diesem Barrel Blend, also ich habe ihn auch extra schon eine Stunde vorher aus dem Kühlschrank, also weil das echt ein Bier ist, was man eigentlich deutlich wärmer genießen sollte, 10, 12 Grad als jetzt ein normales Bier, vielleicht sogar 14 Grad, das muss jeder ein bisschen für sich selber rausfinden. Für mich ist es eigentlich das perfekte Bier, wenn ich jetzt irgendein Festgericht habe, also wir haben jetzt bald Ostern oder zum Beispiel letztes Jahr habe ich es zu Weihnachten aufgemacht. Da ist das einfach ein Bier, was wirklich zu diesen typischen Gerichten, die wir so haben, so ein Gänsebraten mit Wirsing und Klößen und schöner Soße und was weiß ich, Preiselbeeren dazu oder so, da ist das ein Bier, was total gut andockt, ein Food Pairing mit allem anbietet, schön bestehen kann und wirklich so einen Abend richtig rundmacht. Und da merkt man auch immer an so einem Bier, wie viel besser ein Bier sein kann als ein Wein. Da finde ich eben toll, dass die Brauereien eben auch ein Angebot haben, das heißt, man kann den ganz normalen Menschen abholen mit einem schönen Hellen, aber man kann eben auch jemanden, der jetzt einen perfekten Genuss haben will, dem kann ich dann zum Beispiel so ein Barrel Blend bieten und der ist dann eine halbe Stunde damit beschäftigt, einfach nur ins Glas rein zu riechen und ist davon schon begeistert.

Holger: Markus, ein wunderbares Schlusswort. Ich glaube, besser kriegen wir es nicht hin.

Oliver Lemke: Über das Bier haben wir noch nicht geredet. Aber ist auch egal, es ist schön, dass es dir gefällt, Markus. Du hast es gut ausgedrückt. So sehe ich das auch.

Markus: Ich kann mich noch erinnern, ich glaube, das war auf der Internorga damals in Hamburg, wo ich das zum ersten Mal auch einem größeren Publikum vorgestellt habe, und das war echt ein ganz, ganz toller Moment. Weil damals, ja, es war unbekannt, überhaupt ein Bier in ein nicht vorbelegtes Fass zu tun, es war unbekannt, ein Bier aus verschiedenen Fässern zu blenden und es dann so zu präsentieren. Da hat man wirklich gemerkt, wie bei vielen im Kopf einfach was passiert ist. Also bei vielen, die eben vorher aus der Weinecke, aus der Spirituosenecke kamen und immer aufs Bier so herabgeschaut haben und gesagt, na, ihr mit eurem Hellen und Pilz und alles gut und schön, aber wenn es um Geschmack und Genuss geht, dann trinke ich halt mein Weinchen. Da habe ich wirklich Leute echt abholen können und mit dem Bier auch begeistern können. Also auch deswegen bin ich wahrscheinlich so davon begeistert.

Oliver Lemke: Macht das mal weiter mit dem Leute begeistern, das ist gut, das brauchen wir.

Markus: Wir sind jetzt, glaube ich, eh schon beim doppelten Podcast oder so. Wir freuen uns sehr, dass du unser Gast warst, Oli. Das war ein ganz, ganz tolles Gespräch und hat auch mal wieder gezeigt, wie viel Enthusiasmus und Begeisterung und auch Handwerkskunst und Unternehmergeist alles in einer Brauerei stecken kann und auch muss, wenn sie eben lange Bestand haben sollen und eine Perspektive auch für die Zukunft haben soll. Also vielen, vielen Dank, war ein ganz toller BierTalk mit dir.

Oliver Lemke: Gerne immer. Freut mich, dass ich dabei sein durfte. Ich bin immer für euch da.

Holger: Grüß mir Berlin, Oli.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 1 – Interview mit Markus Raupach, Gründer der Deutschen BierAkademie

Am 31.3.2020 gestaltete der Nürnberger Sender max neo einen kompletten Tag rund um das Thema Bier. Als Studiogast hatte sich CvD Sven Grillenberger Markus Raupach geladen. Hören Sie spannende Hintergrundinformationen zur Geschichte der BierAkademie, aktuelle Einschätzungen zur Lage der Bier-Branche in Corona-Zeiten und eine Live-Verkostung von Bier und Schokolade – gerne auch zum Mitmachen…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

BierTalk 2 – Interview mit Prof. Dr. Claus-Christian Carbon von der Universität Bamberg

Claus-Christian Carbon ist seit 2008 Professor für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Schon viel länger ist er aber Liebhaber der fränkischen Bierkultur und widmete sich in seinen Forschungen intensiv den Themen Wahrnehmung und Sensorik. Gemeinsam mit der Deutschen BierAkademie führte sein Lehrstuhl 2018 einen umfangreichen Versuch zum Thema „Bier und Musik“ durch. Grund genug also, um sich im BierTalk über Bier und seine Versuchungen zu unterhalten…

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Markus: Hallo zusammen, dann begrüßen wir euch mal ganz herzlich zu unserem BierTalk Nummer zwei. Natürlich wie immer mit mir, mit dem Markus …

Holger: … und mit mir, dem Holger.

Markus: Wir haben natürlich auch einen Gast, der sich am besten vielleicht kurz selbst vorstellt.

Claus-Christian Carbon: Hallo, grüßt euch! Hier spricht Claus-Christian Carbon, ich bin hier Professor. Hier bedeutet Uni Bamberg, also in Bamberg, in der schönen Bierstadt Bamberg. Ich bin Psychologe von Haus aus und interessiere mich vor allem für sowas wie Wahrnehmung, sowas wie Genuss. Und mich interessiert deswegen Bier sehr und deswegen arbeite ich auch mit Markus zusammen. Einfach deswegen, weil wir eben der Meinung sind, dass man das Ganze wissenschaftlich auch angehen kann. Also die Wahrnehmung, den Genuss besser zu erforschen und dann auch solche spannenden Sachen zusammenzubringen wie Regionalität und Identität. Und dazu werden wir vielleicht nachher ein bisschen was sprechen können.

 

Die Sensorik in der Wissenschaft

Markus: Ja. Und wie es sich für einen BierTalk gehört, haben wir natürlich auch jeder ein Bier ausgesucht, das wir nach und nach aufmachen und über das wir auch ein bisschen reden. Vielleicht vorneweg, Claus-Christian Carbon, wenn du ein bisschen was dazu sagst für uns Laien jetzt in der Beziehung: Wenn jetzt jemand ein Bier trinkt, wie wird denn die Wahrnehmung die Sensorik damit berührt jetzt von der wissenschaftlichen Seite aus?

Claus-Christian Carbon: Das Spannende ist ja genau das, was uns jetzt gerade fehlt in Zeiten wie beispielsweise einer Pandemie. Wo wir tatsächlich nicht zusammenkommen können, fehlt uns genau dieser gesellige Aspekt ganz, ganz stark. Also Bier trinken bedeutet meist, außer es ist eben in einer pathologischen Weise, dass man eben tatsächlich Bier trinkt, um zu kompensieren und so weiter, daheimsitzt und depressiv ist, traurig ist und so weiter. Aber wir sprechen mal von den positiven Seiten, die ja tatsächlich sehr, sehr stark sind mit Bierfesten, mit Geselligkeiten und so weiter, dass man mit seinen Freunden tatsächlich trinkt und genießt, dann hat das eben auch eine unglaubliche soziale Komponente. Es hat auch eine gesellschaftliche Komponente, weil wir kommen beispielsweise in Wirtschaften zusammen. Und ich bin auch der Meinung, dass wenn Menschen noch zusammenkommen in Wirtschaften, dass es dann vielleicht auch sowas gibt wie eine Moderation des Ganzen. Also natürlich ist ein Stammtisch manchmal auch ein bisschen wüst und natürlich wird da auch gefeixt und politisiert, aber es gibt eben Menschen, die tatsächlich auch mal sagen können, du, das geht mir jetzt zu weit oder kannst du dann tatsächlich nochmal überdenken, was du da gerade gesagt hast? Oder der Wirt kommt und sagt: Also das geht mir jetzt ein bisschen zu weit, weil eben vielleicht das Gedankengut ein bisschen abschweift. Das heißt, das Ganze hat eine soziologische, eine gesellschaftliche Komponente.

 

Ein Professor und sein Bier

Markus: Du hast ja selber auch ein Bierchen dir ausgesucht.

Claus-Christian Carbon: Ja.

Markus: Vielleicht stellst du uns das mal kurz vor und dann können wir mal ein bisschen mal schauen, was für Wahrnehmungen du hast. Vielleicht kennen wir das Bier oder erinnern uns an ein ähnliches Bier, dann können wir da vielleicht auch ein bisschen darüber reden und können über die verschiedenen Aspekte vielleicht ein bisschen sprechen.

Claus-Christian Carbon: Also erstmal mache ich es jetzt authentisch auf. Vielleicht erkennt ihr es ja am Aufmachen. Das ist ziemlich unwahrscheinlich, aber jetzt setze ich mal an. Eine 0,5 Liter Flasche und es ist ein Rauchsüdla, ein Spezialsud der Brauerei Knoblach aus Schammelsdorf. Etwas eigentlich sehr, sehr Besonderes, nicht unbedingt was sehr, sehr Teures. Das ist eben das Tolle an Franken, dass die Biere nicht unbedingt superteuer sind, aber superexklusiv. Weil tatsächlich, dazu kannst du bestimmt viel mehr sagen, aber das ist nicht einfach nur eine Familienbrauerei, die tolle Biere macht, tolle Standardbiere macht, sondern die machen eben auch immer Spezialsude und das ist eben etwas, das mache ich heute auf, das trinken wir heute, und das könnte ich in einem halben Jahr wahrscheinlich gar nicht mehr kaufen. Ein leicht rauchiges Bier, ich schenke mir das mal ein.

Markus: Während du einschenkst, können wir den Holger mal ins Boot holen. Rauchbier ist für dich auch nicht fremd, was würdest du denn jetzt erwarten, was der Claus-Christian für Eindrücke hat?

 

Bier ist Get Together

Holger: Naja, also ich möchte eigentlich noch mal Bezug nehmen auf das, was er vorher gesagt hat, weil ich das ja auch immer sage. Also Bier ist einfach Get Together und Bier ist Geselligkeit, ist Heimat und ist unkompliziert. Also so wie ich auch selbst, also als Ruhrgebietler sind wir auch total unkompliziert. Und deshalb liebe ich das so sehr. Und weil Bier halt Heimat ist, ist das so, dass, wenn ich mit Rauchbier arbeite, und das mache ich ziemlich häufig auch, um auch zu zeigen, was Bier sein kann, dann ist das bei den meisten Leuten so, dass die sagen, Mensch, also das schmeckt ja wie so ein geräucherter Schinken. Das ist eigentlich die sensorische Wahrnehmung, die da jeder hat und ich selbst auch. Aber wenn man ganz im Norden ist, also zum Beispiel in Ostfriesland, so in Aurich oder Emden, so diese Ecke, da ist es für die Leute ganz typisch, dass die sagen, das ist ganz klar, Räucherfisch. Also die würden nie auf die Idee kommen, das mit Räucherschinken zu verbinden. Und wenn ich dann sage, also ich erlebe das als Räucherschinken, dann widersprechen die mir und sagen, nein, nein, das ist Räucherfisch, ganz klar. Und das Lustige ist dann, wenn man darüber nachdenkt, hat man auch dann die Bilder im Kopf. Also wenn man dann probiert und dann noch mal nachschmeckt, so nach dem Motto, könnte das jetzt eigentlich auch eine geräucherte Forelle sein, dann bejaht man das. Und das finde ich unglaublich spannend. Dann sind wir ja total eben auch in der Psychologie.

