BierTalk 139 – Interview mit Frank Christian, International BeerJudge und BJCP Ausbilder aus Aachen

Frank Christian ist passionierter Hobbybrauer, beruflich Biochemiker und damit natürlich prädestiniert für viele spannende Erlebnisse rund um das Bier, vor allem beim Thema Beer Judging, für das er wie kaum ein anderer in Deutschland steht. Hier gehört er zu den aktivsten Posten des us-amerikanischen BJCP, ausgeschrieben Beer Judge Certification Program, dessen Urgestein und Oberjudge Gordon Strong ja bereits Gast im BierTalk war. Vor allem die Style Guidelines haben dieses Hobbybrauerprofessionalisierungsprogramm mittlerweile zum internationalen Standard gemacht – und Frank hilft tatkräftig mit, BJCP auch in Europa voranzubringen. Sein zweites Steckenpferd sind die Kölner Bierhistoriker, mit denen er sich regelmäßig über die Historien und gelebte Kultur des karnevalistischen Goldschlückchens austauscht, viele Gründe also, sich mit dem Rheinländer einmal ausführlich zu unterhalten…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute gehen wir in den deutschen Westen und beschäftigen uns natürlich mit dem Thema Bier, aber vor allem mit dem Thema Beer Judging. Und da haben wir jemanden da, der sich da ganz intensiv engagiert und der sich aber auch selber sehr, sehr gut auskennt, den ich als Kollegen in vielen Wettbewerben schon hatte und mich immer wieder freue, wenn wir uns treffen. Es ist der Frank Christian und vielleicht stellst du dich einfach mal ganz kurz unseren Hörern selber vor.

Frank: Ja, sehr gern! Hallo Markus, vielen Dank, dass ich hier sein darf in deinem ganz hervorragenden Podcast. Ich bin Frank Christian, hast du schon gesagt. Ich bin 45 Jahre alt, von Beruf bin ich Biochemiker, arbeite in der Pharmaforschung. Wie mein Auftritt hier schon vermuten lässt, interessiere ich mich auch sehr stark für das Thema Bier. Ich bin primär Hobbybrauer seit 2012, also auch schon eine ganze Weile. Ein Thema, dass es mir besonders angetan hat neben der ganzen Hobbybrauerei und Bier geissen und was man alles so macht, ist eben das Thema Beer Judging und da insbesondere das Thema BJCP, also das Beer Judge Certification Program. Da werden wir nachher wahrscheinlich noch mal intensiver drüber reden. Ich habe eine Frau und zwei Kinder, ja und bin auch als Hobbybrauer ansonsten gerne aktiv zum einen, hier in Aachen gibt es einen Hobbybrauerstammtisch, den ich mitgegründet habe, seit 2016, seitdem ich hierhingezogen bin und der auch nach wie vor sehr aktiv ist. Da treffen wir uns einmal im Monat mit zwischenzeitlich meistens über 20 Leuten und verkosten unsere selbstgebrauten Biere in lokaler Runde. Und außerdem bin ich auch aktiv in den Kölner Bierhistorikern. Das ist auch ein Hobbybrauerverein, der auch einen Stammtisch hat, zu dem ich es leider nicht jeden Monat schaffe, aber eben doch so oft wie kann. Und auch da findet jeden Monat eine Verkostungsrunde und eben verschiedene Aktivitäten statt, wie beispielsweise Besuche von Bierfestivals von Brauereien und dergleichen mehr.

Markus: Ja und überhaupt sind das ganz interessante, spannende Leute, die halt auch ganz viel über Bier auch wissen, also von der Bierhistorie auch, sich viel damit beschäftigen. Und ich hatte da schon öfters Kontakt auch im Zuge von Büchern, einfach um, ja, grade das Thema Kölsch ist ja was, wo ich jetzt hier aus Bamberg manchmal Schwierigkeiten habe, tiefer einzudringen, logischerweise. Und da ist es immer toll, wenn man Leute kennt, die dann da eben alte Bücher teilweise ausgraben oder da gibt es ja teilweise auch so Bücher, die unter der Hand gehandelt werden, weil man die ja so gar nicht bekommt. Also super spannende Geschichte, wie immer halt bei so nerdigen Sachen und insbesondere da ist das natürlich richtig cool. Ja und wie du schon sagst, also Beer Judging natürlich spannend. Aufgehorcht habe ich jetzt trotzdem auch bei deinem Beruf, weil ich mir überlege, so als Pharmakologe, also da weiß man wahrscheinlich ziemlich viel über die Wirkung und Nichtwirkung von Alkohol, je nachdem und auch über das, wie man damit umgeht und was es eben alles bewirkt. Was war denn bei dir zuerst da, die Liebe zum Bier oder die Liebe zur Pharmazie?

Frank: Also erst, ich bin ja Biochemiker, ich habe Biochemie studiert, das kam auf jeden Fall zuerst, also zumindest, sage ich mal, mit der Intensität der Beschäftigung damit. Bier getrunken habe ich natürlich durchaus auch schon als junger Mann. Ich komme ursprünglich aus dem Siegerland, das ist ja so ein bisschen das Bermuda Dreieck zwischen Krombacher, Veltins und Warsteiner, also urdeutsche Pils-Region sozusagen. Und da kommt man natürlich gar nicht drumherum, mit Bier aufzuwachsen, das geht gar nicht anders. Aber natürlich auf vielleicht eine andere Art der Beschäftigung, man trinkt halt einfach das nebenbei oder ohne jetzt besonders darauf zu achten, wonach es grade schmeckt, gelegentlich schon mal, aber meistens eher nicht. Ja und auch während des Studiums, ich habe in Berlin studiert. Das war aber zu einer Zeit bis 2009, da war Bier oder auch Craftbeer in dieser Tragweite, wie wir das heute kennen in Deutschland, noch nicht so richtig angekommen.

Markus: Ja, allerdings, da gab es bei Lemke noch Eisbein und die ganze Berliner Küche und Hell, Weizen, Dunkel und so, ne?

Frank: Korrekt, ja.

Markus: Was nicht schlecht war, aber anders halt.

Frank: Ja und dann, um die Geschichte ein bisschen weiterzuspinnen, hatte ich dann die Gelegenheit, nachdem ich in Berlin dann noch promoviert hatte, für ein Forschungsprojekt nach Glasgow zu wechseln, also nach Schottland, da gab es eine befreundete Arbeitsgruppe. Und da taten sich natürlich neue Welten auf, wenn man da in den Pub gegangen ist. Was mich da zunächst mal primär interessiert hatte war der Whisky, da ist Schottland ja auch sehr bekannt für. Und da habe ich mich da so ein bisschen reingesteigert und habe dann eben mit großer Freude die verschiedenen Whisky-Sorten probiert und dann so nach und nach entdeckt, dass es verschiedene Regionen gibt, aus denen die Whiskys kommen und dass die dementsprechend auch unterschiedlich schmecken können und wie das alles so zusammenhängt. Und natürlich trinkt man zum Whisky auch mal das ein oder andere Bier. Und da habe ich am Anfang die große Vielfalt, die in den schottischen Pubs durchaus auch herrscht, erst mal ein bisschen ignoriert, habe mich an das Lagerbier gehalten, das gute Tennent’s, was es in Schottland in jedem Pub gibt. Und später aber dann doch auch habe ich mich mehr und mehr an die Cask Ales rangetraut, wo natürlich auch eine große Vielfalt vorhanden ist, die verschiedenen britischen Bierstile, die man kennt, Bitter und Porter und Stout et cetera. Und auch da, muss ich sagen, das hat mich dann mehr und mehr fasziniert und abgeholt und dann habe ich da, eigentlich fast auch mehr als für Whisky, eine Leidenschaft für entwickelt. Und kurz darauf, also 2009 bin ich nach Glasgow gezogen, also 2012 bin ich dann mit einem Hobbybrauer in Kontakt gekommen auf einer Party, hatte mich ein Kollege eingeladen zu sich nachhause. Und da hieß es halt, also jeder kann zu Trinken mitbringen, was er möchte, habe ich im Supermarkt ein paar der besten Biere, die ich da finden konnte, mitgenommen. Zu der Zeit hieß das unter anderem Biere von BrewDog, die waren da grade im Aufstieg begriffen und ja auch eine der größten und einflussreichsten Brauereien sicherlich in dem Bereich in Großbritannien oder generell in Europa zu dieser frühen Zeit. Und, ja, dann habe ich BrewDog-Bier mitgenommen, habe das mitgebracht. Und da gab es noch einen anderen Gast auf der Party, der hatte auch BrewDog-Biere dabei und aber auch sein selbstgebrautes Bier. Und das hat er dann in so Glaskaraffen erst mal ausgeschenkt und hat es dann sehr freigiebig an alle verteilt zum Probieren. Das fand ich ja schon mal sehr faszinierend und war aber auch zugegebenermaßen etwas skeptisch, so nach dem Motto, kann das was sein, kann man Bier zuhause brauen? Das war mir völlig, hatte ich noch nie mich mit beschäftigt, mit dem Gedanken. Aber es kam halt wie es kommen musste, das Bier war genial! Es war absolut lecker und frisch und wirklich wie es sein sollte, das hat sogar noch BrewDog-Flaschen in den Schatten gestellt. Und natürlich war das Gesprächsthema des Abends damit geklärt. Und wie sich dann rausstellte, war der Typ total nett, Jack Griffin, und hat dann auch gleich gesagt: „Also wenn dich das interessiert, dann komm doch mal vorbei, ich zeige dir mal, wie ich braue zuhause, wie das funktioniert. Und wer weiß, vielleicht hast du ja selbst Spaß daran.“ Ja und dann kam das so wie es kommen musste, ich bin dann zu ihm mal hin, habe mir das angeschaut, war absolut fasziniert davon. Und natürlich, wie du schon sagtest, ist Brauen letzten Endes auch reine Biochemie, also hat mich das total abgeholt. Und das habe ich auch immer den Leuten, die danach fragen, das ist halt so schön, weil im Labor, da forscht man Tag und Nacht und denkt sich Experimente aus. Davon funktionieren 95 % nicht, also muss man sich wieder was Neues ausdenken. Im Unterschied dazu funktioniert Bierbrauen jedes Mal, ja, man hat jedes Mal ein schönes Ergebnis, das kann man sogar auch noch trinken. Also das ist wirklich ein tolles Hobby für einen Wissenschaftler.

Markus: Das stimmt und man hat eben jede Menge Bestätigung. Ich muss sagen, mir schwimmen so ein paar Bilder im Kopf jetzt rum, muss ich sagen. Also wir haben uns ja grade erst wieder getroffen in Romrod bei der HBCon, also beim Hobbybrauertreffen und da passiert ja auch genau das, wenn dann eben alle zusammenkommen, jeder, der nicht sowieso irgendwo Bier ausschenkt, hat eben selber ein kleines oder größeres Fässchen irgendeiner Bauart dabei. Und dann wird auch mehr oder weniger, ob man will oder nicht, jedem etwas eingeschenkt und natürlich auch entsprechend gefragt, wie es denn so schmeckt? Und natürlich sind alle stolz wie Bolle auf ihr jeweiliges Gebräu und es sind auch ganz, ganz tolle Biere dabei, also gar keine Frage, das ist wunderbar. Und jetzt, wo du das grade so gesagt hast, ist in mir so ein bisschen dieses andere Bild ausgekommen, es gibt ja durchaus andere Substanzen, die man dann irgendwo so erwerben kann. Wo man dann immer nie genau weiß, was denn da eigentlich drin ist und wo man dann sich überlegt, okay, macht es überhaupt Sinn, dass jetzt einfach mal so zu konsumieren, ohne dass ich da eine Klarheit habe, was da drin ist? Aber ich glaube, bei Bier würde sowas gar nicht passieren können, weil wir ja eigentlich durch den Prozess, durch den Brauprozess und sowas ziemlich safe sind, dass da Substanzen drin sind, die man so nicht drin haben will, oder? Gibt es sowas, gab es sowas schon mal?

Frank: Also ja, ist grundsätzlich natürlich völlig richtig, ja, Bier ist eins der sichersten Lebensmittel überhaupt, deswegen ja auch die viele 1.000 Jahre alte Geschichte, die das auf dem Buckel hat. Aber wenn jetzt keiner eine böse Absicht hat und da bewusst irgendwas Schädliches reinmischt, ist das eigentlich immer safe, absolut richtig, ja.

Markus: Ja, also auf jeden Fall super spannend. Und apropos, wir haben ja einen BierTalk und das Tolle ist, bevor wir dann gefahren sind oder uns getrennt haben, hast du mir tatsächlich noch eine Flasche in die Hand gedrückt mit einem kleinen runden, sehr kleingeschriebenen Etikett obendrauf. Wo ich sagen muss, Dank meines fortgeschrittenen Alters kann ich es gar nicht wirklich entziffern, aber es sieht auf jeden Fall total spannend aus. Und ich habe gesagt, wenn wir den BierTalk machen, dann könnten wir das doch zusammen probieren. Also weiß ich nicht, hast du auch sowas noch da und kannst du aufklären, um was es sich eigentlich handelt?

Frank: Ja, also zufällig habe ich auch eine Flasche davon hier und auch kühlgestellt. Und zwar handelt es sich dabei um ein Altbier ganz klassischer Brauart. Düsseldorf ist jetzt auch nicht so weit weg von Aachen und Aachen liegt ja durchaus in der rheinländischen Einflusssphäre zumindest, wenn es nicht sogar dazugehört. Und es ist ein Bierstil, den ich sehr gerne mag und gelegentlich auch braue, sicherlich einer der Stile, die ich bisher am häufigsten gebraut habe. Meistens braue ich immer wieder was Neues, aber das ist so ein Rezept, was mir am Herzen liegt und was ich gerne auch immer wieder mal braue.

Markus: Also das ist jetzt eins von dir sozusagen?

Frank: Genau, das ist von mir gebraut, richtig, ja.

Markus: Okay, cool. Na, dann würde ich doch fast sagen, machen wir mal auf, oder? Uih! Wunderbar, also Öffnung war schon mal perfekt. Ei, sehr schön! Also, Altbier ist einer meiner absoluten Lieblingsbierstile, muss ich sagen. Da bin ich immer etwas traurig, dass es davon in Franken so wenige davon gibt, wobei ein Paar sich trauen. Also die Kundmüller-Brauerei hat immer eins, da haben wir einfach das Glück, dass der eine von den beiden Brüdern Oswald heißt und ihm zu Ehren gibt es eben das OSw-Alt, also was dann eben Oswald so ein bisschen ausgesprochen wird. Das ist ein ganz schönes Altbier, was ich immer wieder mal trinke. Und dann haben wir in Memmelsdorf noch eine Brauerei, die auch ab und zu ein Altbier macht und das finde ich auch ganz, ganz gelungen. Ich mag einfach diese malzigen Komponenten, das Dunkle und trotzdem die schöne Drinkability. Und ich muss sagen, also bei mir im Glas hier wunderbar, es ist so rostbraun, schöner Rotstich dabei. Toller Schaum obendrauf, der wirklich steht wie eine Eins und, ja, also holt mich optisch auf jeden Fall total ab. Wie ist es bei dir?

Frank: Ja, sieht bei mir sehr ähnlich aus. Von der Farbe her ist es wahrscheinlich im Vergleich zu den bekannten Düsseldorfer Hausbrauerei-Altbieren sogar ein bisschen zu dunkel, aber das stört mich eigentlich weiter nicht. Ich mag eigentlich grade sehr gerne diese, wie du auch schon sagtest, diese malzige, teilweise schon fast ein bisschen karamellige Komponente, die dann idealerweise durch den Hopfen wieder ausbalanciert wird, das schätze ich sehr daran, an diesem Bierstil.

Markus: Genau und das setzt sich auch sofort fort, wenn man ein bisschen die Nase reinhält, also da habe ich eben ganz viel von diesen malzigen Komponenten. So Toffee, wenn man sich an diese Bonbons erinnert, die es früher so gab in dunkelbraun und hellbraun, die man da so lutschen konnte, so ungefähr ist das. Und dann haben wir noch so ein bisschen fruchtige Komponenten, das geht so in eine rote Beere, Erdbeeren vielleicht, Kirschen, Brombeeren, Waldbeeren. Also eine schöne fruchtige Ecke, eine Süße eben auch. Eine Frische auch, also man merkt wirklich, die Kohlensäure geht auch ein bisschen in die Nase. Also ein sehr angenehmes Nasengefühl, wie auch immer man das genau bezeichnen mag, sehr schön. Okay, dann, Prost!

Frank: Prost, Markus.

Markus: Ja, hätte ich ein paar Flaschen mehr mitnehmen sollen. Nein, also sehr schön, es ist genauso, wie du es eigentlich beschrieben hast, es fängt jetzt auch so an im Mund erst mal das Süße, das Malzige, das Karamellige, ein sehr dichtes Mundgefühl, extrem cremig, sehr schön auf der Zunge. Und dann kommt aber eben auch eine ordentliche Bittere, die sehr, sehr lange anhält, sehr selbstbewusst ist, dieses Bier wirklich schön abrundet und dann hintenraus zusammen mit diesen fruchtigen Noten schön ausklingt. Also dadurch habe einen wirklich sehr runden vollendeten Trunk. Ich würde jetzt nicht sagen, es ist komplett schlank, aber es ist ein tolles Bier, was einen schönen Anfang und ein schönes Ende hat und hintenraus wirklich wieder ein bisschen durch diese Bittere runder wird und wieder Lust macht auf den nächsten Schluck. Also ein wirklich schönes, angenehmes Altbier, sehr gut! Wie schmeckt es dir?

Frank: Das klingt sehr gut, Markus, du hast es grad hervorragend beschrieben, das sind auch gleich so ein paar Dinge, tauchen da auf, die ich auch wiedererkenne. Also ich mag halt Hopfen, grade auch im Altbier, die müssen für mich idealerweise gut gehopft sein, um halt eben diese Balance herzustellen. Ich mag auch gerne ordentlich Bitterkeit, das ist persönliche Präferenz einfach. Jetzt ist dieses Bier mit dem Spalter Select gehopft, was meiner Meinung nach sozusagen der Pflichthopfen im Altbier ist, im klassischen Altbier jedenfalls. Und von diesem Hopfen sind eben auch, was vielleicht der typischen Düsseldorfer Brauer nicht unbedingt machen würde, viele späte Gaben dabei, also gegen Ende des Kochvorgangs und auch im Whirlpool dann noch, also während das Bier schon fast abkühlt wieder, die Würze dann abkühlt nach dem Kochen. Und dadurch hat man eben eine relativ prägnante, meine ich jedenfalls, Hopfenaromatik auch, die so ein bisschen ins Kräutrige, manche sagen sogar Minzige fast schon reingeht und das finde ich sehr gelungen. Und dann sagtest du auch noch, es hat einen recht vollen Körper. Ja, das Problem hat man manchmal als Hobbybrauer, die Hefe wollte nicht ganz so weit, wie ich es gerne gehabt hätte, ich habe es auch immer gerne trocken, also trockenes Finish im Bier. Das hat hier nicht ganz geklappt, aber nichtsdestotrotz ist genug Hopfen drin, um die Ausgewogenheit zu bewahren.

Markus: Auf jeden Fall. Und ich muss sagen, also mich als Franke holt das absolut ab. Also diese ganz trockenen, schlanken Biere, also das kann man mal machen, aber so wirklich, also wenn es um den Biergenuss geht, finde ich, brauche ich eher ein bisschen Körper und brauche ich ein bisschen Restsüße. Einfach, weil dann einfach mehr Bier da ist, sonst ist es einfach so schnell weg. Und insofern, also wenn ich ein Bier bewusst trinken will, und das mache ich eigentlich immer, also ich habe aufgehört, Bier unbewusst zu trinken, meistens zumindest, dann ist dass das, was mir echt Spaß macht. Aber da sind wir ja so Mitten im Kern des Themas eigentlich. Also vielleicht mal für die Leute da, die jetzt zuhören und vielleicht nicht so ganz genau wissen, was ist denn der Unterschied, also wenn wir jetzt sagen, es gibt eine professionelle Brauerei, die zum Beispiel ein kommerzielles Altbier macht und man hat jetzt jemanden wie dich, der als Hobbybrauer sagt, er macht jetzt mal ein Altbier. Was wäre so der Unterschied, was darfst du zum Beispiel machen oder was kannst du machen oder was würdest du gerne mache, wie auch immer, was jetzt zum Beispiel so eine kommerzielle Brauerei nicht machen kann? Also wo sind Unterschiede beim Hobbybrauen, wo man eben ganz bewusst durch die kleine Charge und durch das Hobby ein bisschen andere Wege gehen kann?

Frank: Oh, das ist eine gute Frage. Also grundsätzlich darf man als Hobbybrauer, sage ich mal, brauen wie man will. Es gibt ja schon allein durch das Reinheitsgebot bestimmte Vorschriften, an die kommerzielle Brauereien einfach gebunden sind, wenn sie das Produkt denn Bier nennen möchten. Dem unterliegen Hobbybrauer jetzt nun nicht, ja, die können quasi jede Zutat benutzen. Da muss ich allerdings dazu sagen, dass jedenfalls ich persönlich relativ gerne oder bevorzugt relativ traditionell braue, also sprich, ausschließlich aus Grundzutaten, Hopfen, Malz, Wasser und Hefe. Was man als Hobbybrauer oftmals macht, wenn man Bier in Flaschen abfüllt, ist eben eine Flaschennachgärung, das machen kommerzielle Brauereien in Deutschland eher selten. Das heißt, da wird dann noch mal, und zwar im Hobbybereich, meistens einfach Zucker ins Bier gegeben, um einfach dann eine kleine Menge Kohlensäure in die Flasche zu bringen, die man ja auch haben möchte. Das ist einfach der einfachste und meiner Meinung nach wie vor genialste Weg, um das hinzubekommen, Alternative. Und das machen natürlich auch viele Hobbybrauer, die technisch ein bisschen besser ausgestattet sind, könnte man das Bier auch in Fässer befüllen und in Kegs, zwangskarbonisieren durch Überdruck und dann eben in Flaschen abfüllen. Das ist aber ein bisschen aufwendiger und im Endeffekt funktioniert beides gleich gut. Also ich meine, jedenfalls bei einem Bierstil wie ein Altbier, ist eine Flaschengärung fast zu bevorzugen. Bei anderen Bieren, insbesondere helle und hopfige Biere, funktioniert das meistens nicht so gut, weil die dann sehr anfällig sind für Oxidation. Das ist ein großes Problem im Hobbybereich, dass Biere bei der Abfüllung oftmals mit Sauerstoff durchmischt werden, wodurch sie dann eine sehr begrenzte Haltbarkeit nur haben. Und das kommt besonders schnell zum Tragen und merkt man eben auch beim Genuss des Bieres, wenn die Biere hell und hopfig sind. Ansonsten Unterschiede hobby und kommerziell, es ist einfach, ich meine, man kann als Hobbybrauer durch die kleinere Sudgröße, meistens sind das ja nur 20 Liter oder sogar noch weniger oder vielleicht bis zu 50, sage ich mal, im Hobbymaßstab, kann man halt einfach sehr viel mehr experimentieren. Und das ist auch eine Sache, die ich sehr gerne mag, ich braue oft 50-Liter-Sude und teile die aber dann auf, sodass ich die dann mit verschiedenen Hefen vergären kann oder auch dann zum Beispiel einen Teil noch mal kalthopfe mit bestimmten Hopfensorten und solche Sachen. Oder auch so ein kleines Hobby im Hobby, ich habe so ein kleines Sherry-Fass, also ein Holzfass, wo ich Biere nachreifen kann, sodass sie so ein bisschen von dem Holzcharakter annehmen oder auch eben sekundäre Nachgärungen machen kann mit speziellen Hefen wie Brettanomyces. Oder auch Bakterien, Pediococcus, eine Lactobacilles, um eine leichte Säure in das Bier zu bringen. Das sind alles so Sachen, die man als Hobbybrauer relativ leicht machen kann. Die kommerziellen Brauereien aber meistens aufs Äußerste bedacht sind, aus der Brauerei fernzuhalten, weil die dann einfach das Bier, nach allgemeinem Verständnis, ruinieren.

Markus: Naja oder zumindest halt verhindern, dass man immer gleiches klares Ergebnis hat, was man halt als professioneller Brauer einfach haben will und in gewisser Weise auch haben muss und wo ich eben so experimentieren kann. Und im Grunde ist es so wie ich früher, wenn ich mit Lego-Steinchen gespielt habe, so kann man halt als Hobbybrauer letzten Endes mit all den Zutaten und Parametern spielen, die es eben so gibt. Und das ist mittlerweile eben eine ganz große Menge, weil man eben bei all den Rohstoffen, ob jetzt Malz, Hopfen, Hefe oder auch Wasser, ja schon mittlerweile auch im Hobbymaßstab sehr viel variieren kann. Aber eben dann auch noch mit anderen Dingen wie zum Beispiel Zutaten eben außerhalb des Reinheitsgebots oder mit Holz, da einfach noch mal wieder experimentieren und das finde ich schon total spannend. Und ich finde auch, das ist dann ein Punkt, wo wiederum die Hobbybrauer oft die traditionellen Brauer auch ein bisschen inspirieren, weil halt unter diesen ganz vielen Versuchen oft welche dabei sind, wo man sagt, Mensch, das ist jetzt aber wirklich eine richtig geile Nummer und dann lohnt sich das vielleicht auch mal im großen Maßstab zu machen. Wir sehen es zumindest bei den Hobbybrauerwettbewerben, wo ja meistens das so ist, bei den Großen zumindest, dass die Siegerbiere dann immer auf einer großen Anlage auch eben mal im großen Maßstab professionell produziert werden und die haben oft ja einen unglaublichen Absatz. Also ich war grade eben erst in Hamburg und habe den Dennis Spahn besucht von Störtebeker und der hat mir erzählt, dass der aktuelle Gewinnersud, also der jetzt dann eben rauskommt, der war praktisch schon vor dem ersten Tag, wo er offiziell erhältlich war, war er eigentlich schon wieder ausverkauft, weil die Nachfrage so groß ist nach diesen Bieren. Und insofern, also glaube ich, da sind wir noch am Anfang von einer Entwicklung, sowohl was die Anzahl der Hobbybrauer angeht als auch, was den Impact angeht, den die irgendwie auf dem Biermarkt haben. Vielleicht, da sind wir ja auch so ein bisschen bei so einem Übergang, also du warst dann oder bist Hobbybrauer, ganz kurz, wie groß ist denn deine Anlage?

Frank: Ich habe eine Braumeister, das heißt, der kann maximal 50 Liter Würze produzieren.

Markus: Und 50 Liter reichen bei dir wie lange ungefähr?

Frank: In der Regel schon ziemlich lange, wie gesagt, das wird auch meistens noch mal aufgeteilt. Und, ja, das reicht schon Monate auf jeden Fall.

Markus: Schon ein paar Wochen?

Frank: Ja.

Markus: Ja, man hat ja auch noch Freunde und Bekannte und was weiß ich, wer da alles so gerne mittrinkt, genau. Also dann machst du das und auf der anderen Seite hast du dann aber auch beschlossen, und das ist ja auch wieder klar, mit deinem Hintergrund zu sagen, okay, du weißt viel über die Vorgänge, du weißt, was da passiert oder nicht passiert, wie es denn sein soll und hast dich dann auch damit beschäftigt, wie man denn so ein Bier dann auch bewertet. Wann hat dich das so gepackt und wie hat sich das entwickelt bei dir?

Frank: Ja, gute Frage. Das kam auch schon sehr früh ins Spiel und zwar auch gleich am Anfang in Glasgow, als ich dann losgelegt habe mit dem Brauen, selbst zu brauen. Da gab es eben auch so eine Art Hobbybrauerstammtisch, also wo sich einfach verschiedene Hobbybrauer aus Glasgow und Umgebung regelmäßig getroffen haben, um dann gemeinsam Biere zu verkosten und sich Feedback zu geben. Also das war eben 2012 auch tatsächlich noch, gab es Leute, die BJCP Judges waren beziehungsweise zumindest von der Idee schon mal gehört hatten und sich da schon ein bisschen reingearbeitet hatten. Und das ist ja so ein bisschen Selbststudium auf jeden Fall, da können wir gleich auch noch mal drüber sprechen, wie man das eigentlich wird. Die hatten jedenfalls schon Vorahnung und die waren auch in der Runde dabei und haben dann eben die Biere verkostet. Und ich fand das absolut faszinierend, wie sie an diese Sache rangegangen sind. Dass sie einfach vor allen Dingen sehr intensiv an den Bieren gerochen haben und dann sofort jede Menge Feedback schon geben konnten, was sie da alles riechen und wie sie das so eloquent beschreiben konnten, was da alles wahrzunehmen ist und durchaus auch, welche Fehler man da vielleicht schon rausriechen kann. Und dann sogar teilweise schon anfingen, schon bevor sie überhaupt einen Schluck von dem Bier in den Mund genommen hatten, anfingen, den Brauern da Feedback zu geben, was man da noch besser machen könnte und das fand ich absolut faszinierend. Und wahrscheinlich hat dazu auch beigetragen, dass sie mein Bier ganz besonders toll fanden, was ich mitgebracht hatte, was damals tatsächlich erst mein zweiter Sud war, das war ein American IPA. Also damals natürlich die absolute Hype-Phase dieses Bierstils, alle wollten IPA und zwar klassisch West Coast, bittere IPAs mit viel Hopfen, durchaus auch kaltgehopft oft. Und das ist, sagen zwar viele, ist trivial, aber es eigentlich auch gar nicht mal so einfach zu brauen, wenn man das richtig machen will. Und daran habe ich mich eben dann versucht gleich als zweites Bier und habe das dann mitgebracht und wusste echt nicht, was ich da jetzt zu erwarten habe, ob ich da jetzt in der Luft zerrissen werde oder ausgelacht werde. Aber nein, im Gegenteil, die fanden das Bier ganz wunderbar. Was sie natürlich noch umso sympathischer erscheinen lassen und haben mir sogar empfohlen, das Bier bei einem Wettbewerb einzureichen. Da dachte ich mir, ja gut, wenn die Beer Judges das sagen, dann mache ich das mal. Und da gab es einen Hobbybrauerverein, die Scottish Craft Brewers, gibt es auch heute noch, die haben die Zentrale in Edinburgh in Schottland. Und die hatten eben zu der Zeit einen jährlichen Wettbewerb am Laufen, wo auch einer der Bierstile, der da gefragt war im Wettbewerb, tatsächlich American IPA war, also habe ich es da eingereicht. Und, ja, was soll ich sagen, dann habe ich diesen Wettbewerb mit dem Bier gewonnen und das war, wie gesagt, mein zweiter Sud, also sehr früher Erfolg. Und das hat mir natürlich auch gezeigt, okay, die Jungs hatten offenbar Recht, hatten ein gutes Näschen bewiesen und hatten mich dazu ermutigt, also fand ich das richtig klasse. Und dann habe ich dieses Bier auch noch mal bei einem anderen Wettbewerb eingereicht, der Stil offen war, soweit ich mich erinnere. Und zwar war das ein deutlich größerer landesweiter Wettbewerb, also ganz Schottland sozusagen, der hieß Scottish Homebrew Competition und vom Institute of Brewing & Distilling ausgerichtet wurde. Also quasi die, ich sage mal, angelsächsische Entsprechung zu Weihenstephan sozusagen, da konnten sich die ganzen Studenten von Brewing and Distilling, was man in Schottland natürlich zusammenhängend studiert, eben unter Beweis stellen. Und auch diesen Wettbewerb habe ich dann mit diesem Bier gewonnen. Also hat mich das sehr beeindruckt, was die Beer Judges da prognostiziert hatten und mich dazu ermuntert hatten, da mitzumachen und fand das natürlich, wie gesagt, insbesondere diese Fähigkeit, einfach durch riechen, schmecken so viel beschreiben zu können, so viel Feedback geben zu können, das hat mich sehr, sehr beeindruckt. Ja und dann schnelles Vorspulen, mir ist das Thema natürlich nie aus dem Kopf gegangen, es gab aber zu der Zeit praktisch keine Möglichkeiten, BJCP-Prüfungen beispielsweise zu machen, deswegen habe ich das erst sozusagen 2019, als ich dann schon wieder 3 Jahre zurück in Deutschland war, da hatten wir in Köln mit den Kölner Bierhistorikern die erste BJCP-Prüfung in Deutschland organisiert. Jürgen Knobler hat das damals in die Hände genommen und vorbildlich durchgezogen. Und dann habe ich die Prüfung gemacht und habe da eben halt auch sehr gut abgeschnitten und das war richtig klasse, hat Spaß gemacht.

Markus: Ja, also das macht auch richtig Spaß, dir zuzuhören. Und ich finde es auch unglaublich, also mit seinem zweiten Wurf sozusagen gleich zweimal national abzuräumen in Schottland, das ist schon eine Nummer. Also da im Nachhinein noch mal Glückwunsch an dieser Stelle, das ist wirklich großes Kino. Wobei es natürlich auch immer die Frage ist, wenn ich mit meinem zweiten Bier schon gewinne, was mache ich dann eigentlich noch?

Frank: Ja, genau.

Markus: Aber du hast ja dann deinen Weg gefunden, dich weiterzuentwickeln, das ist auf jeden Fall schon mal cool. Vielleicht noch eine Frage, die mich auch letztes Jahr beschäftigt hat, oder war es vorletztes Jahr, ich weiß es gar nicht mehr genau, aber jedenfalls als ich das letzte Mal in Schottland war, war ich auch in Edinburgh und dann so ein bisschen nördlich, Loch Ness und einmal so rund rum und bin aber extra ein bisschen eher hingefahren, weil wir dann eben so eine Rundreise hatten auf den Spuren des Whiskys und waren ein paar Tage vorher eben in Edinburgh und war da viel unterwegs und bin rumgelaufen. Das Wetter war wunderbar und ich habe mich total erfreut also sowohl an Schottland an und für sich, ein wunderbares Land, ein sehr schönes Land auch, also wie alles gebaut ist, wie die Natur ist. Es ist sehr sauber, es sind ganz liebe Menschen, sehr herzliche Menschen, sehr hilfsbereite Menschen auch, also wo man wirklich überall mit ganz viel Wärme begrüßt wird und wo es auch wirklich Spaß macht auch, sich einfach mal in einen Pub zu setzen, auch mal alleine, man hat sofort, wenn man möchte, jedenfalls auch da Kontakte. Und das Einzige, was mir dann passiert ist, ich bin dann rumgelaufen und ich habe mir gedacht, Mensch, also jetzt so ein richtig schönes Eis und dann habe ich geguckt, okay, in ganz Edinburgh habe ich keine Eisdiele gefunden. Und das habe ich dann irgendjemanden auch gefragt, ich glaube, dann in einer BrewDog-Bar oder sowas, habe ich mich da mit einer Angestellten länger unterhalten und dann haben die gesagt, naja, du spinnst ja auch, die paar Tage, wo wir Sonnenschein haben, brauchen wir jetzt keine Eisdiele. Und da habe ich mir gedacht, ich muss mal jemanden fragen, der da länger war und jetzt habe ich dich grade da, ist das so, also gibt es da keine Eisdielen, hat man nur so wenig Sonnenschein?

Frank: Also wenig Sonnenschein hat man auf jeden Fall, das kann ich 100 Prozent bestätigen. Und Eisdielen, das stimmt, ist eine sehr gute Beobachtung, die du gemacht hast, das stimmt. Ich erinnere mich auch, in Glasgow gab es jedenfalls immer beziehungsweise nur das University Cafe, das ist in Westend von Glasgow, sehr traditionelles Café, wo man sehr gut mal schottisch frühstücken kann, ja, also Full Scottish Breakfast mit allem Drum und Dran, Haggis, Black Pudding und so weiter und so fort, was man alles gerne morgens isst, und die hatten eben auch Eis. Wahrscheinlich aus dem Grund, weil dieses Café mal irgendwann von italienischen Einwanderern gegründet wurde. Und das war einer der ganz, ganz wenigen Orte, wo man tatsächlich frisches selbstgemaches Eis kaufen konnte. Und dann gab es noch, weiß ich auch noch, den Ort Ayr an der Küste, das ist ein beliebtes Wochenendausflugsziel für die class vigents, da fährt man so eine knappe Stunde mit dem Zug hin. Und da gab es eine legendäre Eisdiele, die auch dann aussah wie ein Palast, ja. Also das muss eine absolute Goldmühle gewesen sein, auch direkt am Strand von Ayr. Und da kommen die ganzen Strandbesucher, die da einfach in den 60er-, 70er-Jahren noch zu 1.000en Urlaub gemacht haben einfach, als es noch keine großartigen Flüge und so weiter gab. Und da gab es auch wirklich, wie man das aus Deutschland auch kennt, sehr, sehr viele Eissorten und natürlich auch eine italienische Eisdiele von italienischen Einwanderern gestartet. Und irgendwann während unserer Zeit in Glasgow, haben die dann tatsächlich auch eine zweite Filiale in Glasgow aufgemacht und zwar ungefähr 5 Minuten Laufweite von uns weg, also hatten wir dann keinen Eismangel mehr.

Markus: Also gut, nächstes Mal muss ich mein Domizil eher in Glasgow aufschlagen, das weiß ich jetzt schon mal, werde ich tun. Aber, ich muss sagen, jetzt, wo wir drüber reden, fällt mir noch eine andere Anekdote in der Ecke ein. Nämlich als ich zum 3. oder 4. Mal in Finnland war und war da auch zum Bierwettbewerb eben und mache es dann meistens auch so, dass ich ein paar Tage vorher anreise oder eben länger bleibe und schaue, dass ich mir noch ein bisschen was anschauen kann. Und da habe ich dann damals beschlossen, okay, ich würde gern mal auf die Åland-Inseln fahren. Und das kann man tatsächlich mit einem Mietwagen sehr, sehr schön machen, weil zwischen diesen ganzen Inseln, die da sich aneinanderreihen bis zu den Åland-Inseln, sind überall so Fähren, die regelmäßig fahren und die man benutzen kann, wie man eine Straße benutzt. Und dann habe ich gedacht, okay, dann machen wir das, dann nehme ich mir eben also einen Mietwagen und habe dann die Mietwagengesellschaft angefragt, ob ich mir ein Cabrio mieten könnte? Und dann kam auch so eine Antwort zurück wie, ob ich denn noch alle Tassen im Schrank hab? Weil für die paar Tage, wo man in Finnland ein Cabrio fahren kann, werden sie garantiert keines anschaffen, weil sie es sonst nicht verleihen können. Und da ist mir auch so klar geworden, okay, das sind so Gewohnheiten, die man hier bei uns, obwohl wir ja vermeintlich gar nicht so weit südlich sind, aber es ist einfach doch was anderes und da hat man so die ein oder andere Gewohnheit. Ja, aber wir schweifen ab, ich merke, wir waren ja eigentlich beim BJCP, aber ein bisschen Leben zwischendurch muss natürlich auch immer sein beim Bier, das gehört ja auch dazu. Vielleicht noch ganz kurz, um die Hörer: innen da draußen auch ein bisschen abzuholen, also vielleicht hat die eine oder der andere den BierTalk auch gehört mit Gordon Strong, das ist ja einer der Urväter sozusagen dieser ganzen Geschichte. Aber grundsätzlich hat man also im Grunde die amerikanische Hobbybrauerbewegung, Homebrewer-Bewegung, die ja im Grunde auf genau dieses Problem auch gestoßen ist, dass sie gesagt haben, okay, wir machen jetzt irgendwie alle Bier und natürlich finden wir all unsere Bier gut, aber wir haben überhaupt kein objektives Korrektiv, wo wir irgendwie sagen können, okay, was machen wir da eigentlich und machen wir das eigentlich gut und richtig? Und dann hat sich eben aus diesem kleinen Pflänzchen, dass die Hobbybrauer für sich gemacht haben mit diesem gigantischen Wachstum der Craft-Beer-Szene, eben da etwas entwickelt, was mittlerweile eigentlich global geworden ist, also auf jeden Fall auf dem amerikanischen Doppelkontinent vorherrscht, also bei fast jedem Bierwettbewerb dort wird nach den Richtlinien des BJCP auch gejudgt, also bewertet. Und das ist eben eine Sache, die sich jetzt auch so ein bisschen ausgedehnt zum Beispiel in die gute alte Welt nach Europa. Und man merkt dann immer, es ist halt einfach, es kommt von der anderen Ecke, also das heißt, es kommt eben aus dem Homebrewer-Bereich. Weswegen es zum Beispiel auch selbstverständlich ist, dass man da sehr viel über die Biere schreibt und das man auch durchaus Ratschläge gibt, dass man sagt, okay, ich rieche oder schmecke das oder das und das soll vielleicht so nicht sein, mach es doch mal so. Und das ist eben genau anders als jetzt zum Beispiel ein altgedienter Wettbewerb, wie jetzt der European Beer Star oder so, wo man praktisch sagt, naja, die Judges können beschreiben bewerten, was sie halt in ihrem Glas haben, riechen, schmecken, sehen. Aber sie können natürlich nicht wissen, was da für eine Brauanlage im Spiel war und war da sonst alles passiert war, deswegen stellen sie keine Spekulationen an, warum irgendetwas so ist und was man vielleicht dagegen tun könnte, sondern beschreiben es eben nur. Und das auch oft in sehr kurzen, knappen und manchmal vielleicht sogar gar keinen Worten. Und spannend ist es dann eben, wenn diese beiden Kulturen aufeinandertreffen in einem Wettbewerb, wie es mir bei einem meiner ersten Wettbewerbe in Brasilien gegangen ist. Da war ich dann Table Captain und hatte 3 Brasilianer bei mir am Tisch, und ich habe halt meine Biere in 5 Minuten durchbewertet und die haben ungefähr eine Stunde gebracht. Und ich hatte den Vorteil, tatsächlich, das war Wahnsinn, wir hatten 3 Masseurinnen als professionelle Leute, die dann eben massiert haben und dann konnte man immer, wenn man grade nichts zu tun hatte, eben rausgehen und wenn eine frei war, sich dann den Rücken oder die Schultern oder irgendwas massieren lassen, und das war für mich dann eine durchaus angenehme Zeit.

Frank: Ja, verstehe ich, dass du so viel fährst.

Markus: Genau, das hat das eine und das andere vielleicht auch ein bisschen befeuert. Und, ich meine, also da war das noch irgendwie lustig, aber man hat dann eben auch gemerkt, dass natürlich die Erwartungshaltungen auch so sind. Also viele Wettbewerbe, grade in Südamerika, verkaufen auch den Brauereien die Einträge so, dass sie sagen, passt auf, auch wenn ihr nix gewinnt, ihr bekommt ein Feedback und mit diesem Feedback könnt ihr auch wirklich was anfangen. Und das ist dann natürlich immer so eine Geschichte, wo dann eben auch wieder Diskussionen auftauchen. Und das ist total spannend, also da gibt es, glaube ich, auch kein richtig und kein falsch, es sind einfach 2 andere Kulturen oder 2 Kulturen, die da aufeinanderstoßen. Und deswegen finde ich es auch ganz toll, dass grade diese BJCP-Idee und du ja auch jemand bist, der das voranbringt, also dass das jetzt hier bei uns auch ein bisschen Fuß fasst, weil es natürlich noch mal auch mehr auf die Produktionsseite eingeht. Und viele Judges sind ja gar nicht selber Brauer und ich ja auch nicht zum Beispiel und das ist dann durchaus toll, wenn man sich da entsprechend auch ergänzen kann am Judging-Table und eben der eine sagt, okay, ich rieche und schmecke das und das und der andere sagt, okay, das könnte vielleicht da und da herkommen, und wenn man da dann kombiniert, versteht man plötzlich dieses Bier. Und das hat natürlich dann auch wieder was, wo man dann wieder einen Lerneffekt hat. Also wie geht es dir denn da so und, ich meine, du bist ja auch in verschiedenen Wettbewerben zugange, die beide Seiten haben, wie erlebst du das?

Frank: Ja, ja, es ist ein sehr spannendes Thema auf jeden Fall. Es sind natürlich, wie du schon sagst, zwei, ja, Kulturen nicht, es sind natürlich auch sehr verschiedene Zielsetzungen vielleicht, die solche Wettbewerbe verfolgen. Und bei den großen kommerziellen Wettbewerben wie European Beer Star, World Beer Award etc., ist natürlich ganz klar, da kann man grade auch in Europa wahrscheinlich davon ausgehen, dass derjenige, der das Bier gebraut hat, absolut weiß, was er da tut und wie er das tut, ja und dass das professionell ausgebildete Brauer sind, die da zu Werke gehe, das ist völlig klar. Und beim Hobbybrauer ist es natürlich das Gegenteil, ja. Das sind alles Leute, die sich das selbst beigebracht haben oder von Freunden es gelernt haben oder aus einem Buch oder aus dem Internet, gelesen haben und die wollen oder sind in der Regel sehr froh, wenn sie Feedback zu dem Bier bekommen. Und das ist tatsächlich eine der tragenden Säulen bei BJCP, auch eine Sache, auf der in der Prüfung großer Wert gelegt wird, dass eben Feedback gegeben wird. Und das ist völlig klar, wenn jetzt ein lupenreiner BJCP-Judge sich in einen kommerziellen Wettbewerb setzt und da mit judgt, dann anfängt da, wie du das mal so schön sagtest, Romane zu schreiben und anfängt Feedback zu geben, das kann unpassend sein, wenn das nicht das Ziel des Wettbewerbs ist. Aber ich kenne es tatsächlich auch so aus Großbritannien, da gibt es sehr, sehr viele Leute, die ihr Bier gar nicht mit der Absicht bei einem Wettbewerb einreichen, gewinnen zu wollen, sondern sie wollen einfach nur Feedback haben von Leuten, die sich auskennen. Und das ist ein total legitimer Grund auch, meiner Meinung nach und deswegen ist es halt eben auch so wichtig, dass in einem BJCP-Wettbewerb darauf geachtet wird, dass die Score Sheets korrekt ausgefüllt sind und das sie auch vollständig ausgefüllt sind und das eben vor allen Dingen auch Feedback gegeben wird, weil viele Leute darauf Wert legen. Und ich habe da auch grade von der HBCon, wo ich als Table Captain Baltic Porters bewerten durfte, ein Bierstil, der mir auch sehr am Herzen liegt seit einigen Jahren, habe ich ganz tolles Feedback bekommen von jemand, der auch zugegebenermaßen gut abgeschnitten hat, aber der war so begeistert über das Feedback, was er bekommen hat, obwohl es schon so gut war und was er noch besser machen könnte, also der war total begeistert. Und das ist natürlich eine super Rückmeldung, die einen dann auch darin bestärkt, das so weiterzuverfolgen. Aber wie du schon sagst, das hängt immer von der Zielsetzung auch des Wettbewerbs ab, ja.

Markus: Ganz genau. Und ich glaube auch, also das Problem landet manchmal am Judging-Tisch, aber da gehört es ja eigentlich gar nicht hin. Also normalerweise müsste der Wettbewerb das einfach entsprechend kommunizieren und zwar in beide Richtungen, also sowohl den Brauern kommunizieren als auch eben den Judges kommunizieren, was da gemacht werden soll. Weil, ich muss sagen, also so richtig kumuliert ist das, ich glaube, vor 2 Jahren oder sowas, wo ich auch in Brasilien war bei einem Wettbewerb und da hat dann eben am zweiten Tag die Wettbewerbsleitung quasi an alle international Judges eine ziemlich heftige Nachricht geschickt, dass sie eben den Brauern versprochen hätten, dass sie alle entsprechendes Feedback bekommen und Verbesserungsvorschläge und was weiß ich was alles und wir sollen doch gefälligst jetzt pro Bier unsere 100 Worte oder irgend sowas schreiben, damit sie da was zusammenfassen können. Und das war natürlich auch schwierig, weil das dann aus ziemlich heiteren Himmel kam und zugegebenermaßen wir dann auch, also wir in Anführungsstrichen, aber die betroffenen international Jugdes auch gesagt haben, naja, das Problem an der Geschichte ist natürlich, ich kann zum Beispiel feststellen, habe ich da ein Fehlaroma oder nicht. Sagen wir mal Diacetyl oder so, als Beispiel, das kann ich, das kann ich sagen, das ist da drin, so. Aber ich kenne natürlich nicht die Anlage, ich kennen nicht die Hygieneverhältnisse, ich kenne nicht die Rezeptur, die Rohstoffe, geschweige denn, was mit dieser Flasche alles passiert ist, seitdem sie die Brauerei verlassen hat, wie sie eingeschenkt worden ist und so weiter, ich kann nur das bewerten, was bei mir letzten Endes an dem Tisch landet. Und dann ist es natürlich auch schwierig, wenn von mir erwartet wird, dass ich dann dem Brauer sagen kann, was er oder sie anders machen muss, damit ich dieses Diacetyl nicht mehr habe. Also ich kann irgendwas vorschlagen, natürlich, aber das ist ja ein völlig ins Blaue rein in diesem Moment. Und dann ist genau diese Diskussion eben aufgekommen, das ich sage, okay, wenn ein professioneller Brauer sowas einreicht, dann muss ich eigentlich erwarten können das, wenn er ein Feedback bekommt, du hast dieses Fehlaroma da drin, dass er dann seinen Prozess anschaut und eben guckt und entsprechend dann korrigiert.

Frank: Richtig, ja.

Markus: Oder, wenn er das nicht kann, dass er sich dann jemanden engagiert, der ihn da professionell berät und eben auch bezahlt. Weil, auch das ist natürlich eine Sache, wenn mich jemand für diese Dienstleistung anheuern würde, dann würde ich das vielleicht sogar machen, aber dann ist das was anderes, dann ist es keine Blindverkostung und dann ist es eben auch was, was entsprechend bezahlt wird. Aber, wie gesagt, der Fehler lag nicht bei der Sache an sich, sondern der lag einfach bei der Art und Weise, wie der Wettbewerb den Brauereien verkauft hat, dass sie Biere einreichen sollen, weil sie einfach den Brauereien sagen, macht mal, bezahlt euren Entry und dann kriegt ihr eben auch dieses Feedback und quasi eine Gratisberatung für euer Bier oben drauf. Und dass das ein Wettbewerb nicht leisten kann und zwar sowohl wir international Judges nicht, als auch die armen, fast alle waren ziemlich jung und unerfahren, die BJCP-Judges, die da waren. Für die ist es ja genauso schwer, weil die schreiben dann zwar ganz viel, aber ob die jetzt genau den Nagel treffen, ist auch die Frage. Und da wird halt ganz viel Druck aufgebaut und ganz viel Erwartungshaltung produziert und am Ende sind irgendwie alle enttäuscht. Und insofern, das muss man, glaube ich, nur vernünftig kommunizieren, dann passt das auch und dann macht es natürlich auch eine Menge Spaß.

Frank: Richtig, ja, das hilft immer. Genau, wenn die Bedingungen klar sind, dann kann man auch dementsprechend zielgerichtet das Bier bewerten, das auf jeden Fall.

Markus: Ja, vielleicht nehmen wir mal die Hörer: innen mit, also wenn du willst, kannst du ja dein Bier mal nehmen oder irgendeins als Beispiel mal, also wie würdest du jetzt da rangehen, also was ist so eine BJCP-Herangehensweise, wenn man jetzt so ein Bier hat, wie geht man da geistig durch und wo entspinnen sich dann zum Beispiel solche Sachen im Feedback, wo man sagt, hier an dieser Stelle könnte man noch das oder das tun? Also wie funktioniert das? Ich weiß nicht, ob das überhaupt geht, aber würde mich mal interessieren.

Frank: Klar geht das und du hast es ja eben schon selbst, Markus, sehr exemplarisch vorexerziert, als du diese tolle Beschreibung von meinem Bier zum Besten gegeben hast. Es ist natürlich, wie immer beim Beer-Judging, eine sehr strukturierte Vorgehensweise, dazu gibt es natürlich auch Hilfsmittel, die man da benutzen kann und auch sollte. Vor allen Dingen in einem Wettbewerb hat man eben beispielsweise die Score Sheets beziehungsweise Bewertungsbogen, wo eben diese verschiedenen Aspekte jemand bewerten sollte, und wo man auch keinen auslassen sollte, vorgegeben sind. Und auch quasi genau in der Reihenfolge, wie du es oder wie wir es eben gemacht haben mit dem Altbier, hat man zunächst Mal den Geruch, ja. Das ist eine Sache, die man zuerst mal prüfen sollte, weil eben bestimmte Aromen oder auch Fehlaromen sich sehr schnell nach dem Einschenken schon verflüchtigen können, dass man da direkt mal vorsichtig eine Nase nimmt. Und dann kommt man zunächst zum optischen Eindruck des Bieres. Das hast du ja auch sehr schön beschrieben gehabt, welche Farbe das Bier jetzt hat, wie der Schaum aussieht, ob das Bier klar ist oder trüb ist, ja. Dass man einfach diese verschiedenen Aspekte nach und nach abklopft und dann eben beschreibt. Und was dabei auch sehr spannend und wichtig ist, finde ich immer, ist halt das korrekte Vokabular, ja. Also das ist ja so eine spezielle Art und Weise, wie, ja, Biersommeliers aber halt auch eben Beer-Judges so ein Bier beschreiben. Beer-Judges wahrscheinlich eher noch so ein bisschen technischer orientiert als der Sommelier, der vielleicht eher ein bisschen darauf ausgerichtet ist, das Bier verkaufen zu wollen, während der Judges einfach eine, ja, möglichst neutrale einfach Bewertung abgeben soll. Ja und dann hat man eben sein Vokabular, verschiedene Farbabstufungen, sage ich mal, mit denen man das Bier dann im Geiste vergleicht und man sieht, okay, das ist jetzt hier dieses Kastanienbraun, das passt am besten auf die Beschreibung. Und so geht man dann eben Begriff für Begriff durch, wie gesagt, den Schaum, die Farbe, die Klarheit und dann kommt man zum Geruch. Und dabei gehe ich dann immer so vor, und so ist es auch durchaus auf dem BJCP-Bewertungsbogen vorgesehen, dass man die verschiedenen Zutaten des Bieres durchgeht. Denn das ist ja kein Zufall, dass ein Bier so riecht und schmeckt, wie es es tut, sondern geht das ja jeweils aus den verschiedenen Zutaten hervor, also sprich, Hopfen, Malz, Hefe und auch dem Wasser. Und so kann man eben diese verschiedenen Zutatenbereiche nach und nach durchgehen, kann da mal beschreiben, was nehme ich denn für Malznoten wahr. Das sind oftmals irgendwelche Getreide- oder Brotassoziationen, die man da wahrnehmen kann. Oder halt im Falle von dunkleren oder Röstmalzen sogar dann sowas in Richtung Keks oder Biskuit, Karamell, bis hin dann zu dunkleren Röstmalzen, die dann wirklich Kaffee- und Schokoladeassoziationen hervorrufen können. Also das wäre einmal die Malzpalette durch sozusagen. Danach kann man sich dann mit dem Hopfen beschäftigen, wenn er denn wahrnehmbar ist. Es gibt ja auch Bierstile, wo Hopfen absolut im Hintergrund steht. Aber wenn er denn da ist, dann schaut man halt eben, was kann ich denn jetzt hier wahrnehmen? Und auch da spielt jetzt natürlich schon eine Rolle, was habe ich jetzt hier für einen Bierstil vor mir, ist das jetzt ein klassisch europäischer Stil wie ein Altbier oder habe ich hier vielleicht ein amerikanisches IPA vor mir stehen oder ein irisches Stout und auch da werden natürlich schon bestimmte Erwartungen geweckt. Und dann prüft man halt eben ab, werden diese Erwartungen jetzt erfüllt? Und bei einem Altbier, denke ich zumindest, da sollte auf jeden Fall auch Hopfen wahrnehmbar sein und idealerweise klassisch deutsche Hopfensorten, die oftmals so Kräuter- und Gewürzassoziationen hervorrufen können. Wie das dieser Spalter Select ja eigentlich auch ganz schön macht in diesem Altbier. Also kann man den Hopfen beschreiben, den man dort gegebenenfalls wahrnimmt. Ja und dann die Hefe, um zum nächsten Punkt zu kommen, da kann man am Geruch schon auch was wahrnehmen. Insbesondere bei obergärigen Bieren hat man eine gewisse Fruchtigkeit, die hattest du ja auch beschrieben. Altbier ist ja auch ein obergäriger Bierstil, wenn auch vergleichsweise sauberer, weil das Bier noch mal kaltgelagert wird im Idealfall. Und dann kann man eben beschreiben, ob man jetzt hier verschiedene Ester, was das Hauptstoffwechselprodukt der Hefe während der Gärung ist neben dem Alkohol, ob man da was wahrnimmt und gegebenenfalls, ob das Fruchtassoziationen vorhanden sind, irgendwelche Beeren, Kirschen et cetera. Ja und dann halt eben auch immer irgendwelche anderen Aromen, die jemand vielleicht wahrnimmt, die vielleicht stören, die vielleicht Fehler sind, Diacetyl oder Jungbiercharakter wie grüner Apfel, also Acetaldehyde und solche Sachen. So, das wäre jetzt der Geruch und dann geht man eben weiter dann zum Geschmack. Würde man wieder sehr ähnlich vorgehen, die Grundzutaten durchgehen, dann hat man bestimmte Sachen, die man gar nicht riechen kann, die man aber schmecken muss sozusagen, also einfach die Grundgeschmacksrichtungen sozusagen, ist es süß, sauer, bitter, salzig. Und halt eben der berühmte Umami-Geschmack, also dieses Herzhafte, was man vielleicht aus Soja-Soße oder Fleischbrühe kennt, ist das vorhanden? Und halt eben auch natürlich beim Bier besonders wichtig die Bitterkeit, ja, auch die kann man nur auf der Zunge oder am Gaumen sozusagen schmecken tatsächlich. Ja und dann kommt man letzten Endes noch zum Mundgefühl. Da spielt dann der Körper eine Rolle, ist das Bier vollmundig, malzig, stark, kräftig oder ist es eher schlank? Das heißt, ist es gut durchvergoren, hat es wenig Restzucker? Wie ist es karbonisiert, hat es viel Kohlensäure, wenig Kohlensäure? Gegebenenfalls ob das Bier Wärme vom Alkohol ausstrahlt, das hat man insbesondere bei stärkeren Bieren wie Bockbieren oder halt auch starken Stouts oder sowas oft oder auch belgische Biere bringen das manchmal mit sich, die auch gerne mal ein bisschen stärker sind. Ja und dann vielleicht noch Cremigkeit, Adstringenz, die gegebenenfalls auch störend sein kann, also so ein Belag auf der Zunge sozusagen. Und am Schluss beschreibt man dann einfach noch mal den Gesamteindruck. Also war das Bier jetzt rund, war das ausgewogen oder eher nicht so? Hat das zum Stil gepasst, hat es die Erwartungen erfüllt oder eher nicht? Und wenn nicht, dann, wie hätte es sie dann besser erfüllen können, hätte es vielleicht vollmundiger sein sollen oder mehr Kohlensäure und so weiter und so fort.

Markus: Ja, also vielen Dank, das war jetzt mal ein richtig spannender Einblick eben, wie man sowas so durchgeht. Und wie du schon gesagt hast, das ist in der Tat sehr ähnlich, der Weg, egal aus welcher Judging-Schule oder ob man jetzt als Biersommelier damit schon mal Berührung hatte, aber so macht man das, genau. Und das ist ja auch faszinierend irgendwie, weil man seine eigene Sensorik ja auch noch mal ganz anders kennenlernt und auch eine Entwicklung natürlich im Laufe der Zeit hat, weil man sich ja auch im Zuge des Alters und der Erfahrung entsprechend eben weiterentwickelt. Und natürlich, auf der anderen Seite braucht sowas dann eben auch ein Regelwerk. Weil ich kann ja nur zum Beispiel, wenn ich messen will, wie schnell jemand läuft, dann muss ich ja sagen, okay, sie laufen alle zum Zeitpunkt X los und sie legen alle eine Strecke Y zurück. Und nur, wenn ich eben die gleiche Strecke habe und den gleichen Zeitpunkt, dann kann ich auch messen, wer ist am schnellsten. Und so ist es eben bei einem Bier auch, ich brauche ein Regelwerk zum Beispiel eben für einen Bierstil, sagen wir mal ein Pils und dann weiß ich eben, was am Ende dabei rauskommen soll. Und jeder, der in diese Kategorie etwas einreicht und sagt, ich habe ein Pils gemacht oder ich kann genau 100 Meter am schnellsten laufen, dann muss er sich eben auch entsprechend damit messen lassen und sich diesen Kategorien unterwerfen. Und das ist dann wieder etwas, was man auch ein bisschen lernen muss und das gehört zu dem Programm dazu. Vielleicht kannst du da die Leute noch ein ganz kleines bisschen mitnehmen, wenn jetzt jemand Lust bekommen hat und gesagt hat, Mensch, das würde mich interessieren, mich mal damit zu beschäftigen, wie steigt man denn in so ein BJCP-Ding ein?

Frank: Ja, sehr gute Frage. Also das Coole, meine ich immer, am BJCP ist, der Einstieg ist sehr niedrigschwellig. Das heißt, es kostet nicht viel Geld und alle Materialien, die man zum Training benötigt oder zum Üben, die sind frei verfügbar. Also der Website der Organisation bjcp.org kann man schauen und da findet man eben alle möglichen Materialien, die man zur Vorbereitung und zum Selbststudium braucht. Das ist ein entscheidender Faktor, das heißt, man muss schon Eigenmotivation mitbringen, es lernen zu wollen, ja, weil da ist kein Seminarleiter, der einem jetzt kleinteilig alles vorkaut, sondern das muss man sich schon selbst aneignen sozusagen. Aber die ganzen Materialien sind eben da, sind frei verfügbar und da kann man sich dann eben diese verschiedenen Dinge durchlesen. Auf der Website sind zum einen die berühmten Stilguidelines, also die Stilrichtlinien, wo jeder Bierstil oder fast oder sagen wir mal, sehr viele Bierstile, die auf der Welt existieren, im Detail beschrieben werden. Und dann eben Score Sheets, also Bewertungsbögen kann man sich da runterladen, mit denen man dann üben kann und sollte, wenn man die ausfüllt. Es gibt eben dann Anleitungen, wie man sowas ausfüllt und worauf zu achten ist. Was auch BJCP gerne möchte, wie es ausgefüllt sein sollte, damit man dann, falls man sich dann dazu entschließt, eine Prüfung zu machen, um sich zu qualifizieren offiziell als Judges, worauf da zu achten ist, wie das Score Sheet sozusagen korrekt ausgefüllt ist. Das sind lauter so Sachen, die man da eben finden kann. Und es gibt natürlich auch sehr, sehr viele weitere Quellen online, einfach mal bei Google oder anderen Suchmaschinen BJCP-Vorbereitung oder sowas eingeben, dann findet man sehr viele Materialien, auch YouTube-Videos und so weiter und so fort, wo Leute einfach auch teilweise über mehrere teils stundenlange Vorträge hinweg das Ganze durchgehen. Also es gibt da sehr, sehr viel, was man sich per Internet oder per Lesen von PDF-Dokumenten eben aneignen kann. Und, ja, das kann Spaß machen, wenn einem das liegt, ein bisschen Eigenmotivation ist auf jeden Fall hilfreich dabei. Ja und wenn man sich dann dazu entschließt, diese Prüfung machen zu möchten, dann ist das ein gestuftes Prüfungsprinzip, Ja, man hat 3 Hauptstufen sozusagen, das 1. wäre die Online-Prüfung, die man machen kann. Das sieht so aus, dass man dann auf der BJCP-Seite sich registriert und dann bekommt man da so einen Link zum Server, wo eben so eine Art Quiz platziert ist. Und da muss man dann eben 180 Fragen zu Bierstilen, zu Brauwissen, Brautechnik, Zutaten, Fehlaromen, kann man da beantworten. 180 Fragen, ja, als Nichtenglisch-Muttersprachler in 90 Minuten. Ist vielleicht auch noch ein wichtiges Thema, die meisten Materialien sind leider bisher nur auf Englisch, wir arbeiten daran, dass wir da mehr und mehr auf Deutsch übersetzt bekommen. Das wird aber auch noch eine Weile in Anspruch nehmen, das ist leider so. Andererseits ist natürlich die Beer-Judging-Welt, wie du auch schon oft gesagt hast, sehr international. Es macht dann halt auch Spaß, wenn man da ein bisschen das Vokabular auf Englisch vielleicht verfügbar hat, sich dann mit anderen Ländern austauschen zu können oder vielleicht sogar in andere Länder reisen zu können, um da Biere zu bewerten, das bringt auch Spaß. Das wäre eben dieser Einstieg, das Online-Examen. Und wenn man das geschafft hat, dann könnte man sich überlegen, dass man die Judging-Prüfung, das Verkostungsexamen machen möchte. Das ist eine Sache, wo ich stark engagiert bin, dass wir da möglichst zumindest mal ein, zwei pro Jahr in Deutschland auch haben, wo man teilnehmen kann. Das ist leider immer auf 12 Teilnehmer limitiert. Mehr akzeptiert BJCP nicht, weil da ein sehr großer Bewertungsaufwand nachher auch dranhängt und generell auch Organisationsaufwand, weil da immer 2 sogenannte Proktoren, das heißt Referenz-Judges dazukommen, in Deutschland heißt das immer aus dem Ausland. Also sehr erfahrene Judges, mit denen man sich dann in der Prüfung messen kann. Und die Prüfung sieht so aus, dass man da eben 6 verschiedene Biere aus verschiedenen Stilen in 90 Minuten serviert bekommt, alle 15 Minuten ein Neues und dann dazu jeweils diesen Bierbewertungsbogen beziehungsweise das Score Sheet ausfüllen kann. Und das kann man dann machen und kann sich dann da messen mit den Proktoren und mit den Vorgaben vom BJCP, wie so ein Score Sheet aussehen sollte und dann kann man mal schauen, wie man dabei abschneidet.

Markus: Also wirklich sehr, sehr interessant und auch Wahnsinn, wie das durchstrukturiert ist. Und natürlich auch interessant, weil es dann auch dazu anregt, natürlich dieses System weiterzumachen, also weil man Punkte sammelt. Und dann mit jedem Wettbewerb, wo man dann zum Beispiel schon mal als Judge ist, sammelt man wieder Punkte und kann dann eben innerhalb dieses Systems auch aufsteigen und neue Ränge bekommen. Und das finde ich eigentlich sehr cool, weil man da so eine Gamification eben auch dahinter hat. Und ich muss sagen, auf der anderen Seite, also in der Beer-Judge-Welt, aus der ich, in Anführungsstrichen, so ein bisschen komme, da haben wir uns genau diese Frage immer gestellt, wie schafft man es, quasi Nachwuchs zu produzieren? Also mittlerweile ist es nicht mehr ganz so schlimm, es gibt sogar her zu viele Leute, die sich aktuell dazu entschließen, da was zu tun. Aber das ist noch nicht lange her, also vielleicht bis vor anderthalb Jahren oder, ich sage mal, bis zur Pandemie war das eigentlich so, dass wir immer das Problem hatten, dass wir festgestellt haben, die Beer-Judging-Welt wird immer älter und es gibt auch immer mehr, die einfach aus Altersgründen nicht mehr mitmachen können oder wollen und man hat viel zu wenig jüngeren Nachwuchs, um dann das Ganze am Leben zu halten und eben zum Beispiel auch mehr Frauen da reinzubringen, insgesamt mehr Diversität. Das waren alles so Themen, wo wir uns viel auch Gedanken gemacht haben, was man da tun kann. Und das habe ich natürlich mit so einer Gamification ganz anders gelöst, weil natürlich Leute dann auch echt Lust haben, das zu machen. Wie war das, wann hast du denn da die Seiten gewechselt und hast gesagt, ich bin von dem, der in diesem System ist und selber da so sich hocharbeitet, wechsle ich auf die Seite derer, die dann praktisch dafür sorgen, dass wieder andere diese Prüfungen ablegen können? Und du engagierst dich da jetzt auch in diesem Bereich, also wie ist das gekommen?

Frank: Ja gut, also du hast es ja schon ganz richtig beschrieben, dass es zum einen dieses Punktesystem gibt, mit dem man eben Erfahrungen sammelt. Das bedeutet einfach, das jeder Wettbewerb, an dem man als Judge teilnimmt, sozusagen einen Erfahrungspunkt bringt, der wird einem dann in seinem Konto gutgeschrieben. Und dann ist es eben so, dass in Abhängigkeit davon, wie gut man jetzt diese Prüfung abgelegt hat, man eben noch in höhere Ränge in dem BJCP-System sozusagen aufsteigen kann. Also wenn man die Prüfung ablegt, dann muss man in der Regel, wenn man die schafft, das heißt, über 60 Prozent Bewertung kommt, was jetzt nicht dramatisch schwer ist, wenn man sich ein bisschen mit Bier auskennt, schafft man das in der Regel. Dann ist man Recognized-Judge, also anerkannt. Eine Stufe höher wäre dann Certified, dazu muss man dann aber schon 70 Prozent in der Prüfung geschafft haben. Und wenn man dann noch weiter aufsteigen möchte, dann wäre der nächste Rang eben der National-Judge, auf dem ich mich jetzt befinde. Dazu müsste man dann aber schon 80 Prozent in der Prüfung schaffen und zusätzlich aber dann noch die nächste Stufe der Prüfung machen und bestehen und zwar das schriftliche Examen. Das schriftliche Examen ist vom Inhalt her nicht unähnlich von dem Online-Examen, aber eben so ausgelegt, dass man da in 90 Minuten alles Mögliche zu Papier bringen muss. Auch diese ganzen Fragen, die da gestellt werden könnten potenziell, die sind alle online verfügbar. Da muss man sich aber sehr, sehr gut drauf vorbereiten, damit man es in dieser Zeit überhaupt schafft, das zu Papier zu bringen. Da dreht sich wieder sehr viel um Bierstile, um Vergleiche von Stilen, wie die sich unterscheiden, wo die Gemeinsamkeiten liegen, aber auch wieder Brauwissen, Brautechnik, welche Bierfehler gibt es, wie kann man die vermeiden et cetera. Und halt eben auch BJCP-System, wie ist die Organisation aufgebaut, welche Ränge gibt es, wie kann man Punkte verdienen sozusagen? Und auch, welche Ethik steckt dahinter, wie sollte sich ein Judge verhalten am Judging-Tisch? Wie sollte man Feedback geben, sollte das konstruktiv sein, natürlich ja, und lauter solche Sachen. Also das wäre dann die nächste Stufe als National Judge. Und als National Judge darf man dann eben auch Examen organisieren und bekommt auch dafür dann natürlich wieder Erfahrungspunkte. Aber es macht halt einfach auch sehr viel Spaß, das machen zu können, weil man dann natürlich die Gelegenheit hat, wieder andere Bierbegeisterte kennenzulernen, dass man die Möglichkeit hat, die Proktoren, also die Referenz-Judges, die man für die Prüfung braucht, einladen zu können, die dann aus anderen Ländern kommen. Das war der HBCon beispielsweise, hatten wir den Marek Kamiński aus Polen da und jemanden aus Rom. Also da hat man dann einfach sozusagen Bier-Nerds aus allen möglichen Ländern, die man da zusammenbringen kann und das macht einfach immer riesen Spaß. Und auch generell ist es bei den Examen so, ich bin da ja auch relativ viel unterwegs grade in letzter Zeit wieder, wenn man dann dahinreist auch als Proktor, was ich dann als National Judge auch machen darf, dann darf ich selbst sozusagen der Referenzverkoster sein in Examen, die andere organisieren. Dann lernt man vor Ort immer die größten Bier-Nerds kennen und die wollen einem natürlich die ganze Stadt zeigen und was es zu alles zu bieten hat. Und das macht einfach riesen Spaß, wie du das wahrscheinlich auch von deinen Reisen kennst, Markus.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Also das ist ja überhaupt das Schönste daran, also andere Leute kennenzulernen, andere Kulturen kennenzulernen, andere Länder und da einfach durchaus auch immer wieder Themen jenseits des Bieres zu entdecken. Also Bier ist eine ganz tolle Gemeinsamkeit, aber es ist natürlich nicht alles und das ist einfach toll, dass man einfach über diese Gemeinsamkeit auf jeden Fall zueinanderfinden kann und damit auch einen guten Aufhänger hat, mal eine Beziehung zu starten, sage ich mal. Und dann gibt es eben die einen, bei denen geht es dann auch relativ schnell da drüber hinaus. Also ist der Marek zum Beispiel auch so ein Beispiel, wo wir einfach sehr schnell sehr viele andere persönliche Anknüpfungspunkte gefunden haben und mittlerweile auch wirklich befreundet sind. Und auch schon festgestellt haben, wo er herkommt aus Posen, da ja sogar eine Verbindung zu Bamberg besteht und da sogar eine Statur in der Stadt steht, die an die Bamberger Einwanderer erinnert, die da mal hin sind. Und wir haben dann in irgendeiner bierlaunigen Stunde mal beschlossen, eigentlich müssten wir die Rauchbiergeschichte neu schreiben, nämlich das eigentlich die Bamberger damals in Posen das Grodziskie kennengelernt haben und dann haben sie das nachhause gebracht, wie auch immer. Aber man merkt schon, also kann man sich vorstellen, wir hatten da das ein oder andere Bierchen und dann entspinnt sich sowas. Aber man sieht einfach, da entstehen wirklich tolle Geschichten, manchmal auch Blödeleien, aber einfach, ja, es ist eine ganz, ganz tolle Zeit. Und natürlich gehören da auch noch andere dazu, das wäre für mich vielleicht so eine abschließende Frage auch, du bist ja nicht alleine. Das heißt, wie ist das, wenn man so intensiv in dieses Thema einsteigt, wie ist es mit deiner Frau, mit deiner Familie, wie kriegst du das über einen Hut oder gibt es da mittlerweile auch schon Bewertungsbogen, was man da heute so richtig oder falsch gemacht hat, wie muss man sich das vorstellen?

Frank: Ja, ist natürlich auch so ein Thema, also ohne Verständnis von der Frau und Kinder geht sowas nicht. Da bin ich sehr glücklich, sehr dankbar, dass ich die habe, die erlauben mir das. Kann ich vielleicht auch eine kurze Anekdote erzählen, als wir da vorletzte Woche bei der HBCon waren, da hat meine Frau meiner Tochter eine Nachricht geschickt, dass sie unseren Sohn am Hbf abholt. Und da hat meine Tochter zurückgeschrieben, was ist denn Hbf, Hobbybrauerfreunde? Ja, also sowas kann dann passieren. aber ja, es gibt vermutlich Schlimmeres, ja. Also ich bin da sehr dankbar, sehr glücklich, habe es da sehr gut angetroffen, ohne das würde es nicht gehen.

Markus: Ja und andersrum natürlich auch, also ich glaube mal, deine Frau hat auch viel Spaß dran, ihr fahrt ja regelmäßig dann auch eben woandershin und seid auch immer wieder hier in Franken zu Gast und genießt dort die Zeit.

Frank: Richtig, ja.

Markus: Das kann man ja auch rund um das Bier, also insofern wirklich sehr schön. Und, ja, vielleicht abschließend, wir reden jetzt schon eine ganze Stunde und ich habe das Bier jetzt auch tatsächlich ausgetrunken, muss ich auch sagen, es passiert sehr selten, dass ich in einem BierTalk von einem Bier eine Flasche austrinke. Also insofern, das ist auch noch mal ein indirektes Lob an dieses Bier, das würde normalerweise so nicht passieren. Aber gibt es noch irgendwas, was dir noch wichtig wäre, was du gerne noch loswerden würdest rund um dich oder die BJCP-Geschichte?

Frank: Also ganz allgemein, falls sich jetzt jemand inspiriert fühlt oder Fragen dazu hat, kann sich jederzeit gerne an mich wenden. Auf sozialen Medien bin ich als humblebeer unterwegs oder auch einfach per Email an bjcp@gmx.de, das geht auch. Falls mir jemand gerne ein Bier zuschicken möchte zur Bewertung oder für Feedback, das geht auch jederzeit, einfach kurz anschreiben. ja, nee, ansonsten haben wir, glaube ich, sehr viele Punkte schon abgedeckt, ja. Und es hat ich sehr gefreut, bei dir zu Gast sein zu dürfen, Markus. Sehr toller Podcast, höre ich immer wieder gerne rein, sehr viele spannende Gäste. Und jetzt darf ich mich einreihen, ich bin stolz.

Markus: Ja, danke, also das freut mich natürlich auch. Und wir werden natürlich auch entsprechend alles verlinken, sodass die Leute dann auch leicht zu dir kommen. Und man merkt auch, wenn man früh genug damit anfängt, dann kann man sich auch so geniale Email-Adressen sichern, das ist natürlich eine sehr coole Geschichte. Aber das ist vielleicht noch meine Generation, weil ich bin ja in den 90ern so großgeworden, dass man so Domain-Hunting betrieben hat so, was gibt es noch, was hat noch keiner und was weiß ich was. Und es gab tatsächlich Domains, die habe ich für 5-stellige Summen verkauft, weil ich sie einfach zuerst hatte. Also es gab mal eine Zeit, da war das echt eine Goldgräberstimmung, aber ganz anderes Thema. Aber wir können ja das auch gerne mal fortsetzen, wenn wir einfach irgendeinen weiteren Wettbewerb oder ein anderes Erlebnis, können wir mal gucken, das freut mich auf jeden Fall.

Frank: Sehr gerne.

Markus: Und auch von meiner Seite aus vielen, vielen Dank, ich hoffe mal, das hat viele Leute auch ein bisschen inspiriert. Und vielen Dank auch, dass du diese ganze Zeit und Energie und Arbeit da reinsteckst, denn, ich meine, letzten Endes tut es uns allen in der Bierwelt gut, wenn es mehr Leute gibt, die sich da besser auskennen und sich profund damit beschäftigen und das muss eben jemand machen. Und das ist nicht so, dass man damit reich wird, sondern das ist eben wirklich ein Ehrenamt und dafür wirklich vielen Dank und vielen Dank für deine Zeit und für dieses wunderbare Altbier.

Frank: Danke, Markus, danke.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 138 – Interview mit Arthur Riedel, Biersommelier und Braumeister bei Bottroper Bier, Bottrop

Dieses Mal geht es tief ins Ruhrgebiet, genauer gesagt nach Bottrop. Begleite uns auf eine faszinierende Reise durch die Welt des Bieres mit unserem besonderen Gast, Arthur Riedel, dem ehemaligen Gesicht Deutschlands größter Biermarke und stolzen Gründer der Bottroper Bierbrauerei. Arthur war schon Teilnehmer bei den allerersten Seminaren der Deutschen BierAkademie und hat es bis zur Erfüllung seines Lebenstraums, der Gründung seiner eigenen Brauerei, geschafft. Im Talk teilt er seine inspirierende Geschichte – von den Anfängen in einer leerstehenden Kiosk-Immobilie bis zum Gewinn des Goldenen European Beer Star für das beste Kellerpils Deutschlands. Entdecke das authentische Ruhrpott-Feeling und wie Arthur mit Leidenschaft und Herzblut seine Brauerei zu einem regionalen Highlight gemacht hat. Also, schnapp dir ein kühles Bottroper Bier und genieße diese Episode…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute geht es mal in den Pott, also ins Ruhrgebiet. Wer die alten Folgen noch kennt, früher war ja Holger meistens mit dabei, für den wäre das ein Hochfest gewesen und ich bin mir sicher, er hört diesen BierTalk bald mit ganz viel Spannung und Freude an und fühlt sich dann ein bisschen zurück in seiner alten Heimat. Und, ja, wir sind also, wie gesagt, im Pott, wir sind im Ruhrgebiet, wir sind in Bottrop, wir sind bei unserem lieben Arthur Riedel. Einer der ältesten Biergefährten, in Anführungsstrichen, den die BierAkademie hat. Du warst bei unsern allerersten Seminaren dabei, bei den Masterkursen, begeistert von Bier und Schokolade, das war ein tolles Seminar, also viele schöne Sachen, die wir zusammen erlebt haben. Und du hast es wirklich geschafft, zu dem Gesicht Deutschlands größter Biermarke zu werden, also auch das muss man erst mal hinbekommen. Und die Krone der Evolution dann natürlich deine eigene Brauerei in deiner Heimat. Dass ist bestimmt auch so ein bisschen so ein Lebenstraum, den sich viele gerne verwirklichen würden, du hast es gemacht. Aber jetzt habe ich schon viel gesagt, vielleicht stellst du dich ganz kurz noch selber vor, zwei, drei Worte, was ich vielleicht noch vergessen habe.

