BierTalk 130 – Interview mit Jean Pierre Bourg, Bierliebhaber aus Frankreich und Franken

In der heutigen Folge von BierTalk tauchen wir ein in eine Geschichte, die nicht nur die Grenzen von Ländern, sondern auch von Kulturen und Generationen überschreitet. Unser Gast, Jean Pierre Bourg, ein französischer Bierenthusiast, hat seine Liebe zum Bier aus seiner Heimat mitgebracht und sie in der herzlichen Umarmung Frankens wiederentdeckt. Von den windgeküssten Küsten Le Havres bis zu den gemütlichen Brauereien Oberfrankens, Jean Pierres Reise ist eine Hommage an die universelle Sprache des Biers. Heben Sie mit uns das Glas auf die Entdeckung von verborgenen Bierjuwelen, auf die Freude am gemeinsamen Genuss und auf die unzähligen Geschichten, die in jedem Schluck stecken. Willkommen bei BierTalk – eine Folge, die beweist, dass es nie zu spät ist, seine Leidenschaft zu leben und dass die Liebe zum Bier keine Grenzen kennt…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute gibt es tatsächlich wiedermal etwas Besonderes und zwar sind wir zwar in Bamberg, aber wir haben trotzdem einen internationalen Gast, nämlich Jean Pierre Bourg aus Frankreich, jetzt habe ich es doch wieder falsch ausgesprochen – Bourg – jetzt war es, glaube ich, richtig, aber er wird es gleich selbst nochmal sagen. Und, ja, aus Frankreich, aber er hat eine neue Wahlheimat gefunden nämlich Franken. Und das ist schön und schön, dass du hier bist, Jean Pierre und, ja, vielleicht stellst du dich erstmal kurz unseren Hörern selber vor.

Jean Pierre: Hallo zusammen! Ich bin der Jean Pierre Bourg, 71 Jahre alt, in die Rente gekommen, habe 50 Jahre lang 200 Meter vom Ozean in Le Havre gewohnt, also ein halbes Jahrhundert. Und mit der Rente, da ich kein Seemann bin, habe ich gedacht, na, am Meer kannst du nicht bleiben und verbringe deine Rente wo es dir gefällt. Und wo es mir gefällt, das ist Oberfranken und speziell die Fränkische Schweiz.

Markus: Und speziell die fränkischen Biere, das ist ja auch das, was uns ein bisschen zusammengebracht hat, was für dich ja auch ein bisschen Lebenselixier vielleicht auch ist. Wann beginnt denn deine persönliche Biergeschichte?

Jean Pierre: Also meine persönliche Biergeschichte beginnt schon mit der Geburt. Ich bin keine zehn Kilometer von einer Brauerei geboren, die heißt Brasserie Jenlain, genau Brasserie Duyck, die eine Linie Jenlain-Biere in Frankreich hergestellt. Und ist seit Anfang der 60er-Jahre hochgekommen durch die nahegelegene Großstadt Lille, Universitätsstadt. Und dieses Bier, dieses Bière de Garde hat einen großen Andrang bei den Studenten gefunden. Also ich bin zehn Kilometer geboren davon und auch zehn Kilometer von einer etwas kleineren Brauerei, die es damals noch gar nicht gab. Diese Brauerei hat eine spezielle Besonderheit und zwar, die liegt genau auf der Grenze zwischen Belgien und Frankreich, belgisches en Nord und Frankreich Departement de Nord. Wenn du in die Brauerei reinkommst, bist du in Frankreich. Wenn du in der Wirtschaft bist, bist du noch in Frankreich, bestellst du eine Kiste 75-Zentiliter-Flaschen Bier, musst du zwei Meter weiter kommen an die Rampe und dort bist du in Belgien und gibst deinen Zoll da, ja, unglaublich.

Markus: Und wie heißt diese Brauerei?

Jean Pierre: Brasserie Au Baron, Au Baron.

Markus: Habe ich schon mal gehört.

Jean Pierre: Die bringen ein Bière de Garde, die mit Jenlain, also Jenlain sitze ich, eine tiefe Stufe, Cuvée des Jonquilles, die machen da. Das ist ein Bière de Garde, wirklich ein super Bier, einfaches Bier, aber trinkbar, trinkbar, trinkbar.