 

Assoziationen beim Bier

Claus-Christian Carbon: Ganz genau. Es ist eine ganz, ganz spannende Sache. Ein Doktorand von mir, der Stefan Ortlieb und ich haben gerade, vor zwei Tagen haben wir veröffentlicht einen Artikel. Das ist eigentlich einfach gar nichts Originäres von uns, sondern wir haben eine Schrift übersetzt aus dem 19. Jahrhundert von Fechner. Das ist so ein ganz, ganz wesentlicher sogenannter Psychophysiker. Also der hat das erste Mal angefangen, psychische Phänomene so zu verstehen, dass man erst die Physik sich anschaut, die Physik verändert. Also zum Beispiel würde man jetzt bestimmte Noten, Geschmacksnoten, Aromanoten in einem Bier leicht verändern und dann eben schauen, wie die Übersetzung ist in das Psychische. Und der hat was sehr, sehr spannendes geschrieben 1866 und bisher war das nur für Deutsche verfügbar, weil es eben in Deutsch geschrieben ist, auch noch in Fraktur, und das heißt das Assoziationsprinzip. Und was Holger gerade beschrieben hat, ist genau das, was 1866 im Prinzip das erste Mal erkundet worden ist, nämlich wir bewerten Dinge nach unseren Assoziationen. Wir haben beispielsweise als Nordlichter eben die Assoziation zu Räucherfisch und stellen uns dann tatsächlich sofort einen Fisch vor und haben eine mehr oder weniger gute Assoziation. Die meisten werden eine positive Assoziation haben, kann aber auch ganz anders sein. Kann was ganz, ganz Negatives sein. Und dann wird dieses Getränk auch unglaublich schlecht ankommen. Nehmen wir mal ein Beispiel mit dem Schinken, also für die Süddeutschen ist das dann meist eben der Schwarzwälder Schinken, das ist ja eben kein luftgetrockneter Schinken, sondern eindeutig einer über Buchenholz geräucherter. Und das ist ja genau das, was hier auch gemacht wird, es wird über Buchenholz geräuchert das Malz. Und das Spannende ist eben, wenn ich beispielsweise mit Leuten spreche, die Vegetarier sind, die sagen teilweise einfach: Bah! Das ist ja ekelhaft. Das stinkt nach totem Fleisch. Und andere sagen: Ah, das erinnert mich so toll an genau das und an einen vielleicht schönen Urlaub oder irgendwas. Das sind eben auch ganze Narrative, ganze Geschichten, die mit einem Mal aktiviert werden. Und das ist das Magische daran und deswegen ist dieses Assoziationsprinzip von 1866 so der Art aktuell noch heute.

Markus: Kann man ja ein richtiges Storytelling praktisch aus so einem Bier machen, weil man dann praktisch in dem Geschmack über die Assoziationen eine gesamte Geschichte dahinter verpacken kann.

Claus-Christian Carbon: Richtig. Und das Spannende ist, Markus, es ist eben nicht nur so, dass diese Assoziationen alle automatisch laufen. Die laufen ziemlich automatisch ab, aber wie du es gerade angedeutet hast, du kannst das natürlich auch lenken. Du kannst einfach beispielsweise über eine Bilderwelt, die du präsentierst, oder zum Beispiel auch ein Storytelling, kannst du genau diese Assoziationen eher wahrscheinlich machen als weniger wahrscheinlich. Und damit kannst du tatsächlich unglaublich erfolgreiches Marketing machen, hoffentlich in einer positiven Weise, dass man eben die Werte, die man auch wirklich hat, transportiert.

 

Wer braucht Marketing?

Holger: Gerade das Thema Marketing ist für mich immer so ein Thema, braucht man das eigentlich? Also wenn man das jetzt rein aus der Unternehmenssicht und der Gewinne und der Gewinnmaximierung sieht, dann braucht man das natürlich. Aber Marketing hat halt ganz viel mit Manipulation zu tun. Und das ist für mich so eine Grenze, die ganz schwierig ist. Also ich gebe jetzt mal ein Beispiel, das kennt jeder, dass zum Beispiel Alexander von Humboldt, also das ist dieses Segelschiff mit den grünen Segeln, das ja auch Becks verwendet, und das hat, glaube ich, an der Ecke wahnsinnig gut funktioniert und ist auch das, was der Christian gerade beschreibt. Also ich trinke mir ein Becks und denke zwangsläufig eben an die Alexander von Humboldt, an die Freiheit, an dieses Fernweh. Also genau das ist es. Und das produziert auch Geschmack. Wenn bei mir in den Verkostungen, also wenn das jetzt so ist, dass eben die Leute aus unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik unterschiedliche Wahrnehmungen haben, dann reden wir natürlich auch darüber, woher kommt das? Ich äußere mich dann so ähnlich. Ich sage dann immer: Ja, also das ist wahrscheinlich so wie eure Mütter euch irgendwas gegeben haben und haben dann darüber berichtet und haben dann einfach gesagt, das ist geräuchert. Und das bleibt dann hängen. Und die können natürlich auch noch mal verändert werden oder diese Begriffe bilden sich dann später und die Verbindungen, das weiß ich gar nicht ganz genau. Aber ich glaube, das hat ganz viel auch mit Zuhause zu tun und wie wird man groß. Essen oder Geschmack ist Heimat. Also das ist so, glaube ich, oder?

Claus-Christian Carbon: Ganz, ganz stark. Diese Assoziationen beziehen sich halt immer auf eine Lerngeschichte. Das hört sich jetzt ein bisschen nüchtern an, aber im Prinzip ist das das ja. In einer Lerngeschichte, in einer individuellen Lerngeschichte sind eben die Episoden des eigenen Lebens drinnen. Und wenn das zum Beispiel positive Sachen sind, also deine Mama hat dir eben ganz, ganz tolle positive Sachen beigebracht und gezeigt und so weiter, und dieses Bild deiner Mutter oder vielleicht eine Situation, die mal erfahren worden ist mit deiner Mutter, wird gerade aktiviert über so etwas. Was weiß ich, irgend so ein Beispiel wie, das nehme ich immer, Multi Sanostol. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt.

Holger: Ja, absolut.

Claus-Christian Carbon: Multi Sanostol ist so ein Saft.

Holger: Da habe ich jetzt sofort die Verpackung im Auge.

Claus-Christian Carbon: Ja genau, dieses …

Markus: Und ich die Melodie im Ohr.

Claus-Christian Carbon: Genau. Richtig. Auch die Melodie. Und das ist zum Beispiel in unserer Kindheit, wir sind ungefähr ja gleiches Alter, ähnliches Alter auf jeden Fall, und wir sind eben aufgewachsen mit dem. Da ist die Zeit gewesen, als es nicht mehr Lebertran, also man das nicht mehr so gemacht hat, weil man eben gemerkt hat, dass es irgendwie ein Wahnsinn ist, die ganzen Wale dafür abzuschlachten, dass Kinder Vitamin D kriegen in Deutschland und in anderen Ländern. Und dann hat man eben diesen Ersatzstoff entwickelt und der war wahnsinnig süß und so weiter. Und wenn ihr den mal irgendwann noch mal irgendwo herkriegt und das einfach mal aufmacht, dann werdet ihr ganz, ganz schnell merken, dass ihr wie Kinder euch gerade fühlt. Und das ist ein ganz wohliges Gefühl, weil meist hat es uns ja unglaublich gut geschmeckt. Und wir haben das aber nie wieder probiert, weil man natürlich kein Multi Sanostol eigentlich als Erwachsener isst oder trinkt oder. Es ist auch unglaublich teuer und so weiter. Keiner würde auf so eine Idee kommen. Aber wenn ihr das macht, habt ihr plötzlich diese ganz, ganz starken positiven Assoziationen, meist positiven Assoziationen, weil man eben die damals auch ganz positiv erlebt hat. Diese Situation, wo man das dann getrunken hat, das war ein Privileg, das war eben, wenn man vielleicht was Besonderes gemacht hat, oder wenn einfach eine warmherzige Mutter oder Vater eben einem das eingeschenkt haben.

 

Kopfkino durch Bier

Markus: Da kann man auch wieder den Rückschluss praktisch ziehen. Wenn ich jetzt grad an das Rauchsüdla denke, das habe ich nämlich witzigerweise vor zwei, drei Tagen auch aufgemacht, weil ich mir eben eine Flasche besorgt habe, um das eben auch zu verkosten, und da ist wirklich bei mir dann auch im Kopf der Film abgelaufen, wie ich zum ersten Mal damals beim Knoblach in Schammelsdorf war, in der Wirtschaft, wie voll das war. Ich weiß noch, was wir damals gegessen haben und so. Also da merkt man, wie viel Erinnerungen auch abgespeichert werden mit sensorischen Eindrücken.

Claus-Christian Carbon: Genau.

Markus: Apropos sensorische Eindrücke, wie geht‘s dir denn mit dem Bier? Was würdest du denn zum Geruch und zum Geschmack sagen?

Claus-Christian Carbon: Also ich finde das sehr, sehr angenehm. Ich liebe, muss ich dazusagen, Rauchbiere. Das ist natürlich eine wichtige Vorbedingung, wahrscheinlich, weil ich auch positive Assoziationen eben habe. Man darf natürlich das immer nicht überschätzen. Das ist natürlich nur eine Komponente dieser Assoziationen. Aber trotzdem, die sind bei mir sehr positiv. Ich mag durchaus sowas wie einen Schwarzwälder Schinken auch. Und hier ist es tatsächlich so, das ist eine zurückgenommene Rauchbier-, Rauchmalz-Note, die da drin ist. Das ist sehr angenehm, obwohl ich auch die ganz, ganz starken, also Schlenkerla liebe ich. Das ist so für mich das Nonplusultra an Stärke von Rauchbier. Und da geht es mir zum Beispiel so wie dem Markus: Wenn ich einfach ein Schlenkerla aufmache, meist trinke ich es natürlich wirklich im Schlenkerla, aber dann ist es einfach so, dass bei mir immer positive Assoziationen zusammenkommen. Weil da sitze ich mit meinem Team, mit meinen Freunden im Schlenkerla, und genau das fühle ich dann auch und das spüre ich auch. Und hier, muss ich auch sagen, ich habe einfach, wenn ich das jetzt aufmache, vielleicht ist das tatsächlich eines der besten Mittel zurzeit gegen die Isolation in einer Zeit, wo wir tatsächlich nicht einfach rausgehen können wegen Covid-19, dass man tatsächlich sich wieder vertraut macht, ich rieche gerade noch mal, an eine Zeit, wo man eben sich ungezwungen einfach treffen konnte. Und das spüre ich jetzt gerade sehr. Was ich sehr angenehm empfinde an dem Bier, das ist eben nicht süß, sondern das hat trotzdem eine herbe Note, aber eben nicht wie die fränkischen Biere insgesamt, nicht zu herb. Ich finde das sehr, sehr außergewöhnlich, das schmeckt anders als das Hartmann. Das Hartmann ist ein bisschen weniger malzig, finde ich, rauchmalzig. Es hat durchaus Kanten, also es ist nicht ganz, ganz weich und geschmeidig. Ich mag das sehr gerne. Ich würde es als idiosynkratisch bezeichnen. Es ist tatsächlich ein außergewöhnliches Rauchbier, es schmeckt anders als die, die ich bisher kannte.

