Der gebürtige Franke Martin Zarnkow verwirklichte seinen Jugendtraum mit der Ausbildung zum Brauer und Mälzer in der Schwabacher Brauerei Leitner. Daran schloss sich ein Studium in Weihenstephan an, dem kurz nach dem Abschluss ein Ruf an den dortigen Lehrstuhl folgte. Seitdem forscht er über 20 Jahre rund ums Bier, sucht in allen Ecken der Welt nach neuen alten Hefen und veröffentlichte bereits zahlreiche Publikationen, unter anderem mit Prof. Dr. Franz Meußdoerffer das Standardwerk „Das Bier“. Im BierTalk räumt er mit allerlei Bier-Mythen auf und berichtet vom aktuellen Forschungsstand zur Herkunft der untergärigen Hefe, die nun doch nicht von einem vor Jahren in Patagonien gefundenen Mikroorganismus abstammt. Ein BierTalk, der Lust auf mehr macht, nicht nur mehr Bier, sondern auch mehr Wissen davon und darüber…
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Holger: Herzlich willkommen zum 55. BierTalk. Und bei so einer Schnapszahl haben wir natürlich wieder einen ganz besonderen Gast, ein promovierter Diplom-Brauer, Martin Zarnkow. Am Mikrofon ist der Holger und der …
Markus: Markus.
Holger: So, Martin, schön, dass du dir Zeit nimmst. Vielen Dank! Sag doch mal was zu dir. Stell dich doch mal kurz unseren Hörern vor.
Martin Zarnkow: Vielen Dank, ihr zwei! Auch vielen Dank, dass ihr mich ausgerechnet zu der Schnapszahl sprechen lasst. Und ich freue mich jetzt auf die kommende dreiviertel Stunde mit euch. Ich bin Brauer, Mälzer, und das schon ziemlich lange. Ich wusste das schon in der Schule zum Ende zum Abitur, dass ich das werden will. Das war für mich vollkommen klar. Und ich habe eine Lehre gemacht in einer sehr kleinen Brauerei im Frankenland, dort komme ich auch her. Das war die fantastischste Zeit überhaupt. Das war die Brauerei Leitner in Schwabach, die heute immerhin noch als Name existiert. Ich habe anschließend in Weihenstephan studiert, habe als FH-Ingenieur aufgehört. Ich bin dann wieder in die Brauerei, in die Industrie und nach etwa einem Jahr bin ich an den Lehrstuhl in Weihenstephan gegangen für Technologie der Brauerei I, wo es hauptsächlich um die Malz- und die Würze-Bereitung gegangen ist, aber natürlich auch mit den anderen Themenfeldern. Ich bin dort in Weihenstephan seit 23 Jahren, habe währenddessen meine externe Promotion in Irland gemacht, an der University College Cork, bei der Frau Prof. Arendt, über glutenfreie Bierherstellung mit der Rispenhirse. Ich habe mich ziemlich viel mit diesen alternativen Getreiden beschäftigt, also bei weitem nicht nur mit der Gluten-Freiheit, und bin seit sechs Jahren jetzt am Forschungszentrum in Weihenstephan, das eine sehr, sehr große Routine-Laborabteilung hat. Wir sind annähernd 100 Leute hier und wir machen aber auch ganz viel Forschung. Und wir gehen hier mit der Forschung deutlich stärker in die Fermentationsbereiche. Wir machen ganz spannende Projekte, indem wir auf Hefe-Jagd gehen, indem wir Pflanzen, große Bäume zum Beispiel, beproben, dort nach fermentierenden Mikroorganismen suchen. Wir gehen auch in Brauereien. Wir sind in alte Bierkeller schon gegangen und haben einen Riesenfundus an solchen Mikroorganismen, die also ganz tolle, phantastische Biere produzieren der unterschiedlichsten Art, mit viel, mit wenig Alkohol, mit ganz besonderen Aromen. Da passiert richtig viel und ich genieße diese Verknüpfung. Und dort an dem Forschungszentrum leite ich seit sechs Jahren die Abteilung für Forschung und Entwicklung und bin eben mit diesen Themenfeldern, die ich gerade genannt habe, betraut und auch mit vielen, vielen anderen Sachen. Ich bin auch weltweit unterwegs als Betriebsberater und hatte das Glück mit sehr vielen tollen Leuten hier schon zusammenzutreffen und da auch schöne Sachen zu machen. Ich war zum Beispiel viele Male schon in Syrien vor dem Bürgerkrieg, ich habe dort archäologische Experimente gemacht in Bezug auf Bier. Und habe mir das nicht vorstellen können, dass Forschung, Universität so verflucht viel Spaß machen kann. Denn eigentlich wollte ich als Bierbrauer in einer schönen, kleinen, fränkischen Brauerei und dort mein Bier machen und dann mit irgendeinem Veteranen-Fahrzeug ausfahren. Das war eigentlich mein Ziel.
Holger: Das hätte ich dich jetzt auch gefragt. Wenn man im Abitur schon weiß, man wird Brauer und Mälzer, und dann denke ich einfach, ja Mensch, das ist dann auch so dieser handwerkliche Prozess, der einen dann da anzieht. Und was fasziniert einen dann so sehr an dem universitären Prozess und diesem universitären Leben der Lehre, wenn man doch aus Franken kommt und schönes Kellerbier machen kann? Da bleibt eine Frage eigentlich. Du hast sie ja gerade schon ein bisschen beantwortet, aber so richtig zufrieden bin ich nicht.