Markus: Da muss man vielleicht auch für die Hörer ein bisschen aufklären. Also Bière de Garde, das ist ein französischer Bierstil, ein obergäriges Bier, aber wenn man es übersetzt, heißt es ja eigentlich ein Lagerbier, also ein Bier, was gelagert wurde. Und wenn ich jetzt so von der Sensorik, würde ich sagen, dass ist so ähnlich wie ein Kellerbier hier bei uns.

Jean Pierre: So etwa.

Markus: Also ein sehr schön einfach trinkbares, ausgewogenes, angenehmes, rundes, weiches Bier. Meistens auch so bräunlich, nicht zu hell. Und, ja, also das kennt man bei uns ganz wenig und es gibt tatsächlich nur in dieser Ecke, glaube ich, Brauereien, die das traditionell herstellen.

Jean Pierre: Nein, nein, Bière de Garde, die kann man schon mit einem Saison vergleichen. Die war gebraut, um die Leute, die auf den Feldern arbeiten im Sommer, also etwas Flüssigkeit zu geben. Aber die Bière de Garde, das ist schon fast ein Bock, also ein Bière de Garde, Cuvée des Jonquilles, das sind 7%.

Markus: Oh!

Jean Pierre: Aber die merkst du nicht. In der Wärme, das passt, passt, passt, trinkbar, trinkbar.

Markus: Ja und man weiß ja auch nicht, wie diese Biere früher waren. Da waren sie wahrscheinlich nicht so stark vom Alkohol.

Jean Pierre: Ja, ja.

Markus: Aber nichtsdestotrotz und schön finde ich auch, man kann die ja in der Regel, wie du schon gesagt hast, auch in dieser großen Flasche kaufen, zum Beispiel gibt es ja 0,75. Also da ist das dann schon auch eine Ansage, dass muss man dann auch erstmal schaffen.

Jean Pierre: Ja und das ist ja auch ein Fall, aber diese 75-Zentiliter-Flasche ist praktisch, um ein Bier zu teilen, also zusammen zu trinken, ja. Also zweimal 37 Zentiliter, perfekt und dann kommt die nächste Flasche.

Markus: Genau. Und man hat meistens einen Bügelverschluss, also man kann die auch wieder zumachen und so. Also sehr spannend. Kannst du dich noch erinnern, wann du zum ersten Mal überhaupt Bier getrunken hast?

Jean Pierre: Nein, nein. Also damals, ich bin 52 geboren, im vorigen Jahrhundert und, nein, ich kann mich nicht erinnern. Also die Brasserie Duyck gab es seit etwa 1920 und Brasserie Au Baron, die diesen Cuvée des Jonquilles herstellt, hat die Brauerei 1889 eröffnet, erst sehr spät. Aber die ist noch eine junge Brauerei und die ist in Frankreich also hoch berühmt, hoch berühmt.

Markus: Ja. Und dann bist du also groß geworden, hast das Bier kennengelernt. Was hast du dann beruflich gemacht, hattest du da mit Bier was zu tun?

Jean Pierre: Ja, also ich hatte mit Bier überhaupt nichts zu tun mit meinem Beruf. Ich war in einem Büro mit einem Bleistift und ich habe mit Ziffern und Steuer gearbeitet, also in einer Steuerkanzlei, ja, über 40 Jahre. Aber dafür, da ist der Kopf, der arbeitet, dann gibt es eine Belohnung, ein Bier zu genießen am Abend, das war super.

Markus: Ja, apropos, das sollten wir auch tun, bevor wir hier zu lange mit leerem und vor allem trockenen Mund sitzen. Du hast ja ein wunderbares Bier mitgebracht, also schon mal vielen Dank an dieser Stelle, nämlich den Huppendorfer Heller Kathrein Bock. Sehr gespannt, habe ich noch nicht getrunken dieses Jahr. Dann habe ich noch ein paar Biere auch da. Also du kannst gerne auswählen, mit was möchtest du denn gerne anfangen? Wollen wir das gleich?

Jean Pierre: Ja.

Markus: Also dann machen wir mal auf. Genau, ich mache hier mal. Also Huppendorf, für alle, die es nicht wissen, in der Nähe von Bamberg eine dieser vielen, vielen Brauereien, die wir hier haben. Moment, so, es ist auf, ich mache rein. So und noch ein Glas.

Jean Pierre: Dankeschön!

