BierTalk 60 – Zweites Interview mit Sabine Anna Ullrich, Ex-Bierkönigin aus Würzburg

Sie ist und bleibt eine Bierkönigin – Sabine Anna Ulrich aus dem schönen Unterfranken. Auch wenn ihre offizielle Amtszeit bereits seit einigen Lenzen Vergangenheit ist, bleibt sie als Hobbybrauerin und Moderatorin von Verkostungen der Bierwelt verbunden, und damit natürlich auch dem BierTalk. Wie in der legendären Folge 30 versprochen – als Holger seine Unschuld verlor, haben wir uns 30 Folgen später wieder mit Sabine verabredet, um mit ihr über die letzten Monate, aber auch ihre Zukunft zu sprechen – und natürlich auch edle Biere zu verkosten. Es blieb kein Auge und auch kein Glas trocken, doch hört am besten selbst…

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Holger: Herzlich willkommen zum 60. Podcast. Wer jetzt treuer BierTalk-Hörer ist, der weiß, dass wir bei dem 30. Podcast die Sabine, die ehemalige bayerische Bierkönigin, zu Gast hatten. Und in dem Podcast haben wir vereinbart, dass sie dann in 30 Folgen – damals wussten wir noch gar nicht, ob es jemals eine 60. Folge geben wird – wieder dabei ist. Und so ist es, heute ist die 60. Folge, Sabine ist wieder da. Wir sind natürlich auch da, das heißt zum einen …

Markus: … der Markus …

Holger: … und natürlich der Holger. Sabine, schön, dass du da bist. Ich freue mich außerordentlich jetzt auf den 60. BierTalk mit dir. Wie geht’s dir, was gibt’s Neues und was ist seit der Zeit passiert?

Sabine Anna Ullrich: Grüßt euch erstmal, lieber Holger, lieber Markus! Schön, dass ihr euer Versprechen gehalten habt. Es ist mir eine Ehre, wieder da zu sein beim 60. BierTalk. Das letzte halbe Jahr war ganz schön spannend für mich, anstrengend für mich. Ich war nicht viel unterwegs, denn ich saß am Schreibtisch. Als Studentin der Medizin kommt es durchaus mal vor, dass man ein Staatsexamen anstrebt beziehungsweise das schreiben möchte. Und ich saß tatsächlich sehr, sehr viele Stunden daheim am Schreibtisch und habe gelernt, habe aber immer mal wieder BierTalk auch gehört und habe mich versucht, irgendwie trotzdem in der Bierwelt weiter auszukennen, rumzuhören und das Ganze auch zu genießen.

Holger: Sehr schön! Hast du dann immer abends ein Feierabend-Bierchen getrunken?

Sabine Anna Ullrich: Ah, nicht jeden Abend, aber wenn es dann mal wieder so ein ganz knüppel-schwieriges Thema war, was ich gerade lernen musste, habe ich mir da am Abend natürlich ein Bier gegönnt. Ich glaube, das ist schon mal ein richtig gutes Stichwort, weil beim BierTalk habe ich gelernt, trinkt man ja auch Bier. Und wenn wir Bier verkosten, ihr seid ja selber die Spezialisten, durch und durch geht das mit allen Sinnen, ich hoffe man hört es jetzt und es funktioniert.

Holger: Hola!

Sabine Anna Ullrich: Habt ihr was gehört?

Holger: Unbedingt!

Markus: Wunderbar!

Sabine Anna Ullrich: Ha!

Holger: Deutlich! Wir freuen uns auch, wenn du es schaffst, die Flaschen zu öffnen, das freut einen richtig.

Sabine Anna Ullrich: Die BierTalk-Hörer der 30. Folge, die werden sich sicherlich noch sehr gut daran erinnern können, dass mir da ein kleines Fauxpas passiert ist, dass ich wirklich es nicht geschafft habe, eine Flasche zu öffnen. Aber dieses Mal sehr gut vorbereitet, der Flaschenöffner liegt parat beziehungsweise habe ich mir heute eine Bügelverschluss-Flasche rausgesucht. Und diese Bügelverschluss-Flasche ist fast schon eine Rarität dieser Brauerei geworden, nämlich Brauerei Faust. Das ist aus meiner Heimat in Miltenberg. Ich trinke ein Schwarzviertler, das ist ein schönes Dunkles. Und warum ich sage, warum Rarität, Bügelverschluss und sonst was? Diese Brauerei stellt meines Erachtens leider die komplette Produktion um auf ganz normale Kronkorkenverschluss-Flaschen und dementsprechend wird das eines der letzten Biere sein, die ich noch im Bügelverschluss hatte. Und da habe ich mir gedacht: Was kann es Besseres geben, das heute jetzt nochmal akustisch wirken zu lassen, für die Ewigkeit aufgenommen zu haben und dann mit euch das Bier auch zu genießen.

Holger: Dann auf jeden Fall Prost!

Markus: Ja, Prost!

Sabine Anna Ullrich: Danke!

Holger: Markus, wie ist dein wertes Wohlbefinden heute Abend?

Markus: Ich bin jetzt total glücklich und man sieht schon wieder, die Sabine ist halt einfach ein absoluter Premiumgast oder Gästin, je nachdem wie man es auch immer sagen möchte. Weil ich glaube, es hat noch niemand so schnell das erste Bier im BierTalk aufgemacht.

Sabine Anna Ullrich: Echt jetzt?

Markus: Ja, ja! Das ist ein bisschen so wie beim FC Bayern München, wenn man sagt, nach 23 Sekunden ist das erste Tor. Das finde ich schon mal ganz, ganz toll. Und natürlich, dass du dann so ein schönes Bier hast von Faust, was ich auch liebe, also wo der Cornelius ja auch ein guter Freund von mir ist. Und sie machen einfach so schöne Biere. Ich habe auch noch ein paar Flaschen im Keller, allerdings eher von den stärkeren, die sie ja so herstellen. Und ich bin dann immer gespannt, wie sich das jetzt so ändert. Ein Vorteil ist vielleicht natürlich, man hat dann auch mehr Biere in 0,33. Das ist gerade bei den stärkeren Bieren gar nicht so schlecht, weil bisher gab’s die immer nur in den großen Flaschen, teilweise sogar nur 0,75. Und das dann mit 12, 13 % ist dann schon eine gewisse Herausforderung, die man meistern, aber die schon ein bisschen was mit sich hat.

Holger: Das war jetzt ein schöner freudscher Versprecher, aber du hast natürlich in beiden Richtungen recht. Sie ist ein Prämiengast und ein Premiumgast. Und es soll doch jetzt einfach mal so sein, dass du professionell verkostest, wie du das quasi als Bierkönigin mal eine Zeit lang jeden Tag gemacht hast. Dann lass uns doch mal teilhaben: Was ist im Glas? Wie kommt’s rüber? Und wie schmeckt es dir?

Sabine Anna Ullrich: Erstmal euch und natürlich den Zuhörern, ich habe ein Degustationsglas vor mir stehen. Das Bier ist gut gekühlt, aber nicht zu kalt. Das Bier ist eingeschenkt, hat eine wunderschöne Schaumkrone entwickelt und der Schaum, den würde ich schon schön cremefarben, feinporig beschreiben. Das Bier ist blank und es hat eine wunder-wunderschöne rostkastanien-braune Farbe. Das lächelt eigentlich einen schon an. Wenn die Sonne jetzt noch da wäre und hinhalten würde, würde man so richtig rotorangene Reflexe sehen, die sich dann widerspiegeln in dem ganzen Bier. Und wenn ich jetzt mal daran rieche: Ah! So wunderschöne brotige, karamellige Aromen, die da hochsteigen im Glas und dann auch in der Nase sich dann weiterentwickeln. Karamell, Waldhonig und weshalb es auch schon noch Schwarzviertler tatsächlich heißt, es hat so eine ganz, ganz zarte rauch-karamellige Note noch mit drin. Wenn man Miltenberg kennt und durch das Schwarzviertel, das heißt auch wirklich so, weil es recht duster dahinten ist bei der Brauerei, dann kann es durchaus auch sein, dass es so ein bisschen rauchig, brandig riecht, weil da hinten auch noch viel mit Holz geheizt wird. Die Aromen einer Stadt in einem Glas zu fangen, das ist wirklich toll. Und ich probiere es jetzt gleich, das macht nämlich so wahnsinnig durstig, das ist eines meiner Lieblingsbiere. Zum Wohle!

Markus: Prost!

Sabine Anna Ullrich: Mmh! Yamm! Sehr, sehr fein! Wunderschöne Kohlensäureperlen, die entlang meiner Zunge herabgleiten. Jetzt verhaspele ich mich schon, weil ich so begeistert bin. Und dann kommen wieder diese wunderschönen süßen karamelligen Noten an der vorderen Spitze der Zunge an. Eine angenehme herbe Bittere, vielleicht auch so eine leicht verbrannte Bitternote, und einfach ein schönes dunkles Bier wirklich zum Genießen, zum Brotzeit machen, zu einem Käse. Toll! Mit 5,2 % auch wirklich gut zu trinken. Wenn ich jetzt noch eins dahätte, würde ich euch es so direkt rüber beamen oder so rüberschicken, dass ihr gleich mittesten könnt.

Markus: Ach, das wäre schön.

Sabine Anna Ullrich: Wirklich ein ganz, ganz tolles Bier zum Genießen, zur Brotzeit-Platte, zum wunderschönen Hartkäse oder vielleicht sogar zum Gegrillten. Für mich ein schönes, feuriges, Dunkles. Ein tolles Bier der Brauerei! Das genieße ich jedes Mal super gerne im Sommer. Was sind denn eure Lieblings-Sommerbiere oder jetzt so die Biere des Frühlings, wenn ich euch fragen darf mal so direkt?

Holger: Markus, was hast du dir ausgewählt?

Markus: Das ist natürlich jetzt ein ganz großer Bogen, weil meine Lieblings-Sommerbiere, da muss ich sagen, da bin ich natürlich sehr klassisch beheimatet und dann am Ende des Tages doch ein Bamberger. Und da habe ich gerne mal ein schönes Rauchbier, auch mal eine Rauchbier-Radler oder so. Also da bin ich einfach in der klassischen Schiene zu Hause, schön malzig. Wenn wir dann von den Frühlingsbieren sprechen, da habe ich es auch gerne mal ein bisschen hopfig, ein bisschen fruchtig, da darf auch mal ein bisschen die Sonne im Bier scheinen, wenn sie schon draußen noch nicht scheint. Und jetzt nochmal eins zurück in diesem Abend, weil jetzt haben wir zwar offiziell Frühling, aber irgendwie ist es immer noch ein bisschen kalt. Da habe ich mir jetzt eher so ein bisschen was Wärmendes ausgesucht. Also ein ganz besonderes Bier. Ich mach‘s jetzt einfach mal auf. Oder Holger, oder willst du vorher noch erzählen?

Holger: Nein, nein unbedingt! Also unbedingt! Ich denke noch immer über Rauchbier-Radler nach, das stelle ich mir (unv. #00:07:19.2#) komisch vor. Aber kein Thema, mach dein Bier auf.

Markus: Rauchbier-Radler, das ist toll.

Sabine Anna Ullrich: Kann ich bestätigen. Also Rauchbier-Radler oder auch das Dunkle jetzt hier, was ich da drin im Glas habe, das als Radler zu trinken, ist echt was Erfrischendes. Es hat diese zitronensüßen Noten mit dabei und dann noch das Rauchige, das Bierige, das ist echt mal was ganz Anderes und wirklich super zu empfehlen im Sommer. Macht echt auch Spaß zu trinken. Also auch für jeden Rauchbier-Liebhaber, probiert’s mal aus!

Holger: Also mal was ganz Anderes habe ich mir auch ausgesucht, aber jetzt kommt erstmal der Markus dran.