Markus: Mit Hartmann meinst du den Felsentrunk von Hartmann Würgau?

Claus-Christian Carbon: Genau. Richtig.

Markus: Da ist Whiskey-Rauchmalz drin, der hat natürlich noch mal eine andere Note.

Claus-Christian Carbon: Eine stärkere Weichheit irgendwie, habe ich das Gefühl wenigstens. Also ich finde den Hartmann ja sagenhaft, muss ich sagen, diesen Felsentrunk. Ich lebe den.

 

Alkoholfreies Bier in der Verkostung

Holger: Ihr werdet jetzt staunen, also wirklich, ihr werdet staunen. Und zwar habe ich ein alkoholfreies Bier dabei, das ist ein Warsteiner herb alkoholfrei. In dem Zusammenhang, wo wir jetzt gerade diskutiert haben, ist es so, dass ich gerade mit diesem Bier auch wiederum oft Blindverkostung mache. Und habe da die Erfahrung, dass so gut wie nicht passiert, also ich würde wirklich sagen 98 oder 99 Prozent, dass jemand da merkt, dass das überhaupt alkoholfrei ist. Das ist auch sehr spannend.

Claus-Christian Carbon: Ja super.

Markus: Ja, dann mach doch mal auf.

Holger: Also ich soll mal aufmachen? Ja?

Markus: Ja, absolut.

Holger: Dann werde ich euch versuchen jetzt mit dem Geräuschbild also Durst zu machen.

Markus: Klingt schon gut.

Claus-Christian Carbon: Da ist relativ groß das Glas, oder?

Holger: Ja, ja, natürlich. Das habe ich extra gewählt, weil ich jetzt auch ein bisschen schneller einschütten wollte, damit sich das besser anhört und quasi euch das Wasser im Mund zusammenläuft, wo man einfach denkt: Mein Gott, habe ich Durst. Also ja, Prost!

Alkoholfreies Bier als Alternative

Markus: Ja, so ein Warsteiner alkoholfrei ist natürlich auch eine spannende Nummer, weil alkoholfreie Biere jetzt immer wichtiger werden und trotzdem die Herausforderung natürlich bestanden hat zumindest bisher für die Brauereien, dass sie versucht haben mit ihrem alkoholfreien Bier so ein Gegenstück oder eine Alternative zu dem Normalbier, das sie haben, herzustellen. Ändert sich jetzt gerade ein bisschen, jetzt gerade wird alkoholfreies Bier was Eigenständiges, sodass es immer mehr Leute gibt, die überhaupt noch nie ein normales Bier getrunken haben, sondern mit alkoholfreiem Bier überhaupt einsteigen. Und da wäre für mich tatsächlich auch mal an den Fachmann die Frage: Wie ist denn das mit dem Alkohol als Substanz in der Sensorik? Also macht das was aus, ändert sich das? Oder ist das, wenn man alkoholfreie Sachen verkostet, eigentlich sehr ähnlich?

Claus-Christian Carbon: Also die erste sehr, sehr spannende Sache ist: Wir haben das sogar mal erforscht vor langer, langer Zeit, da war ich noch Student an der Universität Trier, da haben wir Verkostungen gemacht von alkoholfreien und alkoholhaltigen Getränken, angeblich. Das Spannende ist: Wir haben den Leuten natürlich nicht gesagt, was was ist. Zum Schluss war es so, dass alle alkoholfrei waren. Und zwar waren das damals Bitburger alkoholfrei, das war, ich glaube, es hieß Drive. Auf jeden Fall kam das gerade auf dieses Bier. Und das Spannende ist: Wir haben die Leute auch einschätzen lassen, wie sie sich jetzt gerade fühlen. Und dann haben wir tatsächlich auf dem Universitätscampus vor der Mensa so einen Stand aufgemacht und die Leute haben erst mal berichtet, oh, jetzt darf ich aber nicht mehr so viel trinken, ich merke schon, der Alkohol schlägt an und ich muss ja heute noch studieren. Diese Untersuchung ist durchaus auch ethisch durchaus bedenklich. Einfach deswegen, also natürlich ist es erstmal unbedenklich, rein physikalisch, weil die haben keinen Alkohol getrunken, deswegen kann ich das natürlich machen. Aber die Welt ist eben eine zutiefst psychologische, also die Realität, die wir erleben, ist eine psychologische und nicht eine physikalische. Natürlich in gewissen Grenzen ist sie auch physikalisch. Wenn du rausgehst und es ist minus 20 Grad, wirst du erfrieren, da hilft dir die Psychologie nichts, aber da fühlst du ja auch tatsächlich, dass es sehr, sehr kalt ist. Es ist ja nicht so, dass die völlig entfremdet ist die psychologische Welt. Aber die psychologische Welt war tatsächlich so, dass die Menschen, die hier mitgemacht haben, die Versuchspersonen, angegeben haben, dass sie langsam betrunken werden. Und manche Männer haben dann gesagt: Boah, jetzt habe ich … Die haben dann wirklich drei Biere getrunken und haben gesagt: Ich bin ja total Kante. Ich habe jetzt richtig viel getrunken. Und fühlten sich so und haben auch angefangen zu lallen. Und das Spannende ist, wenn wir, und das hat auch was mit der Assoziation zu tun, sobald wir tatsächlich anfangen, etwas zu trinken, was typischerweise Alkohol hat und wir tatsächlich darauf trainiert sind, dass wir eine gewisse Wirkung haben, werden wir die auch schon antizipieren. Wir werden sie tatsächlich schon vorerleben. Und das ist nicht irgendwie etwas Magisches, sondern das macht natürlich totalen Sinn. Also wenn wir tatsächlich wissen, dass wir aus unserer Lerngeschichte gleich etwas erleben werden, werden wir uns darauf vorbereiten. Und das ist sogar hier mit der Alkoholwirkung so. Bezogen auf die Sensorik, es gibt tatsächlich kaum eine Forschung dazu, was der Alkohol tatsächlich Vorteilhaftes bringen könnte für die Aromen. Wichtig ist nur zu sagen, dass manchmal der Alkohol tatsächlich was sehr negatives Wahrgenommenes sein kann. Dass man eben sagt: Das ist sehr sprittig, ein Bier oder ein Wein schmeckt sprittig. Und das ist tatsächlich eher was Negatives. Eigentlich sollte man den Alkohol nicht groß, man kann ihn vielleicht spüren, das kann auch durchaus was Positives sein, aber man sollte ihn eigentlich nicht direkt schmecken. Und Wie tatsächlich Alkohol als Überträger von Aromen tatsächlich dienen kann, ist einfach nicht richtig gut erforscht.

 

Betrunken ohne Alkohol?

Markus: Spannend. Also ich habe da noch eine kurze Nachfrage. Würde jetzt bedeuten, wenn jemand noch nie die Nebenwirkungen von Alkohol erlebt hat, dann könnte er sie auch nicht antizipieren?

Claus-Christian Carbon: Ich habe keine empirischen Daten, wurde nie durchgeführt, aber meine starke Hypothese für ein künftiges Experiment, was wir vielleicht mal auch tatsächlich machen werden, ist tatsächlich, die werden dann keinen Alkohol, also sie werden keine typischen Wirkungen zeigen, die Alkohol auswirken müsste. Also dass man eben lallt irgendwann, dass man eben unkonzentriert ist, dass man müde wird und so weiter. Ganz genau. Aber die anderen werden es sehr, sehr stark merken. Und vielleicht kennt ihr das sogar, und es ist noch nicht ein Zeichen dafür, dass man jetzt wirklich dem Alkoholismus oder sowas anheimgefallen ist, aber ihr kennt das vielleicht, dass man tatsächlich schon eine gewisse Art von leichter Benommenheit fühlt, wenn man eben tatsächlich an Bier denkt oder dass man weiß, jetzt trinkt man gleich was. Man kann das tatsächlich antizipieren. Und deswegen kann man auch Gegenmaßnahmen ergreifen sozusagen. Also es ist auf jeden Fall, Wahrnehmung ist nicht einfach eine Sensorik, die dort ist, sondern es ist immer etwas Mitgedachtes und es ist immer etwas Multisensorisches. Das ist vielleicht auch was ganz Spannendes. Also als vorhin Holger sein Bier aufgemacht hat, dieses Warsteiner, und das eingeschüttet hat, haben wir, glaube ich, alle mitgekriegt, dass es ein relativ großes Glas ist. Ich habe es dann auch gesagt, und ich wollte es einfach wissen, ob es wirklich so ist oder ob meine Wahrnehmung trügerisch war. Und wir stellen uns dann tatsächlich vor, wie er das vollmundig reinschüttet. Und wahrscheinlich hat das auch dazu beigetragen, dass wir es doch als sehr angenehm erlebten. Es war eben nicht nur so ein Tastingglas, wie ich es jetzt habe, sondern es ist tatsächlich so ein großes, vollmundiges. Genau das will ich eigentlich aber auch hören, wenn es um normalen Biergenuss geht, weil das ja tatsächlich, das alkoholfreie Bier will ja im Widerstreit oder im Wettbewerb stehen mit normalem Bier, also sollte es genau diese Werte transportieren. Also war das genau richtig gemacht. Und es hat tatsächlich Lust gemacht, das jetzt auch mal zu trinken.

Markus: Tja Holger, bist du jetzt schon betrunken oder nicht?

Holger: Nee, nee, absolut nicht. Also du musst ja auch noch dein Bier trinken. Und ich würde tatsächlich gern auch noch mal übers Bier an sich sprechen, über das, was ich jetzt hier vor mir stehen habe. Also nicht ganz allgemein, sondern schon im Speziellen. Weil es aus mehrerlei Hinsicht wirklich spannend ist, damit sich zu beschäftigen.

Markus: Ich kann vorher meins aufmachen.

Holger: Ja also.

Markus: Wir haben ja so eine kleine Challenge, der Holger und ich, dass man immer hört, was es für ein Bier ist beim Öffnen. Also gucken wir mal, Holger, ob du das jetzt mitbekommst, was ich jetzt hier aufmache.

Holger: Oh, das war relativ klar.

Claus-Christian Carbon: Okay. Dann gib mir mal einen Tipp.

Markus: Ich bin weit weg vom Claus-Christian, ich bin relativ nahe bei dir.

Holger: Ah ja. Hm. Sehr nah oder relativ nah?

Markus: Was ist relativ?

Holger: Also für den Süddeutschen wahrscheinlich relativ nah, oder?

Markus: Nein, Also vom Herkunftsort des Bieres bin ich gar nicht in Deutschland.

Holger: Ah okay. Kann ich eine Schätzung abgeben?

Markus: Auf jeden Fall.

Holger: Also gut. Das war ja auf jeden Fall eine Dose. Also es war ja eine Dose, eine 0,5er Dose, oder?

Markus: Etwas kleiner.

Holger: Es war eine 0,3er? Echt?

Markus: Mhm (bejahend). Ja.

Holger: Okay. Ah nee, dann habe ich das falsch gehört. Okay. Ich habe tatsächlich ein dänisches Bier vor mir gehabt, 0,5er, eine Dose, aber dann bin ich falsch, weil die gibt es nicht in 0,33er.

Markus: Richtig. Ein bisschen weiter nördlich. Nein, ich bin auf der Insel in Schottland bei Brewdog und habe mir dort das alkoholfreie IPA eingeschenkt.

Claus-Christian Carbon: Wow!