Markus: So, wunderbar! Ach, ist das schön! Also schon mal, nochmal vielen Dank für dieses tolle Bier, dass du das mitgebracht hast. Also schon mal ganz toll im Glas, so richtig Honiggold, könnte man sagen. Schöner weißer Schaum, steht wie eine eins, klarfiltriertes Bier. Also riecht auch schön, also grasig, ein bisschen Heu, ein bisschen die Blumenwiese, wie man so schön sagt, ein bisschen Honig, ein bisschen Karamell. Also sehr, sehr spannend. Wie geht es dir?

Jean Pierre: Einladend.

Markus: Ja, einladend, auf jeden Fall. Was sagst du vom Geruch her, außer einladend, gibt es noch was, was dir einfällt?

Jean Pierre: Ich habe immer diese Basis, also dann Malt, Malt ist tatsächlich im Bier. Malt muss man riechen und das riecht man da. Und da kommen ja die honigen Töne.

Markus: Ja und man kann, also ich habe da oft die Assoziation so an ein französisches Baguette, wenn das frischgebacken ist, aus dem Ofen kommt, hat man auch schon, das kommt vom Malz, dieser Geruch.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Sehr schön, ein toller Geruch. Dann würde ich sagen Prost! Ups, heute haben sie nicht geklungen. Mal schauen. Nee, Gläser wollen heute nicht, also Prost. Tja, wunderbar! Also ein ganz großartiger heller Bock, sehr schön wärmend, ja.

Jean Pierre: Also die Wärme kommt erst danach, die kommt nicht vor. Aber das ist süßig, Honig also.

Markus: Ja und ganz toll finde ich auch das Mundgefühl, also so im Mund, wie das moussiert und der ganze Mund ist voll. Ja, das bleibt ganz lange, also ein ganz intensives wunderbar schönes Bier. Ist das eine deiner Lieblingsbrauereien in Huppendorf?

Jean Pierre: Ja, ja. Also warum ich nach Oberfranken gekommen bin …

Markus: Ja, klären wir das doch mal.

Jean Pierre: … also als ich noch Student war, bin ich ein bisschen, ziemlich überall, in der damaligen Bundesrepublik gereist, durch die DDR, die war noch da. Und ich habe auch sehr nette Jobs in Deutschland gemacht, in Mannheim, Köln, Berlin und immer für das Bier interessiert, aber nur so, also Bier gehört dazu, mehr nicht. Und einmal in einer Zeitschrift habe ich einen Artikel gelesen, die Stadt Bamberg organisiert oder bietet ein Bierseminar eine Woche lang, nur über das Bier. Dann habe ich gesagt, das musst du probieren, machen. Habe ich mich angemeldet. Und das war 1985 …

Markus: Woah!

Jean Pierre: … bin ich zum ersten Mal in Bamberg gewesen, eine Woche lang. Eine kleine Gruppe, wir waren zehn, zwölf Leute aus verschiedenen Ecken, alle deutsch, eine internationale Beteiligung. Und das war wunderbar, nur über das Bier und mit einem Programm, nicht nur da, aber mit einem Programm, ein Braumeister mit uns als Lehrer. War eine tolle, tolle Woche. Ein Jahr danach habe ich das wiederholt, also andere Brauereien so, war alles super. Und bei einer Blindverkostung hat der Braumeister gesagt, eines müssen die Leute wissen, hier in Bamberg im Sommer ab 16 Uhr verlassen die Bürger ihre Stadt. Und warum verlassen sie ihre Stadt? Um Platz für die Touristen da, die in Bussen nach Bamberg strömen und alle Kneipen füllen. Und dann hat jemand einen Finger gehoben und eine Frage gestellt, Herr Lehrer, wenn Sie sprechen von, wenn die Leute herkommen, die Bamberger hinfahren, können Sie uns ein paar Adressen, Anschriften von diesen kleinen Landbrauereien nenne? Man kann nicht alle besuchen. Und die drei Namen, die damals gegeben wurden, war Huppendorf drin und dadurch bin ich nach Huppendorf gekommen.

Markus: Und hast die Familie dann auch kennengelernt, nehme ich mal an.

Jean Pierre: Aber ja. Also der Opa, also der Michael mit Frau Kunigunde, der Johannes, der damals noch …

Markus: Ja, eben, der hat es ja jetzt, der Johannes, ne?