Markus: Genau! Was habe ich mir jetzt ausgesucht? Und weil ja jetzt eben schon abends ist und es überraschenderweise doch wieder ein bisschen kälter geworden ist, habe ich gedacht: Dann nehme ich doch mal was ganz Besonderes, sowieso auch wegen Sabine. Und ich habe da ein Fläschchen entdeckt, ein kleines Fläschchen. Das ist so eine kleine italienische 0,33er Flasche, allerdings mit einem Bier aus einer deutschen Brauerei. Und zwar ist das eigentlich ein dunkler Doppelbock, den es normalerweise so als Josefi Bock gibt von einer wunderschönen Brauerei in Mittelfranken, nämlich der Ellinger Schlossbrauerei. Ganz, ganz tolle Biere. Die haben jetzt was Besonderes gemacht. Die haben nämlich diesen dunklen Doppelbock in Holzfässer gegeben und schön ausgebaut, und haben sich dann eine ganz besonders schöne Geschichte überlegt. Und zwar geht es da darum, dass das ja eigentlich Fürst Carl Brauerei ist, das heißt, also eine fürstliche Brauerei. Und da geht es um den Fürsten von Wrede, der da eben nach dem 30-jährigen Krieg dieses Schloss geschenkt bekommen hat zum Dank für seine Dienste. Und seine große Leidenschaft waren Pferde. Und er hatte so ein Lieblingspferd, das hieß (unv. #00:08:47.8# Meulena?). Und das hatte ganz tolle Eigenschaften, viel Temperament, aber eben auch sehr zuverlässig und sehr kräftig. Und das hat man dann auf dieses Bier ein bisschen übertragen. Und deswegen heißt das Ganze eben auch (unv. #00:08:58.7# Meulana?). Offiziell gibt’s das erst so Ende des Jahres. Es gab jetzt so eine kleine Vorcharge, da habe ich mir eine Flasche ergattern können. Also ich mache jetzt hier mal auf. Da ist natürlich nicht so viel Kohlensäure, weil wir hier natürlich ein holzfassgelagertes Bier haben.

Sabine Anna Ullrich: Hört sich schon mal gut an.

Markus: Ja, also ins Glas fließt das jetzt ganz, ganz schön. Und wir haben vom Bier her ein tolles Karamell, also wirklich richtig schönes, dunkles Karamell. Wer früher diese Karamellbonbons, die gab‘s in hellbraun und in dunkelbraun mit so einem weißen Zeugs drin, da hat man ewig dran rumgelutscht, so ungefähr sieht das aus. Und obendrauf hat man so einen richtig schönen cremefarbenen Schaum. Jetzt rieche ich mal da rein. Ah ja, und jetzt kommen hier auch so diese Holzfassaromen, ein bisschen weinig, ein bisschen rote Beeren, tatsächlich auch so Traubennoten. Interessant! Und jetzt probieren wir das mal. Jetzt hat man das Holz, jetzt hat man viel Vanille, viel Karamell, so ein bisschen Rum, Kirsche, so eher rote Kirsche, Sauerkirsche, ein bisschen Erdbeere. Und die 9 % kommen dann irgendwann auch vorbei und sagen Hallo. Dazwischen ist dann noch dieses Karamellige wieder, sehr süß, toller runder Abgang. Und es wärmt, also genau richtig für den heutigen Abend. Ach, wunderbar! Und so ein ganz tolles Bier und genau für dich eben ausgesucht. Ich weiß nicht, ob du dieses Klischee auch erfüllst, dass du Pferde gerne magst, aber auf jeden Fall ein tolles Bier. Und sobald es was gibt, bringe ich euch mal was vorbei.

Sabine Anna Ullrich: Das klingt auf alle Fälle superlecker, superklasse. Ja, ich gehöre zu der Kategorie Mensch, die auch Pferde mag, am liebsten anschauen. Das ist eigentlich das Allerwichtigste dabei. Und das Bier, die Geschichte dazu ist echt der Hammer. Und ich glaube, das Bier würde auch mir sehr, sehr gut munden. Ich bin mal gespannt, wann ich die erste Flasche da in die Finger bekomme.

Markus: Wie gesagt, ich werde versuchen, dass du auf jeden Fall so bald wie möglich eine bekommst. Und mein Erlebnis mit Pferden ist so ein bisschen bedingt. Also ich hatte mal eine Freundin und mit der musste ich dann auf den Reiterhof und wir haben da so ein bisschen rumgealbert. Und am Ende des Tages fiel ich dann drei Meter tief in irgendein Loch im Pferdestall, habe mir den Arm gebrochen.

Sabine Anna Ullrich: Um Gottes Willen!

Markus: Und das war ein Riesendrama. Und naja, da habe ich mit den Pferden nur so eine bedingt positive Erinnerung. Aber sie konnten ja gar nichts dafür eigentlich. Die waren halt nur zufällig auch da. Aber es gab damals eine Reitbeteiligung und da musste man eben hin. Aber egal, anderes Thema, wir sind ja beim Bier. Und Holger, wie sieht’s denn mit dir jetzt aus? Was hast du denn?

Markus: Du bist ja der Mann der besonderen Sätze heute. Ich hatte auch mal eine Freundin. Das ist auch wieder so ein ultimativer Satz von dir, den wir für die Ewigkeit festhalten sollten. Also ich liebe Pferde auch, besonders Kaltblüter, die Bier bringen.

Sabine Anna Ullrich: Sehr gut!

Holger: Was habe ich mir für euch beide heute ausgewählt? Man muss sich das vorstellen, also die ultimative bayerische Bierkönigin und dann der ultimative Rockstar der Bierszene Markus Raupach. Was wählt man sich da aus? Ich habe mir ein Waldbier von Kiesbye ausgewählt, 2014 Schwarzkiefer. Da ist es so, dass ich da einen umfassenden Bestand habe von diesen Waldbieren und immer wieder die Gelegenheit habe, die „jahrgangs“-zu-verkosten. Also eigentlich so im Abstand von zwei Jahren. Jetzt bin ich sehr gespannt, was mich jetzt also erwartet. Also im Jahre 2021 habe ich jetzt noch gar kein Waldbier getrunken. Naja gut, es ist jetzt wie gesagt sechs Jahre alt. Ich schenke es mal ein. Ja, Wahnsinn! Also das kann man sich gar nicht vorstellen, was da jetzt alles mir entgegen wabert. Ja wirklich, das ist echt unglaublich. So harzige Noten, Pinie, Vanille, auch so ein bisschen Amaretto, so ein bisschen marzipanähnlich. Ich verkoste es mal. Also es hat bei mir jetzt im Glas kaum Schaum, hat so eine schöne Naturtrübung, so ins Rötliche reingehend. Also könnte auch gut ein Rotbier sein. Ah ja, interessant! Also ich habe das, ich glaube, 2010 das letzte Mal getrunken. Und da war das noch so, dass es eine deutliche Säure hatte. Hat es jetzt überhaupt nicht mehr. Als es ist ganz toll ausbalanciert. Das bedeutet auch, dass eben die Waldbiere wirklich Zeit benötigen, glaube ich. Also das kann man schon sagen. Jetzt habe ich so ein bisschen Kirsche, so eine Kirschnote, in Verbindung eben mit diesem Marzipan. Also vielleicht auch so ein bisschen Bittermandel. Erinnert wirklich an Amaretto.

Sabine Anna Ullrich: Wahnsinn!

Holger: Also wirklich sehr komplex. Hat auch 8,7 % Alkohol. Der Axel macht das ja jedes Jahr, dass er mit dem österreichischen Bundesforsten irgendwo ein Stück Natur entnimmt. Und hat eben früh schon damit angefangen, ich weiß gar nicht mehr ganz genau in welchem Jahr, aber ich glaube so 2011 oder 2010 sogar, ich weiß es gar nicht ganz genau. Und dann gab es eben erst einfach mal die Nadelbäume. Also es gab die Tanne, die Zirbe, die Lärche, dann eben die Schwarzkiefer und mittlerweile sind es eben auch andere Waldfrüchte, die da verarbeitet werden. Aber es ist zu 100 % Österreich. Also alles, was in dem Bier verarbeitet ist, kommt eben aus Österreich und wird dann eben der Natur überlassen, auch in der Reifung. Und er pflückt dann eben diese Schwarzkiefernzapfen in dem Fall und braucht da auch eine relativ große Menge. Also ich war selber mal dabei, wenn man dann das alles eben vermengt und dieser Harz überhaupt nicht mehr abgeht von keinem einzigen Körperteil mehr. Also Wahnsinn! Aber ich bin jetzt ganz begeistert. Das hatte wirklich bei meiner letzten Verkostung noch wesentlich mehr Säure. Und jetzt ist das ein Hammerbier. Also das ist jetzt so ein Food Pairing Bier genauso auch zu Waldgerichten, also Wildgerichten, Pilzgerichten. Großartig! Als wirklich großartig. Da schwärme ich jetzt die ganze Zeit. Aber es muss ja auch noch mal jemand anders sprechen.

Markus: Auf jeden Fall Glückwunsch zu diesem Bier. Das ist ja toll.

Sabine Anna Ullrich: Ja!

Markus: Ich habe nicht ganz so viele von den Waldbieren, aber ich muss auch sagen, was ich am faszinierendsten finde, ist, dass er ja auch immer irgendwelche anderen Teile nimmt. Also das ist ja nicht immer derselbe Teil von irgendeinem Baum, sondern das ist immer mal wieder was anderes. Und dadurch hat man auch wirklich eine ganz tolle Vielfalt. Und ich finde das auch schön, einfach mit diesem Thema zu spielen, dass man sagt, man hat hier die Natur und hat eben verschiedene Ausprägungen im Wald und bringt die dann jeweils ins Bier und lässt dann auch die Natur so ein bisschen ihr Werk tun. Also das ist schon sehr, sehr schön. Und wir hatten auch selten, dass wir beide so starke Biere gleichzeitig hatten. Also du kannst dich schon wieder geehrt fühlen, Sabine. Wunderbar! Prost!

Sabine Anna Ullrich: Zum Wohle!

Markus: Zum Wohl!

Holger: Zum Wohle!

Markus: Mir fällt noch eine Frage zu Faust ein, Sabine. Da war es ja so, wenn ich mich recht erinnere, dass der Cornelius eigentlich Bürgermeister werden wollte, das hat dann nicht so ganz geklappt. Und dann ist er so ein bisschen raus aus der Brauerei. Ich weiß gar nicht, ist er jetzt wieder zurück? Wie ist denn da der aktuelle Stand?

Sabine Anna Ullrich: Ah! Jetzt bohrst du natürlich gut nach, Markus, als Journalist. Tatsächlich macht der Cornelius so sein eigenes Ding, würde ich jetzt sagen. Der nimmt sich jetzt erst mal so ein bisschen Zeit für sich und die Familie. Sein Cousin, der Johannes Faust führt ja die Brauerei weiter. Und parallel dazu wurde der liebe Stefan Falk als Hauptbraumeister oder als Braumeister mit in die Brauerei geholt. Und es passiert tatsächlich einiges gerade in der Brauerei Faust. Vielleicht, dass man sich mal das als Zuhörer vorstellen kann, der noch nie in Miltenberg war. Das ist ein wunder-wunderschönes kleines Örtchen, was total verwinkelt ist, Fachwerkhaus von oben bis unten. Und ein Teil der Stadt heißt Schwarzviertel. Das ist noch enger, noch schmäler, noch mehr Fachwerk auf einem Fleck gebaut. Und da hinten steht die Brauerei Faust mitten im historischen Stadtkern. Warum ich jetzt gerade so groß ausgeholt habe? Die Brauerei erweitert gerade beziehungsweise baut gerade neue Gärtanks ein. Das bedeutet aber auch parallel, dass wieder Kräne in Miltenberg stehen, dass die Kräne dann schlussendlich von (unv. #00:16:13.7# Ziemann + Bauer ?) dann die Tanks wieder einsetzen müssen, Dächer werden abgedeckt, Türen werden versetzt, um überhaupt das Ganze möglich zu machen. Aktuell, wer nach Miltenberg kommt und sich das anschaut, hinten an der Brauerei ist wirklich Ausnahmezustand, weil auch natürlich alles schlussendlich wieder in das Stadtbild und als Fachwerkfassade passen muss. Ist superspannend. Ich bin gespannt, was es für neue Biere gibt beziehungsweise was da Neues noch gebraut wird. Und ich glaube, die Brauerei Faust wird uns wieder überraschen.