 

Volles Aroma im alkoholfreien Bier

Markus: Also alkoholfrei war mir jetzt auch wichtig, weil ich heute tatsächlich noch ein bisschen was zu tun habe und man ja heute erst recht damit rechnen muss, dass man von der Polizei mal angehalten wird. Deswegen natürlich 0,0. Auf der anderen Seite wollte ich jetzt grad früh so ein bisschen mehr Aroma auch haben. Also vielleicht ganz kurz für die Mithörer, wir zeichnen das jetzt gerade am Morgen auf, deswegen ist mir das jetzt gerade auch wichtig. Und da wollte ich eben ein Bier haben, was ein bisschen auch diese kräuterigen, grasigen Aromen hat und insgesamt mehr hopfenbetont ist. Und so kam ich dann bei diesem alkoholfreien IPA raus. Können wir aber nachher auch noch ein bisschen mehr drüber sprechen. Ich muss mich sowieso erstmal eintrinken. Solange kann der Holger uns ja an der Philosophie seines alkoholfreien Bieres teilhaben lassen.

Holger: Du hast es jetzt schon erwähnt, wir haben eben noch Vormittag. Und ich weiß ja nicht, ob dann irgendwann ein Student von dir, Christian, sich den Podcast anhört, aber …

Claus-Christian Carbon: Da kann er ruhig machen. Das ist durchaus legal, was ich da mache.

Holger: Unbedingt, unbedingt. Also wir beschäftigen uns ja wissenschaftlich gerade damit.

Claus-Christian Carbon: Absolut. Genau.

Holger: Trotzdem finde ich es sehr beeindruckend, einen Professor zu haben, der eben sich morgens um zehn halt schon ein Rauchbier öffnet. Also das ist schon was.

Claus-Christian Carbon: Natürlich, für ein so schönes Podcast unbedingt. Ganz klar.

Holger: Unbedingt.

 

Qualität und Regionalität beim Bier

Claus-Christian Carbon: Die wichtige Sache ist vielleicht auch immer klar zu machen und das ist auch etwas, für was ich eigentlich immer sehr, sehr viel Werbung mache. Wir müssen in Qualität und wir dürfen nicht mehr in Quantitäten denken, gerade nicht mehr im 21. Jahrhundert und auch nicht mehr in einer Zeit, wo Ressourcen knapper werden, wo Sachen eigentlich immer teurer werden, die hochwertig sind. Und ich glaube, dass wir tatsächlich eher dazu übergehen sollten, zum Beispiel mal einen kleinen Schluck zu trinken, unglaublichen Genuss dabei zu haben und nicht mehr in diese Masse. Und das große Problem ist ja nicht nur, dass wir natürlich ein Problem haben, dass Menschen zu viel konsumieren, dass sie dadurch einfach von ihrer Körpergröße, von ihrer Körpergesundheit tatsächlich vielleicht einfach nicht mehr im gesunden Bereich sind. Die zweite Sache ist aber auch, dass natürlich Abhängigkeiten entstehen. Und die können wir einfach sehr, sehr gut damit kompensieren, dass wir durchaus mal verschiedene Sachen testen und austesten und eben auch sowas wie Bier eben nicht mehr als einen reinen Konsumartikel ansehen, den man eben standardmäßig in großen Mengen trinkt, sondern tatsächlich wertschätzt und eben darüber spricht, also BierTalk ist eine super Institution dafür. Und eben klarmachen kann, das ist ein echtes Genussmittel, das ist eben was sehr, sehr Besonderes, so wie eigentlich auch Schokolade eben nicht zu günstig eigentlich angeboten werden sollte. Dass man eben sich wirklich Gedanken macht: Woher kommt das? Was ist das genau? Und eben lieber ein bisschen weniger isst, lieber tollere Schokolade, aber dafür weniger. Und zum Schluss kommst du wahrscheinlich, in der Bilanz kommst du sogar günstiger weg, als wenn du diese andere Schiene fährst. Und deswegen verteidige ich das auch immer, dass man eben tatsächlich auch so ein Tasting auch vielleicht mal am Vormittag machen kann. Aber eben, man muss es alles mit Maßen und mit dem Verstand machen. Das ist eben das Wichtige.

Holger: Ich sag das auch so oft. Wenn ich so Gruppen habe, wo ich dann mich selber so ein bisschen fürchte, was da jetzt dann in den nächsten zwei Stunden passiert, dann versuche ich immer am Anfang klar zu stellen: Also Freunde, hier geht es jetzt echt um Genusstrinken, nicht um Wirkungstrinken.

Claus-Christian Carbon: Genau. Richtig.

Holger: Und das muss ich dann auch sagen: Ich habe noch nie erlebt, dass die sich dann nicht daran gehalten haben, sondern alle machen dann auch mit und sind ganz erstaunt über sich selbst übrigens.

Claus-Christian Carbon: Richtig.

 

Neue Horizonte durch Bier

Holger: Und was sie da noch alles entdecken können und haben dann auch noch nie sich in der Form mit dem Getränk so auseinandergesetzt und sind hinterher bereichert. Und das kriege ich dann auch gesagt. Und das ist natürlich auch das Schöne an der Aufgabe, also dass man sowieso Menschen schöne Momente schafft, aber wenn die dann darüber hinaus noch sagen, pass auf, du hast jetzt dafür gesorgt, dass ich mich ein Stück weit noch selber besser kennenlerne, wo hat man das? Das ist doch super.

Claus-Christian Carbon: Ganz genau. Das ist faszinierend einfach, dass du beispielsweise damit ja auch eine viel nachhaltigere Kultur entwickeln kannst, die zum Beispiel dahingehend aussieht, dass man Brauereien, die klein sind, die normalerweise einfach nicht überleben könnten, tatsächlich eine Überlebensgrundlage gibt, weil ich eben ihnen dann vielleicht auch ein bisschen mehr bezahlen kann. Weil ich nicht mehr einfach sage, komm, produziere hier günstig, sondern produziere hier ein superbes Produkt, was regional angebaut ist, was vielleicht biologisch, dynamisch angebaut worden ist. Was eben tatsächlich manche Dinge beachtet, die man eben sonst nicht beachten würde. Und plötzlich sind wir in einer, meines Erachtens, viel, viel besseren Welt, auch in einer besseren Bierwelt.

Holger: Es gibt eine wirklich große Auswahl an alkoholfreien Bieren und ich versuche dann immer auch so ein bisschen durchzugehen. Also ich mache oft dann auch Gastronomieschulungen und versuche einfach darauf hinzuweisen, was das Bier auch darüber hinaus eigentlich alles kann. Und erst reden wir immer darüber, also wie ist das eigentlich mit dem Alkoholgehalt? Ist da jetzt also noch Alkohol drin, da steht ja alkoholfrei drauf, oder nicht? Oder wie ist das mit den Bieren, wo da 0,0 vorne draufsteht und so weiter? Also da gehen wir halt so durch. Und dann kann man ja auf dem Rückenetikett das also feststellen, da steht dann kleiner 0,5 % Alkohol. Und dann reden wir halt darüber, wo noch überall richtig schnell auch Alkohol hineinkommt, also wo Gärung eine Rolle spielt. Also beispielsweise bei Obst, wenn es eben irgendwo steht und es ist vielleicht auch ein bisschen wärmer noch, ein heißer Sommertag, also wie schnell man da auch Alkohol gerade hat, wo man staunt. Und dann sprechen wir halt dann einfach auch darüber: Was ist eigentlich isotonisch? Und dann kommt ja darauf, dass eben isotonisch bedeutet, dass eben der Körper aufgrund der PH-Werte des Blutes und des Getränks eben diese Flüssigkeit auch optimal aufnehmen kann. Und dann kommt man auch dahin, dass eben so ein isotonisches alkoholfreies Bier auch dann für einen Sportler einfach ein ganz tolles Getränk ist, um auch Gesundheit zu produzieren, also wirklich in der Flüssigkeitsaufnahme da optimal zu sein. Und ich finde, dass eben Bier dann doch immer so diesen gegenteiligen Touch hat, also eben nicht gesund zu sein. Aber an der Ecke möchte ich behaupten, dass Bier gesund ist. Und das finde ich auch noch mal irgendwie, also für mich ist das ja sowieso ein Mittel zum Leben, aber man könnte jetzt an der Stelle auch sagen, das ist ein Lebensmittel.

 

Bier nach dem Marathon

Markus: Eine österreichische Universität hat dazu mal eine Untersuchung gemacht und dabei kam raus, dass ein alkoholfreies Weizen tatsächlich das beste Getränk ist, was man nach so einem Marathon zu sich nehmen kann. Man sollte allerdings ein paar Salzbrezeln dazu essen, weil das Salz das Einzige ist, was das Bier nicht ersetzen kann.

Holger: Und oft habe ich dann auch sehr junge Menschen bei mir. Also sehr jung, das muss man jetzt vielleicht auch definieren. Markus, du bist es zum Beispiel nicht, aber so unter 20-Jährigen, …

Markus: Danke!

Holger: … die sind sehr jung. Naja, und für die ist das natürlich was ganz Komisches, was ich da sage. Und wenn ich dann sage, also was trinkt ihr denn, wenn ihr wirklich Durst habt, und wenn dann irgendeiner dann noch sagt, okay, da ziehe ich mir halt eine Redbull Dose rein, finde ich super, dann kann ich nur sagen: Das ist aber ungesund.

 

Alkoholfreies Bier ist kalorienarm und durch das Reinheitsgebot sehr natürlich

Markus: Das ist vielleicht auch einer der großen Punkte, dass alkoholfreies Bier einfach den großen Vorteil hat, es ist trotzdem nach dem Reinheitsgebot gebraut. Das heißt, ich habe nur Wasser, Hopfen, Malz und Hefe. Und da ist kein künstlicher Farbstoff, kein künstliches Aroma, gar nichts drin. Also ist im Grunde ein alkoholfreies Bier per se schon mal gesünder und natürlicher als jede Cola, jedes Softdrink, das man so hat. Das ist auch was, was man glaube ich vielen Leuten erst bewusstmachen muss. Das hat weniger Kalorien als zum Beispiel ein Orangensaft und der darf auch ein halbes Prozent Alkohol haben. Also insofern, da ist immer viel in der Diskussion. Aber ich glaube, das ändert sich jetzt auch so. Also die Leute nehmen das alkoholfreie Thema immer mehr wahr beim Bier. Und im Gegensatz zum Beispiel zu Wein und Spirituosen ist das beim Bier auch wirklich darstellbar. Also ich habe neulich einen alkoholfreien Gin getrunken, das ist dann wirklich die Frage. Also da kostet die Flasche dann auch 50 Euro, 60 Euro und letzten Endes ist das ein aromatisiertes Wasser. Und da fragt man sich dann vielleicht schon, ob das unbedingt dann so sein muss. Beim Bier ist das, glaube ich, für viele sehr nachvollziehbar und der Brauprozess, all das, was eben auch handwerklich dahintersteckt, ist ja dasselbe. Und dann sage ich noch mal kurz ein bisschen was zu meinem kleinen Bierchen hier. Also das ist das Punk IPA alkoholfrei. Dazu muss man wissen, dass BrewDog eine der ersten Craft-Brauereien in Europa war. Und als Punks auch angefangen haben mit zwei Punks in einem Hund und sich nach und nach gemausert haben, mittlerweile dürften sie unter den Craft-Brauern in Europa die größten sein. Und produzieren zu 90 Prozent eigentlich nur ein Bier, nämlich ihr Punk IPA, das ist so das bekannteste. Und sie haben vor kurzem einen ganz guten Coup gelandet eigentlich. Sie haben von Stone die Brauerei in Berlin übernommen und haben damit jetzt auch nach dem Brexit innerhalb der EU eine Produktionsstätte, wo sie eben ihre Biere in ausreichender Zahl und mit einer guten Abfüllung und auch mit einer Dosenabfüllung dort gut auf den Markt bringen können. Und um diesem Punk IPA so einen Partner gegenüber zu stellen, haben sie eben jetzt das Ganze in einer alkoholfreien Version gemacht. Ich finde das sehr angenehm. Es gibt von BrewDog noch einen Nanny State, das ist wesentlich hopfenintensiver und auch bitterer. Mit dem Punk IPA alkoholfrei ist es wirklich so ein Everyday Drinking Beer und da kann ich mich auch gut dran gewöhnen. Also ich trinke das halt dann lieber als zum Beispiel ein Wasser, weil es einfach trotzdem Geschmack hat und ich habe aber keinen Alkohol. Das ist für mich gerade, wenn ich jetzt viel zuhause sitze und schreibe und arbeite, einfach ein schönes Alltagsgetränk.