Jean Pierre: Ja, ja.

Markus: Genau, ja.

Jean Pierre: Und erst danach ist der André erst gekommen. Also drei Generationen wurden krasser.

Markus: Ja, die machen aber viele tolle Sachen und viele richtige Sachen. Also einerseits natürlich ihr tolles Bier, das auch in der Bamberger Stadt sehr bekannt ist, also man hat den Spitznamen Huppy und meint damit eigentlich das Vollbier.

Jean Pierre: Ja, okay.

Markus: Und hinter dem Vollbier versteckt sich, ja, ist schwierig, das genau zu definieren, heute würde man vielleicht sagen, hm, vielleicht ein Export oder ein Helles, ich weiß es gar nicht, wie man es genau bezeichnen würde.

Jean Pierre: Ja, Vollbier, das ist mehr Bernsteinfarbe, ja.

Markus: Ja, ja, es geht mehr in diese Richtung.

Jean Pierre: Also ein Export Bernstein, das ist schon, ja, für die Franken, das ist kein Problem.

Markus: Ja, ja, wir sind da ja sehr …

Jean Pierre: Ja, ja, ja, ganz genau, ja, ja.

Markus: Ja, naja, das ist, es ist einfach, du hast ja gesagt, wir sind in den 80er-Jahren und damals haben sich die Leute hier in den Brauereien überhaupt nicht drum gekümmert, was ein Bierstil ist. Sie haben halt ihr Bier gemacht. Und diese Biere haben sich bis heute gehalten und deswegen stehen da halt so Sachen drauf wie Vollbier, was man in keinem einzigen Bierstilkatalog heute finden kann, weil das ja eigentlich nur eine Bezeichnung für die Steuer ist. Aber es ist eben ein filtriertes Bier, deswegen kann man nicht sagen, es ist ein Kellerbier. Also wir sind irgendwo bei einem schönen bernsteinfarbenen Bier.

Jean Pierre: Also das sicher. Also der Huppy, das ist kein Keller …

Markus: Nee.

Jean Pierre: … denn ein Keller ist trüb, für mich.

Markus: Genau, richtig, genau, das kann keins sein, ja.

Jean Pierre: Und das Vollbier ist perfekt.

Markus: Absolut, ja

Jean Pierre: Also in diesem Sinn ist das kein Keller. Aber zwischen Keller und Vollbier, also gibt es keinen großen Unterschied.

Markus: Ja, ja.

Jean Pierre: Und das Lustige ist, also beide fließen, also kommen sehr, sehr gut in der Kehle und das unkompliziert. So soll für mich Bier sein. Also du musst gar keine Fragen stellen da, das ist keine Universität, ja, das muss einfach reinkommen und dabei hast du Spaß.

Markus: Ja.

Jean Pierre: Und wenn Geschmack drin ist, also nicht nur reines Wasser, ja, es muss etwas mehr sein.

Markus: Ja und das ist der Grund, warum ich persönlich kein Fan vom Hellen bin, weil mir ist das immer zu wenig irgendwie vom Geschmack her, muss ich sagen.

Jean Pierre: Ja, die Süßigkeit ist drin, aber mehr ist schwer zu finden, ja, im Hellen. Und hier in diesem Bock hast du was und das bleibt lange, lange, lange im …

Markus: Am Gaumen.

Jean Pierre: … am Gaumen, ja.

Markus: Ja, nee, also was ich ganz toll finde ist, man hat dieses intensive Aroma, man hat den Honig und die Süße und das Getreide und alles drum und dran und auch den Alkohol. Das merkt man auch, das fließt runter, das wärmt ein bisschen. Aber dann, wenn man getrunken hat, kommt dann diese Bittere und räumt alles wieder ein bisschen auf und man ist ziemlich schnell wieder da, wo man vorher war und ist wieder bereit für den nächsten Schluck. Das hat er echt gut gemacht, weil man eben zwar ein sehr kräftiges Bier hat mit 7,5%, aber es läuft, wie du grade so schön gesagt hast.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Und das ist natürlich auch das Gefährliche grade an den fränkischen Bockbieren, die sind oft sehr, sehr eingängig, sage ich mal so.

Jean Pierre: Ja, aber das hat was drin, die bieten was, ja, also.