Arthur: Ja, hallo Markus, grüß dich. Ich freue mich natürlich, dass ich jetzt beim BierTalk dabei sein darf, vielen Dank für die Einladung. Ja, kurz zu mir, Arthur Riedel, 51 Jahre alt, Braumeister und seit 2021 selbstständig mit 9 Freunden, wir sind zu zehnt und wir haben zusammen die Bottroper Bierbrauerei gegründet. Das ist jetzt der Schnelldurchlauf, da kommt noch einiges dazu, denke ich, im Laufe des Talks, ja.

Markus: Das denke ich mir, auf jeden Fall. Und natürlich auch noch die wunderbaren Bierchen, die du mir geschickt hast, drei an der Zahl, die dann bei mir eben eingetroffen sind, ein helles, ein dunkles und ein Doppelbock. Also auch wieder etwas sehr Schönes, wo ich mich als Franke natürlich auch völlig Zuhause fühle, bin ich schon mal ganz gespannt. Und, ja, vielleicht trotzdem kurz als erste Frage, bei zehn Freunden kommen einem ja immer elf Freunde in den Sinn. Waren es mal elf, waren es nie elf oder habt ihr jemals an diese Analogie gedacht?

Arthur: Haben wir und wenn man es genau nehmen will, der elfte Mann ist bei uns der Niklas, Niklas ist, ja, ein Junge aus der Nachbarschaft, der bei uns immer wieder mithilft und den wir jetzt mittlerweile als Arbeitskraft mit angestellt haben. Er ist nicht mit dabei als Gesellschafter, aber volles Mitglied, so kommen wir auf 11, plus unseren Frauen, die im Hintergrund sind und da haben wir praktisch eine komplette Fußballmannschaft zusammen, ja.

Markus: Na, dann bin ich ja wieder beruhigt. Und dass ist ja auch was, was im Ruhrgebiet durchaus wichtig ist und da muss man vielleicht auch ein bisschen dieses Lebensgefühl noch mal kurz den Menschen erklären, die das nicht so kennen. Also Bottrop ja eine Stadt eben, wie gesagt, mitten im Pott, da war die letzte Steinkohlezeche, die noch aktiv war. Noch heute laufen rund um die Uhr Pumpen, die dafür sorgen, dass das Stadtzentrum nicht im Wasser versinkt, weil es eigentlich tiefer liegt als das Wasser drum rum, aufgrund der Bergbaugeschichte. Also wirklich ganz viel Tradition, di man heute auch noch spüren kann. Du bist da groß geworden, wie ist es da, beschreib doch mal das Ruhrpott-Feeling für Anfänger.

Arthur: Ja, Ruhrpott-Feeling für Anfänger, Ruhrpott ist was Eigenes, also da hast du erst mal schon mal die eigene Sprache, unser Ruhrpott-Platt, wenn man so will. Der Umgang ist recht derbe aber herzlich untereinander und so ein gesunde Lokalpatriotismus ist da. Und Fußball, wie du sagst, spielt schon eine sehr große Rolle. Also da wird man reingeboren in einen Verein und dem bleibst du dein Leben lang treu. Und wir haben ja auf einer Länge von Dortmund bis Duisburg auf diesen 40 Kilometern auf der A40, mit Drittligaverein kommen wir auf bestimmt 10, 15 namhafte Vereine. Und da gibt es schon eine gute Rivalität, aber auch alles so schön im Bereich, so würde man das sagen, das Gefrotzel an der Theke und so, das gehört bei uns alles dazu.

Markus: Ja und auch eine interessante Mischung an Menschen. Wenn man überlegt, vor 150 Jahren waren das alles irgendwelche Dörfer und dann kommt die Industrialisierung, dann kommen die Kohlereviere. Dann kommen ganz viele Arbeiter, grade aus den damaligen ostpreußischen Gebieten, die sogenannten Ruhr-Polen und auf einmal ist die einheimische Bevölkerung in der Minderheit und plötzlich sind es Großstädte, überall raucht es, dampft es und zischt es und ein Selbstbewusstsein kommt natürlich auch auf, diese Malocher-, Arbeitermentalität. Ist das noch was, was man heute spürt in der Stadt?

Arthur: Ja, also ein absoluter Schmelztiegel. Meine eigene Vergangenheit ist auch, du sagst Ostpreußen, Oberschlesien, auch Bergbaugebiet. Viele Oberschlesier sind nach dem zweiten Weltkrieg in den Ruhrpott gekommen und das ist halt der Schmelztiegel, die ganzen immer SKIs, Skibowski, Kwiatkowsky, Kaschinski und wie sie alle heißen, die haben halt die Vergangenheit. Dann kam diese Welle mit den Gastarbeitern aus Italien, Griechenland, Türkei. Also wir sind schon ziemlich multikulti und da funktioniert das unheimlich gut. Also da sind wir ganz froh, dass passt gut zusammen.

Markus: Und ist dann grade so ein klassisches Bier wie ein Helles und ein Dunkles was, was Leute dann auch zur Identifikation so ein bisschen wollen oder brauchen?

Arthur: Also das Helle und das Dunkle, die Namen bei uns, das ist der Einfachheit geschuldet. Der Ruhrpottler an sich ist eher einfach, da wird kein großes Geschiss drum gemacht. Unser Helles ist kein klassisches Helles, sondern das ist so ein Kellerpils. Für uns war ganz klar, wir sind eine Pilsener-Region, da war das Pils gesetzt. Und als ich zu meinen Kollegen sagte, ich will aber noch ein zweites Bier mit dabei haben, dann sagte, ich will ein Dunkles dabei haben, da sind die direkt zusammengezuckt. Die hatten Köstritzer Schwarzbier sofort vor Augen und, klar, ein tolles Bier, wir kennen es. Und das ist aber halt ein Bier, davon trinkt man ein oder zwei und dann ist die Aromatik so intensiv, dass dann der Reiz da zum Weitertrinken nicht gegeben ist, und unser Dunkles ist halt ein Bayrisch oder ein Fränkisch Dunkel. Und die beiden Biere haben sich bei uns gut etabliert, also da sind unsere beiden Brot- und Butterbiere. Das Helle, stellen wir fest, also das Pils läuft in der warmen Jahreszeit deutlich besser und in der dunklen Jahreszeit läuft das Dunkle besser. Das hat sich echt bei uns so ganz gut etabliert, ja.

Markus: Ja, passt ja auch gut. Und ich finde auch schön, diese handlichen Flaschen. Also zumindest bei mir kam es hier in wunderbaren 0,33er-Flaschen an. Ich habe jetzt einfach mal das Helle in der Hand, weil, nachdem du grade schon so drüber gesprochen hast, muss ich sagen, kriege ich auch richtig Lust, dass wir es zusammen aufmachen, mit deinem Einverständnis natürlich.

Arthur: Klar.

Markus: Und was ich auch ganz toll finde, da prangt ein European Beer Star drauf. Also ich glaube, das können nur ganz wenige Braumeister, vor allem von so kleinen Brauereien, von sich behaupten, dass sie den gewonnen haben, da werden wir auch gleich noch drüber sprechen. Und dann steht da drauf: … und dann fängs´e schnell am Singen. Mal schauen, ob wir dich noch zum Singen bringen, aber auf jeden Fall sollten wir es mal aufmachen. Ich mache mal und tue mal ins Glas. Ich glaube, du hast schon losgelegt, oder?

Arthur: Ja, ich bin jetzt auch grade dabei, es zischt, ja.

Markus: So, da ist es. Apropos Singen, wie hättest du es gern, willst du erst was dazu sagen, soll ich meine Eindrücke schildern, wie würdest du es?

Arthur: Also diese Zitate, die wir da drauf haben, ich weiß nicht, wie weit dir Adolf Tegtmeier oder Jürgen von Manger was sagt.

Markus: Ja.

Arthur: Das ist so ein Ruhrpott-Comedian und der hat das Lied „Griechischer Wein“ auch auf Bottroper Bier umgedichtet. Und in dem Lied „Bottroper Bier“ kommt genau dieses Zitat vor und dann fängs´e schnell am Singen, also ein absoluter Gassenhauer aus den 70er-Jahren. Wir Bottroper sind natürlich davon überzeugt, dass der Udo Jürgens das Lied geklaut hat und den Text auf „Griechischen Wein“ umgedichtet hat, aber so ganz geklärt ist das aus unserer Sicht noch nicht, ne.

Markus: Ja, aber den Comedian kenne ich natürlich auch aus meiner Jugend, der war ja früher auch viel im Fernsehen. An dieses konkrete Lied kann ich mich nicht erinnern, aber ich werde das gleich nachholen, wenn wir fertig sind, da freue Ihnen mich schon drauf, spannend.

Arthur: Also ist ein Original und passt wie die Faust auf´s Auge, da wird von einem Arthur gesungen und Kneipe und Ruhrpott-Milieu und so. Und Bier ist natürlich der Schlager und der Headliner in dem ganzen Lied, also das passt unheimlich gut zu uns, ja.

Markus: Wunderbar. Also ich fange mal ein bisschen das Singen an, du kannst ja dann mit einstimmen. Also auf jeden Fall haben wir ein wunderbares goldenes, hellgoldenes Bier im Glas, schöner weißer Schaum, eine schöne Trübung. Und was mich am meisten begeistert hat auf den ersten Riecher sozusagen, ist die Nase, weil das für mich sehr viele Erinnerungen weckt. Also als ich jung war, das ist ja mittlerweile auch schon vier Jahrzehnte her oder so, aber da war es noch üblich, dass wir in Bamberg zum Beispiel, wir haben in einem großen Haus gewohnt, da gab es dann zwei-, dreimal im Jahr so eine Hausparty. Und das waren dann insgesamt, war ein Hochhaus, waren 50 Leute oder 60 und da hat man dann immer ein großes Fass Bier von irgendeiner der Bamberger Brauereien geholt. Und es war natürlich dann immer ein großes Highlight, wenn man dann dieses Fass, also damals bestimmt ein 50er-Fass, also richtig groß, wen man das angestochen hat und dann dieses erste schöne geniale helle Kellerbier ins Glas geflossen ist. Und dann erinnert man sich grade als Kind natürlich an Gerüche und so, und das riecht wirklich genauso. Also eine richtig schöne Mischung aus einerseits karamelligen, malzigen, getreidigen Tönen und auf der anderen Seite aber schon kräftige Hopfennote, auch schöne kräutige, leichte Citrusnote, spritzig auch von der Hefe, so eine schöne Frische. Und insgesamt sehr, sehr einladend, also was, wo man richtig, ja, eben Lust drauf bekommt und erinnert mich total an diese Biere, die ich da in meiner Jugend kennengelernt habe. Und das waren natürlich auch die Biere, die dann auch gelaufen sind, sagt man bei uns ja so schön. Also kann ich mir vorstellen, dass das bei euch auch so ist.

Arthur: Ja, das ist unser Anspruch, genau. Wir wollen unbedingt ein Bier haben, klar, es muss handwerklich topp ausgebraut sein, aber es soll zum Weitertrinken einladen. Grade wenn man bei uns unterwegs ist oder in unserem Ausschankraum steht, da wird keiner nach dem ersten Bier gehen, das ist immer unser Ziel.

Markus: Ja und du sagst, ein Kellerpils. Also ich glaube, das ist auch eine moderne Geschichte, früher waren das einfach die hopfenbetonteren Kellerbiere, mehr oder weniger, würde ich mal so sagen. Oder wie würdest du sagen, weiß ich gar nicht.

Arthur: Also unser Bier, wir müssen kurz schauen, was bei uns so verbreitet ist. Also drum herum sind große Industriebrauer, wir haben auch den Mittelstand mit Stauder in Essen und dass sind die Biere, wo unsere Kundschaft mit vertraut ist. Ich mache ja auch viele Bier-Tastings bei uns in der Brauerei und der Kunde ist schnell überfordert bei uns, wenn es zu speziell wird. Also müssen wir ein Bier haben, dass den Kunden anspricht, aber ein bisschen anders ist noch als die, ich sage jetzt mal, die großen industriellen Biere, aber noch nicht dazu neigt, zu überfordern. Das unser Kunde halt Spaß hat und sagt, oh, das schmeckt aber gut, das schmeckt anders, schmeckt ein bisschen intensiver. Und ich glaube, damit haben wir, mit dem Bier, haben wir das schon ganz gut hinbekommen.

Markus: Ja, also dem kann ich nur zustimmen. Ich habe mittlerweile einen Schluck genommen und muss sagen, es hat auch eine schöne Honignote, ganz angenehme Süße, ist aber trotzdem richtig schlank, also fast trocken und hat eine ganz tolle Bittere, die dann hinten raus kommt und sehr nobel ist, sehr spitz ist, sehr lange bleibt. Und ich kann mir gut vorstellen, dass das deutlich anders rüberkommt als das, was die Leute da so kennen, aber eben auf eine sehr angenehme Art und Weise. Weil durch das Malzige eben irgendwie auch ein bisschen süß und durch diese kräftige Bittere aber auch ein bisschen Selbstbewusstsein, ein bisschen, ja, nobler ist vielleicht das falsche Wort, aber halt für viele vielleicht gefühlt, ja, besser, ist vielleicht ein falsches Wort, ich weiß es nicht, aber, wir sind ja kein politisch korrekter Podcast, also dass ist das, was, glaube ich, bei den Leuten im Kopf ankommt. Und wo man dann ja auch vergleicht mit dem, was man sonst so hat und sagt, okay, das ist ein Bier, da lächele ich einerseits mehr und andererseits habe ich ein bisschen mehr diesen Eindruck, Mensch, ich habe ein tolles Bier getrunken. Und das ist, glaube ich, dann was, was verhaftet bei den Leuten, ne?

Arthur: Also unser Stammpublikum ist irgendwo so zwischen 40 und 65 und das sind noch die alten Pils-Trinker und bei denen kommt ein intensiver gehopftes Pils oder ein Bier in der Art recht gut an. Die können sich noch an die Zeiten früher erinnern, als die Pilsbiere im Ruhrpott auch alle kräftiger gehopft waren und das finden die schon alle recht angenehm.

Markus: Sind da noch viele dabei, die auch unter Tage waren?

Arthur: Ach nee. Das war, also bei mir war 90, bin ich von der Realschule gegangen und die, die damals noch zur Zeche gegangen sind, das war schon mit dem Bewusstsein, wir machen da die Ausbildung, aber dann wird auch Schluss sein. Also so diese richtige Petrologengeneration, das sind Leute wie mein Papa, der ist jetzt um die 80, mit seinen Kollegen, die waren noch richtig unter Tage viel. Und alles, was so nach den 90ern kamen, die haben zwar noch ein paar Jahre unter Tage gearbeitet, aber das war auch nicht mehr die Arbeit von dem Anspruch her, von dem körperlichen Anspruch vergleichbar mit dem, was sie in den 60er-, 70er-Jahren hatten.

Markus: Ja, das stimmt. Da gibt es ja oft diese Bilder, die man manchmal sieht, wie sie da in diesen Aufzügen zusammengepfercht da runterfahren und alles ist schwarz, man sieht nur noch die Augen dazwischen. Dass ist schon irgendwie, also einerseits wird das ja oft so ein bisschen romantisch verklärt, auf der anderen Seite muss das eine unglaublich harte und grausame Arbeit und Arbeitsumgebung natürlich auch gewesen sein und natürlich auch nicht ungefährlich, insofern spannend. Und ich frage mich auch immer so ein bisschen, wie das ist, wenn du das so sagst, so eine Generation, die eine Ausbildung macht in die Arbeitslosigkeit, also das ist schon irgendwie krass oder, wenn man sich das überlegt. Das gibt es ja heute auch noch Brandenburg oder so, ne?

Arthur: Nee, also so ist das nicht gelaufen, in die Arbeitslosigkeit sind die gar nicht gegangen, weil der Bergbau, der hat seine Leute sehr gut ausgebildet und wer dann Elektriker oder Schlosser gelernt hat, das waren ja so diese Standardberufe, die sind auch alle irgendwo wieder untergekommen danach. Also viele sind dann auch abgewandert von den Bergmechanikern, die ausgebildet wurden, die haben sich dann im Tunnelbau, haben die sich dann weiterbeschäftigt. Und das, was so diese Basis gelernt hat, Schlosser oder Elektriker, die sind in vielen anderen Unternehmen untergekommen, also wir haben schon einen sehr guten Strukturwandel mittlerweile im Ruhrgebiet.

Markus: Ah, das ist interessant. Danke schön, gut zu wissen. Und heißt ja dann, dass diese ganzen eben Bergbauberufe ihren Widerhall auch an der Oberfläche sozusagen hatten, wo die Leute dann ja auch unterkommen können. Ja, also auf jeden Fall ein schönes Bierchen, du sagst, klassisch hergestellt, lange ausgelagert. Was macht das Bier für dich von der Braumeisterseite aus?

Arthur: Wir arbeiten, also grade für mich, der jetzt aus Großbrauereien kommt und das Handwerk vor ja über 30 Jahren kennengelernt hat, da kannte ich das noch mit offener Gärung und Lagerung in liegenden Lagertanks und da hat das Bier aber auch seine sechs Wochen kalt bei 0 Grad bekommen. Und das waren für mich so Qualitätsmerkmale, die wollte ich für uns wieder umsetzen. Also wir haben eine Hauptgärung, wir machen ein Eintankverfahren und haben eine Hauptgärung von circa 12 bis 14 Tagen bei 12 Grad Celsius, dann kühlen wir das Bier runter auf 0 Grad Celsius und lassen es noch mal 6 Wochen nachreifen, dadurch setzt die Hefe sich sehr gut ab. Und wir haben keinerlei Probleme mit, ja, Hefen, die in sehr unansehnlicher bröckliger Form ausfallen, aber dadurch hat das Bier auch eine schöne Reife und ein gutes Aroma, einen guten Geschmack, ja.

Markus: Ja, ich finde, das merkt man auch, also es ist halt sehr rund. Also die Einzelteile, die durchaus kantig sind, fügen sich schön zusammen und sind dadurch eben, geben ein schönes rundes Ergebnis und das macht dann dieses vermeintlich einfache Bier wieder zu einem sehr schönes Komplexen und gibt eben dadurch, genau wie du sagst, diese Lust auch, da gerne dabei zu bleiben und noch ein zweites oder drittes zu machen. Gehen wir doch vielleicht erst mal in die Bottroper Brauereigeschichte, was habt ihr denn da für eine Brauerei stehen? Also wie kam das, hast du die konzipiert oder ist die vom Himmel gefallen oder war die schon da, wie war das?

Arthur: Bei uns war es so, wir sind 10 Freunde, die sich zusammengetan haben, kennen uns teilweise schon seit über 40 Jahren, der Älteste ist jetzt 61, der Jüngste ist 48. Klar, die werden in der Jugend nicht zusammen in einer Mannschaft Fußball gespielt haben, aber so im großen Bekanntenkreis mehr oder weniger kannte man sich, die meisten von uns kommen auch aus demselben Stadtteil. Und wie das halt so ist bei Jungs, nach der Ausbildung, nach dem Studium hat sich das Ganze ein bisschen zerlaufen, wir haben uns da lange Zeit auch nicht gesehen. Und als der Letzte von uns vor 10, 12 Jahren geheiratet hat, waren mal wieder alle zusammen. Und wie das auf so einer Hochzeit ist, irgendwann stehen die Kungs draußen, Bierchen, Zigarette und dann steht dieser alter Trupp da so zusammen, ich gucke mir die Jungs an und dann sagte ich zu denen: „Ja, Männer, in der Konstellation haben wir uns schon ewig nicht mehr gesehen. Jetzt hat der Letzte von uns geheiratet, wie lange wollen wir jetzt mit dem nächsten Treffen warten, bis wir die erste Beerdigung haben oder wie habt ihr euch das gedacht?“ Ja gut, dann gab es wieder lange Gesichter, du und Beerdigung und so. Sage ich, aber ist doch wahr, welchen Anlass nehmen wir denn jetzt? Und dann hat ein Kollege das ganz aktiv angepackt und der hat das so organisiert, dass wir uns dann einmal im Jahr im Sauerland, in Winterberg getroffen haben. War so ein Männerwochenende, war eine schöne Geschichte. Zu der Zeit war ich schon Biersommelier, da haben ich immer zu diesen Anlässen auch verschiedene Bieren mitgebracht, die wir dann verkostet haben, war immer recht gesellig, hat Spaß gemacht. Und irgendwann, das war 2017, als wir uns getroffen haben, haben die Kollegen mich gefragt, ob wir uns nicht mal in Olpe treffen können? Dort lebe ich, weil ich ja zu der Zeit bei der Krombacher Brauerei gearbeitet habe. Ja, ob wir nicht mal die Brauerei besichtigen können? Ja, da sind die 2018 nach Olpe gekommen. Ich habe zu der Zeit ein kleines Sudwerk mit 20 Litern schon gehabt, habe dann für den Anlass einen dunklen Bock gebraut, den haben die verkostet, haben Spaß dran gehabt. Danach sind wir zur Krombacher Brauerei gefahren, haben die besichtigt. Ich glaube, der ein oder andere hatte das erste Mal in seinem Leben unfiltriertes Bier probiert, fanden sie auch gut. Ja, das war dann halt ein nettes Wochenende im Oktober und Anfang Dezember kriege ich einen Anruf, wir wollen eine Telefonkonferenz mit dir machen. Ich sage: „Was habt ihr denn, habe ich irgendwas ausgefressen?“ Nee, dann saßen auf der anderen Seite in Bottrop, saßen dann 8 oder 9 von den Kollegen und ich saß alleine in Olpe und dann ging das Thema los mit, wir wollen auch Bier brauen. Sage ich: „Wie stellt ihr euch das vor, das ist doch nicht mal eben?“ Pass auf, wenn du das kannst, dann können wir das auch, ne, Wertschätzung von Kollegen. Und Ende vom Lied war dann halt, wir haben zu zehnt einen 50-Liter-Sudwerk gekauft und haben dann am 01. Mai 2019 im Keller von einem Kollegen, haben wir das erste Bier gebraut, deshalb Bottroper Bier seit 2019. Und so ist das Ganze dann losgegangen. Du kannst dir ja vorstellen, wenn 10 Kerle zusammen Bier brauen, dann hat jeder noch mal mindestens 5 Freunde, das war natürlich für uns zu wenig. Es hat sich rumgesprochen, wir haben Spaß gehabt, unsere Freunde haben Spaß gehabt und dann kam der Gedanke auf, in jeder Stadt drum herum gibt es eine Brauerei, nur in Bottrop nicht, wollen wir nicht in Bottrop wieder eine Brauerei aufmachen und so ist das Ganze dann entstanden.

Markus: Wahnsinn! Also fast eine Bilderbuchgeschichte eigentlich. Ja und viele dieser Bausteine, kann ich mir sehr gut vorstellen, also Winterberg war ich auch des Öfteren schon, auch interessante Abende verbracht, durchaus auch mit Freunde. Und, ja und auch die Situation kenne ich gut, wenn man mit seinen alten Freunden zusammen sitzt. Also in meinem Freundeskreis gab es auch tatsächlich schon die ersten Beerdigungen und das ist dann tatsächlich so ein Thema, wo man sich dann zusammensetzt und sagt: „Okay, so Baum gepflanzt, Haus gebaut, Sohn gezeugt oder so, was machen wir denn jetzt noch?“ Und da ist Brauerei eigentlich eine ziemlich schöne Perspektive, die ja dann irgendwie auch Spaß macht und auch wieder zusammenführt offensichtlich. Und finde ich cool, also auch, dass die dann in dir auch den Kristallisationspunkt gesehen haben. Wie ging es dann weiter, also dass es dann zu einer professionellen Geschichte wurde?

Arthur: Ja, dann ging das Ganze los mit der Suche einer Immobilie, wo wir das machen können. Wir haben verschiedene Vorstellungen, Ideen gehabt. Mein Traumwunsch war eine große Industriehalle, Zeche oder halt einfach was Industrielles, große Halle, roter Backstein, viel Platz. Das war aber für uns nicht finanzierbar, das war schon alles weg und nicht machbar. Und in dem Stadtteil, in dem wir alle großgeworden sind, Bottrop-Fuhlenbrock heißt der, da haben wir einen Kiosk, an dem wir schon als, ja, Kröten sagt man bei uns, die Klümpchen geholt haben, dann später Zigaretten und alles, was man so brauchte, um erwachsen zu werden und dieser Kiosk stand zu dem Zeitpunkt seit 12 Jahren leer. Einer von unserer Truppe ist zu dem Inhaber marschiert, hat den dann gefragt: „Hör mal, was hast du mit dem Haus vor?“ Und das war ein alter Fuchs, der sagte sofort: „Was habt ihr denn damit vor? Ja, wir wollen eine Brauerei aufmachen. Da hat der sich erst mal weggeschmissen, wollte uns das Ganze nicht glauben, aber irgendwann hat der gemerkt, die Jungs meinen das wirklich ernst und dann konnten wir dieses damals 137 Jahre alte rote Ziegelbacksteinhaus, konnten wir Anfang 2020 kaufen. Haben das dann ein Jahr lang renoviert, bis wir einen Standard hatten, dass wir eine Brauerei, also einen Lebensmittelbetrieb darein machen können, dass wir einen Ausschankraum dabei. Und, ja, ich kann dich nur einladen, wenn du bei uns in der Ecke bist, komm vorbei, damit du siehst, wie wir die Gebäudestruktur erhalten haben, das Ganze hat so einen eigenen Charakter, einen eigenen Charme. Und da haben wir 2020 komplett ein Jahr lang renoviert, bis wir in der ersten Januarwoche 2021 anfangen konnten zu brauen. Ja und dann ist es losgegangen, mit 4 Lagertanks. Und es ist relativ bescheiden losgegangen. Das heißt, wir haben ein 10-Hektoliter-Sudwerk gekauft, 2 Geräte-Sudwerke und 4 Lagertanks dabei. Und dann war jeder Tank oder ist bei uns 8 Wochen belegt und dann haben wir praktisch alle 2 Wochen 1.000 Liter Bier gehabt, 10 Hektoliter. Und unser Anspruch war, regelmäßig den Kiosk aufzumachen. Und als wir losgelegt haben, war ein Andrang, das war der Hammer, also wir waren innerhalb von Stunden, waren wir ausverkauft. Wir haben das halt versucht, mit Wartelisten zu regeln, hat auch nicht funktioniert. Und als wir den Verkauf an einem Mittwoch vor dem Christi-Himmelfahrt-Donnerstag hatten, hatten wir vor unserem Kiosk eine Schlange, die war fast 300 Meter lang. Also da ist noch zufällig einer von der Bottroper-Online-Zeitung, der wollte mal eben Bier holen. Weil, wir haben einen 6-Träger fertiggemacht, es gab einen halben Liter Helles, ein halben Liter Dunkles, ein Glas von uns dabei, ein Glas mit Bismarck-Hering für den Tag danach und dann gab es noch ein Schnäpschen dabei. Das war halt so ein Paket, bei den Vätern unheimlich beliebt und da wollte jeder noch was haben. Und als der von der Online-Zeitung mal was holen wollte, der ist einmal bei uns vorbeigefahren, auf der anderen Seite ist ein Kreisverkehr, der hat gedreht, ist zurückgefahren, hat seine Kamera eingeschaltet., und dieses Video gibt es, glaube ich, noch bei YouTube, also der ist dann ganz langsam die Schlange abgefahren. Es sind neue Freundschaften entstanden, die Leute haben alle ein Bier gekriegt und, ja, war ein Wahnsinnsding, also hat schon mächtig Spaß gemacht.

Markus: Ja und ihr habt natürlich da auch durch den glücklichen Zufall, wie auch immer man das bezeichnen mag, mit der Pandemie, auch noch mal was, was natürlich eine Geschichte ist, die alle berührt hat, alle verbindet. Und wo genau solche Sachen dann eben, wo man da neue Freundschaften finden kann, wo es auch positive Storys gibt und so, das, glaube ich, verbinden viele Leute auch damit und dann bleibt es dann auch noch mal positiver in Erinnerung. Wie war das denn, also ich meine, auf der einen Seite habt ihr dann ja auch ein bisschen Glück, in Anführungsstrichen, gehabt, weil das heißt ja, eure Hauptrenovierungszeit fiel ja dann in dieses erste Lockdown-Jahr, wo wahrscheinlich eh alle ziemlich viel Zeit hatten oder, war das so?

Arthur: Ja, die Problematik war für uns, klar, viele hatten Homeoffice, aber wir durften nicht mit mehr, ich glaube, die Auflage war 2 oder 3 Leuten, auf der Baustelle sein. Das heißt, wir haben in Schichten gearbeitet, wir haben uns abgewechselt. Es gab ja auch unheimliche Auflagen, wie viele Personen zusammen sein dürfen und all so ein Zeug. Und das haben wir dadurch geregelt, dass wir dann halt in Schichten gearbeitet haben und viel auch in Eigenleistung machen konnten. Also das war Fluch und Segen zugleich. Und auf der anderen Seite das, was sich daraus entwickelt hat, das wurde von den, ja, Bürgern und von den Medien halt sehr positiv aufgenommen, weil es waren mal positive Nachrichten, die verkündet werden konnten, Bottroper Bier hat aufgemacht, es gibt Bottroper Bier und der Andrang und Party und, und, und. Also alles, was wir gemacht haben, wurde halt sehr wohlwollend aufgenommen und halt entsprechend auch kommuniziert und das tat uns unheimlich gut. Und eine Geschichte, die sich dann daraus entwickelt hat, im September 2021 war in Bottrop ein Musical, also relativ kleine Veranstaltung und die haben uns eingeladen und haben gebeten, dass wir unser Bier dort ausschenken, in Flaschen rausgeben. Dann gab es auch eine größere Firmenfeier, die wollten auch unser Bier haben. Und wir haben dann im September unser Bier mit so 2 Einarmfüllern also komplett immer abgefüllt und das, was abgefüllt war, ist in Kisten gegangen. Unsere Kunden konnten am Kiosk das Leergut zurückgeben, konnten aber nichts Frisches mitnehmen. Ja und das war für beide Seiten frustrierend. Also wir haben Leergut angenommen, wir haben Bier in der Brauerei gehabt, aber wir konnten nichts verkaufen, weil wir das Bier halt für die Events gebraucht haben. Und dann war für uns die Frage, wollen wir auf diesem kleinen Niveau weitermachen, dass alle Leute nur unglücklich macht oder packen wir es an und vergrößern uns? Und das war dann halt der Zeitpunkt, wir haben mit einem befreundeten Architekten gesprochen, der hat sich dann unser Grundstück angeguckt, was man da machen kann. Und dann haben wir 2022 eine Halle mit 160 Quadratmetern drangebaut, noch mal 6 Tanks dazu gekauft, einen Füller dazu gekauft und jetzt sind wir halt auf dem Weg, dass wir weiter ausbauen, zweimal die Woche öffnen können. Wir haben jetzt mittlerweile 15 oder 16 Handelspartner, die unser Bier auch mit vertreiben und wir haben uns in der Region, glaube ich, ganz gut etabliert, ja.

Markus: Ja, das ist doch eine wunderbare Geschichte, auch schön zu hören und auch schön zu hören, dass die Leute da eben auch eine Verbindung wieder zu ihrem Bier, zu ihrer Region finden. Und ich bin auch wirklich schon sehr gespannt, die Einladung wurde registriert, wenn ich mir das dann vor Ort anschaue. Also auch grade das finde ich immer toll, wenn man es eben hinbekommt, die lokale Architektur in Verbindung, in Einklang zu bringen eben mit einer neuen Nutzung. Wobei natürlich bei einem Kiosk irgendwie die Nutzung schon immer auch da war, dass man da offensichtlich auch was getrunken hat, insofern ist es ja nur eine Weiterführung, aber auf jeden Fall freue ich mich da schon drauf, dass zu sehen. Und ich kann mir auch vorstellen, ich meine, gut, wenn jemand von der Krombacher Brauerei kommt, also werden wir auch gleich noch ein bisschen drüber sprechen, aber dann hat man natürlich schon eine andere Sudgröße im Kopf. Das heißt also, für dich ist dann schon auch klargeworden, okay, an der ein oder anderen Stelle, da macht es dann eben Sinn, schrittweise zu erweitern, die Kapazitäten und so. Also das heißt, du hast dann auch eine Menge Erfahrung mitgebracht, die, glaube ich, diesem Projekt viel geholfen hat, ne?

Arthur: Ja, also die Erfahrung habe ich aus Großbrauereien mitgebracht. Ich habe ja gelernt, meine Ausbildung habe ich gemacht von 92 bis 95 in Duisburg bei der König Brauerei, dann bin ich nach Kulmbach und Bayreuth, um dort meinen Handwerksbraumeister zu machen, das war 98/99. Und dann war ich noch bis 2008 bei der König Brauerei und habe 2008 von der König Brauerei zur Krombacher Brauerei gewechselt und da war ich Braumeister, also Abteilungsleiter. Da hat man sich aber sehr spezialisiert, also bei Krombacher jetzt war ich verantwortlich für die Filtration, für die Herstellung der Biermischgetränke, für die Planung. Und bei 8 Abfüllanlagen und bei der Größendimension, die Krombacher hat als größte Brauerei in Deutschland, da musst du mit einem Drucktank da zusehen, dass die Biere entsprechend da sind, auch die Biermischgetränke und so, das war mein Hauptjob. Also von der Brauerei, von dem Handwerk des Brauens, von der Entwicklung der Biere, war ich von meinem Job her relativ weit entfernt. Dadurch, dass ich Biersommelier war, habe ich wieder einen guten Draht mit der Forschung und Entwicklung gehabt, da konnte man dann auch ein bisschen was machen. Aber für die Geschichte mit der Bottroper Bierbrauerei, da musste ich mich ganz wieder zurückdenken in die kleinen Bereiche. Also wir haben jetzt ein 10-Hektoliter-Sudwerk, wir haben 10- und 20-Hektoliter-Tanks, da arbeitest du mit ganz anderen Dimensionen. Und da habe ich unheimlich viel zulernen können, zulernen dürfen, auch ein bisschen die Erfahrung mit reinbringen können, aber war viel Umstellung. Also das war schon sehr spannend für mich, die Zeit, ja.

Markus: Ja und was du natürlich auf jeden Fall hast, ist ein sehr, sehr großes Netzwerk und das hat dir ja wahrscheinlich auch da gut geholfen.

Arthur: Absolut.

Markus: Bevor wir da noch weitersprechen, würde ich sagen, also dass ist jetzt ein bisschen falsch, allegorisch zu sagen, wir sind auf der dunklen Seite der Macht angekommen, aber wir haben ja jetzt einfach noch ein schönes dunkles Bier. Und nachdem mein Helles sich schon irgendwie ganz schnell verabschiedet hat, wollte ich mal fragen, wollen wir vielleicht mal das Dunkle zwischenrein angehen, bevor wir weitersprechen?

Arthur: Ja, sehr gern.

Markus: Na gut, dann machen wir.

Arthur: Ich hatte auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dir nach Franken 1/3-Liter-Flaschen zu schicken, aber da habe mir gedacht, der soll sich mal an unsere Pott-Größe gewöhnen, der Franke, wir haben aber natürlich auch 1/2-Liter-Flaschen da, ja. Also wir haben 1/2-Liter-, 1/3-Liter-Flaschen und saisonal, so wie jetzt vor Ostern, haben wir auch 1-Liter-Flaschen im Angebot.

Markus: Na, wunderbar. Außerdem, muss ich sagen, du hast ja eben nicht nur eine geschickt, sonst wäre ich vielleicht wirklich ein bisschen traurig gewesen, aber so ist es doch wunderbar, dann greift man halt ein bisschen öfter zu, auch okay. Und ich meine, als Franke kann man ja sagen, so ein Schluck pro Flasche ist ja auch schön. Nein, also machen wir hier mal auf, so. Huih! Ja, also wie du schon angekündigt hast, also ein schönes Dunkles und zwar eher in dieser fränkischen Variante, also jetzt nicht pechschwarz, sondern kastanienbraun, aber richtig intensiv, mit einem schönen Leuchten, so ein orange-goldener Schimmer, der einem so ein bisschen entgegenspringt. dann ein richtig schöner brauner getönter fester Schaum, der da oben draufsitzt. Und von der Nase her ganz viel so Nuss, Nuss-Nougat, ein bisschen rote Beeren, Malz natürlich, Karamell und auch sowas Frisches wieder. Also das, finde ich auf jeden Fall, war beim Hellen ja auch schon so, eine richtig schöne angenehme frische Note. Ja, also ich muss mal einen Schluck nehmen, Moment.

Arthur: Gönn dir.

Markus: Ja, wunderbar. Also da sieht man, dass die beiden durchaus miteinander verwandt sind, aber halt die Parameter sich verschieben. Jetzt heißt es, ein bisschen mehr Süße, ein bisschen mehr Malzkörper. leichte schöne Röstaromen, aber jetzt nicht ganz intensiv Kaffee oder so, sondern eher so Nuss, nuss-nougatig.

Arthur: Es sollten ganz dezente Noten sein, was das Dunkelmalzige anging. Röstig wollte ich gar nicht drin haben, das kann ich bei meinen Spezialbieren gerne mit reinbringen. Aber auch das soll ein Bier sein, wir haben Gäste, die stehen auf das Dunkle, also die Biere polarisieren, die einen stehen absolut auf das Helle, die anderen auf das Dunkle. Und die sagen, das ist ein Dunkles, dass kannst du den ganzen Abend sehr gut trinken und so wird das auch wahrgenommen.

Markus: Ja und es hat auch wieder eine schöne kräftige Bittere und die hat hinten raus so, wie soll ich es beschreiben, fast was Mentholiges irgendwie, also so ein bisschen was Erfrischendes auch noch mal, was schön die Süße wieder abfängt, also ganz, ganz angenehm. Arbeitest du da mit besonderen Hopfen?

Arthur: Da nehme ich bei beiden Bieren, nehme ich Hallertau Perle.

Markus: Ah ja, schön.

Arthur: Also eher ein klassischer Hopfen, und die letzte Hopfengabe erfolgt bei mir im Whirlpool, damit noch ein bisschen die Aromen mitziehen kann. Beim Dunklen, denke ich, kommt ein bisschen Bittere auch über die Röstmalze mit rein.

Markus: Also auf jeden Fall ein sehr angenehmes Bier, auch wieder schön schlank. Ja, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Leute da gerne ein bisschen länger dabei sitzen. Und es ist ein schöner Kontrast auch zu dem hellen, also kein extremer Kontrast, aber ich habe halt eine Wahl zwischen den beiden oder kann auch hin und her. Das ist wahrscheinlich das Beste, dass würde ich wahrscheinlich tun, einmal so und einmal so, dann wird einem auch nicht langweilig, das ist doch schon mal sehr schön. Aber, wie du schon sagst, das Dunkle an und für sich kannte man jetzt eher vom Köstritzer oder von einem Altbier oder so, oder?

Arthur: Bei uns ist es wirklich der Einfachheit geschuldet, weil wir im Pott, da macht sich keiner groß Gedanken über German Style Kellerpils oder bayrisch oder fränkisch Dunkle. Dass muss ein Dunkles ein oder ich nehme ein Helles, fertig und so gehen die Leute auch bei uns damit um.

Markus: Ja, also das verbindet die Franken mit den Ruhrpottlern, muss ich sagen, also.

Arthur: Ja, so habe ich mich in Franken immer so wohlgefühlt.

Markus: Ja, nee, absolut, also das gab es ja bei uns früher, also kenne ich auch noch von früher, eben Hell oder Dunkel, das war die Wahl. Und irgendwann kam dann mal noch Weißbier dazu, aber das war dann schon schwierig, aber da hatte man eine eindeutige Unterscheidung durch das Glas, aber ansonsten, das war es dann auch in Sachen Bierstil. Aber war ja auch okay, also es ging ja da auch einfach drum, was zu trinken zu haben, Punkt.

Arthur: Ja.

Markus: Und all das, was es mittlerweile so alles gibt, das war da ja noch nicht so also. Beziehungsweise ist die Frage, war früher mehr Lametta oder nicht, keine Ahnung. Aber vielleicht mal kurz reingefragt, du hast ja eben auch Biersommelier, glaube ich, 2012 oder sowas gemacht und warst ja dann einerseits bei der Krombacher, andererseits in dieser Biersommelierwelt unterwegs und parallel dazu hat sich ja dieses ganze Craft-Beer-Thema in Deutschland so ein bisschen entsponnen und war ja sehr präsent auch in den Medien bis vor wenigen Jahren. Wie hast du denn das so erlebt und, ja, hat dich dass dann irgendwie auch beeinflusst in gewisser Weise?

Arthur: Ja, absolut, also für mich war das eine totale Bereicherung. Ich habe kurz nach meiner Ausbildung, war man neugierig und einer meiner Vorgesetzten hat eine Zeitlang in Irland gearbeitet, dann habe ich den gefragt, wie braut man denn ein Stout? Also ich muss sagen, was haben wir gelernt in der Berufsschule, wie man Pils braut, wie man Alt braut, wie man Kölsch braut, ein bisschen Weizen war bei uns im Pott auch noch mit dabei in der Berufsschule in Dortmund. Dann hat man mal vielleicht über den ein oder anderen Bock gesprochen, aber dann war auch vorbei. Und ich wollte mal wissen, wie braut man ein Stout und ich wusste, dass er ein, zwei Semester auch in Irland war und dann war die Antwort für einen jungen Brauer, der es wirklich wissen will, war die Antwort, ach, alles kein Reinheitsgebot, alles scheiße. Und das war eine Aussage, von der war ich doch ziemlich enttäuscht, muss ich sagen, und auch in der Meisterschule haben wir noch nicht viel Licht ins Dunkel gebracht. Aber als ich das erste Mal bei Wolfgang Stempfl bei Doemens war und der Wolfgang die Palette der belgischen Biere aufgemacht hat, das war für mich eine totale Bewusstseinserweiterung, also das war total krass. Ich hatte ja den Splitt-Kurs, wir waren erst beim Wolfgang, also wirklich waren erst in München und dann in Obertrum, und was uns da vermittelt wurde, in dieser relativ kurzen Zeit, das war für mich so viel Neuland. Und wir haben das dann auch weiter sehr aktiv gepflegt mit meinem Biersommelierkurs, mit dem wir immer noch einen sehr engen Draht haben und das ist absolute Fortbildung und ich finde das auch für den Biermarkt unheimlich spannend. Also du sagtest ja schon, ich war bei Krombacher, wenn man die großen Biere verkostet oder sich die Entwicklung der großen Markenbiere angeschaut hat in den späten 90er-Jahren bis so 2005, 2006, die Pils-Biere waren sowieso alle vergleichbar. Die Bittere wurde ja immer weiter runter gefahren, da waren kaum noch Nuancen oder es waren nur Nuancen, wo man das noch unterscheiden konnte, und durch die Craft-Beer-Geschichte mussten die Großen sich auch ein bisschen bewegen. Und wenn man sich jetzt anschaut, wie viel Biere die Großbrauer, diese ehemaligen Monobrauerereien mit in ihrem Portfolio haben, das ist alles den Craft-Brauern geschuldet, also da haben die schon sehr gute Arbeit geleistet.

Markus: Das stimmt auf jeden Fall. Und du hast ja dann eben auch innerhalb der Krombacher es geschafft, so ein bisschen zu dem Gesicht zu werden, für diese neueren Biere oder Herangehensweise. Also einerseits finde ich das ziemlich geil, also ich könnte mir vorstellen, dass das schon ein tolles Gefühl ist, wenn man sagt, okay, Deutschlands größte Brauerei hat genau ein Gesicht, dass die Nase in die Kamera hält für diese Brauerei und dass bin ich. Auf der anderen Seite, wie entsteht sowas? Also haben die irgendwann Mal intern gefragt, wer hat Lust, dass zu machen oder wie hat sich das entwickelt?

Arthur: Also das war so eine Geschichte, als Biersommelier war ich sowieso immer begeistert, was so die Vielfalt der Biere anging. Und dann kam Krombacher mit der Geschichte Brautradition. Gut, das ist jetzt kein Geheimnis, wenn ich sage, das Kellerbier Krombacher ist ein unfiltriertes Pils. Dann gab es ein Kellerbier dunkel. ja, heutzutage weiß man, wie man bei Großbrauereien ein helles Bier dunkel machen kann und dass ist dann unfiltriert und dann heißt es Kellerbier dunkel. Und da habe ich ein bisschen als Braumeister gegen rebelliert und habe auch gesagt: „Leute, das kann doch so nicht sein, da muss doch mal irgendwo das Handwerkliche der Brauer auch mal rüberkommen.“ Und, ja, in so einem großen Laden, da gibt es verschiedene Hierarchien und als Braumeister stehst du jetzt grade nicht auf der oberster Leiter. Und dann, von oben wurde einiges geblockt, aber es gab auch Leute rechts und links davon, die hatten ein offenes Ohr und haben gesagt: „Eigentlich hat er ja Recht, warum machen wir nicht irgendwas mit einem neuen Rezept?“ Und dann war die Frage, ja, was willst du denn machen? Und dann habe ich direkt aus der Schublade vier Rezepte rausgeholt, die präsentiert und die sind dann irgendwann beim Inhaber gelandet und der sagt: „So, das setzen wir jetzt um“ und so kam es halt zu diesem Krombacher Landbier. Ja und als die Geschichte halt dann angelaufen ist und die Marketingleute fanden das auch unheimlich spannend und sympathisch, das Bier war aus meiner Sicht auch ganz ordentlich und dann habe ich gesagt: „Okay, dann mache ich beim Marketing dann mit.“ Weil die mich gefragt haben, ob ich bereit wäre, auch mein Gesicht dann halt vor die Kamera zu halten und dann haben wir halt diese Werbekampagne für Krombacher Landbier mitgemacht, ja.

Markus: Ja, also sagst du jetzt in Ruhrpottischer Bescheidenheit, aber das ist schon eine coole Nummer gewesen, muss ich sagen. Und, ich meine, es ging ja auch ein bisschen damit einher, dass man gesagt hat, okay, also das war ja da, als diese erste Craft-Welle, in Anführungsstrichen, so ein bisschen abgeebbt war und man irgendwie so ein bisschen Ernüchterung verspürt hat, dass eben jetzt nicht alle auf einmal IPA trinken. Und im Gegensatz dazu so eine Bewegung eben aufkam, zusammen mit Veltins zum Beispiel mit seinem Kellerbier, dass sie rausgebracht haben und anderen Ähnlichen dann auf den Markt, dass man gemerkt hat, okay, diese klassischen Bierstile, das ist doch eigentlich spannend, weil das verbindet beides. Also auf der einen Seite hat man viel Handwerk und viel Regionalität, auf der anderen Seite aber eben hohe Drinkability und einfach bewährte Bierstile, die Leute gerne trinken, wo ich jetzt nicht in eine Exegese und in eine Ausbildung gehen muss, bevor ich überhaupt mein Bier trinken kann. Und das, finde ich, hat diese Kampagne als eine der Ersten so richtig zelebriert, diese beiden Welten so ein bisschen zu feiern. Und da warst du auch ein gutes Gesicht dafür,

Arthur: Danke.

Markus: ja, weil du warst nicht so alt, aber auch nicht so jung und auch nicht irgendwie schon verbraucht in irgendeiner Hinsicht, sondern halt wirklich jemand, der das auch glaubwürdig rübergebracht hat. Und das war wirklich eine tolle Geschichte, also habe ich damals sehr bewundert. Und ich habe auch ein paar Verkostungen mit den Bieren gemacht, ich fand die auch gut, also das war schon eine coole Nummer. Gab es da eine eigener Brauerei dafür?

Arthur: Nein, das wurde in Krombach direkt mitgebraut, also das konnte man da so mit einfließen lassen, das passte, ja, das war okay.

Markus: Ja, spannend, okay. Also das auch gesehen und du kannst auch in der Rückschau sagen, das war für dich auch eine coole Zeit, oder?

Arthur: Ja klar, war aufregend, es hat Spaß gemacht. Ein Highlight war, ich saß Zuhause am PC und es lief auch teilweise Fernsehwerbung und meine Frau liegt auf dem Sofa und guckte Nachrichtensender und auf einmal fällt sie fast vom Sofa, weil mein Gesicht im Fernsehen war. Also das war schon ganz witzig, da haben wir viel drüber gelacht zuhause.

Markus: Hat sie was gesagt, nee?  Ah, doch, im Fernsehen, nicht schlecht.

Arthur: Ja, so ähnlich. Also ich fand diese Zeit, so 2012 den Biersommelier gemacht, die Craft-Beer-Welle, das ging hier so, glaube ich, ab 2010 in Deutschland los. Was jetzt ein bisschen in Vergessenheit geraten ist in letzter Zeit, das war das, was die Radebergers geleistet haben. Also die waren ja totaler Vorreiter und die haben ja eine unheimliche Qualität rübergebracht mit BraufactuM, aber das ist beim Verbraucher nicht angekommen, der Verbraucher war einfach noch nicht reif dafür.

Markus: Ja, insgesamt, ja und ich glaube, der ganze Markt war nicht reif dafür. Aber der Anspruch, den sie hatten, war großartig. Und sie waren auch die Ersten, die es überhaupt transportiert haben, dass man eine Kühlkette für Bier braucht. Und insofern, also da haben wir mit dem Marc Rauschmann schon, glaube ich, zwei BierTalks mittlerweile mal gehabt, wo wir da drüber gesprochen haben. Dass ist echt schade einfach, weil ganz viel von diesem sehr positiven Willen und Wirken einfach so ein bisschen verpufft ist und sich dann irgendwann Mal auch gezeigt hat, aber dann war eben BraufactuM schon quasi Geschichte. Beziehungsweise jetzt ist es ja wiederbelebt, also sind wir mal gespannt, wie es sich weiterentwickelt. Aber das stimmt, die werden oft so ein bisschen vergessen. Die haben zumindest auf diesem nationalen Level, waren die, glaube ich, die, die am meisten Reichweite dafür auch entwickelt haben.

Arthur: Ja, also die haben da richtig viel Arbeit reingesteckt und auch monetär viel gemacht, also da ziehe ich immer noch meinen Hut vor, ja.

Markus: Apropos, also der Marc war ja da auch viel international unterwegs und hat auch belgische, amerikanische Biere importiert. Warst du denn dann auch Bier-mäßig viel auf Reisen, jetzt mal jenseits von Irland? Oder vielleicht warst du da ja auch, weiß ich gar nicht.

Arthur: War ich noch gar nicht, in Irland. Klar, privat, wenn ich mit meiner Familie unterwegs bin, ich kann mich an eine Geschichte erinnern, also wir haben Urlaub in Kroatien gemacht und auf dem Hinweg habe ich 2 Brauereien besucht, auf dem Rückweg habe ich 1 Brauerei besucht. Und dann wurden wir von der A3 umgeleitet, dann ging es Richtung A70 und dann sage ich so zu meiner Familie: „Wir könnten auch in Memmelsdorf bei Hanno Straub, könnten wir jetzt Mittagessen gehen, auch eine tolle Brauerei.“ Und da kam nur von allen dreien nein! Und mein Sohn ganz diplomatisch, Papa, ganz ehrlich, wir wissen, dass das alles immer toll ist bei dir, aber wir können keine Brauerei mehr sehen. Also läuft das bei uns Zuhause. Mittlerweile ist mein Sohn 19, da läuft das auch ein bisschen anders. Aber eine ganz große Geschichte bei uns ist der Biersommelierkurs, den wir 2012 gemacht haben. Wir treffen uns immer noch einmal im Jahr und eine unserer ersten Reisen ging zum Beispiel nach Belgien. Wir haben uns in Trier getroffen bei der Kraft Bräu, beim Sebastian Nguyen und sind von da aus dann rüber nach Belgien, haben dann Orval besichtigt und Liefsmann, Timmermans, wir waren bei Duvel, Brasserie Caracole, eine ganz kleine Brauerei. Und das versuchen wir jedes Jahr einmal hinzukriegen, dass wir immer wieder verschiedene Brauereien besichtigen und uns da halt in der Richtung ein bisschen weiterbilden. Da ist ein ganz guter Input untereinander, jeder, der mal irgendwo war und was spannend findet, der bringt das Ganze zu uns. Und so bringe ich mich weiter, auch über die Biersommeliergeschichte. Jetzt war ich die letzten 3 Jahre leider nicht mehr auf Fortbildungen vom Verband. Oder aber auch in Bamberg, wenn ich an die Fortbildung bei dir denke, unheimliche Bereicherung für mich, da profitiere ich heute noch von, ja. Also noch mal vielen Dank, Markus, war echt tofte!

Markus: Danke schön. Ja, aber ich finde, das ist genau der Punkt, dass wir, sage ich mal, als Biersommelier-Community wirklich auch ein bisschen füreinander da sind und auch offen füreinander sind. Und das ist eigentlich ziemlich egal, wohin man irgendwie fährt, es sitzt immer irgendwo einer und da kann man dann eben vorher sich mal melden und man kriegt dann ein paar Insider-Tipps. Und je nachdem, wie intensiv man dann auf der Bierseite sein will, kann man das dann auch und man ist auf jeden Fall immer irgendwo ein bisschen vor Ort verwurzelt. Und dass ist schon eine tolle Möglichkeit, einfach auch zum Beispiel einen Landstrich kennenzulernen, eine neue Stadt kennenzulernen, wenn man eben von der Bierseite aus da rangeht und nicht so rein von der touristischen. Insofern, also da hast du Recht, das ist eine ganz große Bereicherung, was auch unheimlich viel Freude macht. Und dass ist eine fast arschlochfreie Zone, was auch schön ist, dass man wirklich überall liebe, nette Menschen hat, die einen auch aufnehmen, die einem auch helfen, wenn mal was ist. Also dass ist schon, ja, toll und da gebe ich den Dank zurück.

Arthur: Da kann ich dir nur beipflichten. Ist eine Erfahrung, die meine Kollegen jetzt vom Bottroper Bier neu kennengelernt haben, die auch meinen Sohn sehr faszinierend. Wenn wir unterwegs sind, wir machen auch immer allein, also Vater-, Sohn-Tour immer über Vatertag und dann gucke ich, welche Brauereien wir besichtigen können, kontaktiere die Kollegen kurz, relativ kurzfristig. Und ich habe es noch nie gehabt, dass irgendwo eine Tür zu geblieben ist. Oder wenn, dann kommt ein Feedback, hör mal, heute passt das nicht, wie sieht das denn morgen Nachmittag bei dir aus, kriegst du das noch anders hin? Und dann kommst du da rein und man wird meistens, eigentlich immer herzlich empfangen und jeder nimmt sich eine kurze Zeit und man kann über die Biere quatschen, ein bisschen Bier mitnehmen, dann abends verkosten und so. Also da halten wir Brauer und Biersommeliers wirklich einen unheimlich guten Draht und ich finde, wir haben eine geile Branche, ja.

Markus: Ja, also dem kann man nur zustimmen. Und apropos, das Dunkle hat sich schon wieder verabschiedet, da sollten wir jetzt vielleicht noch den Doppelbock angehen, wenn du noch kannst.

Arthur: Jaja, ich denke, ich kann noch, ja, kriegen wir hin.

Markus: Okay, also den Fuhlator. Wenn ich dir richtig zugehört habe, hat es was mit dem Stadtteil zu tun, aus dem kommst, oder?

Arthur: Genau, unser Stadtteil heißt Bottrop-Fuhlenbrock und wir lege jetzt viel Wert auf Regionalität und dann haben wir überlegt, unser Maibock oder generell, wir haben auch einen Winterbock, dann ist das unser Fuhlenbrock. Und dann, ja, die Story zum Fuhlator kann ich gleich erzählen, als wir dann überlegt haben, welchen Namen wir dafür nehmen, dann habe ich den Jungs noch erzählt, ein untergäriger Doppelbock hat die Endung -ator, der obergärige hat die Endung -us. Und ich habe nur den Fuhlator vorgeschlagen, da sagten sofort alle anderen: „Ja, das machen wir, das hört sich gut an, da lassen wir uns was einfallen, ja.“

Markus: Ja, also da ist auch ein schöner individueller Name mit Geschichte, das ist doch bestens, über die Entstehung bin ich dann auch noch gespannt. Ganz kurz zu dem, was ich hier im Glas habe, es ist so ein bisschen die Steigerung von dem Dunklen, was ich grade hatte.

Arthur: Ein bisschen rötlicher, ne.

Markus: Ein bisschen rötlicher, genau, leuchtet noch ein bisschen mehr. Ist natürlich ein bisschen fester am Glasrand, das merkt man, weil da ein bisschen mehr Alkohol ist. Und in der Nase haben wir jetzt noch mehr Karamell, noch mehr Rosinen, auch ein bisschen weinige, fast erdbeerige Noten. Das ist nämlich auch sehr schön, dass da was Fruchtiges dabei ist.

Arthur: Also ich finde, der Alkohol, den nimmt kaum wahr erst mal, also von der Nase her, den hohen Alkoholgehalt.

Markus: Ja, nee.

Arthur: Und dafür, dass der 21% Stammwürze hat.

Markus: Woah, da ist Dampf dahinter. Nee, also, genau, also vom Geruch her, finde ich, dominieren diese Malzaromen, aber auf eine sehr schöne Art und Weise. Es ist nicht einfach nur bäm, Röstmalz, sondern da ist wirklich eine sehr schöne Komplexität da, mit diesen ganzen fruchtigen Aromen, eben mit den Rosinen, weinigen, nussigen, Toffee so ein bisschen, Biskuit auch. Also eine ganz, ganz vielschichtige Aromatik. Gebrannte Mandel, also hat ganz viel zu erzählen, das gefällt mir richtig gut.

Arthur: Ja, ich habe aber bei der Kombination mit dem Malz nicht gespart, da kam einiges zusammen.

Markus: Woah! Und schön weich, also im Mund merkt man dann die Alkoholprozentchen schon. Aber gut, dafür sind sie da.

Arthur: Ja und wärm ein bisschen, ne.

Markus: Und erwärmt auch im Abtrunk, im Abgang sozusagen, kann man so ein bisschen nachverfolgen, wie er so die Speiseröhre runter rinnt und macht warm, das ist aber gut. Also ich war ja grad erst anderthalb Wochen im Bett gelegen, mir hilft das jetzt sehr, um wieder zu den Lebensgeistern zu kommen, also wunderbar, sehr schön. Und du sagst, du hast an der Malzecke nicht gespart. Haben wir auch noch gar nicht drüber gesprochen, ich glaube, die Malze kommen fast alle hier bei mir aus Franken, oder?

Arthur: Ja, ja. Also wir haben da einiges ausprobiert und ich bestelle eigentlich alle meine Malze in Bamberg, ja. A) Habe ich mit den Kollegen einen sehr guten Draht, man kennt sich schon sehr lange. Und da haben ich auch sehr gute Ansprechpartner, wenn es darum geht, ich brauche ein neues Rezept und ich habe die und die Idee von der Malzmischung her, da will ich in, was würdest du mir empfehlen? Glaubst du, ich sollte die nehmen oder würdest du mir lieber ein anderes empfehlen? Weil, weißt du, wenn du Karamünch eins, zwei, drei hast, die kann ich nicht alle auseinanderhalten, die kann ich auch nicht alle unterscheiden. Und dann will ich schon den Fachmann haben, der mir da ein vernünftiges Feedback gibt und das funktioniert sehr gut, ja.

Markus: Ja, dass, finde ich, ist auch ein ganz entscheidender Bestandteil, glaube ich, heutzutage in den Mälzereien, dass die eben auch quasi eine Rezeptberatung, im positiven Sinne, machen können. Weil, wie du schon sagst, man einfach nicht über die mittlerweile durchaus stattliche Palette an verschiedensten Malzen und verschiedensten Einsatzoptionen und Temperaturen und was weiß ich was allem, den Überblick behalten kann, ist ja klar und da ist natürlich gut, wenn einem Leute dann entsprechend unterstützen. Und das eben auch nicht nur Leute sind, die jetzt so hell, dunkel im Kopf haben, sondern die eben auch mindestens nationale, eher vielleicht sogar internationale Sichtweise haben und man damit halt viele Bierstile auch einfach umsetzen kann und die Klaviatur halt schön spielen kann und das merkt man hier auch toll. Und wieder auch eine ordentliche Bittere. Also das merkt man wirklich allen drei Bieren an, dass auch an der Seite nicht gespart worden ist, sondern dass es wirklich grade in Sachen Drinkability und ich glaube, auch wirklich für die Leute, die so einen Kern der Marke haben wollen, gehört das bestimmt dazu, oder, dieses Knackige am Ende.

Arthur: Ja und grade beim Bock. Also da muss ich an einen Kollegen, auch ein Franke, denken, der war zu meiner Zeit Leiter der Forschung und Entwicklung, der Andreas Bech in Krombach, mit dem habe ich auch viel gequatscht und ausgetauscht. Also ich glaube, der hat mehr über Bier vergessen, als ich jemals wissen werde, ein guter Mann. Und da habe ich den Spruch immer im Hinterkopf, also ein Bock, der braucht Hopfen, der braucht einen ordentlichen Hopfen dahinter, weil sonst ist der zu schwer, der ist zu mastig im Mund. Und das war jetzt so ein Spruch, den habe ich auch bei diesem Bier, habe ich das beherzigt. Und ich glaube, von der Gesamtkomposition her passt das auch alles.

Markus: Ja, also ist auf jeden Fall rund, es fällt nicht auseinander. Es fällt aber halt auf, obwohl wir diese 9 % haben, obwohl wir diese intensiven Malzaromen haben, trotzdem einen schönen Abgang haben, der dann schön mit der Bittere ausklingt und den Mund auch wieder saubermacht. Und man eben in keinster Weise jetzt satt und voll und eben nicht mehr kann, sondern da nimmt man gerne noch ein Schlückchen. Also spannend, cool, Glückwunsch zu diesem tollen Bier. Die Geschichte bist du uns noch schuldig, wie kam es da dazu?

Arthur: Da muss ich ein bisschen weiter ausholen, also wir haben ja, ich sage immer, unsere Brot- und Butterbiere sind das Helle und das Dunkle. Recht spannend ist, wir machen zweimal im Monat bei uns offenen Ausschank und wenn ich dann so durch die Gegend laufe, dann haben wir unsere eingefleischten Stammkunden da und da gibt es immer Diskussion, das Helle oder das Dunkle. Dann ist unser Anspruch, einmal im Quartal haben wir noch eine dritte Sorte dabei. Sobald die dritte Sorte dabei ist, redet keiner mehr über Hell oder Dunkel, sondern immer nur über die dritte Sorte und da zerreißen sie mich. Und angefangen hat das letztes Jahr mit dem Maibock. Ich habe einen Maibock eingebraut, der ein bisschen anders war, der hatte 16,5 % Stammwürze und von den Malzen her waren wir eher so ein bisschen intensiver, Rotgold fast. Und ich habe dann aber mit dem Hopfen gespielt, der hat dann in der Kaltreifung noch Bavaria Mandarina und Citra bekommen, sodass der dann schon fruchtige Noten hatte. Wir haben am 1. Mai Maibockanstich gemacht, war ein tolles Event und ein Bier, dass polarisiert hat. Die einen fanden das gut, die anderen fanden es nicht ganz so gut und so ist das halt, wenn man Spezialitäten mit dabei hat. Im Sommer haben wir ein Sommerlager rausgebracht. Das Sommerlager ist ein leichtes Bier mit 3,9 Vol.-%, 10,8, 10,9 % Stammwürze, das habe ich dann mit Citra kaltgehopft. Wir haben es nur auf 1/3-Liter-Flaschen abgefüllt, und das Ganze, haben wir letztes Jahr Glück gehabt, grade haben wir das abgefüllt auf 1/3-Liter-Flaschen, da hatten wir eine Hitzewelle im Juni, Ende Juni, Anfang Juli, innerhalb von 2 Wochen waren die 1.000 Liter weg, weil die Leute das als Durstlöscher so wahrgenommen haben. Die Meisten hatten die Citra-Noten in der Nase, die dachten, wir hätten einen Radler gemacht. Sage ich: „Das ist kein Radler, das ist alles nach dem Reinheitsgebot“ und das Bier ist echt gut gelaufen, ja. Dann haben wir zum Winter hin, haben wir einen Winterbock, ein dunkler Bock, auch so mit 7,5 % Alkohol. Und bei dem Winterbock, da mache ich die Kalthopfung mit Monroe. Monroe, finde ich, ist ein sehr interessanter Hopfen.

Markus: Stimmt.

Arthur: Von dem habe ich schon lange, ja, einen Gedanken gehabt, schon zig Jahre. Als ich das erste Mal Monroe in der Nase hatte, mit diesen dunklen roten Früchten, da habe ich immer gedacht, den kannst du irgendwann Mal mit einem dunklen Bock kombinieren, das dunkle Malzige mit den roten Früchten und das passt vorzüglich in die dunkle Jahreszeit. Unseren Winterbock, den stopfe ich halt damit. Der hat teilweise leichte Marzipannoten dadurch sogar, kam bei den Tastings unheimlich gut an, bei unserer Kundschaft kam das gut an. Ja und das waren so die Biere, die wir nebenbei gehabt haben. Und letztes Jahr im Oktober habe ich mit meiner Frau, mit unserem Van waren wir unterwegs, auf dem Rückweg aus Österreich haben wir dann am Chiemsee übernachtet, waren noch mal bei Schönram abends schön essen. Und dann habe ich überlegt, willst du jetzt vom Chiemsee bis Olpe durchfahren, auf dem Weg liegt noch Franken. Habe ich den Ossi Kundmüller angerufen von Weiher und habe den gefragt, wie das aussieht, das war ein Freitag, sage ich: „Können wir bei euch vorbeikommen, ein Bierchen trinken und dann auf dem Brauereihof übernachten?“ Ja, sagt er, komm vorbei. Wann willst du kommen, heute? Ich so, ja. Ja, wir haben Bockbieranstich. Ich so, ja, jetzt erst recht, und da sind wir dann da hoch. Wie das halt so ist, ja, da war noch ein Sommelierkollege aus Detmold da und wie das halt so ist, wir haben alle zusammengesessen, Spaß gehabt. Und dann gab es den Rolator, den Doppelbock von Weiher da, vom Roland. Und als ich dann Nachhause gekommen bin, stand ich bei uns in der Brauerei, meine Jungs standen in der anderen Ecke, haben abgefüllt, ich habe grade geschrottet. Und wenn du da alleine an dieser Schrottmühle stehst und die Säcke reinschmeißt, mit Kopfhörern oben drauf, dann wirst du irgendwann kreativ. Und irgendwann habe ich die Schrottmühle ausgemacht, bin zu den Jungs rüber und habe gesagt: „Männer, ich habe Bock, einen richtig kräftigen Doppelbock zu brauen.“ Da gucken sie mich an, wie stellst du dir das vor? Sage ich: „Ja, so einen ordentlichen Doppelbock, schön malzig, süffig, dass der gut runtergeht.“ Ja, dann mach das doch. Das war so grade im Oktober, ja und dann haben wir den Anfang November, habe ich den eingebraut, 4 Wochen bei 12 Grad gelagert und dann bis Februar noch mal bei 0 Grad reifen lassen. Ja und was ist jetzt das Endprodukt, haben wir im Glas. Wir haben den Anfang Februar dann abgefüllt, ja, Ende Februar hatten wir dann Bockbieranstich, richtig schön in so einer alten Mühle in Bottrop. Ja und das war ein tolles Event und ein guter Auftakt. Also da kommt der Doppelbock her.

Markus: Da war ganz Bottrop dann aber ganz schön benebelt, glaube ich.

Arthur: War eine gute Party, ja.

Markus: Das denke ich mir. Ja, also das ist schon, ich meine, also 9 %, das ist eine Herausforderung. Aber, mein Gott, also die Leute müssen ja wissen, wie man damit umgeht. Und das ist ein absolut tolles Bier. Also das ist auch ein echtes Genießerbier, nicht nur eins, was man mal so in sich reinkippt, sondern eben auch wirklich was, wo man auch Foodpairing-mäßig ganz viel damit anfangen kann. Also da hast du schon ein tolles Tool, glaube ich, gemacht. Machst du auch sowas, also so Seminare, wo dann Leute eben auch zum Beispiel Foodpairing ausprobieren können?

Arthur: Ja, also wir machen in der Brauerei 2 bis 3 Bier-Tastings im Monat, die führe ich dann auch alle durch. Und dann bin ich auch halt sehr aktiv als Biersommelier. Wir haben jetzt diese Woche, bin ich in der Bernadus-Kapelle in Oberhausen-Sterkrade. Der Tobias Fleckner, der Koch, hat in einer Kirche seine Event-Gastronomie, der hintere Bereich der Kirche ist immer noch Sakral. Und der Tobias, der war bei mir bei einem Bier-Tasting vor 2 Jahren, fand das ganz gut, hat sich erst mal gar nicht als Koch zu erkennen gegeben. Und ich finde das immer fantastisch und spannend, wenn ich mit einem Koch zusammenarbeiten kann. Und was ich dann erst im Nachhinein erfahren habe, der Knabe ist Olympiasieger der Köche, der ist Bundesverdienstkreuzträger und all so ein Zeug. Und er hat da noch einen Maître Wein von einem 5-Sterne-Hotel dazu eingeladen, und es gibt jetzt zu jedem Gang, gibt es ein Bier und einen Wein und das ist natürlich spannend. Also wir kriegen beide, der Weinsommelier und der Biersommelier, wir kriegen beide dann das Menü vorgegeben, das haben wir letzte Woche durchgesprochen und jeder von uns wählt dann entsprechend seine Begleitung aus. Und die Gäste haben dann die Möglichkeit, den direkten Vergleich zu haben, Bier oder Wein, was passt jetzt zu diesem gang besser? Das sind so Geschichten, da habe ich natürlich richtig Spaß dran. Und bin auch viel im Sauerland unterwegs als Biersommelier, auf der Burg Schnellenberg machen wir immer wieder Events und, ja, das macht wirklich Spaß, ja.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Also wir werden das auch verlinken in den Shownotes, man kann dich buchen als dein Biersommelier sozusagen und da gibt es also die Möglichkeit, wirklich mit dir ganz viele Dinge rund um das Thema Bier zu erleben. Und das finde ich also eine sehr faszinierende Idee zu sagen hier, eine Bier- gegen Wein-Battle live vor Ort zu machen. Lasst ihr die Leute dann auch abstimmen, was ihnen am besten geschmeckt hat oder wie macht ihr das?

Arthur: Ja, also die entscheiden das selbst, bei jedem Gang, wo es besser gemundet hat. Und ganz witzig war es, wir haben es ja letztes Jahr schon mal gemacht, nach dem 3. Gang kam der Weinsommelier zu mir, sagte: „Meine Stammgäste sagen, ich hätte jetzt grade das 3. Mal gegen dein Bier verkackt.“ Sage ich: „Ast rein, nein, mach dir keinen Kopf.“ Ich meine, wir sind ja vom Fach, wir kennen das Ganze ja, wenn man die Aromenspektren ja zerlegt, wie viel Aromen hat ein Wein, da sind wir irgendwo bei knapp über 800 und beim Bier liegen wir bei über 2.000 verschiedenen Aromen. Wenn man das Spektrum kennt und man kennt seine Biere und man weiß, wie man das ein bisschen kombinieren kann, dann glaube ich schon, dass wir mit einem Bier ein bisschen weiter vorne sind als der Weinsommelier.

Markus: Ja klar und der hat halt auch immer noch das Limit, dass er oft keine Kohlesäure hat, dass halt der pH-Wert sehr ähnlich ist und so und da ist es dann natürlich schon schwierig, gegen diese Vielfalt anzukämpfen, die die Biere bieten. Und man trinkt natürlich auch, also Bier vielleicht noch mal ein bisschen anders, grade in Verbindung mit Essen. Also ich mag das auch gerne, dieses bisschen battlen, im positiven Sinne. Weil, ich meine, was es ja am Ende immer macht ist, dass Leute bewusster genießen, also sowohl ihr Essen, als auch das Bier, als auch den Wein. Und da wollen wir sie ja hinführen, dass man eben weggeht von einer Verrichtung einer Notwendigkeit, dass ich irgendwas trinken und essen muss, zu einem echt bewussten Genuss, weil ich dann eben auch die Dinge ganz anders wertschätzen kann und auch bereit bin, andere Preise dafür zu bezahlen und natürlich auch verantwortungsvoller mit dem Alkohol umgehe und all diese Dinge. Das hat ja was damit zu tun, das wirklich zu genießen und zu wertschätzen. Und das fängt mit so einer Veranstaltung auf jeden Fall an beziehungsweise, das ist schon auf einem sehr hohen Niveau. Aber, ich glaube, da gibst du vielen Leuten einfach viel mit und dafür ist es natürlich perfekt. Also auch da werde ich mich mal einladen, wenn ich in der Nähe bin, das klingt auf jeden Fall toll.

Arthur: Also der Einstieg bei uns, bei den Bier-Tastings, die wir in der Brauerei machen zum Beispiel oder die auch sonst extern mache, da geht es darum, die Biervielfalt vorzustellen. Es geht ja gar nicht darum, irgendwie eine Werbeveranstaltung für Bottroper Bier zu machen, sondern mit den ersten Bieren stelle ich die Rohstoffe vor. Und das Ganze wird halt kombiniert, warum habe ich bei dir Bier und Schokolade mitgemacht, solche Geschichten. Da gibt es dann eine Schokolade oder es gibt einen Käse oder es gibt mal eine Wurst dazu, dann wird das Ganze entsprechend kombiniert, dass man die Aromen noch mal rauskitzelt oder halt ein bisschen was rausnimmt, wenn irgendwas zu intensiv ist. Und vielen meiner Gäste geht es danach so, boah, hätte ich ja nie gedacht, hätte ich ja nie gedacht, dass das so schmecken kann. Oder in der Kombination, nehmen wir mal die Geschichte mit Schlenkerla, bei uns im Ruhrpott, wenn ich jemanden ein Schlenkerla vorsetze, das Schlenkerla Märzen, die sind alle überfordert. Gebe ich einen Schwarzwälder Schinken dazu, dann kommt der große Aha-Effekt, oah, wer hätte das gedacht, das kann man ja doch trinken. Sag ich: „Klar, das wird jetzt nicht euer Lieblingsfernsehbier beim Fußball, aber so kann man das Ganze kombinieren.“ Und dann führe ich die da auch noch ein bisschen weiter und erzähle denen was von, du grillst doch auch bestimmt Zuhause, hast du schon mal ein Pulled Pork gemacht? Ja, habe ich gemacht. Sage ich: „Jetzt stell dir mal vor, dein Schweinenacken liegt 18 Stunden im Smoker, dann holst du dazu noch so ein Schlenkerla. Was meinst du, wie begeistert deine Gäste sind.“ Und so gehen die dann bei mir aus den Tastings raus und sagen: „Ja.“ Und als Feedback habe ich auch schon bekommen von Teilnehmern, die bei mir waren, uns als Sommelier, wenn man das Glas so in der Hand hält, dann schwenkt man das halt immer wieder, man riecht da dran, wir haben ja Spaß an den Aromen. Und einer meiner Teilnehmer, der kam mal zu mir und sagte: „Hör mal, seit ich bei dir beim Tasting war, ich stehe jetzt jedes Mal so und schwenke das Glas und rieche da dran.“ Sage ich: „Ja und da kannst du noch einen draufpacken, wenn du das nächste Mal in der Kneipe bist und du kriegst das erste Bier, dann riechst du da dran. So mache ich das natürlich immer, man will ja die Wahrnehmung sofort haben, das frische Bier. Und dann guckst du den Wirt ganz ernst in die Augen.“ Und dann? Dann wird er dich sofort fragen, ob irgendwas nicht in Ordnung ist. Kam er beim nächsten Tasting dann zu und sagte: „Du hast Recht, das ist wirklich so, die werden alle nervös.“ Sage ich: „Genauso läuft das.“

Markus: Sehr schön, ja, wunderbar. Also da hast du schon mal ein Biersommeliergeheimnis verraten, ohje, ohje. Nein, alles gut, sehr, sehr schön. Ja, also langsam aber sicher müssen wir zum Schluss kommen, glaube ich, aber ich wollte noch ganz kurz zwei Sachen besprechen, also einerseits euer Logo. Ich glaube, das ist vielen auch nicht so bewusst, dass ja Bottrop dieses Wahrzeichen hat, den Tetraeder.

Arthur: Richtig.

Markus: Dass ist ja was Faszinierendes. Also andere haben eine Burg oder eine Kirche oder so und ihr habt eine große Metallkonstruktion. Kannst du uns mal aufklären, was ist denn dieser Tetraeder genau und wie kommt der auf euer Logo?

Arthur: Also wir haben in Bottrop oder im Ruhrpott ist es so, es gibt diese Abraumhalden. Unter Tage wurde die Kohle abgebaut, die Kohle konnte man gebrauchen, aber um an die Kohle dranzukommen, hat man ganz viel Abraum, sprich, Steine und so aus dem Berg geholt und die wurden auf Halden gebracht. Und auf einer der Bottroper Halden steht der Tetraeder, das ist so ein, ja, Wahrzeichen, man kann da draufklettern, hat einen wahnsinnigen Überblick über das ganze Ruhrgebiet. Und da haben wir überlegt, was können wir als Logo nehmen und da haben wir jetzt die vereinfachte Form des Tetraeders genommen. Und im Nachhinein wurde ich schon vereinzelt drauf angesprochen, ob wir irgendwas mit dem Templerorden zu hätten? Aber das ist totaler Quatsch, haben wir nix mit zu tun. Und der Name Bottroper Bier war für uns klar, dass wir Bottroper Bier heißen wollen, das war überhaupt keine Diskussion intern. Aber es gibt ja, wie gesagt, dieses Lied von Jürgen von Manger, Bottroper Bier. Das musst du dir unbedingt anhören, Markus, dann weißt du, wovon ich rede. Uns war erst nicht ganz bewusst, wie das mit den Namensrechten aussieht. Und der Jürgen von Manger, der ist vor 30 Jahren verstorben, seine Frau ist verstorben und die beiden hatten keine Erben. Und jetzt kommt der große Vorteil, wenn man eine Truppe hat mit 10 Leuten, das ist unter anderem ein Polizist dabei, dann haben wir den Beamten mal an die Arbeit gekriegt und haben gesagt: „Du siehst jetzt zu, dass wir die Erben vom Tegtmeier rauskriegen.“ Und dann sind wir auf die Moni von Manger gekommen, das ist seine Nichte. Die Moni selbst ist Sängerin und sie lebt in Hagen, die haben wir dann besucht, bevor wir mit der Brauerei losgelegt haben. Und sie hat dann den Carsten Bülow dazu geholt. Der Carsten Bülow ist auch ein Schauspieler, der die Stücke von Tegtmeier auf der Bühne aufführt. Und wir haben denen vorgestellt, was wir vorhaben und gefragt, ob wir den Namen Bottroper Bier verwenden dürfen? Und dann haben sie sich das Ganze angehört, sagten: „Ja, das passt.“ Dass Lied und so, dass ist alles geschützt und wir durften aber jetzt den Namen mitnehmen und so hat sich das Ganze dann entwickelt mit der Story. Deshalb, der Saft fürs Leben und so, alles so Zeilen aus dem Lied, ja.