Markus: Eine ganz tolle Brauerei, ich bin da auch total gerne. Und es ist ja immer so, dass die Gegend eigentlich eher mit dem Wein assoziiert wird, das ist dieses klassische Main-Viereck dort. Und auch die ganze Gegend eigentlich lebt von den Weinbergen, die da angelegt sind, direkt am Fluss in diesen schönen, steilen Lagen. Man hat diesen roten Sandstein überall. Und dazwischen ist eben dann dieser kleine Bierstachel, sagen wir mal, (unv. #00:17:01.7#) wo es dann eben ganz tolle Biere gibt und wo man dann auch mal zwischendurch sich von diesem ganzen Wein ein bisschen erholen kann und im Biergarten direkt am Main sitzen kann und dann richtig schön auch mal Biere genießen kann. Das ist ja großartig. Sehr schön! Ach, Wahnsinn! Holger, was hast du denn für Erinnerungen an unterfränkische Biere? Fällt dir da eins ein aus der Ecke?

Holger: Oh ja, natürlich! Da darf ich doch absolut meinen Freund Hans Christian Müller hier nochmal ins Gedächtnis rufen, der ja auch schon im BierTalk Gast war.

Sabine Anna Ullrich: Oh ja!

Holger: Da gibt es zwei absolute Klassiker für mich. Also Hans Christian braut ja in Aschaffenburg, das ist ja bekanntlich auch Unterfranken.

Sabine Anna Ullrich: Richtig!

Holger: Da ist dann für mich eben Backbone Splitter ein Evergreen IPA ohne Fehl und Tadel. Also das ist einfach ein tolles Bier. Davor gab‘s ja das Bayerisch Nizza, das es auch immer noch gibt, also sich zu einem Topseller auch über Jahre eben auch entwickelt hat und sich da auch in dieser Liga hält. Das wären so zwei unterfränkische Biere, die ich herausheben möchte. Das ist wirklich so. Und bei dem Bayerisch Nizza möchte ich sagen, das schmeckt ganz vielen Damen auch richtig gut. Also wer jetzt ein Bier sucht, wo man jetzt mal eine Frau überraschen will, die vielleicht nicht so gerne Bier trinkt oder da immer nur so zur Not mittrinkt, dann bitte mal ein Bayerisch Nizza kredenzen, dann durchaus auch mal in einem Weinglas. Da werdet ihr sehen, dass euch dann die Frauen anschauen und denken: Mensch, also der kennt mich. Der Markus hat ja auch in einem BierTalk mit dem Craft Beer Kontor da auch die Frage gestellt, so nach dem Motto: Habt ihr auch Biere, die eben Frauen verführen? Also er stellt ja immer solche Fragen. Und das wäre so eine Antwort. Also Bayerisch Nizza wäre es glaube ich.

Sabine Anna Ullrich: Das stimmt wirklich. Das kann ich nur bestätigen, Holger. Das ist wirklich der Fall. Das habe ich mit meinen Mädels gemacht. Und meine Mädels sind absolut keine Biertrinker. Ich war immer so das einzige Mädel in der Clique, die gesagt hat: Boah! Ich habe Lust auf ein Bier. Alle anderen haben ein Aperol oder einen Wein getrunken. Ist ja nichts Verwerfliches, trinke ich auch gerne mal. Aber ich habe sie damit gelockt und ich habe sie eigentlich ein bisschen verarscht. Ich habe gesagt: Ich habe einen wunder-wunderschönen Cocktail für euch hier im Kühlschrank und möchtet ihr mal was ausprobieren? Und habe dieses Bayerisch Nizza wirklich auch in Weingläser, Cocktailgläser dann auch ausgeschenkt, schön kalt. Und gesagt: Oh, jetzt macht mal die Augen zu. Jetzt riecht erstmal da dran. Und das ist echt der Wahnsinn. Da kommen diese fruchtigen Hopfenaromen heraus. Da kommt so leicht eine Bananennote heraus, die man wirklich toll aufnehmen kann. Ich habe dann gesagt zu den Mädels, die hatten immer noch ihre Augen zu: Jetzt trinkt mal einen Schluck. Und die waren hellauf begeistert. Und als ich ihnen am Ende erklärt habe, dass sie jetzt gerade ein Bier getrunken haben, haben sie gesagt: Nee! Echt jetzt! Das kann‘s doch echt nicht sein. Ich so: Doch, ich habe euch jetzt allen ein Bier untergejubelt. Und seitdem gibt’s auch das ein oder andere Mädel im Freundeskreis bei mir, was gerne mal sagt: Ah, Sabine, hast du wieder mal so ein leckeres Bier da, so ein Mädchenbier? Und kann dann das eine oder andere auch kredenzen.

Markus: Da sieht man mal, das kommt raus, wenn ein Zahnarzt Biere braut. Aber ich finde das eine ganz interessante Frage. Du warst ja als Bierkönigin ein bisschen auch Vertreterin von Unterfranken. Also hast du da besondere Gelegenheiten oder Möglichkeiten gehabt, eben gerade auch diese eher nicht so als Bierregion bekannte Ecke besser zu präsentieren? Oder hast du den Eindruck, dass du da auch eine gewisse Wirkung vielleicht hattest in manche Ecke?

Sabine Anna Ullrich: Ich kann mir das sehr, sehr gut vorstellen. Also gerade die Tourismusverbände sind im Anschluss nach meiner Bierkönigin-Zeit auf mich zugekommen, sei es Kurfranken, was spezifisch für die Miltenberg-Region steht, als auch der Franken-Tourismus, der natürlich Unter-, Ober-, Mittelfranken vertritt, die dann gesagt haben: Hey Sabine! Die Leute haben wirklich nachgefragt, sind die Türen so ein bisschen eingerannt. Hey, wo kommt denn die Bierkönigin her? Oder sie haben erfahren, dass Unterfranken, Franken allgemein, Bierfranken so schön sei. Wo können sie was erleben? Und tatsächlich ist daraus auch eine Kooperation entstanden, dass ich weiterhin auch nach meiner Amtszeit, das sind ja mittlerweile echt schon einige Jahre, ich möchte es gar nicht nachzählen, mit den Tourismusverbänden arbeite, auf die Messen gehe und eigentlich den Menschen erzähle, wie schön meine Heimat ist. Was gibt es Schöneres, über Heimat, über Bier, über Gesellschaft und Leute zu sprechen und das anderen Leuten näherzubringen?

Holger: Da kann man fast nichts mehr hinzufügen, oder?

Markus: Nein, eigentlich nicht. Man kann noch ein paar Ortsnamen erwähnen, also zum Beispiel gibt’s da einen schönen Ort, namens Amorbach. Also kann man sich schon vorstellen, dass das sicherlich eine schöne Gegend ist. Und ich bin da auch wirklich total gerne, weil es eben auch so eine Mischung ist, also aus diesem wunderschönen kleinen Städtchen und mit diesem ganzen roten Sandstein, aber eben auch richtig Wäldern, das ist ja schon Spessart-Einzugsgebiet. Also mit richtig viel Natur, die man da erleben kann. Dann eben der Fluss, der sich da durchschlängelt und auch großteils da noch naturbelassen ist. Das ist einfach eine ganz besondere Ecke, die viele Leute gar nicht kennen. Und insofern, also wirklich, du bist da sicher eine gute Botschafterin und hast da sicherlich auch viele Leute mal dazu gebracht, sich das Ganze anzugucken.

Sabine Anna Ullrich: Ich kann nur jedem Fahrradfahrer, Camper, Wanderlustigen eigentlich einladen in meine Heimat. Es gibt wunderschöne Radwege, es gibt wunderschöne Camper-Plätze, wo man sich wirklich niederlassen kann, direkt am Main gelegen. Als Wanderer im Spessart, Odenwald wirklich wandern zu gehen beziehungsweise spazieren zu gehen, für Jung und Alt ist da für jeden wirklich was dabei. Burgen links und rechts vom Main, je nachdem, wo man gerade unterwegs ist. Man fährt durch Wälder, man sieht überall Weinberge links und rechts, man kann in den Ortschaften überall natürlich einkehren in diverse Heckenwirtschaften. Der ein oder andere kennt vielleicht den Begriff, manche kennen den Begriff Besenwirtschaften. Das ist, wenn der Winzer zweimal im Jahr für eine Woche die Stube ausräumt und dann wirklich fränkische Kost und den einzelnen Wein dazu gibt. Oder man fährt einfach zwei Ortschaften weiter oder drei und ist in einem wunderbaren Biergarten am Main und genießt das heimische Bier der Leute dort. Ich kann nur sagen, die Unterfranken sind supergesellig, man rutscht gerne zusammen mal auf der Bierbank oder wo man sich gerade befindet. Und eigentlich genießt man hier, und natürlich auch überall woanders, klar, aber ich würde sagen, wir genießen hier schon sehr arg das Leben.

Markus: Den Eindruck habe ich auch. Holger, wusstest du, dass da sogar Schneewittchen wohnt, dort in dem Eck?

Holger: Nein, absolut nicht. Also ich habe immer gedacht, die Brüder Grimm Märchen sind im Wolfhagener Land bei Kassel. Aber tja, man lernt ja nie aus mit euch beiden.

Sabine Anna Ullrich: Es gibt auch den Nibelungensteig. Also du findest für jeden einzelnen was zu genießen. Ich habe aber was anderes, auch eine neue Heimat für mich entdeckt oder eine Brauerei eigentlich in eurer Heimat, die mich jedes Mal vom Hocker reißt, wenn ich da ein Bier probiere beziehungsweise dort im Biergarten einkehre. Jetzt die Frage an euch: Könnt ihr euch vorstellen, welche Brauerei das ist? Oder möchtet ihr weitere Tipps haben?

Holger: Wir haben ja keine gemeinsame Heimat. Der eine ist ja der totale Oberfranke und trinkt eben Rauchbier-Mischgetränke.

Markus: Unglaublich!

Sabine Anna Ullrich: Das Rauchbier, na klar.

Holger: Und ich bin ja Ruhrgebietler und lebe im Exil in München. Deshalb, ich glaube, wir brauchen da schon noch ein paar Tipps.

Markus: Hallo, hallo?

Holger: Ja hallo, hallo. Das ist ja jetzt lustig.

Markus: Wir haben wieder so eine Stelle, die ich da nicht rausschneiden werde.

Holger: Nein, nein, absolut. (unv. #00:24:01.3#) muss ich wieder …

Markus: … schwärmen. Bitte schwärmen Sie jetzt!

Holger: Bitte schwärmen Sie jetzt!

Markus: Genau!

Holger: Sabine Anna Ullrich, bitte komm wieder, ich vermisse dich. Ja, aber irgendwie ist sie jetzt draußen.

Markus: Da müssen wir ein bisschen weiter spekulieren. Wo mag sie wohl diese Heimat des Bieres angesiedelt haben für ihre zweite Heimat? Gar nicht so einfach.

Holger: Ich weiß es auch nicht. Jetzt müsste man halt wissen, wo studiert sie?