Markus: Ja, auf jeden Fall.

Jean Pierre: Ja. Also das war das Kapitel Huppendorf. Und was für mich sehr schön war, das Huppendorf auch eine Wirtschaft hatte mit Nächtigungsmöglichkeiten. Das heißt, du bist dort auf der Höhe, fast am Ende der Welt und wenn du ein bisschen zu viel genossen hast, kein Problem, ein Bett hast du dort und es ist kein Problem. Und die Leute sind nicht schockiert, warum, nein. Ein paar Stunden und dann ist alles wieder gut, kein Problem.

Markus: Ja. Also das ist überhaupt bei vielen fränkischen Brauereien, ist das so, dass man eben noch übernachten kann, das es Gasthöfe sind. Und das macht natürlich die Sache auch besonders schön. Wie war das denn, hast du deinen Freunden in Frankreich dann erzählt von deinen Biererlebnissen hier in Franken, wie haben die das aufgenommen?

Jean Pierre: Die können das nicht verstehen.

Markus: Okay.

Jean Pierre: Und schon, also in Frankreich, muss man sagen, also Bier ist jetzt im Trend.

Markus: Jetzt?

Jean Pierre: Also Frankreich im Moment hat die größte Zahl von Brauereien in Europa.

Markus: Ja.

Jean Pierre: Unglaublich!

Markus: Unglaublich.

Jean Pierre: Unglaublich. Aber die Meisten, also 2.500 im Moment, also 60 oder 70, also rund 1.000 mehr als Deutschland. Das glaubt niemand, aber so ist es. Aber das sind kleine, kleine Mikrobrauereien und man muss sich wirklich die Frage stellen, ob sie wirtschaftlich sind? Denn der Biergenießer, der ist immer bereit, ein Bier zu probieren. Aber wenn nichts drin ist, dann hat der Brauer verloren, sein Bier trinkst du nicht mehr.

Markus: Ja.

Jean Pierre: Und hier in Franken, du kannst nichts falschmachen, alle, alle schmecken gut, du kannst überall kommen. In Frankreich ist das nicht so. Und, ja, noch ein paar Jahre dauern, aber wir sind schon, ja, in solchem Punkt, in Zahlen, durch das Volumen, bei Weitem nicht in Volumen. Aber von diesen 2.500 und ein paar Brauereien, da sind ein paar Brauereien, die sind wirklich gut, aber wenig.

Markus: Ja. Gut, aber ich glaube auch, das wird sich entwickeln.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Also ich finde es überhaupt sehr spannend, Frankreich ist so das letzte Land, glaube ich, in Europa, wo dieser Craft-Beer-Boom so eingeschlagen hat. Und ja, wie du sagst, es gibt viele, die jetzt einfach mal loslegen und auf die Wirtschaftlichkeit nicht wirklich Wert legen und die es auch schwer hatten jetzt mit der Pandemie, mit der Energiekrise, mit den Preise. Und deswegen sind auch 20 Prozent, glaube ich, sowas, sind in letzter Zeit geschlossen worden. Aber es sind immer mehr und mehr auch Gute dabei. Also ich war letztes Jahr in Nancy und habe da viele Brauereien drum rum besucht. Und da war auch ein Beer Festival, wo noch mehr Brauereien dann auf diesem Festival waren und wir konnten das alles probieren. Und da waren richtig, richtig gute Biere, experimentelle Bier natürlich auch.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Also das ist dann auch etwas anderes als in Franken, wo wirklich, man legt Wert drauf, dass man einfach ein gut trinkbares schönes Bier hat, was zur klassischen Brotzeit, zum klassischen fränkischen Essen einfach gut passt und nicht bremst und einfach angenehm ist. Und dort ist es schon so, dass man sich ausprobiert und das man eben mal verrückte amerikanische Biere macht. Mal auch mit eigenen französischen Zutaten spielt, mit Kastanien, mit Honig, mit Lavendel oder auch mit Algen zum Beispiel hatte ich schon französische Biere und so, also da gibt es ganz, ganz spannende Geschichten. Und wo man auch versucht so, die eigene Geschichte ein bisschen wieder zu entdecken, weil es ja durchaus auch schon mal eine Bierkultur in Frankreich auch gegeben hat, die ein bisschen auch wieder verschwunden ist und da geht man jetzt auch wieder hin. Und deswegen, also ich finde das ein ganz tolles Land, grade jetzt auch. Also insofern, liebe Hörer da draußen, wer die Gelegenheit hat, unbedingt nach Frankreich fahren und dieses wunderschöne Land natürlich erleben, aber eben auch diese neue Bierkultur, das ist wirklich beeindruckend. Und Lille ist ja ein anderes Zentrum jetzt grade der Bierkultur. Da werde ich dieses Jahr auch sein, da ist ja das Brewers Forum und da sind auch viele Ausflüge, da freue ich mich schon sehr drauf, ja. Ja, aber du hast dann für dich, als du dann beschlossen hast, du gehst komplett hier rüber, war das eine spontane Entscheidung, oder?