Martin Zarnkow: Das ist schon richtig. Ja, also deswegen habe ich das jetzt gerade auch schon so ein bisschen angeschnitten. Das ganz ursprüngliche Ziel war das so nicht. Ich wollte wirklich eine eigene kleine Brauerei, wirklich was Eigenes. Ich wollte mein eigener Herr sein. Ich wollte auch nicht die Sachen machen, die einfach meine Altvorderen gemacht haben. Da kam nie ein Brauer drin vor, ganz andere Sachen. Das war mir auch echt ein Stück weit wichtig. Und das ist ein bisschen schizophren, da waren immer wieder mal auch Lehrer dabei bei meiner Verwandtschaft, und ausgerechnet das wollte ich wirklich nicht werden. Ich fand Lehrer auch immer doof. Aber was bin ich heute? Ich bin unter anderem ein Hochschullehrer. Und das habe ich mir nicht träumen lassen. Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, Hochschullehrer haben den Vorteil, dass die Leute, die sich dein Zeug anhören, freiwillig drinsitzen. Und die können auch einfach wieder rausgehen. Heute mit den virtuellen Geschichten klicke ich mich einfach weg oder ich gehe aus dem Hörsaal einfach raus. Und die, die drinbleiben, die sind wirklich interessiert. Das ist was ganz anderes wie in der Schule, wo ja eine Pflicht da ist. Ich hab‘s mir nicht erträumen lassen, einfach, dass ich an einer Universität lande. Ich weiß noch genau, dass ich dann damals fertig wurde mit dem Studium und dann habe ich einen getroffen, mit dem habe ich auch schon die Lehre zusammen gemacht, und er hat auch hier studiert, und er sagte dann so: Ja, er könnte sich vorstellen, dass er hier noch promoviert. Und ich habe gesagt: Du bist verrückt. Ich bin so froh, wenn ich jetzt weg bin von der Uni. Ich will unbedingt arbeiten, ich will meinen Traum verfolgen. Und Promovieren, was ist denn das überhaupt? Ich hatte überhaupt keine Ahnung, ich wollte mich überhaupt nicht damit beschäftigen mit diesen Sachen. Und wie ist die Situation heute? Ich bin promoviert und er nicht. Er macht mit Mineralwasser. Ich habe echt Glück gehabt. Also da ist echt Zufall dabei. Das konnte mir auch keiner erklären vorher. Weil ganz ehrlich, selbst wenn du den Wunsch gehabt hättest, also die Wahrscheinlichkeit ist so gering, dass du so eine Stelle bekommst.
Holger: Mir fällt da ein Spruch ein von John Lennon, der gesagt hat: Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne machst.
Martin Zarnkow: Ja, auf (unv. #00:06:16.3#) Fränkisch hätte ich gesagt: Mit den Dummen ist Gott.
Holger: Das hört sich so an, als hättest du da recht. Ja, Kellerbier, Markus, das ist doch ein gutes Stichwort. Hast du was auf dem Tisch stehen?
Markus: Ich habe was auf dem Tisch stehen. Wollen wir wirklich unseren Gast erst später was trinken lassen? Können wir auch.
Holger: Ich wollte ja nur überprüfen, ob du auch was dabeihast.
Markus: Aber auf jeden Fall.
Martin Zarnkow: Anständig vorbereitet, ne.
Holger: Ja, anständig vorbereitet. Das ist ja beim Markus meistens der Fall, also meistens. Was hast du denn auf dem Tisch stehen?
Martin Zarnkow: Ich?
Holger: Ja.
Martin Zarnkow: Ich habe eine Auswahl hier stehen. Ich habe eigentlich was ganz Besonderes hier stehen: Berliner Weisse.
Holger: Oh!
Martin Zarnkow: Und zwar habe ich einen wirklich sehr, sehr netten Kollegen von der VLB Berlin, den Christian Richter. Mit dem teile ich auch ein Hobby, und zwar im Veteranen-Fahrzeug-Bereich. Also ich restauriere und sammle und fahre alte Motorräder. Und der Christian, der sammelt nämlich die alten Nummernschilder dazu. Und der Christian war so nett, mir, bevor dieses alte Gebäude der VLB, wo sie jetzt den Neubau draufgebaut haben, bevor der komplett abgerissen worden ist, mir Biere dort zu schicken, die da irgendwo noch verscharrt waren, und zwar alte Berliner Weisse Biere, die noch von der Hochschulbrauerei in Berlin waren. Und das ist auch ein ganz besonderes Faible von mir, dass ich also diese alten Biere mir anschaue, und wir haben auch die schon untersucht, was sind da für Hefen noch drin. Da kommen also wirklich ganz spannende Sachen dabei raus. Wir haben zum Beispiel auch mal ein Bier gehabt, da lasst mich jetzt nicht lügen, das war von 1885 sowas. Das war in einer Firma in einem Safe eingesperrt, und der Safe wiederum war in einem Zimmer eingemauert, von einer Firma, die heute noch existiert und wo der alte Patriarch das so verfügt hat in den 30er Jahren. Und dann irgendwann 40, 50 Jahre später hat also die Firmenleitung festgestellt, dass mit dem Grundriss was nicht stimmt, also diese eine Mauer, da stimmt was nicht. Und dann haben die die Mauer eingerissen und dann fanden die also das alte Büro darin vor, nicht (unv. #00:08:27.5# klar?), dass die Zigarette noch glimmte da drin oder Zigarre in dem Fall. Und da war dieser Safe. Dann wurden sie ganz fickerig und nervös und dann haben die also einen Knacki geholt und haben den Safe öffnen lassen, in der Hoffnung, dass vielleicht ein paar Apple Aktien oder irgendwas da drin sind oder Bitcoins, keine Ahnung. Funktioniert von der Zeit nicht ganz, aber trotzdem. Da war aber dann offensichtlich das Wichtigste für diesen Herrn da drin, und das war eine Pulle der Brauerei aus der Stadt, wo die sich befanden. Das war Dank des Etikettes nachweislich, ich sag nochmal, ich glaube 1885. Wir hatten das Glück, ganz kleine Tropfen da abziehen zu dürfen, sie untersuchen zu dürfen. Es war also ein echter Korken obendrauf, da konnte man also mit einer Nadel durch. Wir durften das auch verkosten. Das war ein fantastisches Bier. Das war eigentlich laut Etikett ein Pilsener Bier, aber das war, nach heutigen Gesichtspunkten würden wir sagen, ein sehr schönes, dunkles Festbier. Immer wieder haben wir solche Proben und solche Muster, und die verkosten wir natürlich auch. Und so ein Bier habe ich hier.