Markus: In Würzburg, denke ich mal.

Holger: In Würzburg. Naja, und da, hm, gibt’s da, also tja. Die Würzburger Hofbräu, aber das kann’s ja irgendwie nicht sein.

Markus: Nein, das glaube ich nicht. Also ich glaube, sie hat sich da eher weiter rüber orientiert und wahrscheinlich denke ich mal eher so in die bayerische Ecke. Da vielleicht, lass mal überlegen …

Sabine Anna Ullrich: Jetzt, wartet …

Markus: Oh!

Sabine Anna Ullrich: Wartet mal! Hört ihr mich jetzt wieder?

Markus: Ja.

Holger: Jetzt hören wir dich. Ja.

Sabine Anna Ullrich: Wunderbar! Das waren die Kopfhörer. Die haben grad voll gestreikt. Ich habe jetzt, glaube ich, gerade die ganze Zeit gesagt, ich höre euch nicht mehr, ihr seid weg und so. Ist es jetzt wieder besser?

Holger: Ja, es ist optimal.

Markus: Es hätte nicht besser passieren können. Wunderbar!

Holger: Nein, genau, ich habe jetzt wieder …

Sabine Anna Ullrich: Ihr habt mich stummgeschalten.

Holger: Nein, nein, ich habe jetzt wieder eine Runde geschwärmt. Und er hat jetzt wieder was, um es nicht herauszuschneiden.

Markus: Genau!

Holger: Das habt ihr beide doch abgesprochen.

Markus: Genau!

Sabine Anna Ullrich: Bei jedem BierTalk gibt’s einen kleinen Aussetzer. (unv. #00:25:17.0#)

Holger: Und deshalb hat er das auch hinterher, deshalb auch das Thema Prämie. Also er zahlt dir eine Prämie für dieses Verhalten. Das (unv. #00:25:23.9#)

Markus: Ach, (unv. #00:25:25.3# wie schön! ?).

Sabine Anna Ullrich: Ich bin echt gespannt, was da jetzt passiert.

Holger: Also auf jeden Fall waren wir ja stehengeblieben, ob wir uns vorstellen können, wo du jetzt genau schwärmst.

Sabine Anna Ullrich: Gerade (unv. #00:25:33.3#)

Holger: Und jetzt haben wir gesagt, wahrscheinlich irgendwas Bayerisches?

Sabine Anna Ullrich: Richtig!

Holger: Da kann man es ja, und dann ist halt die Frage, also Bayern ist ja groß, dann entweder was Oberfränkisches oder was Oberbayerisches?

Sabine Anna Ullrich: Da müsst ihr euch entscheiden.

Holger: Ich entscheide mich für Oberfranken. Du?

Markus: Ich würde mich für Oberbayern entscheiden. Ich glaube, sie hat sich in irgend so einen neuen Craft-Brauer verliebt. Also bierig natürlich.

Sabine Anna Ullrich: Nein!

Markus: Bierig.

Sabine Anna Ullrich: Ich bin in Oberfranken gelandet.

Markus: Oh!

Holger: Ja, da kannst du mal wieder sehen, ich kenne die Frauen doch besser als du.

Markus: Absolut, absolut!

Sabine Anna Ullrich: Tatsächlich habe ich diese Brauerei während meiner Bierköniginnen-Tour kennengelernt oder auch bei der ein oder andere Festivität. Ich war damals schon hin und weg. Diese Brauerei hat mich auch damals zum Rauchbier geführt, was mir tatsächlich das erste Mal bei denen dann auch geschmeckt hat in der Brauerei. Vielleicht wird es jetzt wärmer?

Markus: Naja, das können ja nur die Kundmüllers sein eigentlich, oder?

Sabine Anna Ullrich: Du triffst ins Schwarze. Anscheinend kennst du mich auch, Markus.

Markus: Siehst du Holger, ich kenne die Frauen nämlich doch.

Sabine Anna Ullrich: Die lieben Kundmüllers, die habe ich so ins Herz geschlossen. Einmal habe ich sie dann auf einem Fest irgendwie kennengelernt, dann haben sie mich direkt auch eingeladen gehabt in die Brauerei zu einem Starkbieranstich. Und habe bei ihnen die unterschiedlichsten Biere getestet. Und jedes Mal, wenn ich in Richtung Bamberg unterwegs bin, mache ich so einen kleinen Schlenker in Weiher vorbei, sage erstmal Servus und Grüß Gott bei den beiden beziehungsweise bei der Family. Ich lade jedes Mal mein Auto auch voll mit Bier, weil ich einfach nicht daran vorbeifahren kann. Und ich habe auch, um mich jetzt einzureihen, ein hochprozentiges oder hochprozentigeres Bier dabei mit 6,8 %, von 2018 schon, den Weiherer Weizenbock. Ich habe ähnlich jetzt wie du, Holger, eine ganze Serie dieser Brauerei. Ich habe, glaube ich, ein 16er, 17er, 18er, 19er, bis zum aktuellen Weizenbock, der dieses Jahr natürlich dann noch irgendwann rauskommt, alle daheim und teste die auch immer gerne parallel. Und zu Ehren des heutigen Tages, zum 60. BierTalk, habe ich gedacht, ich mach mal den 18er auf.

Markus: Wow! Ist es der mit Hopfen, also dieser hopfengestopfte?

Sabine Anna Ullrich: Nein! Es ist der normale. Also ich habe sowohl den im Holzfass gereiften da, den hopfengestopften, aber mein Lieblings-Weizenbock ist tatsächlich der ganz einfach klassische Weizenbock, den sie so produzieren und auf dem Markt haben.

Markus: Da ist ja dein Bierkeller besser sortiert als meiner. Unglaublich! Sehr gut!

Sabine Anna Ullrich: Ich mach‘s mal auf. Ich habe diesmal einen Flaschenöffner da. Das zischt, sehr schön. Gucken, wie es im Glas aussieht. Also das Bier ist von 2018 und das macht eine Schaumkrone, das ist der helle Wahnsinn. Wunderbarer feinporiger, sahniger Schaum, der schon wirklich wahnsinnig aromatisch ist. Und ein orange, goldgelbenes, leicht hefetrübes Bier. Ich hab‘s gerade schon eingeschenkt, und alleine von der Entfernung kann ich sagen, es ist schon wahnsinnig duftend nach Banane, Orange, Karamellnoten, auch leicht alkoholischen Noten, reife Pflaume rieche ich auch ein bisschen raus. Wirklich toll! Ich würde es gerne mit euch jetzt grade teilen. Vielleicht sollten wir das mal ausmachen, dass wir uns im Sommer mal bei Kundmüllers treffen. Zum Wohle!

Markus: Das machen wir zur Folge 90. Das wäre doch eine Idee.

Sabine Anna Ullrich: Sehr gerne! Dann nehmen wir Kundmüllers noch mit rein. Dann machen wir einen größeren BierTalk im Abstand und genießen zusammen das Bier.

Holger: Ist da dann Sommer? Ich meine, rechne doch mal. Jetzt haben wir April, plus 30 Wochen, also unglaublich.

Sabine Anna Ullrich: Ich hoffe, ich hoffe und ich drücke jedem die Daumen, dass die Zahlen baldmöglichst runtergehen, dass die Leute geimpft sind und dass natürlich die Gastronomen und natürlich die Geschäfte nach und nach auch öffnen können dürfen, ausschenken dürfen und dass sich das Ganze jetzt nach und nach erholt und noch zu retten ist, was zu retten da ist. Apropos Retten, das Bier ist der absolute Wahnsinn. Das schmeckt wirklich toll. Also wirklich, diese Pflaumen-, Karamellnoten, das ist so ein bisschen, wie würde ich es denn beschreiben, auch so diese wunderbaren, süßlichen Aromen kommen raus. Wie so ein bisschen ein Karamell-, Gutsle-Bonbon, würde man sagen, und dann merkt man auch die angenehme Wärme, die im Rachen so nach und nach jetzt aufscheint. Ein tolles Bier! Ein tolles Tier, wie ihr beide es auch habt bei einem so kalten Tag und einfach genießen kann. Super!

Markus: Holger, siehst du, da hast du natürlich recht, also in 30 Wochen, da ist es dann wahrscheinlich eher so ein Weihnachts-BierTalk. Aber das macht ja nichts, man kann ja bei den Kundmüllers auch reingehen. Für mich sind die immer so ein Inbegriff der fränkischen Familienbrauerei. Weil man muss sich das vorstellen, als ich so 16, 17 war, mit der Bierkultur so langsam wirklich warmgeworden bin, da ist man dann ab und zu mal mit Freunden, die schon Auto fahren durften, aufs Land gefahren und da haben wir uns zum Beispiel auch mal dem Bockbier-Anstich gewidmet. Und heutzutage ist der Bockbier-Anstich ein richtig großes Event, wenn es denn stattfinden darf. Wo dann Hunderte oder vielleicht sogar Tausende von Leuten hinkommen bei den verschiedenen Brauereien. Damals in den 80ern, 90ern, war das eher noch so ein Geheimtipp. Das heißt, du kamst da in Weiher an, damals bestand die Brauerei aus diesem einen großen weißen Haus, dann war ein Garagentor offen. In der Garage stand eine fürchterlich schlechte Coverband, hat irgendwie Metallica und was weiß ich was gecovert und gespielt zu dieser Zeit, ziemlich laut. Und dann gab’s eben das Bockbier. Also zu der Zeit hatte die Brauerei zwei Biere, das normale Bier und eben dann das Bockbier. Sie haben im Jahr 500 Hektoliter gebraut, waren also eine der kleinsten fränkischen Brauereien. Und das war einfach irgendwie kultig, aber auch eine recht einsame Veranstaltung. Wir waren dann vielleicht 30 Leute oder so, und sind dann trotzdem glücklich nachts um Zwei, Drei wieder abgedackelt. Wenn man sich dann überlegt, was in dieser Zeit passiert ist, also heute, wenn man dahingeht, dann ist das eine Brauerei mit einem tollen Biergarten, mit einem richtigen Restaurant dabei, mit Ferienwohnungen, mit einem Spielplatz. Sie brauen jetzt keine 500 Hektoliter mehr, sie brauen über 30.000. Das ist immer noch für eine Brauerei klein, aber natürlich eine Wahnsinns-Entwicklung von diesen 500. Sie haben ganz tolle Sorten neu dazu gemacht. Und eben diese beiden Brüder, der Roland und der Ossi, die haben einfach von ihrem Vater das übernommen und mit Abstand das Beste daraus gemacht. Das muss ich wirklich sagen, bewundere ich, wie sie das hinbekommen, wie sie trotzdem bodenständig geblieben sind, wie sie als Familie das leben. Und wie sie auch selber immer erzählen, das Wohnzimmer war praktisch das Gasthaus. Also da sind die als Kinder großgeworden. Da gab’s halt die Schanktheke und da gab’s das Zimmer und dazwischen war ein kleiner Raum und da saß die Familie halt an einer Eckbank. Aber letzten Endes war man immer irgendwie mit den Gästen zusammen. Und das erinnert mich auch an das, was du immer erzählst, Holger, wenn man so aufwächst in so einer Umgebung, dann ist man einfach ein Gastro-Kind.

Holger: Das ist so. Aber wenn ich dir jetzt so zuhöre, dann kriegst du jetzt von mir einen Auftrag. Und der Auftrag lautet so: Wenn wir jetzt gleich den herrlichen BierTalk hier beenden, dann nimmst du Kontakt mit den Kundmüllers auf und lädst die zu einem BierTalk ein.

Markus: Das kann ich super-gerne machen, keine Frage.

Holger: Na also! Und dann müssen die das auch nochmal alles bestätigen, was du da sagst. Und vielleicht noch mehr. Das wäre doch was.