Jean Pierre: Ja. Also ich war total in meinem Beruf, also professionell drin und plötzlich ist die Rente gekommen, also in ein paar Monaten da. Also mit allem, was in Frankreich passiert, habe ich gesagt, Frankreich ade, Oberfranken helau.

Markus: Genau.

Jean Pierre: So und das war spontan und das bereue ich nicht. Ich habe zwei Leidenschaften, Bier genießen und auch was für den Körper tun. Also ich bin ein Sauna-Fanatiker! Also meine Tage sind zu kurz.

Markus: Also das haben wir gemeinsam, ich bin auch sehr gerne in der Sauna. Das finde ich schon großartig, macht mir auch sehr viel Freude, ist super entspannend und ja.

Jean Pierre: Ich habe dich noch nicht in Obernsees getroffen.

Markus: Ja, weil ich meistens in der Obermain Therme bin.

Jean Pierre: Ah!

Markus: Also für euch Hörer, in Franken gibt es mehrere Thermen.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Aber hier zwischen Bamberg und Bayreuth sind vor allem zwei, die Obermain Therme, die in Bad Staffelstein ist, auch eine tolle Bierstadt.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Und eben die Therme Obernsees, die ein bisschen außerhalb von Bayreuth liegt oder Kulmbach, je nachdem, wie man das sehen mag. Beides wunderschöne Plätze. Für mich aus Bamberg ist die Obermain Therme einfach näher.

Jean Pierre: Nicht sehr weit.

Markus: Ich bin in einer Viertelstunde da und das ist natürlich einfach. Aber Obernsees war ich auch schon, aber selten, muss ich sagen, trotzdem auch schön. Und es gibt noch Weitere, also in ganz Franken, eigentlich überall, bis runter Richtung Mittelfranken, wo es dann an den alten Römerstraßen dann ganz tolle Thermen gibt, eben in Weißenburg zum Beispiel oder so, Treuchtlingen, also wunderbar, schön. Ja, also das sind zwei Leidenschaften, die man gut verbinden kann, glaube ich.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Wenn du jetzt in Sachen Bier unterwegs bist, ich habe schon gesehen, du hast unser Buch auch dabei und sammelst auch dann Etiketten oder Bierdeckel oder wie läuft das?

Jean Pierre: Ja, also ich habe Bierdeckel gesammelt, aber das ist schwer zu glauben, aber die Bierdeckel nehmen viel Platz,

Markus: Oh ja!

Jean Pierre: … im Volumen. Also bin ich auf Bieretiketten gekommen und dann ist es etwas einfacher. Also was ich sammele, das sind alle Bücher über das Bier erzählen. Also ich habe englische, französische, deutsche, tschechische Bierbücher und ist schon eine …

Markus: Eine ordentliche Bibliothek.

Jean Pierre: … ordentliche Sammlung. Ich bin schon stolz drauf, ja.

Markus: Das kannst du sein! Weil, es ist gar nicht so einfach, also vor allem, wenn man international versucht Literatur zu bekommen. Also jetzt mittlerweile geht es etwas besser, aber …

Jean Pierre: Italienische.

Markus: Ja, die sind aber sehr schwer zu bekommen. Also ich habe letztes Jahr zum Beispiel die beiden neuen Bücher von Teo Musso …

Jean Pierre: Den Teo, ne.

Markus: Ja und das war total schwierig, weil man die in Deutschland ja nicht kaufen kann. Ich habe dann über einen italienischen Freund, der hat mir die besorgt und dann geschickt. Also man muss erstmal wissen, dass es die gibt. Also das ist doch eine spannende Sache, ja.