Holger: Sehr gut! Dann mach‘s doch mal auf und lass uns teilhaben, was du da herausfindest bei dem Bier.
Markus: Ich träume von der Berliner Weissen. Also ich wäre jetzt total gerne bei Martin, weil ich ja auch ein großer Fan bin gerade von dem Bierstil und auch schon viele alte Flaschen mir besorgt habe – ich kam aber selten weiter zurück als die 70er Jahre – und immer wieder erstaunt war, wie großartig und toll diese Biere eben noch schmecken, in welchem Zustand sie noch sind und wie sich das eben alles so entwickelt. Ich habe zuerst gedacht, du hast es vielleicht von Kurt Marshall, den kenne ich nämlich auch bei der VLB, aber das ist natürlich noch viel spannender, wenn da so alte Flaschen irgendwo gefunden worden sind. Also ich bin jetzt schon ganz gespannt und bin auch ganz leise.
Martin Zarnkow: Das dürfte auch 70er Jahre sein, das kann ich nicht genau sagen. Also Hochschulbrauerei Berlin, grundsätzlich ein gelbes Etikett. Das ist eine 0,33er Steini-Flasche. Und aufgrund der Fundstelle total verrosteter Kronkorken, Berliner Weisse steht drauf. Hinten Rückenetikett existiert alles nicht und daher habe ich auch keine Informationen von wann genau. Allerdings erlaube ich mir jetzt mal den Boden anzuschauen, weil manchmal steht an den Flaschen ein Jahr. Dem ist aber nicht so. Kann ich nicht beurteilen. Ich würde sagen, 70er Jahre auch. Ein bisschen später hat dann die Hochschulbrauerei auch aufgehört zu produzieren. Wenn man mit Bier konfrontiert wird, sprich, von Konsumentenseite, wird dir erst mal so klar beigebracht, Bier muss frisch sein und das war’s. Das ist einfach nicht die ganze Wahrheit. Ja, es gibt Biere, die sollten frisch sein, und dann machen die auch richtig Spaß. Und da ich ja eine Brauerlehre habe, haben wir natürlich auch Biere gezwickelt. Dann haben die den Lager-Schwefler noch. Und das ist alles ganz toll und wunderbar. Das sind also wirklich ganz tolle Biere. Aber es sind einfach auch Sorten da und dazu gehört auch so eine Berliner Weisse, die können also durchaus Jahrzehnte ab und werden dann immer noch spannender. Ich habe zum Beispiel auch zu Hause durch Zufall auch eine Art Safe, weil der Vorbesitzer bei mir, der hatte einen Waffenschrank und das nutze ich nicht dafür. Dort habe ich ein paar Kästen weggesperrt, und zwar dunkle Bockbiere und dunkle Weizen-Bockbiere. Und die werden da alt. Die sind schon viele Jahre alt. Und ab und zu hole ich mir halt einfach mal eine Flasche. Das ist ultraspannend diese Entwicklung da nachzuvollziehen. Das ist ein besonderes Glück auch, dass man in dem Fall den Platz auch dafür hat. Und das kann ich nur jedem empfehlen, einfach sowas mal, wenn man die Möglichkeit hat, einfach so einen Kasten mal nehmen und wegtun, wegsperren, und dann nach Jahren wieder rausholen. Es gibt ja Brauereien, die machen inzwischen da auch schon ein kleines Geschäft daraus. Und das ist auch wirklich absolut in Ordnung, denn die Biere können das ab. Die haben also wirklich ganz viel tolles Potenzial. Und wenn du dir das ja auch anschaust, was hast du für Attribute, die dann bei der Alterung kommen? Da sind ganz viele Attribute dabei, wo du erst mal sagen musst, brotartig, Cracker-artig, süß, Toffi-artig, Whisky-Sherry-artig. Was war denn da jetzt negativ? Das ist doch alles positiv. Das mögen wir doch eigentlich alles. Cardbord, den Pappdeckel, auf Fränkisch dem Papperdeckl, den mögen wir tatsächlich nicht. Weil das ist auch was, was ganz besonders in hellen Lagerbieren vorkommen wird. Das wird nach einiger Zeit kommen. Aber das ist tatsächlich so, dass sehr, sehr viele Alterungsattribute eigentlich positiv sind. Und das passiert bei solchen Bieren und die Berliner Weisse gehört da auch dazu. Der steht das. Da sowieso die Berliner Weisse mit diesen sehr, sehr, sehr spät fermentierenden Brettanomyces-Hefen ja dann auch noch nach Monaten überhaupt erst ein Aroma erzeugt, wie es eigentlich sein sollte. Ja, das habe ich vor mir.