Markus: Ja, das werden sie tun. Und der Roland sagt immer: Du musst das Bier behandeln wie eine Frau. Also man muss da Rücksicht nehmen, man muss es streicheln, man muss gut zu ihnen sein, man muss es wertschätzen, dann wird es am Ende auch gut. Tolle Einstellung als Braumeister, finde ich.

Holger: Nein, unbedingt! Und da gibt’s einen Film auch. Da kann man das sogar anschauen, wie er das sagt.

Markus: Stimmt! Den Weiherer Bierfilm. Den kann man auf der Homepage sich dann anschauen. Auch eine schöne Geschichte Spannend!

Holger: Perfekt!

Markus: Das freut mich total, dass die Sabine mittlerweile in Oberfranken angekommen ist. Sehr gut!

Sabine Anna Ullrich: Der Keller ist gut bestückt mit dem wunderbaren Bier auch aus dem Oberfränkischen. Wie gesagt, ich bin ein großer Fan der Brauerei Kundmüller oder des Weiherer Biers. Es ist eine so tolle Familie. Und wenn ich allein daran denke, wenn ich und mein Partner daran denken, wir sagen, ah, wir sind jetzt wieder irgendwo unterwegs Richtung Oberfranken, das erste, was wir sagen. Fahren wir bei Kundmüllers mal kurz vorbei. Mittlerweile haben sie auch alkoholfreies Bier. Also dementsprechend auch für die Autofahrer überhaupt kein Problem. Es ist einfach so herzlich bei denen. Es ist einfach nur schön. Also das kann ich persönlich dazu sagen. Ich habe bei denen auch schon Bier mitgebraut. Wunder-wunderbare Familie, toller Familienzusammenhalt. Wenn man mich jetzt sehen würde, meine Augen glänzen, ich bin am Grinsen, ich freue mich gerade, wenn ich mich mal wieder ins Auto setzen kann und nach Bamberg fahre in die Richtung. Also wirklich richtig schön und wirklich zu empfehlen auch.

Markus: Holger, von dir möchte ich das künftig auch so hören, dass du Pipi in den Augen hast, wenn du nach Bamberg fahren darfst.

Holger: Das habe ich doch. Also die Vorfreude dich zu sehen, ist doch grenzenlos. Du erinnerst dich vielleicht an deine Geburtstagsparty, wo die Claudia richtig eifersüchtig wurde, wie ich dich gelobhudelt habe. Weißt du das denn nicht mehr?

Markus: Das ist schon vor zwei Corona-Geburtstagen, da erinnere ich mich kaum noch. Aber ich hab‘s natürlich noch im Kopf. Klar!

Holger: Das war doch wieder ein schönes Gespräch unter Freunden.

Sabine Anna Ullrich: Das stimmt!

Holger: Und wir beide haben uns ja nur ein Bierchen vorgenommen. Und ich habe meins auch noch im Glas und lass es jetzt auch nochmal ein bisschen wärmer werden und da auch nochmal ein bisschen nachforschen, wie sich’s dann nochmal verändert. Also ich bin sehr begeistert, sehr begeistert. Das war doch heute der BierTalk der Lobhudelei.

Sabine Anna Ullrich: Des ultimativen, ultimativen, so wie du es gesagt hast, der ultimative Markus, die ultimative Besucherin beziehungsweise Talkerin, und das ultimative Waldbier.

Holger: So ist es.

Sabine Anna Ullrich: Du hast dreimal ultimativ gesagt.

Holger: Habe ich das gesagt?

Sabine Anna Ullrich: Ja, ich habe mitgezählt. In dem Sinne, ihr Lieben, oder auch liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, bleibt alle gesund, trinkt weiterhin Bier und unterhaltet euch über Bier. Weil so bleibt Bier auch am Leben, auch in einer schwierigen Zeit. Und zum Wohle!

Holger: Zum Wohle! Tschüss!

Markus: Zum Wohle! Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 22 – Interview mit Bernd Wagemann, Erster Braumeister, und Gunther Butz, Geschäftsführer, von Tucher Bräu aus Nürnberg

Mit nur zwei Jahren kam Bernd Wagemann aus dem Allgäu in die Frankenmetropole, lernte als Jugendlicher den Geschmack des Bieres lieben und schließlich als Ferienjobber und späterer Azubi auch die Herstellung von Grund auf kennen. Ein Braumeisterstudium folgte und eine steile Karriere in einem sich immer wieder verändernden Braukonzern. Gemeinsam mit seinem heutigen Chef Gunther Butz, auch in diesem BierTalk zu hören, entwickelte er vor einigen Jahren einen gänzlich neuen Biertypus: Das Original Nürnberger Rotbier als eine Cuvée von holzfassgereiftem Doppelbock und normal eingebrautem Rotbier. Im BierTalk erzählt er sowohl seine eigene spannende Geschichte, als auch die seiner besonderen Kreation, die viele Freunde und Fans in der Bierwelt gefunden hat und immer noch ein echter Geheimtipp für Kenner ist…

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Markus Raupach: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute gibt es mal wieder ein Special, diesmal aus Franken aus Nürnberg von der Tucher Brauerei. Dort haben wir Bernd Wagemann zu Gast. Er zeichnet verantwortlich für das Original Nürnberger Rotbier. Ein spannendes Projekt mit einer Mischung aus holzfassgereiftem Doppelbock und normal eingebrautem Rotbier. Doch dazu gleich mehr. Erst mal willkommen, Bernd Wagemann! Beginnen wir doch einfach mal, wie Sie überhaupt zum Thema Bier gekommen sind? Steht man da auf und sagt als kleiner Junge, ich würde gerne Brauer werden? Oder wie ist das passiert?

 

Ferienjob in der Brauerei

Bernhard Wagemann: Nee, eigentlich überhaupt nicht. Bei mir war das so, ich habe eigentlich schon immer als Jugendlicher auch gern mal ein Bier getrunken und ich habe dann während meiner Gymnasialzeit immer Ferienarbeit gesucht, um ein bisschen Geld zu verdienen. Und da habe ich mich ein wenig umgehört und da habe ich gehört, dass man in einer Brauerei Ferienarbeit machen kann ab 18 Jahren, und dass man da relativ gutes Geld verdienen kann. Da habe ich mich mal bei der Tucher Brauerei beworben als Ferienarbeiter, wo ich noch am Gymnasium war, und habe dann da verschiedene Tätigkeiten gemacht. Da gab‘s ja noch die Fasswegs, da musste man Fässer pichen. Und habe dann einen sehr, sehr guten Braumeister und Brauerei-Direktor gehabt, das war der Herr Hirsch damals. Und der hat mich so fasziniert und so begeistert für den Beruf, dass es eigentlich ab da klar war, dass ich in die Richtung etwas machen möchte. Und was mir besonders viel Spaß gemacht hat, war das, dass man sowohl technisch arbeitet, technologisch arbeitet und mit Menschen arbeitet. Also man sitzt nicht nur am Schreibtisch, sondern man kann alles ein bisschen machen. Und das hat mich eigentlich dazu bewogen dann, erst eine Brauerlehre zu machen und dann das Studium anzuschließen.

Markus Raupach: Man hört schon, Sie sind ja durchaus auch Franke. Das heißt, sind Sie in Nürnberg, in der Nürnberger Ecke großgeworden? Und was haben Ihre Eltern dazu gesagt, als Sie gesagt haben, ich werde jetzt Brauer?

Bernhard Wagemann: Ich bin mit zwei Jahren nach Nürnberg gezogen, ich bin geboren im Allgäu, in Memmingen, mein Vater wurde dann versetzt hier nach Nürnberg, und ich bin seit meinem zweiten Lebensjahr in Nürnberg dann gewesen, auch in Nürnberg aufgewachsen. Ich bin auch ein begeisterter Nürnbergerianer. Und nachdem ich das dann mal mitgeteilt habe meinen Eltern, meinen Eltern war das eigentlich völlig egal und mein Vater hat immer nur gesagt, mach Abitur und was du danach machst, ist mir egal.

Markus Raupach: Und wann waren so Ihre ersten Begegnungen mit Bier?

Bernhard Wagemann: 15, 16 Jahre, wo man halt dann zum ersten Mal ausgegangen ist. Dann hat man es mal probiert. Ich meine, da war es natürlich etwas schwieriger da noch Alkohol zu bekommen, aber irgendwie hat man es dann doch immer wieder geschafft. Und ja, so die ersten Partys halt so als Heranwachsender waren so die ersten Begegnungen mit Bier. Mein Vater war leidenschaftlicher Biertrinker, und da kommt man natürlich dann auch von zu Hause ein bisschen dazu.

Markus Raupach: Und Sie haben bei der Tucher die Lehre gemacht und sind dann dort …?

 

Bei der Neumarkter Lammsbräu

Bernhard Wagemann: Nein, nein! Ich habe nicht bei der Tucher die Lehre gemacht, ich habe im entfernten Verwandtenkreis, da gehört auch die Neumarkter Lammsbräu dazu. Also das ist schon sehr entfernter Verwandtenkreis. Damals haben sie dann zu mir gesagt, ruf doch da einfach mal an und frag mal, ob du da vielleicht bei der Familie Ehrnsperger, bei der Lammsbräu dann da deine Lehre machen kannst. Dann habe ich mich dort beworben. Hat dann auch sofort geklappt. Und habe meine zweijährige Lehre, knapp zwei Jahre, dann bei der Neumarkter Lammsbräu gemacht. Ich bin jeden Tag hin und her gefahren. Nachdem das Abitur dann bestanden war, war dann mein Vater auch recht großzügig, hat mir dann ein kleines Auto gekauft, und so konnte ich dann relativ günstig und schnell auch immer die tägliche Arbeitszeit in Neumarkt ableisten. Was noch dazukommt, war, dass ja die Familie Ehrnsperger zum damaligen Zeitpunkt auch die Brauerei im Altstadthof oben betrieben hat. Der Nachfolger, der Herr Engel, war ja früher auch Braumeister bei der Neumarkter Lammsbräu in Neumarkt. Und da habe ich den Herrn Engel auch kennengelernt, und das war praktisch so mein Lehrmeister bei der Ausbildung. Und ich habe dann sehr viel Zeit auch am Altstadthof oben verbracht. Das letzte Jahr meiner Lehrzeit habe ich praktisch die Brauerei im Altstadthof schon selbstständig geleitet.

Markus Raupach: Und haben Sie bei der Familie Ehrnsperger auch diese Umstellung damals auf das Biothema mitbekommen oder mit begleitet?

Bernhard Wagemann: Ja, wobei das da noch sehr in den Kinderschuhen steckte. Und dieses Thema mit der Umstellung auf diese ganze Bio-Schiene, das kam schon sehr von seiner Frau von Dr. Ehrnsperger, weil die ist beruflich Ökotrophologin. Und über diese Schiene kam dann diese Öko-Schiene. Aber war zu dem Zeitpunkt noch eher in den Kinderschuhen gesteckt.

Markus Raupach: Ja, der ist durchaus auch eine faszinierende Unternehmerpersönlichkeit, sagen viele.

Bernhard Wagemann: Ja.

Markus Raupach: Wie haben Sie ihn denn erlebt als Mensch?

Bernhard Wagemann: Als Unternehmerpersönlichkeit war er absolut top, war ein Top-Fachmann, muss man sagen. Er hatte ja nicht nur Brauwesen studiert, er war aber, glaube ich, auch Chemiker, hat auch Chemie studiert. Und in seinem Auftreten war er schon ein Chef. Also wenn der durch die Brauerei marschiert ist, er war ja auch groß, war, glaube ich, fast zweit Meter, war schon eine sehr imposante Erscheinung. Wir haben dann auch als Lehrlinge, wie es früher halt auch war, mal auch den Keller gestrichen und so Tätigkeiten, gerade im Winter, auch mal da ein bisschen mithelfen müssen, was aber ja eigentlich nicht schlecht war. War schön, war gut. Also es hat mir Spaß gemacht die Ausbildung.