Claus-Christian Carbon: Und das ist auch ganz wichtig, dass man sowas hat. Bei mir ist es tatsächlich Wasser, muss ich ganz klar sagen. Aber es ist eben wichtig, dass es etwas Natürliches ist, was ein Alltagsgetränk ist. Es gibt wahnsinnig viele Leute, die einfach immer Limo, immer Saft trinken. Ich meine, das ist ziemliches Gift, muss man einfach sagen. Einfach deswegen, weil es unglaublich süß ist, weil da unglaublich viel Zucker drin ist. Weil das einfach auch übersäuert, beispielsweise beim Saft. Das ist was ganz Tolles mal einen frischgepressten Saft zu trinken, aber dieses Standardmäßige, da sollte man eigentlich eher Wasser oder zum Beispiel alkoholfreie Biere, die auch noch von der Qualität her sehr gut sind, eigentlich nutzen. Das ist auch meine Philosophie. Ja.

 

Die Brauwirtschaft nach Corona

Markus: Ich bin mal gespannt, wo die Reise jetzt insgesamt so ein bisschen hingeht. Weil ich glaube, jetzt gerade, wenn man denkt, was eben nach dieser Corona-Zeit passieren wird, glaube ich, dass es noch mehr in die Richtung gehen muss, dass die wirklich handwerklich gemachten Biere auch teurer werden, weil einfach die Umsätze durch Feste nicht mehr da sind, weil die Gaststätten nicht mehr so gefüllt sein werden, zumindest für längere Zeit so wie früher. Und weil die Unkosten trotzdem bleiben oder sogar eher noch steigen, weil die Hygieneauflagen größer werden. Und das muss sich eigentlich in einem höheren Preis niederschlagen und muss dann auch bei den Kunden die Bereitschaft irgendwie geweckt werden, dass sie das dann auch bezahlen. Weil so wie bisher, glaube ich, kann man in der handwerklichen Bierwirtschaft eigentlich nicht weitermachen.

 

Spezialsude und Vintage Bier

Claus-Christian Carbon: Das sehe ich genauso, und da ist eben zum Beispiel mein Bier auch ein tolles Glanzlicht im Prinzip, dass man eben auch sowas schafft wie eine Saisonalität. Dass man vielleicht mal in einer bestimmten Saison was anderes anbietet oder eben tatsächlich Spezialsude anbietet. Dass man einfach mal rumexperimentiert, wo man auch seine Gemeinschaft, seine Community, einfach mal in den Bann ziehen kann. Dass man sagt, okay, das sind jetzt eben so und so viele tausend Flaschen, die wir produzieren, und dann war das das erstmal, dann ist der Sud eben weg. Und jetzt lasst uns den einfach mal probieren und so weiter. Und dann kann man sich auch überlegen, dass man tatsächlich einen ganz, ganz anderen Preis eigentlich verlangt. Und weil es eben dann wie beim Wein selbstverständlich auch ist, dass man vielleicht ein paar Biere gelagert hat. Da finde ich auch das Thema Vintage unglaublich interessant, dass man eben tatsächlich auch über Lagerung nachdenkt, dass man eben auch über Ausbau von Bieren nachdenkt. Und eben nicht mehr einfach sagt, okay, ein Bier ist das, was ich jede Woche kaufe. Da kaufe ich einen Kasten oder einen halben Kasten und mache die auf und nach einer halben Woche oder einer Woche oder nach einem Monat, wie auch immer, ich viel trinke, gehe ich wieder in den Getränkemarkt und kaufe genau das gleiche Bier wieder oder gehe in die Wirtschaft und trinke immer das Gleiche, sondern das ist eben tatsächlich so spannend und so vielfältig das Thema Bier, dass ich eigentlich jeden Tag neue Sachen ausprobieren kann. Und vielleicht auch von meiner Lieblingsbrauerei eben immer mal wieder irgendwelche Spezialitäten kriege, wo man auch eine Geschichte dazu hat, wo man auch eine Regionalität hat, wo man sagt, das ist jetzt, was weiß ich, bei meinem Bier ist es zum Beispiel ein Spalter-Hopfen, das ist ein rein fränkisches Produkt. Und das Malz ist zum Beispiel jetzt in Bamberg tatsächlich gemacht. Das sind wirklich spannende Sachen. Und ich glaube auch, Markus, es wird eine andere Bierkultur danach geben. Diese massenhaften Veranstaltungen wird es viel, viel weniger geben, die ich auch vermissen werde, muss ich sagen. Also ich finde das eine ganz, ganz tolle Sache, aber es wird vermutlich eher in den höherpreisigen Segmenten tatsächlich etwas geben, weil die Leute vielleicht weniger trinken, weniger zusammen trinken, aber eben trotzdem interessante neue Produkte haben wollen.

 

Gereiftes Bier im Keller

Markus: Ich denke, für heute sind wir jetzt auch ziemlich am Ende mit unserer Podcast-Zeit. Das war schon ein sehr, sehr gutes Schlusswort, was du da gemacht hast. Ich würde vorschlagen, wenn wir dann wieder dürfen, dann müssen wir uns mal zu dritt zusammensetzen und genau dieses Vintage Thema angehen. Denn da kann der Holger vielleicht jetzt gleich noch auch sein Schlusswort ein bisschen dazu machen. Wir haben beide einen Bierkeller mit ganz, ganz vielen gelagerten, gereiften Bieren verschiedener Jahrgänge, wo es dann auch wirklich richtig Spaß macht, das da rauszuholen.

Holger: Wir sind ein bisschen bekloppt. Also so würde man das im Ruhrgebiet sagen. Markus und ich, wir machen uns einen Spaß daraus bei Bieren, wo wir glauben, dass die gereifter noch besser beziehungsweise noch mal andere Aromen auftun können, als wenn man sie frisch trinkt, dass man da wirklich so richtig forscht. Also bei mir ist das wirklich so, ich mache das schon lange und habe so eine große Auswahl an bayerischen Doppelböcken und mache da auch Verkostungsnotizen dazu, wie die sich verändern. Und das ist also gar nicht so, dass die die ganze Zeit irgendwie besser werden, also besser und besser und besser und besser, sondern dass es so Schwankungen gibt. Also man kann durchaus sagen, okay, also nach zwei Jahren schmecken die super und dann im dritten Jahr ist es wieder ein bisschen schwächer, aber im vierten Jahr ist es dann noch besser als im zweiten. Das kann natürlich auch wieder mit der Psychologie zu tun haben. Und was ich auch oft feststelle, Beleuchtung macht Geschmack zum Beispiel, mit wem man zusammen ist, wie der Tag war, alles macht Geschmack. Und damit muss man eigentlich auch arbeiten. Und mit diesem Verkostungsnotizen habe ich natürlich keine Laborbedingungen, sondern ich mache das dann immer so, wie ich das dann erlebe in dem Moment, also das ist ja ganz subjektiv. Aber ja, man kann bei vielen Bieren eben, wenn sie malzaromatisch sind und einen gewisses Grad an Alkoholgehalt haben, kann man da vermuten, dass sie durch die Lagerung sogar noch etwas besser werden. Das ist bei vielen, vielen bayerischen Doppelböcken der Fall.

Claus-Christian Carbon: Und wenn du das jetzt auch noch auf Fässer ziehst beispielsweise und das ganz koordiniert machst, könnte das ein wahnsinnig spannendes Thema sein. Und ich hoffe, dass wir darüber auch mal sprechen können.

Markus: Das machen wir, also versprochen. Sobald wir wieder dürfen, machen wir einen Live BierTalk dann zu dritt vor Ort und können dann gemeinsam die Biere probieren. Vielen, vielen Dank, dass du dabei warst und eben auch am Morgen mit uns schon ein Bier verkostet hast. War uns eine Ehre, dich als Gast zu haben. Und wie gesagt, wir freuen uns, wenn wir dich dann bald mal live begrüßen können.

Claus-Christian Carbon: Danke! Ciao! Macht’s gut!

Holger: Ebenso. Dankeschön.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle folgen unter www.biertalk.de.

BierTalk 1 – Markus Raupach und Holger Hahn machen den Auftakt zum Podcast

Markus Raupach und Holger Hahn starten ihr gemeinsames Projekt, den BierTalk. Es geht natürlich ums Bier, aber auch um die Kultur, das Lebensgefühl und die jeweilige persönliche Biergeschichte. Dazu gehört natürlich auch die Verkostung verschiedener Biere, auch wenn im Vorfeld keiner der beiden weiß, was er jeweils für sich ausgewählt hat…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo zu unserem ersten Podcast Biertalk mit Markus und Holger. Stellen wir uns kurz vor, Holger, was gibt es denn zu dir zu sagen?

Holger: Was gibt es zu mir zu sagen? Also ich bin ein wirklich leidenschaftlicher Bierliebhaber und auch Biertrinker und habe die Ehre, mit dir oft zusammenarbeiten zu dürfen. Lebe in München, bin verheiratet und habe drei Kinder. Das ist vielleicht das Wichtigste.

Markus: Aber schon eine Menge, nicht schlecht. Die Ehre ist ganz auf meiner Seite. Ich lebe in Bamberg, habe ein Kind, das aber nicht bei mir wohnt und habe natürlich auch viel mit Bier zu tun. Und gemeinsam sind wir oder haben wir die Deutsche BierAkademie.

Holger: So ist es.

 

Der BierTalk ist geboren

Markus: Genau. Und haben uns jetzt überlegt, in diesen Zeiten, wo man ja nicht mehr viel raus kann beziehungsweise mit Leuten was machen kann, dann bringen wir das eben ein bisschen zu euch und unterhalten uns ein bisschen miteinander, mit Brauern, aber vielleicht auch ein bisschen mit euch. Was machen wir denn heute, Holger?

Holger: Ich würde sagen, heute versuchen wir unseren ersten Podcast irgendwie gut über die Bühne zu bringen. Das glaube ich, ist das Allerwichtigste. Ich würde natürlich sehr gerne auch mit dir über zwei Bierchen sprechen, die ich mir nämlich ausgesucht habe extra für uns.

Markus: Oh!

Holger: Oder eigentlich für mich, weil du kannst sie ja nicht trinken, du bist ja in Bamberg und ich bin in München.