Holger: Dann trink mal.
Markus: Wir sind ganz gespannt, wie das jetzt genau schmeckt.
Holger: Ich bin auch ganz gespannt. Der Herr Raupach, der hat ja mehrere Garagen in Bamberg angemietet und hat da seine Jahrgangsräume.
Martin Zarnkow: Editionen.
Holger: Genau! So stelle ich mir das in Freising dann auch vor. Aber jetzt lass uns teilhaben, also jetzt trink mal einen Schluck und lass uns doch mal teilhaben. Also ich bin auch schon ganz aufgeregt.
Martin Zarnkow: Es ist einfach ein fantastisches Bier, das muss ich einfach sagen. Und es ist immer noch einfach ein schönes Bier und das ist ein deutliches Bier, klare (unv. #00:13:51.0#), es hat eine schöne Frische, was eigentlich sehr, sehr typisch für die Berliner Weisse auch ist. Und das liegt auch viel an der Milchsäure, das ist gar nicht mal hoch kohlensäurehaltig. Ist aber immer noch angenehm frisch und trotzdem sind da viele schwere Aromen auch mit dabei, die im Laufe der Jahrzehnte gekommen sind. Ich find’s ein total schönes, harmonisches Bier. Ich weiß nicht, ob ich es auf Anhieb erkannt hätte. Man hat ja nicht oft solche Biere, dass man also sagt, ja, das ist jetzt aber ganz typisch Berliner Weisse. Das liegt aber auch ein bisschen daran, dass wir heute nicht mehr so viel an eine echte Berliner Weisse rankommen, die also auch tatsächlich mit Brettanomyces nachvergoren wurde. Und in dem Fall weiß ich es nicht, das haben wir noch nicht so analysiert, durchanalysiert, ob denn da auch eine drin war. Aber es ist einfach ein klasse Bier, muss man echt sagen. Sehr erfrischend, immer noch.
Holger: Wir haben eine Zoom-Sitzung, eine Spezial-Zoom-Sitzung gehabt mit der Ulrike Genz, die ja die Berliner Weisse in Berlin hochhält. Und die hat sogar einen Berliner Weisse Salon eröffnet hat.
Martin Zarnkow: Hm!
Holger: Aber Markus, nicht, dass du dann jetzt ganz austrocknest. Dann gehen wir doch mal zu dir rüber. Du hast ja gesagt, du bist vorbereitet. Was hast du denn vorbereitet? #00:15:06.1#
Markus: Ich mach einfach mal einen Quickie, ist ja auch ganz schön. Ich habe natürlich auch ein Bierchen vorbereitet. Es ist ja eigentlich noch Nachmittag. Deswegen habe ich jetzt mal was genommen, was eher weniger Alkohol hat. Ihr habt‘s gehört, es war eine Dose. Jetzt ist das auch schon im Glas. Es ist ein sehr helles, leicht getrübtes Bier mit einem schönen weißen Schaum obendrauf. Wenn man reinriecht, kommen so leichte zitrusfruchtige Aromen, ein bisschen vielleicht auch Grapefruit, ein bisschen auch so kräutrige Noten. Probieren wir das mal. Wunderbares Mundgefühl. Sehr schön, sehr erfrischend auch. Leider nicht so sauer wie die Berliner Weisse, aber in dem Fall ist es ja auch völlig okay. Es handelt sich um ein BrewDog Bier. Das nennt sich Lost AF und ist ein alkoholfreies Lager. Das habe ich in letzter Zeit ganz oft schon, weil ich gerne alkoholfreie Biere trinke. Und das ist wirklich ein schönes erfrischendes Bier, so auch für zwischendurch ist, und macht mir richtig viel Spaß. Vielleicht, bevor der Holger sein Bier aufmacht, an der Stelle mal eine Frage, die mir schon gekommen ist, als du dich eingeführt hast vorhin. Du hast gesagt, ihr seid unterwegs und sucht Hefen und seid da auch auf der ganzen Welt und seid so ein bisschen wie die Hefe-Doktoren, die da irgendwo in den Holzüberresten so rumwühlen. Hattet ihr auch was zu tun mit der untergärigen Hefe aus Patagonien? Habt ihr da auch mit zu tun gehabt oder das auch mal nachvollzogen?