Markus Raupach: Und dann kommen Sie nach Nürnberg zurück und wie geht’s da dann weiter?

 

Vom Studium in Weihenstephan zur Tucher Brauerei in Nürnberg

Bernhard Wagemann: Nach der Lehre habe ich dann direkt mein Studium angeschlossen, war dann in Weihenstephan, habe den Diplom-Braumeister gemacht. Und habe mich dann durch meine Beziehungen zur Tucher noch aus meiner Ferienarbeitszeit, da kannte ich den Herrn Rother, er war ja jahrelang der Gesamtleiter Qualität und auch teilweise Betriebsleiter, mal angerufen und mal angefragt, ob es denn möglich wäre, nach dem Studium eventuell dort zu arbeiten. Und da hat es dann geheißen, direkt bei der Tucher nicht, aber bei der Tucher war noch die fränkische Getränkeindustrie angeschlossen, das war die alkoholfreie Sparte. Und der Chef, der Herr Sattler, der suchte dringend einen Stellvertreter. Und dann haben sie gesagt, ich soll mich halt dort mal bewerben. Dann habe ich mich dort beworben als stellvertretender Betriebsleiter nach dem Studium. War dann auch sage und schreibe drei Monate beim Herrn Sattler in der FGI, und der damalige Vorstand von der Tucher, der Herr Direktor Schedel, hat dann ein Projekt in der Brauerei aufgerufen, nämlich den Neubau eines Filterkellers. Und dafür wurde ein Projektleiter gesucht. Dann hat der Herr Schedel sehr schnell auf mich zurückgegriffen, und hat gesagt, ob ich Lust hätte, in die Brauerei zu wechseln und dieses Projekt zu leiten. Und dann bin ich in die Brauerei gewechselt, habe dann dieses Projekt geleitet und der arme Herr Sattler war wieder seinen Stellvertreter los und musste dann wieder auf die Suche gehen. Das war 1991. Also ich habe am 1. November 1991 bei der fränkischen Getränkeindustrie angefangen und bin dann im Januar 92 in die Brauerei gewechselt. Und dann habe ich da erst die Projekte gemacht, dann wurde ich zweiter Gär-Führer, dann Gär-Führer, dann stellvertretender Braumeister, und dann ging‘s so peu à peu bis zur heutigen Stufe nach oben.

Markus Raupach: Dann gab’s ja auch diese spannende Entwicklung mit Tucher und der Radeberger Gruppe. Wie haben Sie das denn miterlebt?

Bernhard Wagemann: Sehr oft haben wir ja Veränderungen erlebt. Ich bin sehr oft innerhalb der Brauerei umgezogen, habe sehr viele andere und neue Büros erlebt. Wir waren ja dann eine Zeit lang bei der März-Gruppe, dann wurde das von Brau und Brunnen übernommen. Erst kam dann Inselkammer. Das war eigentlich eine recht spannende Zeit. Also gerade mit dem Einstieg der Familie Inselkammer hat man dann schon gemerkt, wenn so Privatbesitzer oder Privatleute da richtig einsteigen, und der Inselkammer, der war ja dann auch hier Geschäftsführer, war hier auch installiert. Und das war dann schon sehr interessant zu sehen, wie er die Marke dann auch wieder neu positioniert hat. Zumal man sagen muss, er war ja ein Marketingmann, er kam ja auch aus der Marketing-Schiene, und wie die Brauerei dann neu positioniert wurde und dann auch, wie dann das Standing der Brauerei in der Öffentlichkeit auch wieder besser wurde, das war eigentlich sehr interessant zu erleben. Und dann kam ja der Verkauf und die Übernahme durch Brau und Brunnen und dann durch die Radeberger- und die Oetker-Gruppe. Da begann dann das Projekt des Neubaus. Und das war dann für mich die spannendste Zeit. Ich wurde dann zusammen mit Stefan Meyer, einem Kollegen von mir, zum Projektleiter für den gesamten Neubau ernannt. Da wurden dann die Braustätten am Schillerplatz in Nürnberg und in der Schwabacher Straße Patrizier Bräu nacheinander geschlossen. Und dann wurde ja hier jetzt in der Tucher Straße in Fürth dann der Neubau begonnen, von 2006 bis 2008. Und das war auch für mich schon eine sehr, sehr spannende Zeit, weil ich ja eigentlich Brauer und kein Bauingenieur bin. Und so eine Brauerei in der Größenordnung selber mal bauen zu dürfen, war schon extrem spannend, aber auch extrem anstrengend.

Markus Raupach: Ich finde das ja sehr spannend, einerseits, dass man sagt, man hat dieses Sudhaus, das praktisch auf zwei Stätten oder in zwei Stätten existiert. War das am Anfang so geplant?

Bernhard Wagemann: Das war eigentlich schon geplant, weil von vornherein war das Bemühen der Besitzer, beide Städte Nürnberg und Fürth in diese ganze Gestaltung mit einzubeziehen. Also man wollte auch Gewerbesteuern aufteilen, man wollte auch gastronomisch, man wollte auch für die Volksfeste ein Standbein in Fürth haben, man wollte ein Standbein in Nürnberg haben. Und auch für die Bevölkerung, man wollte eigentlich eine Brauerei für die ganze Region sein. Und da hat sich das angeboten, dass man dann sagt, okay, wir bauen das auf einer Grenzfläche, um dann überall ein bisschen anwesend zu sein. Ich finde das eine sehr spannende Geschichte. Und dass auch die Stadtgrenze jetzt durchs Sudhaus zwar nicht genau mittig, aber doch durchläuft, ist eigentlich schon mal ein bisschen ein Alleinstellungsmerkmal der Brauerei.

Markus Raupach: Und dann haben Sie ja dieses neue Projekt mit dem Thema Rotbier. Wann hat das denn angefangen zu reifen und wie kam’s da dann zur Umsetzung?

 

Die neue alte Braustätte am Schillerplatz (Altes Sudhaus)

Bernhard Wagemann: Ja. Also das ist auch ein sehr spannendes Thema, die Braustätte am Schillerplatz. Meine alte Herkunft, die war ja dann brachgelegen. Ab Anfang der Zweitausender lag die im Dornröschenschlaf und es ist eigentlich mehr und mehr verfallen, dieses ganze Gelände hat ja, ich glaube, 80.000 bis 90.000 Quadratmeter, dieses ehemalige Tucher-Areal. Es war viele, viele Jahre brachgelegen, dann wurde das von einem Investor aufgekauft und es wurde da eine Wohnbebauung oder Mischbebauung draufgestaltet. Mittlerweile ist es ja ein Riesen-Neubaugebiet, aber man hat einen Teil des Brauereigeländes, nämlich den Gärturm und das Sudhaus mit anschließendem Malzhaus oder dazugehörigem Malzhaus stehengelassen. Wir haben die Nutzungsrechte, das gehört ja noch der Familie Inselkammer als Grundstücksbesitzer. Und wir hatten aber die Nutzungsrechte, aber es ist trotzdem nichts passiert, es lag einfach brach und ist zunehmend verfallen. Und 2017 hat sich dann unser Geschäftsführer, der Herr Butz, mal mit dem ganzen Thema beschäftigt und hat sagt, man könnte doch da in irgendeiner Form wieder Heimat ansiedeln der Tucher. Und da dieser regionale Charakter immer wichtiger wird und auch wir natürlich immer einen Kampf der Windmühlen gegen die fränkischen Kleinbrauereien kämpfen. Wobei wir selber überhaupt keinen Disput mit den fränkischen Kleinbrauereien haben. Ich habe viele Freunde, viele befreundete Braumeister aus der fränkischen Schweiz, mit denen wir wunderbar zurechtkommen. Das war so ein wenig der Anstoß von Herrn Butz, da vielleicht etwas Neues aufleben zu lassen. Und dann wurde da ein wenig in der Geschichte geforscht und dann hat es geheißen, Nürnberg war mal eine ganz große Rotbierstadt, da war Rotbier sehr stark beheimatet. Und unsere Marketingabteilung, die wollte schon immer ein Rotbier haben, schon immer. Da haben wir aber gesagt, hier an dem Standort hier in Fürth können wir das nicht leisten, weil nochmal eine Kernbiersorte kriegen wir so leicht hier nicht integriert. Und dann sagte Herr Butz, dann machen wir halt ein Spezialbier, ein Rotbier am alten Schillerplatz, unserer alten Heimat. Das passt ja eigentlich wunderbar dazu. Und dann hat der Herr Butz da mit unserem eigenen Architekten extrem viel Zeit und Energie investiert, um da wirklich eine authentische Kleinbrauerei wieder zu integrieren oder zu installieren in diese alte Braustätte. Und was da rausgekommen ist, ist ja wirklich gestalterisch echt toll geworden. Und dann von Kaspar Schulz haben wir dann die Brautechnik bekommen, gekauft und wieder eingebaut. Das war übrigens ein bereits eingebautes Sudhaus in Gunzenhausen in einer anderen Brauerei, in einer kleinen Gasthaus-Brauerei. Der neue Betreiber wollte diese Brauerei nicht, haben sie mir ausgebaut und am Schillerplatz eingebaut.

Markus Raupach: Faszinierend! Vielleicht muss man kurz für die Hörer das noch mal beschreiben. Weil wir haben ja diesen Raum, in dem noch die alten Sudpfannen stehen, also ganz viel Kupfer, es ist auch noch die Wandgestaltung da mit den Kacheln von damals.

Bernhard Wagemann: Genau.

Markus Raupach: Und man hat dann eben im Kellergeschoss ein ganz faszinierendes Gewölbe. Und dort steht neben dem Lagerkeller auch ein großer Bereich mit Holzfässern. Und da würde man auf Englisch sagen, da passiert The Magic, sozusagen. Wie kam’s denn zu der Entwicklung, dass ihr gesagt habt, wir machen jetzt ein Rotbier, wir machen es da, wir bauen dort eine Brauerei? Aber es dann auf diese besondere Weise zu tun, wie kommt man auf so eine Idee?

 

Die Neugeburt des Nürnberger Rotbieres

Bernhard Wagemann: Da kommen zwei Faktoren zusammen. Das ist einmal, unser Geschäftsführer, der Herr Butz, kommt ja eigentlich gelernt aus der Weinwelt. Da ist natürlich die Holzfasslagerung für hochwertige Weine gang und gäbe. Und das andere Thema ist, wir sind ja nicht jetzt die allerersten, die mit Rotbier in Nürnberg wieder auf den Markt gekommen sind. Es gibt ja da Kollegen wie Schanzenbrauerei vom Stefan Stretz, die das Rotbier schon hatte. Und da haben wir gesagt, wenn wir ein Rotbier auflegen, dann möchten wir nicht einem existierenden Produkt hinterherlaufen und nicht die Nachahmer sein, sondern wir wollen ein eigenes Standing, wir wollen ein Rotbier mit einem eigenen Charakter, wir wollen etwas Eigenes machen. Diese zwei Faktoren zusammengebracht gibt dann als Schnittmenge ein Holzfassbier, das mit dem Rotbier zusammen eine Veredelung ergibt, die dann auch einen ganz anderen Charakter des Rotbieres darstellt wie jetzt die Konkurrenzprodukte. Und das war so eigentlich der Werdegang, wie man so etwas gerne darstellen wollte. Wir wollten aber nicht, und das ist ganz wichtig zu erwähnen, wir wollten keine Craft Brewer sein. Dieses Bier sollte nicht schmecken wie ein Craftbier, nämlich, indem man besondere Hopfenaromen rein gibt und dann das Bier, ich sag immer, aus seiner natürlichen Umgebung nimmt, sondern wir wollten es da belassen. Die sind auch nicht vorher befüllt, das sind ganz neue Holzfässer. Und damit wollten wir dem Bier nur einen eigenen Charakter geben, aber keinen gänzlich anderen Geschmack entwickeln, so wie es die Craftbier-Schiene eigentlich macht.