Jean Pierre: Teo Musso in Piemont oder so.

Markus: Ja, das ist immer relativ.

Jean Pierre: Ein wunderbarer Mensch, also …

Markus: Ja.

Jean Pierre: .. klar im Kopf und ruhig. Und der hat viel, viel für den italienischen Bierruf gemacht, ja.

Markus: Ja, überhaupt für die ganze europäische Bierkultur. Er hat das Teku-Glas ja mit entwickelt.

Jean Pierre: Ja, ja, ja.

Markus: Und mit seinen Bieren, eben Birra Baladin, ist er Vorreiter.

Jean Pierre: Baladin.

Markus: Ja, ja, Baladin, ja, ja, natürlich, ist er Vorreiter ja in ganz vielen Stilen auch gewesen.

Jean Pierre: Ja, ja.

Markus: Also für mich das faszinierendste Bier hat er mir vorletztes Jahr gegeben. Er hat ja seinen Eisbock, den nennt er ja Xyauyù, also nach …

Jean Pierre: Xyauyù ist ja auch nun huh!

Markus: Genau. Witziger Weise ein Bier, dass er nach den Lauten benannt hat, die sein Sohn gemacht hat als er klein war. Und da hat er eine Version gemacht, die hat er in ein japanisches Sake-Fass, nein, doch, Sake-Fass, genau.

Jean Pierre: Xyauyù gibt es mehrere, eine Linie also.

Markus: Ja und das fand ich total faszinierend, also wie man damit spielt, das habe ich vorher noch nie so erlebt. Zumal man auch da dann wirklich dieses Umami, das ist so intensiv, also sehr spannend. Also, ja und er ist da wirklich jemand, der, ja, als Person unglaublich toll ist, aber eben auch seine Biere da für ihn sprechen.

Jean Pierre: Der hat eine sehr nette Frau, die aus Marokko kommt …

Markus: Aha.

Jean Pierre: … und die spricht Französisch.

Markus: Ah!

Jean Pierre: Und der Teo, parlez-vous francais, ja.

Markus: Das wollte ich grade noch fragen, wenn du so viele Bücher hast aus allen möglichen Ländern, sprichst du dann auch die Sprachen, also Tschechisch zum Beispiel?

Jean Pierre: Ich verstehe schon Tschechisch, sprechen ist etwas anders, ein paar Worte, ja, gar kein Problem, aber lesen, verstehen, ja, schon. Aber was alles mit dem Biervokabular oder Wortschatz zu tun hat, ein tschechisches Gespräch, das ist für mich schwieriger. Aber mit den Bierwörtern hautsächlich, das …

Markus: Das kriegt man dann doch drauf, das stimmt, ja.

Jean Pierre: Ja, ja.

Markus: Bist du dann auch viel unterwegs? Also besuchst du dann auch in Tschechien oder Italien oder in Norddeutschland oder so?

Jean Pierre: Also für mich war die Pandemie also eine echte Katastrophe. Ich war immer unterwegs, also in der Rente habe ich gesagt, Oberfranken, Oberfranken, aber ein bisschen Luft, also Tschechien, Italien, Frankreich, Belgien. Aber mit der Pandemie war alles … und nach der Pandemie bleibe ich hier. Nur Anfang November voriges Jahr, also das waren schon dreieinhalb Jahre, dass ich nicht mehr in der Tschechien war, und dort habe ich also Anfang November eine Woche lang in Prag verbracht und habe mich mit Bier beschäftigt.

Markus: Ja, das kann man in Tschechien sowieso, in Prag ganz besonders. Andere Orte, die man sicherlich kennt ist Pilsen zum Beispiel natürlich, Budweis kennt man vielleicht logischerweise, das sind ja so Namen, die man so hat.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Aber Prag hat auch viele Brauereien, auch viele kleine Brauereien, Klosterbrauereien, Craft-Brauereien, ja.

Jean Pierre: Die Stadt Prag ist flächenmäßig sehr groß, sehr groß, über 500 Quadratkilometer. Und im Moment, da sind über 50 Braustätten in Prag. Und die Meisten, die liegen in einem Viertel, wo überhaupt kein Tourist hinkommt. Und das ist sehr faszinierend, sehr schöne Biere.

Markus: Und wie bist du da unterwegs, bist du mit dem Auto oder mit Bus?