Markus: Ich war auch ein bisschen egoistisch, ich habe mir auch zwei ausgesucht und auch so ein bisschen aus eigenen Gründen. Aber ich denke mal, du hast gerade erzählt vorhin schon im Vorgespräch, dass dein Bier recht warm ist. Also können wir gerne anfangen, dass du mal mit deinem ersten loslegst.

Holger: Also ich mache es mal auf. Okay?

Markus: Da kriege ich Durst, ehrlichgesagt. Das ist ganz schön gemein.

Holger: So soll es sein. Also Prost!

Markus: Ja. Allerdings würden, glaube ich, jetzt alle gerne wissen, was du da eigentlich trinkst.

Holger: Ja, du enttäuschst mich. Also ich meine, was habe ich ausgesucht? Quasi kurz zum Durst löschen, kommen gerade von der Autobahn wie immer und brauche jetzt einfach einen Freund. Was habe ich mir da wohl ausgesucht?

Markus: Na, wahrscheinlich ein Helles?

Holger: Ach.

Markus: Oder ein Export?

Holger: Ich telefoniere mit einem Bamberger. Also nur mal als ganz kleiner Tipp.

Markus: Ein Kellerbier?

Holger: Absolut!

Markus: Ah, das ist natürlich eine gute Wahl, hätte ich jetzt auch Lust darauf. Verrätst du uns auch, welches?

 

DAS Kellerbier aus Bamberg

Holger: AU.

Markus: Mahrs Bräu. Damit bin ich groß geworden.

Holger: Ja, so ist es. Also das ist wirklich was richtig Schönes, ein schönes ungespundetes Bierchen und malzaromatisch, ausbalanciert, ohne Ecken und Kanten. Ist einfach dein Freund, einfach dein Freund. Ich nehme noch einen Schluck.

Markus: Ja, das erinnert mich viel. Also ich bin ja großgeworden in der Mahrs Bräu Fraktion sozusagen. Also, als ich jung war, da war das ja in Bamberg noch so, dass jede Bamberger Familie sich mit irgendeiner Brauerei praktisch verbunden gefühlt hat und man deswegen alle anderen eigentlich nicht getrunken hat. Und bei meinen Eltern war das eben Mahrs Bräu, deswegen bin ich schon als Kind da im Biergarten gewesen und da war eigentlich schon immer das Kellerbier das absolute Heiligtum, auch von meinem Vater. Durfte ich ihm dann immer holen vom Ausschank und habe natürlich dann auch genippt. Insofern, da habe ich schon ganz, ganz frühe Erinnerungen. Ich kann mir vorstellen, dass das deinen Durst jetzt ganz gut löscht.

Holger: Unbedingt. Aber wir sollten natürlich, also man weiß ja nie, wer zuhört, oder? Dir muss ich das jetzt nicht erklären, aber es gibt ja wahrscheinlich auch Menschen, die hochdeutsch sprechen und für die ist natürlich jetzt nicht klar, AU. Und da gibt es ja Leute, also ich war ja auch schon mal im Mahrs Bräu und da gibt es ja Leute, die bestellen dann zwei AU.

Markus: Ja, da weiß man dann immer, der kommt sicher nicht von hier.

Holger: Genau, genau. Und jetzt, also in der hochdeutschen Übersetzung, das sollten wir vielleicht ganz kurz sagen, das heißt, ein Ungespundetes.

Markus: Richtig. Genau.

Holger: Und jetzt ist ja sofort dann die Frage, was ist ungespundet? Und das sollten wir vielleicht auch eigentlich erklären. Also das ist ja auch sowas ganz Typisches, was eigentlich auch mit dem Kellerbier in Verbindung steht.

Markus: Auf jeden Fall.

Holger: Und früher gab es ja die Bierfässer und die haben ja so ein Spundloch. Und das ist ja irgendwie oben an der Oberseite des Fasses und dient beim Gärungsprozess dem Druckausgleich. Und bei diesen ungespundeten Bieren lässt man einfach den Holzzapfen, also den Verschluss oben am Spundloch, den lässt man weg. Und das hat dann zur Folge, dass es nicht so ganz stark, also wir beide würden jetzt natürlich sagen, eine nicht so ausgeprägte Rezenz hat. Aber wie gesagt, man weiß ja nicht, wer uns zuhört, und deshalb, also wenig Kohlensäure.

Markus: Das macht auch eine der wichtigsten Eigenschaften von unserem Kellerbier, weil es einfach schön läuft. Also wer mal probiert hat ein Weißbier aus der Flasche auf ex zu trinken, der weiß, was ich meine. Das ist halt mit einem weniger kohlensäurehaltigen Bier sehr viel angenehmer, das auch in einem großen Schluck mal zu nehmen.

 

Harte Zeiten im Ruhrgebiet

Holger: Obwohl du weißt ja, ich komme aus dem Ruhrgebiet und ich hatte, und das ist jetzt keine Geschichte nur für den Podcast, sondern die ist wahr, also ich hatte einen Kumpel, der konnte ein Weißbierglas komplett mit seinen Lippen umschließen, also hat sich sozusagen das Glas, das Weißbierglas, komplett in den Mund gesteckt und hat es dann auf ex weggesoffen und hat dafür immer von allen 10 Mark bekommen. Wir haben uns dann meisten so für, also zu fünft zusammengetan, jeder einen Zwickel abgedrückt und dann hat er eben diese Vorführung gemacht. Hat seinen Kehlkopf ausgeklinkt und hat dann das Weizen reingeschüttet. Also das war, und weißt du, was der auch noch gemacht hat? Der hat, also ich schütte mir nochmal nach, wenn es erlaubt ist.

Markus: Ja.

Holger: Der hat auch, aber dafür hat er dann 50 Mark gewollt, der hat dann 10 hartgekochte Eier mit Schale gegessen.

Markus: Mit Schale?

Holger: Und dazu eine kleine Flasche Maggi getrunken.

Markus: Für 50 Euro?

Holger: Ja. Aber mach das mal, also iss mal 10 hartgekochte Eier mit Schale. Kennst du eigentlich Herbert Knebel? Ein wunderbarer Kabarettist aus dem Ruhrgebiet und in dem Fall sogar auch aus Duisburg, so wie ich. Und der hat so viele, viele Eigenheiten der Ruhrgebietler kabarettistisch zum Besten gegeben. Und da gibt es halt die Geschichte von den Gonskas. Und da geht es halt darum, so nach dem Motto, wenn du die da im Schrebergarten im Gang getroffen hast, dann hieß es nur, erst einen auf die Schnauze und dann die Fußballbilder oder erst die Fußballbilder und dann eins auf die Schnauze. Und wenn du so großgeworden bist, dann isst du halt auch 10 hartgekochte Eier mit Schale. So ist das.

Markus: Ich glaube, ich muss mir mal auch eins aufmachen.

Holger: Mach mal!

Markus: Und ich fange auch ganz klassisch bambergerisch an. Mal schauen, ob du raushörst, was es ist.

Holger: Also du müsstest vielleicht mal einschütten, dann weiß ich mehr.

Markus: Habe ich gerade getan, kam das nicht so richtig rüber wahrscheinlich? Kann sein.

Holger: Ich weiß es ja schon, weil ich kann das. Also das ist mit Sicherheit dieses neue Hansla aus dem Schlenkerla.

Markus: Nicht schlecht. Schade, dass es Wetten, dass … nicht mehr gibt, da hätten wir antreten können.

Holger: Ja, also da kannst du mal wieder sehen. Und das haben wir nicht vorher abgesprochen.

Markus: Nein, haben wir nicht.

Holger: Das will ich noch mal betonen.

 

Das neue Schlenkerla Rauchbier

Markus: Mal schauen, ob du es beim zweiten auch errätst. Das ist schwerer. Nein, aber da muss ich natürlich auch ein bisschen erzählen, das ist nämlich ein Bier, das ist wirklich ganz neu, obwohl es aus der ältesten Brauerei von Bamberg kommt, Schlenkerla. Sagt vielleicht vielen was, weil die einfach für das Thema Rauchbier steht. Und die haben sich überlegt, sie wollen neben ihrer Palette, wo es normalerweise schon mit einem Märzenbier anfängt, also mit einem etwas kräftigerem vom Alkoholgehalt her und dann über einen Bock und Doppelbock geht, haben sich überlegt, sie machen auch mal ein Bier, was bewusst leichter ist. So in der Tradition der alten Nachgussbiere. Also früher hat man, wenn man ein Bier gemacht hat aus einer Menge Malz, hat man ja Wasser draufgegeben und das Wasser ist dann durchs Malz, hat die Inhaltsstoffe herausgelöst und dann hat man daraus das Bier gemacht. Und hat dann, wenn das Malz schon einmal verwendet worden ist, den ganzen Prozess wiederholt. Und dann war natürlich nicht mehr so viel Inhaltsstoff drin, dementsprechend sind leichtere Biere entstanden, so ungefähr mit einem Prozent Alkohol, und das hat man in Bamberg das Hansler genannt, oder Heinzlein auf Hochdeutsch. Und das hat das Schlenkerla jetzt wiederbelebt, aber eben mit Rauchbier. Und das ist natürlich sehr, sehr spannend, weil dieser Rauch viel Aroma gibt und diese fehlenden Alkoholprozente dadurch ganz gut ersetzt. Und das finde ich wirklich vom Geschmack her und jetzt auch zum Start in so einen schönen Abend mal ganz gut. Ich trinke jetzt mal.

Holger: Ja, trinke mal.

Markus: Ja, sehr schön. Also so kann man sich auch mal zu Hause am Computer wohlfühlen und ein bisschen wie in der Kneipe zumindest. Weil bisher habe ich das tatsächlich immer nur in der Gaststätte getrunken, weil das gibt es auch erst seit ein paar Wochen in der Flasche oder eigentlich seit ein paar Tagen. Und vorher gab es das überhaupt nur im Lokal selber zu probieren. Ich glaube, du hattest auch schon mal, oder?

Holger: Ja, aber auch nur im Lokal und auch noch zu einer Zeit, da gab es das, glaube ich, eigentlich nur aus der Flasche, aber die Flasche war noch nicht mit Etikett versehen.

Markus: Stimmt, es gab kein Etikett.

Holger: Aber ich bin ja sowieso ein großer Schlenkerla-Fan und auch ein großer Rauchbier-Fan und kann überhaupt nicht begreifen, wenn irgendwer sagt, also das ist für ihn irgendwie unangenehm. Also das verstehe ich einfach nicht. Weil das so großartig ist und wenn man dann weiß, der Schlenkerla einfach auch eine Brauerei ist, die ausschließlich nur mit selbstgemachtem Rauchmalzen arbeitet, und sich auch mit der Geschichte ein bisschen auseinandersetzt von der Brauerei, dann ist das schon wirklich super, also wirklich super.

Markus: Ja, ist ein tolles Gesamtpaket. Natürlich ist es für die Touristen auch Pflicht da vorbei zu gucken, weil halt Rauchbier nun mal eines der Dinge ist, die man in Bamberg einfach probiert haben muss. Aber es hat eben auch viel damit zu tun, dass der Matthias Trum, der da zurzeit der Inhaber ist, auch wirklich sich unheimlich kümmert und sehr auch dran ist, die Sachen möglichst authentisch zu machen. Und die haben zum Beispiel auch die ganze Gaststätte vor kurzem renoviert. Da kamen dann die Malereien von vor über 100 Jahren wieder zu Tage, und da ist das wirklich auch eine echte Kathedrale, wenn man vor Ort ist und dort sein Bier genießt. Das macht schon richtig Spaß und ist wirklich eine kleine Zeitreise, auch wegen des Bieres.