Markus: Wahnsinn. Also mir kommt grad wirklich so eine Filmszene vor Augen, wie ihr da zu zehnt mit einem Kasten Bier auftaucht und an die Tür klopft, dann schaut die da aus der …

Arthur: Ja, wir waren nur zu viert und wir hatten auch kein Bier dabei, weil die Brauerei stand ja noch nicht, aber, ja, die haben uns verstanden.

Markus: Ja, ja, aber ich denke mir nur, wenn man das verfilmen würde, wäre das bestimmt eine geniale Szene, wer ist dann da draußen, 10 Jungs und ein Bier. Naja, egal, also auf jeden Fall sehr schön. Und zum Abschluss noch, der European Beer Star, das ist ja auch wirklich eine schöne Geschichte. Also ich glaube, die meisten Hörer kennen das, aber noch mal, um das kurz einzusortieren, also der European Beer Star ist einer der beiden großen und ältesten Bierwettbewerbe der Welt, wird jedes Jahr in Deutschland veranstaltet, mittlerweile in Nürnberg und dort, ja, sind 1.000e von Bieren aus der ganzen Welt, die gegeneinander antreten. Und so ein Bierstil, wie eben ein unfiltriertes Helles, ist jetzt kein seltener Bierstil. Das heißt, da sind viele, viele Brauer, eben von der Mongolei bis nach Chile oder so, die da um diesen Titel konkurrieren. Und dann gibt es eine Jury von so 120 Leuten, auch relativ erlesen  auch aus der ganzen Welt, die sehr erfahrene Beerjudges sind, die das dann eben auch bewerten, über 3 oder 4 Durchgänge, bis dann so ein Bier von der Vorrunde bis zum Finale durchkommt. Also am Ende den Goldenen Beer Star zu bekommen, das ist wirklich eine unglaubliche Leistung und noch mal eine unglaubliche Bestätigung. Wie hast du das erlebt und wie ging das so für dich und wie war es so, als du das erste Mal die Meldung bekommen hast, wie war das?

Arthur: Ja, also das war absolut geil, das war direkt bei uns im ersten Jahr. Wir haben im Sommer ein Voting gehabt vom Falstaff Magazin, dieses Genussmagazin, da ging es um die beliebtesten Kleinbrauereien in den einzelnen Bundesländern. Und da haben wir unsere Community aufgerufen, also viel über Facebook, Instagram und die konnten jeden Tag voten. Und wir haben da mit Abstand in Nordrhein-Westfalen die meisten Stimmen gehabt und bundesweit hatten wir dann auch die meisten Stimmen, da war wir schon die beliebteste Kleinbrauerei in Nordrhein-Westfalen, da war im Sommer. Und dann im November, ich bin von Bottrop, also ich lebe ja immer noch in Olpe, bin dann von Bottrop nach Olpe gekommen, ich saß abends auf dem Sofa und da gucke ich auf mein Handy, Nachricht vom Verband der Kleinbrauer oder mittelständischen Brauereien-Verband oder irgendwie sowas. Und Brille nicht aufgehabt und dann klicke ich das Ganze an und werden meine Augen immer größer, da sage ich zu meiner Frau: „Ich muss ja an den PC.“ Und dann kam die Nachricht mit, wir haben Gold geholt in der Kategorie German-Style Kellerpils. Und das ist natürlich, das war ein Hammer und für mich als Brauer sowieso. Bei unseren Verbrauchern oder Freunden und Bürgern in Bottrop kam das auch unheimlich gut an. Aber im Endeffekt, der Verbraucher draußen, der kann mit sowas nicht viel anfangen. Also für mich persönlich, das war eine Auszeichnung der Arbeit, der Leistung, die wir bisher gebracht haben. Und eine Geschichte war auch, als ich im Oktober in Weiher war bei Kundmüller, dann stand ich da, erst mal mit dem Ossi gequatscht und dann stand ich mit einem Gast zusammen. Und wer bei Weiher war, der kennt ja diese Trophäensammlung. Für mich ist das die beste oder die erfolgreichste Brauerei, die wir in Deutschland haben, Kundmüller. Und dann sagt einer von den Urfranken zu mir: „Hör mal, das mit den ganzen Pokalen, taugt das was, ist das schon was Besonderes?“ Sage ich: „Ej, das ist die Hammerbrauerei hier.“ Also bei den Bürgern selbst, bei den Biertrinkern selbst, glaube ich, da ist das gar nicht so, da fällt das gar nicht so schwer ins Gewicht.

Markus: Nee, da bin ich bei dir, das ist absolut so. Mir ging es vor allem eben um die Empfindung, die man so als Braumeister hat, weil, das hat man auch nicht so oft im Leben, dass man den Goldenen Beer Star gewinnt.

Arthur: Also für mich persönlich ist das schon ein absoluter Erfolg und auch eine Bestätigung der Arbeit. Und was so ein bisschen immer hinten runterfällt, weil das ja nirgendwo steht, mit unserem Dunklen waren wir zweimal im Finale. Also wir waren unter den besten Acht, haben es aber nicht unter die Top 3 geschafft. dass ist das, was mich noch mehr wurmt.

Markus: Naja, Gott, kann sich ja noch ändern. Aber auf jeden Fall, also das ist eine coole Sache und ist einfach auch noch mal eine schöne Bestätigung, wie du sagst, deiner Arbeit und dass ihr da eben durchaus was richtig macht und auch qualitativ, nicht nur emotional, wirklich da am Puls der Zeit seid und tolle Biere macht. Was sich ja jetzt hier im Tasting auch sehr schön bestätigt hat, also vielen Dank, das war ein toller Einblick in deine Biere, deine Brauerei, dein Leben sozusagen.

Arthur: Danke, Markus.

Markus: Und, ja, wünsche ich dir heute noch einen wunderschönen weiteren Tag, ganz, ganz viel Erfolg weiterhin mit dem Bottroper Bier und freue mich schon sehr, wenn ich dann mal live vor Ort bin, dann können wir vielleicht so einen zweiten Teil live aufnehmen.

Arthur: Ja, cool, immer wieder gern. Und, ja, ich freue mich immer wieder, wenn wir uns sehen, es gibt ja immer was zu quatschen bei uns.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 60 – Interview mit Jakob Hein, Psychiater, Schriftsteller, Drehbuchautor und Übersetzer aus Berlin

In der neuesten Folge von BierTalk wird es spannend und tiefgründig! Unser Markus hat sich einem besonderen Erlebnis gestellt: seiner ersten Sitzung bei einem Psychiater, und das auch noch öffentlich! ??️

Wir sprechen mit dem renommierten Psychiater und Schriftsteller Jakob Hein, der uns nicht nur Einblicke in seine vielseitige Karriere gibt, sondern auch brisante Themen anspricht, die unseren Podcast in Frage stellen könnten. Was bedeutet Alkohol in verschiedenen Kulturen? Wie beeinflusst er unser Verhalten wirklich? Und kann alkoholfreies Bier genauso genussvoll sein?

Erlebe eine packende Diskussion über Suchtprävention, kulturelle Unterschiede und persönliche Erkenntnisse rund um den Alkohol. Lass dir diese einzigartige Episode nicht entgehen – sie könnte deine Sicht auf Bier und Alkohol grundlegend verändern…

Kommt in unsere Facebook-Gruppe und diskutiert mit: https://www.facebook.com/groups/bierakademie

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Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Ja, wie immer eine besondere Folge, aber heute ist es soweit, meine erste Sitzung bei einem Psychiater. Noch dazu öffentlich und eine Episode, die vielleicht am Ende sogar diesen ganzen Podcast infrage stellen könnte, also ein heißes Eisen in jeder Hinsicht. Jakob Hein, ich freue mich sehr auf unser Gespräch und Danke, dass es mit unserem Termin geklappt hat. Vielleicht stellen Sie sich ganz kurz unseren Hörern mal selbst vor.

Jakob Hein: Sehr gern. Mein Name ist Jakob Hein, ich bin 1971 in Leipzig geboren und leben seit 1972 mit meiner Familie in Berlin. Ich bin Psychiater für Erwachsene, Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Übersetzer, Schriftsteller und Drehbuchautor.

Markus: Ja, das ist ja ein ganzes Bündel von Tätigkeiten, die Sie tun. Normalerweise sagt man ja gerade Journalisten, Drehbuchautoren eine gewisse Nähe zum Alkohol nach. Geht das zusammen mit der Rolle in der Suchtprävention und als Psychiater?

Jakob Hein: Also ich glaube, jede Berufsgruppe hat so ein bisschen ihr Alkoholschema in Deutschland. Also ich denke jetzt nicht, dass man Leute in der Baubranche, dass man die für besonders wenig trinkend hält oder das man glaubt, dass Menschen jetzt in der Unterhaltungsindustrie, dass die wenig trinken. Also ich glaube, mir fällt da jetzt nicht so richtig eine Branche ein, wo wenig getrunken werden soll. Ja, die Hausfrauen trinken angeblich Prosecco und die Handwerker trinken vor allen Dingen Bier. Also natürlich, auch Ärztinnen und Ärzte trinken auch definitiv Alkohol. Das ist ja in Deutschland auch nicht verwunderlich, ich glaube, wir sind ja eins dieser typischen mitteleuropäischen Länder, wo Alkoholkonsum durch alle Schichten Normalität ist.

Markus: Ja, also wir liegen deutlich über dem Durchschnitt in der EU und gelten für die WHO als Entwicklungsland, was die Prävention angeht. Das ist schon eine krasse Sache eigentlich. Und, ja, wie ist es denn bei Ihnen mit dem Thema Alkohol und Bier? Haben Sie ein Lieblingsbier, trinken Sie ab und zu mal einen Schluck, wie machen Sie das?

Jakob Hein: Also ich trinke sehr gern Bier, ich trinke eigentlich auch am liebsten Bier, also es darf auch ab und zu mal ein guter Wein sein. Brände, also alles so, wo so der Alkoholgehalt deutlich über 20 % sind, interessiert mich überhaupt nicht. Davon wird mir direkt Übelkeit verursacht. Ja, vielleicht habe ich auch nicht die Richtigen gefunden, aber ich würde mich da auch grad nicht auf die Suche machen. Und, ja, also im Moment trinke ich am liebsten, das ändert sich ja auch immer nach Wind und Wellenschlag, also Paulaner Helles, alkoholfrei vom Fass, finde ich total klasse und großartig und schön süffig. Und von Störtebeker das Freibier Atlantik-Ale. Das finde ich auch so ein richtig schönes rundes Bieraroma, wo eben sowohl eben Hefen eindeutig da sind, mit dem, was Hefen ja noch mehr können. Also die können ja noch so diese Umami-Geschmackssorten ins Bier bringen, aber eben auch so ein wirklich runder schöner Biergeschmack. Also das ist ein sehr gelungenes Atlantik-Ale, das Freibier von Störtebeker. Das sind die zwei Biere, die ich im Moment am liebsten trinke.

Markus: Ja, also dem kann ich nur zustimmen, das sin beides wunderbare Beispiele. Und es ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass die Bierbranche, die ja ganz lange eher so im Hintergrund war oder im Rückstand war gegenüber zum Beispiel der Weinbranche oder so, was das Thema alkoholfreie Biere hat, ziemlich weit vorne steht. Also der alkoholfreie Wein zum Beispiel, da ist noch ein ganz anderer Weg zu gehen und da gibt es mittlerweile wirklich ganz tolle Beispiele bei den Bieren, wie Sie es schon gesagt haben. Und es wird immer mehr und es gibt auch immer mehr Brauereien, die zum Beispiel ausschließlich alkoholfreie Biere machen. Und grade, wenn man im Ausland viel unterwegs ist, dann trifft man da auf noch bessere und sehr spannende Beispiele. Also insofern, ja, freut mich, dass Sie dann auch wenigstens Bier trinken, das ist doch schon mal schön.

Jakob Hein: Ich trinke natürlich auch und bin so zum Bier trinken gekommen über Biersorten mit Alkohol, aber ich stimme Ihnen da zu 100 % zu, also ich bin total begeistert, was die Braumeisterinnen und Braumeister in unserem Land in den letzten Jahren ins Fass gezaubert haben eben ohne Alkohol. Und deswegen kann ich das auch umso offensiver sagen, wie gern ich Bier trinke, weil ich eben auch diese alkoholfreien Spezialitäten einfach lecker und toll finde und auch sozusagen, klingt jetzt komisch, sehr bierig finde. Das war früher sicherlich nicht so. Also so die Konventionellen, ich will jetzt da keine Namen nennen, negative Kritik ist immer doof, aber so die konventionellen alkoholfreien Biersorten, die waren schon sehr gewöhnungsbedürftig.

Markus: Ja und das waren ja auch noch welche, die hauptsächlich eine Funktion hatten, nämlich einfach ein Ersatz für die armen Menschen zu sein, die jetzt nicht ein normales Bier trinken können, in Anführungsstrichen.

Jakob Hein: Genau.

Markus: Und das hat sich ja mittlerweile geändert. Also über den Umweg, ein Sportgetränk zu sein, eine Alternative für Sportler, ein alkoholfreies Weißbier zum Beispiel, bis hin eben zu der Zeit, dass wir jetzt im Grunde eine eigene Getränkekategorie haben. Und wenn man da jetzt mal nüchtern, also im wahrsten Sinne des Wortes, nüchtern drauf schaut, dann ist das ja ein alkoholfreies Getränk auf Fermentationsbasis, was also sehr gesund ist, wenig Kalorien hat, viele sinnvolle Inhaltstoffe hat und damit ja eigentlich viel besser als jeder Softdrink oder so. Und das wird tatsächlich auch von der jungen Zielgruppe angenommen und ist für Brauereien durchaus eine Chance, jetzt auch einen Markt für sich zu entdecken, weil das Thema Alkohol natürlich und zu Recht schwieriger wird. Wie war das denn jetzt bei Ihnen, also Sie machen ja jetzt auch sehr viel rund um das Thema Alkohol und wir kommen ja auch gleich auf das Buch zu sprechen, wann hat sich das bei Ihnen so in diese Richtung bewegt, dass Sie sich sehr damit beschäftigt haben und dann jetzt auch damit arbeiten?

Jakob Hein: Naja, ich war ja in der Charité, bis 2011 war ich ja der Oberarzt in der Suchtambulanz, also ich beschäftige mich da schon seit vielen Jahren damit. Und wenn man eben ehrlich zu sich ist, dann reflektiert man ja über diesem Umweg oder auf diese Weise immer auch sein eigenes Trinkverhalten, dass man dann so denkt, ja, wie ist das eigentlich bei mir? Und kann ich mir eigentlich vorstellen, dass ich auf einer Feier bin und so richtig Spaß habe, mich wohlfühle, freue, die ganzen zu Leute zu sehen, vielleicht sogar zu tanzen und all die Sachen zu machen, ohne zu trinken? Und da habe ich mich dann eben geprüft auch immer wieder. Und, ja, dann war, ehrlich gesagt, der jetzige Januar war so der erste Monat, wo ich sagen kann, da habe ich mal einen ganzen Monat lang nichts getrunken. Meine liebe gute Freundin Monika Trendelenburg, die ist Oberärztin in der Sucht in Neukölln und bei der müssen alle Ärztinnen und Ärzte, werden angehalten, wenn sie bei ihr arbeiten, ich glaube, acht Wochen lang keinen Tropfen zu trinken, ein ganz normales Leben weiterzuleben, um einfach mal so ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ist das eigentlich, wie sind eigentlich diese Ratschläge, die man so wohlmeinend an Menschen auch mit Erkrankung dann gibt, dass man sagt, trink doch einfach nix. Nun ja, wer das mal probiert, einen Monat durchzuziehen, der wird sehen, so einfach ist das nicht. Wobei die gesellschaftliche Akzeptanz total nach oben gegangen ist, also für eben jetzt zum Beispiel das Trinken von alkoholfreiem Bier. Also ehrlich gesagt, im Nürnberger Paulaner Garten, als ich mir da das Paulaner Hell bestellt habe, braucht mir das der etwas leutselige Kellner auch mit dem Ausruf, hier, eine kastrierte Halbe. Aber davon abgesehen ist es eigentlich so in meinen persönlichen Kreisen völlig problemlos und akzeptiert und das ist alles gut.

Markus: Ja, ich glaube auch, die Entwicklung geht da absolut in eine richtige Richtung. Man merkt schon, das grad in Bayern doch die ein oder anderen noch ihre Probleme damit haben und einfach die Erwartungshaltung, die ist, dass man gefälligst Alkohol zu trinken hat. Also ich erinnere mich nur, letzte Woche war eine Talkshow im Fernsehen, wo der CSU-Generalsekretär sich quasi entschuldigt hat dafür, dass er ein Foto auf dem Oktoberfest gemacht hat und in seinem Glas war Bier und das war eben ein alkoholfreies Bier. Und es war ihm peinlich, das zu sagen. Und sowas, das darf eigentlich nicht sein. Aber man sieht, dass da einfach in der Gesellschaft noch viel ist, viel Gelegenheit, viel Erwartungshaltung.

Jakob Hein: Er musste da ja auch ganz schön zum ja getragen werden, er wollte das eigentlich nicht eingestehen. Aber selbstverständlich, wenn man sich die Programme anguckt auch im Wahlkampf, dann ist es einfach unwahrscheinlich, dass die Politiker jetzt, wenn die eben durchs Land ziehen, eben acht Mal am Tag einen halben Liter alkoholhaltiges Bier trinken. Also unsere Politiker wären ja alle Leber-transplantiert, das würde gar nicht gehen. Und insofern, ja, das war eine sehr lustige Szene, wo Herr Lanz ihn da so zum ja tragen musste, dass er dann zugeben konnte, dass da möglicherweise jetzt kein Alkohol drin war. Ich wollte da noch mal sagen so, also wenn ich jetzt zum Beispiel so ein Störtebeker Freibier Altantik-Ale, wenn ich das jetzt so mir so reinlaufen lasse an so einem Feierabend und ich sitze da mit meiner Familie so am Tisch und ich trinke das und diese ganze Aromenpalette zieht so an meinem Gaumen vorbei und ich finde das schön, ich genieße das Leben, es soll auch schön kalt sein und vielleicht auch aus einem guten Glas kommen. Wobei ich eben auch gern Bier aus der Flasche trinke, ist für mich auch ein Genuss. Jedenfalls denke ich mir dann manchmal, naja, das würde mir jetzt nicht besser schmecken, wenn da Äthanol drin wäre. Äthanol ist nicht so eine aufregende Substanz und nicht so interessant, ich kriege davon nur motorische Einschränkungen. Und deswegen wäre eben mein Plädoyer, oder was ich eigentlich will von einem Bier, ist der Biergenuss. Und ich kann sagen es gibt auf jeden Fall mittlerweile Biersorten, die mir das bieten und das finde ich schön. Und ich finde es eben so schlimm, wenn viele Diskussionen irgendwie aus dem Negativen heraus betrachtet werden. Ich glaube, dass ich mich mit jedem Generalsekretär auch darüber einigen kann, dass ein Biergenuss was Feines ist. Und jetzt ist dann eben die nächste Frage, ob da Alkohol drin sein muss?

Markus: Absolut, ja. Also ich habe letztes Jahr den Versuch selber gemacht, war auf dem Oktoberfest auf einer Veranstaltung und habe tatsächlich den ganzen Abend nur alkoholfreies Bier getrunken und das hat auch funktioniert. Und ich habe mich sehr wohlgefühlt und habe beschlossen, dass das durchaus Zukunft hat für mich, dieses Modell, also das ist auf jeden Fall gut. Aber wir wollen uns ja mit dem Buch beschäftigen und das der Aufhänger eigentlich für unser heutiges Treffen ist, es geht um „Betrunkenes Betragen“, dass Sie ins Deutsche übertragen haben, nach mehr als 50 Jahren. Auf dem Buch steht, wiederentdeckt von Jakob Hein. Also wiederentdeckt heißt ja, da ist ein Prozess gewesen. Wie kamen Sie denn zu dem Manuskript der beiden US-Forscher und wie kam dann die Idee, dass ins Deutsche zu übersetzen?

Jakob Hein: Mein alter Chef hat mir das in die Hand gedrückt, Professor Heinz, der hat gesagt: „Hier, das müssen Sie mal lesen.“ Und dann habe ich ihn groß angeguckt und habe es gar nicht verstanden. Weil, eigentlich ist ja die Aufgabe von einem Universitätsdirektor, dass er eben sagt, ja, lies mal die Papers der letzten zwei Jahre und nicht, hier, lies mal ein 40 Jahre altes Buch, also das war echt ein Überraschungsmoment. Und dann habe ich es eben zur Hand genommen und gelesen, weil es mich interessiert hat. Das war jetzt kein regelmäßiges Ereignis, dass er mir irgendwie Bücher in die Hand gedrückt hat. Und ich war wirklich echt begeistert von dem Projekt, als das die beiden da gemacht haben und von den Forschungsergebnissen. Die waren für mich auch, ja, da fiel es mir wirklich wie Schuppen von den Augen, wie man so sagt, also das war wirklich beeindruckend, die Ergebnisse zu sehen und auch sehr, also für mich zumindest, sehr überzeugend. Die beiden gucken sich ja wissenschaftliche Ergebnisse und Beobachtungstagebücher, Aufzeichnungen von den verschiedensten Kulturen, über die ganze Welt an und wie die auf Alkohol reagieren und können so ein bisschen eben objektiviert eigentlich sagen, wie Menschen oder wie die Psyche des Menschen auf Alkohol reagiert. Und das Ergebnis war wirklich auch alles andere als das, was ich erwartet habe. Als ich beobachtet habe, dass auch in den zehn darauf folgenden Jahren diese Erkenntnisse sich überhaupt nicht verbreiten, also weder in der wissenschaftlichen Community, da noch am ehesten, da gibt es so ein paar Erkenntnisse über die wir vielleicht noch sprechen können, aber schon gar nicht in der allgemeinen Gesellschaft, dachte ich, vielleicht kann ich das Buch übersetzen. Es ist noch nie ins Deutsche übersetzt worden und vielleicht setze ich mich einfach mal hin und übersetze das. Das einfach mal war der große Fehler, also es ist schwer zu übersetzen, es ist eine große Kunst. Und wenn man das nicht kann, so wie ich oder wenn man das noch lernt, so wie ich, dann dauert das wahnsinnig lange, so ein Buch zu übersetzen. Aber ich kann sagen, das hat mir viel Spaß gemacht und viel mehr gegeben als es mir abgefordert hat.

Markus: Ja, das haben Sie ja auch in der Einladung ja schon beschrieben, was das für Sie für ein Prozess war, sich diesem Buch oder der Aufgabe zu stellen. Damit wir unsere Hörerinnen und Hörer ein bisschen anholen, also Sie sagen, es geht drum, sie haben beobachtet in verschiedenen Kulturen, wie mit Alkohol umgegangen wird. Letzten Endes kann man ja sagen, es kommt zu einer Trennung zwischen der reinen physischen Wirkung von Alkohol. Wenn ich also die Substanz Äthanol trinke, was passiert bei mir im Körper? Was relativ überschaubar ist, über eine Ermüdung letzten Endes bis, wenn man zu viel nimmt, bis zum Tod. Aber die anderen Erscheinungen, die wir jetzt landläufig damit verbinden, also in unserem Kulturkreis, Leute werden irgendwie lustig und dann werden sie vielleicht irgendwie dumm oder fahrlässig oder so, diese Dinge haben ursächlich überhaupt nichts mit dem Alkohol zu tun, weil in anderen Kulturen wieder ganz andere Verhaltensweisen sind. Kann man das so in etwa sehen, oder?

Jakob Hein: Das haben Sie sehr gut beschrieben. Also die Kunst der Psychiatrie besteht ja immer darin, dass man die verschiedenen Teile der Psyche auseinanderbastelt. Also das man sich anguckt, wie ist das Bewusstsein? Ist das klar, ist das getrübt, ist das da, wie ist die Orientierung, also weiß der, wer er ist, wo er ist und unter welchen Umständen er sich befindet, also man klamüsert das so auseinander. Und die Autoren sagen eben, okay, lass uns mal die physiologischen Wirkungen des Alkoholeinflusses gucken. Also wenn wir im Westen Alkohol trinken, dann wird unser Grobmotorik schlechter, unsere Feinmotorik schlechter. Lass uns jetzt mal 200 Kulturen überprüfen, die auch alle Alkohol trinken. In Klammern, es ist ja schon auch eine beeindruckende Aussage, dass man schon merkt, dass in fast allen Weltteilen und durch all die Jahrhunderte getrunken wurde. Mit der großen Ausnahme vom Norden Amerikas, wo das dann definitiv weiße Siedler erst hinbrachten. Na gut und dann hat man gesagt, okay und jetzt lass uns auch mal die psychologischen Wirkungen abgucken. Lass uns mal gucken, wie verändert sich das Verhalten von verschiedenen Gesellschaften, die man beobachten konnte in den Jahrhunderten, also wie sich die verschiedenen Gesellschaften begegnen, also der Westen sozusagen, auch andere Gesellschaften, muss man natürlich dazu sagen, erforscht. Und da blättert sich plötzlich eine riesiges Spektrum an Verhaltensmöglichkeiten auf. Also es gibt Menschen in Bolivien, Gesellschaften in Bolivien, da ändert sich durch den Einfluss von Alkohol im Verhalten absolut gar nichts. Also alle sind der festen Überzeugung, dass sich nichts ändert und es ändert sich nichts. Die Leute trinken, bis sie total betrunken sind, also sie trinken ein 96%-Getränk, was Alkohol heißt, also das passt von der Beschreibung und sie trinken bis sie umfallen und gehen ins Bett und nichts ändert sich am Verhalten. Es gibt Völker, die werden unheimlich enthemmt, so wie wir das auch kennen. Also diese Völker und Gesellschaften gibt es in der ganzen Welt, aber es gibt auch genauso Gesellschaften, die eher gehemmt werden. Es gibt Gesellschaften, die in der höchsten Alkoholwirkung gemeinsam singen und sich in den Armen liegen, aber so fröhliche, friedvolle Lieder und wo es absolut unbekannt ist, das auch nur eine einzige Gemeinheit gesagt wird unter Alkoholeinfluss, geschweige denn, dass es da irgendwie zu Schlägereien kommt. Also es ist wirklich ein riesiges Spektrum, was sich da plötzlich öffnet und wo einem klar wird, die Wirkung des Alkohols auf die Motorik ist vorhersehbar, gesetzmäßig und immer wieder reproduzierbar. Die Wirkung des Alkohols auf die Psyche ist äußerst unvorhersehbar und offensichtlich ganz stark kulturell geprägt.

Markus: Das heißt, Kulturen vererben die vermeintliche Wirkung von Alkohol, wenn man bei uns gelernt hat, das macht irgendwie lustig? Also ist das dann in der DNA oder ist das was, was man als Kind lernt oder wie kann man sich das vorstellen?

Jakob Hein: Ja, das lernt man leider auch schon von Kindesbeinen an, also wenn man den Vater in den Biergarten begleitet. Im Übrigen ist es so, dass zum Beispiel Gewalt unter Alkoholeinfluss auch sehr stark abgenommen hat, sodass das auch weniger beobachtet wird und dadurch auch weniger reproduziert wird. Naja, also die Erklärung der Autoren ist, und die ist am naheliegendsten, also wir merken natürlich, dass wir Alkohol getrunken haben. Der Alkohol ist ganz klar eine neurotoxische Substanz, wir merken jetzt irgendwie, wir sind langsamer, die Zunge ist schwerer, wir reden verändert. Wenn wir aufstehen, um aufs Klo zu gehen, dann stoßen wir uns irgendwie schnell auch mal an der Tischkante oder so. Und wir haben die Beobachtung gemacht und machen immer wieder die Beobachtung, dass Menschen in diesem Zustand so und so sind. Und dann fangen wir auch an, diese Verhaltensweisen auszuprobieren beziehungsweise wir verhalten uns so. Ich sage mal auch ein klassisches Beispiel, zum Beispiel ist es ja interessant, also das Alkohol ja auch eine sexuelle Enthemmungswirkung nachgesagt wird. Das würde ja bedeuten, dass jetzt aber so im Männerkegelverein, dass da auch es ziemlich viel zu Homosexualität kommt. Ist aber überhaupt nicht was, was üblicher Weise passiert. Sondern eben bei der Betriebsfeier, wo männliche und weibliche Kolleginnen miteinander feiern, da plötzlich erwacht sozusagen der Tiger und die Leute fangen an, naja, sich komisch auch sexualisiert zu verhalten. Teilweise war ich schon auf so Empfängen, so ganz vornehmen Empfängen mit Frack und Smoking und ganz viel Dekorum und da haben die Leute auch sehr viel Alkohol getrunken, das war so die Tradition und da hat sich niemand auch nur ein bisschen auffällig verhalten, weil das eben so ein klares gesellschaftliches Korsett war, in dem man da miteinander steckte und auch gerne steckte, dass niemand auf den Gedanken gekommen wäre, auch nur ein Lied laut zu pfeifen, weil man ja da auch in diesen gesellschaftlichen Schranken steckt. Also wenn man darauf achtet, wie verschiedenen auch einzelne Menschen sich unter Alkoholeinfluss verhalten können, dann ist man ja noch mal erstaunter.

Markus: Kann man dann vielleicht sagen, dass man so eine Art Verhaltenskatalog für sich entwickelt, der mit Alkoholkonsum einhergeht und je nachdem, in welcher Situation ich bin, in welcher Stimmung ich vielleicht bin, was ich erreichen will, wird es, sage ich mal, unterbewusst ausgesucht, welches Verhalten ich dann zeige oder ist das was Bewusstes?

Jakob Hein: Ja, auf jeden Fall. Also wenn Sie im Stadion ein alkoholfreies Bier ausschenken von bester Qualität, also wo eben nicht sofort die Trinkenden merken, dass sie alkoholfreies Bier trinken, werden die sich ziemlich unpassend benehmen. Und wenn man sie hinterher fragt, na, sag mal, warum hast du denn hier diese ekelhaften Sprüche ins Rund gegrölt, dann werden sie sagen, naja, musst mir schon verzeihen, ich war betrunken. Und die gleiche Person, die sich da in der VIP-Lounge von der Allianz Arena gepflegt gehen hat lassen, wird die doppelte Menge Alkohol beim Vorstandsempfang trinken am Tag drauf und würde niemals auf den Gedanken kommen, ein falsches Wort zu sagen, weil sie sich ja da vielleicht auch beobachtet fühlt. Also das ist definitiv so, wir haben so ein paar Anlässe, wo wir uns zusammenfinden und wo wir dann eben gelernt haben, dass der Alkohol eine gute Entschuldigung für alles ist. Also das ist auch schon in den Gesellschaften, die da die beiden Autoren beschrieben haben, ist das schon bekannt und das ist ja auch in Deutschland, glaube ich, was ganz Bekanntes, dass eben zum Beispiel die schlauen Leute natürlich bei der Betriebsfeier dann eher zu den alkoholfreien Alternativen greifen, um dann bei den sich vielleicht ergebenden sexuellen Gelegenheitsbekanntschaften mehr Spaß und mehr Genuss zu haben, als sie dies hätten, wenn sie schon ziemlich fast betrunken wären, um dann gar nicht so sexuell so ein richtig schönes Erlebnis hinzukriegen.

Markus: Ja, so kann man das natürlich auch sehen und das kann ich durchaus auch nachvollziehen. Andersrum gefragt, wenn dem so ist, warum trinken die Gesellschaften überhaupt? Also wenn Sie jetzt sagen, da gibt es eine Gesellschaft, die sich im Grunde überhaupt nicht verändert, also die trinken, bis sie umfallen, trotzdem fühlen sie sich ja wahrscheinlich am nächsten Tag, also zumindest sowas wie Kopfweh oder sowas, wird man ja mindestens haben, also wäre das doch eigentlich gelernt, dass man das lieber lässt. Also warum machen die das?

Jakob Hein: Also diese Gesellschaft, die Aritama in Bolivien, sind die absolute Ausnahme. Die meisten Gesellschaften nutzen natürlich, so wie wir, den Alkoholgenuss oder den Konsum von Alkohol als Auszeit und jede Gesellschaft auf der ganzen Welt auch, die Gesellschaften Nordamerikas haben diese Auszeiten. Wir haben das immer, wir brauchen eine Zeit, so sieht man das überall auf der ganzen Welt, wo wir einfach mal sagen dürfen, wir steigen aus dem Anzug, wir dürfen jetzt mal nicht so sein, wie wir sonst immer sein müssen. Es gibt bei den Amish, die ja auch sehr vielen Regeln unterliegen, gibt es eben das Rumspringen, wo die Jugendlichen dann eben auch mal, wie wir in Deutschland sagen, die Hörner abstoßen dürfen und so weiter. Und diese Auszeiten sind sehr beliebt und auch Jahrtausende alt, überall bekannt und dafür nutzen wir den Alkohol oder nutzen wir im Moment alkoholische Getränke. das ist total normal und auch total zu verstehen, solange niemand anders dadurch zu Schaden kommt. Und das wäre meine ganz wichtige Einschränkung, also dass das schon okay ist, wenn man im Stadion grölt, also das macht wirklich total viel Spaß, wenn die eigene Mannschaft vielleicht sogar noch grad gewinnt. Obwohl, bei den sehr, sehr guten Fankulturen, muss man sagen, macht es eben auch Spaß, wenn die eigene Mannschaft grad nicht unbedingt gewinnt. Aber, was ich sagen will ist, aber wenn eben dann andere dadurch zu Schaden kommen, kann man schon sagen also, dann ist es eben nicht okay. Und man muss eben, wenn man ganz ehrlich ist, ist Alkohol dafür keine echte Entschuldigung. Es ist nicht so, dass wir uns so benehmen mussten, weil wir Alkohol getrunken haben und wir sollten auch als Gesellschaft nicht sagen, ah, okay, naja, kein Problem, wenn du betrunken warst, da fährt man schon mal ein Kind um oder da landet schon mal die Hand an Körperteilen von einer Frau, wo sie nicht hingehört. Also ich finde, das ist so ein ganz entscheidender Punkt. Und im Übrigen, wenn wir jetzt hier in der BierAkademie auch sprechen oder beim BierTalk sprechen, ist auch ein Punkt, wo ich denke, das ist eben auch nicht zu rechtfertigen und dass wird auch, also so eine schöne Zukunft für das Genussmittel Bier, wird es eben auch nur dann geben, wenn man nicht wilde und ekelhafte Alkoholexzesse verteidigt, sondern wenn man sagt, unser Thema ist definitiv Genuss und Braukunst und nicht Hektoliter Weise Besäufnisse, wo dann am Ende einfach gesellschaftliche und gesundheitliche Schäden zu konzertieren sind.

Markus: Ja, als kleiner Einschub, wenn Sie die Sendung mit dem Herrn Lanz auch gesehen haben, da war ja am Schluss noch auch das Thema Alkohol noch mal direkt präsent. Und was mich ein bisschen schockiert hat war, dass da letzten Endes die These aufgestellt worden ist und zwar sehr schlüssig, dass es dieses, sagen wir mal, Genusstrinken in der Form eigentlich gar nicht gibt, sondern dass wir im Grunde immer in einem fließenden Übergang sind, die einen mehr, die anderen weniger und Alkohol per se sehr schädlich ist, auch in kleineren Mengen, egal in welchen Mengen eigentlich und wir auf jeden Fall uns schädigen, wenn wir sehr viel davon oder wenn wir überhaupt davon konsumieren. Also wie geht man denn damit um?

Jakob Hein: Naja, Frau Graßnickel ist eben sehr streng und sie hat ja auch recht auf ihre Art, also ja, die hat Recht, Punkt! Also um Himmels Willen, ich will mich davon keinesfalls distanzieren. Genau, aber die Frage ist ja bei so großen gesellschaftlichen Themen, bei Alkohol in Deutschland, also da sind wir wirklich, das ist ein Ozeandampfer und die Frage ist so, wo wollen wir in 20 Jahren sein? Wollen wir in 20 Jahren genau da sein, wo wir jetzt sind, wollen wir in 20 Jahren bei dem Thema ein bisschen weniger konsumieren oder wollen wir in 20 Jahren bei dem Thema ein bisschen mehr konsumieren? Und das ist einfach realistisch. Und ich glaube, also dass wir wirklich sofort eine Revolution auslösen würden, wenn wir morgen den Alkohol in Deutschland verbieten würden. Also weil, wie gesagt, also das Thema Auszeit ist schon auch normal. Und natürlich, es ist auch so ein bisschen wie so eine Herausforderung. Also wir wissen zum Beispiel nicht, wie viele Leute in Deutschland eine Allergie gegen, ich überlege grade, eine Allergie gegen Safran haben. weil nur wirklich ein kleiner Teil von Menschen Safran in seinem Küchenschrank hat und dieser kleine Teil das auch immer nur in kleinen Dosen anwendet, also wissen wir nicht. Beim Alkohol, wissen wir schon ungefähr, wie viele Leute das Risiko haben, in einen riskanten problematischen Alkoholkonsum zu kommen, weil einfach jetzt der trinkt. Also es gibt nur ein ganz kleines Segment der Bevölkerung, die nie ein Glas Alkohol angerührt haben und dann noch mal ein etwas größeres Segment der Bevölkerung, die wirklich extrem wenig trinken und das nicht herausfinden würden, ob sie die Anlage zum Alkoholismus in sich haben. Der größte Teil der Bevölkerung probiert, dieses herauszufinden und dadurch ist das natürlich alles wirklich betrüblich und schlecht und ist auch ein gesellschaftliches Problem und so. Und ich denke eben auch, dass wir durch die Sanktionierung von Alkoholverhalten, sind wir, glaube ich, auf dem falschen Weg. Also wenn wir sagen, ja, es ist in Ordnung, dass diese Person diese strafwürdige Handlung begangen hat, weil sie war ja betrunken, ich glaube, dass das ein verlorener Posten ist, also ich glaube, dass das falsch ist und ich glaube, dass das auch nicht das sein wird, wie es gesellschaftlich weiter sein wird. Ich glaube, wir sollten alle bereit sein, die Verantwortung für uns zu übernehmen als erwachsene Menschen, unabhängig davon, ob wir nüchtern oder betrunken sind.

Markus: Ja und das würde ja auch bedeuten, dass wir sagen können, wie Sie es grade schon gesagt haben, was das Thema Gewalt angeht, wenn ich immer weniger diese Verhaltensweisen habe, dann wird immer weniger davon gelernt. Dementsprechend könnte man ja vielleicht da mittelfristig, wenn man daran auch arbeitet, dafür sorgen, dass die nächsten Generationen eben auch immer weniger nicht positive Verhaltensweisen zeigen beim Alkoholkonsum. Wobei die ja letzten Endes auch immer mehr abstinent werden. Also da gibt es ja auch Untersuchungen, das wir schon von einem Drittel der jüngeren Generationen sprechen, die eben ganz bewusst keinen Alkohol mehr trinken wollen, auch das ist ja durchaus ein Thema. Ja, ich wollte noch ganz kurz auf 1969 eingehen, also damals wurde dieses Buch veröffentlicht. Wissen Sie, wie die Rezeption damals war? Sie haben ja schon gesagt, das ist kaum irgendwie bekannt geworden, aber eigentlich ist das ja schon ein Hammer grundsätzlich, aber es ist offensichtlich so nicht rübergekommen.

Jakob Hein: Also es ist in der psychiatrischen Fachwelt und in der Suchtforschung, ist es ein absoluter Klassiker und ist auch zum Klassiker geworden. Es ist ja auch noch mal so vor 10 Jahren oder so, also nachdem mein Chef mir das schon gegeben hatte, hatte auch noch mal so Malcolm Gladwell, der ja ein sehr einflussreicher Autor ist, hatte auch noch mal gesagt, das ist eins der interessantesten Bücher, was er je gelesen hat. Also dieser Trend, also das wollte ich noch mal kurz sagen, dieser Trend so, dass man durch Anthropologie mal probiert, den Sachen auf den Grund zu kommen, der ist schon sehr, sehr interessant. Also dass man eben so sagt, okay, es gibt ja diesen Mythos, dass zum Beispiel das Geld eben genutzt wurde als Tauschmittel. Also dass es eben so schwer war, zwei Hühnern gegen zwei Lederschuhe zu tauschen und deswegen hat man Geld entwickelt, damit man eben ein Äquivalent hat, wie viele Hühner einem Paar Lederschuhe entsprechen, was weiß ich. Und wenn man das eben erforscht anthropologisch und zurückgeht zu den Ursprüngen des Geldes und den ersten Erwähnungen des Geldes, findet man raus, das ist Quatsch, dafür war Geld nie da, sondern Geld war immer dafür da, um Schulden abzubilden gegenüber dem Staat oder des Staates gegenüber den Individuen. Und wenn man jetzt beim Alkohol ist, also eine solche Studie wäre heute gar nicht mehr möglich, weil heute durch die kulturelle Angleichung, also dadurch, dass alle Barbie gucken, dadurch, dass alle , ich weiß es nicht, Der Pate geguckt haben, also ich habe jetzt überlegt, in welchem Film Alkohol eine große Rolle spielt, dadurch findet auch eine starke kulturelle Annäherung aller Gesellschaften und aller Völker statt. Und diese anthropologischen Beobachtungen sind eben ein einmaliges Beispiel, um sich das eben angucken zu können. Also weil im Grunde genommen beobachte, wenn ich jetzt trinke, verhalte ich mich ja so, wie ich beobachtet habe in den Jahrzehnten meines Lebens, wie Menschen sich verhalten, wenn sie Alkohol getrunken haben. Das heißt, ich bin nicht unabhängig und werde nie unabhängig von der Kultur sein, in der ich aufgewachsen bin. Und, jetzt und insofern ist an dieser Stelle sozusagen diese Art der Analyse sehr gut. Und das ist eben auch damals gut aufgenommen worden, 69. Und, sagen wir mal so, meine Übersetzung wird jetzt erst mal auch sehr gut aufgenommen. Inwieweit das was zu verändern mag, das weiß man ja vorher nie.

Markus: Naja, wir werden auf jeden Fall auch versuchen, dazu beizutragen, dass es ein bisschen in die Gesellschaft kommt. Sie haben ja auch gesagt, das war eine der Herausforderungen beim Übersetzen, dass man eben diese über 50 Jahre alte Quelle hat, die wiederum andere Quellen bedient, die eben sich mit indigenen Völkern beschäftigen, mit eben diesen anderen Kulturen, mit Namen, mit Ortschaften, die man kaum einfach übersetzen kann vom Englischen aufs Deutsche, weil es dann einfach nicht passt. Und weil natürlich auch die Haltung, also wenn man überlegt, 1969, da war Martin Luther King grade erschossen worden, der Vietnam-Krieg hat angefangen, all diese Dinge. Das war eine ganz andere Zeit, da hat man anders auch aufeinander geschaut, auch auf die Bevölkerung, auf indigene Völker zum Beispiel. Wie war das so bei der Übersetzung?

Jakob Hein: Das war die größte Herausforderung natürlich, dass ich eben probiert habe, eben das Buch in einer Sprache zu veröffentlichen oder zu schreiben, die gut ins Heute passt, ohne natürlich irgendwas zu verbiegen. Die Berichte der Kolonialisten und dieser, ja, Jesuiten oft, die da die anderen Gesellschaften beobachten, die sind oft natürlich von absolut extremen Rassismus geprägt. Also die gehen schon davon aus, dass es eben andere Menschen sind oder, ja, eine ganz andere Art ist, die sie da beobachten. Je länger die da sind, desto mehr stellen die fest, dass es einfach auch nur Menschen sind. Aber das ist natürlich etwas, was ich nicht verfälschen darf. Das ist Quatsch, also dann muss ich das streichen oder so, die Stelle, wenn ich sie zu unerträglich finde. Aber den Text zumindest, den Text des Buches, den Kerntext, da habe ich eben zum Beispiel darauf verzichtet, von Stämmen zu sprechen, das war damals was ganz Übliches, man sprach von Stämmen und Häuptlingen, aber eigentlich meinte man immer Gesellschaften. Und ich habe dann probiert zu überlegen, was will ich denn dann immer schreiben und dann habe ich mich für den Begriff Älteste entschieden. das gibt es ja auch in Gesellschaften, die in Westeuropa sind, wo man eben auch davon spricht. Weil der Stamm sind immer die anderen, also wir sind immer nicht der Stamm, wir sind eben eine ordentliche Gesellschaft und die anderen, die haben immer Stämme. Und diese Art von Abgrenzung halte ich für völlig falsch und in dem Kontext verfehlt, da musste ich echt einiges machen. Ich musste ja teilweise probieren, die Originalquellen zu finden, insbesondere wenn die auf Deutsch veröffentlicht war, dann konnte ich jetzt nicht einfach mir das Deutsche aus dem englischen Text erschließen. Und irgendwelche Sachen wie ChatGPT oder so, waren mir da auch überhaupt nicht hilfreich, weil die ja überhaupt kein Verständnis für diese Themen haben, an denen ich da gearbeitet habe.

Markus: Ja, das kenne ich durchaus auch von meiner Arbeit. Ich habe auch die ein oder anderen Bücher verfasst, zum Beispiel auch zur Biergeschichte und habe dann viel auch eben recherchiert bei den ganzen historischen Quellen, grade von den Überlieferungen der Konquistadoren und die ersten religiösen Eiferer, die dann mit rüber sind und die Leute eben christianisieren wollten oder haben und wie die dann über die Völker geschrieben haben. Auch zum Beispiel sowas wie den Kakaogenuss, also was mit Alkohol ja erst mal nicht so viel zu tun hat, aber auch da, das ist ja ähnlich. Und dass ist wirklich gar nicht so einfach, dass die Grenze eben zu ziehen, wo ist es was, wo die halt schreiben wie sie denken, dass es sein muss und das, was sie wirklich gesehen haben, das ist schon auf jeden Fall spannend.

Jakob Hein: Ja, ja, genau, das ist eine sehr gute Beobachtung. Also auch ich, ich habe mal eine Studie gemacht, wo ich eben alte Aufzeichnungen aus dem Krankenhaus von vor 50 Jahren mir angucken musste. Da ging es um Menschen mit Autismus, die dann gestorben waren, deren Gehirne hatten wir und da ging es eben darum sozusagen, Assoziationen zwischen Zellstrukturen und Verhalten zu machen. Und man muss wirklich sagen, die Berichte der Ärzte waren völlig nutzlos, weil die immer nur ihre Interpretation darein schrieben, die auch heute, also dann mit der heutigen Brille, also bizarr anmuteten, also es war völlig unempathisch und eben immer so abgrenzend herablassend pathologisierend. Und das Einzige, womit man was anfangen konnte, waren die Aufzeichnungen vom Pflegepersonal, weil die nämlich einfach schön beobachteten, schrieben, was ist passiert, wie war der Tag des Patienten, ja, wie hat das alles funktioniert, welche Schwierigkeiten hatte er, wie funktionierte die Nahrungsaufnahme, wie funktionierte die Kommunikation. Also man wirklich da an der Stelle sozusagen, so lange man beobachtet und probiert, neutral und rechtschaffend dass zu sagen, was ist, so lange muss man sich dann auch 20 oder 50 Jahre später nicht dafür schämen, was man da geschrieben hat.

Markus: Wir sind halt auch immer Kinder unserer Zeit. Und wenn man eben die gesellschaftlichen Entwicklungen sieht, dann ist es gar nicht so lange, wo wir sagen, wir haben sowas wie das, was wir als freiheitliche Gesellschaft bezeichnen, wo man eben neutrale Informationen hat und sich bemüht, auch neutral Dinge darzustellen, das ist noch nicht so alt. Also insofern ist alles, was davor war, eben immer irgendwie gefärbt und in gewisser Weise auch Propaganda gewesen. Von dem einen oder anderen, je nachdem, jeder hatte seine Interessen. Und das ist wirklich immer schwierig, diese verschiedenen Brillen und Hüte zu unterscheiden und das ein bisschen rauszufiltern. Und manchmal geht man dem auch auf den Leim, also das passiert.

Jakob Hein: Auf jeden Fall und das ist auch nicht schlimm. Ich dachte eben auch, als ich es dann gemacht habe, meine Übersetzung, dachte ich eben auch, ist alles nicht schlimm. Ich hoffe, dass das auch Leser und Leserinnen, die das in 50 Jahren lesen vielleicht, dass die auf jeden Fall ein Gefühl haben, dass ich das rechtschaffend gemacht habe. Dass sie denken, woah, das ist heute gar nicht mehr denkbar so, dass zu schreiben, aber er hat es gut gemeint oder es ist auf jeden Fall, wir verstehen, dass er nicht von Hass zerfressen war bei dieser Übersetzung, und solange ist das alles okay.

Markus: Ja und ich würde noch gerne auf einen Aspekt kurz eingehen, den Sie schon erwähnt haben, nämlich den Punkt, dass ja unser Strafrecht zum Teil darauf basiert, dass es eine Schuldminderung oder Schuldunfähigkeit gibt, wenn jemand entsprechend Alkohol konsumiert hat. Und dass ist ja tatsächlich was, was auch vor Gericht so gemacht wird, wo auch Gutachten erstellt werden und so. Ist das dann jetzt nicht etwas, wo das eigentlich nicht mehr haltbar ist? Also nach diesen Forschungsergebnissen müsste man doch dann eigentlich sagen, jede Art von Urteil, das darauf basiert, dass der Typ ja gar nicht anders konnte, weil er halt betrunken war, ist per se dann falsch?

Jakob Hein: Ich halte das für falsch, ja. Also ich denke, man sollte die Forschungsergebnisse dieses Buches, die ja doch also umfangreich sind, also wir sprechen ja jetzt nicht von der Beobachtung von einer Kultur auf einer japanischen Insel, sondern wir sprechen ja hier von einem riesigen Korpus von anthropologischer Forschung. Und letztendlich auch, wenn wir ehrlich  zu uns sind, auch von Ergebnissen, ja, die wir selber sehen. Also was ich vorhin sagte, der Vorstandsvorsitzende, der im Stadion grölt und dann eben bei der Sitzung ganz gesittet sich verhält, obwohl er vielleicht im Stadion sogar alkoholfreies Bier bekommen hat und bei der Sitzung jetzt Bier mit Alkohol trinkt. Also wir wissen ja, dass das alles gar nicht objektiv ist. Und eigentlich ist es so, wenn jemand zum Beispiel eine Gewalttat begeht unter Alkoholeinfluss, dann hat der sich eigentlich mehr Mühe gegeben. Er müsste eigentlich stärker bestraft werden, weil eigentlich seine Koordination überhaupt nicht verbessert war, seine Grob- und Feinmotorik gestört waren, eigentlich sine Fähigkeit, zum Beispiel jemanden hinterherzulaufen oder schnell den Arm zu bewegen, eingeschränkt waren, er eigentlich müde war und ins Bett wollte und musste und vielleicht sogar damit gekämpft hat, sich zu übergeben. Und trotz all dieser Schwierigkeiten, trotz einem Riesen Rucksack und Hindernissen, die er getragen hat, hat er sich die Mühe gemacht, noch jemand anderen zu verletzen, also eigentlich müsste das stärker bestraft werden. Und im Moment kann es einem passieren, dass man zu mindestens stark eingeschränkt bestraft wird oder nur dafür bestraft wird, dass man den Alkohol getrunken hat, ich halte das für sehr, sehr stark hinterfragbar. Und ich halte das auch für wichtig, das zu hinterfragen, weil wir ja sonst irgendwo an einer gesellschaftlichen Stelle hängen. Es ist ja im Moment problematisch, also es ist ja günstig, unter bestimmten Umständen betrunken gewesen zu sein. Es gibt eben, so wurde mir eben erzählt, es gibt eben Juristen, die ihren Mandanten eben unter der Hand sagen, wenn die nachts anrufen, oh Gott oh Gott, pass auf, geh Nachhause und trink dir so richtig einen rein, damit du dann Morgen bei der Blutuntersuchung einen ganz hohen Promillegehalt hast. Dann kriege ich dich irgendwie vom Haken, ansonsten sieht es ganz schlecht aus für dich.

Markus: Eben, also dann kann Alkohol ja sogar die Funktion bekommen, jemanden zu entschuldigen sozusagen. Und dass darf es, denke ich, auf gar keinen Fall sein.

Jakob Hein: Das macht überhaupt keinen Sinn, ja.

Markus: Ja, da gibt es viele Lehren, die wir als Gesellschaft und auch als Individuen da irgendwie draus ziehen sollten. Und das ist hoffentlich auch ein guter Anreiz für möglichst viele, die uns jetzt eben zu hören oder lesen, sich dann auch das Buch anzuschaffen und reinzulesen. Hat sich denn Ihre Selbstwahrnehmung verändert durch diese Arbeit?

Jakob Hein: Total, also ganz stark, also es hat mir sehr geholfen. Ich weiß, also ich habe eigentlich immer probiert, Verantwortung für mein Verhalten zu übernehmen. Und ich fand das immer so unangenehm, so Menschen zu treffen, die sich völlig anders verhalten unter Alkoholeinfluss, das war mir immer sehr unangenehm. Also Stichwort ist, es kann nichts rausrutschen, was nicht vorher da war. Dass ist für mich oft so, also es hat bei mir auch so ein, zwei Bekanntschaften, Freundschaften würde ich nicht mal sagen, beendet. Und außerdem, genau, hat es mich eigentlich auch sehr viel freier und fröhlicher gemacht. Und dachte eben auch immer, Mensch, guck mal, all die Sachen, die ich mache, von denen ich dachte, dass ich die nur machen kann, wenn ich betrunken bin, die kann ich einfach machen, dass ist, ich kann das einfach und ich muss dafür nicht betrunken sein. Ja, ich tanze seitdem lieber, ich erfreue mich viel mehr auch an alkoholfreien Getränken oder, ja, alkoholfreien Cocktails oder Bieren und, ja, mein Leben hat sich weiter verbessert.

Markus: Ja, dem kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Vielen, vielen Dank, auch, dass Sie dadurch hoffentlich viele andere leben verbessert haben oder zumindest den Anreiz gegeben haben, dass man das tun kann.

Jakob Hein: Ich danke Ihnen.

Markus: Vielen Dank für diese wunderbare Arbeit und alles Gute weiterhin und viel Spaß und Freude beim alkoholfreien Bier.

Jakob Hein: Ja, vielen Dank für die Einladung.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 137 – Interview mit Iris Eickert, Biersommelière & Marketingbeauftragte der Astra St. Pauli Brauerei in Hamburg

Tauche mit uns ein in die bunte und lebendige Welt der Hamburger Braukunst! In unserer neuesten BierTalk-Folge begrüßen wir Iris Eickert, die sich selbst als „Remmi-Demmi-Managerin“ der ASTRA St. Pauli Brauerei bezeichnet. Markus und Iris nehmen Dich mit auf eine spannende Reise durch die reiche Biergeschichte Hamburgs, plaudern über die einzigartige Bierkultur und probieren sich durch eine beeindruckende Auswahl an ASTRA-Bieren. Erfahre mehr über die Biernamenskreationen wie „LUDEN LAGER“ und „INKASSO IPA“ und lass dich von Iris‘ Leidenschaft für die Braukunst und ihre faszinierenden Geschichten aus St. Pauli begeistern. Prost und viel Spaß beim Zuhören…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir eine schöne Reise ans Meer, an die Küste, in den Norden, nach Hamburg. Da, wo nicht nur die Fische wohnen, sondern auch das Bier und schon sehr lange und eine Stadt mit einer großen, großen Biertradition und auch einer großen Tradition der Seefahrt und allem, was damit zusammenhängt. Und da sind wir dann irgendwie auch schon in St. Pauli und da sind wir dann auch schon bei der ASTRA Brauerei. Und da bin ich ganz glücklich, dass ich die Iris, Iris Eickert begrüßen kann. Schön dass du hier bist! Und vielleicht stellst du ganz kurz dich mal unseren Hörern selber vor.

Iris: Ja, moin, Markus, vielen Dank für die Einladung! Hast du ja schon gesagt, mein Name ist Iris, ich komme aus Hamburg, ich arbeite für die ASTRA St. Pauli Brauerei. Da muss ich dich kurz korrigieren, ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Und ich bin Biersommelière, bin dort in der ASTRA St. Pauli Brauerei für das Marketing zuständig. Und freue mich auf ein schönes Gespräch und ein paar Bier mit dir.

Markus: Ja, wunderbar. Und vielen Dank für die Korrektur, das ist natürlich auch wichtig. Also wir haben in St. die ASTRA St. Pauli Brauerei, was ja ein echtes Kleinod mittlerweile ist, wo ich auch selber sehr, sehr gerne bin, die eben ihre Biere auch selbermacht und damit auch ein bisschen unabhängig ist von dem, was die große Astra Brauereien macht. da können wir vielleicht nachher noch ein bisschen drüber reden, aber lass uns doch vielleicht vorher dich mal ein bisschen kennenlernen. Und, du hast ja dankenswerter Weise gleich 7 Flaschen mitgeschickt, ich bin fast ein bisschen überfordert. Aber es sind wenigstens nur 0,3er, also insofern alles gut.

Iris: Ja gut, du musst auch nicht alle trinken. Also ich denke, lieber ein bisschen mehr Auswahl als zu wenig.

Markus: Ja, ach Gott, was da ist, ist da, sagt der Franke, also das könnten wir schon machen. Und vielleicht können wir am Anfang einfach mit einem ersten Bier schon mal einsteigen, dann ist das nicht so trocken. Und alle, die mitmachen wollen, können auch gleich mitmachen. Welches würdest du denn empfehlen zum Einstieg?

Iris: Also ich starte immer sehr gern mit dem LUDEN LAGER. Das ist das Rote, falls du das direkt siehst.

Markus: Ja, es steht vor mir. Also wunderschön auch, als sowieso, das ASTRA-Logo ist jetzt, glaube ich, seit, ja, ungefähr 20, 25 Jahren ist das jetzt so mit dem Herz und dem Anker, das gefällt mir ganz gut. Und auch das Etikett ist so, dass es praktisch um einen Umriss hat, wo dann auch dieser Anker noch mal schön zur Geltung kommt. Und oben drüber, über der Flasche, die klassische schöne kleine Steiniflasche, haben wir dann so einen schönen Papierstreifen, der da draufgeklebt ist und da ist dieser wunderbare Titel LUDEN LAGER. Da möchte ich auch mit dir sprechen, weil ich das so toll finde, das ihr eigentlich immer für eure Biere so tolle Namen findet, wo man schon vor dem Trinken lächeln muss, weil es einfach diesen schönen, leicht dreckigen Kiez-Anstrich hat, der aber trotzdem so richtig Lust macht, eben auf das, was drin ist. Und ich muss auch sagen, das ist auf jeden Fall für mich das Bier, was ich am allermeisten mit der St. Pauli ASTRA Brauerei verbinde, weil es mir eben vom Namen und vom Geschmack her am meisten in Erinnerung geblieben ist. Also mache ich das mal auf.

Iris: Ich auch, super.

Markus: Moment, jetzt, da ist es.

Iris: Ja, dann mal prost, oder?

Markus: Ja, prost erst mal, genau. Ich stoße mal mit dem Glase und der Flasche an, so.

Iris: Cheers!

Markus: Naja, konnte ich auch schon mal besser, aber jeder weiß, was gemeint ist. Also prost!

Iris: Also deine Introduktion hat mir schon sehr gut gefallen, es freut mich natürlich auch, dass du ein Fan vom LUDEN LAGER bist. Und du hast es schon ganz treffend formuliert, das wir halt immer so versuchen, unsere Biere auch mit so ein bisschen Reeperbahn- und Kiez-Bezug zu versehen, damit die einfach auch für alle interessant sind. Und das LUDEN LAGER hat ja schon im Namen so eine schöne Alliteration. Mir ist tatsächlich aufgefallen, das irgendwie Lude ein sehr norddeutsches Wort ist. Ich dachte immer, das wüssten alle, was Lude bedeutet, aber scheinbar ist es nicht deutschlandweit bekannt, das Lude Zuhälter heißt.

Markus: Nö, also wusste ich vorher so auch nicht, habe ich mich auch erst damit beschäftigt, als ich es dann zum ersten Mal hatte. Also ich hatte es vorher vielleicht so irgendwo in die Schaustellerecke verortet, aber nicht direkt zum Zuhälter, aber dann weiß man es.

Iris: Ja, also jedenfalls, weißt du ja auch, dass wir auf der Reeperbahn ein bisschen Zuhälterhistorie haben. hat sich natürlich mittlerweile so ein bisschen verändert, aber wir spielen natürlich gerne so mit der Historie des ganzen Ortes. Und, ja, beim LUDEN LAGER haben wir so ein Dry Hopped Lager. Ich finde das immer einen sehr schönen Einstieg, weil es halt ja jetzt nicht so richtig abgefahrenes Bier ist, aber trotzdem so ein kleines bisschen interessant. Also wir haben hier halt so, ja, ich würde sagen, so moderates Bier, was irgendwie jedem, ganz gut schmecken kann, auch Leuten, die sonst eher vielleicht ein bisschen konventionellere Biere trinken.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Und ich finde, also es ist schon optisch was sehr Schönes, weil es so ein orange-braunen Touch hat, es leuchtet auch. Ist so ein kleines bisschen trüb, was so ein bisschen Geheimnisvoll das Ganze daherkommen lässt. Oben drauf dann so richtig schöner cremiger fester Schaum. Der steht hier immer noch wie eine eins, leicht getönt, also das ist auf jeden Fall toll. Und das mutet einem dann schon so ein bisschen in die Richtung Wiener Lager an.

Iris: ja, stimmt, du hast Recht.

Markus: Und ich finde, wenn man dann so reinriecht, finde ich, kommt mir so ein Eindruck auch ein bisschen. Also so ein bisschen rote Beeren, viel Karamell, ein bisschen was Nussiges. Und dazu dann die schönen Hopfennoten, also noch nicht übertrieben, schön dezent, aber auch da, ein bisschen das Fruchtige, ein bisschen Zitrusaromatik, noch ein bisschen was Tropisches dazu und alles drum rum, ja, also eben ein bisschen was Besonderes. Und durch diese für mich eher so Wiener-Lager-Charakteristik eben auch noch mal, wo auch eine gewisse Süße da ist, ein bisschen Körper da ist, nicht ganz so, wie jetzt ein Helles, dass dann irgendwie dann auch ein bisschen blass ist. da passt für mich das auch besser zum Kiez, finde ich, so ein bisschen. Aber hat das so eine Geschichte, also ist das irgendwie entstanden oder hat der Braumeister irgendwann einfach gesagt, ich mache das jetzt, oder?

Iris: Das war tatsächlich eins der ersten Biere, was wir hatten. Also uns gibt es ja erst seit Ende 2018, also noch gar nicht so lange. Und als wir da gestartet sind, gab es dann so ein Erstportfolio an Bieren, das sind 6 verschiedene gewesen und die Meisten davon gibt es heute auch noch. Und das LUDEN LAGER war halt eins der ersten, die wir da direkt am Start hatten.

Markus: Ja und können wir also jedem empfehlen, der vorbeikommt und sich da in der Brauerei reinsetzt, am besten auch mit sowas zu starten. Aber wir wollten ja eigentlich mit dir anfangen. Also wie kamst du überhaupt zum Thema Bier und wann hast du dann dich in diese ASTRA-Ecke wohlgefunden?

Iris: Boah, also ich habe schon eigentlich immer gerne Bier getrunken oder zumindest dachte ich immer, das ich gerne Bier getrunken hätte. Und dann hat irgendwann mein Partner, ich glaube, das war so 2011 oder 2010, hat er so ein gemischtes Bierpaket geschenkt bekommen aus einem Laden, den du bestimmt auch noch kennst, nämlich das Bierland in Hamburg, was Esther damals betrieben hat.

Markus: Genau, ja.

Iris: Ja, also er hat das Paket geschenkt bekommen, aber das hat er natürlich nicht alleine getrunken. Und dann haben wir an einem Abend so peu a peu dann so diese Flaschen halt nacheinander aufgerissen. Und da ist mir dann aufgefallen bei dieser Vielfalt, dass ich überhaupt nichts über Bier wusste. Also ich war so richtig schockiert, was es alles an unterschiedlichen Bieren gab, von denen ich vorher noch nie gehört hatte und was es da so für Geschmackserlebnisse gab. Und das hat mich gestört, deswegen habe ich mich dann ins Studium geworfen, in die Praxis vor allem und habe dann so alles Mögliche an Bieren eingekauft. Besonders doll, aus heutiger Sicht, finde ich, das in dem Bierpaket unter anderem, ich glaube, das XPA IPA von Schoppe drin war. Und ich weiß noch genau, wie wir dieses Bier geöffnet haben und es eingegossen haben und es roch irgendwie so anders, ja, wie die Biere, die ich sonst getrunken habe. Und dann habe ich so dran gerochen und dann meinte ich so zu meinem Partner so, Simon, also das Bier, das ist schlecht. Ich weiß nicht, was damit los ist, aber das riecht so eigenartig, das können wir nicht trinken. Und dann haben wir dieses Schoppe IPA in den Ausguss gekippt so. Und, ja, also wenn ich da so heute drüber nachdenke, dann war das natürlich schon so ein bisschen ketzerisch, aber wir wussten es nicht besser. Und deswegen bin ich auch froh, dass ich danach sehr viel Energie darauf verschwendet habe, so im Supermarkt alles Mögliche so einzukaufen, was ich so gefunden habe und dann ein bisschen auch gegogelt habe und ein bisschen drüber gelesen habe. Und das hat mich dann so an gefackelt, dass ich gemerkt habe so, boah, Bier ist irgendwie so ein tiefes Thema, man kann da so viel drüber lernen und man kann so viel drüber erfahren. Und das ist so viel vielfältiger also ich dachte. Und das war ja dann damals auch die Zeit, wo es so losging mit diesen ganzen Craft-Beer-Festivals. Also Ratsherren haben ja zu der Zeit dann auch so die Craft Beer Days in Hamburg häufiger veranstaltet. Da waren dann alle möglichen Brauereien da und dann konnte man überall mal was probieren. Und das hat mich, ja, einfach so doll interessiert und mir so viel Freude bereitet, dass ich dann irgendwann gedacht habe so, Mensch, das wäre auch gut als Job. Und glücklicherweise hat da Ratsherren grade auf Studienjobbasis Brauereiführungsleute gesucht. Da habe ich mich beworben und da habe ich dann angefangen und von da an ging das so ein bisschen seinen Lauf mit dem Bier.

Markus: Na, das ist aber sehr spannend. Und du bist eigentlich Ur-Hamburgerin, kann man das so sagen?

Iris: Ja, also das ist immer so ein Thema, wenn man halt mit Leuten aus Hamburg spricht, die sind da immer ganz empfindlich, weil dann sagen die so, ja, Hamburger oder Hamburgerin ist man erst ab dritter Generation. Und das kann ich leider nicht vorweisen. Ich bin tatsächlich erst, als ich acht Jahre alt war, mit meiner Familie nach Hamburg gezogen, aber ich fühle mich hier definitiv heimisch.

Markus: Ja, nee, das kann man auch nur so bestätigen. Ich habe dieselbe Thematik immer hier in Bamberg, da ist es genauso. Also wenn man die Ur-Bamberger hier fragt, die sagen auch, also drei Generationen mindestens, vorher zählt das nicht. Aber letzten Endes ist ja die Geschichte grade in den letzten 30, 50, 100 Jahren so gewesen, das die Fluktuation so war, das die wenigsten das noch so für sich sagen können. Und ich glaube, wir können das auf jeden Fall für uns vereinnahmen jeweils, sozusagen zu den Ureinwohnern unserer Heimatstädte zu zählen.

Iris: Bist du auch erste Generation Bamberger, oder?

Markus: Ja, ja. Also mein Vater ist Vertriebenenkind aus Schlesien, irgendwo mitten drin. Ich war neulich sogar da, als ich in Polen ein paar Brauereien besucht habe. Also was heißt da, ich war in der Nähe, ganz genau weiß ich es, ehrlich gesagt, gar nicht. Und meine Mutter ist aus dem Süden von Bayern, also im Grunde für Franken auch Ausland, also bin ich sozusagen ein mächtiger Migrationshintergrund sozusagen. Aber naja, so passiert das eben. Ja, hast du den Torsten Schoppe dann mal getroffen irgendwann später?

Iris: Ja, ich habe den mal getroffen und zwar beim Meininger Award, als es den noch gab, da haben wir gemeinsam Biere bewertet. Das war auch ein sehr schöner Abend, wir haben auch gut was getrunken. Vielleicht habe ich ihm die Geschichte erzählt, aber wir waren alle schon ein bisschen im Feierabendmodus, also ich weiß nicht, ob er das noch in Erinnerung hat.

Markus: Schade, das wäre jetzt witzig gewesen, aber gut, ich werde ihn auch mal fragen. Also ich kann mich erinnern, ich habe ja um die Zeit auch meinen Berliner Brauereiführer geschrieben und habe da ja auch viele Leute interviewt und mir haben tatsächlich ein paar Leute aus Berlin Ähnliches erzählt. Also nicht nur mit Schoppes Bieren, sondern auch mit anderen, das die wirklich bei ihren ersten IPAs gedacht haben irgendwie, das Bier ist sauer oder da ist irgendwas schiefgegangen oder irgendwie so.

Iris: Ja, aber es ist auch echt, also wenn man es halt nicht besser weiß, dann weiß man es nicht besser. Also ich finde das auch ganz interessant so manchmal, also ich nutze auch ganz gerne die Plattform Untappd, eher so als persönliches Tagebuch, damit ich mich erinnern kann, was irgendwie wann mal passiert ist. Aber da habe ich häufiger mal so die Momente, dass ich irgendwie so einen echten Bierklassiker, so ein richtig geiles Bier da noch mal einchecke und ich weiß, ich hatte das schon mal irgendwann vor 8 Jahren oder so. Und dann sehe ich manchmal sehr, sehr schlechte Wertungen, die ich verteilt habe einfach, weil ich es damals nicht besser wusste und keine Ahnung von Bier hatte. Also ich habe zum Beispiel dem Aventinus Eisbock, ich glaube, dem habe ich 0,5 gegeben.

Markus: Oh, das ist böse. Aber gut, das ist halt so.

Iris: Das ist definitiv böse und das würde mir heute auch nicht mehr passieren. Also ich meine, mittlerweile weiß ich natürlich, wie weh es tut, wenn man so ein schlechtes Rating kriegt von einer Person, die einfach keine Ahnung von Bier hat, das würde mir nicht mehr geschehen. Aber es ist interessant, also durch solche Kleinigkeiten dann irgendwie nachvollziehen zu können, wie die eigene Reise beim Bier war. Also natürlich schäme ich mich auf der einen Seite so ein bisschen, wenn ich sowas sehe, aber auf der anderen Seite denke ich auch so, woah, krass, also heftig. Aber damals konnte ich halt überhaupt nicht einordnen, was denn überhaupt so ein Weizendoppelbock ist und was ein Eisbock ist. Und ich habe wahrscheinlich nur einen Schluck genommen und habe gedacht so, Mensch, das ist aber gar nicht süffig, wie soll man davon denn irgendwie jetzt zwei große Bier trinken. Und heute kann ich das natürlich ganz anders einordnen.

Markus: Ja, ich glaube, da haben wir alle so unsere peinlichen Situationen im Leben gehabt. Also wenn ich überlege, ich habe vor vielen Jahren mal bei einer Gasthausbrauerei an der Schanktheke ausgeholfen und da kam dann jemand und hat mich gefragt bei dem Kellerbier, ob das ober- oder untergärig ist? Und ich im vollen Brustton der Überzeugung damals gesagt, naja, ist ein obergäriges Bier. Aber das sind so Sachen, also klar, man entwickelt sich, man lernt, man macht natürlich Fehler, das gehört auch dazu. Was ich allerdings finde ist, das grade so diese Plattformen, so wie Untappd oder sowas, die haben ja alle in der Zwischenzeit so in den letzten 10 Jahren so ein bisschen ihre Unschuld verloren, sage ich jetzt mal, in vielerlei Hinsicht. Und dann hat man halt auch mittlerweile Brauereien, denen das wirklich richtig wehtut. Also wenn ich überlege, wo wie die Ulrike von der Schneeeule, wenn halt jemand keinerlei Ahnung von Berliner Weisse hat, dieses Bier trinkt und dann halt reinschreibt, es ist halt sauer und bewertet es deswegen so schlecht, das ist einfach sehr schade. Aber es passiert und muss man auch irgendwie mit umgehen. Und ich finde, sie hat auch eine Größe, damit umzugehen, das finde ich auch gut und dann passt das ja irgendwie auch. Aber bevor wir da zu tief reingehen, finde ich, sollten wir uns ein neues Bier aufmachen. Also nicht, dass ich schon ganz fertig wäre mit dem LUDEN LAGER, das hebe ich mir jetzt auf dann für später. Aber wir haben ja ein ordentliches Programm und ich will dich ja auch nicht überstrapazieren und dementsprechend, ja, es sind jetzt immer noch sechs Schätzchen, die hier vor mir stehen. Was denkst du, wie machen wir weiter?

Iris: Ja, also normalerweise würde ich jetzt das Weizen trinken, aber ich muss sagen, ich persönlich bin nicht so der allergrößte Weizenfan, also ich würde das kippen. Wenn du das trinken möchtest, dann ist super, ich finde, es ist immer noch ein gutes Weizen, aber es ist halt nicht mein favorisierter Bierstil. Ich würde persönlich mit dem NACHTSCHICHT weitermachen, das wäre meine Wahl.

Markus: Na, dann machen wir doch gemeinsam die NACHTSCHICHT und ich kann dann ja mal irgendwann zwischenrein das Weizen noch machen und dann machen wir wieder ein Bier und dann bist du auch ein bisschen entlastet.

Iris: Sehr gut, okay. Dann gehe ich auch mal kurz, ich muss mal um die Ecke zum Bierkühlschrank und das mal rausholen.

Markus: Na klar, dann mache ich mal so lange hier auf, dann können ja all schon mal zuhören, wie ich diese Flasche hier öffne, wenn ich denn hinkriege. Und die ist natürlich auch wieder so schön wie die Letzte, also wieder so ein schönes Etikett mit Umriss und dann steht hier groß NACHTSCHICHT drauf. Und dann lasse ich das hier mal in mein Glas.

Iris: So, da bin ich wieder. Du bist schon am Einschenken.

Markus: Perfektes Timing, hier läuft es grade, richtig. Hah, wunderbar, also woah! Also farblich jetzt natürlich Wahnsinn. Jetzt sind wir hier bei Kastanienbraun, Haselnussbraun oder sogar noch ein bisschen dunkler, Richtung Ebenholz, also richtig schön schwarzbraun, Haselnuss, naja, wie auch immer. Und der Schaum auch schön getönt, also wirklich ein sehr stimmiges Gesamtkonzept. Und, naja, wenn es schon NACHTSCHICHT heißt, dann darf es auch dunkel sein, gehe ich mal davon aus. Und, ja, ist natürlich die Frage, was für eine Art von Dunkel sich dahinter verbirgt? Was gibt es denn zu dem Bier zu erzählen?

Iris: Ja, das ist unser NACHTSCHICHT, hast du ja schon gesagt. Was übrigens auch ganz interessant ist, bei uns in der ASTRA St. Pauli Brauerei, die Tape Handles unserer Zapfhähne, die sind alle thematisch den einzelnen Bieren zugeordnet. Und NACHTSCHICHT hat passenderweise eine Taschenlampe.

Markus: Die auch brennt?

Iris: Ja, leider brennt sie nicht, aber es ist immerhin ein ganz schönes Detail. Wir haben hier vom Stil ein Dark Ale. Also ich sage immer ganz gerne so Leuten, die jetzt nicht ganz so tief bei Bier drin sind, sage ich immer so, es ist so ähnlich wie ein Schwarzbier, nur mit einer anderen Hefe. Weil wir haben hier halt eine obergärige Hefe verwendet, deswegen können wir das schon mal nicht Schwarzbier nennen. Ich würde sagen, nimm einfach mal einen Schluck.

Markus: Ja, ich muss sagen, vorher nehme ich mal eine Nase. Weil, also nicht, um dich jetzt zu korrigieren, bitte nicht falsch verstehen, sondern weil mich das so überwältigt. Also ich wollte grad einen Schluck nehmen und habe aber dann zuerst was in die Nase bekommen und da muss ich sagen, ist so intensiv schokoladig, nougatig. Das ist so, wie wenn man, sage ich mal, ein gutes Nutella, also ist ja nun leider wie es ist, aber so in dieser Art. Also sehr nougatig, so eine Mischung aus Schokolade, Haselnuss hat man da in der Nase, das ist wirklich großes Kino. Also würde mich auch an ein Porter zum Beispiel erinnern oder so in die Richtung. Also von der Nase her ganz grandios. Ah ja und im Mund kommt dann tatsächlich diese Schwarzbier-Richtung ein bisschen mehr rüber. das heißt, es ist viel schlanker als man eigentlich denkt.

Iris: Ja, wir haben ja auch nur 5,2%, ich glaube, 5,2, ja.

Markus: Ja, steht drauf, ja.

Iris: Genau.

Markus: Und eine leichte Säure auch dabei, schon von den Röstmalzen natürlich. Ein bisschen so Kaffee, Lakritz, geht in so eine Aromatik. Schokolade ist auch noch da, aber im Hintergrund. Und auch eine Fruchtigkeit, so ein bisschen Kirsche. Also sehr schön, also vor allem, ich finde, das Gesamtpaket schön, weil hintenraus, finde ich, ist es dann auch wieder ein bisschen süß. Und da erinnert es dann ungemein an die Nase und dadurch wird es dann ein sehr rundes Bier und ein sehr versöhnliches Bier. Also ich kann mir vorstellen, NACHTSCHICHT ist ja vielleicht auch so dann das Bier, dass du trinkst, wenn der Tag o ein bisschen zu Ende ist und du dann irgendwie runterkommt und dich hinsetzt und dann dich zurücklehnst und dann mal was genießen willst und dann ist das eigentlich genau die richtige Geschichte.

Iris: Ja oder wenn die Nacht halt grade vorbei ist und die Nachtschicht endlich vorbei ist und du dann so quasi kurz vorm Frühstück stehst. Deswegen riecht das auch so ein bisschen nach Kaffee, damit man das ein ersetzen kann.

Markus: Ah, das ist eine gute Idee. Apropos, wie ist das denn, also auf dem Kiez, eigentlich schläft man da ja nie oder, wie ist das bei euch?