Jean Pierre: Da fahre ich mit dem Auto und in Prag ohne Auto, nur die öffentliche Mittel, dann hast du kein Problem.

Markus: Ja, kommt man mit Straßenbahnen und so, kommt man da ja gut …

Jean Pierre: Ja, ja,

Markus: Wunderbar.

Jean Pierre: Ja, alles kombinieren, Straßenbahn und Bahn, Busse, Züge, ja, alles, ja.

Markus: Wunderbar. Hast du noch einen Plan, wo du demnächst vielleicht hin möchtest, hast du eine Idee, wo du als Nächstes, wenn du mal wieder unterwegs sein möchtest, wo du hin möchtest?

Jean Pierre: Nee, ich habe mehrere Programme für eine Woche. Frankreich, Belgien, Tschechei, Italien, die sind da in meinem Kopf. Und ich werde noch versuchen, aber ich weiß ja nicht, wie das klappt, ich habe ein Problem mit meinem Reisepass, der geht im April zu Ende und ich muss mal sehen, wie ich als Franzose meinen Reisepass verlängern kann. Also muss ich mich im Konsulat oder wie kann ich meinen französischen Reisepass verlängern?

Markus: Das ist eine gute Frage.

Jean Pierre: Denn ich würde gern nochmal in die La Belle Province hinfliegen und danach zurückkommen, ja, also in Quebec, ja.

Markus: Ja. Warst du da schon mal in Kanada?

Jean Pierre: Ja, ja, viel, viel, viel.

Markus: Ja, da gibt es mittlerweile ja auch eine Bierrevolution so ein bisschen und auch sehr unterschiedlich. Im Französischsprachigen Teil, das ist ganz anders als im englischsprachigen Teil.

Jean Pierre: Ja.

Markus: Und auch je nach Land, also es gibt ja dort auch Bundesländer oder Staaten und das ist auch nochmal anders, genau. Also fand ich auch sehr interessant. Die hatten mir mal, eine französische Brauerei, eine kanadisch-französische Brauerei hatten wir mal als Gast auf dem Bierfest in Nürnberg, Brasserie du Bois Blanc.

Jean Pierre: Bitte?

Markus: Brasserie du Bois Blanc hieß die.

Jean Pierre: Brasserie du Bois Blanc?

Markus: Ja.

Jean Pierre: Aber ja.

Markus: Und die waren großartig, ganz liebe Jungs und tolle Biere und die haben eben auch viel erzählt. Und insofern, also das auch so ein Tipp. Also es ist sowieso wie du sagst, wenn man über das Bier die Welt erkundet, dann geht man oft in Ecken, wo man als Tourist normalerweise nicht hinkommt.

Jean Pierre: Ja, ja.

Markus: Und das ist dann doch ein ganz anderes Erlebnis eigentlich der Menschen und auch der Ländern und natürlich der Kultur, also insofern auch eine Empfehlung.

Jean Pierre: Ja und ich werde in Montreal, also die größte Stadt in der Provinz Quebec, dort sein. Also man braucht nicht raus von Montreal, in Montreal kann man eine Weltbierreise machen. Also britische, amerikanische, brasilianische, französische aus Quebec, alle Bierstile der Welt findest du in Montreal. Unglaublich, wirklich.

Markus: Faszinierend. Ein bisschen wie Berlin, zumindest vor einiger Zeit. Da sind allerdings einige leider schon wieder weg, aber es gab oder gibt immer noch eine große Vielfalt natürlich. Also, ja, spannend. Okay, dann sage ich dir ganz, ganz vielen Dank. Jetzt ist tatsächlich auch unser Bockbier ausgetrunken. Also vielen, vielen Dank für deine Zeit und für die Infos und den Einblick in dein Leben! Ich wünsche dir noch ganz viel Freude mit unseren fränkischen Bieren und freue mich schon, wenn wir uns dann …

Jean Pierre: Magisch, also wirklich, du bist nie enttäuscht.

Markus: Das stimmt.

Jean Pierre: Das kann passieren, es ist was passiert im Bier da. Aber nein, das passt immer.

Markus: Das ist das beste Schlusswort überhaupt. Also nochmal vielen Dank und dann bis zum nächsten Bier und euch noch eine schöne Zeit!

Jean Pierre: Ja, danke schön.

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