Holger: Unbedingt, aber sehr lustig, dass du sagst, das ist zurzeit der Inhaber. Also sehr lustig.

Markus: Bei diesen Familienunternehmen ist das ja immer nur so eine Episode. Man muss sich überlegen, die Brauerei gibt es seit 1405, mindestens, also da wurde sie zum ersten Mal erwähnt. Wahrscheinlich ist sie natürlich älter. Und das heißt, stelle dir mal vor, du bist eben in einem Laden und den gibt es seit über 600 Jahren. Und da sind halt dann viele Generationen vor dir und hoffentlich auch noch viele nach dir, und dann bist du halt einfach eine Erscheinung auf Zeit.

Holger: Aber die sind ja schon auch eine ganze Zeit schon mit dem Schlenkerla verbunden.

Markus: Das stimmt.

Holger: Also in unserer schnelllebigen Zeit wäre ja schon 25 Jahre eine Generation, also das wäre ja schon was. Und die sind ja schon doch ein bisschen länger dabei.

Markus: Ja, ja, auf jeden Fall. Also ich sag mal so, mir ist das ein bisschen bewusstgeworden, weil ja gestern oder vorgestern eine traditionelle fränkische Brauerei verkündet hat, dass sie eben aufhören. Und da hat die Inhaberin, die junge Nachfolgerin, die vor zehn Jahren sowas ungefähr übernommen hat, eine sehr, sehr rührige Rede auch gehalten dazu. Und da hat man sehr viel rausgehört, was das auch für eine Bürde ist, wenn du so ein Familienunternehmen hast und da reingeboren wirst und quasi mit deiner Geburt schon dazu bestimmt oder verdammt bist, da eben mal das Ruder zu übernehmen. Und es eigentlich keinen interessiert, ob du das willst oder kannst oder wie auch immer, du musst es einfach. Viele kommen ja erstaunlich gut mit der Situation zurecht, viele nicht so. Und ich habe dann schon auch wirklich großen Respekt davor, wenn jemand auch mal sagt, okay, es ist auch irgendwie mal gut. Und wenn es eben nicht geht, dann geht es auch mal nicht. Und das muss man auch respektieren und finde ich auch eine gute Entscheidung. Weil das Unternehmen da dann nicht im Vordergrund stehen darf vor den Menschen sozusagen.

 

Die Zukunft der Familienunternehmen

Holger: Ja, gebe ich dir vollkommen recht. Also es ist dann ja auch irgendwo dann kein Erbe mehr im klassischen Sinne, wie man das so kennt. Das ist eigentlich schon fast ein Vermächtnis. Und das Wort ist groß und damit ist eigentlich auch die Aufgabe ziemlich groß. Also das ist schon was.

Markus: Ich meine, die Frage ist halt, ob es nicht sinnvoller wäre, sowas, was weiß ich, in eine Stiftung zu überführen, die dann die Familie unterstützt oder so und dann könnte man auch immer Geschäftsführer anstellen oder Geschäftsführerinnen, die die dann da vielleicht auch ohne diese ganze familiären Bürden und sowas agieren kann.

Holger: Ja, gibt es Modelle dazu, aber muss man natürlich auch denken können.

Markus: Naja, mal sehen. Also das ist natürlich jetzt ein Thema, was glaube ich eigentlich eine Zeit lang jetzt eher verschwunden war, weil ja einfach die wirtschaftliche Entwicklung und allgemeine Entwicklung in der Bierszene glaube ich seit 15 Jahren oder 10 Jahren so läuft, dass man eigentlich sehr gut nach vorne geschaut hat, aber jetzt gerade mit der aktuellen Zeit, wo die natürlich alle mit ihrem Absatz kämpfen, kann ich mir vorstellen, dass das durchaus wieder ein Thema wird, wer als Nachfolger eben weitermacht oder vielleicht aufhört.

Holger: Unbedingt. Die Werneck Brauerei ist nach 400 Jahren jetzt Geschichte. Und wenn man da die Ansprache halt dann auch gesehen hat, wie emotional das war, also hinterher ging es ja fast gar nicht mehr.

Markus: Also das hat mich schon sehr bewegt. Und da merkt man eben auch, was das mit Menschen machen kann so ein Druck. Und insofern, also ich bin natürlich ein großer Fan von dem Thema Familienunternehmen und finde das auch spannend und finde es auch toll, dass es solche Traditionen bei uns gibt, aber man muss eben auch immer ein bisschen die andere Seite sehen und sehen, was das auch für die Leute bedeutet, die dann eben gerade am Ruder sind oder sein müssen. Und wer weiß, wenn unsere Kinder mal die BierAkademie übernehmen, haben sie dasselbe Problem.

Holger: Aber es ist natürlich völlig freigestellt, also sie müssten es nicht tun. Das muss man auch auf jeden Fall betonen.

Markus: Schaut vielleicht auch aktuell gar nicht so aus, aber wer weiß. Also hätte ich jetzt, also mir wäre es auch egal. Wenn nicht, dann halt nicht.

Holger: So ist es. Ja.

Markus: Ist das ein gutes Bier. Also wirklich spannend. Also vielleicht noch mal kurz für Leute, die zuhören und mit dem Rauchbier gar nichts anfangen können. Es ist halt einfach eine historische Geschichte. Vor über 100 Jahren waren die Biere in Mitteleuropa alle so, weil das Malz einfach nur über offenem Feuer getrocknet werden konnte. Und überall haben sich moderne Mälzereien dann eben haben Einzug gehalten. Und in Bamberg haben eben zwei Brauereien gesagt: Nein, wir machen unser Malz so wie immer, mit Rauch über offenem Feuer. Und deswegen gibt es das bei uns, und deswegen ist das halt auch wirklich was Besonderes. Denke ich mal, hast du wieder Durst bekommen, oder?

Holger: Also ganz ehrlich gesagt, ich habe es noch nicht ausgetrunken.

Markus: Na also.

Holger: Aber fast, fast eigentlich.

Markus: Dann mal den Rest. Aber ist natürlich auch was, wir haben natürlich vernünftige Verkostungsgrößen in Franken. Da trinkt man halt das Bier im Seidla. Und ein halber Liter ist dann doch immer ein halber Liter.

Holger: Ja, absolut. Aber ich hatte auch wirklich Durst und das habe ich eigentlich immer abends. Und wie gesagt, dann suche ich mir einen Freund. Und der wohnt bei mir im Kühlschrank der Freund und der freut sich auch auf mich.

Markus: Auch wenn er dann geleert wird?

Holger: Unbedingt. Also der fließt ja in so einen unglaublichen Körper hinein. Das tut ihn freuen.

Markus: Eben, der darf Teil von etwas ganz Großartigem werden, das ist ja doch ganz schön.

Holger: So ist es. Jetzt willst du wissen, was ich mir da noch ausgesucht habe. Ja?

Markus: Ja, und ich muss sagen, ich bin jetzt wirklich eigentlich angefixt, dass ich es ja irgendwie herausfinden müsste, aber es ist wirklich schwierig, weil da ist natürlich die Auswahl bei dir glaube ich ziemlich groß. Vielleicht ein eher kräftigeres Bier?

Holger: Sehr gut. Also geht genau, also jetzt würde man früher da würde man ja immer sagen, warm.

Markus: Warm, okay.

Holger: Und jetzt könnte man, also man könnte sagen, heiß. Du bist jetzt wieder genau in der richtigen unterwegs. Also ich mache es mal auf.

Markus: Also wir müssen da wirklich mal zu Wetten, dass …, das ist witzig, wenn man das anhand des Öffnen-Geräusches erkennen kann, um welches Bier es sich handelt.

Holger: Ich gebe dir jetzt einen ganz heißen Tipp. Auf dem Kronkorken rollt einer ein Fass.

Markus: Der Bambergator.

 

Bambergs stärkstes Bier

Holger: So ist es. Das stärkste Bier Bambergs.

Markus: Schön, dass du dir noch ein Bamberger Bier ausgesucht hast. Ich bin ja begeistert.

Holger: Unbedingt. Nee, also ich bin begeistert, also von der oberfränkischen Bierkultur überhaupt. Und habe mir halt gedacht, also den ersten Podcast mit dir, da kommen nur Bamberger Biere in Frage, also ehrlich gesagt.

Markus: Ja, also Bambergator ist natürlich Pflicht. Also das ist ja auch in Bamberg immer ein Thema bei den Bockbieranstichen. Wenn jede Brauerei das macht, das ist ja wie Volksfest für einen Tag, nur dass es eben keine Fahrgeschäfte gibt, sondern in der Regel einfach nur einen Bierausschank und vielleicht noch einen Bratwurststand. Und dann stellen sich die Leute an, warten eine halbe Stunde, eine Stunde, dass sie ein Bier bekommen, trinken dann an so einem Abend drei, vier von dem Doppelbock und gehen ganz glücklich wieder nach Hause. Also das ist schon eine unglaubliche Kultur eigentlich, das habe ich schon als Jugendlicher erlebt und finde es spannend, dass sich das gehalten hat und sogar eher größer geworden ist. Also die Bockbieranstiche werden eigentlich immer mehr besucht.

Holger: Unbedingt. Und außerdem habe ich mir auch, also hier weht halt so ein ganz heftig kalter Ostwind und da habe ich gedacht, zu der Stimmung da draußen, also es friert ja nachts, da passt doch so ein Bambergator doch ganz gut dazu.

Markus: Schön, ach, das ist ja … Hatte ich auch in der Hand, habe ich mir überlegt, habe mich dann doch für ein anderes Bier entschieden. Aber schön, dass es auf diesem Wege doch Eingang gefunden hat. Auch das, jeder, der vielleicht mal nach Bamberg kommt und wenn die Brauereien wieder offenhaben dürfen, unbedingt mal ins Fässla gehen. Das ist schon eigentlich eine der Brauerei-Gaststätten, wo die Kultur noch am ursprünglichen gelebt wird. Also da kann man wirklich, wenn man zu fünft reinkommt, um neun, halb zehn, wenn die aufmachen, da ist schon die komplette Besetzung da, so ein Bamberger Urpublikum, was da eigentlich auch jeden Tag sitzt. Manche spielen Karten, manche unterhalten sich, manche sitzen einfach nur schweigend da und verbringen da mehr oder weniger ihren ganzen Tag. Also das ist schon echt erstaunlich.

Holger: Seit 1649. Ganz kurz noch mal zum Thema Stammwürze. Das sollten wir ganz kurz erklären. Also ich erkläre es immer so, also wenn man jetzt die Maische kocht, also quasi das Malz mit dem Wasser vermengt und dann das Malz sozusagen auskocht, dann hat man eben eine Menge an Malzextrakt sozusagen. Also das extrahiert man ja aus dem Malz im Verhältnis zur Flüssigkeit. Also wenn man sich jetzt vorstellt, man einen Liter Flüssigkeit und wenn jetzt ein normales Bier meinetwegen 12 Prozent Stammwürze hat, hat man 120 Milliliter Malzextrakt auf einen Liter Flüssigkeit. Und wenn man jetzt sagt, man hat eben 21 Prozent Stammwürze, dann hat man halt 210 Milliliter. Und weil daraus ja dann der Zucker kommt und der wird ja dann später in Alkohol und Kohlensäure verwandelt von der Hefe, bestimmt man eben bei dem Prozessschritt, wieviel Alkohol hinterher das Bier hat.