Martin Zarnkow: Darf ich ganz kurz was dazu sagen, dass da kein Missverständnis aufkommt? Ja, wir sind auch weltweit unterwegs, aber da holen wir uns nicht einfach so Hefen oder andere Mikroorganismen. Das ist uns nicht erlaubt. Das machen wir immer in Zusammenarbeit mit anderen Universitäten. Das ist also wirklich ganz wichtig. Und deswegen beantworte ich deine Frage mit Diego Libkind, auch mit einem Ja. Das ist nämlich derjenige, der diese Eubayanus in Patagonien gefunden hat. Wir hatten da also schon Forscheraustausche und wir haben auch eine gemeinsame Publikation mit ihm zusammen. Und wir sind auf jeden Fall mit ihm in der Diskussion. Es ist ein nicht so ganz einfaches Thema, was die tatsächlichen Ursprünge der untergärigen Hefe betrifft. Es ist auf jeden Fall wissenschaftlich absolut korrekt, was er gemacht hat, absolut in Ordnung. Die Rückschlüsse, dass das tatsächlich das eine vermisste Elternstück ist, um die untergärige Hefe zu haben, denn die ist ja ein Hybrid, die hat also, sprich, ein Elternpaar, und eins davon ist eine sogenannte Eubayanus und das andere ist eine obergärige Hefe. Die Situation ist die, dass wir die heute also immer noch nicht kennen, beide nicht. Die Eubayanus in Patagonien kommt der Sache sehr, sehr, sehr nahe, aber sie ist es nicht. Und ich habe mich ja sehr viel mit der Historie auch beschäftigt und habe da ja mit dem Prof. Franz Meußdoerffer auch ein kleines Büchlein dazu geschrieben. Wir haben das schon erwähnt, aber es ist schon allein historisch nicht nachvollziehbar, wie das funktioniert haben soll. Denn die Hybridisierung wird wahrscheinlich in der Region passiert sein, wo das Untergärige eigentlich zum ersten Mal so richtig hochgekommen ist. Und das war in der Region Franken, Oberpfalz, Egerland, Tschechien. Dort in dieser Region, dort ist es kalt genug gewesen zur richtigen Zeit. Die Zeit, von der ich spreche, ist etwa vor 700, 800 Jahren, als die eigentlich große Revolution in der Bierherstellung stattgefunden hat. Denn in der Zeit wurden die Biere also in bestimmten Regionen selektiv immer untergäriger. Es wurde ab da reproduzierbar der Hopfen verwendet. Es wurde dazu gekocht, das war auch nicht selbstverständlich. Deswegen hast du auch feste Töpfe verwenden müssen, hast du Herde gebraucht. Die Häuser mussten entsprechend gemauert sein wegen des Feuerschutzes. Das sind alles so Sachen, die da passiert sind. Die Brauer wurden männlich, davor waren sie zum größten Teil weiblich. Und man hat in der Zeit von dem Hafer umgeschwenkt auf die Gerste. Und ehrlich gesagt sind da jetzt so ein paar Stichwörter gefallen, die eigentlich dann 1516 in dem Reinheitsgebot niedergeschrieben worden sind: Gerste, Wasser, klar, Hopfen. Und was dort nicht steht, weil das auch nie wichtig war, ist die untergärige Hefe, die man zu dem Zeitpunkt aber gekannt hat. Die kalte (unv. #00:19:33.0# Gür?), wie sie zum Teil beschrieben worden ist, die ist schon viel früher beschrieben worden. Es wird immer wieder berichtet, die haben das damals nicht gewusst, die waren blöd oder sonst was auch immer. Das stimmt alles überhaupt nicht. Wenn die irgendwas nicht waren, dann ist, dass die blöd waren. Die haben unglaublich viel gewusst, nur die zwei Herzöge, das waren zwei, nicht immer nur der eine, die zwei Herzöge haben das nicht für nötig gehalten, dass darnieder zu schreiben, weil darum ging‘s gar nicht. Es ging nur darum zu sagen, diese Rohmaterialien habt ihr zu verwenden. Und die Hefe wurde da als Rohmaterial gesehen. Es ging auch nur um den heißen Bereich, und deswegen stehen diese Inhaltsstoffe drin. Es ging auch nicht darum, dass man da schreiben musste, dass es Gerstenmalz ist. Das war selbstverständlich. Aber das Getreide, die Gerste, die wurde festgelegt. Diese gnadenlos tolle Revolution, die ja zu unserem Bier heute geführt hat, wenn wir in die Welt gucken und 85 % der Biere, die weltweit hergestellt worden sind, dann ist das das untergärige helle, kühl getrunkene Lagerbier. Und diese Keimzelle, die war in dieser Region da oben und dort hat das gestartet. Und jetzt, wenn ich mir das mit der patagonischen Hefe, der Eubayanus, überlege: Wie soll die, kurz nachdem Kolumbus Amerika wiederentdeckt hat – ja, ja, da waren schon ein paar andere davor, aber die Wikinger oben in Neufundland und vielleicht ist ein irischer Mönch auch mal rübergekommen, ziemlich sicher waren die Araber auch drüben – aber da war nichts in dem großen Austausch, der Austausch, der fand erst statt mit Kolumbus. Und das war 1492. Und das soll so schnell dann ausgerechnet mittendrin von Europa gekommen sein? Warum hat so eine Hybridisierung nicht dann in einem portugiesischen, spanischen, italienischen Hafen stattgefunden? Also das ist aus historischer Sicht schon schwierig und aus wissenschaftlicher Sicht ist es auch einfach nicht ganz tragbar. Aber ehrlich, das ist super-super-spannend und man guckt weiter und es ist auch eine kleine Motivation für uns, dann hier auf Bäume eben zu gucken, weil Bäume langlebige Pflanzen sind. Wir suchen jetzt nicht Bäume, die einfach 500 Jahre alt sind, sondern das reicht, also wenn die einfach älter sind, denn da halten sich dann einfach solche Mikroorganismen. Und dann kommt noch was anderes dazu, denn die Hefen haben eine Eigenschaft, einen Zucker zu vergären, den die Würze gar nicht hat. Das ist die Raffinose. Die Würze hat sowas nicht. Und warum können die das denn so? Das mag vielleicht auch daran liegen, dass das Holz vielleicht