Iris: Ja, also ich schlafe schon, aber natürlich ist bei uns immer viel los. Also man muss sagen so, wir haben jetzt nicht 20 für 7 offen. Das war tatsächlich ganz am Anfang, als wir eröffnet haben, war dass das Konzept, das es ein Laden sein sollte, der immer für alle offen ist, wir nennen uns auch nicht umsonst das Wohnzimmer vom Kiez. Aber es hat sich relativ schnell rausgestellt, das 20 for 7 jetzt nicht so gut funktioniert bei so einer Ladengröße und deswegen haben wir mittlerweile ein bisschen reduzierte Öffnungszeiten. Und am Wochenende kann man bei uns aber schon ziemlich lange Party machen. Wenn wir dann aber irgendwann schließen, dann haben wir aber immer noch ein paar Tipps, wo man noch hin weiterziehen kann.

Markus: Und wann ist offiziell Schluss?

Iris: Das kommt drauf an, je nachdem, wie viel so grade los ist. Also auf unserer Webseite haben wir bei den Öffnungszeiten auch immer nur stehen ab soundso viel Uhr und keine Endzeit. Bei Google zum Beispiel muss man leider was angeben und ich glaube, wir haben aktuell angegeben auf einem Samstag 3 Uhr, auf einem Freitag 2 Uhr und die restlichen Tage bis 1.

Markus: Ich finde auf jeden Fall cool, das man auch den DJ da noch hat oder generell Musik dann auch noch hat in einer schönen Art und Weise, wo man auch gerne einfach da ist, wo es Spaß macht. Da finde ich auch den Begriff Wohnzimmer, finde ich eigentlich sehr schön. Auch von der Beleuchtung her fühlt man sich da sofort ein bisschen wie im Wohnzimmer. Auch von diesen Sitzgruppen, wie die so angeordnet sind, das es halt wirklich so ein bisschen auch immer so Bereiche sind, wo man so ein bisschen für sich sein kann. Und natürlich auch im Hintergrund natürlich die Brauerei, das ist ja was Besonderes, hat man nicht alle Tage. Ist das ein ganz spezielles Konzept oder hat sich das so entwickelt, wie kam es da dazu?

Iris: Also das Konzept ist auf jeden Fall schon vorher festgelegt worden. Dazu muss man allerdings sagen, dass ich erst seit 2020 für die ASTRA St. Pauli Brauerei arbeite. Das heißt, bevor eröffnet wurde, war ich nicht an der Konzepterstellung beteiligt, deswegen kann ich nicht 100-prozentig sagen, welche Teile sich vielleicht noch ein bisschen entwickelt haben und welche von Anfang an da standen. Aber die Idee vom Kiez-Wohnzimmer auf der Reeperbahn war gemacht durch ASTRA, die stand von Anfang an. Also es sollte halt immer so ein bequemer Space sein, wo alle willkommen sind, egal wer man so ist und wenn man Bock auf ein Bier hat und sich ein bisschen entspannt hinzusetzen und vielleicht auch was zu essen, dann ist unsere Tür offen.

Markus: Apropos, was gibt es denn da zu essen? Ich habe noch nie was gegessen, muss ich sagen.

Iris: Naja gut, also ich meine, so 3 Bier sind ja auch eine Mahlzeit, weißt du ja.

Markus: Okay, ich habe was gegessen, okay, okay, okay.

Iris: Ja, wir haben so klassische Sachen, die satt machen. Wir haben Burger, wir haben Schnitzel, du kannst auch eine Currywurst bei uns haben, wir haben aber auch ein paar vegane Optionen, also je nachdem, worauf man so Lust hat.

Markus: Ja, okay, also werde ich mir das mal aufschreiben, das nach dem flüssigen Essen oder zum flüssigen Essen nächstes Mal auch was Festes dazu kommt. Ist mir in der Tat noch nicht, irgendwie weiß ich gar nicht warum, wahrscheinlich, weil ich immer von irgendwelchen Veranstaltungen kam, wo es halt vorher ganz viel zu essen gab und dann ist man eher noch am Trinken, ist ja auch gut. Und die Brauerei an sich, vielleicht noch so zwei, drei Worte, wie groß ist die und was passiert da normalerweise so, wer ist da so zugange?

Iris: Also wir haben einen 10-Hekto-Sudwerk, jetzt 10 Tanks und brauen so ungefähr zweimal in der Woche im Schnitt. Wir haben einen Chefbrauer, das ist Merlin, auf Deutsch ausgesprochen Merlin. Er ist Neuseeländer und lebt aber seit einigen Jahren jetzt schon in Deutschland und der braut unsere wunderschönen Biere. Den Rest macht er auch, also er ist da eine One-Man-Show, was die Produktion angeht. Das heißt, auch jetzt die Flaschen, die du da bei dir hast, die wurden mit ganz viel Handarbeit, wie das auch typisch ist für die Reeperbahn, von Merlin mit ganz viel Liebe für dich hergestellt.

Markus: Ja, der Merlin ist ja auch ein sehr kreativer Kopf. Und wenn man so an Neuseeland denkt, dann denkt man ja vor allem mittlerweile auch an ganz, ganz tolle Hopfen mit ganz, ganz tollen Aromen. Hat er damit auch schon mal experimentiert?

Iris: Ja, da haben wir auch schon was gemacht. Also Merlin hat nämlich tatsächlich letztes Jahr von Januar bis März so eine Art Mini-Sabbatical gemacht. Der hat uns für drei Monate auf dem Trockenen sitzen lasse, das war eine sehr harte Zeit für uns alle in der Brauerei. Und in der Zeit, weil er halt vorher vier Jahre lang nicht Zuhause in Neuseeland war, ist er dann so rumgereist, hat seine Family und Friends endlich alle wiedergetroffen. Hat aber auf dem Weg die Arbeit nicht ganz vergessen können, sondern hat dann auch in Neuseeland ein paar Hopfen eingekauft, die er wieder mitgebracht hat. Wir haben dann auch, als er wiedergekommen ist, direkt ein Bier von ihm brauen lassen, um ihn zu ehren, also sehr uneigennützig auch. Das war Merlins Sauerstoff, das war ein Feijoa-Sour. Feijoa ist so eine Guaven-Frucht, die in Neuseeland sehr beliebt ist und da hat er dann auch neuseeländische Hopfensorten verwendet. Ich meine, das war Riwka und Rakau, die er da beide drin hatte.

Markus: Woah! Also jetzt bin ich neidisch, das hätte ich total gerne probiert, aus ganz vielerlei Gründen. Also ich mag auch diese Frucht sehr gerne und man bekommt sie ja hier so gut wie gar nicht und die Hopfen sind natürlich auch großartig. Habe ich zum ersten Mal, glaube ich, gehabt bei einem Bierwettbewerb in Brasilien oder so.

Iris: Das ist auch tatsächlich, die wird auch brasilianische Guave genannt. Also ich meine, dass die in Brasilien auch heimisch ist.

Markus: Das kann gut sein. Dort gibt es ja sogar Dinge, die es bei uns überhaupt nicht gibt, zum Beispiel Cashew-Saft. Das war was, das war mi vorher überhaupt nicht bewusst, ja.

Iris: Ich habe schon mal diese Frucht von der Cashewnuss gesehen, aber gegessen habe ich die noch nie. Wie hat die geschmeckt, also der Saft?

Markus: Ja, der Saft, das ist so, also es hat was von Pfirsich, von der Konsistenz her, hat aber auch so ein bisschen gewürzige Noten dabei. Ich überlege grad, was könnte man damit vergleichen. Also sehr reife Pflaumen vielleicht, die haben ja auch öfters mal so leicht zimtige Töne zum Beispiel. Also es hat wirklich was, also es ist einerseits sehr dicht von der Konsistenz und andererseits wirklich sehr vielfältig, sehr vielschichtig vom Aroma, also ein toller Saft. Und war ich total überrascht, weil man kennt ja bei uns eben nur die Nuss, die da obendrauf sitzt. Und das da drunter so eine tolle Frucht steckt, ja, also toll. Aber gut, das hat jetzt mit Guave nichts zu tun, aber ich fand das einfach interessant, wenn man in so anderen Ländern ist teilweise, dass es auf der Welt immer noch Sachen gibt, die es bei uns eben gar nicht gibt, die man überhaupt kennt und das ist dann natürlich besonders schön.

Iris: Definitiv. Also wir mussten unseren Gästen auch erst mal erklären, was Feijoa überhaupt ist. Das war ein Bier mit ein bisschen Erklärungsbedarf, aber hat sehr viel Spaß gemacht und war sehr lecker.

Markus: Wie ist es mir dir selber, reist du auch gerne?

Iris: Ja, ich bin sehr gerne unterwegs. Also jetzt nicht unbedingt in Neuseeland, aber so insgesamt gucke ich schon, dass ich so ein bisschen rumkomme. Diesen Sommer, da freue ich mich sehe drauf, fliege ich endlich wieder nach Japan. Das ist sehr, sehr lange bei mir her und da freue ich mich auch schon richtig auf die Biere, die es da vor Ort geben wird.

Markus: Woah! Na, das wird bestimmt sehr spannend. Also ich war letztes Jahr in Japan zu einem Bierwettbewerb eingeladen, konnte aber kurzfristig nicht und ich hoffe, sie laden mich heuer wieder ein, dann komme ich mal hin, weil ich war noch nie da. Aber mir haben ganz viele Leute schon erzählt, dass das einfach auch so ein ganz anderer Kulturkreis ist und man wirklich in eine andere Welt versetzt ist, wenn man da ist und da bin ich auch schon sehr gespannt drauf. Du warst schon öfters da?

Iris: Ich war tatsächlich nur einmal da, aber dann für ein ganzes Jahr. Ich habe als Teenager, habe ich so ein Auslandsjahr gemacht, da war ich 16 beziehungsweise 17 Jahre alt und deswegen habe ich sehr viele Erinnerungen, die ich jetzt gerne auffrischen möchte.

Markus: Kannst du auch ein bisschen Japanisch?

Iris: Ja, ich kann schon ein bisschen Japanisch, das ist natürlich ein bisschen eingerostet, aber so eine umgangssprachliche Konversation kann ich schon führen.

Markus: Woah! Das ist natürlich sehr cool. Vielleicht komme ich ja zur selben Zeit rüber dann.

Iris: Ja, wann ist denn dieser Wettbewerb? Da musst du mich auch mal empfehlen, da würde ich natürlich auch gerne teilnehmen.

Markus: Das mache ich sehr, sehr gerne. Also man muss ja mindestens einmal da gewesen sein, damit man da jemand empfehlen kann, aber dann kann ich das auf jeden Fall tun. Ich glaube, das wäre letztes Jahr im September gewesen und hat sich dann überlappt mit dem Beer Star oder so.

Iris: Ah, super Zweitpunkt auch.

Markus: Ja, also ich bleibe da auf jeden Fall mal dran.

Iris: Klasse.

Markus: Okay. Dann mache ich jetzt mal ganz kurz meine Weizen-Auszeit, damit wir es mal probiert haben und schaue mal. Naja, wie gesagt, da kommt er Franke in mir durch, was wir haben, haben wir.

Iris: Ja, du meinst das auch sehr ernst, also ich habe ja nicht alle Biere in dem Paket gedoppelt, wir haben ja morgen auch noch den Termin, sondern nur eine Auswahl und da musst du mal gucken, wie du da morgen hinkommst.

Markus: Ja, da muss ich dann wiederum durch, aber dann kann ich mich ja an die schöne Zeit mit dir heute erinnern, das ist ja auch gut.

Iris: Sehr gut.

Markus: Also vielleicht für alle Hörer, die sich jetzt wundern, wir zeichnen an einem Montag auf und morgen ist dann ein Dienstag. Und immer am ersten Dienstag im Monat machen unsere Alumni, also alle, die in der BierAkademie Sommelier gemacht haben oder Bierfachmann oder Ähnliches, gibt es einen Verkostungsabend, wo man sich eben einmal im Monat trifft und wir uns verschiedene Gäste einladen, dann eben morgen Abend die liebe Iris und dann gemeinsam Biere verkosten, drüber sprechen und uns austauschen. Und das wird morgen eben auch mit diesen Bieren sein. Natürlich verraten wir denen das natürlich noch nicht, sondern das werden die dann erst hören, wenn wir den Talk dann gemacht haben. Und irgendwann, das dauert ein bisschen, also Veröffentlichungstermin ist, glaube ich, im Mai, also wir sind jetzt grade Anfang März, aber egal. So ist das mit einem Podcast, der ist immer nicht ganz aktuell, aber das muss so sein, sonst schafft man das alles gar nicht mit dem Vorlauf. Ja, also ich habe hier den WEIZENBEISSER, der wahrscheinlich an den Wadenbeißer erinnern soll, oder?

Iris: Guter Punkt, da habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Also bei den anderen Bieren ist die Assoziation ja irgendwie relativ klar und bei WEIZENBEISSER, weiß ich nicht, das habe ich einfach so hingenommen, dass der so heißt. Ja, wir haben hier ein klassisches Weizen und 5,7% glaube ich, also ein kleines bisschen stärker, aber passt ja auch immer ganz gut zum Kiez.

Markus: Absolut, ja. Und eigentlich, also die ursprünglichen Weizen, das ist ja, also sowieso, also ich als Franke darf ja dazu gar nicht so viel sagen, denken die meisten Bayern. Aber grundsätzlich, wenn man sich damit auseinandergesetzt hat, das eigentliche Weizen ist ja was Bernsteinfarbiges und eigentlich auch eher was etwas Kräftigeres. Also das war ja ähnlich wie mit den normalen Bieren, da gab es halt das Normale und da gab es auch so eine Art Märzen-Weizen, was man eben dann etwas kräftiger eingebraut hat. Natürlich nicht nach derselben Regel, weil es ja obergärig war, aber man hat eben auch eine etwas stärkere Version gemacht. Und das ist oft das, was sich heutzutage erhalten hat, was oft auf Festen auch noch ausgeschenkt wird und so eben als Fest-Weizen. Und die haben dann eben oft diese interessante Mischung aus so karamelligen, nussigen Aromen von den eben bräunlichen Malzen und dazu dann diese Fruchtigkeit aus der Banane. Und das ist was ganz anderes als die modernen Weizen, das helle und das dunkle Weizen, was man so kennt. Und jetzt fülle ich hier mal ins Glas und, hah und bin da auch ziemlich genau bei einem Bernstein-Weizen, das ist ja wunderbar, schön. Ja, wie es sich gehört, also trüb, schöner Schimmer, ein bisschen von der Farbe her heller als das LUDEN LAGER, aber nur einen Tick. Und auch schöner, ganz fester Schaum, der auch schön Cremefarbig ist. Also da merkt man, ihr arbeitet auf ganz viel auf der Malzseite, nicht nur auf der Hopfenseite, das ist ja durchaus auch ungewöhnlich. Ah ja und in der Nase ist dann tatsächlich so eine ziemlich frische Banane, muss ich sagen. Also oft ist sie ja eher braun, hier ist sie schon eher noch Richtung gelb. Und eben auch so ein bisschen karamellige, ein bisschen nussige Aromen. Das passt tatsächlich, habe ich es, ohne es zu wollen, ganz gut hin geschossen, mit meinem Versuch vorhin. Ja und wirklich ein voller Trunk, also ganz viel zu erzählen im Mund, viel Kohlensäure auch, karbonisiert, moussiert schön und hat dann noch mal diese schöne fruchtige Note. Ist allerdings etwas schlanker, etwas weniger süß, als man es jetzt in Bayern hätte. Was wahrscheinlich auch ganz gut ist, grade für den Hamburger Markt und vor allem, wenn man davon auch ein bisschen mehr verkaufen will. Also finde ich, ist ein schönes Weizen, kann man auf jeden Fall gut trinken. Vielleicht nicht zur dreifachen Portion Weißwurst, aber auf jeden Fall richtig schön, um einen Nachmittag zu genießen, also wunderbar. Das ist auch von Merlin?

Iris: Ja, vielen Dank für die lieben Worte. Ja sicher, die sind alle von Merlin, die Biere.

Markus: Das ist zum Beispiel was, was ich ganz interessant finde, wenn man so unterwegs ist, meistens trennt sich da so ein bisschen die Braumeisterspreu vom Weizen, in Anführungsstrichen, also ein richtig gutes Weizen kriegen wenige hin. Weil das von Anfang schon, also von der Rezeptur her, über die ganze Gärführung, was die Temperaturen angeht und so, da muss man beim Weizen tatsächlich ziemlich genau arbeiten, sonst kommt immer nicht das dabei raus, was man eigentlich will. Und das erlebt man wirklich oft, grade bei Bierwettbewerben in Italien zum Beispiel oder auch in Brasilien oder sonst wo, das sich viele an dem Bierstil versuchen, aber irgendwie dran scheitern, das dann eben so hinzubekommen, weil die Hefe dann halt doch ein bisschen macht was sie will, wenn man sie lässt.

Iris: Ja, das ist auch ein schönes Kompliment von dir. Das gebe ich auf jeden Fall Merlin weiter, da wird er sich freuen, dass du, ja, so überzeugt bist von seinem Können. Ich bin das übrigens auch, also ich bin total happy, mit so einem coolen Brauer zusammenarbeiten zu können, der auf der einen Seite sich wirklich Mühe gibt, die ganzen Klassiker in einer ordentlichen Qualität herzustellen, aber trotzdem auch Bock hat zu experimentieren. Also das ist das Schönste an unserer Zusammenarbeit, also wir sind ja auch in der Bierkonzeption, arbeiten wir eng zusammen. Also bei den seasoner Bieren, die wir dann immer mal wieder rausbringen, da hat er mal eine geile Idee, ich habe mal eine geile Idee oder wir konzipieren mal was gemeinsam. Und egal was es ist, also egal, wie abgefahren die Idee ist, Merlin setzt alles dran, dass irgendwie wahrzumachen. Und da kenne ich schon ein bisschen andere Brauer auch, die dann so sagen so, nee, das haben wir noch nie gemacht, das geht nicht.

Markus: Ja, also da habe ich ein ganz krasses Beispiel, interessanter Weise auch mit einem Weizen. Da habe ich über vier Jahre lang mit einer Gruppe von Brauern zwei Biere entwickelt und ein Bier war ein untergäriges Bier und eins war eben ein Weizenbock. Und das war richtig große Thematik und ganz viel Inhalt und wir haben da viel dran gearbeitet, um am Ende gemeinsam diese Rezepturen rauszuarbeiten. Und es sollte dann ein richtig schöner hopfengetopfter Weizenbock dabei rauskommen.

Iris: Ah, ja, lecker.

Markus: Was zu dieser Zeit auch noch relativ neu war, also Erscheinungstermin war dann um 2016 rum. Ja und dann läuft alles, also der Hopfen wird dahin gebracht, es wird gebraut und alles gut. Wir haben eine Beschreibung gemacht, ich habe die Etiketten dazu entworfen und eine Box dazu und alles Drum und Dran. Und dann haben wir den Tag, wo das Bier präsentiert wird, also diese ganze Box präsentiert wird und dann machen wir dieses Bier auf und verkosten es und es ist halt ein Weizenbock.

Iris: Oh nein.

Markus: Aber ohne Hopfen, also was heißt ohne, mit wenig. Und dann frage ich den Brauer, was ist denn da passiert und so? Ach, naja, weißt du, wir waren da im Sudhaus gestanden und dann haben wir uns gedacht, also können wir das wirklich machen, also Hopfen in den Weizenbock? Und da haben wir gedacht, nee, da lassen wir lieber bleiben.

Iris: Oh Gott, das tut mir richtig weh, das zu hören. Also oh, oh, du Armer.

Markus: Das war hart, ja. Vor allem, ich meine, da war die Presse da und was weiß ich was. Und es stand ja alles gedruckt, wir hatten eine fertige Bierbeschreibung, alles fertig. Und er auch mit dem Brustton, also ihm war das überhaupt nicht bewusst, dass das jetzt in irgendeiner Form ein Problem darstellt. Wahnsinn, aber so ist das manchmal und insofern ist es genau so, dass es eben auch Braumeister gibt, die da letzten Endes sich eher nicht so was sagen lassen. Also bist du da wirklich bestens aufgehoben bei Merlin. Wie ist denn überhaupt da deine Arbeitsplatzbeschreibung, das klingt ja ungeheuer vielschichtig, oder?

Iris: Meine Arbeitsplatzbeschreibung, ja, tatsächlich, die Stelle war damals noch ein bisschen anders ausgeschrieben als das, was ich heute mache. Also es hat vorher niemand auf meiner Stelle gearbeitet, also es war eine neugeschaffene Stelle. Und in der Stellenausschreibung stand so, grob gesagt, drin, wir suchen einen Brand Ambassador für die ASTRA St. Pauli Brauerei, der oder die auch Social Media kann und Ahnung von Craft Beer hat, das war so ein bisschen die Beschreibung. Und das hat sich dann aber tatsächlich über die Jahre und auch über die Pandemie, haben sich die Aufgabenfelder so ein bisschen hin und her geshiftet. Also ich glaube, am Anfang waren sich die Leute, die meine Stelle ausgeschrieben haben, noch nicht so ganz sicher, was sie eigentlich brauchen und das hat sich dann so ein bisschen verändert mit der Zeit. Kurz gesagt, mache ich das Marketing, aber es ist schon relativ vielseitig. Also ich bin auf der einen Seite mit Merlin da in der Bierkonzeption mit drin, was tatsächlich auch das Feld ist, was mir am meisten gefällt und, ja, wo ich denke, dass wir da coole Erfolge verbuchen konnten. Ich mache aber auch die Social-Media-Kommunikation, ich mache auch andere Werbemittel, also auch Flyer und so weiter, aber ich bin auch in er Event-Konzeption mit drin. Wir sorgen ja auch dafür, dass bei uns dann immer mal wieder was Neues passiert. Und grade zu so Veranstaltungen wie Hamburg Beerweek, dann überlege ich mir immer ein bisschen abgefahrene Sachen, mit denen wir die Leute bei uns in den Laden locken können. Ich habe zum Beispiel auch stark dafür gearbeitet, das wir ein Mitglied beim Senatsbock-Verein werden können und, ja, solche Sachen kommen dann alle zusammen.

Markus: Ja, auf diese wunderschöne Tatsache kommen wir ja gleich auch noch flüssiger Weise zu. Da bin ich am allermeisten gespannt drauf, muss ich sagen, na, schauen wir mal. Ja und an sich, also es gibt ja nicht so viele Traumarbeitsplätze in Deutschland für Biersommeliers, aber das klingt auf jeden Fall so. Und es klingt auch ein bisschen so, als hättest du das auch ein bisschen selber mit, ja, mitgemacht, also mit dafür gesorgt, dass du auch die Freiheiten hast und die Dinge eben machen kannst, die du auch gerne machst. Und das, finde ich, nötigt mir auch einigen Respekt ab. Jetzt weiß ich ja auch, dass du logischerweise auch engagiert bist auch in vielen Gruppen und eben auch grade als Frau sehr engagiert bist. Hast du denn da mal erlebt, dass es da mit diesem Geschlechterthema auch Hürden für dich gibt, die vielleicht für Männer nicht dagewesen wären?

Iris: Ja, definitiv. Also ich glaube, da könnte jede Frau ein Lied von singen, also generell sowieso, aber Frauen, die dann auch noch in Branchen arbeiten, die überdurchschnittlich männerdominiert sind, was ja einfach bei Bier der Fall ist, natürlich gibt es da häufiger dumme Situationen. Im Großen und Ganzen hat trotzdem am Ende immer alles geklappt. Also ich habe mittlerweile mir so ein paar Strategien erarbeitet, wie ich mit unangenehmen Männern umgehe. Aber, klar, das ist natürlich ein Thema und ich glaube, da haben wir alle noch sehr viel Arbeit vor uns, bis das Geschlecht kein Thema mehr ist.

Markus: Ja, das glaube ich auch. Und, also sagen wir mal so, dieses Spezies unangenehmer Mann, das hat man auf der Reeperbahn ja in ziemlich vielerlei Facetten. Also neulich waren wir da ja abends auch unterwegs, also das ist schon, ja.

Iris: Das stimmt schon, also natürlich ist ja auch einfach die Reeperbahn als Partymeile ein bisschen prädestiniert dafür, dass da sehr viele unangenehme Sachen passieren. Und das will ich auch jetzt gar so kleinreden, aber ich finde, es gibt schon noch einen elementaren Unterschied dazwischen, ob jetzt jemand einfach total hackedicht besoffen ist und dann drei Sprüche zu viel bringt, die irgendwie blöd sind oder ob jemand komplett nüchtern ist und dich als Frau in deinem Beruf nicht ernst nimmt, obwohl du alle möglichen Qualifikationen vorweisen kannst.

Markus: Absolut. Und ich glaube, das ist ja dann logischerweise die viel heftigere Sache, weil, also das eine ist, wenn sowas dann aus einem raus kommt, wenn er genug getrunken hat, schlimm genug, aber dann ist er sich zumindest normaler Weise was anderem bewusst. Aber eben, wenn das nicht so ist, dann ist das, ja, schon sehr bedenklich, sagen wir mal so.

Iris: Ja, das stimmt schon.

Markus: Wobei ich sagen muss, ich habe da auch einen Lernprozess hinter mir. Also jetzt nicht, dass ich der Ober-Macho gewesen wäre oder bin, aber wenn man halt so aufwächst in eine Gesellschaft rein in den 70ern, 80ern, da waren die Rollen noch klar verteilt. Also allein, wenn man heute so Fernsehserien oder Werbung aus der damaligen Zeit anschaut, das ist manchmal schon krass, wie stark sich das grade in dieser Hinsicht verändert hat. Und das ist auch ganz gut, also insofern, ja.

Iris: Das stimmt schon. Aber, ich meine, grade wenn einem Sachen aus der Vergangenheit peinlich sind, dann merkt man ja, dass man sich da weiterentwickelt hat. Und dementsprechend umso schöner, dass du das so empfinden kannst. Ich habe tatsächlich auch viele Situationen aus der Vergangenheit, wo ich mich selber auch sehr danebenbenommen habe und da denke ich so im Nachhinein, okay, gut, dass ich das heute nicht mehr so sehe.

Markus: Ja, also mir hat vor 30 Jahren, glaube ich oder sowas, hat mir mal jemand gesagt, blamiere dich jeden Tag mindestens einmal. Und es passiert vielleicht nicht mehr jeden Tag, aber es ist was, wo man sich einfach noch mal anders wahrnimmt, wo man sich reflektiert, wo man was draus lernen kann und wo man vor allem dann auch über sich selber ein bisschen lachen kann. Und das ist einfach auch wichtig, um sich weiterzuentwickeln. Und jeder macht Fehler und jeder ist manchmal einfach blöd.

Iris: Definitiv.

Markus: Das kann passieren und da muss man dann einfach miteinander umgehen und man muss sich auch entschuldigen können, man muss auch verzeihen können. Also all diese Dinge gehören halt irgendwie auch dazu und, naja. Apropos gehört dazu, wir sind jetzt bei Bier Nummer 3 und haben immer noch 4. Wobei, das Helle können wir vielleicht wirklich überspringen, aber die anderen sollten wir noch probieren. Ich habe jetzt hier noch ein INKASSO IPA und einen STIMULATOR und dann noch eine schwarze Flasche, womit machen wir weiter?

Iris: Ich würde sagen, wir machen mit dem INKASSO IPA weiter. Das hole ich mir auch mal, weil das ist tatsächlich aus der Corerange, also aus den Bieren, die wir immer am Start haben, ist das mein Lieblings-Astra.

Markus: All right, dann mache ich hier mal wieder auf, solange du holen gehst, ich mache auf. So, ihr habt gehört, es ist offen. Und weil ich immer wieder gefragt werde, das wird natürlich nicht eingespielt, sondern das sind immer original live O-Töne des Bieres, was grade eingeschenkt wird. Jetzt haben wir das INKASSO IPA mit einem Grünstich. Also das sei vielleicht auch noch gesagt, die Biere haben alle so ihre Farben. Beim LUDEN LAGER war es rot, bei der NACHTSCHICHT, okay, da war das schwarz, beim WEIZENBEISSER waren wir gelb, jetzt sind wir etwas so zu grün oder petrol.

Iris: Ja, so mintgrün, würde ich sagen.

Markus: Mintgrün, ja, siehst du, das ist so ein Farbton, da können sich, glaube ich, viele Leute drüber streiten, wie er genau richtig ist. Aber ich bin auf jeden Fall bei mintgrün sehr gerne mit dabei. Ist ja auch zum Beispiel pink oder rosa oder so, da gibt es das ja auch. Also vielleicht hast du klare Vorstellungen, für mich ist es manchmal immer so ein bisschen eine Sache, was richtig ist von der Bezeichnung, aber wir wissen ja alle, was gemeint ist.

Iris: Ja, außerdem beschäftigen wir uns ja mit Bier und die sind ja seltenst rosa. Also ich glaube, das ist okay, wenn du die Schattierungen nicht so genau benennen kannst.

Markus: Wobei, ich hatte immerhin schon mal ein blaues Bier. Also es gibt ja Algen, die das so entsprechen färben. Aber das haben wir jetzt natürlich nicht, also jetzt haben wir ein richtig schönes sattes, ja, das geht wieder in so einen schönen Braunton, aber einen hellen. Und meins ist fast komplett klar und hat etwas gröbere Poren, die aber auch wieder schön stehen. Bei so einem Bier mache ich es total gerne, also wenn keiner zuschaut, dass ich auch mal von unten reinschaue, weil dann sieht man diesen Schaumteppich, wie der oben auf dem Bierspiegel so ist und das ist auch ein faszinierender Anblick. Also auch wieder ein interessantes Bier schon mal optisch.

Iris: Ja, ganz neue Perspektive.

Markus: Und interessanter Weise sieht man das sogar, wenn der Schaum vermeintlich weg ist, also selbst dann sieht man diesen dünnen Teppich noch obendrauf, kann man eigentlich immer ganz gut gucken.

Iris: Ja, da muss ich mal drauf achten, das ist ein sehr guter Hinweis.

Markus: Jetzt habe ich dir noch eine neue Bierperspektive beigebraucht. Unglaublich, ich bin stolz.

Iris: Ja, siehst du, man lernt nie aus, ja.

Markus: Aber das stimmt, also das ist auch so ein Punkt, die Offenheit ist wichtig, man lernt nie aus und man lernt immer was dazu. Deswegen gehe ich auch so gern auf Bierwettbewerbe, weil man geht immer klüger Heim als man hingefahren ist.

Iris: Total.

Markus: Ja, was haben wir denn jetzt hier, ist das eher ein klassisches IPA oder eher ein moderneres?

Iris: Ja, wir haben hier unser Session IPA. Also das INKASSO IPA ist, ja, also wenn man das jetzt noch ein bisschen weiter runterbrechen würde, ich würde sagen, American Style Session IPA. Das heißt, wir haben hier schon wirklich so dieses sehr doll Hopfenbetonte. Haben hier mit Aromahopfen gearbeitet, die auch wirklich gut rauskommen. Ich finde, am stärksten kommt hier der Mosaic raus, mit dem Merlin auch sehr gerne arbeitet. Und, ja, Session, weil wir hier nur 4,5% Alkohol haben. Aber das ist natürlich für mich auch ein Feature, also das ist so ein Bier, das kann man die ganze Nacht lang durchtrinken und das gefällt mir auch daran. Wir haben mit diesem Bier tatsächlich auch schon ein paar Preise abgeräumt und das freut mich, das grade so mein Lieblingsbier da auch immer wieder bestätigt wird.

Markus: Ja, ist auf jeden Fall sehr eingängig, sehr fruchtig. Und wie du schon gesagt hast, der Mosaic ist sicherlich im Vordergrund. Ich finde auch der Mandarina Bavaria ergänzt das so ein bisschen mit so ein bisschen roten Beeren, Erdbeernoten und dazu eben dann das klassische Citrusaroma, ein bisschen was Tropisches, also sehr schön und wirklich eingängig. Also man merkt auch beim Trinken, dass das jetzt nicht so viel Volumen in Alkohol hat, es ist trotzdem ein vollmundiges Bier. Und es macht auch richtig Freude und man weiß, okay, davon kann ich eben auch mal wirklich ein bisschen mehr davon trinken, ohne das es mir gleich die Birne weghaut, wie man so schön sagt, das ist auf jeden Fall gut. Und die Bittere ist trotzdem schön da. Also das finde ich auch gut, dass man hintenraus, es trocknet schön wieder aus. Also ich glaube, das gehört vielleicht zum Norden eigentlich auch dazu, oder, Bittere ist doch grade an der Küste in.

Iris: Ja, also ich liebe das auch, also ich habe wirklich große Freude an so schlanken Bieren, die dann noch eine ordentliche Herbe haben am Ende. Und das Schöne ist, das Merlin das auch so sieht, also der ist auf jeden Fall immer dran, da noch so ein bisschen rumzutweaken. Das INKASSO IPA ist auch ein schönes Beispiel für eins unserer Biere, das sich seit unserem Start sehr doll verändert hat. ich war tatsächlich privat Ende 2018 in der ASTRA St. Pauli Brauerei, als sie so grade eben erst eröffnet hatte und da hat das INKASSO IPA noch ziemlich anders geschmeckt. Das war meiner Meinung nach damals eher noch so ein Pale Ale und über die Jahre ist es dann, ja, zu einem echten Session IPA geworden.

Markus: Ja, hat sich nach unten hochentwickelt sozusagen, nee, wirklich sehr schön. Wenn wir sagen, LUDEN LAGER und INKASSO IPA und Kiez und so, wie ist es denn, also gibt es wirklich noch diese Unterweltigkeit, die a in der Reeperbahn ist? Bekommt ihr davon irgendwas mit oder ist es nur noch ein Vergnügungsviertel, wie kann man sich das vorstellen?

Iris: Ja, also so ein bisschen merkt man es schon noch, grade so jetzt diese etwas größeren, ja, diese bekannteren Kiez-Gestalten wie jetzt zum Beispiel Kalle Schwensen oder der Schöne Klaus, als er noch gelebt hat, der ist ja leider vor Kurzem verstorben. Die waren tatsächlich auch hin und wieder mal auf unserer Terrasse zu finden, aber es wird natürlich immer weniger. Und so diese klassische Reeperbahn-Romantik von damals, die, ja, reduziert sich mit der Zeit von selber jetzt leider immer ein bisschen mehr.

Markus: Gibt es noch so Seeleute, die kommen?

Iris: Also Seeleute habe ich bei uns, glaube ich, so klassisch noch nie gesehen. Aber da müsste man Leute fragen, die häufiger mal auf einem Samstag da sind. Ich habe ja so klassische Arbeitszeiten, Montag bis Freitag, das heißt, ich bin gar nicht so oft auf einem Samstag da.

Markus: Ja, würde mich interessieren, also ob es das noch gibt, dieses frühere Publikum, wo man ja wirklich praktisch so von Hafen zu Hafen gefahren ist mit seinem Schiff und überall dann jeweils halt seine heuer verprasst hat sozusagen in jeder Hinsicht, als das eben noch so diese Hochzeiten waren aus der oft, ja, romantisierten alten Zeit. Ob die wirklich so gut und schön war, das weiß, glaube ich, keiner.

Iris: Ja, ich würde sagen, da müssen die ganzen Zuhörer :innen einfach mal bei uns vorbeikommen und das selber beurteilen, ob die da sind oder nicht, vielleicht habt ihr ja Glück und ihr seht so einen echten Seemann. Aber, was ich sagen kann, wir haben auch für die Seemänner mal so ein Bier gebraut und zwar unser Fichten Fichte, das ist ein Hazy IPA mit Fichtentrieben. Und tatsächlich wurde früher, als Seefahrt noch ein bisschen mehr so en vogue war, als es noch mehr Leute gemacht haben, wurde tatsächlich auch häufiger in Biere dann Fichtentriebe eingebraut, weil das gut gegen Skorbut ist.

Markus: Ah, siehst du, man lernst jedes Mal was dazu. Das wusste ich noch nicht, interessant. Aber irgendwie auch logisch, also, ja.

Iris: Also das hat man zumindest solange gemacht, bis dann irgendwann Sauerkraut ein großes Ding wurde, dann ist das irgendwie mit dem Fichtenbier so ein bisschen abgeklungen.

Markus: Ja und dann haben die Deutschen ihren Spitznamen weggehabt. Das Bier verdrängt durch Sauerkraut, hejeijei, das, wenn man mal erzählen würde, naja. Und St. Pauli ist natürlich auch mittlerweile republikweit bekannt durch den Fußballklub. Das schaut man bei euch auch, oder?

Iris: Ja , definitiv. Also wir haben ja sowieso eine enge Verbindung zum FC St. Pauli, schon alleine, weil natürlich ASTRA Sponsor ist beim FC St. Pauli. Und wir sind ja auch einfach von der Distanz super nah beieinander. Man kann easy vom Millerntor-Stadion einfach mal zu uns rüber in die ASTRA St. Pauli Brauerei laufen, das dauert, ja, 10 Minuten ungefähr und dann bist du halt bei uns. Und wir haben auch schon ein Bier mit dem FC St. Pauli zusammen gebraut. Da haben wir vorletztes Jahr den Heiliger Rasen rausgebracht. Das war ein Pils, wo wir den Fußballrasen aus dem Millerntor-Stadion mit der HopGun mit reingejagt haben.

Markus: Und das war unglaublich, das habe ich damals probiert, faszinierend, aber genau richtig, also so muss man das zelebrieren. Und ich finde überhaupt, dieser eigene Humor, der ja auch in diesem Fußballklub so ein bisschen herrscht, also man denke ja nur an dieses Pokalsieger-T-Shirt, also das ist einfach großartig und das zieht sich ja auch bei euch so ein bisschen durch. Du hast ja gesagt, du bist da viel für das Marketing zuständig, mit diesen klassischen ASTRA-Kampagnen, die man da immer so auf den Plakaten hat und so, hast du dann da auch was zu tun oder eher weniger?

Iris: Mit denen habe ich eigentlich fast gar nichts zu tun. Also wenn mal richtig Not am Mann oder an der Frau ist, unterstütze ich gerne mal mit einer kleinen Idee, aber eigentlich bin ich hauptsächlich in der ASTRA St. Pauli Brauerei und für die Biere zuständig, die wir auch bei uns vor Ort brauen.

Markus: Und wie ist es sonst mit der Mutter, also hast du ab und zu mal Kontakt oder warst du mal in Kopenhagen und hast dir das mal angeschaut oder so?

Iris: Ja, ich war Letztens erst in Kopenhagen, das war total geil, das hat richtig Spaß gemacht. Das, wie heißt das, Home of Carlsberg, diese neue Museums-Experience, wo es auch ganz viele alte Flaschen gibt und so. Die hat jetzt ja erst vor Kurzem eröffnet und da waren wir mit dem Marketingteam von Carlsberg Deutschland da. Und das war total großartig, also wir haben so eine private Führung durch den Keller gekriegt, wo wir dann so alle möglichen alten Carlsberg-Brews, einfach mal alle probieren konnten. Also da waren so teilweise Flaschen, die standen da schon so irgendwie 15 Jahren im Keller rum und wir konnten die alle mal aufreißen und alle mal probieren, das war der Hammer.

Markus: Woah, das ist eine tolle Sache. Ich habe es leider noch nicht geschafft, seitdem das Neue offen ist. Ich war vorher mal da und war überhaupt sehr beeindruckt, also in zweierlei Hinsicht. Also auf der einen Seite von diesem ganzen Stiftungsgedanken drum rum. Also da gibt es ja dieses Forschungsinstitut mit einer eigenen Forschungsbrauerei und auch einem sehr coolen Braumeister dort, der tolle Sachen macht. Und alles, was sie erforschen, das stellen sie ja tatsächlich der Welt zur Verfügung Also nicht wie bei anderen Brauereien oder überhaupt Unternehmen, die halt irgendwas erforschen und dann haben die ihr Patent und dann wird das gehegt und bewahrt und monetarisiert. Sondern da ist es ja wirklich einfach vom Grundgedanken von Carlsberg her so, dass man alles eben offenlegt und damit auch für alle verfügbar macht. Das fand ich sehr spannend und auch dieses Haus mal zu sehen, was da alles so passiert. Und auf der anderen Seite fand ich toll, wie doch dieser recht große Laden sich tatsächlich im Bereich Nachhaltigkeit engagiert und an ganz vielen kleinen Stellen schon ziemlich viel erreicht da. Also für mich zum Beispiel in Erinnerung geblieben ist, dass die ihren Sixpack mit Dosen, der wurde ja oft einfach in Folie komplett eingeschweißt. Dann gab es mal so eine Art Ringe, die man dann praktisch hatte, wo man dann die Dosen da eingebunden hat und dann hat eben noch eine neue Erfindung es dann soweit reduziert, dass es im Grunde nur noch eine kleine Klammer war, die diese 6 Dosen zusammengehalten hat und damit halt den Materialverbrauch auf ein Zehntel oder noch weniger reduziert hat. Und an ganz vielerlei Stellen eben wird da viel gemacht und gearbeitet und das eben auch wieder weitergetragen. Und da muss ich wirklich sagen, das hat mich auch beeindruckt. Und letzten Endes hat ja Carlsberg auch eine spannende Rolle, weil, wenn wir an die Gründerzeit so, also die deutsche Gründerzeit zurückdenken 1870er-Jahre, da war das alles ziemlich international und die Brauwelt war das eben auch. Und da war zum Beispiel jemand wie der Heineken oder eben Carlsberg, die waren alle mit im Brauerbund zum Beispiel engagiert und haben sich da auch für die deutsche Bierwelt, für die deutschen Brauer mit eingesetzt. Und das finde ich wirklich eine spannende Geschichte, wie ein Unternehmen über so eine lange Zeit sich da eben halten kann und nicht in diesen Konzerngedanken verfallen ist, wie das eben bei eben Heineken oder aber eben das letzten Endes der Fall ist. Also nicht, das Carlsberg immer die Guten sind, aber auf jeden Fall die Besseren, könnte man mal so sagen.

Iris: Das ist wie überall, es gibt immer Licht und Schatten. Aber ich muss tatsächlich auch sagen, also wir sind ja als ASTRA St. Pauli Brauerei, sind wir ja eine eigene GmbH und natürlich hält Carlsberg Deutschland da Anteile, aber wir sind so ein kleines bissen flexibler. Aber nichtsdestotrotz finde ich es auch schön, mit Carlsberg Deutschland und auch mit Carlsberg International zusammenzuarbeiten, weil man da auch wirklich eine große Passion spürt bei den Leuten, die da am Start sind. Du hast es ja grade auch schon gesagt, so zum Beispiel die Patente, die dann erforscht werden und dann weitergegeben werden. Ich finde es persönlich halt schon total großartig, in einem Konstrukt zu arbeiten, was zum Beispiel halt, ja, quasi für die erste Hefereinzucht verantwortlich war. Also das sind ja solche historischen Meilensteine, das macht wirklich Freude dann, an so einem Ort tätig zu sein und da halt selber was beitragen zu können.

Markus: Ja, also die Dimension, das kann man gar nicht überschätzen, glaube ich, weil nur dadurch war es ja möglich, wirklich reine Lager und Ales zu brauen. Also vorher waren das ja immer Mischgärungen und das war letzten Endes in Deutschland bis Mitte des 20. Jahrhunderts noch so, bis sich das überall durchgesetzt hat, das man eben mit Reinzuchthefe braut und dann wirklich, in Anführungsstrichen, nur den einen Stamm hat. Und letzten Endes geht das alles zurück eben auf die Anfänge der modernen Carlsberg Brauerei und das finde ich schon wirklich sehr, sehr interessant, wie sich das so entwickelt hat. Ja, darauf sollten wir noch mal anstoßen.

Iris: Ja, geht es schon wieder weiter bei dir.

Markus: Ja, ich bleibe dran, also so ist es ja nun nicht. Du kannst ja Morgen, kannst du ja ein bisschen langsamer angehen die Sache, aber wir müssen die Hörer ja bei der Stange halten. Und wir haben ja von dem STIMULATOR erzählt und von einer schwarzen Flasche, wie machen wir denn weiter?

Iris: Ja, als wenn du beide noch definitiv trinken willst, dann würde ich sagen, starten wir mit dem STIMULATOR.

Markus: Ja, also das machen wir jetzt schon. Also wie gesagt, dafür sind wir da. Also ich mache mal den STIMULATOR auf.

Iris: Guter Start in die Woche, auf einem Montag, ja, cool.

Markus: Naja, mein Gott, naja, okay. Es ist vielleicht hier in Franken tatsächlich normaler, sich am Montagnachmittag mal sieben oder acht Testbiere zu geben als bei euch, aber egal. Also, haben wir hier den STIMULATOR, von der Farbe her, das wäre jetzt wahrscheinlich auch wieder diskussionswürdig, man könnte bordeaux sagen, aber dann würde man ja in die Weinecke denken. Gibt es dafür einen unweinigen Ausdruck?

Iris: Also ich sage normalerweise, so ein bisschen kastanienbraun mit rubinroten Reflexen, das ist so.

Markus: Ach so, das Bier selber meinst du jetzt?

Iris: Ja.

Markus: Ja, nee, da bin ich dabei. Ich meinte jetzt das Etikett.

Iris: Ach, das Etikett meintest du, okay. Ja, also da sage ich einfach immer lila.

Markus: Perfekt, sehr gut, lila ist gut. das ist völlig unschuldig, da sind wir gut dabei sehr schön. Ja, beim Bier natürlich, also keine Angst, ich bin jetzt nicht völlig verwirrt, da hast du absolut Recht. Aber, wobei, der Rotstich ist grandios, also das gefällt mir richtig gut, man hat ein richtig sattes schönes Rotbraun, was leuchtet, was strahlt. Der Schaum auch wieder sehr fest, sehr dicht. Sehr gefärbt auch, da merkt man auch hier wieder, viele dunkle Malze im Einsatz. Man merkt auch, wenn man das ein bisschen im Glas hin- und herschwenkt, das da durchaus ein paar Prozentchen mehr sind. Also, ja, wie warst du da beteiligt, bei diesem Bier?

Iris: Bei dem war ich tatsächlich nur daran beteiligt, das zu verändern.

Markus: Wie war es vorher?

Iris: Der STIMULATOR war früher ein Weizen-Doppelbock und das war ein schönes Bier, das hat Freude gemacht, da hat sehr gut geschmeckt, aber es war, glaube ich, geschmacklich ein bisschen zu anspruchsvoll für unser Publikum. Wir müssen ja in der ASTRA St. Pauli Brauerei immer so ein bisschen gucken, dass wir auch die Leute abholen, die ein bisschen einseitiger trinken in ihrer Freizeit.

Markus: So Leute wie du, die eben sagen, ich möchte nicht so gern ein Weizen, ne?

Iris: Ja, zum Beispiel, genau, ja, ja. Tatsächlich, ich bin mir sicher, es gibt auch ein Bier, was du nicht so gerne trinkst.

Markus: Ja sicher, keine Frage, absolut, fängt beim Pils an.

Iris: Tatsächlich, du bist kein Pils-Fan, woah, krass.

Markus: Mittlerweile, muss ich sagen, so richtig knackige Pilsbiere mag ich, aber so dieses Wald- und Wiesen-Pils, das holt mich einfach nicht ab. Also ich kann es beurteilen und ich trinke es auch mal, aber wenn ich die Wahl habe, was anderes zu haben, nehme ich in der Regel lieber was anderes.

Iris: Aber das Heiliger Rasen ging für dich, ja? Weil, das hat ja schon sehr pilsig geschmeckt so.

Markus: Ja, aber das war ja eine ganze Geschichte, die man da getrunken hat. Das waren ja zig-1.000 Menschen, stolz auf diesen Verein, also Blut, Schweiß, Tränen, was weiß ich was alles.

Iris: Du glaubst nicht, was da im Rasen alles drin war, den mussten wir echt gut saubermachen vorher.

Markus: Eben, also ich meine, da schwamm ja so viel mit, also insofern, da ist es dann auch egal fast schon.

Iris: Ja, okay, ja, gut. Ja, also was ich halt sagen wollte ist, wir haben ja schon einfach dadurch, dass wir auf der Reeperbahn sind und auch ein relativ großer Laden, haben wir sehr viel Laufkundschaft und auch sehr viel Touri-Verkehr. Über die wir uns natürlich auch freuen, also wir sind stolz, dass die ASTRA als eine Location wahrnehmen, wo sie mal hin müssen, wenn sie in Hamburg sind. Und das Ding ist aber natürlich auch, dass diese Leute uns, weil ja die Hauptsorten im Supermarkt deutschlandweit verfügbar sind, hauptsächlich uns für unsere großen Biere kennen. Also die kennen uns für das ASTRA URTYP oder für die RAKETE oder für das ROTLICHT vielleicht und wenn die dann natürlich zu uns auf den Kiez kommen, dann möchten die auch gerne sowas wie das URTYP trinken und haben jetzt vielleicht nicht so die riesige Affinität, was die Bierstilvielfalt angeht. Das heißt, dass die Biere, die wir bei uns brauen, also die müssen so ein bisschen die Tür aufmachen. Also wir können nicht so richtig crazy Biere machen, wo man den allerersten Schluck nimmt und denkt so, ach du Scheiße, was ist das denn, hat das überhaupt noch was mit Bier zu tun, sondern müssen halt so ein bisschen gucken, dass wir die Leute zwar überraschen, aber nicht überfordern. Und das Ding mit dem STIMULATOR, so wie er früher war, der war einfach zu krass. Der war zu heftig, der war zu doll, der hatte so viel Säure und war zu fett gleichzeitig und zu weizig. Also ich persönlich fand, das war ein grandioses und sehr leckeres Bier, aber es war ein bisschen zu weit weg von dem, was man halt als Person, die sonst eher bei den konventionelleren Bierstilen unterwegs ist, von Bier erwarten würde. Und deswegen ist das Bier halt nicht so gut gelaufen. Also das war wirklich, in unseren Absätzen war der STIMULATOR immer ganz unten, ganz abgeschlagen. Und dann haben wir gedacht, Mensch, wir müssen da irgendwas beim STIMULATOR, damit der sich halt so ein bisschen angleicht. Weil das ist natürlich auch ätzend, wenn du halt so ein Bier hast, was sich dann im Vergleich zu den anderen fast gar nicht verkauft. Ja und dann haben wir den STIMULATOR ein bisschen angepasst, das ist jetzt kein Weizen-Doppelbock mehr, sondern das ist jetzt ein Gersten-Doppelbock und ein bisschen mehr an dem, was Leute, die … ja, habe ich schon erklärt, du weißt, was ich meine.

Markus: Ihr habt quasi den STIMULATOR stimuliert, so könnte man das sagen.

Iris: Ja, genau. Der STIMULATOR hat übrigens auch ein gutes Tape Handle bei uns, ist dir das schon manchmal aufgefallen?

Markus: Nein.

Iris: Das ist ein Massagestab.

Markus: Oh, ein Massagestab, okay, gut, sehr schön. Also da werde ich nächstes Mal noch genauer hinschauen, wird gemacht, versprochen.

Iris: Sehr gut.

Markus: Also sensorisch finde ich auf jeden Fall wahnsinnig schön das Mundgefühl, so richtig weich, cremig, rund. Es kommt auch erst mal ein bisschen unschuldig daher, wie so ein Malzbier fast, also im positiven Sinne, sehr süß, also nicht zu süß, aber halt einfach auf dieser süßen Seite. Dann ein bisschen Karamell, ein bisschen Lakritz, ein bisschen so, ja, fast melassig. Also wirklich eine tolle interessante Malznote dabei und dann auch ein bisschen was Fruchtiges, finde ich auch spannend, sehr rund. Und auch hinten die Bittere ist durchaus da, also es hat doch was, aber sehr schön eingebunden, fängt eben diesen wuchtigen süßen Körper auch gut ab. Und hat dann ja auch nur, in Anführungsstrichen, 7%, das finde ich auch ganz ordentlich. Ist das denn von der Stammwürze her, falls du das weißt, ein Doppelbock?

Iris: Ja, ja, ist 18 Grad.

Markus: Woah! Also dann hat man natürlich auch den Grund, warum wir hier die Süße haben, weil viel Restsüße drin ist. Da kann ich mir vorstellen, dass das wirklich die Leute ganz schön wegbeamt bei euch, weil sich das so schön trinkt, ne?

Iris: Ja, das geht auf jeden Fall gut runter. Und wir haben ja auch häufiger so Partyverkehr bei uns, mal so Gruppen aus England oder so, die bestellen sich gerne mal den 3-Liter-Tower davon, die haben dann auch genug nach einem.

Markus: Ja, das wollte ich sowieso noch fragen, in welchen Formen es das Bier bei euch gibt? Weil ich habe zum Beispiel letztes Mal auch einfach, weil es mich interessiert hat, mal den URTYP und den, muss ich auch sagen, also frisch gezapft vom Hahn ist das auch ein richtig geiles Bier. Also das ist halt auch einfach der Punkt, also oft hat es was damit einfach zu tun, wie frisch ist das Bier und wie weit ist der Weg praktisch von der Brauerei und vom Fass ins Glas und das hat mich da auch wirklich überzeugt. Auch, wie gesagt, wenn ich sonst kein Pils-Fan bin, aber das fand ich echt gut. Und was gibt es überhaupt so bei euch für Größen, also geht es bis zum Maßkrug? Du hast ja grade gesagt, bis zu 3 Liter, das ist dann schon ein Eimer, ne?

Iris: Ja, das ist halt dieser Tower, den kennst du vielleicht, wo man sich unten so selber was raus zapfen kann. Ich persönlich bin jetzt nicht der allergrößte Fan von diesen Towern, aber die haben schon eine gute Signalwirkung. Also wenn die an so einem Tisch stehen, dann sehen das andere Tische. Man merkt das grade im Sommer auf der Terrasse gut, also wenn ein Tower verkauft wurde, dann sind auf einmal 10 Tower verkauft.

Markus: Tut ihr da Eiswürfel rein?

Iris: Nee. Aber die haben so ein Inlay, also von oben steckt man dann quasi noch so eine Metallsäule rein, wo man die Eiswürfel rein tut. Also wir tun es nicht direkt ins Bier und da sind die dann.

Markus: Genau. Weil da war ich nämlich ganz schockiert, ich glaube, das war in Belgien oder in Italien, ich weiß gar nicht mehr genau, aber jedenfalls war in einer Kneipe, die hatten auch Tower und die haben tatsächlich in den Tower, also in das Bier dann tonnenweise Eiswürfel reingekippt. Das fand ich dann schon ein bisschen strainge.

Iris: Abgefahren. Ja, das habe ich in China häufiger erlebt. Aber in Belgien, hast du gesagt, war das?

Markus: Ich weiß nicht mehr genau, ob es Belgien oder Italien war, war halt so eine klassische Kneipe, wo man eher Standard-Lagerbier trinkt, also jetzt kein wirklicher Bier-Place. Und ich habe einfach nur die Tower gesehen und habe mich dafür interessiert und als ich dann näher hingeguckt habe, habe ich festgestellt, oh Gott, das ist ja alles voll mit Eis. Das fand ich dann echt, ja, war krass.

Iris: Ja, also das machen wir nicht. Wir machen da schon Eis rein, aber das ist dann eine indirekte abgeschlossene Kühlung. Also keine Angst, wir verwässern unser ASTRA nicht selber. Ja und neben den 3-Liter-Towern gibt es natürlich auch normale Gläser bei uns zu kaufen, also man kann entweder 0,25 kaufen oder eben 4. Und ansonsten gibt es auch noch ein paar Biere direkt aus der 0,33-Knolle, also aus der Steiniflasche, wir nennen die ja Knolle bei uns. Ja und das war es dann eigentlich auch an Optionen, aber reicht, denke ich.

Markus: Ja und alle, die jetzt nicht sofort zu euch kommen können, die können im Onlineshop zumindest zuschlagen, ne?

Iris: Genau, ja. Weil unsere Sorten, wir brauen ja nicht so viel davon, habe ja schon erzählt, das ist ja nur so ein 10-Hekto-Sudwerk und von daher gibt es das nicht im Supermarkt. Aber man kann unter astra-shop.de, kann man sich die Sorten Nachhause bestellen, entweder in der Knolle oder auch im 5-Liter-Fass.

Markus: Ja, also genügend Auswahl. Bleibt uns noch ein wichtiges Thema oder vielleicht sind es sogar zwei, ich weiß gar nicht so genau. Es bleibt uns auf jeden Fall diese schwarze Flasche, unetikettiert, die ganz geheimnisvoll auf meinem Schreibtisch rumsteht und dieses Thema SENATSBOCK. Hat das was miteinander zu tun?

Iris: Ja, das hat was miteinander zu tun. Also die unetikettierte Flasche, das ist unser diesjähriger SENATSBOCK. Die ist nicht etikettiert, weil unsere ganzen Flachen schon weg waren und ich wollte auch in der Runde aber trotzdem noch den SENATSBOCK mitschicken, deswegen habe ich Merlin gebeten, obwohl wir keine Etiketten mehr haben, dann noch mal so ein paar Flaschen abzufüllen und das hat er netter Weise für mich getan.

Markus: Ja und das ist auch unglaublich dankenswert! Weil, ich war vor Kurzem ja noch in Hamburg und habe da beim Christian Temme im Braustättchen einen Rauchbierabend gestaltet mit einem Freund aus Polen zusammen, wo wir dann alle möglichen Rauchbiere verkostet haben. Am Schluss waren es, glaube ich, 13 oder so, war eine Menge. Und da kamen wir an und er hat uns total vorgeschwärmt von diesem wunderbaren SENATSBOCK und dann hatte er keinen mehr. Und das ist ja das Schlimmste, was einem passieren kann, wenn Menschen über ein ganz tolles Bier reden und dann ist es nicht da. Und dann, als ich Heim kam, habe ich dann die Kiste von euch gesehen und habe die Flasche gesehen und habe mir gedacht, wenn ich Glück hab, dann ist es das. Und ich hatte dir ja zwischendurch noch eine SMS geschrieben, die mich auch hoffnungsvoll gestimmt hat. Insofern bin ich da jetzt wirklich sehr voller freudiger Erwartung und wenn du nichts dagegen hast, würde ich es mal aufmachen.

Iris: Ja, mach das mal auf, ich erzähle einfach mal, was das für eine Variante ist, solange. Also beim SENATSBOCK-Brauprojekt geht es darum, das mehrere Hamburger Brauereien gemeinschaftlich brauen. Jedes Jahr wird ein dunkler Doppelbock gebraut und theoretisch ist die Malzschüttung immer die gleiche. Das hat sich mittlerweile so ein bisschen aufgeweicht, aber die restlichen Zutaten, kann dann jede Brauerei selber kreativ werden und eine eigene Variante des Hamburger SENATSBOCK brauen. Das passiert dann, also releast werden die dann immer Ende Januar und da stellen dann alle Brauereien ihren diesjährigen Hamburger SENATSBOCK vor. Die Biere heißen auch alle gleich, das macht es auch so ein bisschen interessant. Und wir sind jetzt das 3. Mal dabei und haben dieses Jahr eine Variante mit, na, weißt du es schon oder soll ich es sagen?

Markus: Es ist unglaublich! Es ist wirklich unglaublich, weil ich bin persönlich ein ganz großer Fan, ich muss ja fast sagen, ich bin ein Fan von allen möglichen Süßigkeiten, aber insbesondere After Eight habe ich schon immer sehr, sehr gerne gemocht. Und auch dieser tollen Geruch und diese Mischung aus Minze und dunkler Schokolade hat mich immer total geflasht und total abgeholt. Und wenn man die erste Nase nimmt, ist das total präsent, also als würde man die Packung grade aufreißen und die Nase reinhalten, mitten rein und dann hat man das. Also wenn ich jetzt nicht ganz falsch liege, dann wäre das in diesem Fall Minze, oder?

Iris: Ja, genau, wir haben da mit Minze gearbeitet und noch mit Kakao in Nips und in Pulverform und haben dann quasi unser ASTRA-EIGHT gemacht.

Markus: Also ich habe es auch grade probiert, bestätigt sich auch im Mund. Also ein kleines bisschen anders, weil noch eine gewisse Säurenote mit dabei ist, die einfach vom Röstmalz kommt, aber an sich, also großartig, dieses Spiel aus dieser Minze, die ja auch sehr frisch ist. Das ätherische Öl, das bleibt einem ja im Mund an jeder Stelle irgendwo da. Auch nach dem Trunk ist das noch da und ist immer wieder präsent und dazwischen diese schokoladigen röstigen Noten von dem Bier, ja, also eine tolle Mischung. Also ich weiß gar nicht, wer das ursprünglich mal erfunden hat. Falls es die Engländer waren, bin ich ihnen auf jeden Fall sehr dankbar dafür. Und das ist toll und natürlich auch Hammeridee, sowas mit einem Bier zu machen.

Iris: Ja, danke.

Markus: Wie kam das an?

Iris: Das kam sehr gut an, also da war ich auch sehr happy. Wir versuchen ja jedes Jahr eine etwas ausgefallene Doppelbock-Variante zu machen, also wir geben uns nicht damit zufrieden, dann einfach einen ganz normalen dunklen Doppelbock zu brauen. Und haben aber dann trotzdem immer noch den Anspruch, dass wir dieses Bier in einem Wort oder einem Satz erklären können. Das ist dann am Ende so ein bisschen limitierend, aber, ich finde, das sorgt dann auch dafür, dass wir halt nicht nur ein Bier haben, was gut schmeckt, sondern auch noch so eine Story drum herum. Und ich bin der Meinung, das haben wir hier mit dem Hamburger SENATSBOCK ASTRA-EIGHT Edition auch wieder ganz gut geschafft.

Markus: Ja, also das Bild ist sofort im Kopf da, wenn du ASTRA EIGHT sagst, weiß man sofort, was gemeint ist. Gab es da keinen Ärger so mit den After-Eight-Jungs, von wegen Namensähnlichkeit oder so oder sind die da locker?

Iris: Ach, ich glaube, also wir haben nicht gefragt, aber wir haben ja auch nicht After Eight draufgeschrieben. Und am Ende, ich meine, wir haben von diesem Bier jetzt 10 Hekto gebraut, das ist ja auch quasi sofort wieder weg, da, glaube ich, passiert nix mehr.

Markus: Ja, das ist der ganz große Vorteil bei solchen Suden, weil die sind dann einfach Geschichte, bevor sich irgendjemand beschweren kann und dann ist das auch völlig okay. Und ich finde das auch total cool und das ist für mich wirklich, also mindestens 49 %, was euch auch ausmacht, in meinen Augen ist dieser wirklich sehr kreative Umgang mit den Namen, dieses Spiel mit den Bezeichnungen, auch mit eben dem Bezug immer wieder auf Hamburg und auch die Reeperbahn und all das und da natürlich auch die Kreativität in den Bieren, das entsprechend umzusetzen.

Iris: Ja, danke schön.

Markus: Und damit auch Akzente zu setzen, das ist ja auch so ein Punkt, das macht ja auch nicht jeder. Und da habt ihr vielleicht durch eure Stellung auch die Möglichkeit und die Freiheit, das auch ein bisschen zu machen. Und umso besser, also wir leben ja in einer Zeit, wo die deutschen Craft-Biere nicht die allerbeste Zeit haben und das ist es toll, dass es eben sowas gibt und das ihr die Möglichkeiten habt. Und das euer Laden wirklich brummt, auch das finde ich toll. Als ich da war, war ich richtig froh zu sehen, dass das einfach voll ist, dass da Leute Spaß haben, dass es lebendige Bierkultur ist, die gelebt wird. Das ist schön und wichtig und macht dann auch ein bisschen hoffnungsfroh. Und dieses Bier auch, also weil, das ist eine tolle Entwicklung. Habt ihr da echte Minze genommen oder wie lief das?

Iris: Nee, wir haben tatsächlich das erst mal mit echter Minze probiert, aber das hat nicht viel für die Sensorik getan. Das kam dann irgendwie so ein bisschen moderig raus und deswegen sind wir dann auf Pfefferminztee übergegangen, aber das hat dann sehr gut geklappt.

Markus: Ja, das hat sogar super gut geklappt. Erinnert mich ein bisschen an ein Gespräch, dass ich mit dem Basti von Lemke hatte auch hier im BierTalk, über den Waldmeister. Und da haben die auch vieles probiert, um eben die Waldmeister Weisse mit Waldmeister zu machen. Und ich glaube, am Ende war es dann eine Tiefkühlgeschichte, die das dann hingekriegt hat, aber nach vielen, vielen Versuchen. Und insofern, es ist tatsächlich nicht so leicht, das Bier mit solchen Sachen anzureichern. Aber hier auf jeden Fall, das Ergebnis gibt euch auf jeden Fall Recht. Und da gibt es wahrscheinlich hoffentlich in der Zukunft noch viele andere ähnliche kreative und spannende Ansätze.

Iris: Du, bestimmt. Also das ist auch das, was mir am meisten Spaß macht, was Merlin auch am meisten Spaß macht und wir haben für dieses Jahr schon ein paar richtig geile Sachen in der Pipeline. Also ich bin total excited, grade Richtung Sommer, da wird ein Bier rauskommen, was ich mir schon seit zwei Jahren, na, nicht zwei Jahre, was ich mir seit einem Jahr ungefähr wünsche und von dem ich vollends überzeugt bin. Also ich bin gespannt, was du dann dazu sagst, ich schicke dir dann eine Flasche, wenn du es nicht nach Hamburg schaffst.

Markus: Okay. Also ich werde es auf jeden Fall auch mal nach Hamburg schaffen, die Frage ist, ob ich es rechtzeitig schaffe, aber das können wir dann ja noch tun. Und euch auf jeden Fall. liebe Hörer :innen da draußen, der unbedingte Tipp, also Hamburg ist natürlich immer eine Reise wert, sowieso als Stadt. Also da bin ich auch sehr, sehr gerne und ich persönlich bin dann auch sehr gerne auf dem Wasser, mache dann einfach mal so eine Rundfahrt mit so einer kleinen Hafenschaluppe oder Barkasse oder wie immer man das nennt und fahre da einfach rum und genieße die Atmosphäre.

Iris: Ich habe an der Stelle so einen ganz kleinen Tipp als Hamburgerin und zwar, wenn man sich die Barkassenfahrt sparen möchte, dann kann man auch einfach die Fähre nehmen, die Fähre ist nämlich im hvv-Ticket mit drin. Also das heißt, wenn man ein Deutschlandticket hat oder eine Tageskarte oder so, kann man kostenlos mit dieser Fähre fahren. Und die Fähre ist das letzte öffentliche Verkehrsmittel in Hamburg, auf dem es erlaubt ist, Alkohol zu trinken. Das heißt, bei gutem Wetter kann man sich oben auf die Fähre setzen mit einem big Bier und das ist der schönste Ort der Stadt.

Markus: Woah, also das flasht mich jetzt. Von wo nach wo fährt die?

Iris: Ja, die fährt da von den Landungsbrücken nach Ovelgönne zum Beispiel. Also es gibt so, ich glaube, 3 verschiedene Routen. Und die fährt aber auch wieder zurück, also man kann sich einfach draufsetzen und dann fährt man hin, fährt man zurück. Dauert dann so, weiß nicht, 45 Minuten. Und man kann ein bisschen den Hafen angucken und dabei ganz entspannt das Bier vom Kiosk trinken, das sind die besten Momente.

Markus: Also das ist ein toller Tipp, vielen Dank, den nehme ich sehr, sehr gerne mit. Und ich gebe noch einen letzten von meiner Seite, was ich mal gemacht habe vor 2, 3 Jahren. Ich habe mich mal an einem schönen sonnigen Tag einfach, das ist etwas nördlich von Hamburg, da, wo die Schiffsbegrüßungsanlage steht, da rausgesetzt. Da gibt es dann so eine Terrasse, mehrere sogar, wo man sich hinsetzen kann und eben auch ein schönes Bierchen trinken kann und dann fahren eben die ganzen Schiffe so in die Elbe rein oder die Elbe entlang. Und dann gibt es da so ausgemusterte Kapitäne, die dann dastehen und wirklich jedes einzelne Schiff begrüßen mit Nationalhymne, ein bisschen was dazu erzählen, was es geladen hat und was es so macht und dazu noch einen Schwank aus ihrem Leben, wie auch immer. Also es hat auch manchmal etwas Zotiges, aber es ist auch wirklich sehr interessant und sehr international. Und auch noch mal eine Möglichkeit, wenn jemand einfach dieses ganz besondere Hamburg-Flair mal haben will, was man sonst eben in der ganzen Republik nicht hat, da kann man das vielleicht auch mal probieren. Also, ja, danke schön, liebe Iris, das war ein ganz, ganz toller Einblick in deine Welt und in deine Brauerei und alles, was dein Leben so ausmacht, vielen, vielen Dank. Ich freue mich, dass wir uns bald wieder sehen und dann auch gemeinsam das ein oder andere Bier genießen. Und dir auf jeden Fall heute noch einen schönen Tag.

Iris: Ja, dir auch noch einen schönen Abend. Und ich hoffe, dass du die Flaschen, die du jetzt alle aufgerissen hast, auch schön brav austrinkst.

Markus: Okay, wird gemacht. Wir Männer machen ja immer, was die Frauen sagen, also werde ich das auch tun.

Iris: Sehr gut.

Markus: Also bis dann, tschau.

Iris: Tschüss.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 136 – Interview mit Kerstin Gößl und Vladimir Kloz vom alkoholfreien Restaurant Sägemühle aus Hiltpoltstein

Im fränkischen Gasthof „Zur Sägemühle“ in Hiltpoltstein haben Kerstin Gößl und Vladimir Kloz eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Seit dem 13. Januar 2024 ist ihr Lokal der erste in Bayern, der komplett auf Alkohol verzichtet. Diese radikale Umstellung folgte Vladimir Kloz‘ Kampf mit der Alkoholabhängigkeit und dem Wunsch, eine Umgebung zu schaffen, die seine Genesung unterstützt. Die Reaktion der Gäste? Überwältigend positiv. Der Gasthof, bekannt für seine Offenheit gegenüber vegetarischen, veganen sowie gluten- und laktosefreien Gerichten, erweitert sein Angebot nun um eine Vielzahl alkoholfreier Getränke – ein mutiger Schritt, der zeigt, wie ein persönlicher Kampf zu einer inspirierenden Geschäftsidee werden kann. Im BierTalk erzählen die beiden von Ihrer Geschichte und den verschiedenen Herausforderungen auf dem Weg dorthin…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir eine kleine Reise, gar nicht weit weg von Bamberg, wir gehen in die Fränkische Schweiz und gehen dort zu Kerstin Gössel und ihrem Mann Vladimir Klotz, die dort einen Gasthof betreiben. Und es ist nicht nur irgendein Gasthof, es ist ein Gasthof, der in vielerlei Hinsicht sich Herausforderungen gestellt hat, neue Themen aufgenommen hat, glutenfrei zum Beispiel, aber auch alkoholfrei. Und dahinter steckt natürlich auch eine Geschichte und wir werden heute ein bisschen drüber sprechen. Und ich bin sehr froh, dass ihr beide da seid. Und vielleicht stellt ihr euch ganz kurz unseren Hörern mal selber vor.

Kerstin: Ja, hallo, ich bin die Kerstin Gössel. Ja, gebürtig hier aus Hildburgstein tatsächlich. Habe über 20 Jahre in Ebermannstadt gelebt, da haben mein Mann und ich zusammen ein kleines Café gehabt in Ebermannstadt selber und sind dann 2019 wieder, ja, zurück in meine Heimat quasi, nach Großenohe.

Vladimir: Ja, ich bin Vladimir Klotz, ja, was soll ich sagen?

Kerstin: Dass du auch Tschechien bist zum Beispiel.

Vladimir: Ach so, das stimmt. Ja, ich bin ein tschechischer Lump. Ich bin Koch hier, erst in der Konditorei. Sag du alles, du kannst das.

Kerstin: Ja und wir betreiben halt den Gasthof jetzt mittlerweile seit fünf Jahren. Haben immer wieder unsere, ja, Konzepte angepasst, verbessert. Man muss sich ja auch weiterentwickeln.

Markus: Ja, absolut. Und vielleicht nehmen wir unsere Hörer erst noch kurz ein bisschen mit auf die Reise, wo sind wir denn überhaupt? Also was heißt Fränkische Schweiz, wie schaut es da aus, was muss man sich da vorstellen?

Kerstin: Okay, also die Fränkische Schweiz, die hat also tatsächlich ihren Namen von dem Abgleich an die Schweiz an sich, weil wir sehr hügelig unterwegs sind, sage ich mal. Direkt oberhalb von uns, da sind die Franken 3 Zinnen, also das Original gibt es ja in den Dolomiten und wir hier in der Fränkischen Schweiz, wir haben eben ganz, ganz viele Kletterfelsen. Wir sind ein weltbekanntes Klettergebiet, Wanderregion, für Radfahrer ideal, Naturpark, der Felsensteiner Forst ist auch ein Naturschutzgebiet, der ist sehr weitläufig. Und wir sind hier quasi in der südlichen Fränkischen Schweiz, so nennt sich das. Wir sind am Rand vom Landkreis Bayreuth, am Rand vom Nürnberger Land, also Nürnberger Landkreis, Erlangen, Höchstadt, Fürth, also wir sitzen quasi mittendrin. Wir haben von uns bis nach Nürnberg zum Flughafen sind es 32 km, nach Forchheim sind es 25, nach Bamberg sind es 50 km, also wir sitzen schön mittendrin quasi im Zentrum. Wir haben ein sehr großes Einzugsgebiet hier in der Fränkischen.

Markus: Ja, also wirklich eben im Herzen Frankens und das ist ja schon seit vielen, vielen Jahrzehnten oder vielleicht sogar Jahrhunderten ein Erholungsgebiet, ein Tourismusgebiet, wie man heute auch sagt und man kann ganz viele, viele schöne Sachen. Und du bist da groß geworden, Kerstin. Bist du da auch schon unterwegs gewesen, gewandert als Junge oder wie bist du so, wie hast du das so gemacht?

Kerstin: Ja, also ich kann mich erinnern, so wie ich noch Kind war, so um die 10, 11 Jahre oder noch kleiner, da hat es bei uns in der Region tatsächlich auch immer so Wandertage gegeben, wo man dann so Wanderpokale gewinnen konnte, so Familienwandern und sowas, wo man dann einfach den Familien auch diese Wanderregion näher gebracht hat. Und ich muss ganz ehrlich sagen, in dieser Corona-Phase haben das ganz viele wieder für sich entdeckt, die Fränkische Schweiz, einfach als Wanderregion, Ausflüge zu machen. Wir sind hier eben in diesem Großenoher Tal, wir sind hier wirklich in einem der schönsten Täler der Fränkischen Schweiz, wo wirklich ganz viele Tagesausflügler unterwegs sind zum Klettern, Radfahren, Wandern. Motorrad fahren ist ja für die Fränkische auch sehr heiß begehrt, eben weil es kurvenreich ist, so wie in der Schweiz auch, daher eben der Name.

Markus: Ja, absolut. Und ich muss sagen, ich bin ja selber oft da, es ist wirklich einfach wunder, wunder, wunderschön und leicht zu erreichen auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Also deswegen auch ein unbedingter Tipp an alle Hörer: innen da draußen, also unbedingt mal da vorbeischauen und da eignet sich natürlich euer Gasthof perfekt, kommen wir gleich dazu. Vorher vielleicht noch an den Vladimir, wo kommst du eigentlich her, wo ungefähr in Tschechien, wo und wie bist du da so groß geworden?

Vladimir: Na ich bin Nordtschechei oben, so zwischen Dresden und Prag. Zum Beispiel die historische Stadt, wie Theresien.

Kerstin: Theresienstadt.

Vladimir: Theresienstadt, das ist 2 km, das ist das Lager in …

Kerstin: Das ist das Konzentrationslager gewesen, das ist auch da ein Ausflugsziel, dass man auch das Lager anschauen kann. Theresienstadt heißt das, es ist 2 km von Leitmeritz oder Litomerice weg und das liegt genau zwischen Dresden und Prag, genau zwischendrin.

Vladimir: Da gibt es auch die Region oben Tschechei, die Region Tschechische Schweiz.

Kerstin: Genau. Das ist so ein Gebirgszug, quasi die Fränkische Schweiz, dann kommt die Sächsische Schweiz und die Böhmische Schweiz oder Tschechische Schweiz, das ist ein Gebirgszug, wie sagt man da, Gebirgs?

Vladimir: Eine geologische oder geologische einfach. Das ist so identisch, zu viele Steine, zu viel Burg, Naturpark, das ist circa identisch.

Kerstin: Identisch.

Markus: Ist auch sehr schön, habe ich auch tatsächlich von allen Seiten schon bereist, also sowohl von der Sächsischen als auch der Tschechischen, als auch natürlich der Fränkischen Seite und, ja, also sehr eindrucksvoll, sehr spannend, besonders im Sommer natürlich, wenn da dann entsprechend auch das Wetter zum Wandern passt. Wie habt ihr beide euch denn dann kennengelernt?

Kerstin: Wie haben wir uns kennengelernt? Wie wir uns das erste Mal gesehen haben, ja, das war wie so eine Story aus Rosamunde Pilcher irgendwie. Also er war Pferdepfleger in dem Stall, wo ich mein Pferd stehen hatte. Er war wirklich der Pferdepfleger.

Markus: Ja, Wahnsinn. Ja und dann hat es irgendwann gefunkt und dann habt ihr gesagt, jetzt machen wir zusammen weiter.

Kerstin: Ja, genau.

Vladimir: Und später diese Story, das ist wirklich, ich sage es immer, ist Rosamunde Pilcher und Danielle Steel sitzen im Café und sprechen und machen neuen Roman, diese zwei Frauen.

Markus: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ja, ihr habt dann als erstes dieses Café zusammen aufgemacht. Wie kam es dazu, habt ihr beide Erfahrungen vorher gehabt in der Gastronomie?

Kerstin: Naja, das ist halt, wenn man so sein Leben einmal komplett resetet und neu startet, dann überlegt man sich, wie soll der gemeinsame Weg weitergehen. Und ich bin gelernte Konditorin, es war schon immer mein Traum, so ein eigenes Café oder Lokal zu haben und mein Mann, der Vladi, der hat in der Tschechei, Tschechien muss man ja sagen, Tschechei darf man ja nicht mehr sagen, Tschechien, ja oft im Service gearbeitet oder als Kellner oder in Lokalen ausgeholfen. Dann hat er mal so als Barkeeper gearbeitet in so einem Underground, wie hat das geheißen, Dynamo Hardrock Café.

Vladimir: Hardrock Café.

Kerstin: Ja, genau, Dynamo Hardrock Café, das ist so ein richtiges Underground Hardrock Café. Und, ja und dann hat man gesagt, okay warum probiert man es nicht einfach, warum versuchen wir es nicht einfach, das gemeinsam zu machen? Dass war einfach unser gemeinsamer Nenner, ja und dann haben wir das gemacht. Dann haben wir uns da in Ebermannstadt, war dann eben schon länger ein Café leer gestanden und haben uns da dann quasi dafür interessiert und auch dann gepachtet und ja, und dann haben wir das probiert. Und dann hat sich das hier in Großenohe ergeben und dann sind wir halt hier, ja, genau.

Markus: Ja und dann hast du viele, viele süße Sachen gemacht im Café und was hat sich dann, ja, da kommen wir gleich noch dazu, habt ihr natürlich immer noch.

Kerstin: Ich habe immer gesagt, das war unser Testobjekt, ob wir sowas überhaupt hinbekommen und ja, wie es scheint, hat es ja funktioniert.