Markus: Genau. Oder haben kann, also weil es ja auch viel damit zu tun hat, also man misst das ja deswegen, weil der Staat einfach sagt, darüber kann ich dann auch meine Steuern bestimmen. Denn wieviel Alkohol am Ende der Brauer macht, das ist ja dann mehr oder weniger sein Problem. Weil ich kann ja dann die Hefe so bearbeiten, dass sie mir fast die Hälfte von der Stammwürze zu Alkohol macht oder eben vielleicht eher nur ein Drittel. Und würde der Staat jetzt nur den Alkohol besteuern, dann wäre das natürlich für den Brauer eine Möglichkeit ein bisschen zu tricksen. Und so sagt man, okay, wir besteuern die Stammwürze und dann ist es jedes Brauers eigenes Geschick, was er jetzt eben an Alkohol am Ende rausholen will oder kann. Also früher war es ja immer wichtig, eher viel Alkohol zu haben. Heute versucht man durchaus auch stärkere Biere zu machen, die mit viel Stammwürze nicht so viel Alkohol haben.

Holger: Und trotzdem gibt es ja die Faustformel: Stammwürze – 2 / 2 = Alkohol. Und wenn dann irgendein Schlauberger daherkommt und sagt, nee, das hat aber doch viel mehr, dann kann man immer noch sagen, also auf der Etikettenangabe gibt es ja auch noch mal eine Karenz von plus, minus 0,5 bei so starken Bieren. Und dieses Bier hat jetzt, also zumindest laut Etikettenangabe 8,5 Prozent Alkohol.

 

Das Geburtstagsbier

Markus: Auch nach der Wirkung, wenn man sich die Leute bei Bockbieranstichen mal anschaut, das haut schon ganz schön rein. Insofern. So, dann gehe ich jetzt doch mal an, das ist ja dann quasi unser letztes Bier für heute, und ich bin auch im Bamberger Land geblieben. Und weil ich ja in ein paar Tagen Geburtstag habe, habe ich mir gedacht, ich nehme eine Brauerei, die ein bisschen was damit zu tun hat und habe mir vom Kundmüller aus Weiher das Hopfala geholt. Das ist ein India Pale Ale und die Brauerei wurde 1874 gegründet, 100 Jahre bevor ich geboren wurde. Und da habe ich gedacht, da muss ich doch mal ran und schenke mir das jetzt mal ein. Jetzt fällt mir grad ein, jetzt habe ich ein bisschen verquatscht, dass du es gar nicht mehr erraten kannst. Aber du kannst dann mal raten, wie viel Alkohol das hat. Das wäre ja auch ganz witzig. Mal schauen, ob du das raushören kannst.

Holger: Also ich würde jetzt tippen, es hat 6,5 Prozent Alkohol.

Markus: Warm.

Holger: 6,8 Prozent Alkohol.

Markus: Es wird wärmer.

Holger: Oha. 7,1 Prozent Alkohol.

Markus: Es ist noch ein bisschen wärmer geworden, aber wir sind noch nicht ganz am Ende angelangt.

Holger: Oha. Also dann 7,4.

Markus: Jetzt bist du ganz nah dran.

Holger: Also 7,5.

Markus: Genau. 7,5, schon ganz ordentlich. Der eine oder andere würde vielleicht auch eher sagen, ein Imperial IPA, weil es ja doch schon ein bisschen deutlich mehr Umdrehungen hat. Aber auf der Flasche steht es als IPA und ist ein Collaboration Brew, also ein Sud, den die Brauerei in Weiher gemeinsam gemacht hat mit der Fat Head’s Brewery aus den USA. Da war ich auch schon vor Ort, in Portland sitzen die. Also da sitzen sie nicht unbedingt, aber da war zumindest eine ihrer Filialen, wo ich drin war und das Bier auch selber verkosten konnte. Ja, jetzt muss ich doch mal einen Schluck nehmen, nachdem es ja schon so schön vor sich hin strahlt. Genau, wie gesagt, muss man erst mal reinriechen, weil das hat durch den vielen Hopfen natürlich einen ganz schön fruchtigen und schönen angenehmen Geruch. Oh ja, da komme ich jetzt schön in meinen Abend hinein.

Holger: Also ja, du wirst lachen. Ich hatte auch gedacht, Mensch, ist das jetzt okay, einfach nur so ganz typische Bamberger Klassiker auszuwählen? Und ich hatte auch ein IPA in der Hand, und zwar von Maisels, aber habe mich dann doch für den Bambergator entschieden. Also du siehst …

Markus: Was dich völlig ehrt, finde ich gut.

Holger: Ja, also du siehst, wir sind gar nicht so weit auseinander da an der Ecke.

 

Die Erfolgsgeschichte von Kundmüller aus Weiher

Markus: Ja, wie gesagt, ich wollte einfach, nachdem ich ja dieses Jahr zum ersten Mal wahrscheinlich überhaupt einen sehr einsamen Geburtstag haben werde, habe ich gedacht, dann nehme wir wenigstens mal ein kräftiges Bier, was mich gut darauf vorbereitet. Ist ja doch schon mal ganz schön. Ist überhaupt eine spannende Brauerei, also die haben ein unglaubliches Wachstum hingelegt, die hatten noch ein paar 100 Hektoliter im Jahr vor 20 Jahren, also kleine Gasthausbrauerei. Und jetzt haben sie deutlich über 20.000 und haben wirklich viele, viele Preise schon gewonnen und machen auch sehr tolle Biere, muss man sagen. Ist ein Brüderpaar, was das führt, auch wieder klassisches Familienunternehmens-Thema. Die haben das aber gut hinbekommen, glaube ich. Der eine Bruder macht eben eher das Betriebswirtschaftliche und der andere ist der Braumeister. Da kommt man sich nicht in die Quere und kann schön gemeinsam so eine Brauerei und offensichtlich auch mit sehr viel Erfolg führen. Das beeindruckt mich schon auch immer sehr, wenn ich dahinfahre.

Holger: Überhaupt ist ja bei dir im Landkreis, ja, das ist ja unbeschreiblich eigentlich. Also das ist ja wirklich ganz toll.

Markus: Ja, also man kann, wenn man jetzt den engeren Landkreis Bamberg nimmt, vielleicht mit ein paar Abrundungen, hat man locker 70, 80 Brauereien. Und das ist schon eine Aufgabe. Wenn man überlegt, dass jede von denen dann vielleicht nochmal fünf, sechs Biere macht, dann ist man da durchaus beschäftigt. Also kann man, wenn man jeden Tag ein anderes trinkt, ist man über ein Jahr lang alleine nur mit Bamberg beschäftigt.

Holger: Das Lustige ist ja, es gibt doch so eine App, die heißt Untapped, und da kann man ja Biere bewerten und da gibt es ja Menschen, die haben über 30.000 Biere bewertet. Und da frage ich mich halt immer, wie das geht in einem Leben?

Markus: Und mit einer Leber.

Holger: Also ich bin jetzt … ja, und auch mit einer Leber, ganz genau. Also das frage ich mich wirklich, also wie geht das? Aber trotzdem eigentlich eine ganz witzige App, um auch ein bisschen Orientierung zu finden.

Markus: Ja, finde ich auch spannend. Wobei ich eher dann immer auf RateBeer schaue, das ist glaube ich insgesamt ein bisschen älter. Und nachdem ich ja mich am Anfang eher so ein bisschen gegen diese ganze App-Kultur gesträubt habe und RateBeer ja noch ein klassisches Internetportal ist, war mir das immer etwas lieber. Aber Untapped habe ich auch installiert und schaue da auch immer wieder mal rein. Und witzig war das letztes Jahr, da hatte ich zum Bierfest in Nürnberg ein eigenes Bier brauen lassen, was wir dann auch dort ausgeschenkt haben. Und ich persönlich war gar nicht so begeistert davon, aber es wurde dann von den ganzen Leuten, die das verkostet haben, zu einem der besten Biere der ganzen Veranstaltung gewählt. Und das fand ich natürlich sehr schön.

Holger: Ja, kann ich gut nachvollziehen.

Markus: Ich muss nochmal einen Schluck nehmen.

Holger: Also der Bambergator, den habe ich natürlich jetzt auch nicht so kalt getrunken wie das Kellerbier übrigens. Die Flasche hatte ich viel früher schon rausgenommen. Das ist wirklich ein tolles Bier, also wirklich.

 

Bier bewusst alt werden lassen

Markus: Ja, ist auch eins, was man supertoll altern kann. Also ich hatte vor zwei oder drei Jahren mal eine Veranstaltung mit amerikanischen Journalisten hier und denen habe ich dann ein Bambergator serviert, der war glaube ich fünf oder sechs Jahre bei mir im Keller gealtert und hatte sich wirklich ganz, ganz toll entwickelt. Und das hatten die noch nie probiert so ein gealtertes Bockbier und waren auch völlig hin und weg. Also kann man jedem nur empfehlen, kauft euch einfach mal einen schönen Kasten dunkles oder zumindest Doppelbockbier, stellt das in euren Keller, vergesst es mal für ein paar Jahre und seht dann, was daraus geworden ist. Ganz spannend.

Holger: Unbedingt. Also da gibt es einige Biere, die aus der Doppelbockszene sich wirklich eignen. Also zum Beispiel Schneider Weisse Aventinus TAP6 wäre eine Empfehlung von mir in dem Zusammenhang.

Markus: Oder ganz einfach der Salvator.

Holger: Aber sollte nicht, ja, oder Salvator genauso, aber wir sollten nicht versäumen noch mal darauf hin zu weisen, dass Bier eigentlich ein Frischeprodukt ist.

Markus: Oh ja, natürlich. Also ein Nichtbockbier auf jeden Fall, das muss auf jeden Fall so schnell wie möglich so frisch wie möglich aus der Brauerei geholt werden und dann auch so schnell wie möglich getrunken werden. Deswegen würden wir natürlich nicht sagen, kauft euch einen Kasten und trinkt den so schnell wie möglich, sondern kauft halt das, was für euch gut ist von der Menge her und holt euch lieber öfters ein frischeres Bier in kleineren Mengen, da haben dann wirklich alle am meisten davon.

Holger: Ich sage ja immer, wenn irgendwann in der Politik da keiner Lust mehr darauf hat, das kann ja durchaus vorkommen, dann würde ich übernehmen. Aber natürlich nicht demokratisch, also ich würde dann gerne wieder zurück zur Monarchie und werde dann König von Deutschland. Und wenn ich dann König von Deutschland bin, ist das erste, du siehst mich dann ja in der Tagesschau, und das erste Gesetz, was ich dann einführe, ist die geschlossene Kühlkette für Bier.

Markus: Da ist fast nichts mehr hinzuzufügen. Wunderbar. Aber da sehen die Leute auch gleich mal, was das für eine Wirkung hat. Wenn man eine Flasche Bambergator trinkt, fühlt man sich doch gleich als König von Deutschland. Nicht schlecht. Ja, dann würde ich sagen, machen wir doch vielleicht für den heutigen Podcast mal Schluss an dieser Stelle und träumen noch ein bisschen von den guten Bieren und vielleicht auch vom nächsten Mal, wo wir uns dann vielleicht sogar einen Brauer einladen werden, oder?

Holger: Na, also das wäre natürlich ganz besonders toll. Ja. Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend und den Zuhörern natürlich auch. Oder egal, man kann das ja auch morgens hören, den Podcast, oder mittags oder also egal, aber in den jetzigen Zeiten ist es wahrscheinlich am besten zu wünschen, dass alle gesundbleiben.

Markus: In diesem Sinne: Prost!

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