der Träger mal dieser Hefen auch war, dass dieses Holz aber auch eine große Rolle als Gebinde gespielt hat und dass dadurch da eine Interaktion stattgefunden hat. Und das war ja übrigens auch was total Spannendes. Diese Erfindung des Gebindes, sprich, des Fasses, das war so wichtig für unser modernes Bier, weil erst durch dieses Gebinde konnten die Biere überhaupt erst auf Druck kommen und Kohlensäure anreichern. Und deswegen haben die neben Milchsäuren und so haben die ihre Spritzigkeit bekommen. So sehen wir heute unser modernes Bier, aber manche Sachen sind vielleicht gar nicht so alt. Wobei die Erfindung des Fasses also schon 350 vor Christus war durch die Kelten. Aber das war erst mal ein Transportfass für Wein. Also das war lange Zeit nur ein Transportfass und erst später wurden die Wandungen dicker und dann konnten sie auch Druck aushalten. Und dann konnte man tatsächlich da drin noch eine Nachgärung fahren. Diese Punkte, die finde ich so spannend, da mal zurückzugehen in der Zeit und sich zu überlegen, gut, so schaut unser Bier heute aus. Also das, was wir unter Bier erst mal verstehen, getrunken haben wir beide jetzt gerade wunderbare andere Sachen. Das ist ja nicht der Punkt. Aber das kann ich ja davon ableiten dann, solche Sachen. Was musste eine Erfindung da sein, dass das Bier heute das ist, was es ist? Sachen, die wir für völlig selbstverständlich sehen. Die Gebinde, der Kronkorken oder der Bügelverschluss und all solche Sachen. Das Trinkglas, sowas von wichtig, das Trinkglas. Wann war denn das? Wann kam da auf? Und was hat das gemacht, inwieweit hat das eigentlich unser Produkt verändert? Und das sind echt total spannende Fragestellungen.
Holger: Und das steht alles da in dem Buch drin, „Das Bier – eine Geschichte von Hopfen und Malz“?
Martin Zarnkow: Ja. #00:23:54.8#
Holger: Wahnsinn! Ich bin auch davon ausgegangen, genau wie der Markus auch, dass eben die untergärige Hefe ihr Zuhause, dieser Mutter-Mikroorganismus aus Patagonien stammt. Und dann gibt’s meines Erachtens zwei Thesen. Also einmal Dornbusch sagt, das kommt eben mit Winden zu uns über den Atlantik. Und dann gibt’s die andere Thematik, eben über die Beringstraße und über Menschen, die da einfach gewandert sind. Und jetzt höre ich, nee, es ist wahrscheinlich nicht derselbe Organismus oder man kann das nicht wirklich darauf zurückführen.
Martin Zarnkow: Es ist definitiv nicht dieser Organismus. Der genetische Abgleich passt nicht. Er kommt verflucht nah, aber er passt nicht. Also diese ganzen Theorien, die kannst du dir sonst wohin, was auch immer du damit machen willst. Die sind immer spannend diese Theorien, wobei das mit den Winden, hui-hui-hui, da würde ich eher auf Vögel tippen, aber bestimmt nicht auf Winde. Weil, ganz ehrlich: Diese Mikroorganismen sind sehr, sehr schwer. Zum Beispiel: Man spricht ja immer von dieser sogenannten spontanen Gärung in Brüssel, von diesen fantastischen Bieren mit den Lambics und dem (unv. #00:25:06.0#) gemischten Geuze und so weiter. Fantastische Biere, wirklich wahr. Und man spricht davon, dass die spontane Gärung auch deswegen nur in Brüssel so funktioniert, weil die Luft so voll ist mit diesen Mikroorganismen. Das ist Quatsch. Das hat man schon alles mal untersucht. Hefen, Hefen sind Bierbrauer. Also Bierbrauer, sind das leichte Leute? Nein. Das sind schwere Leute. Und die Bierhefen sind auch schwer im Vergleich zu, ich meine das jetzt echt ernst. Also eine Hefe, die kann ich schon mal in die Luft blasen, aber in kürzester Zeit wird die da auch wieder verschwinden. Das kann ich ganz einfach in einem anderen Medium sehen, nämlich in einem Hefeweißbier. Wenn ich ein wirkliches Hefeweißbier habe, wo ich Hefe drin habe, werde ich erkennen, dass diese Hefen nach einiger Zeit auf den Boden absinken und dass mein Bier obendrüber klar wird. Weil diese Hefen so schwer sind. Jetzt ist natürlich eine Flüssigkeit wie Bier was anderes wie die Luft. Aber die Flüssigkeit wie Bier hat mehr Widerstand als die Luft. Und jetzt reden wir von Patagonien bis hierher, von 20.000 Kilometer Direttissima? Vielleicht sind es 15 bloß. Ich weiß es nicht genau. Also da wird‘s schwierig, da wird‘s echt schwierig. Und das hilft auch alles nichts, wir brauchen uns gar keine Gedanken machen, weil die genetisch nicht zusammenpassen. So, dass man sagt, nur die kann es sein. Interessant ist aber doch Folgendes: Dass man weitgehend nur auf der südlichen Halbkugel diese Eubayanus bis jetzt gefunden hat. Es heißt zwar nochmal, in Tibet hat man auch noch mal was gefunden. Da kann man sich ja über die Seidenstraße ein bisschen was vorstellen, wie da ein Austausch stattgefunden hat. Also das ist durchaus möglich. Aber auch die passt nicht zusammen. Das ist die einzige, die man auf der nördlichen Halbkugel mal gefunden hat. Also das ist schon spannend. Und ganz ehrlich, diese ganzen Saccharomyces-Hefen sind sowieso nicht so häufig in der Natur. Das ist ein superspannendes Thema. Da haben wir noch ein paar Jahre dran zu grübeln und wir haben Proben zu nehmen ohne Ende, um da vielleicht wirklich mal was zu finden. Und wir hybridisieren ja auch schon nach und gucken, ob da was dabei rauskommt. Da kommen wir aber noch nicht an diese tolle untergärige Hefe, so wie wir sie kennen. Ich könnte mir das vorstellen, dass diese Hybridisierung, also diese Verschmelzung einer Eubayanus-Hefe mit einer obergärigen, ständig stattfindet, vielleicht auch jetzt gerade. Das könnte ich mir vorstellen.