Markus: Ja und dass ihr auch beide zusammen funktioniert. Und war es dann da schon so, dass bei dir dieses Thema Allergie, Unverträglichkeit aufgetaucht ist, Kerstin?

Kerstin: Also ich selber bin Allergikerin, ich reagiere auf Gewürze und Aromastoffe und musste auch deshalb meinen, ja, Konditorberuf an den Nagel hängen. Also ich hatte mich, das muss ich vielleicht noch kurz dazu sagen, ich hatte mich 2014 noch bei meinem Exmann zu Hause, hatte ich mich schon als Konditorin selbständig gemacht. Habe dann nur so Torten auf Bestellung gemacht, so Fondants, Modellagen gemacht und 3D-Torten und so, Motivtorten und so Zeugs. Nur auf Bestellung für Hochzeiten, Geburtstage, Taufen und was es alles gibt. Und dann haben aber wir uns kennengelernt und dann, ich war ja schon selbständig und daher war also diese Option auch mit diesem Café gegeben, wo wir gesagt haben, okay wir können das probieren, ich habe das Wissen und ich darf so was auch machen. Ja und dann einfach dieser Betriebswechsel, klar. Und diese Allergiegeschichten, das war also tatsächlich schon gegeben, schon von der Zeit, wo ich nur Torten gemacht habe, wurden auch bei mir schon öfter glutenfreie Torten oder laktosefreie Sachen bestellt und die Leute haben einfach gemerkt gehabt, okay, die arbeitet da vernünftig, arbeitet zuverlässig und auch sauber. Der Begriff klingt zwar immer ein bisschen blöd, sauber, was ist sauber? Aber gerade bei Gluten zum Beispiel oder Laktose muss einfach auch eine Kontamination ausgeschlossen sein, damit Leute mit Zöliakie, Glutenunverträglichkeiten, keine Probleme haben. Und da waren die Leute bei mir einfach sicher, dass ich das machen kann, dass das da eben ordnungsgemäß ist.

Vladimir: Kein Risiko, Kontamination.

Kerstin: Genau.

Markus: Ja und das ist ja auch ein ganz wichtiges Thema. Tatsächlich in Deutschland noch relativ stiefmütterlich.

Kerstin: Ja.

Markus: Aber ich bin ja sehr viel im Ausland unterwegs, also in Italien zum Beispiel ist das seit vielen Jahren absolut klar, es gibt in nahezu jeder Pizzeria auch die glutenfreie Alternative, in England zum Beispiel auch, also viele, viele andere Länder. Und ich erlebe es auch oft bei Touristen, die wir hier betreuen über die BierAkademie oder wir haben auch so Tastings auf Kreuzfahrtschiffen, auf diesen Flusskreuzfahrtschiffen, dass dann wirklich auch die Frage immer ist, haben sie eine glutenfreie Alternative? Und insofern, glaube ich, habt ihr da, also ohne das jetzt bewusst erstmal zu wollen, aber notgedrungen einen Nerv getroffen und es ist auf jeden Fall sicherlich eine gute Sache und eine sinnvolle Sache, dass auch so zu machen. Merkst du denn für dich dann auch, dass es dir gesundheitlich dadurch besser geht?

Kerstin: Ja, weil ich, das ist der nächste Punkt, wir haben also das Konzept hier in der Sägemühle dann 2019 im Herbst, also wir haben 2019 im April hier eröffnet, das Lokal und das Lokal war ungefähr acht oder zehn Jahre komplett geschlossen, da war gar nichts drauf. Und wir haben dann 2019, genau Karfreitag war unser erster Tag hier und haben, ja, einen wahnsinnigen Run erlebt. Da hatten wir aber noch nicht komplett glutenfreie Küche, da haben wir noch gemischt gearbeitet. Und haben dann im, ja, ich weiß gar nicht mehr, August, September, glaube ich, war es, also Richtung Herbst, Spätsommer, Herbst, haben wir dann komplett auf glutenfrei umgestellt. Und haben tatsächlich dadurch eine Alleinstellung in ganz Oberfranken erlangt, weil das ist Wahnsinn, was wir da für einen Zulauf bekommen haben aus ganz Deutschland. Und wir haben dann auch immer wieder das Konzept verbessert. Ich backe ja Brot, Brötchen, Laugenstangen und so, das verschicke ich in ganz Deutschland. Ich habe letzte Woche jetzt auch eine Anfrage aus Österreich bekommen, dass ich da glutenfreies Brot hinschicke, weil die, sie hat gesagt, sie sitzt irgendwo, sie wohnt auf meiner Berghütte da oben und sie kommt nirgendwo an glutenfreies Brot ran. Und das ist wirklich ein Thema, wo sehr aktuell ist. Und dann hat sich bei mir tatsächlich vor zwei Jahren selber eine Zöliakie bemerkbar gemacht. Also ich habe tatsächlich selber Zöliakie, wahrscheinlich schon seit meiner Kindheit und das wurde halt jetzt erst festgestellt, diagnostiziert. Und natürlich bekommt mir das dann viel, viel besser, klar, logisch. Ich muss ja jetzt glutenfrei leben.

Markus: Ja und ihr verschickt ja auch mittlerweile eure Sachen in die ganze Republik. Da kommen wir nachher sowieso noch dazu. Aber jetzt vielleicht mal kurz zu den neuesten Entwicklungen, ihr habt ja dann irgendwie festgestellt, dass es da bei euch beiden noch so was Drittes gibt, das Thema Alkohol. Wie ist das denn überhaupt aufgekommen?

Kerstin: Naja gut, das Thema Alkohol ist halt bei meinem Mann, ja, schon seit sieben Jahren ungefähr, ja, viel zu präsent, sage ich mal. Gut, das ist natürlich schon die Anfangszeit gewesen, wo wir uns kennengelernt haben, aber wenn man sich so neu kennenlernt, dann nimmt man das vielleicht dann noch nicht so wahr oder, ja, schaut da nicht so drauf und freilich trinkt man selber auch was und man merkt es vielleicht auch noch nicht so oder will es auch gar nicht merken. Aber dann, wie so der Alltag kam und halt auch der Stress in der Gastro und alles Mögliche, da, ja, ist halt dieses Thema leider immer mehr präsent geworden mit dem Alkohol.

Vladimir: Das ist für mich auch neu, machen Essen wirklich heute. Ich bin nur Hobbykoch. Und was ist die Phase, mache ins Wasser springen.

Kerstin: Ja, ins kalte Wasser geschmissen, ja, genau. Und dann ist halt diese Grenze zwischen, mal was trinken und man braucht es, zu sehr verschwommen. Und es hat sich einfach dann eine Alkoholkrankheit, ja, leider, leider eingeschlichen.

Vladimir: Die ersten zwei Jahre für mich ist wirklich schwer, diese psychische Problematik, zum Beispiel Rezension. Die ersten zwei Jahre, nun jetzt ich vielleicht drei, vier Jahre ich nicht gucken vor Rezension. Aber das macht mir wirklich Schmerzen, das macht mich …

Kerstin: Ja, Stress einfach.

Vladimir: Schreib, ich koche Fäkalien zum Beispiel in der Rezension. Aber das ist immer anonym. Aber jetzt, ich lange Zeit brauche akzeptieren, nicht akzeptieren das oder was ich sage, einfach ignorieren, Rezension.

Kerstin: Naja und dann ist halt schwierig dann, von dieser Alkoholkrankheit alleine wegzukommen, wenn es dann schon mal ein Stadium erreicht hat, wo jede Pore im Körper nach Alkohol schreit und du trinken musst, weil du sonst nicht funktionieren kannst. Und das war halt jetzt dann am 1. Januar soweit, dass er selber gesagt hat, okay ich kann nicht mehr, ich kann einfach nicht mehr. Entweder, das war wirklich, das ist jetzt ein Zitat von ihm, er saß wirklich in der Küche, hat geweint und hat zu mir gesagt, also entweder fahren die mich morgen auf den Friedhof oder ich schaffe ab morgen wirklich den Alkohol wegzulassen. Ja, gesagt, getan. Und dann habe ich ihn gefragt, ja und was willst du jetzt eigentlich? Willst du auf den Friedhof oder willst du weiter leben, willst du weitermachen, willst du aufhören zu trinken? Ja, er will aufhören. Und dann habe ich den Krankenwagen gerufen. So ist das dann gekommen mit dem alkoholfrei.

Vladimir: Problem andere ist, ich probiere lange Zeit, alleine mache ich das, mit keiner Hilfe. Aber ich mache das vielleicht, wenn ich nicht arbeite im Gasthof oder apropos, wir leben im Gasthof. Ich nur spazieren, ich nur gehe nach unten, die Treppe und hier ist immer das Schenk, hier ist immer Bier. Andere Person muss einkaufen, kaufen Bier oder kaufen die Flasche Alkohol. Ich, nein, ich nur gehe nach unten in Lokal und ich habe alles. Das ist schwer oder das ist für Alkoholiker nicht gut.

Markus: Ja, da hat man immer die Versuchung. Und ja, vielleicht noch ganz kurz zu dieser Zeit, wo sich das so entwickelt hat. Das heißt, es ging einerseits darum, der Stress, die Überforderung vielleicht auch, auch dieses Umgehen mit negativem Feedback, gerade weil soziale Medien da so gnadenlos sein können und mal Leute halt eben durch das Anonyme alles Mögliche schreiben. Und das heißt, das war für dich oder euch einfach eine Option, dass irgendwie zu bewältigen. Aber wie hast du das dann wahrgenommen, Kerstin, also hast du das bewusst wahrgenommen, dass das mehr wird, dass es schlimmer wird oder wie ging es dir?

Kerstin: Ja, also dieses exzessive Trinken, das wurde halt immer häufiger. Und was natürlich auch oft zu Streit geführt hat, weil immer gerade dann, wenn wir Freitags öffnen, dann hat er früh schon angefangen zu trinken und ich habe immer gesagt, unter der Woche ist mir das scheißegal, er muss nicht funktionieren, ja, wir haben dann zu. Ich habe dann auch die Öffnungszeiten angepasst, dass er einfach die Ruhe hat unter der Woche, den Stress abbauen kann. Wir haben nur noch Freitag, Samstag, Sonntag auf, was uns zwei auch reicht. Gut, in der ganzen Corona-blablabla hat sich das auch so ergeben, dass wir kein Personal mehr haben.

Vladimir: Das ist das andere Thema. Das ist nicht, ja, wir zwei arbeiten im Gasthof, hat zu viel Stress. Aber das erste Projekt, das Stadtcafé, zu viel Stress, später macht das Leben, startet ab null, neu, dieses Projekt. Okay, erste Jahre, bis heute habe keine Ahnung, hier ist neu offen, aber acht Jahre minimal ist das zu hier. Wir wandern, 20 Leute wandern, oh, hier ist offen, oh, ich bin letzte Zeit hier in fünf Jahren, das ist immer zu. Und später, andere Jahre kamen hier dieses Corona, zwei Jahre Corona-Zeit, anderer Stress. Später, wir haben kein Personal und lastet drei Jahre hier alleine. Nur zwei Leute. Ich bin alleine in Küche, Kerstin macht alleine Service und ich zu viel vorbereiten, Bäckerei, Konditorei, dieses. Das ist das ganz alles zusammen Stress. Nicht nur, wir arbeiten da so, aber diese fünf Jahre, das ist wirklich, oder sechs Jahre, das ist Hardcore. Das ist wirklich, das ist nicht normal vor Start des Business. Das ist Risiko jedes Business, diese Corona-Zeit, dieses alles zusammen, das ist wirklich schwer.

Kerstin: Ja und es kommt halt auch immer auf den Menschen selber drauf an. Ich habe auch nicht angefangen zu trinken, ja, ich bin aber ganz anders gestrickt wie mein Mann. Und er hat halt vorher schon getrunken und da war halt einfach, die Grenze ist zu schnell verschwommen zwischen mal was trinken und ich brauche den Alkohol. Das ist, vielleicht liegt es auch ein bisschen da dran, er ist halt auch aus Tschechien und da ist die Mentalität auch ein bisschen anders wie hier, das Trinkverhalten vielleicht auch wenig anders. Gut, kommt dem Bayrischen etwas nahe, aber ist trotzdem anders als hier in Deutschland. Und es ist auch, wenn wir zum Beispiel nach Tschechien gefahren sind, seinen Bruder zu besuchen, da war das immer, wir machen Tour de Bier.

Vladimir: Tour de Bier, ja.

Kerstin: Tour de Bier, weil da hat, da gibt es in jedem kleinen Dorf gibt es eine eigene Brauerei.

Vladimir: Hier ist neue Brauerei.

Kerstin: In der Garage. Und da war das auch schwer irgendwie zu sagen, nee, wir trinken jetzt nichts. Das wäre eine Beleidigung auch für seinen Bruder gewesen.

Vladimir: Ja, du musst probieren, das ist Neue, das ist mein Freund und wir machen gutes Bier.

Kerstin: Ja und wie soll man da irgendwie vom Alkohol wegkommen, wenn der immer präsent ist? Das ist immer normal zu trinken. Und es ist auch, das ist ja ein ganz gutes Beispiel, was ich dann auch oft anwende, egal welchen Film man im Fernsehen, Kino, egal wo anschaut, ist ein Problem zu bewältigen, wird Alkohol getrunken. Ob das schon beim Kochen ist, da wird schon der Wein halb leer gesoffen, bevor der überhaupt im Essen landet oder ist ein Problem, dann wird Whisky getrunken oder man sitzt an der Bar und trinkt. Da sitzt keiner mit einem Spezi da. Und das ist wirklich ein gesellschaftliches Problem, weil das zur Normalität geworden ist, das ist kein Genussmittel mehr. In Bayern heißt es ja auch, Bier ist ein Grundnahrungsmittel. Und das finde ich einfach falsch, weil das wirklich verharmlost wird, es wird runter gespielt und das ist nicht richtig.

Vladimir: Das ist der alte Joke, Spaß oder im Internet diese Memme. Das ist ein Foto von einer schönen Frau mit diesem typischen Gebräu, auf dem Oktoberfest, haben dieses Double Beer. Und kommen tschechische Leute, sagen, Oktoberfest, das ist ein Tag, wo deutsche Leute trinken an einem Tag, was normal, mittlere …

Kerstin: Durchschnittlich.

Vladimir: böhmische Person, tschechische Person.

Markus: Also ist da tatsächlich so, dass der Pro-Kopf-Verbrauch in Tschechien ungefähr doppelt so hoch ist wie in Deutschland. Wobei ich sagen muss, ich würde da das Deutsche sogar gar nicht so fürchterlich runter spielen, weil wir gerade in unserer Region, gerade in Franken, auch in Bayern, viele, viele Leute haben, die das ähnlich sehen und wo das Bier eigentlich oft gar nicht als alkoholisches Getränk in dem Sinne gesehen wird, sondern das ist halt einfach das, wo man jeden Tag zwei, drei, vier, wie auch immer, trinkt und viele Leute sich dessen überhaupt nicht bewusst sind, was sie da eigentlich tun. Und das ist durchaus auch für uns natürlich als BierAkademie immer wieder ein Thema, Leute drauf hinzuweisen, da sensibel zu sein. Da bin ich euch auch sehr dankbar, dass ihr das so offen und so klar schildert. Und ich hoffe, die Hörer und Hörerinnen haben da jetzt auch gut zugehört und achten auch auf ihren eigenen Konsum, auf ihr eigenes Verhalten, weil das einfach sehr wichtig ist. Die Grenze ist schnell erreicht, schnell überschritten und das Zurück ist fast nicht möglich. Und wie ihr schon gesagt habt, irgendwann ist eben der Punkt, wo man es dann einfach braucht.

Kerstin: Ja und da ist einfach auch das Problem, ich habe es halt wirklich jahrelang auch von meinem Mann gesehen, wenn dann immer wieder so dieser Druck da war, früh, ah, eigentlich will ich ja nichts trinken, eigentlich will ich aufhören, aber ich muss, sonst schaffe ich den Tag nicht. Und wenn jetzt auch diese ganzen Kommentare, was gerade über Facebook auch kommt, was das ist doch ein Schmarrn und da braucht man doch ein Bier dazu. Weiß du, jeder, der dieses gute Essen, dieses geile leckere Essen nur genießen kann, wenn das Bier mit Alkohol daneben steht, der hat wirklich ein Problem. Das hat dann nichts mehr damit zu tun, das Essen zu genießen, sondern ich kann das nur noch schön finden und genießen, wenn der Alkohol dabei ist. Und das ist, das finde ich nicht mehr richtig. Ich will Alkohol oder Bier, nicht Verteuflung, um Gottes Willen, mir schmeckt auch ein gutes Bier, glutenfrei natürlich, ja, für mich persönlich, ich will das auch überhaupt nicht verteufeln, aber wenn man einfach die Grenze nicht mehr selber wahrnimmt, wo ist es für mich einfach was Schönes, ein frisches Bier zu trinken oder wo ist es, ich kann das Essen nur dann genießen, wenn ich meinen Alkohol dabei habe, dann wird es problematisch. Und das wissen viele nicht mehr.

Markus: Ja, nee, absolut, also dem kann ich nichts hinzufügen, das hast du genau auf den Punkt gebracht. Wir kommen auch gleich zu dem, wie ihr euer Gasthaus dann umgestellt habt. Noch eine Frage dann, es gibt dann diesen Tag, wo das praktisch ein kompletter Zusammenbruch ist. Den Krankenwagen zu holen, finde ich dann schon auch einen krassen Schritt. Und wie haben die dann reagiert? Also du hast da angerufen und gesagt, ja, mein Mann ist hier und was passiert dann, wie ging das dann weiter?

Kerstin: Also, das war also tatsächlich so, ich habe erst einmal im Internet geguckt, Entzugsklinik, ja, was kann ich mich mit meinem Mann jetzt am besten machen? Weil, ich habe natürlich auch gewusst, wenn er jetzt heute in diesem Moment sagt, er will weg, dann muss er jetzt weg. Der will nicht erst in zwei Tagen, drei Wochen, sonst wann weg, sondern jetzt, das muss jetzt passieren. Ich musste quasi die Gelegenheit beim Schopf packen. Bin dann in Erlangen bei einer Klinik rausgekommen, in der Kopfklinik, habe dann dort in der Ambulanz angerufen und der Arzt hat mir dann gesagt, naja, das ist gar nicht so einfach, die machen da nur so einen systematischen Entzug, da geht es erst über mehrere Wochen mit Telefonaten und Gesprächen. Dann habe ich gesagt, ja, das ist aber schlecht, weil er will ja jetzt weg. Wir können uns das einfach nicht leisten, weil ich weiß nicht, ob er in drei Tagen auch noch weg will, er will ja jetzt weg. Dann hat der zu mir gesagt, na, da gibt es die andere Möglichkeit, ich rufe einfach die Ambulanz und dann müssen die den mitnehmen. Also gesagt, getan, ich habe dann meinen Mann nochmal gefragt, weil ich ja immer wollte, dass es wirklich von ihm ausgeht, was möchtest du, soll ich die Ambulanz anrufen? Ja. Also dann habe ich das gemacht und habe dann gleich die Tasche gepackt. Ich bin da etwas rigoros, habe dann gleich die Tasche gepackt, habe das denen hingestellt und habe zu denen gesagt, also es ist mir Wurst was ihr macht, der geht heute nicht mehr nach Hause, ich habe das denen also wirklich so gesagt. Dann hat er gesagt, okay, das ist nicht so einfach, weil, wenn er nach Hause will heute Abend, wenn der nüchtern ist, dann müssen wir den Heim lassen. Und dann hat er mich gefragt, ob er denn aggressiv wird oder sich selbst gefährdet oder mich gefährdet oder wie auch immer? Dann habe ich gesagt, naja, wenn er wirklich seinen Pegel hat, dann wird er sehr cholerisch und dann kann es auch schon mal sein, dass er die Gäste anschreit, weil ihm das grade jetzt nicht passt, dass der am Tresen steht. Und dann hat der das gleich reingeschrieben, Gefahr für andere, so blöd wie es klingt und dann mussten die den behalten, auch wenn der am Abend nach Hause gewollt hätte. Mir war es einfach wichtig, dass er da drinnen bleibt und behandelt wird. Es ging aber grundsätzlich wirklich von ihm aus, er wollte ja weg. Aber ich war mir in dem Moment einfach auch gar nicht sicher, wie er dann reagiert, wenn er nüchtern ist, weil er war ja schon sturzbetrunken, wie die ihn abgeholt haben und das um die Mittagszeit. Also wie hätten wir dann den 1. Januar bis abends durchhalten sollen, wenn er mittags, bevor wir aufmachen, schon sturzbesoffen war? Das hätten wir ja gar nicht schaffen können, geschweige denn, wie hätten wir die nächste Zeit überleben sollen, die nächste Saison, die nächsten Jahre? Das hätte überhaupt nicht funktioniert. Also musste es an dem Tag sein. Und ich muss ehrlich sagen, für mich war es der schönste Jahresbeginn, den ich mir hätte wünschen können.

Markus: Und dann fährt das Auto weg, du bist alleine.

Kerstin: Genau.

Markus: Was war dann?

Kerstin: Ja, dann war natürlich, ich habe natürlich dann schon Kuchen und alles vorbereitet gehabt, Sachen da, die halt ein neues zu Hause gesucht haben quasi, ich hatte ja schon Sachen vorbereitet und auch Reservierungen hatten wir für den Tag. So, habe ich mir gedacht, was machst du jetzt mit den Leuten? Habe dann, ja, aus meiner Not raus, habe ich erst einmal gelogen und habe gesagt, ja, mein Mann ist vom Krankenwagen geholt worden, der hatte zu hohen Blutdruck. Was in dem Fall auch gar nicht gelogen war, sondern ich habe nur die Hälfte davon nicht gesagt, was dann los war. Naja, der Tag, der ging dann auch vorbei und ich habe dann am nächsten Tag, habe ich dann einen Post gestartet auf Facebook, eben mit der Bekanntgabe, dass eben einmal zu ist jetzt erst einmal, weil eben der Koch, mein Mann, mit dem Krankenwagen abgeholt wurde, der ist im Krankenhaus und ich werde rechtzeitig bekanntgeben, wann denn wieder offen ist. So, das war mein Statement. Und dann kam also nur positiv, nur gute Besserung und alles Gute und wie es halt so ist. Und ich habe ihn dann, weiß ich gar nicht, an dem Dienstag gleich besucht, am 2. Januar oder 3. Januar habe ich ihn in der Klinik besucht.

Vladimir: Aber das ist auch diese Sekunde, sagst du gute Besserung.

Kerstin: Gute Besserung.

Vladimir: Ich habe Angst, meine Leute haben Info, ich bin Alkoholiker, ich bin in Klinik in Detox, die Leute wechseln.

Kerstin: Ja, die kehren uns den Rücken.

Vladimir: Ja. Aber nein, die Leute, unsere Kundschaft sagt diese positiv, ja, Vladi, du bist gut, du machst gut.

Kerstin: Naja, aber du musst sagen, du hast dann, ich habe ja in erster Linie noch gar nichts davon geschrieben gehabt, dass er wegen Alkoholentzug in der Klinik ist. Ich habe nur ganz neutral geschrieben, es ist jetzt einmal zu, weil eben er im Krankenhaus ist, gar nicht geschrieben warum, weshalb, sondern nur, dass er weg ist. Und da kamen schon   nur positive Reaktionen, ganz viele, mit alles Gute und wird schon wieder und erholt euch gut und blablabla. Und dann hat er das kommentiert, er hat dann meinen Post kommentiert und hat quasi geschrieben, dass er auf Entzug weg ist und dass er jetzt dem Dämon Alkohol den Rücken kehren möchte, dass er den los haben will. Er hat sich öffentlich auf der Sägemühlenseite in Facebook bei den Gästen und bei mir für die vielen cholerischen Momente entschuldigt und freut sich drauf, nach sieben Jahren seine Gäste und mich nüchtern zu sehen. Das war sein Kommentar dann zu meinem Post, was ich ganz neutral geschrieben habe. Und daraufhin ist das so explodiert, es kamen eigentlich nur positive Rückmeldungen, mich haben die Leute privat angeschrieben, angerufen, woah, sehr mutig. Also von Leuten, wo ich jahrelang nichts mehr gehört habe zum Beispiel, die haben mich angeschrieben und mich beglückwünscht oder uns beglückwünscht, dass wir diesen Schritt gehen. So und dann war die Katze aus dem Sack.

Markus: Ja und das ist, also muss ich auch nochmal sagen, unglaublich mutig und, ja, für mich eine große menschliche Größe, das schaffen ja viele, viele andere eben überhaupt nicht, auch so damit umzugehen und auch in die Öffentlichkeit zu gehen. Dann habt ihr also beschlossen, wir stellen das Lokal um, weil die Alternative, einfach weiterzumachen, würde ja bedeuten, dem Alkohol wieder Platz einzuräumen und genau das wolltet ihr ja nicht. Das heißt, du hast dann erstmal zu Hause alles weggeräumt, alles verändert und dann überlegt, wie kann ich ein Gasthaus ohne Alkohol weiterführen?

Kerstin: Naja, ich muss ganz ehrlich sagen, mit diesen Alkoholexzessen, was ich ja leider die letzten Jahre immer wieder erfahren musste ja, ist der Gedanke schon des Öfteren bei mir im Kopf rumgespukt, ich habe schon so oft zu mir selber gesagt, am liebsten würde ich den scheiß Alkohol, alles raushauen. Ja, mich regt das auf, weil wenn nichts da ist, kann er nichts trinken. So war das immer für mich und ich habe auch schon seit zwei Jahren, seit drei Jahren jetzt schon keinen Schnaps mehr da, weil, ja, das war zu mindestens dann schon mal, das der Schnaps nicht mehr mit im Spiel war, dann war es ja nur noch das Bier, ja. Dann hat es halt ein bisschen länger gedauert, bis er seinen Pegel drauf hatte. So blöd wie es klingt, ja, aber so war es auch. Und, ja, ich habe dann überlegt, was machen wir, wie geht es denn weiter? Wie machen wir das hier weiter, dass das weiterlaufen kann? Ich weiß auch, dass mein Mann in der Beziehung mit Alkohol vielleicht jetzt nicht so stabil ist so wie manch anderer. Das ist ja auch, jeder Alkoholkranke ist da ja anders gestrickt. Der eine, der schafft es von jetzt auf gleich und der andere braucht halt einfach seine Zeit. Und es ist halt doch eine lange Zeit gewesen, wo er wirklich exzessiv getrunken hat. Und, ja, wie war es dann? Ich habe so mir gedacht, am besten wäre es jetzt wirklich, den kompletten Alkohol zu verbannen, wegzutun und das Ganze auf alkoholfrei zu machen. Okay, was spricht dagegen, so Pro und Kontra für mich gemacht. Habe dann den Herrn Zier vom Landratsamt Forchheim und von der Lebensmittelüberwachung angerufen. Wir kennen uns sehr gut, das ist der zuständige Beamte, der für uns die Kontrollen durchführt und alles oder bei uns. Habe den angerufen und habe gesagt, du, was hältst denn du davon, so und so ist es, der Vladi ist gerade weg auf Entzug und ich würde gerne, ich habe da so eine Idee und eigentlich fast im gleichen Moment haben wir die gleiche Idee gesagt. Der sagt, Mensch, hau den Alkohol raus und ich so, ich möchte den Alkohol raushauen.

Vladimir: Paul.

Kerstin: Ja, der Paul. Ja und da hat der gesagt, das ist die beste Idee, mach das. Wenn ich es jemanden zutraue, dann traue ich das euch zu, das durchzuziehen und dass das auch funktioniert.

Vladimir: Der Mann, das ist keine Bürokraft. Der ist wirklich für Leute. Das ist nicht einer, ich habe diesen scheiß Job, nein.

Kerstin: Der kümmert sich auch um seine Gaststätten, für die er zuständig ist.

Vladimir: Das ist Fun, diese Gastro.

Kerstin: Ja. Naja und dann habe ich also gesagt, okay, was habe ich noch alles an Alkohol da, was muss ich wegbringen? Habe dann unser, naja, unsere Brauerei, ist jetzt vielleicht in Anführungsstrichen gesetzt, die Brauerei ist seit über 40 Jahren auf der Gaststätte, seitdem es das Lokal überhaupt gibt und haben ja eigentlich auch nur davon profitiert, dass wir die übernommen haben, weil sonst hätten sie hier weiterhin kein Bier verkaufen können. Aber da bestand nie irgendein Vertrag oder so was, also wir sind da nicht Brauerei gebunden gewesen. Ich habe das nur gemacht, weil es halt eben schon immer so war. Es steht auch auf den Gläsern Kleinbrauerei Friedmann drauf und draußen hängt noch eine Tafel mit Brauerei Friedman, Gasthof zur Sägemühle blabla, aber die haben hier eigentlich nichts zu sagen. Und habe dann dort angerufen und habe gesagt, Mensch, wie schaut es denn aus, so und so ist es, kann ich euch den Restbestand zurückbringen? Und dann haben die gesagt, naja, das ist kein Problem. Ich kann es nicht trinken, weil ich ja Zöliakie habe und was soll ich dann mit den fünf, sechs Kästen Bier noch machen was da rumstehen und den angestochenen Fässern? Weil, nehmen brauche ich das nach drei Wochen auch nicht mehr, das ist ja schlechtes das Bier. Das ist ja Quatsch, müsste ich eh wegschütten. Habe denen also alles zurückgebracht. Da war natürlich die Meinung dazu nicht so positiv, muss ich sagen. Naja, die finden das ein wenig für einen Quatsch was wir machen. Aber das sei mal dahingestellt, das können sie denken wie sie wollen. Das ist immer noch unser Lokal und wir können machen was wir wollen, ja. Für mich war es einfach wichtig, dass, wenn er nach Hause kommt, dass hier kein Tropfen Alkohol mehr ist. Das war für mich ganz, ganz wichtig, weil ich weiß, wie er ist. Er ist in der Beziehung, ich sage es jetzt mal wirklich salopp, wie ein Trüffelschwein, der hätte den überall gefunden, egal wo ich irgendwas versteckt hätte. Entweder riecht er das durch die Flaschen, ich weiß es nicht. Jedenfalls, ich wollte es auch für mich, einfach für die Sicherheit und auch ihn zu schützen, keinen Alkohol mehr da haben.

Markus: Na, das ist ja auch ganz wichtig, denke ich mal, eben als Schutz, aus Selbstschutz. Und das ist ja auch gar nicht so einfach, weil klar reden wir über Bier und Wein und gut, Schnaps gab es eh schon keinen mehr, aber man hat ja dann auch in der Küche zum Beispiel, denke ich mal, Alkohol, auch in der Konditorei wird ja immer wieder Alkohol verwendet. Also hast du da dann auch überall geschaut was weg muss sozusagen?

Kerstin: Also ich muss ganz ehrlich sagen, zum Beispiel, bestes Beispiel ist Schwarzwälder Kirsch. Da habe ich schon seit zwei Jahren, mache ich da keinen Alkohol mehr rein. Gehört ja normalerweise Kirschwasser rein. Aber das, was mir die letzten zwei Jahre aufgefallen ist, dass immer mehr Kinder ganz fixiert auf diese Schwarzwälder Kirschtorte waren und ich darf es nicht rausgeben. Was andere Konditoreien machen, weiß ich nicht, ja, oder Cafés, aber ich darf und hätte es auch nicht gemacht, weil, wie gesagt, Schnaps drin ist. Habe dann auch die eine oder andere Diskussion mit den Eltern gehabt. Äh, daheim essen die auch immer Schwarzwälder. Können sie machen wie sie wollen, aber bei mir gibt es das nicht, weil es einfach unter den Jugendschutz fällt. Und habe dann bloß noch mit dem Kirschsaft von den Schattenmorellen, was man für die Füllung ja braucht, mit dem Saft getränkt, fertig. Und das hat unterm Strich keiner gemerkt, ja. Die war immer schön brav aufgegessen, jeder hat es gegessen, es hat geschmeckt. Ich habe mein Geld, jeder ist zufrieden, Punkt. Apfelweintorte war halt bloß Apfelsaft drin, auch kein Wein mehr. Ich habe dann bloß noch so, ja, jetzt auch nicht mehr, vorher hatte ich dann immer in den Apfelwein noch diesen Restbestand vom Glühwein, von der Adventszeit mit aufgebraucht, aber den habe ich dieses Jahr tatsächlich weggeschüttet. Andererseits hätte er den wahrscheinlich gar nicht getrunken, weil das hat ihm eh nie geschmeckt, er ist eher Bier, es war halt immer nur Bier, schon gar nicht, Wein. Weiß ich nicht, hast du Wein manchmal getrunken?

Vladimir: Ich bleibe bei Bier.

Kerstin: Ja, da hättest du wahrscheinlich auch Desinfektionsmittel getrunken, keine Ahnung. Das war jetzt böse von mir, aber ich bin manchmal etwas sarkastisch. Ja, aber es braucht es auch nicht, ja. Zum Beispiel, klar, im Wildgulasch zum Beispiel, da war freilich Rotwein drin. Aber um den Geschmack abzurunden, kannst du auch einen Traubensaft nehmen. Im Gericht selber schmeckst du es nicht mehr, ob da jetzt richtig ein Wein drin ist oder ob da Traubensaft drin ist. Der Alkoholiker darf natürlich oder Ex-Alkoholiker oder trockener Alkoholiker, Alkoholkrank, wie immer man das formulieren mag, man will ja keinem auf die Füße treten, der soll natürlich keinen Wein drin haben. Aber um diesen süßlichen Geschmack, diesen weinähnlichen, kann man auch Traubensaft verwenden. Man muss aber auch gar nichts rein tun, das schmeckt deswegen genauso gut.

Markus: Ja, also da gibt es ja viele Alternativen, Gott sei Dank.

Kerstin: Genau.

Markus: Und das heißt, du hast dann dafür gesorgt, es ist nichts mehr da, kein Alkohol mehr. Und dann ist natürlich die Frage, es kommen Gäste und die haben natürlich auch Erwartungshaltungen, das heißt, sie wollen auch mal ein Bier trinken und dann habt ihr gesagt, okay, dann nehmen wir mal alkoholfreies Bier. Wie ging das dann und an wen habt ihr euch da gewendet und wie habt ihr das Sortiment zusammengestellt?

Kerstin: Das war ein Ding. Es war dann eben dieser Entschluss gefasst, wir machen alles alkoholfrei. Also das war noch in dieser Vorphase, bevor er wieder vom Krankenhaus Heim kam. Musste ich ja quasi aus dem Nichts raus dann alles umkrempeln, Speisekarten, Getränkekarten umkrempeln. So bloß, mit dem Thema alkoholfreies Bier, pah ich habe gewusst, es gibt viele, aber welche gut sind, welche fränkisch sind, hm. Also wen fragst du jetzt dann? Und dann ist mir in letzter Zeit immer, sind mir so kurze YouTube-Videos über die Füße gefallen, der hat auch eine Facebook-Seite, Frankens Bierwelt, der Thomas Hölzel. Und der geht quasi immer wieder mal in so Brauereien rein, wenn die irgendein neues Bier zum Vorstellen haben oder spricht über die Entstehungsgeschichte oder unterhält sich einfach. Das sind immer so kurze Videos, so von 5 bis 10 Minuten, sage ich mal. Und habe dann einfach den angeschrieben über Messenger und habe gesagt, Mensch, ich habe das schon öfter gesehen von dir und ich denke, du könntest mir da weiterhelfen, wir haben das und das vor, das und das ist eben gerade Fakt, ob er nicht mir eine Liste geben könnte von fränkischen Brauereien, die eben gutes alkoholfreies Bier machen. Und so ist dann eben ein Gespräch draus entstanden und der hat mir dann also auch eine Liste geschickt, was ihm spontan einfiel. Und dann kam plötzlich, weißt du was, wir machen ein Video. Ich so, Schmarrn, wir können jetzt kein Video machen, ja, ich muss erst einmal zum Friseur, zur Kosmetik, ich muss mich erstmal hübsch machen, so. Wir können jetzt da kein Video machen, so ein Blödsinn, das schaut doch keiner an. Ja, von wegen. Also dann haben wir das Video gemacht und das ist natürlich gleich eingeschlagen wie eine Bombe. Also das sind, da merkt man einfach, das sind immer nur 10 Prozent, die nörgeln, immer nur 10 Prozent. Das ist egal welches Thema, es sind immer 10 Prozent und die fallen mittlerweile gar nicht mehr ins Gewicht, weil die werden immer weniger. Diese 10 Prozent reduzieren sich auf immer weniger runter, weil es immer mehr positive Rückmeldungen gibt. Und daraufhin ist dann die Presse auf mich zugekommen, Fernsehsender und so ist eben diese ganze Ding ins Laufen gekommen. Was ja eigentlich gar nicht so beabsichtigt war von uns, sondern dieses Video mit dem Thomas Hölzel, das war ja eigentlich mehr gedacht, einfach nicht, um uns zu bewerben, sondern einfach nur die Alternative aufzuzeigen, dass es hier viele alkoholfreie leckere Biere gibt, mehr nicht.

Markus: Ja, aber irgendwie habt ihr dann einen Nerv getroffen anscheinend.

Kerstin: Aber einen richtigen Nerv, voll ins Schwarze.

Markus: Und ich meine, letzten Endes ist es ja, hoffe ich, und das ist für mich auch ein Punkt gewesen euch zu kontaktieren, hilft es euch ja, also sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht aber eben auch in persönlicher Hinsicht, weil es ja auch eine Bestätigung ist, dass man da den richtigen Weg geht. Und es ist vielleicht auch was, was andere inspiriert oder ihnen hilft, auch diesen Schritt dann irgendwie zu gehen, den eigenen Konsum entsprechend anzuschauen und dann eben vielleicht auch nach Hilfe zu suchen und sich das einzugestehen. Und was ich auch ganz wichtig finde, also ohne jetzt eure Brauerei speziell zu nennen, aber generell, ich habe ja mit vielen Brauereien insbesondere auch in Franken Kontakt, und immer wieder merke ich da, dass da eine ganz große Hemmnis, ein ganz großes Problem noch besteht, sich mit dem Thema alkoholfreies Bier zu beschäftigen. Viele verweigern das überhaupt als Bier anzusehen und sehen überhaupt nicht, dass sie als Brauereien eigentlich alle Kompetenzen haben, Getränke herzustellen auch ohne Alkohol. Und dass bei vielen, gerade bei den Brauereien, die es schon über lange Zeit gibt, gab es vor dem 19. Jahrhundert lange Zeit, wo man viel Leichtbier hergestellt hat, wo das ganz normal war in Brauereien und das hat sich ja eigentlich erst so richtig nach dem 1. und 2. Weltkrieg verabschiedet, dass die dann alle auf die heutigen 5-Prozent-Biere gegangen sind. Und das ist vielen gar nicht bewusst und sind da eben völlig beratungsresistent. Und auch deswegen finde ich das sehr, sehr wichtig, dass euer Thema da entsprechend auch raus kommt. Wie habt ihr euer Sortiment zusammengestellt? Das sind ausschließlich fränkische Biere?

Kerstin: Also, warte mal, jetzt muss ich tatsächlich mal schnell eine Speisekarte holen, Moment.

Markus: Okay.

Kerstin: Also es sind an die 25 verschiedene Biere.

Markus: Ja, Wahnsinn.

Kerstin: Und zwar, oh Gott, soll ich mal kurz ein paar vorlesen?

Markus: Also ein paar, also wir sind ein werbefreier Podcast, das bedeutet, du kannst nennen was auch immer du möchtest. Aber du musst nicht, also wie du willst.

Kerstin: Also wir haben zum Beispiel, also was wirklich regional ist, vom Rittmayer haben wir das Weizen- und das Kellerbier, zum Beispiel. Dann haben wir Greifbräu in Forchheim, haben wir auch das Weizen, das Helle und das alkoholfreie Radler. Dann Staffelberg, haben wir drei verschiedene, Winkler Bräu aus Lengenfeld. Dann Wiethaler, das ist bei Lauf da drüben. Die sind zum Beispiel auf mich zugekommen und haben gesagt, Mensch, wir haben da auch drei ganz leckere alkoholfreie Alternativen, ob sie nicht den Bierfahrer mal vorbeischicken dürfen. Und die machen zum Beispiel dieses alkoholfreie Malzbier, der Wiethaler, machen die schon seit, jetzt müsste ich lügen, ich glaube, seit 1965 oder sowas und seither wirklich sehr gut. Dann vom Spalter aus Fürth haben wir was da, also das sind verschiedene. Das Einzige, was wir also wirklich nicht regional haben, das ist von Bitburger, das 0,0. Clausthaler haben wir noch mit drin. Aber, als fränkisch haben wir das Kulmbacher Edelherb, das ist auch 0,0. Weil das war mir auch wichtig, dass wir minimal 2 haben, die 0,0 Prozent haben, weil alle anderen haben ja doch 0,5.

Markus: Genau, das ist auch noch ein Unterschied, der vielen Leuten nicht bewusst ist, dass es eben dieses halbe Prozent ist. Wo jetzt einfach, sage ich mal, jemand der keine Schwierigkeiten mit dem Thema Alkohol hat, für den ist das, glaube ich, grundsätzlich mal egal, ob er 0,5 oder 0,0 trinkt. Auch aus gesundheitlichen Gründen normalerweise alles kein Thema, aber in dem Moment, wo es eben um eine Alkoholkrankheit geht, ist es durchaus wichtig. Da mal kurz gefragt, wie haltet ihr das selber? Also probiert Vladimir solche Biere auch oder lässt er da lieber die Finger davon?

Kerstin: Er hat, glaube ich, bis jetzt zweimal eins probiert. Aber er sagt, mal einen Schluck, das hat er bis jetzt, zweimal, hast du eins probiert, alkoholfreies Bier hier jetzt, seitdem du daheim bist, zweimal. Und es schmeckt ihm nicht. Also jetzt nicht an sich das Bier, sondern er hat einfach keinen Appetit auf Bier.

Markus: Ja, das ist ja dann eigentlich auch gut so. Und würdet ihr dann sagen, also jetzt haben wir Aufnahmezeitpunkt Ende Februar, hat sich da jetzt schon so ein bisschen ein neues Normal für euch eingestellt?

Kerstin: Ja, es ist so rappelvoll, das ist unglaublich, was wir für einen Run hier haben. Also das ist völlig ungewöhnlich für Februar, weil das ist normalerweise in der Gastronomie saure Gurkenzeit, Januar, Februar und wir sind auf Biergartenniveau. Also wir haben wirklich, das ist Tendenz steigend. Also wenn das so weiter geht, dann brauchen wir uns wirklich überhaupt keine Sorgen machen.

Markus: Perfekt, also da drücke ich natürlich alle Daumen, dass das auch so weitergeht. Eine Frage habe ich noch zum Abschluss, weil mir das auch sehr positiv aufgefallen ist, ihr habt ja auch diesen Lieferservice. Das heißt, wenn jetzt jemand sagt, er kann jetzt nicht unbedingt in die Fränkische Schweiz direkt fahren zu euch oder macht das vielleicht erst zum Urlaub oder so, aber man kann ja trotzdem sich von euch schon was schicken lassen.

Kerstin: Genau.

Markus: Wie ist das entstanden und was gibt es da und wie funktioniert das?

Kerstin: Also entstanden ist das, das ist eins der positiven Sachen, die wirklich in der Corona-Zeit entstanden sind, weil wir sind auf viele Sachen gekommen, da wären wir so wahrscheinlich nie drauf gekommen. Zum Beispiel uns draußen hinzustellen und den ganzen Winter über draußen zu grillen und unser Essen to Go draußen zu verkaufen und eben auch Essen ein zu vakuumieren. Das war mal zum einen eben auch gedacht, um so Reste, Portionen haltbar zu machen, die man dann vielleicht noch einmal ein paar Tage später nochmal anbieten kann. Das kann man ja durch vakuumieren eben länger haltbar machen. Und auch unseren Leuten, die eben auf Gluten verzichten müssen und auch auf Laktose zum Beispiel, die Möglichkeit zu bieten, leckeres gutes Essen daheim zu genießen, ohne eben selber kochen zu müssen. Und das wurde wirklich sehr, sehr gerne wahrgenommen, grade eben in dieser Corona-Zeit. Weil, mit diesem Homeschooling, mit Homeoffice und die haben einfach keinen Bock dann gehabt, daheim noch zu kochen, so haben die Kinder sich was warm machen können und es war einfach jedem geholfen. Wir haben dann da wirklich ein großes Repertoire aufgefahren, ob das mal Rouladen waren oder ob das Schweinsbraten war, vegane Geschichten, ja, unsere leckere vegane Küche eben mit dabei, wirklich verschiedenste Sachen. Dann die böhmischen Knödel portionsweise vakuumiert, dann mal Spätzle gemacht, ach weiß der Geier alles, das war so bis Gulasch, dann Rinderbraten, alles Mögliche. Ja und das hat sich dann eigentlich so weiter gehalten. Und jetzt ist es halt auch so, wir verschicken fertig gebratene Cordon Bleu oder Schnitzel. Die Leute, die wirklich Zöliakie haben, die haben fast alle zu Hause eine Heißluftfritteuse. Das ist also wirklich ein ganz geniales Teil, die hauen dann so Schnitzel, fertig gebraten von uns, vakuumiert bekommen, für ein paar Minuten in die Heißluftfritteuse und haben ein leckeres Schnitzel wie frisch aus der Pfanne, ja. Und, ja und halt hauptsächlich auch das Brot, Brötchen, Laugenstangen und solche Sachen werden halt auch von mir sonntags gebacken und das verschicke ich dann immer montags mit DHL und ist im Normalfall Dienstag oder Mittwoch, ist es dann beim Kunden.

Markus: Ja, wunderbar. Also ganz viele tolle Gelegenheiten, euch auch zu Hause zu erleben und zu genießen. Ich kann mir vorstellen, wenn da dann irgendjemand Fragen hat, dann stehst du da gerne zur Seite, wie man es genau dann richtig wieder zubereitet. Und es gibt auch die Sellerieschnitzel zum Beispiel, habe ich gelesen.

Kerstin: Genau.

Markus: Also wirklich auch für Leute, die jetzt kein Fleisch essen. Also eine sehr tolle vielfältige Küche, die ihr da anbietet. Dann von meiner Seite aus vielen, vielen, vielen Dank an euch beide, insbesondere natürlich auch an Vladimir, dass du da so offen damit umgehst und da auch ich drüber berichten kann. Aber ich hoffe, dass das viele andere auch aufweckt, beziehungsweise ermutigt, eben ihr eigenes Leben ein bisschen anzuschauen und all die anderen eben auch zum Nachdenken zu bringen, ob es denn unbedingt immer das Bier sein muss, das alkoholhaltige Bier zum Essen oder eben auch mal ein anderes. Also nochmal vielen Dank. Ich hoffe, ich kann demnächst selber mal bei euch vorbeischauen und viele, viele Hörer hoffentlich auch. Dann drücke ich euch ganz fest die Daumen und heute auf jeden Fall dann noch einen schönen und erholsamen Ruhetag euch beiden.

Kerstin: Vielen lieben Dank.

Vladimir: Danke.

 

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de.

BierTalk 135 – Interview mit den angehenden Braumeistern Jakub Leda (Polen) und Sani (Thailand)

In unserer neuesten Episode von BierTalk haben wir eine ganz besondere Aufnahme direkt aus Bamberg. Gastgeber Markus empfängt zwei spannende Gäste: Jakub Leder aus Polen und Sani aus Thailand. Jakub, Braumeister in der Familienbrauerei Jedlinka und Student an der TU München, teilt seine Reise vom Telekommunikationstechniker zum passionierten Brauer. Er gibt Einblicke in die polnische Craftbeer-Szene und die Tradition der Fasslagerung.

Sani, ebenfalls Student in Weihenstephan, erzählt von seinem Weg aus der konservativen thailändischen Gesellschaft ins deutsche Brauwesen und seine Pläne, die erste Craft-Brauerei in Thailand zu eröffnen. Zusammen mit Jakub plant er, einzigartige Biere für thailändische Restaurants in Europa zu kreieren.

Erlebt die Geschichten, die Leidenschaft und die Visionen dieser beiden angehenden internationalen Braumeister…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal wieder etwas Besonderes, aber diesmal wirklich ganz speziell, weil ich Zuhause bin und Gäste habe. Das heißt, wir sind hier in Bamberg und haben aber die Welt zu Gast, nämlich Polen und Thailand, sehr spannend. Ihr seid beide zu mir ins Büro gekommen, sehr schön, dass ihr da seid. Fangen wir mit dem Jakub an, Jakub Leda, du kommst aus Polen ursprünglich und bist heute hier, vielleicht stellst du dich ganz kurz unseren Hörern mal selber vor.

Jakub: Also, ja, Servus, also ich bin Jakub, ich komme aus Polen. Also ich bin Braumeister in der Familienbrauerei in Niederschlesien und gleichzeitig, studiere an der TUM in Freising Brauwesen, also Diplombraumeister, genau, so, ja. Und ich heute ein bisschen erzähle über Bier mit Markus, also wir haben das Thema zusammen probiert, also ein paar Bierchen, also du warst schon vor ein paar Wochen bei uns in der Brauerei und vielleicht kannst du ein bisschen mehr sagen.

Markus: Auf jeden Fall. Und ich muss sagen, das wäre auch ein schöner Titel für den Podcast, Bier mit Markus. Muss ich mir mal überlegen, ist eigentlich eine schöne Idee. Ja, also auf jeden Fall schön, das du da bist und du hast auch schon das Stichwort gegeben, Freising, Weihenstephan, du studierst hier, ihr beide studiert hier. Sani, wir werden dich gleich noch vorstellen, wir reden erst kurz noch ein bisschen mit Jakub. Und das heißt also, du gehst dem Brauen auch mal so wissenschaftlich jetzt auf den Grund. Aber an sich, also wie kamst du überhaupt zum Thema Bier, war das wegen der Familie oder hattest du irgendwie immer schon Lust, das zu machen?

Jakub: Also das ist eigentlich gute Frage. Also vor ein paar Jahren, ich war gar nix in Bierindustrie also, sondern ich war mehr in Telekommunikation, also ich habe Technikerschule beendet. Und gleichzeitig, also mein Vater hatte die Idee, Brauerei aufzubauen, als ich 16 war, ja, genau. Und, ja, das erste Mal habe ich mit Brauwesen zu tun habe, als ich 16 war, aber kann ich eigentlich nicht so viel offiziell, weil das in Polen erst ab 18 legal ist. Nicht wie in Deutschland, leider, also. Ja und dann Schritt bei Schritt, also ich war mehr in das, das war sehr interessant, also ein bisschen anders als IT-Dinge und ich habe schon mein Interesse. Und, ja, das war schon am Anfang, ich habe ich auch sehr gute Braumeister, er hat mich viel be …

Markus: Viel beigebracht.

Jakub: Ja, beigebracht, ja, genau. Und dann habe ich schon meine Adventure mit Bier angefangen, aber meistens, also das wegen Familie da und ich mache das weiter.

Markus: Ja und also für alle, die mal hinfahren wollen, es ist die Brauerei Jedlinka. Und wie schon gesagt, ich war da vor einigen Wochen vor Ort, ein wunderschönes Anwesen, eine wunderschöne Gegend, ganz liebe Menschen natürlich. Und auch wirklich tolle Biere, das hat mich echt begeistert, weil ihr ja eigentlich eine relativ kleine Brauerei habt, aber sehr viele verschiedene Biere und die alle in sehr guter Qualität macht, da muss ich wirklich sagen, Hut ab, das muss man erstmal hinbekommen. Aber wie ging das denn für dich weiter? Also dein Vater hat gesagt, er macht da die Brauerei, hat dann angefangen, du warst dann irgendwie so mal mit dabei und ist dann irgendwann der Schalter bei der im Kopf, hat sich umgelegt oder hast du ein Bier getrunken und beschlossen, das muss ich machen?

Jakub: Eigentlich bis 18 Jahre alt, ich habe keinen Alkohol da getrunken, würde ich sagen, weil ich war halbprofessionell Fußballspieler.

Markus: Oh!

Jakub: Aber dann habe ich meine deutsche Sprache angefangen zu lernen also und dann, deutsche Sprache kommt immer mit Bier dazu. Ja und es war so, habe ich weitergemacht mit Brauerei, also nicht nur bei uns habe ich gearbeitet, aber danach habe ich auch Praktika gemacht in Deutschland, in Polen in anderen Brauereien, aber immer mit Hauptbraumeister. Hat mich viel, viel gelernt, also besonders noch mit traditionellen Bierstilen wie Pils oder Weizen. Das ist so speziell von ihm, ich bin mehr Richtung neue Welle, also Bier von neuer Welle, also Hazy IPA, IPA, diese Richtung. Aber wir müssen auch natürlich sowas Traditionelles und was Neues wagen und deswegen haben wir auch diese Barel-Aged-Produkte.

Markus: Genau, da sprichst du es an, also deswegen war ich auch dort, weil ihr ein neues Bier präsentiert habt, eben ein fassgelagertes Bier, ein Baltic Porter. Was ja eigentlich so ein bisschen das Aushängeschild in der polnischen Bierwelt ist oder eins der beiden Aushängeschilder, das andere ist das Grodzisky. Und ihr habt dann gleich verschiedene Versionen davon gemacht, also ein normales Baltic Porter, dann habt ihr es in zwei verschiedene Holzfässer eingelegt und dann habt ihr noch einen Eisbock draus gemacht. Also eine sehr große Vielfalt, durchaus alkoholisch und an einem sehr schönen Ort. Also vielleicht erzählst du uns noch ein bisschen, wo ist das denn, was ist das denn für ein Anwesen, wo die Brauerei ist, was erlebt man da, wenn dahin fährt?

Jakub: Also unsere Brauerei ist in Jedlina-Zdrój, also auf Deutsch ist es Charlottenbrunn, eine Stunde von Breslau, also Richtung Tschechien und 20 Minuten von Waldenburg. Und in Jedlinka Bräu, also wir haben eine ganze Komplex, das ist mit Brauerei, Hotel, Hostel, Schloss und zwei Restaurants. Das war schon Brauerei in Vergangenheit in diesem Ort, also vor Ersten Weltkrieg und danach haben sie die Geräte übernommen für Waffen und andere Dinge, also nicht so gut, diese Geschichte. Aber sicher in diesem Ort, das war Brauerei, Gasthaus und Brennerei auch. Ja und das ist schöne 5.000-Leute-Dorf, also mit Gebirge, Eule-Gebirge, ja also das ist sehr schön, ist es dort.

Markus: Ja, also wirklich wunderschön mit einem Wald, sehr idyllisch mit einem Flüsschen dazwischen. Und dann eben, es gibt ja viele Schlösser da auch in der Gegend, also wirklich was zum anschauen und eben auch die Brauerei mit dem Restaurant, wo man auch gut essen kann. Also wirklich, ja, eine faszinierende Geschichte. Ihr habt sogar Lamas dort, habe ich gesehen, ne?

Jakub: Lamas und Alpaccas auch, ja. Also es gibt eigentlich auch viel Singletrack-Strecke, also daneben, also über 500 Kilometer insgesamt in diesem Gebiet. Ja, als es ist, wie du warst, kannst du, also ein Wochenende ist zu wenig, also eine Woche auch. Also ich würde sagen, optimal wären zwei Wochen dort, alles zu sehen und alles zu machen und jedes Bier also zu probieren.

Markus: Perfekt! Also dann wissen die Hörer schon, was sie machen sollen, zwei Wochen Urlaub buchen und zu euch kommen. Vielleicht so ganz generell, viele haben ja noch gar keine so richtige Vorstellung, gibt es in Polen überhaupt einen Biermarkt, was für Biere trinken die Polen, wie muss man sich das vorstellen?

Jakub: Ja, also in Polen und besonders diese Craftbeer-Bühne ist auch ziemlich groß. Also ich würde sagen, also hast du mehr zum Auswählen im Supermarkt auch, besondere Bierstile, als in Deutschland. Also in Deutschland ist es mehr traditionell, wie zum Beispiel hast du immer Hefe oder so, dann hast du Pils, Helles und Weizen, dunkles Weizen und alkoholfreies Bier und in Polen hast du auch im kleinen Supermarkt, hast du IPA, New England IPA. Also es ist viel zu viel, weil es gibt in Polen viele Brauereien, welche brauen nur auf Vertrag. Also sie bestellen einfach Bierbrauer und sie verkaufen seine eigene Brend. Ja, aber diese Craft-Bühne ist nicht so groß, aber mit jedem Jahr, also Leute trinken mehr bessere Qualität, bessere Biere als auf die Menge. Also drei oder vier gute IPA-Biere oder Bockbiere, also etwas stärke oder Stout, sind auch so darunter. Also ich würde sagen, nicht nur Imperial Stout, aber auch normale traditionell und Baltic Porter auch. Also ich würde sagen, dass ist auch wegen Trick, weil diese Zeit in Barel-Aged-Produkte, das waren ja Russian Imperial Stout und grade es ist so ein bisschen komplizierter da und deswegen Baltic Porter kommt, also berühmter, also im Barel-Aged-Segment kommen die Biere. Also wir haben dann auch gemacht, ziemlich auch gute Bierstile, welche war nicht so gut gemarkt oder …

 

Markus: Ja, war nicht so vertreten auf dem Markt vorher. Aber das stimmt, also das finde ich auch ein schönes Beispiel für den Einfallsreichtum auch der Brauer, die dann sagen, okay mit Russian Imperial Stout ist es in der Tat problematisch, da finden wir einen anderen Weg. Und ich finde überhaupt, ich war ja schon öfters jetzt in Polen und auch bei den Bierwettbewerben, es ist eine sehr lebendige Bierszene, die sehr jung ist auch, es gibt viele Hobbybrauer auch in Polen. Und ist eins von zwei Ländern in Europa, finde ich, wo es eben nicht so einen traditionellen Einfluss gibt, sondern wo man tatsächlich erstmal über diese amerikanische Craftbeer-Szene viel Einfluss bekommen hat und sich dem erstmal gewidmet hat und jetzt so in einem zweiten Schritt auch die klassischen Biere für sich entdeckt. Das andere Land für mich sind die Niederlande und ein bisschen kann man vielleicht auch Skandinavien sehen, da ist es ja auch ein bisschen so. Aber wie ist es, habt ihr dann von Anfang gesagt, ihr wollt auch die untergärigen Lagerbierstile machen oder habt ihr erstmal auch angefangen mit den klassischen amerikanischen Craft-Bieren wie eben IPA und Pale Ale und so?

Jakub: Also, ja, dann in Polen, ich würde sagen, das fängt an also vor 13 Jahren bei Pinta Brauerei. Also ich glaube, sie waren einer von den Ersten, also was hat so IPA gebraut. Wie zum Beispiel Attachmelo aber war auch AleBrowar, also die beiden, hat das gebraut, also ihr Braumeister. Er arbeitet, ich glaube, grade im Fermentis, also mit Hefe, er war schon auch auf der Premiere. Ja, aber in Polen hat das gut funktioniert mit starkbitteren Bieren. Aber das ist wie bei scharfen Essen, würde ich sagen, das muss man ein bisschen trainieren, scharfes Essen zu essen und dann kann man mehr bittere Biere trinken. Aber das ist schon, so können wir ein bisschen mehr experimentieren, also das ist nicht so blockiert wie in Deutschland, aber andere Dinge in Polen sind schwieriger. Zum Beispiel mit Etiketten, aber da werde ich nicht erzählen, über das heute. Ja und ein bisschen Biersteuer ist auch fast dreimal teurer als in Polen, also in Deutschland ist es günstiger als in Polen mit Biersteuer. Deswegen musst du auch so von einer anderen Alternative als so Helles oder so und Leute würden deine Produkte auswählen vom Schrank. Musst du so auch mit Etikett spielen, also immer die IPA-Biere haben so voll mit Color, also viel Farbe drin. Und, ja, musst du dann erstmal vom Schrank auswählen und da trinken

Markus: Ja, das stimmt, also viele Leute kaufen Bier, ähnlich wie Wein auch, nach dem Aussehen, nach dem Etikett. Und da erinnere ich mich noch an eine schöne Geschichte mit eurem neuen Bier, ihr habt ja auch ein besonderes Etikett gemacht und dieses Etikett ist mit einer Künstlerin entstanden und hat praktisch eine Metaebene. Das heißt, man hat eine App auf dem Mobiltelefon und kann das dann einscannen und dann erweckt sich das Etikett zum Leben, also es fängt an, sich zu bewegen, es fängt an, dass da Musik entsteht über dem Bildschirm. Das ist eine ganz faszinierende Geschichte, wir seid ihr auf die Idee gekommen?

Jakub: Also diese Künstlerin ist unsere Bekannte und das erste Mal, wir haben gesehen diese Bilder, also diese Technologie heißt Reality Augment, haben das gesehen und dann das gleichzeitig, wir waren bei unserem ersten Projekt mit Barel-Aged-Bieren. Und deswegen, ja, wieso nicht so das nutzen gleich, also auf dem Etikett. Kannst du das auch auf T-Shirt nutzen, aber das ist ein bisschen schwieriger mit diesen Punkten, wenn das bewegt sich. Ja, aber bei Bieretikett, also Bier ist auch Kunst, würde ich sagen, deswegen kannst du das ein bisschen mischen, also diese Kunst. Weil, das ist nicht so typisches Bier so, dieses Barel Aged Baltic Porter. Weil du trinkst nicht einfach direkt von Flasche oder vom Glas, sondern das ist am besten, das schmeckt mit so Dessert so, mit Brownie oder Eis dazu. Und das dauert ein bisschen Zeit, dass es mehr so Richtung Whisky-Demonstration, also mit 150 Milliliter oder 100 Milliliter dazu, aber was dazu noch machen. Natürlich kannst du über Bier fokussieren auch mal Essen, aber in der heutigen Zeit ist es sehr wichtig auch, wir so viel Social Media haben, wie also TikTok, Instagram, Leute müssen immer ins Handy gucken, deswegen kannst du auch mit Bier gucken und dieses Etikette bewegt sich. Und vielleicht in der Zukunft können wir noch mehr diese Technologie nutzen und es würde noch besser, also vielleicht kannst du das ohne diese Art nutzen, sondern direkt von einer Kamera mit einem Handy, das würde noch besser. Aber schauen wir, wie das ist.

Markus: Ja, auf jeden Fall faszinierend. Und ich habe das vorher noch nie gesehen, muss ich sagen, also wirklich toll. Und ich finde ja auch schön, solche Innovationen live miterleben zu dürfen. Insofern, also vielen Dank dafür. Wie sieht dein weiterer Plan aus? Also du studierst jetzt erstmal in Weihenstephan, wie lang hast du noch und wie soll es dann weitergehen?

Jakub: Also ich habe, ich würde sagen, vielleicht noch eineinhalb Jahre und dann das zweite Diplom, aber schauen, das ist immer, das verstellt sich wegen Arbeit natürlich. Weil ich bin meistens, also bei jeder möglichen Pause in Jedlinka so zum Arbeiten. Weil ich bin an der Uni, das ist mehr Homeoffice-Arbeit, also mit Bierrezepte, also neue Technologie, wir vergrößern immer, also die ganze Zeit unsere Brauerei, deswegen also möchten wir auch ein paar neue Technologien, deswegen ich bin verantwortlich für das. Aber, ja und zur Uni dann, ich würde sagen, noch zwei Jahre maximal mit Diplomarbeit. Und, ja, dann, was werde ich machen? Natürlich weiter in Brauerei entwickeln, aber ich habe auch noch ein paar andere Projekte. Mein bester Kumpel von der Uni, wir haben uns kennengelernt im ersten Jahr und, ja, in der Zukunft möchten wir eine Brauerei in Thailand eröffnen, aber bis diese Zeit vielleicht was schon in Europa, bei Verträgen Bier brauen und verkaufen als so Thai-Produkt. Aber vielleicht, Sani kann inzwischen mehr erzählen.

Markus: Ja, spannend. Also jetzt kommt unser zweiter Gast mit ins Spiel und erstmal auch hallo an dich, schön das du hier bist. Und vielleicht stellst du dich auch ganz kurz unseren Hörern …

Sani: Hej, servus, also Hörer. Ja, also ich bin der Sani, ich komme aus Thailand und ich mache grade Braumeister hier …

Markus: Auch in Weihenstephan.

Sani: … auch in Weihenstephan

Markus: Und du kommst ausThailand. Wie kommt man auf die Idee, dass man sagt, ich bin jetzt in Thailand und ich gehe jetzt nach Deutschland und mache Braumeister?

Sani: Das ist eine lange Geschichte, aber war so total interessant, würdet ihr sagen. Also überlege mal vor da so, also ich bin von einer konservativen Familie, ja. Also heißt, also in Thailand meistens, Bier wird als Tabugetränk oder Alkohol wird als Tabuthema so gesehen. Und also einmal, also es war immer so, ich habe, bevor ich nach Thailand gekommen bin, habe ich erstmal so fünf oder sechs unterschiedliche Arbeit, bei Porsche gearbeitet in Thailand und dann am Ende, also ich habe herausgefunden, dass ich hier lieber, weil vorher mal so, weil ich studiert in Teilen. Also ich habe Biotechnologie studiert und habe ich eine Chance gehabt, also in einer großen Brauerei eine Chance, gearbeitet, also für vier Monate so, habe ich ein Praktikum gemacht, also vier Monate. Und danach habe ich fünf Jahre gearbeitet und dann hier war mein Lieber einfach so.

Markus: Und dann hast du gesagt, okay, das möchte ich beruflich machen.

Sani: Ja, genau, da will ich Beruf machen und da so, ich bin zu meinen Eltern gekommen, Papa, Mama, ich will Bier lernen. Und sie denken, bist du bescheuert? Ja wirklich, also ich meine das ernst und ich will das, also ich will Bier lernen. Überlege dir mal, ich werde in Zukunft, also in Thailand es gibt also keinen Braumeister, ich werde der erste Braumeister in Thailand.

Markus: Woah!

Sani: Und wie viele Chancen werde ich da bekommen? Danach haben die erstmal so gelassen, okay, mach was du willst, Sani.

Markus: Und dann bist du gleich nach Deutschland oder hast du überlegt?

Sani: Gleich nach Deutschland, genau. Also ich bin hier in Deutschland also nach Duisburg gekommen, habe da ein Praktikum gemacht. Nee, erstmal so Deutsch gelernt für ein Jahr. Und zum Glück habe ich dann meinen Lehrer, also deutsch Lehrer kennengelernt und der hat mir gesagt, okay, Sani, ich kenne schon so, mein Kumpel, der arbeitet in der Brauerei als Braumeister, willst du ein Praktikum dort machen? Ich habe sofort ja gesagt, ne, so eine Chance so gibt es nie auf der Straße. Und dann habe ich also bei Brauerei Königshof gearbeitet für ein Jahr und dann, habe hier also angefangen, also in Weihenstephan zu studieren, ja, genau.

Markus: Okay. Und dann auch schon die Idee gehabt, später mal in Thailand eine Brauerei aufzumachen?

Sani: Ja, genau, das wäre da so mein zukünftiger Plan. Aber davor müssen wir auch sowas arbeiten, ich meine, wir müssen erstmal unsere Bekanntheit grad erhöhen erstmal. Dabei machen wir dann ein Bier so für thailändische Ketten, Restaurants in Holland. Also bringen einfach so Esstische, auf die Tische, Genuss in die Brauerei, also mit thailändischen Essen. Weil wir so, wir sind da so Braumeister und wir wissen schon, okay, das Bier passt gut zu diesem Essen. Thailändisches Essen hat komplexe Eigenschaften, auch scharf, unser Bier muss besonders sein, ja.

Markus: Und hast du da einen Geheimtipp, was man machen muss bei einem Bier oder willst du das nicht verraten?

Sani: Ich kann es auch nicht verraten.

Markus: Okay. Aber was ich ganz spannend finde oder vielleicht vorher noch, wie habt ihr euch dann kennengelernt, einfach zufällig oder war …

Sani: Einfach zufällig. Ja, also wir haben vor der Bibliothek kennengelernt, einfach so.

Markus: Wahnsinn.

Sani: Ja.

Markus: Was ich total schön finde ist, dass man einfach ein anderes Denken offensichtlich mittlerweile hat, ihr trefft euch aus ganz unterschiedlichen Ländern und plant dann in wieder einem anderen Land mal loszulegen und so. Das ist schon ein sehr internationales, globales Denken, das finde ich ziemlich cool. Wie erlebt ihr sonst die anderen Studierenden, sind die auch so drauf wie ihr oder gibt es da Unterschiede?

Sani: Da ist schon ein Unterschied eigentlich. Ich meine also, wir kommen uns richtig klar, also wir klicken oder so, das ist einfach so besonders zwischen uns, deswegen. Also ich meine, ich sehe ihn als Bruder und er sieht mich auch als Bruder so. Ich meine, also wenn wir wirklich zusammenarbeiten möchten, also ich muss erstmal so ihm glauben oder jemand glauben, ja, hier. Also ich meine, wenn ich hier in Deutschland bin, ich suche auf jeden Fall so jemanden, also dem ich so glauben oder vertrauen so kann. Ich sehe schon so, ich habe wirklich so eine Vision, ich weiß schon, was ich machen möchte und in welche Richtung muss ich gehen, ja. Und Gott sei Dank habe ich jetzt gute Partner.

Markus: Ja, das ist schön, dass ihr euch gefunden habt.

Sani: Genau.

Markus: Warum ausgerechnet in Holland anfangen, gibt es da einen speziellen Grund?

Sani: Ah, okay. Also ich kenne da schon einen Besitzer, der hat sieben Niederlassungen, also thailändische Restaurants. Und ich habe mal gesagt, also okay, können wir vielleicht also bei dir unsere Bier so verkaufen? Und er hat ja gesagt, einfach so.

Markus: Okay, das ist ja perfekt.

Sani: Ja.

Markus: Und warst du auch schon mal in Polen?

Sani: Ja, öfter mal, ja, öfter mal. Wir haben auch sogar so ein Hopfengebiet zusammen, zusammen was aufgebaut.

Markus: Woah!

Sani: Das war in früherer Zeit, war super lustig. Ich musste dann, weißt du, in so einer Säule machen.

Jakub: Masten.

Sani: Masten, ja, ungefähr so neun Meter hoch und wir mussten einfach so mit einer Leiter hochklettern und dann so ein Seil, zusammen was verbinden. Ja, auch gefährlich, aber ist okay. Herausforderung.

Markus: Absolut, ja. Ist das ein neues Hopfengebiet, wo ihr das gemacht habt?

Jakub: Nee, also ich glaube, du hast das gesehen, aber das war im Januar, deswegen, es waren nur diese Masten. Aber Hopfensorte, also haben wir polnische, also eigentlich tschechoslowakischer Marynka.

Markus: Marynka, ja.

Jakub: Das ist irgendwie, also wir brauen mit grünem Hopfen einmal im Jahr, also Pils mit Marynka-Dolden. Also das ist immer auf unserem Oktoberfest, wir haben auch Oktoberfest, immer das vorletzte Septemberwochenende, also bei uns und dann immer acht Biersorten, also mit Anzapfen auch.

Markus: Perfekt. Also jetzt wissen die Hörer genau und die Hörerinnen, wann sie wo sein müssen, nämlich Anfang September bei euch in Polen in der Brauerei. Ich bin sehr gespannt dann, wenn ich dann das erste Bier aus eurer gemeinsamen Produktion verkosten darf. Vielen Dank, das ihr hier wart und ein bisschen erzählt habt. Und, ja, jetzt werden wir gemeinsam ein bisschen Bamberg erkunden und sind schon sehr gespannt, was die Stadt uns bieten wird. Also nochmal vielen Dank, dass ihr da wart.

Sani: Danke dir.

Jakub: Ja, vielen Dank.

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BierTalk 134 – Interview II mit Martin Knab, Altbraumeister der Brauerei Schlenkerla / Heller Bräu, Bamberg

Im zweiten Teil des Podcasts „BierTalk“ vertieft Markus das Gespräch mit Martin Knab, Altbraumeister von Schlenkerla. Martin beschreibt, wie er zur Idee kam, ein Weizenbier bei Schlenkerla einzuführen, trotz anfänglicher Skepsis und technischer Herausforderungen. Die Einführung des Weizenbiers führte zu Anpassungen in der Brauerei, um obergärige Biere herzustellen. Martin betont die harmonische Kombination von Rauch- und obergärigen Aromen im Weizenbier und erzählt von weiteren Entwicklungen, wie dem Fastenbier und einem Doppelbock, der besondere Aromen durch Eichenrauch erhielt. Markus und Martin diskutieren auch die Herausforderungen beim Fassverkauf von Weißbier und die erfolgreiche Einführung von Biervariationen wie dem „Kräusen“, einem leichteren Sommerbier. Martin teilt historische Einblicke in die Brauerei und die Entwicklung von Spezialitäten wie dem Hansla und Heinzlein, welche die traditionelle Braukunst Bambergers widerspiegeln. Die Diskussion beleuchtet die kreative Balance zwischen Tradition und Innovation in der Schlenkerla-Brauerei…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute der zweite Teil unserer Doppelfolge mit Schlenkerla-Altbraumeister Martin Knab aus Bamberg. Wir haben in dem ersten Teil der Doppelfolge schon ein bisschen drüber gesprochen, wie sich sein Leben entwickelt hat, wie er zum Bier kam, wie er dann über das Allgäu und Niederbayern nach Franken gefunden hat und schließlich dann in Bamberg seine Zelte aufschlagen wollte und das auch gemacht hat. Ja und jetzt steigen wir ein und schauen mal, wie sich das hier dann vor Ort im Schlenkerla entwickelt hat.

Markus: Wie kam es denn überhaupt dazu, dass du dann gedacht hast, lass uns mal ein neues Bier machen oder hast du das überhaupt gesagt, kam das von woanders, wie lief das?

Martin: Also das war beim ersten Gespräch, hat mich der Seniorchef dann gefragt, was ich denn anders machen würde oder wo ich mir was vorstellen würde? Da habe ich gesagt: „Also was ich mir gut vorstellen könnte, wäre ein Weißbier zu machen, ja oder Weizen“. Ja, dann hat er, ja, hm, hm. Wie ich dann eben fest da war, dann habe ich das wieder ins Gespräch gebracht und dann hat er gemeint, ja, könnte man ja mal ausprobieren. Und, ja gut, dann haben wir es irgendwann mal in Angriff genommen. War dann auch ganz lustig, die Brauerei war natürlich für obergäriges Bier überhaupt nicht vorbereitet, ja. Die Gärgefäße müssen andere sein, ja, die müssen offen sein, wir haben geschlossene Gärtanks da oben, schon seit 1980. Und da habe ich dann gesagt: „Okay, wenn wir das anständig machen wollen, dann muss ich das woanders machen.“ Habe aber auch eine Brauerei gekannt, bei der ich während meiner LGA-Zeit schon das Weizen eingeführt hatte und die habe ich eben gefragt, ob sie es machen würden? Also ich bringe das Malz mit, ich bringe den Hopfen mit, bringe die Hefe mit, sie müssen nur brauen, vergären, abfüllen, etikettieren tun wir es dann selber wieder, ja. Also war ein bisschen umständlich, aber es ging nicht anders und das haben wir dann, ich glaube, im April 98, haben wir es dann eingeführt. Und haben dann, wie wir so gemerkt haben, ja, das kommt eigentlich nicht schlecht an, überlegt, was können wir denn in der Brauerei machen, damit wir die Obergärung auch in der Brauerei machen können? Dann haben wir eben vom Schulz einen der Gärtanks aufschneiden lassen, dass der offen ist und haben wir dann das da so rum gemacht. Und, ja, das ging eigentlich bis, ich glaube, 2010, haben wir dann einen richtigen Weißbier-Gärtank dann erst installiert. Aber das ging mit diesem Provisorium und nichts ist ja so dauerhaft wie ein Selbiges, ja, ging das eigentlich auch ganz gut. Wir waren in der Produktionsmenge ein bisschen beschränkt, weil da war die Sudgröße auf 43 Hektoliter einfach beschränkt, weil dann hat der Tank geendet, ja. Überlaufen lassen braucht man ihn ja auch nicht da. Und, ja, aber wie gesagt, das ist eigentlich dann ganz gut angekommen. Und ich finde auch dieses Raucharoma und das obergärige Aroma, die vertragen sich wunderbar so miteinander, ja. Und das war eigentlich die Vision, die ich dahinter hatte, weil ich ja gewusst habe, wie ein Obergäriges schmeckt, was auch da dahintersteckt, welche Substanzen und ich habe auch gewusst, was beim Rauchgeschmack, welche Substanzen da dahinterstecken. Und dann habe ich gesagt, die kann man eigentlich kombinieren, ja und das ist eigentlich auch ganz gut geworden, ne, ja.

Markus: Ja, also ich sage ja immer, so ein bisschen wie so eine Banane auf dem Grill. Wir können es ja mal ins Licht rücken, wenn du es mal kurz rüber reichst, also so schaut es dann eben heute aus, das Weizen. Und ich denke, es war damals aus mehrerlei Hinsicht was Besonderes, also weil ja an sich Weißbier keine fränkische Spezialität ist, das heißt, es gab nur ganz, ganz wenige fränkische Brauereien, die sich des Weißbieres angenommen haben. Natürlich, die ein oder andere Überregionale kennt man.

Martin: Die Meisten, ja.

Markus: Oder eine Zeitlang, als Gutmann noch zu Franken gehört hat, war das auch mal eine fränkische Weißbierbrauerei, aber an sich war Weizen jetzt kein klassischer fränkischer Bierstil. Das heißt, die Meisten haben es nicht selber gemacht oder gar nicht gemacht. Das ist das eine und das andere dann eben, wenn man es dann macht, auch noch mit dem Raucharoma, ist ja nochmal eine Nummer oben drauf. Wobei ich mich jetzt grade mal frage, wenn ich mich in die Lage dieser anderen Brauerei versetze, jetzt kommt da der Typ mit seinem Rauchmalz an und wenn ich mir jetzt überlege, dass euer Lager ja durchaus auch ein bisschen Rauchcharakter hat, obwohl da gar kein Rauch im Bier selber in der Rezeptur eine Rolle spielt, hatten die nicht Angst, dass du mit diesem Rauchmalz die ganze Brauerei verräucherst?

Martin: Nee, wir haben das so gemacht, dass das der letzte Sud in der Woche war und danach wird sowieso saubergemacht und dann ist auch das ganze Aroma draußen, ne. Also das kriegt man organisatorisch hin.

Markus: Und die Leute hier, wie haben die das so angenommen in der Wirtschaft und so?

Martin: Ach, das ging eigentlich ganz gut, s waren etliche experimentierfreudige Gäste dabei, die haben also das am Anfang, ging das relativ zack, zack, zack. Also es hat sich auch schnell ein bestimmter Produktionsrhythmus dann eingependelt, ja, also.

Markus: Es besteht ja zur Hälfte aus dem klassischen Gerstenrauchmalz und zur Hälfte aus einem ganz normalen Weizenmalz.

Martin: Ja, das Verhältnis ist 60:40.

Markus: Okay, 60:40.

Martin: Also 60 Prozent Weizenmalz, 40 Prozent Gerstenmalz, ja.

Markus: Genau. Und war da jemals der Gedanke, auch das Weizenmalz als Rauchmalz herzustellen?