Markus Raupach: Und vom Prozess her, wenn ich es richtig verstanden habe, dann brauen Sie praktisch ein Starkbier, das landet dann in diesen Holzfässern, reift dort …

Bernhard Wagemann: Genau.

Markus Raupach: … vielleicht ein halbes Jahr und wird dann verschnitten und am Ende wieder mit einem frischgebrauten Bier vermischt, oder so.

Bernhard Wagemann: Genau.

Markus Raupach: Also, wenn Sie mir das noch mal so in etwa?

Bernhard Wagemann: Ja, das kann ich. Ja genau. Aber Sie haben es im Wesentlichen schon gesagt. Also dieses Bier besteht eigentlich aus zwei Komponenten. Einmal die Komponente des klassischen Rotbiers, und der Komponente Starkbier. Die Komponente Starkbier, wir generieren einen dunklen Doppelbock mit speziellen Hopfen und dann der Einlagerung in die Holzfässer. Wir haben offene Gärung für dieses 18-prozentige Starkbier bis zur Endvergärung. Dann nehmen wir es raus aus den offenen Gärbottichen und lagern es um in die Holzfässer. Das hat zwei große Vorteile. Ein Holzfass ist ein lebendes Produkt, ist anders zu behandeln als ein Stahlfass. Wir können diese Holzfässer nicht biologisch einwandfrei reinigen, das funktioniert einfach nicht, das kann jeder nachvollziehen. Wir können in den Holzfässern nicht mit Chemie arbeiten. Die Holzfässer werden mit warmem Wasser, lauwarmem Wasser ausgespritzt und gereinigt, aber können nicht chemisch behandelt werden. Was hilft uns? Uns hilft der hohe Alkohol. Diese Biere liegen ja deutlich über 8 Volumenprozent Alkohol. Und dieser Alkohol hat eine aseptische Wirkung. Und somit sind wir auch, wenn wir dieses Bier über viele Wochen im Holzfass lagern und ausreifen lassen, in der Lage, das biologisch einwandfrei auch über lange Zeit stabil zu halten. Und was passiert in dem Holzfass? Dieses Bier wird extrem weich. Dieses Holzfassbier hat eine unglaublich weiche Note. Das ist also der eine Part des Bieres. Und dann stellen wir ein 12-prozentiges Rotbier her mit den gleichen Malzen, aber leicht veränderten Hopfengaben. Dann werden diese Holzfässer verkostet, und dann werden diese Holzfässer mit dem klassischen Vollbier, Rotbier verschnitten zu einer Gesamtkomposition, die dann einen Festbiercharakter ergibt von der Stärke her, also über 13, 13,5 % Stammwürze und einem Alkoholgehalt, der zwischen 5,5 und 6 Volumenprozent liegt. Da glaubt man gar nicht, wie der Einfluss dieses Starkbieres die Weichheit dieses Rotbieres beeinflusst. Das ist so der eigentliche Werdegang, und das ist auch so ein bisschen Alleinstellungsmerkmal von uns, dass wir praktisch über zwei verschiedene Herstellungsvarianten ein Bier kreieren.

Markus Raupach: Wie lange hat es gedauert, bis Sie zum ersten Mal gesagt haben, das ist jetzt ein Produkt, das können wir auf den Markt bringen?

Bernhard Wagemann: Wir haben in unserem Labor so eine ganz kleine Braueule, nennt man das, so eine kleine Versuchsbrauerei, wo wir schon die Lehrlinge oder bei uns Praktikanten schon mal ein bisschen was versuchen lassen können. Und da haben wir dann auch mit verschiedenen Malz-Rezepturen gearbeitet. Wir haben erst mal das klassische Bier, Rotbier, gemacht, also das Voll-, dann das Starkbier. Dann mussten wir natürlich schauen, es sind verschiedene Malze im Einsatz, wie gestaltet sich die Farbe? Rotbier soll auch irgendwie rot sein, wie der Name schon sagt. Es sollte nicht brenzlich schmecken. Viele dunkle Biere rutschen leicht in dieses brenzliche Aroma ab durch den Vermälzungsprozess. Da haben wir schon eine Zeit lang gebraucht, bis wir da, sagen wir mal, eine vernünftige Kombination gefunden haben, die das volle Aroma, aber dieses nicht Brenzliche uns gestaltet, die Farbe dazukommt und dann natürlich noch die Komposition aus beiden zusammen, das war schon ein Weg, der, ich will jetzt nicht übertreiben, aber bestimmt sicherlich ein halbes Jahr gedauert hat, bis wir so weit waren, dass wir sagen, so lassen wir es jetzt, so gestalten wir es jetzt und so bringen wir es auch auf den Markt.

Markus Raupach: Und seitdem ist es unverändert oder hat es dann noch mal Anpassungen gegeben?

Bernhard Wagemann: Es gab im Hopfen eine kleine Änderung. Wir wollten noch dem Bier einen etwas stärkeren nasalen Charakter, also Geruch, geben. Wenn man oben in die Schaumkrone reinriecht oder auf den Bierspiegel riecht, sollte da noch ein bisschen mehr Aroma kommen. Deswegen haben wir dann den Gabe-Zeitpunkt des Hopfens etwas verändert und auch die Hochwertigkeit des Aroma-Hopfens nach oben hin korrigiert. Aber das waren so die einzigen zwei Änderungen, die man gemacht hat. Die Malz-Rezeptur ist gleichgeblieben. Natürlich ist es so, dass sich die jährlichen Schwankungen des Malzes immer ein bisschen ändern, das sind ganz natürliche Rohstoff-Schwankungen, aber die Rezeptur ist gleichgeblieben. Auch die Hefe, die wir dazu verwenden, ist gleichgeblieben.

Markus Raupach: Wie kam es denn an? Also ich erlebe hier nur in Bamberg, dass ich immer nur ganz selten mal was bekomme und das ist dann immer ein Fest, wenn endlich was eintrifft. Wie kam es denn bei den Kunden an?

Bernhard Wagemann: Wir waren ja selbst extrem überrascht. Wir haben gesagt, das soll eine Spezialität werden, das soll auch kein Billigbier werden, sondern wie wir jetzt schon im Gespräch rausgefunden haben, ist es natürlich relativ aufwendig in der Herstellung. Es ist sehr viel Manpower notwendig, es ist sehr viel Materialeinsatz, hochwertige Materialien, Rohstoffe im Einsatz. Der ganze Herstellungsprozess ist sehr teuer. Und das wollten wir eigentlich auch unserem Bier auch von der Preisgestaltung mitgeben, dass es ein wirklich hochwertiges Produkt ist, was auch sich im Preis äußern sollte. Deswegen haben wir gesagt, wahrscheinlich ist es dann auch ein extrem kleines Nischenprodukt. Aber wir wollten eigentlich zeigen als Tucher Brauerei, weil unser Standing ja in Nürnberg eher sehr mäßig ist, dass wir auch Spezialbiere, hochwertige Biere brauen können und dass nicht nur die kleinen Landbrauer gutes Bier brauen können, sondern auch wir können das. Und das war so der erste Hintergrund. Und der Erfolg dieses Rotbieres hat uns komplett aus den Füßen gehoben. Also wir sind mit dem Produkt eigentlich immer ausverkauft. Wir haben einmal die Gastroschiene und wir haben die Handelsschiene. Eigentlich wollten wir es am Anfang nur über die Gastroschiene vertreiben, aber dann haben uns auch große Handelsketten immer wieder nachgefragt und wir haben den Preis relativ hoch angesetzt und die waren trotzdem bereit, diesen Preis zu akzeptieren, was für uns auch ein schöner Erfolg war. Wir sind mittlerweile in Absatzschienen, die uns auch ein bisschen stolz machen. Man muss man schon sagen. Und wir kriegen auch immer wieder, auch aus Nürnberg, auch von eingefleischten Nürnbergianern gesagt, hätten wir der Brauerei gar nicht zugetraut. Ist wirklich auch, wenn Tucher draufsteht, ein wirklich gelungenes Produkt. Wir kriegen vorwiegend sehr positive Resonanzen, weil es auch ein bisschen eben ein Alleinstellungsmerkmal hat. Also wir sind nicht einer Schanzenbräu hinterhergelaufen oder einer anderen kleinen Brauerei, und insofern, das passt.

Markus Raupach: Ist es so, dass damit die Kapazität, die man da in Nürnberg hat, ausgelastet ist? Oder kann man da vielleicht noch was steigern? Und kaufen Sie dann regelmäßig neue Holzfässer dazu?

Bernhard Wagemann: Es gibt eigentlich immer dieses Dogma Lieferfähigkeit, immer lieferfähig, immer lieferfähig. Und unser Boss, der Herr Butz, sagt, vor der Lieferfähigkeit kommt die Qualität. Wir schrauben nicht an der Qualität. Natürlich könnten wir mehr Bier generieren, wenn wir die Lagerzeiten im Holzfass reduzieren. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Das machen wir nicht. Sondern dann sagen wir, wir sind out of stock, es gibt nur diese begrenzte Menge. Jetzt sind wir gerade dabei oder da ist jetzt gerade der Herr Butz dabei, zu planen in einer nächsten Ausbaustufe, ob wir am Schillerplatz noch Räume dazu mieten können. Wir haben davor Mietverträge geschlossen, dass wir noch einen angrenzenden großen Kellerraum nutzen könnten, um da noch eventuell weitere Holzfässer einzubauen und dann eben noch weitere Holzfassstufen auszubauen. Und dann könnte man natürlich auch wieder mehr Fertigprodukt herstellen. Aber im Moment sind wir fast am Ende.

Markus Raupach: Noch eine kleine Nachfrage zu den Holzfässern. Wie oft verwenden Sie die wieder?

 

Der Unterschied zum Craftbier

Bernhard Wagemann: Wir können diese Holzfässer öfters befüllen, weil wir eben nur diesen Holzcharakter und die Weichheit des Bieres rausarbeiten wollen und nicht eigentlich diesen Holzfass-Sekundärgeschmack. Zum Beispiel Craft Brewer, die zum Beispiel in Whiskyfässer oder Rotweinfässer einlagern, und da über Monate drin lassen, das machen die einmal. Weil dann ist dieses Fass von seiner Geschmacksintensität erschöpft. Da zieht das Bier diesen Charakter, den Whisky-Charakter, den Rotwein-Charakter, den Kaffee-Charakter, einmal aus dem Holzfass raus und dann ist es erledigt. Das müssen wir nicht machen, sondern wir können das öfters einladen. Dann werden die Fässer einzeln ausgetauscht und dann wieder ergänzt. Das ist so ein fortlaufender Prozess. Gerade jetzt sind wir wieder dabei, die ganze Holzfasswand wird jetzt komplett abgebaut, die Fässer werden außen und innen komplett gereinigt. Es kommen neue Holzträger rein, um die Holzfasswand wieder neu aufzubauen. Da sind wir jetzt gerade dabei. Also es ist immer wieder so ein wiederkehrender Prozess, den wir jetzt gerade machen.

Markus Raupach: Und wie sich das für einen modernen Podcast gehört, haben wir den Herrn Butz auch hier in der Leitung. Und dann ist es natürlich spannend vielleicht von ihm auch persönlich zu hören, wie sich das Ganze mit dem Rotbier entwickelt hat. Vielleicht zuerst Herr Butz, hallo und willkommen! Schön, dass Sie auch hier sind bei unserem BierTalk. Vielleicht stellen Sie sich den Hörern mal ganz kurz selber vor.