Markus: Da müssen wir auf jeden Fall auch noch ein paar mehr BierTalks mit dir machen, um da nachzufühlen und so weiter. Aber ich denke mal, der Holger will unbedingt noch ein Bierchen trinken, oder wie schaut‘s denn bei dir aus?
Holger: Ganz ehrlich gesagt, man darf ihn gar nicht unterbrechen sozusagen. Mir kommt jetzt einfach nur: Was macht eigentlich die Virologen heutzutage so sicher? Und eine Erkenntnis von Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Das kommt mir jetzt so in den Sinn. Aber wenn ich jetzt unbedingt auch noch mein Bier aufmachen soll, und ich glaube, das war noch nie da, dass ich so lange stillgehalten habe. Martin, also da kannst du dir jetzt was drauf einbilden. Ich mach das mal auf. Und ich habe halt einfach gedacht: Gut, zwei Franken und dann einfach ein typisch bayerischer Bierstil oder in meinen Augen ist der hier zu Hause. Auch geschmacklich gibt’s ja so Sachen wie Kollektivgeschmack. Und deshalb habe ich mich für ein dunkles Lager entschieden. Und zwar heißt das Bier ETA, von Mahrs-Bräu in Bamberg. Ich schütte es ein.
Martin Zarnkow: Das klingt doch gut.
Holger: Das ist eines meiner absoluten dunklen Lieblingsbiere. Das muss ich wirklich sagen, ein absolutes Highlight. Und wenn man da jetzt so reinriecht, natürlich die Malz-Aromatik voll im Vordergrund, auch so ein bisschen Schokolade rieche ich da raus. Also so Zartbitterschokolade, vielleicht so mit 44 % Kakao-Anteil. Ich probier‘s mal.
Martin Zarnkow: Kolumbianisch.
Holger: Wenn ich jetzt reinschmecke, dann muss ich dir fast widersprechen. Ich glaube, es ist eher aus Peru die Schokolade.
Martin Zarnkow: Okay, okay!
Markus: Also jetzt ist euch die Hefe zu Kopf gestiegen.
Martin Zarnkow: Die kann man leicht verwechseln. Ja.
Holger: Das ist jetzt halt so ein Scheiß-Gelaber von so einem Biersommelier. Aber lass uns wieder zurückkehren zu deinen spannenden Themen.