Martin: Nein, überhaupt nicht. Weizen verhält sich ein bisschen anders, wenn man vermälzt, ja. Es wär auch dann, ich muss dann den Weizen irgendwo, also das Getreide in einem extra Silo haben, das Malz dann auch wieder in einem extra Silo und so viele Silos haben wir dann auch wieder nicht. Also das war eigentlich nie angedacht. Zumal es eigentlich gar nicht so verkehrt ist, weil die beiden, das Märzen und das Weizen, die haben die gleiche Stammwürze, ja. Und dadurch, dass da eben ein gewisser Weizenmalzanteil drin ist, ist das Raucharoma natürlich um ein ziemliches Level niedriger. Und dann haben wir die beiden Biere, die dann nicht gleich daherkommen, sondern auch gewisse Abstufungen im Rauchgeschmack haben, also von daher ist das gar nicht mal so unpassend gewesen.

Markus: Ja, ja und natürlich hat das Hefearoma dann auch Raum, wo es sich entfalten kann. Gab es das jemals im Fass?

Martin: Ich habe mal ein paar Fässer abgefüllt, vor allen Dingen für ausländische Kunden, ja. Das ist aber im Prinzip kein Problem, das Problem beim Fass-Weizen entsteht erst beim Ausschank.

Markus: Ja, eben, ja.

Martin: Da muss man halt drauf Obacht geben. Und da haben wir schon Ende der 80er-Jahre in Passau etwas Lehrgeld bezahlen müssen, dass man eben beim Ausschank nicht mit reiner CO² ausschenkt, ja. Weil, wenn so ein Fass dann zwei, drei Tage am Hahn hängt und du hast dauernd ein CO²-Polster da drauf und du musst da schon immer mal wieder einen Druck drauf geben, dann reichert sich das Bier auch wieder mit CO² an und du musst mit einem noch größeren Druck draufgehen, um das CO² im Bier zu halten und dann wird es irgendwann mal unmöglich, das dann auszuschenken, ja. Und wenn man aber mit Mischgas das macht, also mit der Mischung aus Stickstoff und Kohlendioxid, dann ist das Problem gelöst, ja.

Markus: Naja und hier hat man ja eh noch die Besonderheit, das ja alles aus dem Holzfass ausgeschenkt wird, also eben ohne überhaupt Gas und ohne klassische Schankanlage und ohne Kühlung und all das, also das heißt, die Fässer müssen auch entsprechend leer werden. Und ginge das überhaupt mit Weißbier?

Martin: Es ginge, man könnte es machen, ja, aber es ist nicht praktikabel einfach, ja, weil dann die Mengen doch zu gering sind, die am Tag dann ausgeschenkt werden, weil man weiß e dann auch nie so genau. Und bevor dann jetzt am Tag meinetwegen ein Fass Weizen ausschenkt und dann de Rest wieder aus der Flasche macht, dann kann man gleich alles aus der Flasche machen.

Markus: Genau. Und ihr macht da Flaschengärung?

Martin: Ja.

Markus: Ja, okay.

Martin: Ja, das ist eigentlich die klassische Art, Weißbier zu produzieren. Weil man lässt ja ein Weißbier im Gärbehälter abgären, das heißt also, es ist kein vergärbarer Extrakt mehr drin. Man gibt dann wieder vergärbaren Extrakt in Form Würze dazu. Den muss man natürlich genau ausrechnen, wie viel man braucht, ja. Und dann wird das abgefüllt und die Hefe, die noch im Bier drin ist, die vergärt das dann in der Flasche und das Kohlendioxid, das dabei entsteht, bei der Gärung, kann natürlich aus der verschlossenen Flasche nicht mehr entweichen und reichert sich so im Bier an. Und deswegen muss man es vorher genau ausrechnen, was man braucht.

Markus: Tja, also dein erster Streich sozusagen.

Martin: Mein erstes Kind hier, ja.

Markus: Waren dann auch alle zufrieden?

Martin: Ja.

Markus: Und dann hat man gesagt, okay, das hat er gut gemacht, jetzt darf er nochmal?

Martin: Ja, das ging dann also los, wie der Matthias drüben übernommen hatte dann. Dann hat er gemeint, ja, wir könnten ein Fastenbier machen. Ich sage: „Ja, können wir.“ Ein Fastenbier ist ja eigentlich ein Bockbier.

Markus: Also der Osterbock sozusagen.

Martin: Weil nach der alten mönchischen Tradition, Flüssiges bricht Fasten nicht, haben die Mönche natürlich das Bier, das sie in der Fastenzeit getrunken haben, stärker eingebraut. Also feste Nahrung durften sie ja nur einmal am Tag zu sich nehmen, den Rest haben sie flüssig gemacht. Und je höher die Stammwürze, umso höher der Nährwert, ja. Und dann haben wir da eben das Fastenbier gemacht, aber wir wollten jetzt keinen Urbock 2.0 machen, weil das wäre langweilig gewesen, ne. Und da ist jetzt eben auch eine Malzmischung drin, es ist nicht rein aus Rauchmalz gemacht, sondern wir geben noch ein bisschen Pilsner Malz dazu, um das eben von dem Urbock zu unterscheiden auch, ja. Und mit dem Hopfen habe ich da ein bisschen gespielt. Also da im Urbock und im Märzen ist nur Bitterhopfen drin. Der reicht auch dafür aus, weil der muss durch die Bittere ein Gegengewicht zum Rauchgeschmack herstellen. Hier ist jetzt der Rauchgeschmack nicht mehr so vorherrschend, da kriegt der Hopfen eine Chance, ja, mit Aromen. Und da haben wir dann Aromahopfen auch dazu genommen, vor allen Dingen den Mandarina Bavaria, ein wunderbarer Aromahopfen, einer meiner Lieblingshopfen inzwischen, und der Spalter Select, ja. Auch eine Weiterzüchtung der alten Spalter Landsorte, hat das Aromaprofil von der alten Spalter Landsorte, ist aber vom Ertrag her besser. Und der spielt da auch noch ein bisschen eine Rolle mit, ja, wie auch beim Lager.

Markus: Ja, was ich schön finde ist, grade diese Mandarina-Bavaria-Noten, die gehen da ja so in diese roten Beeren ein bisschen und das unterstützt natürlich auch das Raucharoma schön, also die beiden passen wirklich gut zusammen.

Martin: Sind gute Teamplayer, die zwei, ja.

Markus: Ja, also ein feines Bier. Heute ist es nicht mehr ganz im Bockbierbereich, ne, aber …

Martin: Doch. Doch, doch

Markus: Doch, ah ja, doch noch, okay.

Martin: Wir haben es am Anfang eben nicht als Bockbier gemacht.

Markus: Ach so.

Martin: Bis irgendwann, es hat dann einmal ein höchst richterliches Urteil gegeben, das also, was als Fastenbier bezeichnet wird, muss Bockbier sein, das heißt, es muss mindestens 16 Prozent Stammwürze haben. Wir haben es aber dann auch von der Stammwürze am unteren Ende angesiedelt, ja, während der Urbock bei 17,5 liegt, ist der so bei 16,2, 16,3, ja und hat dadurch auch etwas weniger Alkohol. Dadurch unterscheiden sich die Biere dann auch. Und du kannst ja nicht irgendwo dann immer wieder auf das Gleiche rauskommen, sondern du musst dann schon ein bisschen differenzieren auch, ja.

Markus: Und dann warst du schon im Starkbierbereich und hast gedacht, okay, jetzt setzen wir noch einen oben drauf.

Martin: Ja, das ist ein bisschen anders gegangen, ja,

Markus: Okay.

Martin: Unser zweites European-Beer-Star-Siegerbier, ja. Die Eiche ist eigentlich daraus entstanden, dass mein Chef irgendwann mal mich gefragt hat, ob wir denn unbedingt immer das Malz im Ofenfeuer herstellen müssen? Ich habe gesagt: „Ja, in Stein gemeißelt ist nix, ja, da können wir es auch so nehmen.“ Da hat er gemeint, ja, können wir ja auch mal Eiche probieren. Ja, dann haben wir das Holz besorgt und haben mal eine Darre mit Eiche gemacht, das war 2009 irgendwann mal, ja. Und, ja, dann haben wir das Malz natürlich in ein extra Silo gelegt, ja und dann habe ich im Labor mal so ein paar Maischversuche gemacht. Ich habe ja schon beim Darren gemerkt, also die Eiche brennt anders und sie riecht anders als die Buche beim Verbrennen, ja. Also vollkommen andere Aromen sind das, obwohl die beiden Bäume ja miteinander verwandt sind, aber trotzdem, vollkommen anders. Und dann habe ich das auch mit Maischversuchen im Labor bestätigt bekommen und dann haben wir da so mal ein bisschen rumgerätselt, was machen wir jetzt eigentlich damit? Und da habe ich gesagt: „Naja, wir haben ein Märzen, wir haben einen Bock, bleibt eigentlich nur noch ein Doppelbock übrig, ja.“

Markus: Logisch, ja.

Martin: Wenn, dann müssen wir ja in der Stammwürze nach oben gehen, ja. Mit so einem gehaltvollen Malz da ein Leichtbier zu machen, das ist irgendwo widersinnig, ja. Und, ja, dann hat er eben gemeint, ja, dann machen Sie mal. Und dadurch, dass das Eichenholzaroma viel feiner ziseliert ist gegenüber dem Buchenholzaroma, habe ich da auch dann Aromahopfen mit dazu genommen und zwar auch den Spalter Select. Und das ist eigentlich ganz gut eingeschlagen. Und das hat wirklich sehr, sehr differenzierte Aromen. Man muss es mal warm probieren, damit man so ein paar spezielle Aromen raus schmeckt. Und eins der speziellsten Aromen da drin ist Vanille. Und die Vanille kommt aus der Eiche. Jeder Whisky hat Vanille-Aromen und Whisky lagert in Eichenfässern, die innendrin angekockelt worden sind, ja. Und bei uns machen wir es genau umgekehrt, wir verbrennen das Eichenholz und jagen den Rauch durch die Grünmalzschicht durch. Aber die Chemie, die dahintersteckt, ist die gleiche, ja. Und das Ergebnis ist dann zwangsläufig natürlich auch ein Ähnliches, ja. Wobei natürlich hier die Vanille-Aromen viel geringer konzentriert sind als beim Whisky. Naja, ein Whisky hat eine Trinkstärke von 40% Alkohol, da haben wir ein Fünftel davon, ne, also insofern sind die Aromen natürlich auch anders verteilt. Aber so vom Grund her ist es das Gleiche.

Markus: Ja und man muss sagen, das war damals schon ein ganz besonderes Bier. Also einerseits vom Geschmacksprofil her hat man wirklich erstmal gedacht, das war vielleicht irgendwie im Holzfass, wie auch immer. Und es war auch überhaupt was Neues, was Spezielles, was man so noch nicht gekannt hat. Und dann gab es ja nur diesen einen Sud, den es dann ab 01. Dezember gab am Anfang. Und der war dann auch relativ bald weg und dann gab es das nicht mehr.

Martin: Der war schnell futsch, ja.

Markus: Und dann war das wirklich so ein Bier, da ist ja dann langsam so die Bierwelt ein bisschen erwacht und dann war das eins der seltensten Biere, die bei fast allen irgendwie auf der Liste standen. Und es war wirklich was Besonderes, überhaupt ein paar Flaschen davon zu haben. Das weiß ich noch, so in dieser Anfangszeit da, immer, wenn ich dann jemanden welche mitgebracht habe, die sind da auf die Knie gegangen, dass sie endlich dieses tolle Bier bekommen. Und dazu muss man ja auch nochmal sagen also für alle, die jetzt noch nicht das Glück hatten, im Schlenkerla in der Brauerei gewesen zu sein, es ist ja auch noch eine sehr historische Brau- oder, ja, doch Brauereianlage, die eben in die Tiefe geht. Und das heißt, wenn wir bei den Lagerkellern sind, dann sind wir wirklich im Keller, also ein paar Meter unter der Erde im über 600 Jahre alten Stollen, wo heute noch die Lagertanks liegen. Und ihr lasst diesem Bier auch wirklich Zeit und das merkt man dem auch an. Dieses Harmonische, Runde, die drinkability letzten Endes, das kommt daher. Und für mich ist das immer wieder ein Fest, wenn wir, was weiß ich, so im September, Oktober, wann auch immer, da oben sind und dann eben mal so eine Eiche verkosten vom Lagerkeller, die dann eben schon monatelang oder noch länger da drin liegt, das ist unglaublich und das kann man jedem nur empfehlen. Und ist das etwas, was du auch mitgenommen hast oder was du da neu entdeckt hast, diese langen Lagerzeiten?

Martin: Also die langen Lagerzeiten, die habe ich eigentlich schon immer postuliert, weil, Bier braucht auch ein bisschen Ruhe, ja. Und ich muss dem Zeit lassen zum Ausreifen. Das heißt ja nicht umsonst ausreifen. Und reifen ist ja kein Vorgang, der so mit einem Fingerschnipper geht, sondern es dauert halt, ja. Ist von Bier zu Bier verschieden. Das Lager Hell ist nach fünf, sechs Wochen fertig, das Märzen ist nach sechs, acht Wochen fertig, der Bock braucht 15 Wochen ungefähr und ein Doppelbock kriegt ein halbes Jahr oder länger. Also wir haben ihn auch manchmal ein Jahr lang liegen, also das kommt auch vor, ja. Aber der wird nicht schlechter, der wird eigentlich immer besser, je länger das er liegt.

Markus: Und damit einher geht ja eigentlich auch noch eine Geschichte, die damit verbunden ist, denn ihr wart, ich glaube, es war die erste deutsche Brauerei, die wirklich ein Jahrgangsbier gemacht hat. Also die dann gesagt hat, okay, ich lagere dieses Bier bewusst vier Jahre, bei mir, in der Brauerei, auf der Hefe, in der Flasche und gebe es erst dann raus als Jahrgangsedition.

Martin: Das ha wir hier, ja.

Markus: Genau, das haben wir hier. Jetzt modern mit diesem roten Wachssiegel. Wir haben auch noch ein altes Fastenbier, das auch diesen Prozess durchlaufen hat.

Martin: Das mit den Alukappen, ja.

Markus: Genau, früher hatten die diese schönen goldenen Alukappen, also beides natürlich sehr interessant. Und ich weiß auch noch, damals, als es das zum ersten Mal gab, war, glaube ich, 2012, da durfte jeder maximal zwei Flaschen kaufen. Eine Flasche hat 6,90 Euro, glaube ich, gekostet und es war damals sehr viel Geld für ein Bier. Und die meisten Leute hier haben überhaupt nicht verstanden, also weder die Begrenzung der Menge, noch das man für zwei Flaschen so viel zahlt wie sonst für einen Kasten, das war schon erstaunlich. Und damit hat die Brauerei auch Maßstäbe gesetzt, muss man sagen. Die Nächste, die nachgezogen ist, war dann Schneider mit dem Aventinus, den sie entsprechend lang gelagert, in Papier eingewickelt haben. Wobei, den gab es nur zwei Jahre. Also das ist ja gekommen um zu bleiben und das war auch toll. Wessen Idee war das?

Martin: Wir sind da von unserem amerikanischen Importeur ein bisschen angestoßen worden, weil der hat gesagt: „In Amerika gibt es das, ja, könnt ihr das nicht auch mal probieren?“ Und da haben wir gesagt: „Ja, probieren können wir das schon, kein Problem.“ Weil, wenn das Bier mit Hefe abgefüllt, also es wird ja abgefüllt in die Flasche mit Hefe, unfiltriert und dann lassen wir es im Keller stehen. Im Keller deswegen, weil da ist es schön kühl, da ist es dunkel, das sind die zwei Voraussetzungen, dass man Bier lang liegenlassen kann, ja. Und die dritte Voraussetzung ist, es muss auch eine gewisse Stammwürze haben. Also mit einem Lager Hell braucht man sowas nicht machen, ja, das funktioniert nicht, ja. Aber mit einem kräftigen Bier, also ab Bockstärke kann man es machen. Und diese Biere, die werden dann auch immer besser, die verändern sich nämlich auch noch im Laufe der Zeit und die kriegen eine Weichheit und ein Aromaprofil, dass das frisch abgefüllte Bier noch gar nicht so entfalten kann. Also das sind schon Sachen, die sind werden sehr bemerkenswert. Aber das sind Leibhabersachen, das ist nix für die breite Masse, ja. Da wirst du auch nie riesen Mengen verkaufen davon, ja aber für Liebhaber und die werden ja auch immer mehr …

Markus: Das stimmt.

Martin: … ist das schon so ein besonderes Stück, ja.

Markus: In der Zeit haben auch in Amerika ein paar Leute das Bier ins Fass gelegt, also soweit ich weiß.

Martin: Ja, ja.

Markus: Hast du da mal was probieren können?

Martin: Nee, habe ich nicht, nein.

Markus: Na, da geht es uns gleich. Aber interessiert hätte mich das auch, also was da wohl dabei rauskommt, wenn man das noch im Fass lagert. Also auch wieder eine ganz spannende schöne Facette an der Rauchbierbrauerei, in die Starkbiere eben zu gehen oder hier in die obergärigen Biere. Und man sieht schon, du hast dann angefangen, wirklich dieses Portfolio einfach auch sensorisch deutlich zu erweitern und einfach vielleicht auch neue Grenzen so ein bisschen auszuloten und auch der Brauerei damit ein bisschen Vorsprung zu geben.

Martin: Ja, das war aber natürlich auch immer in enger Absprache mit dem Chef und eng abgestimmt. Weil letztendlich, er ist ja der Bundeskanzler hier herinnen, er bestimmt die Richtlinien der Politik, ja.

Markus: Absolut. Also, ja, also so viel Mal dazu. Wir werden jetzt gleich mal auf die neusten Entwicklungen zurückkommen, also zurückkommen, dann da hinkommen und da geht es dann durchaus auch mal um ein bisschen weniger Alkohol. Prost!

Martin: Prost!

Markus: Ja, wir sind immer noch im wunderschönen Schlenkerla, haben uns jetzt grade schon über die ersten Biere unterhalten, die du dann selbst mit entwickelt oder entwickelt hast. Und da waren wir jetzt am Ende praktisch so bei der Krone der Schöpfung angelangt so ein bisschen, also beim Doppelbock, der dann noch als Jahrgangsbier ausgebaut wird. Und haben uns auch schon drüber unterhalten, wie besonders die Brauerei einfach ist, auch von ihrer Anlage, von ihrer Struktur und die wird ja auch immer noch so gelebt und am Leben erhalten und jetzt auch grade wieder weitergebaut. Also das ist schon faszinierend, überhaupt sowas in einer Stadt zu bewahren, wo man so räumlich beengt ist, in jeder Hinsicht. Andere hätten die ja schon längst auf die grüne Wiese gestellt wahrscheinlich, ne?

Martin: Ja, in Ermangelung einer grünen Wiese…

Markus: Okay, also man könnte natürlich sagen, also hinter der Brauerei gibt es ja noch das Gelände vom ehemaligen Biergarten, den könnte man ja vielleicht verwenden.

Martin: Ja, da hat die Sternwarte was dagegen.

Markus: Okay, ja, gut. Aber, also für alle, die mal nach Bamberg kommen, das ist auf jeden Fall auch einen Besuch wert, dann auf den Stephansberg hoch, dort ist dann auch ein anderer Bierkeller oder zwei sogar. Bei uns sind Bierkeller ja oben auf den Hügeln, weil man da eben auf dem Keller sitzt, wo das Bier drunter gelagert wurde. Und dann gibt es da sogar noch einen Fassaufzug, den man anschauen kann in einen von denen. Und das ist einfach von der ganzen Anlage her faszinierend. Und da steht sogar eine Sternwarte, eine der ersten modernen Sternwarten, die es damals überhaupt gegeben hat.

Martin: Richtig, ja.

Markus: Also Bamberg durchaus auch ein bisschen richtungsweisend damals in dieser Stadt.

Martin: Ja, Wissenschaftsstandard.

Markus: Und wie ich immer über Bamberg sage, unsere Stadt am bedeutesten, als sie gegründet worden ist und seitdem befinden wir uns, zumindest politisch, in einem ständigen Niedergang. Aber jetzt ist es vielleicht wieder ein bisschen aufgehoben, nachdem wir ja das Bier für uns entdeckt haben. Ja und nun hast du die Kurve gekriegt, sagen wir mal, du bist im Alkohol ganz oben angekommen und dann habt ihr euch überlegt, was können wir denn am anderen Ende der Fahnenstange machen oder wie kam es dazu?

Martin: Ja, das waren zwei Überlegungen, also einmal, es wurde von den Gästen immer wieder mal gewünscht, dass man für den Sommer ein etwas leichteres Bier haben. Weil das Märzen mit 5,1% Alkohol ist natürlich schon gut bestückt und dann war halt die Überlegung, können wir da was anderes machen? Ich hätte ja gern das Lager einfach unfiltriert in Fässer abgefüllt und hier ausgeschenkt, aber da steht natürlich die Philosophie des Hauses dagegen, das hier nur Rauchbiere zum Ausschenken kommen. Und dann sind wir halt auf den Trichter gekommen, dann machen wir halt eins, wir nehmen ein Lagerbier ab und kräusen das mit einem Märzen noch einmal auf. Also aufkräusen ist ein Vorgang, den man während der Bierproduktion machen kann, wenn man die Nachgärung nochmal ordentlich anschubsen möchte, ja. Da eben in ein Bier, das vielleicht nicht so gescheit vergoren ist, nochmal frisches Jungbier dazugegeben zu einem gewissen Prozentsatz, darf man nicht zu viel machen und dadurch wird die Nachgärung nochmal angeschubst und der Extrakt nochmal ordentlich vergoren. Und das haben wir halt gemacht und das ist eben das Kräusen dann rausgekommen. Das ist eigentlich aus zwei Grundbieren gemacht, aus dem Lager und aus dem Märzen.

Markus: Können wir eigentlich Mama und Papa noch dazustellen, ne, eigentlich so ungefähr.

Martin: Ja, hier, machen wir es da so, ja.

Markus: Und das ist ungefähr so zwei Drittel hier, ein Drittel da, oder?

Martin: Ja, das ist weiter auf dem Lager drüben, die genauen Prozentzahlen werde ich natürlich nicht verraten, ne.

Markus: Ja, wir haben natürlich Betriebsgeheimnisse, logisch.

Martin: Ja. Aber jeder, der das im Glas sieht, kann sich ungefähr vorstellen, wie viel Märzen, wie viel Lager da drin ist, ja.

Markus: Und wenn ich jetzt überlege, also selbst heute noch, wenn ich durch Franken fahren würde und würde so den gemeinen Biertrinker sagen, was hältst denn du davon, wenn ich zwei Biere miteinander mische, dann würden 98 Prozent, würden mir eine Ohrfeige geben.

Martin: Das ist eine Todsünde.

Markus: Und das heißt ja was, das zu machen. Also war das einfach kein Thema, nehmen das die Leute gar nicht wahr oder habt ihr einfach bewusst gesagt, letzten Endes ist es ja eine alte Methode. Und wenn man also ganz kurz noch ausgreift in ähnliche Bierkulturen, die tschechische Bierkultur, da ist es ja immer üblich, Biere zu mischen.

Martin: Das ist da eine Hausordnung, ja.

Markus: Also es ist gar kein Sakrileg, aber hier halt. Aber wie seid ihr damit zurechtgekommen?

Martin: Also ich bin da vollkommen schmerzfrei, weil so kannst du auch andere Bierstile kreieren und die kannst du dann notfalls wieder in einer eigenen Produktion machen oder du machst es halt immer so, ja. Man kann natürlich das nicht beliebig in allen Schattierungen machen, ja, es müssen da schon ein bisschen so die Gegensätze zusammenkommen, wie hier, Mama und Papa, ja und dann kommt da was raus, was auch lebensfähig ist. Und das eigentlich von Anfang an hingehauen. Das war übrigens bei allen Bieren, die wir gemacht haben hier, da hat immer der erste Schuss gesessen, ja.

Markus: Was vielleicht auch ein bisschen auf deine Kunst zurückzuführen ist.

Martin: Ja, es ist ein bisschen so die Erfahrung, die man halt sammelt im Laufe der Zeit. Was ich ganz zu Anfang ja schon gesagt habe, wenn du aus der Uni kommst, bist du vollgestopft mit Wissen, weißt es aber nicht direkt so anzuwenden, ja. Und du kriegst aber im Laufe der Zeit natürlich Erfahrungen und diese Erfahrungen, die kondensieren sich halt dann irgendwo in solchen Sachen, ja.

Markus: Und das Kräusen ist dann aber am Ende ein filtriertes Bier?

Martin: Nein, ist unfiltriert.

Markus: Ah, okay.

Martin: Und das ist ja halt auch nochmal was Besonderes, ja, die üblichen Kellerbiere hier in Franken sind ja eigentlich alle unfiltriert, ja. Und dem haben wir damit auch ein bisschen Rechnung getragen, ja.

Markus: Da können wir vielleicht noch kurz vorgreifen, ihr habt dann ja in der Pandemiezeit dieses Thema unfiltriert auch nochmal ein bisschen für euch entdeckt, da gab es ja dann die Biere teilweise in der unfiltrierten Form.

Martin: Ja, das war auch auf Kundenanforderung. Das Lager Hell haben wir als unfiltriertes gemacht, das wollten die Schweden unbedingt mal haben, ja. Und das haben wir dann auch hier in Deutschland als Sonderedition dann herausgegeben. Das Märzen kommt zum Tag der Rauchbierbewahrung, das ist der 23. Juli immer, auch als unfiltriertes Bier zum Ausschank. Der 23. Juli deswegen, weil am 23. Juli 1635 in England das erste Patent auf eine rauchfreie Dare erteilt wurde. Und das hat mein Chef irgendwann mal in den letzten Jahren entdeckt und hat dann natürlich gleich daraus wieder einen Festtag gemacht. Aber solche Events muss man machen, ne, die schreien danach, ja.

Markus: Ja, muss man machen, schreien danach. Also was ich ganz toll an Matthias finde ist, dass er sich halt wirklich um diese historischen Dinge bemüht und da auch sehr exakt ist. Also viele erfinden ja irgendwelche netten Storys und so, aber er ist ja wirklich jemand, der nimmt das ganz genau und ist da auch entsprechend gründlich und macht dann auch was draus. Und das, muss ich sagen, bewundere ich sehr. Und grade dieser Tag der Rauchbierbewahrung ist natürlich also für Bamberg nochmal ein Feiertag.

Martin: Mit Sicherheit, ja.

Markus: Ja und auch, dass man das offen macht und sagt, da gehören alle dazu, die eben das klassische Rauchbier produzieren, finde ich auch gut. Und damit bereichert das unseren Jahreskreislauf noch um ein spannendes Datum. Also da unbedingt auch mal vorbeikommen und da gibt es dann hier eben frisch vom Fass.

Martin: Mit speziellen Speisemöglichkeiten.

Markus: Ja, außerdem, richtig. Da kommen wir vielleicht ganz am Schluss noch dazu, auch da hat sich ja noch einiges getan. Aber, genau und dann warst du jetzt hier schon mal auf dem Weg, also Richtung eines 4%-Bieres, sagen wir mal und dann ging es noch weiter. Also vielleicht auch nochmal, was ich ganz toll finde, wie vorhin schon gesagt, eigentlich habe ich Schlenkerla immer mit sehr traditionell, sehr dem Alten verhaftet, so wahrgenommen und man nimmt ja eigentlich eher an, dass so eine Brauerei dann eben eher ein bisschen behäbig ist, was Innovationen und solche Dinge angeht. Aber dann habe ich jetzt eben erlebt, wie ihr es doch immer wieder schafft, also einerseits auch innovativ zu sein, neue Wege zu gehen, neue Trends auch zu entdecken, sich auch Herausforderungen zu stellen, die sich einfach am Markt ergeben und dabei aber der Schiene treu zu bleiben, also in diesem Setting, wie ein Schlenkerla ist, wie es funktioniert, zu bleiben. Und das, finde ich, ist auch eine gewisse Kunst, das hinzubekommen, ne.

Martin: Ja, Tradition heißt ja, nicht die Glut hüten, sondern die Flamme weitertragen. Und das ist eigentlich auch einer der Leitsprüche von Matthias Trum, dass wir natürlich auf Bewährten aufbauen, aber das natürlich auch zum Teil, ja, in die heutige Zeit umsetzen oder interpretieren muss, ja. Und so ist eben diese leichte Linie entstanden. Die hat eigentlich einen Hauptgrund, warum wir die gemacht haben, wir wurden immer wieder gefragt, ob es das Schlenkerla nicht als alkoholfreies Bier gäbe? Ich habe es probiert, also es gibt so bestimmte Gärverfahren, da kann man das hinkriegen, die waren alle unbefriedigend, also was da rausgekommen ist. Das habe ich im so fünf- bis zehn-Liter-Maßstab gemacht, ja, um mal die Orientierung zu haben, wo könnte es denn hinlaufen, ja. Und das hat mir alles nicht geschmeckt, da habe ich gesagt: „Das hat keinen Sinn, das geht nicht.“ Und dann hat er, und da kommen wir jetzt ein bisschen hier in die Familienchronik rein, etwas entdeckt von seinem Urururgroßvater, Konrad Graser war das, ja. Der Konrad Graser hatte 1840 die Brauerei am Michelsberg gepachtet, die hat er bis 1866 gehabt, also 26 Jahre lang.

Markus: Kleiner Einschub, das ist Bambergs wahrscheinlich älteste Brauerei, die wir haben oder hatten.

Martin: Ja, wir haben sie nicht mehr, da ist jetzt das Brauereimuseum drin.

Markus: Richtig, genau.

Martin: Und der Konrad Graser hat dann 1866 hier diese Brauerei und Gastwirtschaft gekauft, wo wir uns jetzt befinden, damals unter dem Namen Heller Bräu im Handelsregister gestanden, unter dem Namen stehen wir auch heute noch drin, ja. Und dem Konrad Graser sein Sohn, der Andreas Graser hat dann den Namen Schlenkerla auf die Brauerei gebracht. Wobei es nicht er war, sondern die Stammgäste hier, die ob seines Ganges den Namen Schlenkerla, weil er ein wenig geschlenkert hat immer mit den Armen, verpasst haben. Und unter dem Namen sind wir halt auch bekannt, unter dem Namen Heller Bräu nicht, aber das nur so nebenher. Ja und dieser Konrad Graser hat während der Zeit, während er am Michelsberg oben war, auch noch eine alte Bamberger Biersorte gebraut, nämlich das Heinzlein und Hansla, ja. Das war ein sogenanntes Nachgussbier. Wie das genau passiert, das müssen wir nicht jetzt groß erläutern und breittreten, vorstellen. Weil, das haben wir dann auch ein bisschen in dem automatischen Betriebsablauf, den wir haben, integrieren müssen, es waren ein paar Kunstgriffe notwendig. Auf alle Fälle ist das also, beim Abläutern hört man ein bisschen früher auf und dann fängt man das, was da noch drin ist, gesondert auf. Das hat natürlich eine sehr, sehr niedrige Stammwürze und die Stammwürze wird hauptsächlich dargestellt als nicht vergärbaren Anteil. Das heißt, es entsteht da sehr, sehr wenig Alkohol dabei. Und das ist ein Bier gewesen im 19. Jahrhundert hier in Bamberg, das auch an Kinder verfüttert wurde? Warum? Weil Bier bis Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Deutschland oder ganz Mitteleuropa das gesündeste Lebensmittel war, das es jemals gegeben hat. Weil Bier muss während seiner Herstellung gekocht werden und damit ist es steril. Und dadurch, dass auch Hopfen drin, haben auch krankheitserregende Bakterien keinerlei Chance, sich da zu vermehren. Und so haben wir also das Heinzlein und Hansla aus den alten Büchern von Konrad Graser eben entdeckt. Und ich habe dann in etlichen Versuchen dann, die haben dann großtechnisch erfolgen müssen, versucht, dieses relativ rudimentär beschriebene Verfahren natürlich, nachzuempfinden und auch was draus zu machen, dass man dann das auch in eine automatische Sudhaussteuerung mit reinbringt. Das sind ja zwei Sachen, die man da beachten muss. Und da ist dann eben das Hansla rausgekommen, das ist rauchige Variante und zweimal Heinzlein, das ist die nichtrauchige Variante, nämlich als Helles und als Dunkles, ja.

Markus: Genau, die kamen ein bisschen später. Also ich kann mich noch erinnern, vielleicht noch allgemein gesagt, Hansla war praktisch ein Gattungsbegriff, sage ich mal so. Also Brauereien haben eben aus ihrer Malzmischung einen ersten, manchmal sogar einen zweiten Aufguss gemacht, wo normales Bier dabei raus kam und dann war eben der letzte Aufguss meistens der Dritte, war dann so ein Nachgussbier, wo man halt nochmal das Malz ausgelaugt hat. Das hat dann zwar noch Geschmack gehabt und eben ein bisschen Stammwürze, aber nicht mehr viel und dabei kam dann eben das raus, was man landläufig überall hier bei uns in der Gegend das Heinzlein oder Hansla genannt hat. Und es war eben das Bier für, sagen wir mal, die ärmeren Leute, die kranken, die Kinder, wie auch immer, also je nachdem. Manche Kranke haben auch bewusst das starke Bier bekommen, um sie zu nähren, also je nachdem. Aber das war einfach so das Alltagsgetränk, weil es eben diesen Produktionsprozess unterlaufen war, der ein steriles Getränk erzeugt hat, wie wir heute wissen. Damals wusste man einfach, es ist gut, das zu trinken und auf jeden Fall besser als irgendwelches Wasser aus irgendeinem Reservoire, was man sonst wo hatte. Und damit war das eigentlich landläufig so üblich und ist dann verschwunden, als die modernen Technologien des Brauens aufkamen und dann auch die moderne Mälzerei und überhaupt die Industrialisierung dann dazu geführt hat, dass wir das haben, was wir heute haben an Wirtschaft, an Getränkewirtschaft. Und jetzt eben das wiederzuentdecken, finde ich ganz toll. Und ich kann mich noch erinnern, der Matthias hat mir das dann erzählt, ich war, glaube ich, sogar ziemlich genau hier zu dem Zeitpunkt und hat dann mir erzählt, er macht das jetzt oder ihr macht das jetzt und er hätte da auch mal was da. Und dann ist er hinter den Tresen, hat uns eine Flasche geholt, ohne Etikett war damals noch und hat mir das dann so eingeschenkt, was ich denn davon halte und ich war von vorneherein begeistert. Und es war dann auch so, dass von diesen Probeflaschen, die er so hatte, die waren innerhalb von wenigen Tagen weg, weil alle Leute begeistert waren. Und für mich, muss ich sagen, hat es einfach eine neue Möglichkeit geschaffen, weil ich kann so jetzt halt auch mittags zum Beispiel mit Gästen, mit Kunden, wie auch immer, hier reinkommen, kann zwei, drei, wenn ich Lust habe, sogar vier Bier trinken, die mir schmecken, die Rauchcharakter haben und ich bin eben danach nicht von dem Alkohol in irgendeiner Art und Weise beeinflusst. Und das ist natürlich eine schöne Geschichte und trifft auch genau einen Nerv der Zeit und das fand ich auch so toll, diese Vision damals schon zu haben, dass das ein großer neuer Trend wird. Und da wart ihr auch in Bamberg ziemlich vorne dran mit einem eigenen und noch dazu mit diesem eigenen Charakter. Wer kam denn auf die Idee, die Nichtrauchigen zu machen oder war das von Anfang an?

Martin: Das war eigentlich von Anfang an angedacht, wenn wir die rauchige Variante machen, dann sollten wir auch ausprobieren, ob wir nichtrauchige machen können, ja. Weil das ist, wie gesagt, der Rauchgeschmack, der kommt da auf Grund der sehr, sehr niedrigen Stammwürze, aber der Rauchgeschmack ist relativ kräftigt. Der kommt eigentlich deutlicher durch als beim Märzen, wo er bei der Stammwürze ein bisschen kaschiert wird mit, ja. Und das ist nicht jedermanns Sache, drum haben wir auch gleich gesagt, machen wir das als Helles. Und wenn es ein helles Bier ist, kannst du ein dunkles auch gleich machen, das ist dann eine sehr, sehr leichte Übung, ja. Aber das war eigentlich von Anfang an so gedacht. Versuchskarnickel war das, ja und wie das geklappt hat, waren die zwei relativ schnell entwickelt, also das ging dann ratz fatz, ja.

Markus: Also ich muss auch sagen, ich finde grade das Dunkle ganz toll, weil wir das auch bei uns in den Kursen einsetzen also als Beispielbier eben auch so für mittelalterliche Nachgussbiere, weil es eben etwa zumindest da hinkommt und sich Leute eben vorstellen können, wie damals Biere also in Ansätzen waren. Ganz genau nachvollziehen kann es sowieso nicht, aber zumindest sich dem so ein bisschen nähern. Und, ja, ist ganz toll, dass es das gibt. Und damit ist ja auch eine neue Marke wieder eingeführt oder eingeführt worden, mit dem Hansla.

Martin: Richtig, ja.

Markus: Mit eigenen Kästen sogar, also spannend. Ja und damit war eben auch noch ein anderer Trend eingeläutet, nämlich zu sagen, wir verlassen auch mal diese Schlenkerla-Pfade und nennen auch mal andere Dinge bei anderen Namen, Heinzlein. Und da kommt dann noch was aus dieser Konrad-Graser-Ecke, ne.

Martin: Das ist diese hier.

Markus: Genau. Also da muss man vielleicht noch eins dazu sagen, du hast ja grade so im Nebensatz erwähnt, dass du wir hier das Brauereimuseum in Bamberg haben. Tolle Einrichtung übrigens, vereinsgeführt in eben Bambergs ältester Brauerei, über 1.000 Jahre alt, die Braustruktur da unten, mit tollen Exponaten und an sich sehr, sehr schön. Ich bin da auch schon lange Mitglied, war auch eine Zeitlang im Vorstand. Und du bist seit einigen Jahren der erste Vorstand, für den Laden sozusagen verantwortlich.

Martin: Seit fünf Jahren, ja.

Markus: Genau. Und da kommt dann, weil Michelsberg, das ist da oben, da ist ein Kloster. Das Spannende an dem Kloster ist vor allem die Decke dieses Klosters, denn an die Decke der Kirche haben die Mönche ein Herbariums gemalt, also ihre damaligen …

Martin: Ja, den Himmelsgarten, ja.

Markus: … Kräuter, was man so kannte aus aller Herrenländer. Und das ist praktisch wie ein Buch zum angucken. Und sie hatten eben auch eine entsprechend große Terrasse, wo wahrscheinlich auch mal Hopfen angebaut worden ist, dann auch Wein angebaut worden ist. Und das Ganze ist auch so eine tolle Location, ein toller Ort, wo man eben sein kann. Und da hat man dann gesagt, jetzt wollen wir auch mal ein Bier.

Martin: Ja, das Bier ist entstanden eigentlich dadurch, dass im Jahr 2021 die Klosterkirche St. Michael ihr 1.000-jähriges Weihejubiläum hatte. Jetzt war 2021 ja eins der heftigsten Corona-Jahre, da war also mit einem Fest für 1.000 Jahre Kirchweihe nix möglich. Außerdem ist ja eh eine Baustelle grade am Michelsberg oben, da ist es eh schwierig, ja. Jetzt haben wir im Museumsverein ein knappes Jahr vorher 2.700-Liter-Bügelverschlussflaschen geschenkt bekommen, ja, von der Faust Brau in Miltenberg, die wollten sie wegschmeißen, haben sie uns gefragt, ob wir sie brauchen können? Haben wir gesagt: „Ja, die nehmen wir erst einmal. Wir wissen zwar noch nicht, was wir damit anstellen, aber wir nehmen sie mal.“

Markus: Da war der Eisbock drin normalerweise…

Martin: Ja, also 0,7 …

Markus: Ja, ja, genau, ja.

Martin: … das ist eine ungewöhnliche Flaschengröße, ja. Und wie dann eben das dann so in das Jahr 2021 hineingegangen ist, dann haben wir also gesehen, also mit Fest für 1.000-jährige Kirchweihe geht nix. Da haben wir gesagt: „Wir machen ein Festbier und das füllen wir in diese Flaschen ab. Und das verkaufen wir dann auch über die Stiftsläden und über das Museum.“ Und dann habe ich meinen Chef eben gefragt, ob er denn vom Konrad Graser was habe? Weil ich habe gewusst, er hat alle, sämtliche alten Sudbücher von ihm, die hütet er wie einen Schatz. Und dann hat er gesagt, ja, er sucht was raus. Und dann hat er mir den Sud Nummer 13 aus dem Jahr 1840 gegeben. 13, wir sind ja nicht abergläubisch. Und das waren natürlich relativ rudimentäre Angaben da drin, soundso viele Scheffel Malz hat soundso viele Eimer Bier gegeben. Das mussten wir also erst einmal umrechnen, wie viel Kilogramm Malz das waren, wie viel Hektoliter Bier rausgekommen sind. Gut, bei einem Hektoliter weiß man ungefähr, die Sudgröße war damals so um die 30 Hekto, also viel mehr kann es auch nicht gewesen sein, ja. Die einzig vernünftige Angabe in dem Rezept war, das 23 Kilogramm Hopfen drin waren. Gut, dann haben wir also aus diesen Angaben, die man dann umrechnen konnte, haben wir zurückgerechnet, was könnte es gewesen sein. Und was war es dann, es war ein Märzen und mit 13,4 Stammwürze. Und wir haben aber dann auch gesagt, wir machen da kein Schlenkerla 2.0 draus, ja, obwohl damals am Michelsberg oben wahrscheinlich auch Rauchbier gemacht wurde. Es gab zwar in Bamberg schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein paar Brauereien, die auch nicht Rauchbiere gemacht haben, aber in der Regel, die Meisten waren doch rauchig.

Markus: Hatten die dann eigene Mälzereien oder haben die es zugekauft?

Martin: Nee, das ist dann Kaufmalz gewesen, ja. Das ist auch so, das Berufsbild des Brauers und Mälzer, das hat sich ja so ab Beginn des 19. Jahrhunderts ein bisschen auseinanderentwickelt, weil eben die Industrialisierung natürlich auch mit sich gebracht hat, wenn man größere Produktionseinheiten hat, hat man natürlich einen Kostendegressionseffekt. Und den haben dann natürlich die Handelsmälzereien ausgenutzt, um ihr Malz den Brauern preiswerter anzubieten, als wenn sie die Rohstoffe kaufen, die selber vermälzen mit einem Haufen Aufwand. So ist das dann gewesen und die Handelsmälzereien haben schon etliche dann auch rauchfreie Malze herstellen können, schon vor Beginn des 20. Jahrhunderts. Und wir haben aber trotzdem bewusst uns entschieden, wir machen kein Rauchbier sondern ein Nichtrauchbier, aber wir machen auch nicht da ein beliebig einfaches Helles, sondern machen da so ein mittelfarbiges, bernsteinfarbiges Bier mit 13,4 Stammwürze und natürlich mit Spalter Hopfen. Den gibt es ja heute noch, die alte Spalter Landsorte gibt es heute noch. Und das haben wir dann abgefüllt in der Pax Bräu in Oberelsbach. Weil der kann Bügel abfüllen, das ist natürlich auch die Voraussetzung, dass man das machen kann. Und da haben wir auch gesagt: „Wir machen einen Sud und dann ist gut und dann sind wir fertig, ja.“ Und wie der eine Sud dann zum Verkauf gekommen ist, haben wir relativ schnell festgestellt, das reicht hinten und vorne nicht, was wir gemacht haben, da müssen wir noch einen machen. Da haben wir also noch einen gemacht, haben dann den auch wieder bei der Pax Bräu gemacht und ausreifen lassen und dann abgefüllt. Und wie wir den dann abgefüllt hatten, war es also ungefähr so, dass der erste Sud, die letzte Flasche weg war und da ist die Nächste dann in den Verkauf, hat gut zusammengepasst. Und mit dem Ende des Jahres 2021 war auch dann die letzte Flasche verkauft und dann haben mich die Stiftsläden gefragt, gibt es das nächstes Jahr wieder? Da sage ich: „Nee, also bei aller Liebe.“ Das haben wir ja alles ehrenamtlich gemacht, also nicht nur ich allein, meine Kollegen waren da alle mit dabei und da stecken ein Haufen Stunden drin. Und wir mussten auch immer zur Pax Bräu rauf fahren, die sind 120 Kilometer einfach von hier weg, also ja, da hat man schon ein bisschen einen Aufwand und das im Ehrenamt, das wollten wir dann auch nicht, uns dauernd da dran binden. Und dann habe ich meinen Chef gefragt, ob wir das nicht im Schlenkerla machen könnten und dann in Halbliterflaschen abfüllen? Und das hat er sofort begeistert aufgenommen, hat dann eben mit der Stiftsverwaltung die geschäftlichen Bedingungen dann ausgehandelt. Da sind sie sich auch relativ schnell handelseinig gewesen und dann haben wir das eben mit Beginn des Jahres 22 als Stiftsgartenbier hier rausgebracht. Und das sind eben jetzt diese vier Konrad-Graser-Biere, die dann heuer, nee, letztes Jahr 2023, wir haben ja schon 2024, ja, dann noch um zwei besondere Rauchbiere erweitert worden sind, auf die kommen wir jetzt zum Schluss.

Markus: Auf die kommen wir gleich noch zum Schluss. Und noch eine Frage, also Stiftgartenbier, das war ja dann für dich auch die Zeit, wo du dich langsam aus dem aktiven Dienst verabschiedet hast, oder?

Martin: Ich war da schon im Ruhestand. Also ich habe ja in 2015 begonnen, meine Arbeitszeit zu reduzieren, da hat der Michael ja schon die volle Verantwortung übernommen gehabt am 01. Februar 15. Ich war noch so ein bisschen im Hintergrund, habe aber versucht, ihm möglichst wenig reinzureden. Weil ich mag das bei mir auch nicht und dann kann ich es bei anderen auch nicht machen, ja. Außerdem verderben viele Köche den Brei, ja. Also das tut nicht gut, dass man da mehrere Schnäbel da drin hat, also hat er das alleine gemacht, ich habe andere Aufgaben gehabt. Das war auch genügend, wir haben da den Keller ausgebaut, da war ich auch gut beschäftigt und habe dann auch noch Führungen gemacht und habe meine Arbeitszeit immer weiter reduziert und bin dann am 1. August 21 in Ruhestand gegangen.

Markus: Ja und das finde ich auch faszinierend, wie gut und harmonisch das tatsächlich funktioniert hat und immer noch funktioniert. Und du bist ja immer noch da oben als Führer da und natürlich auch irgendwie als Repräsentant in gewisser Weise und Ansprechpartner und all das, was eben einfach auch dazu gehört, wenn man so lange für so viele Biere auch Mitverantwortung gezeichnet hat. Eine Frage noch zum Stiftgartenbier, da kam ja dann sogar Bamberg auch mit dazu, ne?

Martin: Ja, es gibt hier in Bamberg einen Gärtner, den Emmerling, der baut verschiedene Hopfen an. Da kommt pro Hopfensorte nicht übermäßig viel raus, aber er hat da eben verschiedene gehabt und er hat auch einen schönen Aromahopfen gehabt, einen Tettnanger. Den haben wir dann eben in dieses Bier mit rein als Doldenhopfen, normal nehmen wir ja Pellets hier. Und da konnten wir also auch nicht allzu viel davon verwenden, weil sonst haben wir mit den Produktionsanlagen ein bisschen Schwierigkeiten, ja, die sind nicht für Doldenhopfen ausgelegt, ja. Aber dass bisschen, was wir da verwendet haben als letzte Gabe, es ist eh nie viel in der letzten Gabe drin, das haben wir dann mit Bamberger Hopfen gemacht, drum ist das auch ausgelobt auf dem Etikett.

Markus: Also ein richtiges Stück Bamberg sozusagen. Und auch schon wieder etwas Richtungsweisendes, weil dieses Spiel mit den Aromen geht ja dann weiter, wir kommen aus einer Zeit, wo du ja vorher schon bei den Starkbieren mit dem Eichenholz ausprobiert hast, jetzt hier wieder andere Aromen probiert. Und dann entscheidet sich die Brauerei zu sagen, okay, lass uns mal diese Pfad noch ein bisschen weitergehen und wir haben es ausprobiert mit Buchenholz, wir haben es ausprobiert mit Eichenholz. Das sind die klassischen Hölzer, die man eigentlich aus der Geschichte auch so kennt. Aber jetzt kommt es dann zu zwei noch anderen ganz tollen Bieren, deren Malze jetzt eben mit anderen Holzsorten hergestellt worden sind. Da vielleicht mal eine generelle Frage vom Wording, wie man so schön sagt, ist es richtig, wenn ich sage, das Malz wird über in dem Fall jetzt Kirsch- oder Erlenholz geräuchert oder sagt man getrocknet oder im Rauch, was ist das richtige Wording, das man das so sagt, wie man …

Martin: Also ich würde immer sagen, es wird über einem offenen Buchenholzfeuer oder Eichenholzfeuer oder Erlenholzfeuer oder Weichselholzfeuer gedarrt, ja.

Markus: Gedarrt, okay, ja.

Martin: Weil der Vorgang heißt einfach Darren. Dem Räuchern haftet schon wieder irgendwie so Chemie an, ja. Wobei, es ist ja vollkommen wurscht, also es ist alles Chemie, was wir hier machen.

Markus: Richtig.

Martin: Ja, es ist angewandte Chemie letztendlich, ja. Ganz letztendlich ist es angewandte Physik, weil die Physik ist die Königin sämtlicher Naturwissenschaften, ja.

Markus: Das stimmt. Wobei man eben sagen muss, ich glaube, das ist vielleicht auch deswegen wichtig, weil es ja auch ein Unterschied in der Herstellung vom klassischen Rauchmalz gibt. Beziehungsweise eigentlich ist es ja die klassische mitteleuropäische Art und Weise …

Martin: Richtig, ja.

Markus: … Malz herzustellen, das man eben Holz als Feuerungsmittel verwendet. Und wo Holz ist, ist Rauch und der geht natürlich dann auch ins Getreide. Die moderne Rauchmalzherstellung macht das jetzt meistens so, dass man schon ein fertiges Malz hat, zum Beispiel ein Pilsner Malz oder so und das dann im Nachhinein dann eben wirklich bewusst räuchert, da kann man vielleicht vom Räuchern sprechen. Und das ist dann eben auch vom Geschmacksprofil her ein bisschen anders und von der Art und Weise. Deswegen hat es auch noch keiner geschafft, diesen Bieren hier nahe zu kommen in Sachen Malz. Wobei ich eine Sache sagen muss, das kann ich jetzt gleich schon mal vorwegnehmen, weil ich das ganz spannend finde, die Weichsel hat ja sehr viel Furore gemacht, also die Erle natürlich auch, aber die Weichsel kam ja zuerst und ich finde auch die Kombination hier besonders gelungen, kommen wir auch gleich noch dazu. Und ein Freund von mir, der in Berlin in einer Brauereien Braumeister ist, der hat sich überlegt, wie kann er dem denn irgendwie nahekommen? Und natürlich kriegt er Malz nicht, logisch, das heißt also, er hat kein Malz, was über Kirschholz gedarrt worden ist, aber er hat dann dem Bier, also er hat mit normalem Rauchmalz sozusagen ein Bier hergestellt und hat dem dann Kirschholz zugefügt. Und interessanter Weise, ich habe das neulich vor Ort in Berlin probiert, kommt es dem relativ nahe, also es ist nicht ganz da, aber es ist da. Das ist eigentlich das, was du vornhin gesagt hast, dass der Holzcharakter über das eine oder andere ins Bier kommt, dass das eben funktioniert. Aber vielleicht gehen wir zurück zum Anfang, wie hast du denn davon erfahren, warst du da noch involviert, wie war das?

Martin: Da war ich nicht mehr involviert, ich habe es aber natürlich mitbekommen, dass eben auch die beiden Konrad-Graser-Biere ähnlich sein sollen dann, ja. Und das zunächst einmal mit Kirschholz und zwar Sauerkirsche, die Sauerkirsche ist die Weichsel, ja, das probiert wurde und das Malz war gut, ja. Und da haben wir dann oder hat der Michael dann ein Rotbier draus gemacht. Und dann haben wir Erlenholz gehabt, die Erlen waren, glaube ich, sogar hier aus dem Hain. Da haben nämlich ein paar Bäume dran glauben müssen, weil sie aus Verkehrssicherungspflicht heraus gefällt werden mussten und da haben wir dann das Holz gekriegt davon, haben es zwei Jahre abgelagert.

Markus: Also Bamberger Holz, ja, krass, okay.

Martin: Und haben eben dann das Erlenbier gemacht. Und die Erle ist auch ganz bewusste als Schwarzbier, um auch hier die farblichen Nuancen zu zeigen, wie man spielen kann auch mit Farbe beim Bier. Und was natürlich auch bestimmte Geschmackseindrücke hat. Ich meine, ein Schwarzbier, das hat immer auch so Röstaromen mit drin, das ist klar, dass muss es haben, ja. Und die Weichsel, die hat so leicht süßliche Aromen drin. Das kommt aus dem Holz, das Holz schmeckt nämlich ähnlich wie die Frucht, ja und das ist eigentlich das Interessante da dran, ja.

Markus: Ja und das zahlt auch ein bisschen ein, ich habe es ja vorhin schon erwähnt, was ich so spannend finde, dass man sagt, wir sind innovativ und kreativ, bleiben in unserem Spektrum, aber toben uns trotzdem aus. Also wenn dich jetzt jemand gefragt hätte, sagen wir mal vor 20 Jahren, Schlenkerla macht ein neues Bier, dann hätte man sich vielleicht vorstellen können, wir machen ein Rotbier oder ein Schwarzbier oder vielleicht vorstellen können, wir machen ein Kirschrauchmalz oder ein Erlenrauchmalz. Aber diese Kombination, zu sagen, wir machen ein besonderes Malz und suchen uns dann auch dazu passend einen Bierstil, der mit den Aromen dann auch besonders gut kann, das, finde ich, ist ein Kniff, den fand ich wirklich, der setzt dem so ein bisschen die Krone auf und war für mich bei beiden Bieren eine Offenbarung. Also in der Weichsel hat man wirklich diese schöne fruchtigen Noten, die wirklich in so eine Kirscharomatik geht.

Martin: Ja, die so an rote Früchte erinnern, ja.

Markus: Ja, also ganz rund, ganz weich. Die drinkability, wie man so schön sagt …

Martin: Richtig, ja.

Markus: … ist auch nicht so stark vom Bier her, hat eine gewisse Süße, toll. Und bei der Erle eben dieses Röstige, Schokoladige, wo fast schon ein bisschen Tonkabohne, was weiß ich was. Also das ist wirklich total anders, hat aber trotzdem diese Rauchnote, das Holz kommt schön rüber. Und das ist wirklich, ja, toll. Und was hast du gesagt, als du die Ersten probiert hast?

Martin: Ja, woah! Ja, nee, das sind klasse Biere, da kann man nix sagen also. Und das ist ja auch das Tolle, wie ich angefangen habe, haben wir drei gemacht, wie ich aufgehört habe waren es 13, jetzt sind es 15. Und kein Sortenkannibalismus, ne, also da steckt echtes Wachstum dahinter, ja, also mengenmäßiges Wachstum. Es hat nicht eine Sorte die andere gefressen und das Volumen ist das gleiche geblieben, sondern das Volumen ist gewachsen. Die prozentuale Verteilung der Sorten hat sich natürlich geändert, das ist klar, aber das hätte sich so oder so geändert, ja oder wir hätten das Wachstum gar nicht so darstellen können, wenn wir bei den drei Sorten geblieben wären. Also da bin ich fest davon überzeugt, dass eben die neuen Sorten auch eine gewisse geschmackliche Bereicherung gebracht haben und dadurch auch ermöglicht haben, dass man mehr Publikum anspricht, ja.

Markus: Kann man da auch ein bisschen, wenn man zurückschaut, sowas wie Stolz empfinden oder eine gewisse Befriedigung oder wie auch immer? Stolz, finde ich, ist manchmal ein schwieriges Wort, aber das man so sagt, also du kannst ja wirklich auf eine Leistung zurückblicken, die Brauerei steht gut, sie hat ihr Sorten, das Wachstum war auch mengenmäßig da. Die Leute, die jetzt da sind, ihr seid alle im Reinen, das funktioniert, das ist wie eine Familie. Ist das schön?

Martin: Ja, also ich bin auch sehr zufrieden. Stolz empfinde ich keinen, das ist ein falsches Gefühl. Also ich kann das nie verstehen, wenn da die Rechten rumschreien, ich bin stolz, Deutscher zu sein. Da kann keiner was dafür, wir sind zufälligerweise hier geboren. Haben wir viel Glück gehabt, ja, mehr nicht, ja. Aber ich bin sehr zufrieden und ich bin auch froh, dass ich so viel machen durfte. Also das mir da nicht irgendwelche Fesseln angelegt worden sind, sondern dass ich da durchaus im Rahmen der Vorgaben natürlich, die wir gemeinsam erarbeitet hatten, dann eigentlich freie Hand hatte und es ist immer was Gutes rausgekommen und das ist eigentlich das Schöne da dran.

Markus: Ja, dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen, zumindest von meiner Seite, ich weiß nicht, ob du noch was ergänzen möchtest.

Martin: Nein, eigentlich nicht.

Markus: Dann lass uns nochmal anstoßen, Prost! Genießt gerne auch die Biere, kann man ja überall bekommen.

Martin: Prost.

Markus: Prost und, ja.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 133 – Interview I mit Martin Knab, Altbraumeister der Brauerei Schlenkerla / Heller Bräu, Bamberg

In der neuesten Folge von BierTalk taucht Markus tief in die Welt des Brauwesens ein und interviewt Martin Knab, den erfahrenen Braumeister aus Bamberg. Der Podcast beginnt in der historischen Rauchbierbrauerei Schlenkerla, wo Martin seine beeindruckende Laufbahn von den Anfängen in Kaufbeuren bis zu den innovativen Entwicklungen in Bamberg erzählt. Dieser erste Teil des Gesprächs offenbart Martins frühe Leidenschaft für Bier und seine Entscheidung, Brauwesen zu studieren. Durch Ferienjobs in einer Brauerei lernte er das Handwerk praktisch kennen. Die Episode zeichnet auch Martins Weg durch verschiedene Brauereien nach, wobei er jeweils tiefgreifende technische und geschmackliche Verbesserungen einführte. Besonders interessant sind seine Anekdoten über die Herausforderungen und Veränderungen in der Brauindustrie, die historische und regionale Einblicke bieten. Die Geschichte schließt mit Martins Ankunft in Bamberg, wo er die Brauerei Schlenkerla prägte. Dieses Gespräch lässt Bierliebhaber tiefer in die faszinierende Welt des Bierbrauens eintauchen und weckt die Vorfreude auf den zweiten Teil des Interviews…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute der erste Teil einer spannenden Doppelfolge, wir befinden uns im Schlenkerla in Bamberg in der historischen Rauchbierbrauerei und treffen dort den Altbraumeister Martin Knab. Er ist derjenige, der zum Schlenkerla gekommen ist, als es dort grade mal drei Biere gab. In seiner Zeit hat sich dieses Portfolio vergrößert auf elf, heute sind es, glaube ich, 13 oder 15 Sorten, eine Menge. Und wir sind natürlich glücklich und froh, dass er mit uns ein bisschen seine Geschichte teilen will. In der ersten Folge, die wir jetzt gleich beginnen, werden wir uns einfach mal ein bisschen mit dem Anfang befassen, das heißt, wie ist der Martin in das Bierleben, in das Brauerleben gestartet und wie hat sich die Geschichte so weiterentwickelt, bis er dann nach Bamberg gekommen ist. In der nächsten Folge werden wir dann sehen, wie sein Wirken sich in Bamberg entwickelt hat, wie der Anfang im Schlenkerla war und vor allem, was er dann in seiner Zeit alles bewegt hat und letzten Endes, was danach auch schon wieder passiert ist. Also ihr könnte euch freuen und jetzt steigen wir ein mit dem Interview mit Martin Knab.

Markus: Ja, also, der kleine Martin, wann ist er auf diese Welt gekommen, was ist da passiert, wo war das?

Martin: Am 21. April 1956, übrigens genau 30 Jahre nach der Queen Elisabeth von England, bin ich in Kaufbeuren im Allgäu auf die Welt gekommen. Habe dann nach Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, 1975 Abitur gemacht und habe dann Brauwesen und Getränketechnologie in Weihenstephan studiert, nach der Ableistung meines Wehrdienstes.

Markus: Wie kam es dazu, dass du ausgerechnet Brauwesen dann studiert hast?

Martin: Ich habe ab meinem 16. Lebensjahr in der damaligen Rosen Brauerei in Kaufbeuren immer wieder Ferienarbeit gemacht. Das hat sich hauptsächlich da drauf erstreckt, dass ich beim Bierausfahren dabei war und mitgeholfen habe, dass es für die Fahrer nicht so schwer wird. Und in dann dadurch auch natürlich mit dem Bier in Berührung gekommen, habe das schätzen und lieben gelernt und habe dann eben entschieden, dass ich dieses auch studieren möchte, weil es auch meinen Neigungen sehr entgegenkam. Weil, meine Neigungen liegen halt nun mal bei Mathematik, Physik und Chemie, weniger bei den Sprachen, obwohl ich an einem normalen sprachlichen Gymnasium war.

Markus: Bei den Bierfahrern gab es da Personen, die dich auch ein bisschen beeindruckt oder vielleicht auch ein bisschen geleitet haben?

Martin: Ja, also einer war gelernter Brauer und der hat natürlich dann schon auch für den Beruf geworben. Der war auch immer nur aushilfsweise als Bierfahrer eingesetzt, wenn halt mal Not am Mann war. Und mit dem habe ich mich auch ganz gut verstanden und dann ist da so der Wunsch gekommen, dass zu machen. Was halt natürlich ein bisschen schwierig war, nach dem Abitur da noch eine mindestens zweieinhalbjährige Lehre anzuhängen und dann erst studieren, zumal der Wehrdienst auch noch dazwischengekommen ist. Dann wäre ich altermäßig ziemlich weit hinausgekommen. Dann habe ich das entschieden, dass ich das nicht mache, sondern studienbegleitend, dann immer wieder in den Ferien Praktika gemacht und so auch die Brauertätigkeiten auch gelernt habe, ohne jetzt einen richtigen Berufsabschluss da gemacht zu haben.

Markus: Also das war keine offizielle Lehre, sondern du hast halt immer wieder, wenn du Zeit hattest, wenn du Ferien hattest, warst du da.

Martin: Ja, ich war in den verschiedenen Abteilungen, habe da mitgeholfen und habe da natürlich auch Einblicke bekommen, was da so alles zu tun ist und habe das auch lieben und schätzen gelernt. Und das hat mir auch während meines Studiums sehr geholfen. Ich habe wirklich alles auch von der Pike auf gelernt, sogar das Mälzen, was jetzt nicht das Lieblingsfach sämtlicher Brauer ist.

Markus: Ja.

Martin: Ich war abgesehen davon auch Zeit meines Lebens immer Brauer und Mälzer, ja.

Markus: Ja und das heißt, war das dann so ein bisschen auch ein Sondermodel für dich, was die Brauerei dann gemacht hat, weil es jetzt eigentlich nicht normal ist, dass man sagt, jemand ist da immer wieder da?

Martin: Ich sage mal so, es war, ich habe ja der Brauerei auch einen Nutzen gebracht, ich konnte ja dann die Leute auch vertreten. Und es war eigentlich auch von der Studienordnung so vorgesehen, man konnte ohne Lehre das studieren, aber man musste natürlich die dementsprechenden Praktika vorweisen.

Markus: Und die haben dich auch ein bisschen bezahlt, also nicht nur in Bier?

Martin: Ja, ja, ja, ich habe schon ein bisschen Geld gekriegt auch noch dafür. Das hat mir natürlich auch geholfen, das Studium zu finanzieren, ja.

Markus: Apropos, wie war das damals mit dem Haustrunk? Also wie viel hat man damals so bekommen?

Martin: Das war ein Kasten in der Woche, ja. Den hat auch jeder gekriegt, also auch die vorübergehend Beschäftigten haben das bekommen. Und das war auch ganz gut, da habe ich auch meine Freunde immer ganz gut versorgen können.

Markus: Vielleicht ein kleiner Vorgriff, wie ist das heute?

Martin: Heute gibt es knapp zwei Kästen in der Woche für die Tarifbeschäftigten, das ist auch tarifvertraglich festgelegt. Und da kann man mit dem Freundeskreis auch immer wieder mal einen heben.

Markus: Also hat es fast so ein bisschen zugenommen. Finde ich interessant, weil man ja immer denkt, das ist vielleicht eher was, was man reduziert hat, ist dann eher was, wo man sogar mehr hat.

Martin: Genau, es ist eigentlich gleich geblieben. Ich meine, ich war damals ja kein Tarifbeschäftigter, drum habe ich einen Kasten gehabt, aber die anderen haben damals auch so. Steuertechnisch war es, glaube ich, 16 Liter in der Woche, ja, wenn ich das noch so richtig im Kopf habe, also knapp zwei Kästen Bier, ja.

Markus: Also auch auf jeden Fall …

Martin: Hat sich nicht geändert, das ist ja auch tarifvertraglich festgelegt, ja.

Markus: Ja und ist ja auch spannend irgendwie, wenn man sagt, okay, als Brauer, man hat eben neben dem reinen monetären Lohn auch noch den flüssigen Lohn. Und der ist natürlich auch dann ein bisschen davon abhängig, wie du performst, würde man heute sagen. Also wenn dein Bier gut ist, dann hast du was, wenn nicht so, dann hast du vielleicht ein Problem da.

Martin: Tja, da hat man ja selber die Hand drauf.

Markus: Allerdings. Ja, also dann hast du da studiert und, ja und dann, also war dann schon der Plan, da in Kaufbeuren in der Brauerei einzusteigen oder wie war das?

Martin: Naja, das war damals, ich bin 1981 fertiggeworden, es war nicht ganz einfach, die Beschäftigungssituation allgemein in Deutschland war nicht die beste. Und bei uns in unserer Branche war es natürlich auch geprägt durch Ausstoßrückgang, den wir ja heute immer noch zu beklagen haben. Aber die richtig fetten Jahre, um das mal etwas salopp auszudrücken, die waren einfach vorbei, ja, die Jahre, wo stetiges Wachstum in den Brauereien, die Zeit war vorbei. Die Brauereien haben gespart, es sind auch Betriebe geschlossen worden oder Betriebe, die haben funktioniert, einen Betrieb zugemacht und so weiter. Also diese ganze Problematik, die wir heute auch noch haben, die hat es damals schon gegeben. Und da war es also gar nicht so einfach, was zu bekommen und du musstest eigentlich auch vor allen Dingen als Absolvent nehmen, was halt der Markt grad geboten hat und wer dich auch haben wollte, ja. Das eine ist ja das, was der Markt bietet, aber das andere ist halt, man muss ja auch zusammenkommen irgendwie, ja.

Markus: Richtig. Ist auch ein sehr menschliches Thema natürlich auch. Und unterhält man sich da dann in Weihenstephan schon mal, wo man vielleicht hingeht, gibt es da vielleicht Connections, kommen da vielleicht Headhunter oder so, wie muss man sich das vorstellen?

Martin: Headhunter auf so junge Absolventen wahrscheinlich weniger, man muss ja auch erst Erfahrungen sammeln, ja. Man kommt aus der Uni raus, vollgestopft mit Wissen, was ja nicht verkehrt ist, aber so die Umsetzung in die Praxis, ja, dass man einfach nicht dauernd jetzt groß irgendwo nachdenken muss und Probleme hin- und herwälzen, sondern es muss eigentlich so eine Problemlösung, muss aus der Pistole rauskommen, ja. Das kannst du als Absolvent nicht, ja. Und da ist es ganz gut, wenn man eben da auch anfängt in Positionen, wo man nicht so an entscheidender Stelle sitzt. Also ich habe ja im Labor angefangen, das ist so die klassische Karriere, sagen wir mal so. Da konnte ich in Kaufbeuren in der Aktienbrauerei 1982 von Februar bis Ende November den Laborleiter vertreten. Weil die Aktienbrauerei hat damals eine Füllerei gebaut und da war der Laborleiter eigentlich mit der Baustelle ziemlich beschäftigt und dann hat eben der Vorstand von der Aktienbrauerei beschlossen, dass man eben da eine Aushilfe beschäftigt mit einem zeitlich begrenzten Vertrag. Und das habe dann zufälliger Weise ich bekommen. Und das ist mir eigentlich auch ganz gut zu pass gekommen. Ich musste mir erst einmal keine neue Wohnung suchen und konnte da wirklich gute Erfahrungen sammeln und auch ein paar neue Methoden einführen, grad was die Mikrobiologie anbelangt. Und, ja, nachdem der Vertrag Ende November ausgelaufen war, habe ich natürlich so ab September suchen müssen, wo gibt es was, ja. Und, ja, da gibt es halt nur eins, Brauwelt abonnieren und die Stellen und die Brauwelt von hinten rein lesen, weil die Stellenanzeigen hinten drinstehen, ne.

Markus: Okay.

Martin: Und, ja, da war eben dann irgendwann mal eine Stelle in Passau ausgeschrieben, in der Löwen Brauereien. Die hatten damals noch kein Labor, die wollten aber eins aufbauen und sie mussten eigentlich auch eins aufbauen, weil in der Größenordnung ohne Labor zu arbeiten, ist eigentlich Blindflug. Und das sollte man eigentlich vermeiden, dass man nicht von irgendwelchen Dingen überrascht wird, von denen man bis dahin keine Ahnung hatte, ja. Und das habe ich nach etlichen hin und her, die Stelle bekommen und, ach, da habe ich halt dann ein Labor aufgebaut, Labor gemacht und da auch wirklich etliche Schwachstellen aufdecken können und die haben wir dann auch beseitigen können, ja.

Markus: Das Thema Labor ist dann was, wo man im Studium wirklich gut drauf vorbereitet wird?

Martin: Da wird man gut vorbereitet drauf und das macht schon im Hauptstudium einen Großteil aus, sowohl die chemisch-technische Analyse als auch die mikrobiologische Analyse. Und das ist schon ein Werkzeug, mit dem kann man hantieren. Und es sind ja auch viele meiner Kollegen zum Beispiel in der pharmazeutischen Industrie tätig, weil sie eben ein wirklich solides mikrobiologisches Fundament haben, auf dem sie aufbauen können. Und es ist ja im Prinzip wurscht, mit welchen Mikroben man hantiert, man muss wissen, was sie machen, man muss wissen, wie man sie behandelt und man muss wissen, wie man auch diejenigen fernhält, die man nicht haben möchte, ja.

Markus: Ja, das wollte ich grade fragen, wenn jetzt jemand dabei ist, der zuschaut, zuhört und sich überlegt, okay, Labor, Brauerei, Reinheitsgebot, warum eigentlich oder so? Also man kennt vielleicht die Hefe, die ist wahrscheinlich eher was Gutes, aber was heißt das, also was ist so ein Alltag im Labor, warum ist man da überhaupt?

Martin: Ja, es gliedert sich auf in die mikrobiologische Analyse und die chemisch-technische. Die chemisch-technische ist manchmal apparativ ein bisschen aufwendig, die rentiert sich nur für ganz große Brauereien. Aber man kann ja bestimmte Untersuchungen auch weggeben an Labore, die sich da drauf spezialisiert haben und die das auch in Massen machen können, wo dann der finanzielle Aufwand sich in Grenzen hält. Bestimmte Sachen kann man natürlich selber machen, Stammzellenvergärung und solche Sachen. Das sind ja auch wichtige Parameter, mit denen man hantieren muss. Und, ja, die Mikrobiologie, da kann man aber sehr, sehr viel selber machen und es geht halt schon los bei der Hefe. Die Hefe ist natürlich unsere wichtigste Mitarbeiterin und die sollten wir auch sehr, sehr pfleglich behandeln, tun wir ja auch und die soll man nicht zu sehr ärgern und man soll auch schauen oder man muss auch schauen, dass sie rein bleibt. Das heißt, dass eben keine anderen Mikroorganismen sich da einschleichen. Und die kann man eigentlich schon ab relativ geringen Konzentrationen nachweisen, das geht über bestimmte Anreicherungsmethoden. Und das sind hauptsächlich Milchsäurebakterien, die uns da Ärger bereiten können. Und wenn man die halt früh genug entdeckt, dann weiß man auch, dass man solche Chargen separieren muss, die muss man beobachten und dann kann man immer noch entscheiden, was man damit macht. Man wird in der Regel nie ein Bier wegschütten müssen deswegen, aber man muss halt schon gucken, was kann ich noch machen damit, ja.

Markus: Und war das damals noch so, dass man die Hefe häufiger geführt hat als heute, hat sich da was verändert oder ist das ungefähr gleich geblieben?

Martin: Man hat sie damals vielleicht ein bisschen häufiger verwendet, aber man kann also merken, wenn eine Hefe sieben-, acht-, neunmal gegangen ist, durch eine Gärung durch, dann schwächelt sie ein bisschen. Dann lässt die Gärleistung nach, dann ist auch das Aromaprofil nicht mehr das Beste und dann sollte man sie auch wechseln. Man hat früher öfters mal so 12-, 15-mal die Hefe geführt und da macht man heute eigentlich nicht mehr, zumal man auch andere Methoden hat. Man kann ja über Propagation oder Assimilation sich ständig neue Hefe herziehen und die dann mit der Betriebshefe mischen. Das ist eigentlich das Beste, was man machen kann. Und dann kann man die führen, sechs-, sieben-, achtmal und man hat immer genug Hefe da, weil sich die Hefe ja während der Gärung auf das Drei- bis Vierfache ihres Volumens vermehrt und da hat man dann natürlich immer im Überschuss, ja.

Markus: Ja, insofern noch ganz kurz zurück zu Kaufbeuren, Aktienbrauerei. Da ist mir persönlich sehr in Erinnerung der Doppelbock. Gab es den damals schon?

Martin: Ja, den gab es damals schon. Wobei der bekanntere Doppelbock in Kaufbeuren war der von der Rosen Brauerei, der hatte den Namen Buronator. Buron ist die lateinische Schreibweise von Kaufbeuren, ja. Und Buronator, Ator hintendran, sind immer Doppelböcke und es war ein dunkler Doppelbock in einer 0,5-Liter-Steinflasche, sehr seltene Flasche, die dann auch noch mit Alufolie den Kronkorken zugemacht hat. Und da haben wir noch einen aus Spritzgussmaterial-gefertigtem Bock angehängt.

Markus: Ach, Wahnsinn!

Martin: War schon ziemlich aufwendig, ja.

Markus: Ja, na, das kennen wir ja eigentlich nur noch von der Ayinger Brauereien, die ja hier so einen kleinen Plastikbock dran hatten, also mittlerweile ist das ja auch Geschichte. Wobei, den Buronator macht jetzt heute aber die Aktienbrauerei.

Martin: Den macht die Aktienbrauerei, weil die ja die Rosen Brauerei Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre, soweit ich das noch im Kopf habe, übernommen hat, weil da hat es ein bisschen wirtschaftliche Schwierigkeiten gegeben.

Markus: Naja, ist ja immer nicht so einfach. Okay, dann gehst du nach Passau. Wunderschöne Stadt, 3-Flüsse-Stadt, auch tolle Brauereien. Ich selber war mal in Hacklberg, in diesen ganzen Kellern, die da noch so sind und so, also wirklich sehr beeindruckend. Da lebt es sich auch schön, oder?

Martin: Da lebt es sich gut, da habe ich auch meine Frau kennengelernt. Und, ja, aber nach achteinhalb Jahren war dann Zeit für Veränderung da und dann habe ich eben geschaut, wo gibt es denn was? Und dann war Nürnberg, die Tucher Brauerei, die hatten da auch für das Labor wieder jemand gesucht. Und da habe ich das mikrobiologische Labor geleitet dann, ein Jahr lang aber nur. Habe aber auch zugleich Aufgaben, Planungsaufgaben bekommen. Das war ganz gut, weil es einfach das erste Mal, dass ich ein Projekt auch durchziehen musste. Das war die Weißbierproduktion zu vereinheitlichen und dann auch zusammen mit dem Vorstand natürlich festzulegen, was brauchen wir dafür noch alles und wie können wir das auch wirtschaftlich machen. Das hat mir schon geholfen, so mal zu schauen, was muss man eigentlich machen, wenn du was baust, ja. Weil, das kriegst du im Studium auch nur theoretisch erklärt, ja und wenn du das praktisch machst, ist was vollkommen anderes, ja.

Markus: Und dann sind da ja in Nürnberg diese Franken. Das war doch für dich dann schon ein gewisser Kulturschock, oder?

Martin: War ein Kulturschock, ja. Aber dadurch, meine beiden Eltern sind Franken, ja …

Markus: Ah okay, gut.

Martin: … war der Kulturschock nicht allzu groß. Wobei, die Menschenart ist halt im Allgäu aufgewachsen und die Sprache war dann schon sehr gewöhnungsbedürftig. Wobei jetzt, wenn ich mit meinen alten Freunden rede, sagen sie immer, du redest ja Fränkisch, ja. Also die Konsonanten werden immer weicher, ist so, ja.

Markus: Es mischt sich, ja. Ja, also das heißt, du näherst dich immer mehr Bamberg an.

Martin: Ja.

Markus: Das ist natürlich schon schön. Die Tucher Brauerei hat ja auch eine sehr, sehr große und langjährige Geschichte und Tradition.

Martin: Richtig, ja.

Markus: Großes städtisches Brauhaus, auch eins der Ersten, der Ältesten, auch mit Weißbier zum Beispiel.

Martin: Richtig, ja.

Markus: Ja, warst du da noch in diesem alten ehrwürdigen Zwei … nicht Zweistädtesudhaus, in diesem großen, wo die beiden zusammen waren, das Reif Bräu und da Tucher?

Martin: Ja, das war am Schillerplatz …

Markus: Genau.

Martin: … also im Nürnberger Norden. Und ein wunderschönes Sudhaus, ja. Das Gebäude steht auch heute noch.

Markus: Ja.

Martin: Das ist auch denkmalgeschützt, soweit ich weiß, ja. Und das waren wirklich zwei Brauereien, die so Rücken an Rücken gebaut sind und der Lagerkeller war das verbindende Element. Alles ziemlich altertümlich noch, ja, lauter Aluminiumtanks, riesen Dinger und mit Raumkühlung, also nicht grad optimal, aber es ging. Und ich war ja 1990 dort, das war das Jahr des größten Ausstoßes der Tucher, soweit ich das noch im Kopf hab, weil das war das Jahr der Grenzöffnung natürlich und wir haben lastenwagenweise Bier in die neuen Bundesländer geliefert. Ich bin dann auch von der Tucher aus in zwei Brauereien geschickt worden, wo man gemeint hat, man könnte da kooperieren. Es ist aber beiden nix geworden. Ich glaube, die Tucher weint dem auch keine Träne nach. Ja und dann hat sich aber relativ zufällig was ergeben, ein Studienkollege von mir war in der Landesgewerbeanstalt, in der Versuchsanstalt für Bierbrauerei und der hat mir gesagt, du, horch her, ich höre da auf, willst du meinen Posten übernehmen? Da habe ich natürlich auch das übliche Bewerbungsverfahren durchlaufen, aber dadurch, dass ich natürlich ein bisschen eher was gewusst habe, habe ich die Nase vorne dran gehabt ein bisschen und war auch mit Abteilungsleiter bekannt, weil der ist einmal im Jahr nach Passau gekommen, von daher hat man natürlich da schon Kontakte gehabt. Und, ja, dann habe ich da als Betriebsberater angefangen 1992.

Markus: Das ist ja interessant, hat Professor Narziß auch mal gemacht, ne.

Martin: Ja, der hat dann auch, wie er das spitzgekriegt hat und dann hat er mich irgendwann mal in Weihenstephan getroffen und da sagt: „Ach, jetzt sind wir ja Kollegen.“

Markus: Ja, der hat mal erzählt, wie er damals mit seinem ersten Auto da immer rumgefahren ist und so. Der war ja kurz nach dem Krieg dann da und das war schon interessant auch.

Martin: Nur mit dem Unterschied, der Professor Narziß hat da natürlich seine Doktorarbeit geschrieben dort, zu sowas bin ich nie gekommen.

Markus: Ja, Prost.

Martin: Prost.

Markus: Vielleicht noch kurz zu Tucher, also das alte Sudhaus kann man heute noch oder wieder besichtigen, sehr, sehr schön. Dort haben sie eine kleine Brauerei noch mit reingestellt, die sie am Brombachsee von einer Brauerei übernommen haben und dort machen sie jetzt das Nürnberger Rotbier mit Holzfasslagerung von einem Doppelbock. Sehr spannend, wenn ihr das mal anschauen wollt. Und gegenüber ist die Schiller Klause, ein wunderbarer Hort der Gastlichkeit, wo ich immer wieder gerne hingehe. Die unter anderem auch ihren Eierlikör selber machen. War das damals auch schon so?

Martin: Nee, die Schiller Klause, die kenne ich gar nicht. Also die …

Markus: Oh! Dann …

Martin: Wobei, ich bin in Nürnberg, ich war kaum in irgendwelchen Kneipen gegangen, weil da waren dann die Arbeitstage schon ziemlich lang. Und ich habe damals auch noch Handball gespielt, da bin ich dann ins Handballtraining gegangen und dann habe ich lieber mit meinen Mannschaftskameraden im Vereinsheim noch einen getrunken und dann bin ich wieder Heim. Aber so, normalweggegangen kaum, also höchstens, wir sind mal zum Essen gegangen oder sowas, ja. Weil, die ersten paar Jahre in Nürnberg war ich alleine, die Frau noch in Passau und immer so gegenseitig gependelt. Und, ja, dann war natürlich unter der Woche wenig mit aus der Stadt.

Markus: Also warst du ein braver Ehemann, der dann eher …

Martin: Natürlich, ja.

Markus: … Zuhause geblieben ist und so, genau.

Martin: Ja, ich war ja die meiste Zeit eh in der Brauerei, von daher war es wurscht.

Markus: Okay. Ja und dann Betriebsberater, hat dich das dann wieder nach Passau zurückgeführt, oder?

Martin: Nein. Also wir haben da keine festen Gebiete gehabt, ich war ein paarmal in Niederbayern auch, aber ich bin auch nach Baden-Württemberg rüber gekommen und nach Thüringen auch. Und das war eigentlich sehr interessant, weil da hast du dann erst gemerkt, was haben die kleinen Brauereien eigentlich so für Probleme, ja. Und das war eigentlich ganz gut, konnte man viele lösen, ja und auch mit einfachsten Mitteln. Und das war auch eine Zeit, diese sechs Jahre, wo ich in der Betriebsberatung da war, das war eine Zeit, wo ich viel gelernt habe auch. Weil, wenn du viele Betriebe siehst, lernst du natürlich auch viel, ja. Wenn du nur einen Betrieb siehst, weißt du auch nur, was der so macht.

Markus: Richtig.

Martin: Aber es gehen viele Betriebe die Dinge ganz unterschiedlich an. Und das ist ja auch das Spannende bei der Brauerei, ja. Das ist ja nicht wie beim Metallverarbeiter, ja, da kann man Schema F machen, ne, muss man ja …

Markus: Ja, eben.

Martin: … sonst kommt nix Gleiches raus, ja.

Markus: Genau und Bier ist eben nicht Bier. Lass uns nochmal anstoßen und dann können wir ja mal schauen, prost, wie die Geschichte gleich weitergeht. So, ja, wir waren bei der Betriebsberatung angekommen und haben vorher auch schon ein bisschen drüber gesprochen, dass du auch über die Grenze geschaut hast. Das finde ich noch interessant. Was hat man denn so in den 90ern erlebt, wenn man da so rübergefahren ist in die neuen Bundesländer. Also ich habe selber ja mal ein Buch geschrieben über die Brauereien in Sachsen und Thüringen, ein paar Jahre später, aber die haben mir natürlich alle ihre Geschichte erzählt und grade eben die vielen Unmöglichkeiten, Unwägbarkeiten, die so Ende der DDR-Zeit alle aufgekommen sind. Du hast das ja hautnah erlebt dann, ja.

Martin: Die waren Weltmeister im improvisieren, das muss man einfach schon sagen, weil, DDR war einfach Mangelwirtschaft, ja. Und die mussten halt mit dem wenigen, was sie zugeteilt bekommen haben, irgendwie zurechtkommen, ja. Es hat ein paar privilegierte Brauereien gegeben wie die Wernesgrüner zum Beispiel, weil die haben für den Export gebraut, damit die DDR ein paar Devisen kriegt, ja, die Radeberger auch, ja. Also es waren da so ein paar Leuchttürme, waren ja da, aber der Rest, der die Bevölkerung zu versorgen hatte. Und das war wirklich so, sie hatten sie zu versorgen, ja, also sie hatten nicht das, was es in Westdeutschland gegeben hat, in der Bundesrepublik, den Konkurrenzdruck, sondern die hatten den anderen Druck, sie mussten die Bevölkerung versorgen. Und jetzt, wie das System umgeswicht ist, sind die natürlich ins kalte Wasser geschmissen worden, ja und zwar ins fürchterlich kalte Wasser, ja. Also da hat es auch menschliche Schicksale gegeben. Aber es hat natürlich auch Leute gegeben, die genau sowas sich gewünscht haben und die halt ein bisschen ein Stehvermögen gehabt haben und sich da auch durchgekämpft haben. Und es ist ja auch viel mit Kooperationen, mit bundesrepublikanischen Brauereien gegangen, die da auch mit investiert haben, die auch zum Teil Betriebe gekauft haben. Wobei das nicht die Königslösung war in jedem Fall. Aber so Kooperationen hat es gegeben und da ist dann schon eigentlich ganz gut was entstanden in Thüringen und Sachsen, wo ich jedenfalls hingekommen bin.

Markus: Ja, also das habe ich auch so erfahren, das also diese schnellen Aufkäufe, wo dann der kleine westdeutsche Brauereibesitzer zu einer großen ostdeutschen Brauerei gefahren ist und die dann mal eben so gekauft hat, das hat in der Regel nicht funktioniert, muss man sagen. Und es kam halt auch noch dazu, das eigentlich ja ein bisschen unfair auch das Verhalten der Bevölkerung dort ja so war, dass man von einen Tag auf den anderen dem bekannten Produkt nicht mehr vertraut hat und die wollten alle das West-Bier haben. Da kam dann noch mit dazu, das die Ost-Biere halt stammwürzemäßig runtergegangen sind, dass man schon seit vielen, vielen Jahren das Problem hatte, das viele Biere schlecht waren, dass man die grünen Flaschen gar nicht genommen hat, Trübe generell ein negatives Merkmal war. Und dementsprechend einfach wirklich diese Bindung, die wir hier so haben, also zu unseren lokalen Brauereien, das hat da jetzt nicht stattgefunden, erstmal also, ja.

Martin: Das ist ziemlich abrupt sogar abgeschnitten gewesen. Das war ja auch zu meiner Tucher-Zeit noch so, da war ja die Grenzöffnung grad ganz neu und da konnten man einfach fast jedes West-Bier rüberfahren. Warum? Weil es auch nach vier Wochen in der Flasche immer noch klar war und nicht trüb geworden ist, wie die da drüben. Ich möchte also den Kollegen im Osten da keine schlechten Noten ausstellen, sie hatten einfach auch nicht die Möglichkeiten, ne.

Markus: Richtig, ja.

Martin: Und da haben wir dann in einer Brauerei, ich weiß noch, da bin ich von der Tucher aus rübergeschickt worden, den Namen sage ich jetzt nicht, ja, da waren die hygienischen Verhältnisse, sagen wir mal, durchaus verbesserungswürdig. Und da haben wir einmal einfach die Brauerei von oben bis unten mit einem Desinfektionsschaum eingesprüht, den einwirken lassen und schon war ein ganz anderer Geruch da in dem Gebäude drin, ja. Und dann haben wir uns halt die einzelnen Produktionsschritte vorgenommen und haben dann da Verbesserungen gemacht und dann war das Bier dann auch plötzlich wieder um einiges besser. Aber insgesamt die technische Ausstattung auch dieser Brauerei war zum Teil, ja, miserabel.

Markus: Ja, die sind ja im Grunde stehengeblieben mit dem Zweiten Weltkrieg …

Martin: Richtig.

Markus: … weil sie dann abgeschnitten waren von aller Versorgung, was sie eben vorher hatten, weil einfach die Betriebe plötzlich außerhalb der Landesgrenzen waren. Und, ja und dann eben noch das Thema, dass man diese Brauereien zu den Kombinaten zusammengefasst hat und …

Martin: Richtig, richtig, ja, diese Getränkekombinate, ja.

Markus: Ja, das ist auch eine spannende Geschichte, die wir jetzt heute nicht ewig behandeln. Aber es ist auf jeden Fall sehr interessant, weil es trotzdem spannend ist einerseits, wie diese Bierkultur überlebt hat in manchen kleinen Betrieben, was sie dann auch teilweise für museale Brauereien erhalten hat. Also als ich drüben war, da gab es noch welche, die mit Dampfmaschinen gearbeitet haben, mit Kühlschiff, mit Berieselungskühler, wie man sich das vorstellt. Und natürlich auch die ganze Geschichte um den Elbe-Saale-Hopfen, der ja gemacht worden ist, um die DDR zu versorgen und deswegen heute Deutschlands zweitgrößtes Hopfenanbaugebiet ist, auch aus politischen Gründen, also sehr interessant auf jeden Fall. Aber gut, als du gehst dann weiter und wie ziehen sich die Kreise enger Richtung Bamberg zusammen?

Martin: Naja gut, dadurch, dass ich in der Landesgewerbeanstalt war, habe ich natürlich vieles mitbekommen, was in der Brauerszene so abläuft, auch so das Stellenkarussell natürlich, ja. Und ein Kollege von mir, der war da mal in Kutzenberg in der Lungenklinik gelegen und den habe ich dann besucht einmal, weil ich da zufälligerweise in der Ecke zu tun hatte, ja, ja, komm, schaust du bei ihm vorbei. Und dann hat er zu mir gesagt: „Herr Knab, wissen Sie jemand, der der Nachfolger für den Braumeister im Schlenkerla machen kann?“ Da habe ich kurz überlegt, sage ich: „Ja, da würde ich jemanden kennen.“ Ja wen? Da sage ich: „Der steht vor Ihnen.“

Markus: Perfekt! Sehr gut.

Martin: Ja und dann hat er gemeint, ja, dann müssen Sie sich halt drum kümmern, ja. Ja, dann habe ich angerufen, also einen Tag drauf habe ich dann angerufen hier und dann haben wir da relativ schnell Termin ausgemacht gehabt und haben da, ich glaube, drei Stunden lang, uns unterhalten. Haben wir auch den Betrieb natürlich angeschaut und dann habe ich schon gewusst, da kann man was machen, ja.

Markus: Hast dich verliebt da.

Martin: Da sind auch die nötigen finanziellen Mittel da, dass man auch investieren kann, ja. Und das ist ja, da dran krankt es bei vielen kleineren Brauereien, dass die einen Investitionsstau haben und dann einfach nicht mehr wissen, wo sie anfangen sollen, ja. Also man muss schon ständig irgendwas machen. Und da war auch die Bereitschaft da, etwas zu machen, ja.

Markus: Finde ich sehr interessant, also weil, ich meine, heute, klar, heute kennt jeder Schlenkerla, auch international, das ist eine große Marke, das ist interessant, auch hier in der Wirtschaft ist eigentlich immer was los. Wenn ich mich erinnere, so in den 90ern, da war ich grade im Bamberger Domchor, war grade so im Männerchor angekommen, in einem Alter, wo man dann jeden Sonntag nach der Messe oben im Dom runter ist und hier Frühschoppen gemacht hat und so.

Martin: So die Stimmen ölen, ja?

Markus: Genau, ja, also dann im Nachhinein geölt, aber auch egal. Und das war immer sehr, sehr schön und auch beeindruckend. Trotzdem habe ich das wirklich noch sehr, sehr, ja, konservativ oder halt so in Erinnerung, wie man es jetzt aus, es gibt ja so einen historischen schwarz-weiß-Film noch vom Schlenkerla ….

Martin: Ja, mit dem Lohmeyer, ja.

Markus: Mit dem Lohmeyer, genau, das ist sehr in …

Martin: Genau, den kenne ich auch, ja.

Markus: Und so habe ich das, ehrlich gesagt, auch noch in Erinnerung. Und hatte das damals schon einen überregionalen Stellenwert oder war das noch eher noch so ein Geheimnis, Schätzchen, wie auch immer?

Martin: Also international waren wir damals schon, zwar nicht in dem Umfang wie jetzt, aber so ein paar Kunden im Ausland hatten wir schon, ja. Vor allen Dingen im europäischen Ausland, aber wir hatten auch einen in den Vereinigten Staaten schon, der hat aber bloß so zweimal im Jahr was abgerufen, ja. Und das hat sich dann erst ziemlich deutlich geändert, wie der Junior Matthias Trum dann übernommen hat im März 2003, aber bis dahin, ich habe am 01.07.97 hier angefangen, hat man eigentlich da bedient, was zu bedienen war, aber so riesen große Aktionen, um neue Kunden zu generieren, die sind nicht so gelaufen, ja.

Markus: Weißt du noch, wann du dein erstes Rauchbier getrunken hast?

Martin: Ja, das weiß schon. Das war 1980 …

Markus: Oh! Okay.

Martin: … während dem Studium. Da habe ich eine Zeitlang mit einem Kommilitonen aus Schweinfurt zusammengewohnt und wir hatten es immer so gemacht, wenn einer Heim gefahren ist, also in die Heimatgegend, dann hat er einen Kasten Bier mitgebracht, also irgendeins, musste nicht immer der gleiche sein. Und den haben wir dann zusammen vernichtet. Und da hat der Harald, so hat der geheißen, der hatte einmal einen Kasten Schlenkerla da mitgebracht gehabt. Und da hocken wir abends da in der Küche zusammen und machen das Erste auf und ich trinke das und sage: „Harald, den Kasten, den kannst du alleine trinken.“ Ja, also das war wirklich ein Kulturschock, ein richtiger Kulturschock. Aber ich bin dann in LGA wieder mit dem Bier in Berührung gekommen, weil Schlenkerla war ja Kunde von uns und wir mussten dann natürlich auch immer wieder Biere verkosten. Und da habe ich mich dann so allmählich heran gerobbt, an dieses Bier.

Markus: Was hättest du dem Harald damals gesagt, wenn er dir gesagt hätte, pass auf, da wirst du mal Braumeister.

Martin: Du spinnst wohl.

Markus: Ja, als dann näherst du dich der Sache. Und wie, heute würde man ja sagen, das Onboarding, also wie ging das so, als du hier in Bamberg ankamst, mit der Stadt, mit der Brauerei, wie bist du da so warmgeworden, war das easy, war das schön oder war das auch ein bisschen holprig?

Martin: Also die Stadt war mir ja nicht unbekannt. Wir sind 1994 in unser Haus in Hirschaid eingezogen, da waren wir ja ein bisschen außerhalb, ja und von daher waren wir auch immer wieder Mal an Wochenenden hierhin, haben so die Stadt erkundet. Und sie gefällt uns beiden natürlich, ja und von daher war die Stadt kein Fremdkörper für mich, ja. Bei der Brauerei, gut, da musste ich natürlich, als kleine Brauerei, musste ich die Leute kennenlernen. Und da gibt es halt solche und solche Typen, immer, ja. Also der Oberbrauer, der dort tätig war, mit dem habe ich sehr gut zusammengearbeitet, der ist leider schon verstorben. Und der war die Ruhe selbst, ja und hat so Seins vor sich hingemacht. Und den habe ich dann auch immer wieder gefragt, wie ist das do so vom zeitlichen Ablauf, welche Organisationsstrukturen da, ja. Weil ich habe mir ja den Übergang so vorgestellt gehabt, mein Vorgänger hört auf, am 30.06. und ich fange an am 01.07.. Nicht, dass ich was gegen meinen Vorgänger habe, mit dem verstehe ich mich heute noch gut, ja, der war lange Zeit mein stellvertretender Vorsitzender im Museumsverein, ja. Aber ich wollte einfach nicht das eins zu eins weitermachen wie bisher, sondern einfach die Leute fragen, was war, wie habt ihr es gemacht und was meint ihr, könnte man anders machen, ne? Und letztendlich haben wir erst einmal nicht viel geändert, weil man nicht viel ändern musste auch, ja, die Organisation war ganz in Ordnung. Es war ein relativ festgegossenes Schema, das beim damaligen Ausstoß auch durchaus praktikabel war, ja. Und das ging auch fünf Jahre, ja, wo der Ausstoß immer so blimblim, in der Lage war, ja, das ging eigentlich erst los, wie dann der Matthias drüben übernommen hatte. Weil, der hat das Potenzial schon gesehen und war auch durchaus gewillt, dieses Potenzial zu heben, ja und da gingen dann natürlich auch die größeren Investitionen los. Bei seinem Vater haben wir natürlich auch Investitionen gemacht. Das Erste, was wir gemacht haben, war ein neuer Flaschenfüller, weil der alte war wirklich untragbar. Und das war ein riesen Act, ja. Aber das geht halt auch nur, wenn eine Brauerei gesund ist, ja. Es müssen die Mittel da sein, das man investieren kann, ansonsten geht das nicht, ja.

Markus: Ja und man muss auch sehen hier, das war auch eine Zeit, wo auch Bamberg so ein bisschen aufgewacht ist. Also da …

Martin: Richtig, ja.

Markus: … wurden wir Weltkulturerbe, da hat man überhaupt auf dieses Thema Tourismus angefangen mehr Wert zu legen. Die Gastronomie hat sich dem auch ein bisschen gestellt.

Martin: Richtig.

Markus: Also da war dann auf einmal auch so was eine Brauerei und noch dazu eine weltweit einzigartige Brauerei, zumindest also Brauereiart, die es nur in Bamberg zweimal gibt, aber im Grunde halt einzigartig ist. Das war einfach ein Pfund, wo dann auch wirklich die Bamberger und auch die Offiziellen und alle da ganz anders damit umgegangen sind. Also das war sicherlich auch was, wo man dann diese positive Aufwertung und Wertschätzung irgendwie so ein bisschen mitnehmen kann, denke ich.

Martin: Das ist vollkommen richtig, also dieses Alte, das Honorige, das man in dem Film vom Lohmeyer noch durchaus betont sogar, ja, das war doch jetzt hier verschwunden. Und da hat mit Sicherheit der Weltkulturerbetitel viel dazu beigetragen und der damit einhergehende Boom des Tourismus, ja. Da bin ich schon fest überzeugt davon, dass das eigentlich so der Schalter war, der umgelegt werden musste, damit das etwas verschnarchte Bamberg weltoffener wird.

Markus: Das stimmt.

Martin: Und das sieht man jetzt heute, die letzten 20 Jahre schon eigentlich überall, ja, da ist nix mehr so ein bisschen, die deutschen Kleinstädter, ja. Das ist nicht mehr da, es ist eine Weltstadt geworden, ja.

Markus: Das stimmt, ja. Nee, also auf jeden Fall, der Austausch ist größer, insgesamt also. Genau, wir kommen jetzt auch gleich noch ein bisschen zu den Bieren. Eine Frage nochmal vorweg, und hast grade so nebenbei gesagt, du bist dann 94 nach Hirschaid gezogen. War das dann schon eine bewusste Entscheidung, also war das da noch in dieser Gewerbegeschichte oder wie …

Martin: Da war ich natürlich noch in der Landesgewerbeanstalt. Aber meine Frau, die ist Bibliothekarin, die hat sich dann 92 nach Bamberg versetzen lassen …

Markus: Aha.

Martin: … ja und ich war in Nürnberg beschäftigt und dann haben wir gesagt: „Ja, dann müssen wir an der Bahnlinie zwischen Bamberg und Nürnberg was finden.“ Weil, also Maßgabe war, wir bleiben bei einem Auto. Wir haben nie mehr als ein Auto gehabt, ja und da haben wir auch immer hingekriegt, ja. Und das ich eben mit dem Zug nach Nürnberg fahren kann oder wenn ich das Auto brauche, weil ich ja auch im Außendienst unterwegs war, dass sie mit dem Zug nach Bamberg fahren kann also. Und das war eigentlich die Entscheidung für Hirschaid. Wenn ich gewusst hätte, das ich irgendwann mal in Bamberg lande, dann hätten wir uns natürlich hier gleich eine Bleibe gesucht, das ist klar, aber das kannst du nicht riechen, sowas, ja.

Markus: Nee. Und da seid ihr heute noch?

Martin: Da sind wir heute noch. Und ich meine, wenn man ein eigenes Haus hat, da bin ich halt auch nicht so wie die meisten Amerikaner, denen das ja scheißegal ist mehr oder weniger, bin ich heue hier, bin ich morgen da, Hütte verkaufen, dort wieder eine kaufen. Also da sind die Deutschen auch durchaus anders gestrickt, ja.

Markus: Ja, okay, dann sagen wir mal wieder Prost …

Martin: Ja, Prost.

Markus: … und widmen uns dann den Bieren. Ja, jetzt haben wir grad drüber gesprochen, ihr in Hirschaid, euer Häuschen, deine Frau in Bamberg als Bibliothekarin sozusagen. Was hat sie denn überhaupt zu dem Ganzen gesagt, also als sie dich kennengelernt hat und gesagt, Mensch, der ist Brauer, lächelt eine Frau da oder hat sie da Angst oder wie ist das?

Martin: Nee, Angst hat sie keine gehabt. Nö, das war eigentlich, war alles in Ordnung. Und die hat dann natürlich vielleicht auch entdeckt, dass ihr das Bier auch schmeckt.

Markus: Ah ja. Also ihr trinkt gerne auch mal eins gemeinsam?

Martin: Ja, natürlich, natürlich, ja.

Markus: Sehr schön. Und sie war dann schon immer in dem Buchsektor sozusagen, Bibliothekswesen tätig?

Martin: Ja, das hat sie nach dem Abitur, die Ausbildung gemacht in der Bayrischen Staatsbibliothek, glaube ich, ist. Aber frag mich sowas nicht so genau, das ist nicht …

Markus: Nein, nein, nein. Aber ist ja interessant, also weil, letzten Endes sind es ja auch Lebenswege, die zusammenkommen und dann auch zusammen weitergehen.

Martin: Ja, ja.

Markus: Und man erlebt es ja oft bei vielen Leuten, dass sich das dann auch wieder ein bisschen auseinander entwickelt. Und es ist, glaube ich, viel Arbeit, dass man eben sagt, man bringt das ein Leben lang zusammen. Das, finde ich, ist schon auch eine Leistung irgendwie, ne?

Martin: Ja, ich sage mal so, viel Glück dabei und, ja, man muss ein bisschen tolerant sein von beiden Seiten und dann geht das auch. Und, ja, ich sage ja immer, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich und dann kommt man auch immer wieder zusammen, dann ist es auch gut, ja. Und was ich halt so feststelle, das ist jetzt gesellschaftspolitisch ein bisschen, dass die Leute auch kein Durchhaltevermögen mehr haben. Da tauchen die ersten Schwierigkeiten am Horizont auf, push, geht man auseinander, ja. Also finde ich nicht gut, die Entwicklung, ja. Und das ist überhaupt, das überträgt sich dann auch auf die ganze Gesellschaft. Wir leben ja inzwischen in einer Empörungsgesellschaft, dass es alles zu spät. Und da hält keiner mehr irgendwas aus, sondern die Regierung muss weg, dann kommen die anderen, die Regierung muss auch weg, ja. Und, gut, die asozialen Medien tun ihr übriges, ja. Aber die Leute haben, glaube ich, viele nicht einmal irgendein Ziel mehr vor Augen, wo sie sagen können, da möchte ich irgendwann mal hinkommen, sondern mal so, mal so, mal so, mal so. Und immer so dieser leichte Erfolg, der einem ja von vielen Influezerinnen vor allen Dingen vorgegaukelt wird, den gibt es nicht, ja.

Markus: Klar. Ja, mir ist das neulich so bewusst geworden, da habe ich einen Artikel gelesen, da ging es drum, dass bei einer ganz normalen Firma, die jetzt halt mit den aktuellen Zeiten ein bisschen zu kämpfen hat, einfach ein Berater angerufen hat und gesagt hat: „Naja, also ihr seid ja da, aber ihr habt jetzt grade schwere Zeiten. Wie wäre es denn, wenn ihr Insolvenz anmeldet, dann machen Sie persönlich als Inhaber am Ende daraus mehr Gewinn, als wenn Sie das weiterführen.“ Und das ist so das Denken, was dahintersteckt, wenn man überlegt, so eine Brauerei, die ja halt seit 10, 15 Generationen existiert, die lebt ja davon, dass es Zeiten gibt, in denen man eben investiert oder zubuttert oder eben auch eben nix rausziehen kann und dafür gibt es dann wieder Zeiten, wo andere davon vielleicht profitieren. Aber man nimmt dieses Unternehmen als, sage ich mal, wie so ein Lebewesen auch wahr, dem man immer was gibt und was nimmt und wo das eben Hand in Hand ist. Und es war anderes ist, als wenn ich sage, in dem Moment, wo es mir nix mehr bringt, schmeiße ich es weg. Und das ist, glaube ich, grade für Brauereien auch ein Thema, grade wo wir über Schlenkerla und drüber reden, dass die da eben noch Investitionsmöglichkeiten immer hatten. Das ist einfach die Kunst, glaube ich, als Unternehmer, das wirklich auch zu leben und mit diesem Unternehmen gemeinsam zu existieren, so gesagt.

Martin: Ja, ja, ich meine, das gab es ja im Altertum schon, ja, siehe Bibel, Altes Testament, die sieben fetten Jahre, die sieben mageren Jahre, ja. Damit haben die Ägypter auch auskommen müssen, ne. Sind sie ja auch.

Markus: Sind sie auch, genau.

Martin: Aber bei uns muss immer alles nur so nach oben gehen, ja und wenn das nicht der Fall ist, dann gehören die da oben alle weg, ja. Und die anderen machen es auch nicht besser, ja, also.

Markus: Ja.

Martin: Das sind halt nun mal, wir haben gewisse Rahmenbedingungen, in denen bewegen wir uns, in denen müssen wir uns bewegen, weil die können wir nicht ändern, ja, zumindest viele nicht, ja. Und vor allen Dingen, die größte Rahmenbedingung, die wir auch überhaupt nicht ändern können, ist natürlich das Klima bei uns, ja.

Markus: Richtig.

Martin: Und da können wir nur irgendwas dafür tun, dass es nicht gar so schlimm wird wie es schon ist, ja, um den Karl Valentin zu zitieren.

Markus: Ja, richtig. Auch da, also letzte Anekdote, bevor wir dann zum Bier kommen. Aber ich habe neulich einen Workshop gehabt, auch mit einem Unternehmen, weil es ging drum, so eine Vision zu entwickeln für die Zukunft. Und die Aufgabenstellung war, wie stellt ihr euch die Welt in 2060 vor? Und nun waren das insgesamt 25 Leute, durchaus höherrangig und alle haben ein absolut negatives Bild gezeigt. Also haben gesagt, in 2060, da leben wir entweder unter der Erde oder wir haben uns einen zweiten Planeten gesucht oder was weiß ich was. Aber es hat keiner irgendwie den Eindruck vermittelt, wir schaffen das und wir finden dann einen Weg und wir haben dann auch ein blühendes Land, sage ich mal. Und das finde ich schon, macht mich nachdenklich, wenn man sieht, dass Leute in einem Unternehmen, auch durchaus in Führungspositionen, dass die schon in gewisser Weise fatalistisch sind. Denn, wie sollen die denn jetzt noch positiv agieren, wenn sie selber nicht dran glauben, dass man das irgendwann schafft? Aber, na gut.

Martin: Ja, gut, es gibt ja den alten Spruch, wenn man jemand für was begeistern möchte, muss man von der Sache selber begeistert sein, sonst funktioniert das überhaupt nicht, ja. Und mit dem Spruch hat ja der Lafontaine damals den Scharping vom SPD-Vorsitz raus gekickt, zum Beispiel, ja. Und wenn wir die Dinge linear so fortschreiben, wie sie Zurzeit laufen, dann kann ich den Pessimismus verstehen, ja. Wenn man aber nicht den Mut aufbringt zu sagen, wir müssen was ändern und es wird vielleicht oder mit ziemlicher Sicherheit an unserem Wohlstand was abknapsen. Weil für umsonst kriegst du nix, ganz einfach, ja. Nix ist umsonst, nur der Tod und der kostet das Leben, ne.

Markus: Ja.

Martin: Und da muss man halt investieren, aber halt auch in der Hoffnung, dass die Investition was bringt, ja. Nicht nächstes Jahr und nicht übernächstes Jahr, aber vielleicht in 20, 30 Jahren. Und dieses Durchhaltevermögen, das vermisse ich, ja, das vermisse ich ganz, ganz schwer. Weil wir haben eigentlich nur die Chance, das zu tun, was uns die Wissenschaft sagt, ja und die Wissenschaft ist sehr eindeutig, bis auf ein paar Spinner, die sich da immer so ein bisschen außerhalb stellen, aber Spinner hat man überall, ja, wir müssen was tun. Und letztendlich die Dekarbonisierung der gesamten Industrie ist alternativlos, auch wenn ich den Begriff sehr ungern gebrauche, weil in einer Demokratie sollte nichts alternativlos sein, aber in wissenschaftlichen Dingen gibt es halt Dinge, die alternativlos sind. Die Natur exerziert ihre Gesetze gnadenlos, vollkommen gnadenlos und vollkommen emotionslos, ja. Die Emotionen bringt der Mensch rein, ja. Aber jetzt gleiten wir sehr in Philosophische ab.

Markus: Naja, aber wir kommen ja ein bisschen auch zum Thema Bier, weil, also grade eine Rauchbierbrauerei lebt auch ein bisschen vom Karbon, sage ich mal …

Martin: Ja, ja, richtig.

Markus: … weil natürlich da Holz durchaus eine Rolle spielt. Trotzdem, ist grade für Brauereien heutzutage das auch eine Herausforderung, ressourcensparend, ressourcenschonend …

Martin: Richtig, ja.

Markus: … zu arbeiten. Viele schaffen es, aber auch schon bis zu einem guten Grad, man ist da auf einem guten Weg. Und jetzt schauen wir einfach nochmal zurück, du kommst da im Schlenkerla an, du bist dann dort inthronisiert, sagen wir mal und da gibt es drei Biere. Also wir sie ja auch hier stehen, da gibt es das Märzen, da gibt es den Urbock und da gibt es das Lager sozusagen. Also Märzen und Urbock, das ist ja im Grunde in der guten alten Tradition, sage ich mal, die beiden Klassiker, die es in fast allen Brauereien hier in Franken gab. Manchmal eher als Pärchen von Kellerbier und Märzen und dann vielleicht noch einen Bock oder so, aber zumindest so in diesem Rahmen. Das waren wahrscheinlich auch historische Rezepte, die mehr oder weniger unverändert waren. Das Lager ist heute ja was Besonderes, war es damals auch schon. Wie ging es dir, als du die drei Biere vorgefunden hast, was ist da so in deinem Kopf passiert?

Martin: Na gut, die habe ich angenommen wie sie sind, bleibt mir ja nix anderes übrig. Und ich habe natürlich schon versucht, die auch so zu gestalten, dass man sie gern trinkt, ja. Also ein Kollege von mir, ehemaliger Chefredakteur von der Brauwelt, der hat irgendwann mal zu mir gesagt: „Du hast dem Märzen eine drinkability verliehen.“ Also es ist ja so, wenn ich ein Bier trinke, dann sollte es den Wunsch erzeugen, das nächste gleich hinterherzuschicken, ja.

Markus: Ja.

Martin: Und das haben wir beim Märzen durchaus geschafft. Wobei das eigentlich nur ganz, ganz kleine Sachen waren, ich habe halt auch das angewandt, was ich in der LGA gelernt hatte, ja und was ich auch immer geprägt habe. Ich habe immer gesagt, Leute, schaut auf eure Vergärungen! Das Bier muss ordentlich vergoren sein, ja. Der Zucker, den wir im Sudhaus gebildet haben, der muss halt nahezu komplett in Alkohol umgewandelt werden und nicht nur zu Dreiviertel oder sowas, ja. Und wenn man sich da ein bisschen drum kümmert, dann weiß man auch, wo man eingreifen kann, dann sieht man schon, wo es ein bisschen hängt, wo man noch was besser machen kann. Und das waren eigentlich so die Sachen, mit denen ich da am Anfang ein bisschen gekämpft habe. Und geschaut auch, dass die Mikrobiologie in Ordnung ist. Da waren immer so ein paar kleine Punkte, es war nicht viel, aber ein paar kleine Punkte waren es und die haben wir dann auch durch konsequente Reinigungs durchaus in den Griff bekommen. Und, ja, aber wie gesagt, mir war es wichtig, dass die Vergärungen ordentlich sind und das sie auch immer relativ gleichmäßig sind, ja. Also ich kann nicht einmal ein Bier haben, das hochvergoren ist und das Nächste, was rauskommt, ist dann irgendwo, läuft da geschmacksmäßig breit auseinander, weil es einfach sehr niedrig vergoren ist. Das geht nicht so, das kann man nicht machen, ja.

Markus: Ja, also nehmen wir es ruhig mal hier in die Hand. Also die Meisten werden es kennen von euch, das klassische Schlenkerla Märzen. Vielleicht noch eine Frage, wenn du dich erinnerst, in deiner WG hast du ja damals einen Kasten mitgebracht bekommen und hast erstmal gesagt, nicht so meins.

Martin: Ja, richtig, ja.

Markus: Und dann hast du eben gesagt, jetzt hast durch die drinkability der Sachen ein bisschen angenommen. Was ist denn oder was würdest du sagen, ist der Unterschied zwischen dem, was du damals in der WG bekommen hast und dem, was du dann draus gemacht hast? Also kann man das konkret sagen, was da so …

Martin: So direkt vergleichen kann man es nicht ganz. Es war zwar damals auch ein Märzen, aber das ist ziemlich krachend dahergekommen, ja. Und das ist eigentlich schon im Laufe der Zeit, also das Kracherte ist ein bisschen abgemildert gewesen. Was halt ich dann geschaut habe ist, das wirklich die Vergärungen alle gleichmäßig sind, ja. Das ich immer halbwegs gleichmäßig so mit einem Unterschied von, ja, plus/minus zwei, drei Prozentpunkte im Vergärungsgrad, ist ja ein prozentualer Wert, ja, dass ich da nicht große Schwankungen habe, ja.

Markus: Kracherts im Sinne von rauchig oder von …

Martin: Ja, da war das Rauchige sehr krachend dahergekommen, ja.

Markus: Und ist das vielleicht auch ein Grund, warum das Märzen hier sich als das Hauptbier etabliert hat, dass die Vergärung früher nicht so hoch war und man deswegen es generell schon mal stärker eingebraut hat?

Martin: Nee, also das Märzen, das hat historische Gründe. Es gab bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Vorschriften, das waren feuerpolizeiliche Vorschriften hauptsächlich, dass man von Georgi bis Michaeli nicht brauen durfte, ja, also vom 23. April bis zum 29. September. Und um natürlich über den Sommer genügend Biervorräte zu haben, haben die Brauer dann früher die letzen Biere, die sie gemacht haben, stärker eingebraut, ja. Ja und die letzten Biere haben sie im März gemacht, da kommt der Name her, ja. Und lustiger Weise, wir hatten beim Professor Narziß das Sudhauspraktikum und waren wir immer so Gruppen zu vier, fünf Leuten und da musste jede Gruppe ein Bier machen. Natürlich haben sich alle damals, 1980, auf ein Pils gestürzt, ja. Da habe ich gesagt: „Nö, das will ich nicht“, habe meine Kommilitonen überzeugt, habe gesagt: „Wir machen ein Märzen.“ Ja, schau her, wo bin ich gelandet?

Markus: Ja, ja.

Martin: Und ungefähr nach dem Verfahren, also das Maischverfahren ist ungefähr das, was wir übertragen.

Markus: Nicht schlecht. Aber worauf ich raus wollte ist, im Spezial zum Beispiel, da habe ich ja auch ein Märzen, aber das ist nach wie vor eher eine Spezialität, in Anführungsstrichen oder ist eher eine Nische und da gibt es eben das ursprüngliche Kellerbier, sage ich mal, gibt es als Lagerbier.

Martin: Das Lager, ja.

Markus: Und das ist schon außergewöhnlich, warum man hier im Hause dieses ursprüngliche, eigentliche Lager, also die leichtere Version von dem Märzen, gar nicht mehr hat, sondern das Märzen eben von vorneherein das Hauptthema ist.

Martin: Das war eigentlich immer, soweit ich zurückdenken kann, war das die Hauptsorte, ja. Und war vielleicht auch so ein bisschen das Unterscheidungsmerkmal zum Spezi, ja. Es ist ja nicht so, dass man sich irgendwo bekämpft, aber man muss sich auch ein bisschen unterscheiden, ja. Womöglich ist das einer der Gründe. Aber ich kenne das Schlenkerla nicht anders als das Märzen. Das Lager, das nächste da, hier, dieses, also das …

Markus: Ja, es wird blau.

Martin: … ist ein Nichtrauchbier, ja, deswegen wird es auch hier nicht ausgeschenkt. Und das ist eigentlich, ja, aus einer Not heraus geboren worden. Die Brauerei hat früher, das ist so in den 20er-Jahren, letztes Jahrhundert war das schon, das Bahnbetriebswerk hier beliefert und die wollten das Märzen nicht, das war ihnen zu stark und zu rauchig. Da musste da also was her, was ohne Rauch. Und da ist das Lager geboren worden, ja. Und das hat halt nur 11,5 Stammwürze, das Märzen hat 13,5 Stammwürze, macht sich natürlich im Alkoholgehalt bemerkbar. Und das ist ein vollkommen anderer Bierstil. Die stehen beide nebeneinander und tun sich nicht weh gegenseitig, ja.

Markus: Ja. Werden aber im selben Sudhaus gebraut?

Martin: Ja.

Markus: Und früher war es ja auch schon so, dass man die Hefe aus der ganz normalen Brauerei eben, wo auch mit dem Rauchmalz gebraut worden ist, dann eben auch für das verwendet hat. Das heißt, das Malz hat man dann auch schon immer zugekauft dafür?

Martin: Ja, das war immer gekauft, das Pilsner Malz, ja.

Markus: Und dieser Rauchcharakter, der ja dann über die Hefe trotzdem rein kommt, ich habe da neulich mal so ein bisschen nachgelesen, das muss früher mal noch intensiver gewesen sein und ist jetzt weniger geworden. Kann man das so sehen oder ist das so eine persönliche Wahrnehmung vielleicht?

Martin: Das würde ich eher in das Kapitel persönliche Wahrnehmung schieben. Weil es ist immer so, also da haben wir schon auch immer Wert gelegt drauf, dass die Hefe, die wir hernehmen, mindestens zwei-, dreimal durch ein Märzen gegangen ist, ja. Weil dann lagert die Hefe einfach genügend rauchig schmeckende Partikel an und die gibt sie dann in eine Würze, die eben keinerlei rauchig schmeckende Partikel hat, wieder ab.

Markus: Ja und das macht dieses Bier so einzigartig. Also ist für mich zum Beispiel in jedem Biersommelierkurs, den wir machen, ist das das erste Bier, was wir trinken, weil ich mit den Leuten da ja immer die Sensorik übe. Und mir geht es drum, ich will ihnen ein Bier geben, was sie definitiv, also außer, sie kommen jetzt von hier, aber sonst so noch nicht getrunken haben.

Martin: Richtig.

Markus: Wenn jemand ein normales Helles hat, okay oder halt, was weiß ich, ein Kellerbier oder alle Möglichen, aber sowas jetzt, also was erst so unscheinbar daherkommt wie ein Helles und eine schöne Bitternote auch hat, aber dann eben dieses Rauchige dazu, vom Alkohol nicht so hoch. Also das ist was, wo ich sensorisch einfach, wo Leute wirklich denken müssen und reinriechen müssen, was die Leute beschäftigt und wo man schon mal so ein bisschen Schubladen aufmachen kann, ohne jetzt komplett in die internationale Trickkiste zu greifen, deswegen finde ich das so schön. Und das ist auch einfach ein super tolles Sommerbier, finde ich. Das kann man richtig schön aus einem großen bauchigen Glas, ist das im Sommer woah!

Martin: Klar.

Markus: Magst du auch gern?

Martin: Ja, ist eigentlich das Hauptbier bei uns Daheim. Also das Märzen, habe ich auch immer eins Daheim, aber meine Frau bevorzugt das Lager und das trinken wir eigentlich am meisten auch zu zweit dann.

Markus: Und du warst ja logischerweise dann auch in der Mälzerei, also im Schlenkerla, ist das ja nicht getrennt. Wenn, dann macht man alles, ne?

Martin: Ja, ja. Ich habe während des Studiums das Mälzen ganz praktisch gelernt. Das war, ja, anstrengend, weil da musste ich auch mitten in der Nacht raus. Und der Malzmeister damals, der war da gnadenlos, wenn du fertig bist, bist du fertig, ja und dann kannst du wieder Heim gehen. War aber gut, ich habe viel gelernt da und das war sehr, sehr schön. Und in Passau, wie ich war, hatten wir auch eine Brauereimälzerei noch. Da habe ich natürlich davon auch profitieren können und habe da auch ein bisschen was verbessern können. Und die haben wir aber dann irgendwann mal aufgegeben, A) weil wir den Platz für was anderes gebraucht haben und B) weil es einfach auch wirtschaftlich nicht mehr darstellbar war. Also der Preisunterschied zwischen Gerste und Malz hat die Produktionskosten unterschritten und dann ist es natürlich irgendwo widersinnig, das selber zu machen.

Markus: Ja. Wobei man halt sagen muss, im Schlenkerla und auch im Spezial ist das einfach so besonders, dass man ja da gar nicht anders kann.

Martin: Nee, da musst du.

Markus: Also die könnten ja jetzt nicht sagen, wir kaufen irgendein Rauchmalz zu …

Martin: Nee, nie im Leben.

Markus: … weil das einfach einen komplett anderen Charakter hat. Und außerdem bedeutet es ja auch bei der Personalauswahl, da muss ich dann eben jemanden holen, der auch Erfahrung in einer traditionellen Mälzerei irgendwie hat. Also auch der Michael, der ja jetzt Braumeister ist, war ja bei Augustina und hat ja da die entsprechende Erfahrung.

Martin: Richtig, ja.

Markus: Und ich war da auch schon unten und ich finde es faszinierend, was die da unterirdisch mit ihrer Tennenmälzerei da so alles anstellen. Und das heißt, also ohne wirkliche gute Mälzerfahrung kann man im Schlenkerla eigentlich nicht arbeite, ne?

Martin: Nee, also ein bisschen Ahnung sollte man schon haben davon, ja, es erleichtert die Sache doch.

Markus: Das stimmt. Ja, ja und es ist eben nicht nur das Knöpfchen drücken, das ist da mit dem Rauchmalz, das ist halt was anderes.

Martin: Ja, wir gehen in der ganzen Brauerei grundsätzlich mit lebendigen Sachen um, ja und lebendige Sachen muss ich anders anfassen als ein Stück Eisen oder Stahl oder sonst irgendwas, ja. Oder auch ein Stück Holz, dass ich als Schreiner zu Möbel verarbeite, ja, das ist was vollkommen anderes, ja, da muss ich exakt sein. Und da kann ich es auch voraussagen. Bei lebendigen Sachen kann ich nicht genau voraussagen, was die machen, weil die Natur macht was sie will, nicht was wir wollen, ne. Und wir müssen die Natur halt in die Richtung schubsen ein bisschen, ob sie den Weg dann zu Ende geht oder nicht, das haben wir nicht immer ganz in der Hand.

Markus: Aber ihr tut euer Bestes.

Martin: So ist es, ja.

Markus: Und da können wir auch noch kurz über den Bock reden. Das ist ja insofern auch spannend, weil, also erstmal der Urbock, das ist der erste Bock, der angestochen wird in Bamberg. Also das ist dann schon relativ früh im Bockbierjahreskreislauf, wird das Ganze ja schon zelebriert. Führt mich auch dazu, wenn du hier dann so angekommen bist in der Bamberger Bierkultur, wir haben ja dieses Thema Bockbieranstich. Das wird, glaube ich, sonst wo in Bayern nicht so intensiv gelebt. Wie ging es dir denn damit? Also kannst du dich an deinen ersten Bockbieranstich erinnern, wie hast du das so erlebt?

Martin: Ja natürlich. Wobei die Ersten so bis zum Jahr 2003 wahrscheinlich, gehe ich mal davon aus, dass es da auch so allmählich nach oben gegangen ist, hat auch ein bisschen was mit der Bockbierkultur überhaupt zu tun, was auch die anderen Brauereien hier in Bamberg betreiben, da ist das einfach immer mehr zum Event geworden. Der Erste, den habe ich 1997 erlebt, da war natürlich hier die Wirtschaft proppenvoll, mit dem entsprechenden Lärmpegel. Und damals ist auch noch geraucht worden, also da war hier ziemlicher Neben herinnen auch noch. Und da ist einfach, ja, das Märzen durch den Bock ersetzt gewesen und das Märzen hat dann bloß so eine Randrolle gespielt. Und da war halt dann so ein Bockanstich, ja, was haben wir da gehabt, vielleicht 10, 15 Hektoliter Bier, ja und das war es dann auch. Und dann ist so den Rest der Bockbierzeit, die jetzt ja bis Dreikönig geht, ist das so dahin getröpfelt. Und das hat sich dann irgendwann mal gewaltig geändert dadurch, dass wir den Bockanstich dann in den Hof hinaus verlegt haben, ja, weil eben auch der Event-Charakter immer weiter zugenommen hat. Und da mussten wir den jungen Leuten, die da natürlich hauptsächlich dann vertreten sind, auch Platz bieten, ja und da hat sich der Hof natürlich angeboten, der hat danach geschrien, nach sowas, ja. Und da sind dann die Mengen ganz andere geworden, ja.

Markus: Aber generell, also für alle, die das jetzt nicht so kennen oder wissen, es ist eben so, dass man hier bei uns in Franken hauptsächlich und auch in der Bamberger Gegend eben das neue Bockbier des Jahres, in der Regel geht es da um den Winterbock, entsprechend zelebriert. Sprich, da gibt es dann einen Tag, wo es eben angestochen wird, zum ersten Mal ausgeschenkt wird. Da kommen dann wirklich aus der ganzen Stadt 100e, teilweise 1.000e von Leuten zusammen und stehen teilweise eine halbe Stunde, eine Stunde an für ein Bier, was wirklich sehr erstaunlich ist eigentlich. Und es gibt auch, also ist zwar ein Event, aber ist jetzt nicht so, dass wir dann, was weiß ich, drei Musikbühnen und fünf …

Martin: Nee, brauchen wir nicht.

Markus: Essenswägen haben oder so, es geht wirklich nur um das Bier. Und das ist wirklich faszinierend und ist dann auch für die Leute, die hier leben und das gerne machen, so ein Teil des Jahreskalenders. Weil dann habe ich praktisch alle zwei, drei, vier, fünf Tage, kann ich zu einer anderen Brauerei gehen und dort eben das neue Bockbier trinken. Und das ist wirklich eine sehr schöne Tradition, die auch vor allem das Miteinander und diese gemeinsam gelebte Bierkultur sehr belebt. Und, man muss auch sagen, es kommt sehr, sehr selten zu Ausfallserscheinungen, die man normalerweise mit dem Thema Bockbier verbindet, irgendwie scheinen die Leute damit halbwegs gut umgehen zu können.

Martin: Die können offensichtlich ganz gut damit umgehen. Und die Bockanstiche, die gehen ja so reihum durch, Schlenkerla ist immer der Erste, erster Donnerstag im Oktober, es sei denn, es ist der 2. Oktober. Das haben wir einmal gemacht, da gehen die Leute nicht mehr Heim, weil am nächsten Tag Feiertag ist. Und das zieht sich ja bis Ende November, der Greifenklau ist, glaube ich, einer der Letzten dann, da ist der Bockanstich dann schon öfters im Schneegestöber gewesen, ja.

Markus: Richtig, ja.

Martin: Aber es ist überall ein riesen Event geworden. Und das ist auch gut so, also mir gefällt das auch, ja.

Markus: Ja, nee, absolut, ja.

Martin: Es muss ja nicht jeden Tag Halligalli sein, aber einen Tag Halligalli, das ist auch mal in Ordnung, ja.

Markus: Ja und einfach das Bier auch ein bisschen zu wertschätzen und zu ehren gehört auch dazu. Ja, dann vielen Dank schon mal dafür, wir werden gleich noch über den nächsten Bockbierschlag unter anderem sprechen, den du ja dann mit initiiert hast. Aber jetzt sind wir erstmal da bei dem, was du vorgefunden hast und das war auf jeden Fall schon mal ein schönes Trio, also prost.

Markus: Soweit der erste Teil unseres Interviews mit Martin Knab und jetzt könnt ihr euch freuen auf Teil 2, entweder, wenn ihr jetzt gleich die Folge bei der Veröffentlichung gehört habt, dann wird es noch zwei Wochen dauern, bis die zweite Folge kommt. Ansonsten, wenn ihr das hier später in der Mediathek findet, dann einfach auf die nächste Folge klicken.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 132 – Interview mit Dirk Alberti, Braumeister bei der Köstritzer Schwarzbierbrauerei, Bad Köstritz

In dieser Episode entführen wir euch nach Thüringen, ins Herz der Brauereilandschaft Deutschlands. Wir besuchen Bad Köstritz, eine Stadt, die nicht nur für ihre historische Brauerei berühmt ist, sondern auch für einen einzigartigen Bierstil, der Bierliebhaber weit über die regionalen Grenzen hinaus begeistert: Das Schwarzbier. Unser Gast, Braumeister Dirk Alberti, ist – nicht nur – auf dem Gebiet natürlich Profi und führt uns durch die faszinierende Geschichte, die in jedem Schluck Köstritzer Bier steckt. Taucht mit uns ein in eine Welt, wo Tradition auf Innovation trifft und wo jedes Bier eine Geschichte zu erzählen hat…

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BierTalk – Gespräche über und beim Bier.

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir eine kleine Reise nach Thüringen zu einer sehr berühmten Brauerei, nach Bad Köstritz, eine Brauerei mit einer langen Geschichte und mit einem eigenen Bier- oder sogar Bierstil. Und natürlich auch mit einem Braumeister, den haben wir heute da, Dirk Alberti, schön das du hier bist. Und vielleicht stellst du dich ganz kurz mal unseren Hörern selber vor.

Dirk: Ja, hall Markus, grüß dich. Wie gesagt, mein Name ist Dirk Alberti, ich bin 42 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Kinder. Und bin seit 1997 hier in der Brauerei und habe drei Jahre Brauer gelernt und habe dann später noch meinen Meister gemacht. Und diese Position über ich seit 2016 aus.

Markus: Wahnsinn, also quasi ein alter Haudegen an dieser Stelle. Und wir haben uns kennengelernt, als du dabei warst beim Finale vom Lieblingsbier, wo auch euer Bier eben mit dabei war, bei den Finalbieren und hast schon viel erzählt und da bin ich eben auf die Idee gekommen, wir müssen unbedingt auch mal einen BierTalk machen. Und ich habe vor vielen Jahren mal ein Buch geschrieben über alle Brauereien in Sachsen und Thüringen, da war ich auch schon bei euch unterwegs und war damals auch schon sehr beeindruckt. Aber vielleicht magst du unseren Hörern mal kurz so einen kleinen Eindruck geben, wo ist denn Bad Köstritz überhaupt, wie schaut es da aus, was ist da so los, wie muss ich mir das vorstellen?

Dirk: Ja, wo liegt Bad Köstritz, Bad Köstritz liegt in der Nähe von Gera, ziemlich nahegelegen an der Autobahn, auch in der Nähe vom Hermsdorfer Kreuz. Also da ist die A9 und A4, kreuzen sich da, da am Hermsdorfer Kreuz ist, ist man eigentlich schon fast in Bad Köstritz. Ja, liegt hier schön in der Nähe vom Eleonarental, Bad Köstritz, wo wir natürlich auch unser Brauwasser her bekommen. Bei uns hier natürlich in Thüringen, im schönen grünen Herzen Deutschlands gelegen.

Markus: Und du bist auch von dort?

Dirk: Ich komme aus der Nähe, von Gera, also ich bin in Gera geboren und habe auf einem Dorf in der Nähe ein Haus gebaut und da wohne ich seit 2010.

Markus: Ja und was ich bei meinen Recherchen damals auch rausgefunden habe ist, dass vor einigen 100 Jahren Studenten sogar aus Jena nach Bad Köstritz geritten sind, vier Stunden lang, um ein Bier dort zu genießen. Also das ist schon ein gewisser Huckepack, den man da mitnimmt, also eine Stadt mit Biertradition. Und wie ging es denn bei dir, also wie bist du überhaupt zum Thema Bier gekommen, war das für dich schon immer klar oder, ja, wie lief das?

Dirk: Also immer klar war es noch nicht. Wann habe ich angefangen? Das erste Bier, glaube ich, so zur Jugendweihe mal gekostet. Und dann war eigentlich der Berufswunsch KFZ-Mechaniker, war klassisch Junge, Moped gefahren und viel geschraubt, gebastelt. Und ich habe eine ältere Schwester, die ist drei Jahre vor mir fertiggeworden mit der Schule, nee, stopp, nur ein Jahr vor mir fertiggeworden. Und die hatte sich in der Brauerei beworben für den kaufmännischen Bereich und hat dann mal zu mir gesagt, wo ich dran war mit bewerben, ja, warum bewirbst du dich nicht in der Brauerei als Brauer? Habe ich gesagt, mhm, okay. Also ich hatte das so gar nicht auf dem Schirm, aber meine Schwester hat mich da quasi so hingeführt, hingebracht. Und dann habe ich ein Praktikum gemacht in der Brauerei und habe gedacht, oh, das ist es, das ist viel, viel besser wie KFZ-Mechaniker und damit war der Berufswunsch dann geebnet.

Markus: Ja, da schraubt man dann an wesentlich größeren Kesseln rum. Und man muss auch sagen, ist natürlich eine schöne Geschichte, von der großen Schwester zum Bier verführt, warum nicht. Apropos vom Bier verführt, wir haben ja hier auch ganz viele schöne Biere stehen, die ihr mir geschickt habt und nachdem es doch einige sind, sollten wir die natürlich auch verkosten und nicht zulange damit warten. Mit welchem würdest du denn einsteigen wollen?

Dirk: Also ich würde gerne mit unserem Edelpils anfangen. Kosten so klassisch in der Brauerei eigentlich immer von hell nach dunkel.

Markus: Dann machen wir das doch, wunderbar, also Edelpils. Und wie hättest du es gerne, willst erst du ein bisschen was sagen, soll ich ein bisschen was sagen, wie möchtest du gerne an diese Bierverkostungen rangehen, was ist dir lieb?

Dirk: Ja, also ich würde als Erstes was sagen und dann, ja, dann kosten wir und dann können wir uns ja gegenseitig noch ergänzen.

Markus: Unbedingt, wunderbar. Also dann mache ich es jetzt schon mal parallel auf und dann freue ich mich schon mal auf das Edelpils.

Dirk: Das klang schon mal gut.

Markus: So, da ist es.

Dirk: Ja, also ich rieche jetzt erstmal rein. Und unser Edelpils hat einen schönen Malzcharakter, nicht zu stark. Und im Geruch merke ich auch unsere schöne Hopfennote, unseren Aromahopfen. Wir haben beim Edelpils zwei Hopfengaben, eine am Anfang der Kochung und am Ende der Kochung nochmal eine Aromahopfengabe, die wir seit einigen Jahren machen und die, denke ich, kommt dem Bier auch sehr, sehr zu Gute. Ja, ansonsten, trinke ich mal kurz einen Schluck. Unser Edelpils zeichnet sich dadurch aus, dass wir, finde ich, einen recht schlanken Malzkörper haben. Was ich persönlich für ein Pils immer bevorzuge, mir schmeckt das einfach besser als so ein würziges mastiges Bier. Hier, wie gesagt, unser Malzkörper ist schön angenehm schlank und mit unserem Aromahopfen funktioniert das super im Geschmack. Und von der Farbe her ist es genau sortentypisch wie ein Pils. Wir haben im Fertigbier ungefähr 8 EBC-Farbeinheiten.

Markus: Ein wunderschönes Pils auf jeden Fall, wie du schon gesagt hast. Also optisch richtig schön goldgelb strahlt einen das hier an, ein helles Goldgelb. Schöner weißer Schaum auch, wie sich das gehört und wie du auch gesagt hast, in der Nase ganz toll die schönen Hopfennoten, die man dann auch sofort schmeckt. Was ich auch toll finde ist, dass da Mundgefühl so schön ist. Also obwohl es ja relativ schlank ist, hat man trotzdem ein volles Mundgefühl, eine schöne Cremigkeit auch. Und auch die Bittere ist sehr präsent, also nicht too mutch, aber sehr präsent und bleibt auch lange und macht am Ende dadurch natürlich auch einen sehr frischen Eindruck, sodass man dann auch wirklich richtig Lust auf den nächsten Schluck hat, also wie sich das bei so einem Pils gehört. Und da merkt man auch wieder, dass die Pilskompetenz wirklich grade in Thüringen, in Sachsen unheimlich hoch ist, lange gewachsen ist, da schon viele Jahre existiert und ihr einfach das richtige Wasser dafür habt und das merkt man diesem Bier unglaublich an. Also ja, wirklich sehr schön. Warst du schon immer Pilsfan?

Dirk: Ja, also mit Pils angefangen zu trinken, habe dann schon relativ schnell auch gerne die bitteren Biere bevorzugt. Und, ja, da kommt man natürlich an einem Pils schwer vorbei, weil ja das Pils immer noch mit das am stärksten Gehopfte fast ist bei uns, außer dann später das Pale Ale. Ja, die, sage ich mal, Spezialbiere, wie Pale Ale oder dann auch Kellerbiere, die kamen ja alle erst später so in den letzten Jahren, deswegen auch jetzt immer noch ein klassischer Pilstrinker, ja.

Markus: Und das heißt, die klassischen Sorten in Bad Köstritz sind praktisch das Pils und das Schwarzbier?

Dirk: Unser Edelpils, das Kellerbier und das Schwarzbier, ja.

Markus: Ah ja, genau, okay. Also die es auch schon immer gibt oder schon länger gibt zumindest, genau. Darfst du sagen, wie viele Bittereinheiten dieses Bier hat?

Dirk: Das Edelpils hat ungefähr 26 Bittereinheiten.

Markus: Ah ja. Aber das kommt deutlich rüber, wirkt sogar ein bisschen mehr für mich im Mund, das ist sehr, sehr intensiv, sehr schön.

Dirk: Das denkt man nicht bei dem Bier. Manche würden sagen, ja, 26 Bittereinheiten für ein Pils ist relativ wenig. Aber geschmacklich kommt es mehr rüber.

Markus: Ja, wie läuft das denn der Brauerausbildung, wann ging es los, dass die dich dann auch rangelassen haben zum Beispiel so ein Pils zu machen, durftest du das relativ bald?

Dirk: Jetzt als Azubi?

Markus: Ja, wie du da so losgelegt hast, wie ging das? Also nehmen die dich an die Hand und da hast du erstmal nur Kaffee gebracht oder wie läuft das?

Dirk: Nein, bei uns, wir durchlaufen alle Abteilungen. Also bei uns geht es ganz klassisch der Reihenfolge nach. Bei uns in der Rohstoffannahme und Lagerung, heißt das bei uns, da wird das Malz eingelagert und dann für das Sudhaus, für die einzelnen Sude bereitgestellt. Ja, da lernt man erstmal alles über Malz. Das ist ja auch in der Schule in der Ausbildung das Erste, was man so mit lernt, Wasser und Malz. Und, ja, erstmal Malz annehmen, lagern, bereitstellen. Und dann läuft man immer mit einem Brauer mit, also man ist nicht alleine und wird halt sukzessive ran geführt, dass man das natürlich schnell alleine kann. Man hat dann immer, wie gesagt, einen Brauer an seiner Seite und dann geht es klassisch weiter von der Rohstoffannahme zum Sudhaus. Dann vom Sudhaus in die Gärung, nach der Gärung Filtration und dann zum Schluss der Ausbildung noch Flaschenkeller, als Abfüllung, ganz klassisch Flasche und Fass. Ja und so hat man immer den Überblick über alle Abteilungen und ist auch wirklich viele, viele Wochen in den Abteilungen. Also man hält sich da wirklich sehr genau an den Ausbildungsplan, sodass, ja, die Aufgaben eines Brauers auch ordentlich vermittelt werden können.

Markus: Ja und das ist ja einiges. Und ihr seid ja auch kein so ganz kleiner Laden. Also wie viel Leute arbeiten denn ungefähr so mit dir zusammen an dem Köstritzer Bier?

Dirk: 160 Leute ungefähr.

Markus: Woah! Das heißt, da gibt es bestimmt auch eine Kantine und ein Haustrunk und alles, was so dazugehört, oder?

Dirk: Ja, gibt es auf jeden Fall. Haustrunk ist das Wichtigste mit.

Markus: Ja. Wie viel bekommst du da an Haustrunk?

Dirk: Oh, das wird nicht verraten.

Markus: Oh, okay. Aber ausreichend auf jeden Fall?

Dirk: Ja, es ist, man hat ja viele Freunde und Familie und Fußball, es kann immer mehr sein.

Markus: Das heißt, es gibt bei dir auch ein Leben neben der Brauerei sozusagen?

Dirk: Ja natürlich!

Markus: Wenn du sagst Fußball und so, also bist du aktiv?

Dirk: Also Fußball nicht mehr ganz so aktiv, bin ja auch schon etwas älter. Nein, ich gehe aber in meiner Freizeit noch joggen und mache auch sonst gerne ein paar sportliche Aktivitäten noch nebenbei. Ja, ich mache Bierbrauen auch Zuhause als Hobbybrauer gerne mit meinen Nachbarn. Wir haben da im Dorf so eine kleine Bierrunde und da wird auch immer Mal was angesetzt, ein Sud.

Markus: Das ist ja sehr spannend. Was hast du da daheim stehen, so einen kleinen Braumeister oder eine Braueule oder was?

Dirk: Nein, wir haben einfach ein paar größere Töpfe gekauft, einer ist mit Rührwerk und ansonsten zwei Gasbrenner und dann noch Schläuche, Pumpe, Wärmetauscher, haben wir uns dann mal zugelegt. Dadurch, dass es, glaube ich, durch zehn Mann ging, war es auch alles relativ erschwinglich. Aber, ja, denke ich, eine recht gute Brauausstattung, mit der wir ganz leckere Biere auch Zuhause machen.

Markus: Das kann ich mir vorstellen, ja und du weißt ja auch wie es geht, also insofern ist das natürlich perfekt. Was für Sorten gibt es da und wie entscheidet ihr euch, welche Sorten ihr macht?

Dirk: Also ich gebe es ja meistens vor, logischerweise. Ich hatte aber Letztens auch einen Kumpel vom Fußball, der gesagt hat, kannst du auch ein Alt brauen? Da habe ich gesagt, ja, können wir machen. Und er hatte da ein Bier mitgebracht, was er gerne trinkt und da hat er gesagt, kannst du nachbrauen? Ich habe dann gesagt, nachbrauen kann ich es nicht, aber wir machen es besser. Und ihm hat es dann im Nachhinein auch sehr, sehr gut geschmeckt.

Markus: Klasse, na, da wäre ich gern dabei gewesen, sehr schön. Ja, zurück zum Pils, ist das auch das Bier, was ihr am meisten verkauft oder haben andre Biere da größere Anteile?

Dirk: Nein, das Edelpils ist unsere Sorte, die wir am meisten verkaufen.

Markus: Ja, also ist auch bei mir schon weg, also zumindest der Schluck, den ich mir gegönnt habe jetzt hier. Wir nehmen ja am Morgen auf, kann man den Hörern ja ruhig sagen, da muss man auch natürlich haushalten mit seinem Bierkonsum, logisch, immer, aber da besonders. Ja, wenn du willst, könnten wir ein weiteres Bier in Angriff nehmen, wenn du schon kannst, je nachdem.

Dirk: Ja, wir haben als Nächstes ja das Kellerbier. Das Edelpils ist hauptsächlich in Ostdeutschland, wird das ja verkauft, ist kein nationales Bier oder Biersorte. Ja, aber jetzt kommen wir ja zum Kellerbier und das wird ja deutschlandweit vertrieben.

Markus: Okay, ja, da bin ich mal gespannt. Grade als Franke bin ich natürlich auf dem Kellerbierohr besonders hellhörig, schauen wir mal.

Dirk: Ich halte das Glas grade erstmal hoch, gegen das Licht und kann dann hier sehen, dass es schon leicht opal ist. Daran ist schon mal zu erkennen, dass das Kellerbier bei uns separiert wird und nicht filtriert wird. Und das Kellerbier hat eine schöne Bernsteinfarbe und auch einen schönen cremigen Schaum dazu. Und wenn man reinriecht, riecht man schon so leicht karamellige Noten, die man dann auch, ja, beim Trinken dann auch wieder schmeckt und erkennt. Kellerbier, ein bisschen stärker eingebraut wie das Edelpils. Wir haben ungefähr 12,7 % Stammwürze mit einem Alkoholgehalt von 5,4%.

Markus: Das ist schon eine ordentliche Hausnummer, aber ist auch richtig. Also ich muss auch sagen, die richtig guten Kellerbiere, die wir hier auch in Franken haben, das sind meistens auch die, die so von der Stammwürze eher so bei 12,5 liegen und da ein bisschen mehr Körper einfach haben. Ich finde auch, als die Farbe begeistert mich total, weil es so ein richtig leuchtendes schönes Braun ist mit so einem leichten Orangeschimmer eben auch und wie du schon sagst, so ein bisschen opal, also man doch ein bisschen Hefe drin. Das heißt, bei euch wird das mit einer Zentrifuge gemacht sozusagen oder?

Dirk: Mit einem Separator, ja.

Markus: Einem Separator, genau. Ja und natürlich das Karamellige in der Nase, sehr schön. Und so ein bisschen vielleicht der Unterschied zu den Kellerbieren, die wir hier haben, es ist nicht so süß, also man hat doch mehr einfach auch einen schlanken Charakter, was es natürlich auch wieder schön trinkbar macht. Und grade, wenn ihr sagt, ihr wollt national damit Erfolg haben, ist das, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Aber sehr schön finde ich auch den Abgang, den Nachtrunk sozusagen, weil sich das schön mischt, also diese malzigen Aromen, dieses Karamellige, Nussige vielleicht auch ein bisschen. Mit durchaus auch einer bitteren Note, also sehr schön. Und damit deutlich anders als das Pils und ein bisschen intensiver und natürlich auch ein bisschen malzbetonter, aber trotzdem eben sehr trinkbar, drinkable, wie man so schön auf Englisch sagt, schönes Kellerbier. Und, ja, das ist aber trotzdem die Neueste von euren Standardentwicklungen oder wie muss man sich das vorstellen?

Dirk: Nein, das Neueste sind unsere Biermischgetränke, das ist das Schwarzbier Kirsch und das Kellerbier Limette.

Markus: Ah, okay. Und Bad Köstritz ja auch eine lange untergärige Tradition, das heißt, ihr habt auch so alte Lagerkeller und sowas noch?

Dirk: Also wir haben eine historische Brauerei hier auf unserem Gelände, die aber ja nicht mehr in Betrieb ist. In der Brauerei, wo wir jetzt brauen oder in den Gebäuden, sage ich mal, das ist 1987 in Betrieb gegangen. Das Sudhaus war, glaube ich, am 11. November, wurde der erste Sud eingebraut, 1987. Und in den Gebäuden wird jetzt noch Bier gebraut, vergoren und abgefüllt. Also man hatte zu DDR-Zeiten alles neugebaut. Und hier in der alten historischen Brauerei haben wir mal das alte Sudhaus vor ein paar Jahren wieder hergerichtet quasi. Bei uns heißt es historisches Sudhaus, so ist als Museum ist das angelegt, was man sich dann ja auch gerne bei Brauereiführungen mit angucken kann. Und dann haben wir ja vorne noch unseren sogenannten Dreiseitenhof, unser Besucherzentrum, wo die Brauereiführungen starten und enden, wo wir unsere Gäste begrüßen und wo es dann auch das ein oder andere Bier zu verkosten gibt.

Markus: Ja, das macht mal richtig Lust, dass ich bald mal wieder vorbeischaue, weil, als ich letztes Mal da war, gab es das ja noch nicht. Was ich aber auch sehr interessant fand war, dass grade in der DDR-Zeit die Brauerei ja eine sehr interessante Geschichte hat. Also sie waren am Anfang ja tatsächlich einer der wenigen, die in den Westen auch exportiert haben und dann gab es ja diesen Neubau eben Ende der 80er-Jahre. Wodurch ja im Grunde dann zur Wendezeit das eine der ganz wenigen Brauereien waren, die wirklich mehr oder weniger State of the Art waren und sofort produzieren konnten. Hast du die Zeit bewusst miterlebt, die Wendezeit?

Dirk: Nein, ich war da ja neun Jahre alt, zur Wende.

Markus: Ah, okay.

Dirk: Nee, von daher, also vom Bier her gar nicht. Man hört so die ein oder anderen Sachen von älteren Brauern, wie das halt so dann nach der Wende war. Ja, die Brauerei war für DDR-Verhältnisse theoretisch auf dem neuesten Stand der Technik, man hat dann ja aber trotzdem schnell im Sudhaus wieder Läuterbottich und Würzepfanne ausgetauscht, weil es dann wohl doch nicht so das Richtige war. Und wir hatten dann halt zur Wende schon große Gärtanks, also zylindokonische Tanks und an der Technik hat sich auch bis heute nichts geändert.

Markus: Ja und ich fand es auch interessant, dass eben zu Ende der DDR-Zeit, da waren ja ganz viele verschiedene Betriebe beteiligt an diesem Neubau und das war natürlich dann auch ein bisschen konfus mit diesen ganzen vielen verschiedenen Partnern und insofern hat es dann durchaus auch Sinn gemacht, dass dann nochmal neu oder wieder einzurichten sozusagen. Ihr habt dann ja auch die Kooperation mit Bitburger eingegangen. Merkt ihr da im alltäglichen Leben was von der Zusammenarbeit?

Dirk: Ja, auf jeden Fall, also das geht ja los beim Einkauf, es wird ja viel über die Bitburger Braugruppe gesteuert. Alles so, die ganze QS, man tauscht sich da aus in der Braugruppe. Man ist ständig im Austausch mit Marketing, mit Vertrieb, ja, gibt viele, viele Bereiche, mit der Logistik, wo wir zusammenarbeiten. Und, ja, da gibt es immer Berührungspunkte, wo man doch immer wieder mit den Kollegen aus den einzelnen Standorten ins Gespräch kommt.

Markus: Ja und ich denke, auch viel Know How, was man dann von A nach B und wieder zurück transferieren kann. Ich hatte vor einigen Jahren schon einen BierTalk mit dem Jan Niewodniczanski, der dann ja natürlich auch die Craftwerk-Geschichte mit initiiert hat und da ja auch viel, ja, Impulse gesetzt hat. Und ich denke mal, das ist vielleicht auch ein bisschen was, was euch dann zu so Sachen wie dem Pale Ale inspiriert hat oder war das eure eigene Entwicklung?

Dirk: Ich glaube, das kam schon eher aus der Richtung von der Versuchsbrauerei. Wir waren ja da mit dem Pale Ale die Ersten hier in der Gruppe, Craftwerk, das kam ja alles dann erst später. Ja, daher kam das. Sicherlich, der Her Niewodniczanski ist ja bekennender Pale-Ale-Fan, soweit ich das weiß. Und für uns war es natürlich ein komplett neues Feld, so ein Bier zu brauen, aber halt, ja, auch sehr interessant. Ja und wie gesagt, es gibt ja verschiedene auch Expertenteams in der Bierherstellung, in der Qualitätssicherung, es gibt Expertenteams für Energie, für Technik. Ja, so hält man sich halt immer auf dem Laufenden, was generell in der Braubranche so los ist.

Markus: Genau und so zum Pale Ale kommen wir ja auch gleich noch. Warst du schon mal in Bitburg?

Dirk: Also ich war in der Lehre, war ich auf jeden Fall in Bitburg mal eine ganze Woche. Da gab es so einen Azubiaustausch, der jetzt auch wieder ins Leben gerufen wird, das wir unsere Azubis mal nach Bitburg schicken. Die Bitburger ist ja doch deutlich größer als Brauerei, dass sie das auch mal sehen in Bitburg. Ja, ansonsten zu, ja, Schulungen, zum Brauereifest in Bitburg. Also wo Bitburg 200 Jahre gefeiert hat, war ich in Bitburg. Also Fußballturniere, es gibt ja auch so ein Braugruppenturnier, was versucht wird, jedes Jahr stattfinden zu lassen. Das kommt ja jetzt alles so ein bisschen wieder nach Corona. Ja, dieses Jahr fahren wir nach Duisburg zum Braugruppenfußballturnier. Und letztes Jahr hat das erste Mal Köstritz den Titel geholt, mal gucken, ob wir den wieder verteidigen können.

Markus: Also das finde ich auf jeden Fall eine super Geschichte und drücke ich euch natürlich ganz fest die Daumen, dass ihr das wieder schafft. Und, ja, dann lass uns zurück nach Köstritz gehen, wir haben ja jetzt noch das Schwarzbier, also wenn du mit deinem Kellerbier schon durch bist. Also mich hat es auch wieder sehr schnell gepackt, muss ich sagen.

Dirk: Wir können gerne mit dem Schwarzbier starten.

Markus: Ja, gut, na, da bin ich ja mal sehr gespannt, weil das ja wirklich auch immer in der Bierwelt so ein Thema ist, also viele wissen ja gar nicht wirklich, was ein Schwarzbier ist beziehungsweise verwechseln es dann auch gerne mit einem Münchner Dunkel und dann gibt es wüste Geschichten rauf und runter. Und auch deswegen habe ich mich so gefreut, dass wir heute mal miteinander sprechen, weil dann können wir uns mal das Original vornehme und eben mal drüber sprechen, wie es denn wirklich gehört. Also freue ich mich schon drauf, ich mache es grad mal auf und bin gespannt, was du uns dazu erzählst.

Dirk: Ja, also unser Köstritzer Schwarzbier, wie der Name schon sagt, Schwarzbier ist hier wirklich, ja, schwarz, da ist der Name Programm. Ein sehr dunkles Bier mit fast 100 EBC-Farbeinheiten. Ist ähnlich stark gehopft trotzdem, wie unser Edelpils. Es wurde vom Rezept her auch so angelegt, dass es trinkbar ist wie ein Edelpils, sich aber doch geschmacklich in Richtung Schwarzbier dann abhebt. Es ist bewusst gewollt so, dass das Schwarzbier genauso gut trinkbar ist wie ein, ich sage mal, wie ein Pils oder wie ein helles Bier. Weil viele denken immer, ah, ein Schwarzbier ist schwer, ist stark. Gibt es doch immer noch nach wie vor viele Vorurteile dem Schwarzbier gegenüber und wir wollen das bewusst genauso trinkbar machen wie ein Pils. Das ist, denke ich, uns auch ganz gut gelungen. Hier beim Schwarzbier wieder durch das Malz natürlich ein toller cremiger stabiler Schaum. Im Geruch, dann merkt man natürlich deutlich das Röstmalz, was dann gleich Richtung Kaffee, also Kaffee würde mir als Erstes einfallen, wenn man reinriecht. Ja und wenn man den ersten Schluck trinkt, dann merkt man natürlich auch die Röstaromen, klar, ist ja viel dunkles Malz drin. Und, ja, ich denke, dann im Abgang kommt es dann doch leichter rüber wie viele das denken, dass ein Schwarzbier doch nicht so stark ist.

Markus: Ja, das ist mir, ehrlich gesagt, auch aufgefallen, dass viele Leute denken, das dunkle Biere automatisch immer stärker sind vom Alkohol, schwerer sind vom Körper. Und das müssen sie ja gar nicht sein, also das ist ja einfach nur ein Missverständnis sozusagen. Und ich muss auch sagen, also was mich total begeistert, also einerseits die Farbe, klar und es ist ja nicht nur schwarz, sondern da ist ja auch so ein bisschen Mahagoni, Ebenholz, so ein bisschen braune Töne sind in diesem schwarzen ja drin. Also es leuchtet auch so ein bisschen, hat einen leichten Rotstich vielleicht sogar, das gefällt mir richtig gut. Und in der Nase, wie du sagst, Kaffee, vielleicht noch ein bisschen Lakritz, vielleicht noch ein bisschen Schokolade, also sehr schön diese röstigen dunklen Aromen eben aus dem Malz. Auch im Mund wieder eine unglaubliche Cremigkeit, was ich sehr schön finde, und viel schlanker natürlich als jetzt zum Beispiel ein Dunkles. Und hinten raus, das finde ich sehr spannend, für mich ist die Bittere wirklich sehr schön balanciert aus der Malzbittere durch das Röstmalz und der Hopfenbittere. Und wenn du jetzt sagst, da ist trotzdem quasi dieselbe Menge Bitterhopfen drin, wie wir es beim Pils haben, dann ist das wirklich unglaublich gut balanciert und eingebunden, gefällt mir richtig gut und macht damit einen richtig schönen runden Abgang, einen schönen Trunk sozusagen. Meine allererste Begegnung mit dem Bier war, dass mir die Leute gesagt haben, das ist ein schwarzes Pils. Das ist es aber nicht wirklich oder, oder könnte man das so sagen?

Dirk: Nein, also ein schwarzes Pils ist es nicht, es ist einfach nur genauso gut trinkbar. Es hat, wie du schon gesagt hast, die gleichen Bittereinheiten, es hat genauso 4,8% Alkohol. Man hätte es natürlich stärker machen können, aber es war bewusst nicht gewollt, ja, um sich einfach von den anderen Schwarzbieren, was es so gibt, auch abzuheben.

Markus: Und gibt es da historische Überlieferungen oder Rezepte, die man da auch in der Brauerei hat?

Dirk: Also es gibt sicherlich historische Rezepte, die ich aber nicht habe. Die Rezepte, die mir vorliegen, ist alles, was nach der Wende ist. Es wurde ja schon kurz nach der Wende das Schwarzbier so gebraut, wie wir es jetzt immer noch brauen. Die Schwarzbiere zu DDR-Zeiten waren ja ganz anders gebraut, mit Zucker, das ist ja alles nicht mehr nach Reinheitsgebot und da wurde ja umgestellt.