Martin Zarnkow: Wenn ich dir eine Frage vorwegnehmen darf. Wenn man diese Lagerbiere betrachtet, dann wird natürlich das Pilsener Bier hervorgehoben, dann wird Wien-Schwechat, der Herr Dreher hervorgehoben, der Sedlmayr in München, oder der Lederer in Nürnberg oder wie auch immer. Das waren einfach Leute, die diesen Bierstil wirklich bekanntgemacht haben, kommerziell erfolgreich. Also die sind Teil der zweiten großen Revolution. Dazu gehört dann auch ein Herr Carlsberg oder der Herr Hansen vielmehr von der Carlsberg Brauerei. Und natürlich auch ein Herr Heineken. Denen haben wir viel zu verdanken. Aber die Münchner, die kamen ja eigentlich vom dunklen Lagerbier. Und das lag an diesem Wasser. Das war immer ganz selbstverständlich. Ja, die Münchner haben hartes Wasser. Und das haben sie, sehr kalkhaltig. Und das eignet sich für ein dunkles Bier einfach besser. Okay. Aber plötzlich kommt dieses helle Lagerbier. Das kommt übrigens – das ist auch ganz spannend – diese hellen Lagerbiere kommen echt dann auf den Markt, als das Trinkglas, also das Glas für die Trinkbehälter, günstig wurde. Vorher war Glas, uralte Erfindung, 2500 Jahre ist es schon her, so ungefähr plus-minus 100 Jahre. Das Glas war immer teuer, war immer nur für reiche Leute vorbehalten. Aber 1823 herum hat in den USA jemand eine Erfindung gemacht, um Glas billig herzustellen. Er hatte einfach Glas gepresst. Und seitdem das Glas billig wurde und man Glas dann als Trinkbehälter verwenden konnte, hat dann der Kunde plötzlich das Produkt gesehen. Und dann wurden zwei Sachen nach und nach immer mehr von dem Produkt verlangt. Dass es nämlich heller wurde und dass es auch nicht mehr so trüb sein sollte. Also die Filtration kam dann auch. Erstmal eine ewig lange Lagerung und dann die Filtration kam auf. Die Frage für mich war dann auch immer, jetzt komme ich zu dem Dunklen zurück, das Wasser war ja immer noch dasselbe in München. Sie mussten eine weitere Erfindung machen, nämlich Wasser zu entkalken. Da bin ich auch immer noch nicht so ganz durch, was da in München passiert ist, oder nicht nur in München, sondern auch in anderen Braustätten. Wie haben die das hinbekommen? Die Pilsener Leute, Brauleute, die haben das nicht gemusst, die haben ein ganz weiches Wasser. Da hat sich schon immer ein helles Bier einfach geeignet. Und nicht umsonst heißt das helle Malz ja auch Pilsener Malz. Und das dunkle heißt Münchner Malz. Und das da mittendrin, das war das Wiener. Also es hat schon alles gepasst. Aber die haben dieses Wasser dann irgendwie entkalkt. Und das kannst du natürlich durch Aufkochen machen und das kannst du auch mit Hilfe von Kalkmilch, also da kann man was machen. Und das ist ganz spannend, der Herr Professor Narziß, der hat mir noch erzählt, dass einfach die Biere, wo die das Wasser vorher aufgekocht haben, also energetisch ein Wahnsinn, dass das aber ganz besondere, tolle, helle Biere waren. Und das wollte ich eigentlich auch immer mal nachvollziehen, ob ich das auch so rausschmecken kann. Also ich wollte diese Biere mal nachbrauen. Das muss ich bloß zu Hause machen, weil das kann ich hier finanziell gar nicht richtig vertreten. Vorher das ganze Wasser aufkochen, das ist schon echt heftig. So hat jede Sorte einfach so viele spannende Fragestellungen. Und immer wieder stolpere ich darüber, dass ich feststelle, dass einfach da gewisse Sachen schon niedergeschrieben sind, wo sich Leute schon Gedanken gemacht haben, aber vielleicht nicht bis in die letzte Konsequenz. Und leider sehe ich auch immer wieder mal, dass einfach Sachen immer wieder abgeschrieben werden, abgeschrieben werden, abgeschrieben werden und nicht richtig hinterfragt werden. Das haben damals der Franz Meußdoerffer und ich, wir haben es versucht, so weit wie möglich irgendwie zu eliminieren. Und vielleicht dann auch sogar mit – und da haben wir viele gemacht – mit Experimenten das nachzuvollziehen. Also das Buch war sehr aufwendig.
Holger: Wir müssen noch einen BierTalk machen mit dir. Da reicht jetzt einer nicht aus. Man könnte sogar, der neue heiße Scheiß ist ja Clubhouse, da könnte man einen ganzen Sonntag mal mit dir philosophieren. Markus, wie geht’s dir denn damit?
Markus: Ich würde auf jeden Fall super-gerne mindestens noch eine weitere Folge machen, weil es einfach so viele spannende Dinge gibt. Ich würde auch gerne über Irland reden oder über eben seine anderen Reiseerfahrungen. Und es gibt natürlich immer viel über die Biergeschichte und über Leitner und über Schwabach und überhaupt. Also da gibt’s so viele Punkte, können wir gerne tun. Können wir auch bei Clubhouse tun. Da können wir einfach noch mal drüber reden und dann unseren Hörern Bescheid sagen.
Martin Zarnkow: Ich bin für viele Schandtaten bereit.
Holger: Martin, herzlichen Dank! Das war wirklich so kurzweilig und so unglaublich interessant. Der 55. BierTalk ist ein ganz besonderer geworden. Also das muss man sagen, oder Markus? Mach mal ein schönes Schlusswort.
Markus: Ja, es war mir eine ganz, ganz, ganz große Ehre, weil ja zugleich ein Franke, ein Bierwissenschaftler, mit dem ich sehr, sehr viele, sowohl Biervorlieben als auch historische Vorlieben teile. Und das hat mir ganz, ganz viel Spaß gemacht. Ich freue mich, wie gesagt, total, wenn wir das demnächst weiterführen.
Martin Zarnkow: Hat mir auch echt viel Spaß gemacht, war wirklich super-angenehm. Ich würde mich freuen, wenn das vielleicht auch mal in Präsenz stattfinden kann. Das hat ja dann doch ein bisschen mehr da auch eine etwas andere emotionale Bindung, die bei dem ganzen Thema ja auch wirklich guttut. Aber es hat echt viel Spaß gemacht. Und wenn da noch was kommen sollte, ich habe Zeit, ich werde mir die Zeit nehmen und ich bin für die verschiedenen Schandtaten durchaus bereit.
Holger: Also bis zum nächsten Mal!
Martin Zarnkow: Alles klar!
Markus: Yo! Bis zum nächsten Mal! Ciao!
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