Markus: Richtig. Also ich meine, das war klar, in der DDR-Zeit war Zucker ja tatsächlich ein sehr spannendes Thema, was ich dann auch in meiner Recherche so gelernt habe, das zum Beispiel auch daran lag, dass man als sozialistischer Bruderstaat den anderen Staat Kuba unheimlich unterstützen musste und deswegen alle anderen Ostblockstaaten Zucker gekauft haben, weil dass das einzige Exportgut war, was Kuba so in größerer Menge exportieren konnte. Und da lag eben überall eine Menge Zucker rum und keiner wusste so Recht was zu tun. Und in der DDR war es eben grade die Brauwirtschaft, die gesagt hat, wir können diesen Zucker nutzen, weil wir sowieso auch einen gewissen Rohstoffmangel haben und deswegen wurde da auch der Zuckeranteil im Bier relativ hoch. Muss man jetzt auch sagen, das ist eigentlich gar nicht schlimm, von der Brautechnologie her ist es halt einfach nur so, dass der Zucker halt wesentlich weniger Aroma mit sich bringt als jetzt eben ein Malz und deswegen haben wir jetzt natürlich bei den dunklen Malzen einen ganz anderen Charakter. Darfst du irgendwie drüber sprechen, was für dunkle Malze da drin sind oder vielleicht sogar ein bisschen, in welchem Verhältnis?

Dirk: Also wir verwenden Pilsner Malz, Münchner Malz und Röstmalz für unser Schwarzbier.

Markus: Und das Röstmalz ist dann dieses ganz extrem stark gedarrte Malz, wo ich dann wirklich diese kaffeeartigen Aromen habe und das Münchner bringt halt einfach schön den Körper mit zur Geltung und ein bisschen diese schokoladigen Noten auch. Also wirklich, ja, tolles Bier. Und ich muss sagen, das Letzte habe ich tatsächlich getrunken vor ungefähr einer Woche, da habe ich einen Workshop gehabt in Frankfurt und war dann auch bei einem Restaurant abends und die hatten die ganze Palette aus der Bitburger Gruppe. Und da muss ich wirklich sagen, das Schwarzbier war für mich also der Hit auch zum Essen, es gab eine richtig schöne Pizza und da hat sich das wunderbar miteinander vermischt und war auch ein toller Genuss, hatte ich auch zwei oder drei an dem Abend, also sehr schön auf jeden Fall. Und wie machst du das eigentlich so, also zwei Pils, ein Schwarzbier oder so, wenn du unterwegs bist oder bist du dann schon eher beim Pils?

Dirk: Ich starte in der Regel mit einem Pils und dann überlege ich mir, was ich esse, je nachdem, was die Speisekarte halt hergibt und dann schwenke ich auch schon mal um zu einem Kellerbier oder Schwarzbier. Kann auch im Biergarten im Sommer jetzt auch mal ein Weizen sein, aber wenn es natürlich ein gutes Köstritzer Edelpils gibt, dann nehme ich lieber das.

Markus: Ja klar, das sollte man natürlich auch tun. Als Brauer, was würdest du sagen, ist da jetzt der Hauptunterschied beim Schwarzbier neben den Malzen, gibt es da auch vom Prozess her andere Unterschiede?

Dirk: Im Prinzip nicht, es sind beide sehr untergärige Biere. Das Maischprogramm beim Schwarzbier ist natürlich ein deutlich intensiveres. Ansonsten bei uns, die Sudgrößen sind die gleichen, ja logisch, die Malzmischung ist eine andere, aber ansonsten, technologisch, Gärung, Tanks, Tankbelegung, Zeiten, ist in der Regel sehr, sehr ähnlich.

Markus: Und intensiveres Maischen heißt einfach länger kochen oder längere Rasten oder wie kann man sich das vorstellen?

Dirk: Wir fangen beim Schwarzbier tiefer an mit einmaischen, von der Temperatur her und halten dann die Rasten deutlich länger und damit halt auch intensiver.

Markus: Ja, dann kann dieses Bier sich so schön entwickelt wie es tut. Die Hefe führt ihr einmal oder mehrmals?

Dirk: Also wir haben eine Hefereinzuchtanlage, wo wir unsere Hefe wöchentlich neu herziehen, diese Hefe geht dann erstmal ausschließlich ins Edelpils. Und die Hefe wird dann geerntet und diese Erntehefe geht dann wahlweise ins Kellerbier, Schwarzbier oder Spezialpils und danach wird sie dann gezogen und wird dann verkauft. Also unsere Hefe wird maximal zweimal benutzt.

Markus: Und verkauft dann an andere Brauereien sozusagen?

Dirk: Nein, das ist eigentlich, wir haben da einen spezieller Abholer, der das abholt für uns, aber die Hefe geht nicht an andere Brauereien.

Markus: Ah so, okay. Aber du nimmst das zum Beispiel für euren Heimbrauverein, oder, nehme ich mal an.

Dirk: Ja natürlich. Ist einfach Vorteilnahme, wenn man in einer Brauerei arbeitet.

Markus: Absolut, ja, ja. Und die Hefen, das ist natürlich ein großes Thema, weil die Hefe ist ja im Grunde wie ein Haustier und so ein bisschen auch eben domestiziert, das sie ihren Job richtig gut macht und dann am Ende eben auch in dem Fall jetzt richtig schöne klare Biere macht, ohne das sie irgendwelche Aromen mit sich bringt. Das ist natürlich bei unserem nächsten Bier anders, bei dem Pale Ale, da haben wir auch eine andere Hefe. Wie war das so, als ihr das bei euch eingeführt habt, hast du da ein bisschen gedacht, hm, müssen wir das wirklich tun oder hast du dich drauf gefreut, wie lief das so?

Dirk: Also ich bin tatsächlich mit dem Pale Ale wirklich erst in Kontakt gekommen, wo es bei uns eingeführt wurde. Ich war davor, muss ich gestehen, als Brauer wirklich sehr, sehr Pils-lastig unterwegs und habe dann eigentlich erstmal, ja, was heißt interessiert, ist falsch, aber erstmal so über den Tellerrand geguckt, ach Mensch, es gibt ja doch noch viel, viel mehr. Und, ja, wie gesagt, da erstmal mit dem Bier, mit dem Pale Ale in Berührung gekommen und dachte, huch, Mensch, das ist ja was Tolles. Und dann geht das ganz natürlich los, dann beschäftigt man sich mit Hopfensorten, mit nochmal ganz anderen Bieren, mit ganz anderen Braustilen, was es alles gibt. Ja, ab da wird es erst nochmal, hat man, ja, seinen Beruf nochmal ganz anders wahrgenommen, das man nicht immer nur, ja, Pils braut und Schwarzbier braut, sondern das noch viele, viele anderen Sachen möglich sind mit immer wieder nur den gleichen vier Zutaten, Wasser, Malz, Hopfen, Hefe und es kommen wahnsinnig unterschiedliche Biere raus.

Markus: Also das finde ich jetzt super spannend, dass du das sagst und finde ich auch sehr interessant, dass dieses Bier ja für dich dann praktisch so den Auftakt gegeben hat, sich so ein bisschen auch die Bierwelt anzuschauen und zu gucken, was es da eben noch so für andere schöne Töchter in dem ganzen Stall gibt sozusagen. Ich mache mal mein Pale Ale auch auf, ich glaube, du hast es schon gemacht und dann bin ich mal gespannt, was du dazu sagst.

Dirk: Ja, also wie gesagt, das erste Mal mit Pale Ale in Berührung gekommen und ich kann mich da noch genau dran erinnern, das erste Mal reingerochen und war wirklich geflasht von diesen Citrusnoten oder überhaupt von diesem ganzen Aroma, was so ein Bier liefern kann. Und das, denke ich, riecht man auch hier wieder, unser Pale Ale hat ein sehr, sehr Citrus-starken oder einen starken Citrusgeruch, Geschmack, den man hier auch deutlich wahrnimmt. Das Pale Ale wird in der Würzepfanne gehopft, es wird im Whirlpool gehopft und wir haben dann auch im Kaltlagerbereich, also nach der Gärung wird es dann nochmal kaltgestopft, unser Pale Ale und da kommen natürlich die Aromasorten oder Aromanoten deutlich durch. Das, denke ich, das riecht man und kann das beim Pale Ale dann auch super schmecken.

Markus: Absolut, also da bin ich voll dabei. Und ich muss auch sagen, was ich sehr schön finde, es ist echt ein klassisches Pale Ale. Also schon von der Farbe her sind wir ziemlich nah beim Kellerbier und das ist ja im Grunde auch, wenn man so die Historie ein bisschen bemüht, ist das ja auch so, also da sind diese Biere ja auch nah beieinander, nur das wir dann eben hier diese intensive Hopfennote haben. Und da, muss ich sagen, ist auch schon in der Nase so, wie du sagst, dieses viele Citrus und dazu kommt aber auch noch so ein harziges Kiefern-, Tannennadelgeruch, der da eben auch mit dabei ist. Und ein sehr frischer Hopfengeruch, was auch schön ist, also wirklich, der macht richtig Lust, sich der Sache mal zu nähern und ist wirklich ein ganz krasser Kontrast zu den anderen Bieren. Also da kann ich mir gut vorstellen, dass das bei euch tatsächlich so ein Aha-Erlebnis für viele war in der Brauerei, das man wirklich mal was völlig anderes macht und einen Rohstoff da eben auch zur Geltung kommen lässt, der vorher natürlich auch wichtig war, aber eher so ein bisschen halt Teil des Ganzen. Und jetzt darf er hier mal die erste Geige spielen, das ist natürlich schon richtig, richtig schön. Darfst du sagen, was für Hopfen da drin sind?

Dirk: Also wir nehmen ganz klar Citra-Hopfen, wir nehmen Blanc dazu, Tradition und Perle.

Markus: Interessant! Also Hallertauer Blanc finde ich einen Wahnsinns Hopfen, der oft auch ziemlich so eine Wundertüte ist, also wo verschiedene Aromen sich auch entwickeln können, grade über die Zeit. Und der ursprünglich eigentlich so ein bisschen Weißwein-, Sauvignac-Noten hat, aber eben auch eine schöne Fruchtigkeit, je nachdem wie man den verwendet. Wobei, viele Brauer habe ich nicht mehr, ehrlich gesagt, die ihn benutzen, da finde ich schön, dass ihr ihn nehmt. Kommen diese Hopfen bei auch aus dem Elbe-Saale-Gebiet auch?

Dirk: Also wir haben speziell für Edelpils, nehmen wir Hopfen direkt aus dem Anbaugebiet Elbe-Saale. Der ist dann auch, ja, möglichweise auch in den anderen Biersorten mit drin. Da wird schon auf Regionalität geachtet, auf jeden Fall.

Markus: Das ist vielleicht auch eine interessante Geschichte, das ja wirklich dieses Elbe-Saale-Hopfenanbaugebiet, also historisch war das tatsächlich ein Hopfenanbaugebiet, aber dann im 19. Jahrhundert ist es quasi verschwunden. Und man hat dann nach dem Zweiten Weltkrieg, als die DDR eben gesagt hat, okay, wir sind jetzt ein eigener Staat und wir haben eine Brauindustrie, aber wir haben eben keinen Hopfen mehr, da musste man tatsächlich den Hopfen gegen harte Währung aus der Bundesrepublik importieren. Und logischerweise wollte man das nach Möglichkeit eben nicht mehr haben und hat man dann eben beschlossen, man wiederbelebt dieses Hopfenanbaugebiet im Elbe-Saale-Bereich und es wurde dann nach und nach eben aufgebaut, und hat tatsächlich erst 1990 zur Wende die Kapazität endlich gehabt, die man geplant hat, nämlich man konnte dann die ganze DDR-Wirtschat mit Hopfen versorgen. Allerdings war das eben dann das Wendejahr, was natürlich dann bedeutet hat, dass sich das Ganze dann geöffnet hat. Aber dadurch haben wir eben heute das zweitgrößte deutsche Hopfenanbaugebiet eben an der Elbe und der Saale mit ganz tollen, spannenden, interessanten Hopfen und das bereichert natürlich die Landschaft auch ungemein. Habt ihr für das Pale Ale schon immer dieselben Hopfen gehabt oder wird da auch ein bisschen experimentiert?

Dirk: Nein, wir haben also für das Pale Ale, seitdem es die Rezeptur gibt, verwenden wir immer den gleichen Hopfen. Und wie gesagt, bei uns, mit dem Hopfenanbaugebiet Elbe-Saale, wir haben es ja wirklich vor der Haustür, für uns natürlich absolut praktisch, auch für die Azubis. Ich war letztes Jahr erst im September mit den Azubis wieder bei einem Hopfenbauer gewesen und haben uns das alles Mal angeguckt, wie sich so eine Hopfenpflanze entwickelt. Und da war dann auch Erntezeit, da konnte man schön sehen, wie die Hopfenpflanzen geerntet wurden, wie die Dolden abgemacht wurden, wie der Hopfen verpackt wurde, verarbeitet wird er ja dann in der Hallertau. Ja, von daher sehr interessant immer wieder, wie aufwendig doch auch Hopfenanbau ist. Desto mehr weiß man dann wieder vielleicht zu schätzen, wenn es dann im Bier ist und seinen guten Zweck erfüllt.

Markus: Ja und ich muss sagen, ich bin ja regelmäßig in der Hallertau zur Hopfenernte, aber das erinnert mich jetzt dran, das ich unbedingt auch mal zu euch eben fahren sollte zu dieser Zeit. Weil, was ich so spannend finde ist, dass dann wirklich die Dörfer, wo eben die Hopfenbauern liegen, die riechen dann tagelang, wochenlang einfach nur nach Hopfen. Also ich erinnere mich da, wenn ich früh im Hotel bin und die Fenster aufmache, dann kommt schon ein riesen Schwall an Hopfenaroma rein und da bekommt man dann auch wirklich nochmal richtig Lust, eben grad auf solche Biere wie dieses Pale Ale. Und ich muss auch wirklich sagen, für mich ist es ein sehr schönes Pale Ale, was so den Twist irgendwie zwischen dem Klassischen, was jetzt die Malzmischung und die Farbe und die Bittere und so angeht, aber eben auch ein bisschen dem Modernen, was eben die Hopfen- und die Aromanoten angeht, die es hat. Also im Grunde ein Pale Ale, was Leute abholt, die jetzt zum Beispiel vorher Schwarzbier und Pils getrunken haben und sie nicht total überfordert, wie das vielleicht bei manchen sehr krassen Pale Ales aus den sogenannten Craftbeer-Brauereien zum Beispiel ist, die halt dann sehr viel extremer unterwegs sind, und das muss man ja vielleicht auch nicht. Ich glaube, ihr habt das 2014 eingeführt, oder, kann das sein?

Dirk: Ja, 2014 stimmt. Und, ja, wie du sagst, ein Pale Ale darf da nicht zu bitter sein, weil das ja doch schon ein krasser Sprung ist von einem Pils oder Schwarzbier zu so einem Bier, das muss man erstmal mögen. Man muss dann erstmal sich damit, ja, sicherlich auch beschäftigen, ja, warum ist das so oder was ist das jetzt für ein Bierstil. Was hier natürlich dem Bier immer wieder zu Gute kommt ja auch, ist klar, das ist ja obergärig, Pale Ale, allein das macht ja schon wahnsinnig viel an Geschmack aus, obergärige Hefe, die hat ja ein ganz anderes Fruchtaroma. Und das im Zusammenspiel mit dem Hopfen macht das Bier halt dann so besonders.

Markus: Wie war das für euch Brauer, dass man gesagt hat, Mensch, wie nehmen jetzt eine obergärige Hefe mit rein, hat man da erstmal ein bisschen skeptisch geschaut? Wie macht ihr das heute, teilt ihr das, trennt ihr das in der Brauerei?

Dirk: Ja, früher, also wenn ich jetzt da von mir ausgehe, früher hat man in der Berufsschule gelernt, untergärige Hefe und obergärige Hefe niemals in einer Anlage oder einer Hefereinzucht. Und natürlich haben dann alle, auch die älteren Brauer, erstmal so skeptisch geguckt, hm, ja, was machen wir da jetzt eigentlich? Aber wir haben ja eine sehr, sehr moderne Hefereinzuchtanlage, wir können das sehr, sehr gut trennen und können problemlos verschiedene Hefen gleichzeitig herführen und auch verarbeiten. Ja, der Brauer ist ja allgemein immer erstmal sehr vorsichtig, aber mit unserer Technologie, so wie wir sie haben, alles kein Problem.

Markus: Ja, das denke ich mir. Und wenn ich mich richtig erinnere, war damals das Pale Ale ja auch nicht alleine, sondern es kam zusammen mit einem Vit-Bier. War das auch bei euch gebraut und war das dann eine gewisse Herausforderung durch die anderen Zutaten?

Dirk: Also das Vit-Bier war auch bei uns gebraut. Ja, durch die Zugabe der Gewürze, das war natürlich schon auch was Neues für uns, aber auch das haben wir technisch gelöst. Und, ja, war ja auch ein obergäriges Bier und auch das ging problemlos dann bei uns herzustellen.

Markus: Was haben da so deine Freunde, deine Familie dazu gesagt, als du die beiden Biere zum ersten Mal Nachhause mitgebracht hast?

Dirk: Die waren, glaube ich, noch überraschter über Geschmack. Ich sage mal, als Brauer weiß man ja schon, was man so alles mit Malz und Hopfen anstellen kann aber, ja, für den, der jetzt so gar nicht groß mit Bier was zu tun hat, der es eigentlich nur kauft und trinkt, sage ich mal und dann so ein Bier hingestellt bekommt, was völlig anders schmeckt, war die Überraschung doch sehr, sehr groß. Und das merke ich auch bei mir Zuhause, wie gesagt, in dieser kleinen Bierrunde, die es da gibt, denen habe ich dann erstmal erklärt oder auch beim Bierbrauen erklärt, was man so alles machen kann oder warum ein Bier anders schmeckt. Und für die, die haben sich dann auch erstmal so geöffnet auch für andere Biere, so für ein Pale Ale. Die hatten da, würde ich mir sonst nie kaufen. Dieses Bewusstsein schaffen, das es auch noch andere Biere gibt, das ist halt da auch immer sehr interessant.

Markus: Apropos, hast du dann selber auch ein bisschen weiter noch rumprobiert oder bist du vielleicht sogar ein bisschen rumgefahren und hast andere Biere verkostet? Ist das so ein Anstoß, den man da kriegt?

Dirk: Also ich habe schon Biere im Internet bestellt, andere Biere. Und ansonsten trinke ich im Urlaub immer gerne das Bier, was es dort dann auch regional gibt, also da koste ich mich dann auch schon durch. Und, ja, also ich will ja nicht in Urlaub fahren und dann immer wieder nur das gleiche Bier zu trinken, man muss ja oder ich will ja als Brauer oder Braumeister auch meine Augen und Ohren offen halten, was es denn alles noch so gibt und dann kostet man sich natürlich auch durch.

Markus: Ja klar. Also ich meine, das ist immer die Horrorvorstellung der deutschen Touristen, die nach Mallorca dann zum Schnitzelwirt gehen und dort dann halt irgendwelches Münchner Bier und Schnitzel essen und trinken. Das macht natürlich keinen Sinn, grade wenn man im Urlaub unterwegs ist, will man ja die Kultur haben und so. Gibt es da irgendwas, was dir in Erinnerung geblieben ist, wo du sagst, das fandest du besonders spannend, war ein besonderes Erlebnis?

Dirk: Ich finde generell, meine Schwester wohnt ja in der Nähe von Bamberg, generell die Vielfalt an sich, ich würde jetzt nicht so ein spezielles Bier oder Brauerei hervorheben, einfach die ganze Vielfalt. Wir haben so viele Brauereien und so viele verschiedene Biere, das finde ich einfach wahnsinnig interessant. Das, ja, ganz viele ein Pils brauen und jedes Pils schmeckt aber anders und, wie gesagt, alle haben aber immer wieder nur die gleichen Voraussetzungen, immer wieder nur die vier Zutaten und das ist halt so spannend, das jedes Bier irgendwie anders schmeckt.

Markus: Ja und das geht jetzt auch ein bisschen runter wie Öl, wenn du grade sagst, in der Bamberger Gegend, da fühlst du dich auch Zuhause, was das Thema Bier angeht, ist natürlich spannend. Und es ist so, also das ist ja grade das Tolle eigentlich, das wirklich die Brauer alle mit derselben Grundbasis spielen, aber eben bei jedem ein bisschen was anderes dabei raus kommt und man unterschiedlich Akzente setzen kann und natürlich auch auf seinen jeweiligen lokalen Geschmack, den die Leute haben, auch dann entsprechend eingehen kann. Und, ja, wir haben noch ein Bier beziehungsweise ein Biermischgetränk, das wir auch noch verkosten wollen. Da bin ich selber sehr gespannt drauf, weil es sich ja um eine Mischung aus Schwarzbier und Kirsche handelt. Wie neu ist das?

Dirk: 2019 wurde das eingeführt mit dem Kellerbier Limette zusammen, genau.

Markus: Ah ja, okay, genau, da gibt es jetzt zwei, also einmal die Kirsche mit dem Schwarzbier und einmal die Limette mit dem Kellerbier. Wenn wir jetzt sagen Kirsche und Schwarzbier, wie muss ich mir das vorstellen, also ihr macht praktisch euer fertiges Schwarzbier und mischt es dann mit Kirschsaft oder wie funktioniert das?

Dirk: Also wir stellen die Limo her, die Kirschlimo und mischen das dann mit unserem fertigen Schwarzbier, genau.

Markus: Na gut, dann müssen wir das mal aufmachen, bin ich auch mal sehr gespannt drauf. So. Hah! Also bevor du anfängst, ganz kurz, was ich ganz spannend finde ist, dass die Kirsche ja tatsächlich auch in der Farbe vom Bier eine Rolle spielt. Also schon beim Einschenken sieht man, wie dieses Bier tatsächlich, ja, eine richtig schöne rote Kirschnote in diesem schwarz vom Schwarzbier hat. Also das gefällt mir schon ganz toll, aber ich will dir gar nix vorwegnehmen.

Dirk: Also ich finde, also dass das Rote nicht nur im Bier ist, man sieht diese rötliche Farbe auch schon im Schaum ein bisschen durch. Was es schon sehr interessant macht, schon rein vom Anblick her. Und klar, beim Einschenken kommt sofort die Kirschnote durch. Und, ja, wir haben hier ein Biermischgetränk mit 60 % Bier, 40 %, wie gesagt, unser Kirsch drin. Und die Kirsche kommt sehr stark durch im Geruch. Und beim Geschmack war uns wichtig, dass das als Biermischgetränk nicht zu süß ist und ich denke, hier harmoniert das sehr, sehr gut zusammen. Und der Schwarzbiercharakter kommt trotzdem noch durch, also die Kirsche ist nicht zu dominant beim Trinken und, ja, man schmeckt auf jeden Fall raus, das Schwarzbier die Basis ist dafür.

Markus: Ja, das auf jeden Fall. Und ich muss sagen, mir kommt es ein bisschen vor wie die Mischung aus einer Schwarzwälder Kirschtorte und einem Dominostein. Also man hat dieses Schokoladige mit der Kirschnote und dann hat man aber auch so einen marzipanigen Nachgeschmack und dann kommt auch das, was man von diesem Teiganteil beim Dominostein, hinten raus wird das dann wieder ein bisschen trockener und ist dann auch richtig ein schönes Finale. Und die Süße, wie du schon sagst, ist nicht so dominant, sondern die ist so dazwischen und ist auch da, aber ist jetzt nicht so extrem, wie man das oft so bei Mischgetränken hat und dadurch ist es tatsächlich eindeutig noch als Bier wiederzuerkennen. Wie entwickelt man sowas? Also habt ihr einfach losgelegt oder habt ihr da viele Verschiedene gemacht und dann entschieden, wie läuft sowas?

Dirk: Also wir haben ja in Bitburg die Versuchsbrauerei und in der Regel, ich sage mal, kann man sich in der Braugruppe vorstellen, wir wollen ein Neuprodukt einführen, dann überlegt man sich, was will man machen. Und dann kriegt die Versuchsbrauerei quasi einen Auftrag, verschiedene Rezepturen zu entwickeln. Und wenn die Biere dann fertig sind, dann kommen die hier nach Köstritz, werden verschickt. Und dann gibt es ja in Köstritz eine Verkosterrunde, die sich aus, ja, Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen zusammensetzt, das sind Mitarbeiter aus dem Labor, Brauer, eigentlich Querbeet. Und dann wird verkostet und dann, klar, dann gibt es ein ganz normales Ranking und das Bier, was am besten abschneidet, sagt man dann, okay, das könnte unsere Rezeptur sein. Und dann wird da nochmal eventuell mit der Versuchsbrauerei nochmal optimiert. Und dann wird, ja, mit allen, mit Marketing, mit Vertrieb, wird dann die Entscheidung getroffen, wird es das Produkt oder wird es nicht.

Markus: Und habt ihr auch andere Varianten probiert neben Kirsche? Also, keine Ahnung, mit Himbeere oder mit Waldmeister oder mit sonst irgendwas oder war Kirsche tatsächlich die erste Wahl?

Dirk: Kirsche war die erste Wahl, also da haben wir keine anderen.

Markus: Ja, war auf jeden Fall eine gute Wahl. Also ein schönes Mischgetränk und auch etwas, was ich mir gut vorstellen sowohl im Sommer mal im Biergarten als eben auch im Winter mal so gemütlich im Lokal zu trinken, wenn man halt nicht die ganz starke Keule haben will oder einfach Lust hat auf so eine schöne Mischung von Frucht und Bier. Was euch sicherlich gut gelungen ist, also dafür schon mal vielen Dank. Ja, jetzt sind wir ziemlich am Ende angelangt. Gibt es noch etwas, was du loswerden möchtest, was du uns noch erzählen möchtest?

Dirk: Also es gibt ja, um nochmal auf das Schwarzbier auch zurückzukommen, immer die Meinung so, wie gesagt, was wir vorhin schon hatten, dunkle Biere, stark und schwer und viel Alkohol, unser Schwarzbier ist auch ein super Bier für den Biergarten im Sommer. So ein richtig schönes kaltes Schwarzbier, das geht runter wie Öl, es muss nicht immer Pils sein im Sommer. Wie gesagt, unser Schwarzbier, ja, kann man auch super in der heißen Jahreszeit trinken. Ja und ansonsten, wer unsere Biere erleben möchte, ist gerne eingeladen zu einer Brauereiführung, der kann sich auf der Internetseite bei uns informieren. Wie gesagt, wir haben hier unser Besucherzentrum, wir bieten Brauereirundgänge an mit Verkostung. Und, ja, dann hoffen wir doch, das der ein oder andere dann nicht das letzte Mal in Köstritz gewesen ist.

Markus: Das hoffe ich doch auch, also ich werde mich sicherlich einreihen und auch bei der Brauereiführung sobald wie möglich mal wieder dabei sein und mir das anschauen, wie es jetzt ausschaut. Und kann das auch allen nur empfehlen, weil letzten Endes ist genau das ja ein toller Teil der Bierkultur, dass man eben vor Ort sein kann und die Menschen erleben kann und die Brauereien erleben kann, wo das Bier ja letzten Endes herkommt, also da freue ich mich schon drauf. Und wir werden auch alles in den Shownotes verlinken, sodass die Hörer das entsprechend auch sehen. Dann sage ich vielen, vielen Dank, auch für diesen Satz, es muss nimmer Pils sein, das passt natürlich auch sehr schön, weil, ich glaube, viele Köstritz wirklich auch mit dem Schwarzbier assoziieren und das natürlich einfach ein ganz wichtiger Teil der ganzen Geschichte ist. Also dir vielen Dank und noch eine schöne Zeit, heute noch einen schönen Arbeitstag, ich hoffe, er ist nicht zu sehr beeinträchtigt durch diese ganze Verkostung, die wir jetzt schon gemacht haben. Und dann bis bald vor Ort.

Dirk: Okay, Markus, vielen Dank, bis dahin, tschüss.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 59 – Interview mit Dr. Andreas Urban, Braumeister bei der Schwechater Brauerei in Wien, Österreich

Entdecke die faszinierende Welt des Wiener Lagers mit Andreas Urban, Braumeister bei der legendären Schwechater Brauerei! Mit Andreas tauchen wir tief in die Geschichte und das Handwerk hinter einem der traditionsreichsten Bierstile der Welt ein. Er teilt dabei seine spannende Reise von einem Neugierigen der Lebensmitteltechnologie zum Hüter eben dieses Wiener Lagers und erzählt, wie ein fast vergessener Bierstil durch Leidenschaft und Hingabe zu neuem Leben erweckt wurde. Der Braumeister verrät auch, wie Du das beste aus Deinem Besuch in der Wiege des Wiener Lagers machst und wie die Schwechater Brauerei die Bierkultur mit jedem Schluck lebendig hält…

Kommt in unsere Facebook-Gruppe und diskutiert mit: https://www.facebook.com/groups/bierakademie

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute reisen wir in vielerlei Hinsicht an einen wichtigen Ort, einen wichtigen Zeitpunkt auch in der Geschichte des Bieres, denn wir nehmen die seltene Gelegenheit wahr und gehen mal dahin, wo ein Bierstil seinen Ursprung hat. Und das kann man ja nur noch ganz selten tun und es gibt eben einen, nämlich das Wiener Lager. Und dementsprechend ist auch klar, wir sind in Wien, wir sind bei der Schwechater Brauerei und wir sind dort bei Andreas Urban. Wunderbar, schön das du dir Zeit genommen hast! Toll, dass wir auch Biere haben, die wir zusammen verkosten können. Vielleicht stellst und dich einfach mal ganz kurz unseren Hörern selber vor.

Andreas: Ja, ein herzliches Grüß Gott vor den Toren Wiens aus der Brauerei Schwechat. Zu meiner Person, ich habe Lebensmittel- und Biertechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert, Diplomarbeit und Dissertation schon im Bereich Bier gemacht. Und bin aktiv, sage ich mal, seit gut 1992 in der Bierbranche aktiv tätig. Und um einige Jahre zu überspringen, seit gut 15 Jahren hier Braumeister in der Brauerei Schwechat, an der Wiege des Wiener Lagers. Und das, glaube ich, ist ja auch ein großer Punkt, den wir heute behandeln wollen.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Und wie gesagt, es ist ja auch nur noch ganz selten möglich, dass man sowas machen kann. Und, ja, da bist du ja quasi schon ein alter Hase, in Anführungsstrichen.

Andreas: Das ist richtig, ja.

Markus: Ja und wir sehen uns ja immer regelmäßig bei Bierwettbewerben, wenn es eben drum geht, Biere zu beurteilen und zu beschreiben. Und, ja und da sind wir eben auch ins Gespräch gekommen. Und ich muss aber sagen, bevor wir zu dem Wiener Lager an sich kommen, vielleicht noch ein bisschen mehr zu dir.

Andreas: Ja.

Markus: Wie bist du überhaupt zu dem Thema Bier gekommen, war das von Anfang klar oder wolltest du Rennfahrer werden?

Andreas: Am Anfang war es nicht wirklich klar. Als ich mit dem Studium begonnen habe, hätte mich eher die Lebensmitteluntersuchung, Lebensmittelkontrolle interessiert. Habe dann auch mal für ein Jahr Praxis gemacht und das war zu einer Zeit, wo die Beamten dort damals noch mit der Polaroid-Kamera Fotos geschossen haben von den gezogenen Lebensmittelproben und einfach nur extrem viel Bürokratie gemacht haben, um die Proben zu beschreiben und dann in die jeweiligen Fachlabors weitergeleitet. Das hat mich dann abgehalten, diesen Weg weiter zu beschreiten. Und wir haben einen Professor für Technologie der Brauerei an der Uni gehabt, der gemeint hat, ja, es gibt auch die Möglichkeit, Diplomarbeit zu machen. Und das habe ich dann gemacht und irgendwie bin ich dann so in dieses Milieu hineingerutscht, was mir sehr gut gefallen hat. Ich habe dann auch damals noch an der Versuchsstation für das Gärungsgewerbe gearbeitet, wo auch die Berufsschule für Brauer und Getränketechniker, damals hat es noch geheißen Brauer und Mälzer, gewesen ist. Habe dort auch unterrichtet und habe die Zeit dann auch nach dem Diplom genützt, die Dissertation dort zu machen. Und so ist man dann irgendwie in diese Branche gekommen und hat sich auch, wenn man so will, in der kleinen Branche präsentiert. Und ich bin dann 1992 damals noch in die Brau AG in Linz, im Headquarter habe ich begonnen, mittlerweile ist es die Brau Union Österreich AG. Und über die Stationen Linz, Headquarter Qualitätssicherung Zentrallabor, dann über die Brauerei Wieselburg, wo ich die Qualitätssicherung geleitet habe und seit Ende 2001 bin ich in Schwechat und eben seit gut 15 Jahren auch Braumeister am Standort. Biersommelierausbildung habe ich gemacht. Wir kennen uns, wie du richtig erwähnt hast, von diversen Judgegings, wo wir bei Bierprämierungen in der Jury sitzen, ob das European Beer Star ist, ob das bei der Brussels Beer Challenge ist oder, ich denke, wahrscheinlich auch wieder in Las Vegas jetzt beim World Beer Cup, der im April ist. Also Bier, wie soll ich sagen, bewegt mich schon. In meinen Adern ist zwar Blut, aber wahrscheinlich auch immer ein moderates Maß an Bier.

Markus: Das hast du schön gesagt. Ja und in Vegas werden wir uns, als so Gott will, auf jeden Fall auch sehen. Also Flüge sind schon gebucht, ich bin sehr gespannt …

Andreas: Ja, genau.

Markus: … war noch nie da, wird sicherlich interessant. Vielleicht noch kurz, wo kommst du ursprünglich her und was gab es da für ein Bier? Und weißt du noch, wie du überhaupt zu dem Thema Bier kamst?

Andreas: Ja, also es ist nicht so, dass ich aus einer Bierdynastie oder Brauerdynastie komme, ich bin quasi ein Quereinsteiger, ich bin der Erste in meiner Generation. Vielleicht auch der Letzte, weil die Kinder sich in andere Richtungen entwickeln, aber ist auch gut so. Ja, das ist eine gute Frage, wenn du mich jetzt nach der ersten Biersorte oder Marke, die ich getrunken habe? Ist natürlich abhängig, ich habe auch während des Studiums praktiziert, zwei Sommer hindurch in der Puntigamer Brauerei in Graz, aber auch in der Brauerei Schwechat. Und, ja, ich kann es jetzt, ehrlich gesagt, das ist eine Schande, aber ich kann es gar nicht sagen, welches Bier zuerst. Aber ich weiß, es war sicher noch, als ich größer geworden bin, war prinzipiell die Flasche. Aber möglicherweise war es vielleicht sogar ein Zipfer oder auch ein Schwechater, ich kann es nicht wirklich sagen.

Markus: Na, ist ja nicht schlimm. Also wahrscheinlich jedenfalls ein helles Bier?

Andreas: Ja, ja, also definitiv. Der Zugang war über ein Märzen oder Lager Bier. Wobei Märzen, muss man sagen für die deutschen Freunde, ist jetzt nicht das Wies´n Märzen, sondern unser österreichisches Märzen, wo es ja auch eine eigene Kategorie mittlerweile seit mehreren Jahren beim European Beer Star auch gibt. Das unterscheidet sich von eurem Hellen insofern ein wenig, als es etwas stärker gehopft ist, etwas mehr Alkohol hat um ein paar Zehntel. Ja und das war sicher der erste Schritt, um überhaupt mit dem Biergeschmack und dem Bier was anzufangen.

Markus: Ja und dann kommst du eben zur Wiege des Wiener Lager. Da vielleicht werden wir noch ein bisschen drüber reden. Also wir haben ja grade gesagt, eigentlich das helle Bier vorher schon in Österreich, bei uns ja letzten Endes auch mit dem Thema Pils und dann gibt es eben so einen Bierstil, der ja sogar mit Wien, mit der Hauptstadt von Österreich verbunden ist und der fast von der Bildfläche verschwunden war, der eher in Mittelamerika, in den USA irgendwo noch präsent war, aber eben weniger Zuhause. Wie war das, also als du dann nach Schwechat kamst, war das da schon ein Thema oder hat sich das erst wieder entwickelt, wie war das?

Andreas: Nein, nein, das hat sich wirklich erst entwickelt. Also vielleicht, warum dieser Bierstil mit dieser Bernsteinfarbe verschwunden ist, das war natürlich dann auch dem Umstand geschuldet, dass dann unmittelbar, nachdem Anton Dreher 1841 in diesem Bierstil mit dem Wiener Lager mehr oder minder going public rund um den Erdball gestartet hat, ist da ein Jahr später Josef Groll mit dem Pilsbier, das da noch heller gewesen ist, auf der Bildfläche der Brauer erschienen. Und über die Jahre hindurch sind die Biere dann auch immer heller geworden, sodass dann wir dann eben bei diesem Lager- oder Märzen-Bier oder bei dem Hellen gelandet sind. Und es ist richtig, die einzige Brauerei, wenn man so will, die in Österreich noch ein wenig diesen Wiener-Lager-Bierstil gepflegt hat, aber auch es nicht als solches tituliert hat, war die Brauerei Weitra und da relativ nahe zur Brauerei Zwettl im Waldviertel, also nördliches Österreich. Und richtig, es gab dann auch Theresianer, die haben die italienische Brauerei, die hat auch ein Wiener Lager gehabt, also über Jahre hindurch und in Österreich war es eigentlich komplett verschwunden. Und bei uns war es dann so, dass wir 2016 das aufgegriffen haben, weil das waren dann genau 175 Jahre seitdem Zeitpunkt, wo eben 1841 Anton Dreher, der Ältere, diesen Bierstil mehr oder minder, ja, kreiert, mehrere, sagen wir mal, Einzelteile, ein Mosaik zusammengesetzt hat. Damit meine ich eine neue Mälzungstechnologie, indirekte Beheizung, ich meine untergärige Hefe, damit meine ich auch kalte Gärbedingungen, kalte Lagerbedingungen, lange Lagerung bei kalten Temperaturen. Das alles zusammen hat ja dann den Wiener-Lager-Bierstil geprägt. Ja und eben der Anlass war, 175 Jahre, von 1841 her gerechnet. Und das war dann mehr oder minder der Startschuss, dass wir nachempfunden haben oder wir haben es interpretiert, wie das Wiener Lager, der Wiener-Lager-Bierstil geschmeckt haben muss. Ich muss dazu sagen, es ist leider nicht so, dass wir ins Archiv gegangen sind und irgendwo ein bisschen Staub von Büchern weggeblasen und die Originalrezeptur gefunden haben. Sondern über andere Literaturstellen, Beschreibungen von den Bieren, auch wie die Biere dann bei den diversen Weltausstellungen, sowohl in London als auch Paris, wo immer wieder sehr große Erfolge mit diesem Bierstil gefeiert wurden, Berichte darüber gelesen und eben es jetzt in diese Richtung interpretiert und gebraut. Haben den Herren damit auch, dass dann der Bierstil in Österreich plötzlich wieder en vogue war, ich möchte es nicht verheimlichen, das auch die Kollegen im 16. Bezirk Ottakring mit dem Wiener Original genauso in die gleiche Kerne geschlagen oder gebraut haben und ein paar andere kleinere Brauereien. Bis hin dazu, dass sich auch, seien es Hausbierbrauereien oder auch Hobbybrauer, plötzlich auch wieder mit diesem Bierstil befassen. Und das, finde ich, ist generell sehr gut. Das ist ein toller Beitrag zur Bierkultur und zur Diversifizierung zu den unterschiedlichen Bierstilen. Vielleicht ein Satz da noch zu meiner Person, ich bin auch hier ehrenamtlich Präsident vom Bund Österreichischer Braumeister und Brauereitechniker und da ist mir generell die österreichische Bierkultur, ganz egal ob große, kleine Brauereien, Konzernbrauerei, Privatbrauerei, generell ist mir sehr wichtig, etwas für die Bierkultur zu tun und zu bewerkstelligen. Und, genau, da freut es mich eben, dass es in Österreich selbst wiederdiesen Bierstil gibt. Und wir haben auch ein bisschen damals noch mit Doemens, als dort der European Beer Star abgehandelt wurde und die Kategorien mehr oder minder definiert und festgelegt wurden, ein paar Jahre kämpfen müssen, dass das Wiener Lager zu einem eigene Bierstil, auch eine eigene Kategorie wurde und nicht irgendwo bei dem Amber Lager mit läuft.

Markus: Ja, da habt ihr sehr wohl daran getan. Und ich glaube, es ist auch wirklich wichtig, grade auch für die Brauer eben aus einem Land, dass man so einen eigenen Bierstil hat, so eine gewisse Ikone irgendwie hat, hinter der man sich auch mal versammeln kann. Und ich habe die Diskussion jetzt grade erst miterlebt mir den polnischen Brauern, die eben ihr Baltic Porter haben und ihr Grodiczky haben, worauf sie sehr stolz sind. Was auch dort unheimlich die Euphorie entfacht und man eben da versucht, auch so eine gewisse Identität mit Bier selber zu haben und da ist das natürlich cool. Ich würde, bevor wir es gleich probieren, vielleicht noch kurz in die Geschichte ein bisschen einsteigen und zwar so, ich würde vielleicht ein bisschen erzählen, was ich so aus dem Vorfeld in Erinnerung habe und dann kannst du ja vielleicht ein bisschen erzählen, wie das dann vor Ort in Schwechat so ein bisschen weitergegangen ist. Also im Grunde gab es diese, sage ich mal, Spionagereise, in Anführungsstrichen, von Sedlmayer, Lederer und Dreher. Also interessant auch, ein Österreicher, ein Franke und ein Bayer, die zusammen nach England fahren und nach Schottland und dort eben die Bierkultur unter die Lupe nehmen beziehungsweise sogar unter den hohlen Gehstock, in dem sie Bogen ziehen, in dem sie sich das Ganze anschauen. Und dort war man damals gute 100 Jahre weiter als der ganze Kontinent. Und dieses Wissen nehmen die mit und haben dann an verschiedenen Punkten eben Dinge, wo sie ansetzen können. Einmal natürlich die Technologie an sich, Labortechnik, überhaupt Messungen von Temperaturen, von Stammwürzen, all das.

Andreas: Ja, Saccharomet war die Vorstufe von Saccharomter, ist dann auch schon in England bekannt gewesen, dort war einfach das Zentrum der Bierkultur, der Bierbrauereitechnologie, muss man vielmehr sagen, ja.

Markus: Richtig, genau. Und dann kommen die eben zurück und erfinden aber dann auch eben diese moderne Art des Mälzens. Das heißt, es gibt dann eben diese heutigen Standardmalze, Pilsner Malz, Münchner Malz, Wiener Malz, die sich dann natürlich am Ende auch in einem gewissen Bierstil niederschlagen. Und dann muss man aber noch das Panoptikum sehen vor Ort in Schwechat, wo man dann diese sehr, sehr, für damalige Verhältnisse, moderne Brauerei hat, mit gigantischen Eisweihern, wo dann eben auch entsprechend Eis geerntet wird, um kalt arbeiten zu können. Wo dann später auch die Dampfmaschine steht, eine der Ersten. Also wo man immer vorne dran ist und das weiter entwickelt und da dann eben auch diesen eigenen Bierstil hat. Und das finde ich interessant, wie war das denn so, als der Anton Dreher da zurückkam, wie hat sich das denn vor Ort entwickelt? Und wie sieht es die Brauerei aus der heutigen Perspektive, was da damals in den 1840er-, 50er-Jahren passiert ist?

Andreas: Es wäre schon spannend, könnte man eine Zeitreise machen und sich mit ihm unterhalten, mit Anton Dreher, dem Älteren, wie das gewesen ist. Es war ja so, er kam zurück und hat aber sein ganzes Wissen nicht an die Brauerei rundherum weitergegeben. Und da gab es auch diesen Ausspruch, also quasi Anton Dreher kommt zurück und ist dümmer als zuvor, weil er eben sich nicht so in die Karten blicken ließ. Es sind unterschiedlichste Dinge. Wo bei uns noch ein Holzkühlschiff in Verwendung war, hat er schon das Ganze gesehen und dann aus Metall. Dieser ganze Umstieg von direkte auf indirekte Befeuerung, wie sich das ausgewirkt hat in England im Pale Ale oder bei uns halt dann, dieses Wiener Malz, wo ich nur mit heißer Luft, als Wasserdampf dann ausscheide. Das Malz war viel heller, es ist nicht angebrannt gewesen und nicht diese rauchigen, also brenzligen Röstnoten gehabt. Und was auch noch dazu kam, plötzlich waren dann nicht mehr Tonkrüge aktuell, sondern es waren dann auch Glaskrüge leistbar, ja. Das heißt, wenn ich das Bier im Glas hatte, habe ich die hellere Farbe gesehen. Ich habe auch gesehen, obwohl der Filter noch nicht mehr oder minder erfunden wurde, dass durch die lange kalte Lagerung einfach es zu einem Absetzverhalten von Hefezellen, von den Eiweißpartikeln, von Druckstoffen gekommen ist und das Bier dann auch schon blanker erschienen ist. Und das war natürlich revolutionär und daher auch der große Erfolg. Auch wenn jetzt, wenn wir das Wiener Lager haben und sagen, naja, hell, so wirklich hell ist es ja nicht, es hat ja diese Bernsteinfarbe. Aber im Vergleich zu den Bieren, die früher gewesen sind, die ja fast in Dunkelbraun, Schwarz gegangen sind, war das natürlich ein starker Sprung, wenn man so will. Ja, vielerlei Hinsicht, die Dampfmaschine, das ist richtig. Die Eiskeller, die er angelegt hat. Wo wir quasi Nebenflüsse von der Donau, Seitenarme, wo im Winter das Eis geschnitten wurde, dann im Eiskeller die Eisblöcke gelagert, um halt möglichst, bis hin fast rund ums Jahr brauen zu können. Was ja bei uns schon möglich war, während, wenn ich jetzt an Bayern denke, gab es ja da ein Verbot, dass in der warmen Jahreszeit nicht gebraut werden darf. Wenn ich mich nicht irre, dann zwischen Josefe und Michael, zwischen April und Ende September, da wurde ja nicht gebraut. Dann gab es den Brausilvester am 30. September und dann ging es ja wieder los mit dem neuen Braujahr, wenn man so will. Das hat es bei uns dann nicht so gegeben. Und natürlich auch die, wie soll ich sagen, die Kooperation dann mit Karl von Linde. Und das war aber dann schon sein Sohn, der Anton Dreher, der Jüngere, der aber dann zuerst, und das ist manchmal vielleicht falsch dargestellt, die erste Kältemaschine gab es da nicht in Schwechat, sondern in Triest. Wo dann wirklich der erste funktionierende Maschinentyp also eingebaut oder installiert wurde. Der Grund ist vielleicht auch darin zu sehen, dass allein von der geografischen Lage wohl Triest immer schon wärmere Temperaturen hatte als hier im Wiener Raum. Und dann, eine der nächsten Kältemaschinen gab es dann eben auch hier in Schwechat. Und auch, weil du vorher diese Zusammenarbeit und diese Bierreise, Studienreise angesprochen hast mit Gabriel Sedlmayr primär, das hat ja noch über viele hindurch, gab es ja diese Freundschaft. Und man darf nicht außer Acht lassen, Sedlmayr selbst war ja der eigentlich, der in Auftrag gegeben hat bei Karl von Linde, eine Kältemaschine zu produzieren. Nur er hat dann durch die Rückschläge, die der Karl von Linde hatte, wo dann teilweise Maschinen explodiert sind und, und, und, hat er dann den Geldhahn etwas zugedreht. Aber alles in allem, diese Verbindung hat lange Zeit sehr viele Früchte getragen zwischen dem bayrischen Sedlmayr und dem, ja, bei Wien, in Schwechat befindlichen Anton Dreher oder Anton Dreher, der Ältere beziehungsweise der Jüngere.

Markus: Genau, also in beiden Fällen eben klassische Familiendynastien, die sich mit diesem Thema eben auch auseinandersetzen. Und vielleicht auch für die Hörer, um das noch ein bisschen einzuordnen, Triest, heute Italien, damals aber schon seit zig Jahren, wenn nicht sogar 100en von Jahren, eben österreichisch. Deswegen ganz normal eigentlich für …

Andreas: Ja.

Markus: … für einen Österreicher zu sagen, dann gehe ich eben in die klimatisch sinnvollste Ecke und mache das eben dort. Und natürlich auch eine große Stadt, eine Handelsstadt, eine Hafenstadt mit vielen Leuten, wo natürlich auch wirtschaftlich das sehr interessant war, ne.

Andreas: Das hat ja auch mitgeholfen, dass dann Exporte gestartet sind, nicht nur in ersten Kühlwaggons dann quasi im europäischen Festland, wo Anton Dreher … Wir haben einen noch bei uns unmittelbar vor den Toren der Brauerei stehen, einen Holzwaggon, wo dann Eisblöcke quasi unterhalb des normalen Bodens gelagert waren zum Kühlen des Waggons, wo die Bierfässer drinnen waren. Wenn zum Beispiel jetzt zur Weltausstellung nach Paris die Fässer transportiert wurden, dann ist halt in gewissen Abständen das Eis bei den Bahnhöfen erneuert worden, sodass man wirklich eine, wollen wir es nennen, Kühlkette aufrechtgehalten. Und dieses Wissen hat natürlich nicht nur, ja, also die Geschmackstabilität hat da sehr davon profitiert. So sind dann die Biere auch vor Ort eben, sei es in London bei der Weltausstellung oder auch in Paris, natürlich toll angekommen, keine Frage.

Markus: Ja und vielleicht noch ein Wort zum Sommerbrauverbot, muss man auch kurz, weil ja nicht immer alle Hörer ständig unsere Bücher lesen und sich damit beschäftigen. Es ist aber natürlich eine ganz spannende Geschichte, dass man eben aus dem 16. Jahrhundert das noch in Bayern hatte, dass man gesagt hat, okay, wir brauen wirklich nur zwischen Michaeli und Georgi und dazwischen eben nicht. Und das war ein Gesetz, was tatsächlich bis 1865 in Kraft geblieben ist. Und die Österreicher waren mit Schuld dran, in Anführungsstrichen, dass es dann endlich gefallen ist, weil die eben über die Grenze Bier über Bier exportiert haben im Sommer und die bayrischen Brauer haben immer mehr in die Röhre geguckt. Und haben dann zwar so ein bisschen in so einer bayrischen mir-san-mir-Mentalität die Grenzen etwas verschoben und dann bis im Juni, bis im Juli gebraut, aber war schwierig. Und dann hat man eben in einem großen Prozess, wo man dann auch die Regierung entsprechend unter Druck gesetzt hat, geschafft, dass dann am 19. Mai 1865 endlich das aufgehoben war und dann konnte man quasi auf Augenhöhe sein. Und dann kam natürlich tatsächlich auch relativ bald das Helle auf den Markt und dann waren einfach wieder so ein bisschen gleiche Verhältnisse hergestellt. Aber super spannend.

Andreas: Ja.

Markus: Also Biergeschichte ist ja überhaupt ein unglaublich spannendes Thema, mit dem ich mich sehr gerne beschäftige und weswegen ich auch so große Freude habe, dass wir heute über dieses tolle Thema und über dieses Bier reden können. Wobei wir es vielleicht auch mal trinken sollten.

Andreas: Ja, ja!

Markus: Du hast jetzt ja dankenswerter Weise mir einen Fourpack geschickt, also vier und in dem Fall Dosen von diesem wunderbaren Wiener Lager. Was auch von der Aufmachung her schon wirklich mir sehr gut gefällt. Schöner historischer Schriftzug, man sieht auch den Anton Dreher drauf, 1841, also wie es sich gehört. Und ich mache mal auf. Ich glaube, du kannst es mir gleich tun, oder?

Andreas: Ja. Ich habe mir auch in dem Fall eine Dose hergestellt, weil wir in Schwechat auch das Dosenkompetenzzentrum der Brau Union sind. Gibt aber natürlich das Bier auch im Fass und auch in unserer grünen Nostalgieflasche. Wo wir beginnend eigentlich 1999 unseren Schwechater Zwickl, diese Flasche, diese Nostalgieflasche wieder zum Leben erweckt haben so quasi, die Form spricht den früheren Bierflaschen, wie sie noch in der sogenannten Sturzkiste auch gewesen sind. Das waren Holzkisten, wo mehr als, ich glaube, es waren 26 Flaschen, wo dann auch, um den Platz auszunutzen, ungefähr sechs Flaschen dann über Kopf drinnen waren in der Kiste. Wir haben es bei uns noch am Exkursionsweg, so ein paar Relikte. Ja, ja, aber wie gesagt, um den Postweg auf jeden Fall, dass die Dosen oder das Bier sicher ankommt, habe ich in dem Fall die Dose gewählt.

Markus: Ja, nein, da bin ich dir auch sehr dankbar. Zumal ich sagen muss, also ich habe es ja noch nicht geschafft, vor Ort in der Brauerei zu sein. Ich glaube, es gibt ja auch ein Brauereimuseum …

Andreas: Ja.

Markus: … und so, also das muss unbedingt, steht auf meiner Liste, hoffentlich vielleicht sogar dieses Jahr zu tun.

Andreas: Gern!

Markus: Aber letztes Mal war es eben so, da kam ich vom österreichischen Bierwettbewerb, der da noch in Baden war und hatte ungefähr fünf Minuten auf dem Bahnhof in Wien, um dann weiterzufahren, und bin dann wirklich in den nächsten Kiosk quasi rein gerannt, habe mir diese wunderbare schöne grüne Flasche geschnappt, habe sie bezahlt und bin in den Zug und Nachhause gefahren. Und man muss wirklich sagen, es ist eine tolle Flasche, da hat man auch echt was in der Hand. Ich war am Anfang ein bisschen verwundert, weil die grüne Flasche natürlich immer nicht so vorteilhaft sein kann, aber wenn sie entsprechend gut behandelt, ich habe sie von hinten rausgenommen und bei mir auch schön kühl gehabt und dann auch gleich verkostet, war toll.

Andreas: Ja, ja.

Markus: Trotzdem bin ich jetzt gespannt hier auf die Dose, wie sich das jetzt … Komplett ohne Licht, ja. Hah, ach ist das schön! Also ich muss ja als Bamberger sagen, ich bin ja mit eben eher braunen und dunklen Bieren großgeworden, das ist meine Welt und so schön, also wirklich wunderschön, wie das hier im Glas ist, das macht richtig Lust. Also wir sind bei einer sehr hellen Kastanie oder, man könnte fast sagen, es hat einen Orangestich, also es strahlt mich richtig an.

Andreas: Ja, ja, genau, das ist, was wir auch meinen, der typische orangene Reflex. Und das Ganze, kann man sagen, kommt natürlich nur dann gut zur Geltung, das Bier ist ganz fein filtriert, dann kommt auch dieser orange Reflex oder dieses Feuer sehr gut durch. Auch wenn wir wissen, dass damals eben zu Zeiten von Anton Dreher, die Filtration eigentlich noch nicht gegeben hat.

Markus: Ja und da muss man ja auch sagen, wie du es vorhin schon gesagt hast, ich glaube, das ist vielen Leuten ja nicht bewusst, früher hat man diese Biere ja mindestens drei Monate gelagert, manchmal sogar länger. Und das bedeutet einfach, dass die Hefe sich absetzt und diese Biere waren in der Regel fast blank. Also das wir so filtrierte Biere haben, wie wir das heute so kennen, das ist ja erst im 20. Jahrhundert, hat sich das so durchgesetzt. Insofern, boah, also wunderbar! Es hat auch einen tollen Geruch, muss ich sagen. Also hier die ganze Umgebung hier in meinem kleinen Podcast-Studio, alles riecht so karamellig, nussig.

Andreas: Ja, ja.

Markus: Ein bisschen so nach Toffee.

Andreas: Ja, also diese Karamellnoten, die sind durchaus gewünscht.

Markus: Ja, na hoffe ich doch!

Andreas: Und ich finde, auch wirklich sehr schön. Wir haben einen sehr dichten feinporigen Schaum und der hat da so eine ganz leichte Ocker-Creme-Farbe. Das, finde ich, ist auch, ja, ist ein schönes Gesamtbild. Und wenn du, wie du richtig sagst, trotzdem diese Karamellnote, leichte Malznoten und dann, glaube ich, ist es soweit, dass man auch einen Schluck nehmen sollte.

Markus: Unbedingt, Prost! Also sehr cremig.

Andreas: Ja, es zieht sich, aus meiner Sicht, diese Karamellnote durchaus sehr schön weiter. Es ist, würde ich sagen, typgerechte Vollmundigkeit, nicht übertrieben, aber man merkt schon, es hat einen gewissen Körper mit einer leichten Malzsüße, ohne das es aber wirklich als süß empfunden wird. Und wenn du ein bisschen zuwartest, im Nachtrunk hast du einerseits doch ein bisschen so eine Röstbittere auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite, wir verwenden auch als letzte Hopfengabe den Saazer Hopfen. Vielleicht aus dem Grund auch, weil Anton Dreher, der Ältere, auch in Tschechen in der Gegend um Saaz auch Hopfenfelder besessen hat. Also er hat überhaupt viele landwirtschaftliche Betriebe besessen, unter anderen auch einen erstanden eben im Bereich Tschechen, um auch unabhängig zu sein, was den Hopfen betrifft. Er hatte auch landwirtschaftliche Güter gehabt, wo Gerste angebaut wurde. Das heißt, er hat auch versucht, ja, mal sagen, autark zu sein, was die Rohstoffe betrifft, weil er die ganzen Felder und Ländereien besessen hat. Ja und das war so, um das abzuschließen mit dem Saazer Hopfen, um dem Ganzen noch mehr Stimmigkeit oder auch Identizität zu verleihen.

Markus: Ja, also finde ich, merkt man auch so im Nachgang, dieses recht typische Aroma, ein bisschen harzig, klare definierte Bittere, wie man das auch von den Pilsener Bieren zum Beispiel kennt. Und finde ich auch hier wieder historisch natürlich total gut, dass man sagt, okay, man nimmt dann den Saazer Hopfen. Das ist ja so das ursprüngliche Hopfenkulturanbaugebiet, heute Zatec in der Tschechischen Republik eben, wo im Grunde der Kulturhopfen an sich jetzt auch herkommt. Und natürlich haben die dann damals in Österreich, Ungarn, da auch die Qualität gesucht und dann eben auch verwendet für dieses Bier. Und das ist interessant, weil genauso dann auch im Pilsener gelandet ist und dort seine Arbeit verrichtet. Also was ich wirklich total schön finde, ist dieses Schlanke. Also wenn wir hier bei uns so Biere von dieser Farbe haben, dann sind die deutlich süßer und sind deutlich gehaltvoller, haben weniger Karbonisierung, haben weniger Hopfenbittere. Das ist in der Tat ein großer Unterschied, aber man merkt trotzdem, dass eben die Karamellmalze drin sind, so eine leichte Röstmalznote ist dabei. Aber es ist viel leichter, es trinkt sich viel angenehmer. Und die hohe Kohlensäure macht es auch sehr frisch, also gefällt mir gut.

Andreas: Was man auch dazu sagen muss, es hilft natürlich auch etwas, ein gewisser kleiner, aber doch Anteil an Melanoidinmalz, das ja in der Schwenkphase sich länger hält. Ja, also wir sind durchaus zufrieden, dass es sich so darstellt.

Markus: Ja, nee, also wunderbar und kann man, wie gesagt, allen Hörern und Hörerinnen nur empfehlen, dass auch mal zu verkosten, natürlich idealerweise vor Ort oder dann eben auch mal Zuhause, je nachdem.

Andreas: Ich wollte noch sagen, das große Problem ist, dass es leider, und das ist Konzernentscheidung, aber so ist es halt, wenn man zu einem Konzern gehört, muss man schon dazu sagen, leider im Ausland, wenn man so will oder in den nahegelegenen umgebenden Ländern leider nicht erhältlich ist. Also man muss unbedingt in den Wiener Raum fahren, aber es lohnt sich ja sowieso, Wien zu besuchen und Umgebung.

Markus: Absolut! Und, ja, was natürlich auch wunderbar ist, also jetzt von meiner Warte aus gesprochen, es gibt ja einen Zug, der fährt durch, von Nürnberg bis nach Wien. Das ist man, glaube ich, insgesamt vier Stunden unterwegs, das ist gar nicht so dramatisch.

Andreas: Das ist richtig, das ist sensationell. Das habe ich zuletzt erlebt, als ich eben beim European Beer Star, wo die Verkostung eben in Nürnberg war. Es ist unglaublich, das schafft man mit keinem Auto. Also das ist zu empfehlen, mit und ohne Deutscher Bahn.

Markus: Ja, na, manchmal hat man ja die österreichischen Wägen, also es wechselt ja so ein bisschen ab.

Andreas: Ja, ja, es ist mal so, mal so. Auch die österreichische Bundesbahn, ist nicht alles Gold was glänzt.

Markus: Ja, naja, aber ihr habt auch die besseren Speisewägen, dass muss man zum Beispiel auch sagen und das bessere Kaffeeangebot. Aber relativ.

Andreas: Okay.

Markus: Also alle, die mich kennen, wissen, dass ich ein sehr pensionierter Bahnfahrer bin und das kommt mir natürlich tatsächlich unheimlich entgegen. Und insofern, also eine Reise nach Österreich und besonders auch nach Wien ist immer zu empfehlen, ganz grundsätzlich.

Andreas: Ja.

Markus: Was man noch sagen muss, gibt es denn überhaupt irgendwelche historischen Aufzeichnungen, wie diese Biere geschmeckt haben oder welche Rezepturen sie genau hatten oder ist das alles irgendwie weg?

Andreas: Naja, es ist eher, würde ich sagen, nur mehr aus diversen anderen Unterlagen, wo man so daraus schließen kann, wie es geschmeckt haben wird. Wir haben, ehrlich gesagt, keine Unterlagen. Wir haben zwar noch diverse Aufzeichnungen, da aber leider kein Wiener Lager mehr vorgekommen ist. Und was mir aber sehr geholfen hat, einen, den wir, glaube ich, alle kennen, der Conrad Seidl in seiner Funktion als Bierpapst, mit dem ich auch immer wieder Kontakt habe, hat mir eine Ausgabe des Journal of the Society of Arts von 1869 zukommen lassen, wo über das nach London importierte Dreher-Bier berichtet wird. Und da schreiben sie, es sei heller und klar, mit einem kräftigen, dichten Schaum, süß und wohlschmeckender als englische Bier, so wie leicht getreidigen Geschmack. Die Hopfung sei betont und die Bittere mit Fortdauer der Wahrnehmung nach einer Minute zunehmend spürbar. Die Bierfarbe war zwischen Kupfer und einem leichten rötlich-braun angesiedelt. Das Bier, obwohl nicht filtriert, nahezu blank aufgrund der langen kühlen Lagerung. Ich glaube, dem ist gar nicht viel hinzuzufügen. Aber es war leider nicht so, dass wir ins Archiv gingen und die Rezeptur gefunden haben, schade natürlich. Es ist immer so, wenn es zu Übersiedlungen kommt und früher war die Zentrale in Wien direkt auf der Landstraße und wenn dann etwas aufgelassen wird, gibt es leider Leute, die den einfachen Weg wählen, alles wegzuwerfen. Dramatisch vor allem für Bierhistoriker, wie du auch einer bist. Aber, ja, so ist es mal und man muss eben damit zurechtkommen, was man vorfindet. Vielleicht noch erwähnt, du bist ja im Besitz des Buches über die Geschichte der Brauerei Schwechat …

Markus: Ja.

Andreas: .. Wo ich mit anderen Kollegen, Alfred Paleczny und dem anderen Bierhistoriker Christian Springer, ein Buch über die Geschichte der Brauerei Schwechat eben verfasst habe. Und die haben dann doch eine Fülle an Unterlagen geschichtlicher Natur, gar nicht so sehr über den Bierstil, aber über die Entwicklung von Anton Dreher, dem Älteren und seinem Vater noch, wie sie aus Deutschland gekommen sind, wo sie dann in Klein Schwechat sesshaft wurden. Ja, also es ist durchaus spannend. Grad die Rezeptur als solche, mit der kann ich nicht dienen.

Markus: Naja, aber das ging ja schon ziemlich nah. Also man muss ja auch immer vergleichen, wenn das jetzt aus einem englischen Umfeld war, dann hatten die ja zu dieser Zeit ihre Biere zum Vergleich. Und wenn man dann eben …

Andreas: Ja, genau.

Markus: … dann kommt man da ja ziemlich gut mit dieser Beschreibung hin. Vielleicht dieses relativ Süße finde ich ganz interessant. Aber es lag vielleicht einfach daran, dass man damals diese ganz hohen Vergärungsgrade vielleicht so nicht erreicht hat, wie das heute ist.

Andreas: Ja, wird stimmen, ja.

Markus: Ja, aber, ja und was ich auch wichtig finde, ist, Schwechat war ja bis in die 1920er-Jahre oder sowas, war das ja gar nicht Wien, sondern es war eine eigenständige Gemeinde, eine eigenständige Stadt und dann wurde es ja erst zum Wien, oder?

Andreas: Ja, also es war so, Klein Schwechat kam dann zu Wien und wurde erst viel, viel später wieder … also jetzt sind wir lokalisiert zu Niederösterreich. Vieleicht 300 Meter und ich bin schon an der Wiener Stadtgrenze. Wenn ich jetzt von meinem Büro hinausschaue, dann gibt es da vorne die Klederinger Straße, läuft da drüben, das sind vielleicht 70 Meter entfernt, auf der rüberen Seite ist schon Wien. Also wir sind wirklich, drum sage ich immer so gerne, vor den Toren Wiens befinden wir uns.

Markus: Ja und was damit zusammenhängt, ist eben die Frage, dieser Begriff Wiener Lager, ist dann eher ein, ich sage mal, moderner Begriff, also kommt der erst im 20 Jahrhundert auf oder hat man das …

Andreas: Nein, nein, das war schon das Vienna Lager, das ist auch so in dem englischen Artikel von 1869, steht Vienna Lager.

Markus: Ah, okay.

Andreas: Also da waren wir Großraum Wien oder Wien, ja, ja, das ….

Markus: Interessant. Ja und interessant auch, dass ja viele Auswanderer, die da eben aus Österreich ausgewandert sind, ähnlich wie auch Brauer, die eben zum Beispiel aus Deutschland weggegangen sind nach Amerika, dann eben ihre Rezepturen, ihre Hefen mitgenommen haben und dort ihre Biere gemacht haben. Und dass es dann eben in Mexiko, in Texas große, ja, Brauereien gab und bis heute noch gibt, wo mehr oder weniger ein Wiener Lager hergestellt wird …

Andreas: Ja.

Markus: … was dann lange Zeit eben größer war als das eigentliche im Mutterland. Habt ihr da mal Verbindungen irgendwie hergestellt?

Andreas: Nein, nicht wirklich. Es ist zwar auch interessant, dass sich der Name Dreher noch hält, wir kennen es wahrscheinlich alle, die irgendwo in Italien Urlaub gemacht haben. Da gibt es einerseits das Dreher Bier, das aber natürlich eher ein Helles ist. Beziehungsweise in Ungarn gibt es auch noch ein Dreher Bier, wo sogar noch das alte Logo Verwendung findet mit dem weißen Dreieck auf rotem Grund. Aber, ja Kontakt mit Mexiko haben wir aufgenommen, nein. Aber es ist ja generell so, wie du richtig sagst, sind ja viele amerikanische Brauereien so entstanden, dass eben vermutlich, also mehrheitlich deutsche Brauer, ob das jetzt Coors, ob das Miller und so gewesen ist, die sind ja alle, oder Budweiser, Budweiser, aus Deutschland gekommen und haben dort die Bierbranche zum Leben erweckt, wenn man so will. Das wissen ja die wenigstens. Und da gibt es ja in der Brauwelt den Günther Thömmes, der hat sich da sehr verdient gemacht hat und, genau, immer diese Dynastien und Geschlechter, die Wichtigen aus der Braubranche, ja, ermittelt hat, ja.

Markus: Vielleicht nochmal zurück zur Brauerei, ihr macht ja jetzt nicht nur Wiener Lager, also das ist natürlich heute unser Thema und ist auch der große Star für Leute, die sich eben für das Thema Bier interessieren. Was gibt es denn sonst so?

Andreas: Es ist so, unsere Hauptmarke ist natürlich ein klassisches Schwechater, wenn man so will, bei uns heißt es Schwechater Bier, also ein Lagerbier, das die Farbe wie ein Helles hat mit 11,6 Stammwürze und 5,0 Alkohol. Vielleicht dazu gesagt, was wir jetzt im Glas haben, hat 12,8 Stammwürze und 5,3% Alkohol. Wir haben, wie schon vorher kurz erwähnt, als wir über die Glasflasche gesprochen, die Nostalgieflasche, wir haben unser, in einigen Teilen würde man Kellerbier sagen, aber wir sagen, es ist das Schwechater Zwickl, das ist auch der Begriff, der im Osten Österreichs eigentlich der Gängige ist, mit 12,5 Stammwürze und 5,2% Alkohol. Wie gesagt, die Hauptmarke ist das Schwechater Bier, das gibt es mit dem roten Etikett oder die rote Dose. Dann produzieren wir ein alkoholfreies Schwechater, das ist das Schlossgold, eine Marke, wo wir die Lizenz übernommen haben damals noch vom Feldschlösschen von der Schweiz. Die quasi auf gleicher Basis wie ein Clausthaler, nur über das Kältekontaktverfahren, also kurze Kontaktzeit der Hefen mit der Würze, nur ganz wenig Gärungsnebenprodukte, die da zwischenzeitlich entstehen. Kurze Kontaktzeit bei zwei bis fünf Grad vielleicht fünf Tage und dann natürlich entfernen der Hefe, auch schon die Gärung gestoppt. Das ist die Variante, wie wir die beiden Alkoholfreien machen. Sind nicht 100-prozentig alkoholfrei. Aber ich glaube, das ist ja wie bei euch auch, <0,5 maximal =0,5% Alkohol, also das bewegt sich dann tatsächlich irgendwo bei 0,3% und davon wird man sicher keinen Rausch sich anzüchten können. Ja und dann einmal im Jahr und das macht Freude, weil dort sind wir immer etwas kreativ und jedes Jahr etwas anders gestaltet, die Rezeptur, einen Schwechater Zwickl Bock, der nahezu an eure Bezeichnung Doppelbock herankommt, wenn er 17,7 Stammwürze und, sage ich mal, so bei 7,5 bis 7,7% Alkohol hat. Das ist natürlich dann die Königsdisziplin, wo wir auch ein bisschen an der Rezeptur schrauben können. Sonst, muss ich sagen, sind wir natürlich als eine Brauerei, die 1,1, 1,2 Millionen Hektoliter im Jahr produziert und abfüllt, natürlich, was die Kreativität mit kleinen Suden und neuer Sorten, sind wir da etwas eingeschränkt. Aber jeder hat halt seine Berechtigung und ich kann durchaus gut damit leben, die Qualität von Schwechater Bieren hochzuhalten, ohne kreativ sein zu müssen und irgendein Pastry Stout zu kreieren.

Markus: Ja, das stimmt. Und letzten Endes, ich meine, ist ja auch gut, wenn man sich auf das konzentriert, was man schlicht und einfach am besten kann.

Andreas: Ja.

Markus: Und das ist ja auch gut so. Was mich noch interessieren würde, du hast mir ja in der Dose geschickt und bei uns in Deutschland ist das Thema Dose ja, ich würde mal sagen, immer noch so gut wie am Anfang. Also muss man ja sagen, wir hatten ja Getränkedosen bis um 2000, dann sind die mehr oder weniger verschwunden mit der Einführung von unserem Grünen-Punkt-System und dem Pfandsystem für Dosen, dann waren die weg vom Markt, zumindest was das Thema Bier angeht. Und dann kam die Dose langsam wieder über sowas wie Prosecco und so und jetzt feiert sie so ein bisschen Renaissance, weil eben viele grad kleinere Brauereien, Craft-Brauer sagen, es ist einfacher zu verschicken, es ist einfacher zu händeln.

Andreas: Gewichtsstabilität ist natürlich ein ganz enormes Plus und die Geschmacksstabilität damit gegeben ist. Du sprichst da einen Punkt an und stichst in eine furchtbare Wunde, weil, wie du wahrscheinlich weißt, vielleicht ist aus dem Grund die Frage gestellt, mit Anfang, als mit Jänner 2025 wird es auch in Österreich ein Dosenpfand und ein Pfand auf PET-Flaschen geben. Wie sich das entwickelt, ich hoffe, man hat aus, wenn mir jetzt erlaubt ist zu sagen, aus den Fehlern, die gleich bei unseren Nachbaren, also bei euch passiert sind, dass man so ein Pfand nicht beginnt. Aber ich glaube, diese 25 Cent, die sind fix. Man muss auch dazu sagen, dass das Flaschenpfand von ursprünglichen 1 Cent pro Flasche, wird auch auf 20 Cent angehoben, leider nicht ganz auf das Dosenniveau. Ich glaube, das größte Problem ist nicht die Bereitschaft, 25 Cent mehr zu zahlen, weil für die Flasche sind es dann auch 20 Cent mehr, aber du hast Zuhause das Handling. Jetzt muss ich die Dosen aufheben, ich darf sie nicht zusammendrücken, weil irgendwo gibt es eine EAN-Code oder wie auch immer, der dann eingelesen werden muss und erkannt werden muss. Da, glaube ich, also das ist für mich eigentlich der größte Knackpunkt. Aber, ja, mal sehen, es ist, ja, unsere Achillesferse, ja.

Markus: Ja, aber momentan seid ihr schon ein Dosenkompetenzzentrum.

Andreas: Ja, ja. Und es ist auch, in Österreich ist es so, dass wir, was die Dose betrifft, bewegen wir uns so gesamt, was den Gebindemix betrifft, so ungefähr bei, ja, 26, 28 Prozent, also wir nähern uns der 30 Prozent, die in der Dose verkauft werden. Hat natürlich auch noch etwas Aufschwung genommen seit Corona, wo generell der Lebensmittelhandel und der Bierverkauf im Lebensmittelhandel gestiegen ist. Und wie wahrscheinlich generell, in eurem Lande genauso, Gastronomie zurückgegangen ist. Viele, die gemerkt haben, ja, Zuhause Bier trinken ist auch nett. Sie gehen weniger weg, konsumieren weniger. Und ich glaube, Gastronomie ist in all unseren Ländern, ja, geprügelt und täglich sperrt irgendein Wirt zu, ne.

Markus: Ja, das nimmt leider Gottes zu und auch immer mehr Gestalt an, weil es in Europa so ein bisschen zeitversetzt passiert, habe ich den Eindruck. Also aus Irland zum Beispiel kamen ja die ersten Horrorbotschaften schon vor zwei Jahren, dass da mittlerweile jeder vierte Pub geschlossen ist und dieser Trend eben weiter anhält. Und bei uns scheint es langsam auch Realität zu werden. Aber gut, wir müssen sehen, da ist vielleicht auch einiges an Marktbereinigung im Gange, die mittelfristig so oder so passiert wäre, das kann auch sein. Aber auf jeden Fall mahnt es, mit Sachverstand an die Sache ranzugehen. Das Gute, glaube ich, für euch ist, dass die Dose ja nicht von so einem negativen Image kommt wie das bei uns damals war, da war das ja wirklich das Billigbier. Und die Dose war auch damals, ehrlich gesagt, in den 90ern, da hat man noch das Metallische geschmeckt, da war das auch ein dickes Metallding und das hatte nicht das, was heute diese Dosen haben, diese gewisse Eleganz und eben die Geschmacksstabilität. Also insofern, das glaube ich, also da hoffe ich jedenfalls, wünsche ich euch, dass das nicht zu sehr reinhaut.

Andreas: Wegbereiter sind unter anderen, ob bewusst oder unbewusst, einige von den kleineren Brauereien, damit meine ich bis hin zu den Craft-Brewerys. In Österreich die Erste war Bevog, das ist an der Grenze zu Slowenien, also in Radkersburg genau genommen, in der Steiermark. Das war der Erste, der gesagt hat, sein Bier kommt in die Dose. Und gut, von Amerika brauchen wir gar nicht reden, da ist es Gang und Gäbe, das Bier teilweise nur mehr in der Dose ist. Und was mir besonders gefällt, wenn du bei uns dein Bier in einem Siphon abfüllen lässt im Bierlokal, dann haben die dort ihre Dose, wo sie dann sich fast, umgerechnet ungefähr ein Liter Bier abfüllen, je nachdem, was grad on tape ist und dann kommt noch der Deckel drauf, Dosenfalz drauf, zack. Und, ja, es ist einfach, die Lichtundurchlässigkeit und damit eine längere Haltbarkeit, Geschmackstabilität, das kann man nicht leugnen. Und der Eindruck, dass das Bier dann metalisch schmeckt, das ist, ja, hält sich über Generationen, ist aber durch nichts gerechtfertigt. Ein Dreiglas hast, gleiches Bier, Flasche und Dose, wird man nicht signifikant den Unterschied merken.

Markus: Ja, wenn überhaupt dann meistens eher zum Negativen von manchen Flaschen.

Andreas: Wenn es über eine gewisse Lagerzeit geht, ja, genau.

Markus: Also dementsprechend, jede Dose ist ja wie ein kleines Fass. Ja, dann …

Andreas: Genau, ein Nano-Keg.

Markus: Genau. Das ist ja ein schöner Ausdruck, den werde ich mir auf jeden Fall merken. Ja, dann vielen Dank für deine Zeit und  die vielen Infos. Vielleicht magst du am Schluss noch einen kleinen Tipp geben, wenn jetzt Leute sagen, sie wollen eben mal zu euch. Was ist die beste Jahreszeit, um bei euch vorbeizuschauen? Gibt es ein paar Tipps drum rum, die du Leuten noch geben würdest, die sagen, sie wollen Wiener Lager erleben?

Andreas: Also wenn es eine Gruppe so ab fünf ist, dann können sie natürlich auch eine Exkursion bei uns buchen, wo sie durchgeführt werden auf den Spuren von Anton Dreher. Und dann nachher auch im Brauhaus unsere Schwechater Triologie, die Hopfenperle, ein filtriertes, quasi pilsartiges Bier, dann eben das Zwickl und das Wiener Lager zu verkosten. Wir haben auch einen schönen Gastgarten bei dem Brauhaus dabei mit aus einer anderen Location stammend, verpflanzten Kastanienbäumen. ja, also ich würde sagen, grade am Wochenende sind keine Führungen, das ist vielleicht ein Manko, aber wenn man in der heißen Jahreszeit, auch an einem Freitag geht es sich noch aus, da wird auf jeden Fall produziert und abgefüllt. Ja, immer eine Reise wert. Und ganz simpel und www.schwechater.at kommt man auf die Website und dann kann man sich schon informieren und Kontakt aufnehmen und eine Exkursion sich organisieren.

Markus: Wunderbar, dann nehmen wir diese Tipp so mit. Und wünsche ich dir heute noch einen wunderschönen weiteren Tag und sage nochmal vielen Dank für deine Zeit.

Andreas: Ja, danke ebenso, hat mich sehr gefreut. Und, ja, dann würde ich schließen mit dem Spruch, Hopf und Malz, Gott erhalt´s. Es hat mich sehr gefreut, bye, bye.

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