Gunther Butz: Ich freue mich, dass ich heute dabei sein darf. Meine Vorstellung, das schaut so aus, dass ich Mitte der 70er Jahre eine Weinhandels-Lehre abgeschlossen habe in einem sehr renommierten Weingut in Deidesheim. War dort der Natur folgend schon sehr intensiv mit Holzfässern beschäftigt, innen als auch außen. Habe im Anschluss dann nach der Ausbildung den zweiten Bildungsweg eingeschlagen, habe ein Studium aufgenommen in Geisenheim. Und im Anschluss kam ich dann in einen Weingutsbetrieb, habe dort über mehrere Jahre im Weingut gearbeitet. Dann die Stationen (unv. #00:22:26.1#)-Kellerei mit etwas Tätigkeit in Frankreich, in der Champagne. Zu guter Letzt ist meine berufliche Laufbahn dann hier bei Tucher, hat sich dann fortgesetzt.

Markus Raupach: Wie kommt man denn von der Weinwelt in die Bierwelt und wie wird man da dann auch gleich Geschäftsführer?

Gunther Butz: Es gibt ja keine Zufälle. Es gab einen Geschäftsführer bei Henkell Söhnlein. Den kannte ich natürlich aus meiner Sekt- oder Schaumwein-Tätigkeit, wie man es fachlich richtig nennt. Und eben jener wurde dann auch Geschäftsführersprecher bei der Radeberger Gruppe. Und die Tucher gehört ja zur Radeberger Gruppe. Dort hat man dann durch Veränderungen in verschiedenen Geschäftszweigen einen Geschäftsführer für Tucher gesucht, der eben auch aus der Technik kam. Und aus der alten Bekanntheit und der Zeit, wo ich sagte, ich will gerne mal noch einen Wechsel vollziehen, ich war dann so knapp 50, dann kam man zusammen und es hat sich relativ schnell ergeben, damals mit dem damaligen Kollegen noch Gespräche geführt. Ja, dann ging es ganz schnell und dann war ich plötzlich vom Wein zum Bier gekommen.

Markus Raupach: Spannend! Und dann haben wir jetzt gerade vom Herrn Wagemann gehört, dass sich dann plötzlich diese Tür auftut und man dann wieder mit Holzfässern überhaupt mit so einem Denken, was auch eher vom Weinbau herkommt, arbeiten kann. Wie kam Ihnen das und haben Sie sich darüber gefreut? Und wie hat sich das dann entwickelt?

Gunther Butz: Der Herr Wagemann hat es ja schon erwähnt, das war die Frage, wir wollen ein Rotbier machen, was eben nicht Mainstream ist oder ein Duplikat eines bereits bestehenden. Und es war in der Tat eine einsame Abendstunde am Schreibtisch, wo ich mich dann so mit dem Thema Holzfass, was wäre eigentlich, wenn wir mit Holzfässern arbeiten würden. Und habe im Hinterkopf natürlich schon einen Aufschrei gesehen der Brauer, weil ich weiß, dass ein Brauer, was Mikrobiologie, Hygiene anbelangt, extrem zielorientiert arbeitet und beim Wein man eher ja auch Mikroorganismen durchaus arbeiten lässt zugunsten einer Reife. Mit meinem damaligen Kollegen, dem Herrn Höfler, habe ich dann mein Modell mal vorgestellt und der Herr Höfler ist von Haus aus auch Weintrinker und Kenner. Und hat sofort verstanden, um was es dabei ginge. So sind wir dann mal mutig zu unserem Beirat marschiert und haben ihm dieses Konzept vorgestellt. Und da muss ich sagen, Chapeau!, der Beirat das ausnahmsweise akzeptiert. Und wir sind eigentlich für eine große Brauereigruppe, zu der wir dazugehören, letztendlich dann doch mit einer Sache aktiv geworden, die man uns so erst mal nicht zugetraut hätte.

 

Das Geheimnis im Holzfass

Markus Raupach: Und wie würden Sie selber die Wirkung oder die Wirkweise oder auch den Einfluss dieser Holzfasslagerung auf das fertige Bier beschreiben?

Gunther Butz: Das war ja ein Kopfkino da, was könnte passieren, aber das genaue Wissen natürlich nicht. Um dies zu erfahren, haben wir erst mal einen kleinen Versuch gemacht, der war aber natürlich nicht sehr aussagefähig. Aber es zeigte zumindest, dass es gar nicht so verkehrt sein kann, was wir da vorhaben. Die Idee war natürlich ganz extrem. Ich habe ein Bier, ich habe natürlich ein Bier miteinem höheren Stammwürze-Gehalt, sprich, Alkoholgehalt. Und was passiert mit Destillaten, mit Wein, mit Getränken aller Art? Sie oxidieren, mikrooxidieren, das heißt neudeutsch, Mikro-Oxidation, ganz langsamer Gastaustausch zwischen Produkt und der Umgebung des Fasses ist wirklich ganz, ganz langsam. Und diese ganz, sehr langsame Reifung führt dann zu einer feinen Veresterung von höheren Alkoholen, Acetaldehyden, die uns in der Gesamtkomponente dann Aromaten reinbringen, die wir eigentlich so im Stahltank ausgebauten Bier, wie es da heute sowohl bei Craft Brauern als auch bei Großbrauereien gang und gäbe ist, gar nicht erzielen können. Ich darf an der Stelle noch einfügen, dass viele wertvolle und hochwertige Lebensmittel eigentlich heute Reifezeiten erleben, von Käse kennen wir es alle, vom Wein sowieso, neuerdings in Mode gekommen ist auch eine Fleischreife. Also man sieht, dass hochwertige Produkte oft auch eine ganz gezielte feine Reifung mit einer bewussten Oxidation hinter sich gebracht haben. Was das Holz angelangt, hier haben wir ja eine deutsche Eiche ausgewählt, es hätte auch eine amerikanische Buche sein können oder eine französische Eiche, weil das Porenvolumen sehr eng und sehr passend ist. Und das war das erste Gespräch mit den Küfern, mit den Holzküfern überhaupt, wie schauen die Fässer aus, welche Holzarten nehmen wir. Dann haben wir uns entschieden, eben zu einem 220-Liter-Fass. Deswegen, weil das Verhältnis Inhalt zu Oberfläche sehr günstig ist. Das heißt, wir kriegen diese Oxidation nicht zu schwach, aber auch nicht zu brutal in das Produkt, sondern wirklich sehr, sehr langsam in sich aufgehend. Was sich im Endeffekt auch bewährt hat, dass wir eben mit diesen Größen gearbeitet haben bei diesen Temperaturen. Also man muss immer die Lagertemperatur und die Fassgröße, die muss man etwas in Relation stellen. Es war ein Risiko und es hat sich aber dann relativ schnell gezeigt, dass wir mit dem Thema umgehen konnten und wir letztendlich heute daraus unseren Erfolg auch gewonnen haben.

Markus Raupach: Und wenn Sie da jetzt durch diesen Keller durchgehen und dort die Holzfässer stehen sehen, was für Emotionen kommen da in Ihnen hoch?

Gunther Butz: Also da bin ich ja heute noch ganz sensibel bei dem Thema. Für mich ist ein Holzfass eigentlich ein bisschen ein Mystify nach wie vor. Denn wir haben hier eine ganze Reihe an Holzfässern und das Hochinteressante ist ja, dass jedes Holzfass bei gleichem Sud, bei gleicher Einlagerungszeit letztendlich doch einen anderen Reifeverlauf nimmt. Ich kann mich an die ersten Gespräche mit unseren Brauern erinnern. Das konnte man sich so gar nicht vorstellen. Und die größten Skeptiker von damals sind eigentlich heute die größten Anhänger geworden aus dem ganzen Thema. Denn unsere Kunst, die wahre Kunst, besteht eigentlich ja dann darin zu sagen, welche Fässer haben die optimale Reife? Nicht alle Fässer, nur weil sie X Zeit hinter sich haben, sind auch gleich gereift, wie eben erwähnt. Also ich muss die Komposition finden, der gereiften, nicht überreifen, nicht zu jung gelagerten Biere in diesen Fässern, die zusammenführen und die dann optimal zu verheiraten mit dem Basis-Bier, mit diesem 12-prozentigem Rotbier, um eben das rauszukitzeln, was das Optimum dann darstellt.

Markus Raupach: Also im Grunde das, was man beim Wein das Cuvèetieren nennt. Und kann man da sich das dann so vorstellen, dass Sie mit dem Herrn Wagemann zusammen dann überlegen und ausprobieren und am Ende so die richtige Mischung hinbekommen? Oder ist das ein größeres Team? Wie muss man sich das vorstellen?

 

Das Team hinter dem Bier

Gunther Butz: Wir sind in der Regel ein 3er-Team. Das heißt, der Braumeister vor Ort, der auch die Arbeit dort letztendlich leistet, Herr Wagemann, der federführend für dieses Thema dann vor Ort verantwortlich ist, und meine Wenigkeit. Ja, man hat viele Gläser, man hat ein Kopfkino, man hat mittlerweile auch eine Erfahrung, und kann relativ klar sagen, dieses Fass braucht noch oder das ist so weit, das ist reif genug. Nur aus der Erfahrung kann man mittlerweile ein sehr stabiles wiederkehrendes Produkt dann auch für den Kunden, für den Verbraucher daraus gewinnen. Ist eine Erfahrungssache. Aber die sollte man nicht alleine oder zu zweit nur machen, weil drei, da gibt’s schon mal vielleicht auch mal einen schwächeren Tag eines Verkosters, und dann hilft vielleicht der Kollege, der dann gerade an dem Tag etwas fitter ist.

Markus Raupach: Allerdings! Eine spannende Geschichte. Dann vielen, vielen Dank für Ihre Zeit, dass wir Sie da kurz mit reinholen konnten. Und dann gehen wir jetzt zurück zu Herrn Wagemann. Ihnen noch einen wunderschönen weiteren Tag.

Gunther Butz: Danke Ihnen auch! Danke!

Markus Raupach: So, Herr Wagemann. Nach diesem kurzen Intermezzo mit Gunther Butz nun zurück zu unserem BierTalk. Und dann hat das Rotbier noch einen kleinen Bruder bekommen, glaube ich, das Helle, was auf eine ähnliche Weise hergestellt wird. Ist das dann auch aus der Schillerstraße?

 

Die kleine Schwester namens Nürnberger Lager Hell

Bernhard Wagemann: Wir wollten unserem Nürnberg Lager Hell eine andere Komponente mitgeben, wie ein normales, klassisches, helles Vollbier. Da ist nicht dieses Holzfassbier der Hauptträger, sondern da ist das Vollbier der Hauptträger des Bieres. Und wir veredeln es, aber mit einem wesentlich geringeren Anteil an Rotbier. Während wir beim Rotbier an sich schon einen sehr hohen Prozentsatz an Holzfassbier, dem klassischen Rotbier, Vollbier mitgeben, ist es beim Nürnberg Lager Hell deutlich weniger. Da sprechen wir von einem Finish, von einer Veredelung des Vollbiers. Was man aber tatsächlich auch bei diesem Bier vor allem merkt, ist die Weichheit. Man glaubt gar nicht, wie man bei einer Verkostung, selbst bei einer blinden Verkostung, das rausschmeckt. Man schmeckt da vielleicht nicht so sehr diese Holzaromen oder sowas mehr raus, aber die Weichheit des Bieres, die schmeckt man raus. Also das ist ganz komisch. Der Rotbier-Anteil, der verändert auch nicht sehr stark die Farbe des Vollbiers, aber den Charakter vor allem im Bereich der Weichheit.

Markus Raupach: Mir schmeckt das auch sehr, sehr gut. Und es ist noch seltener zu bekommen, zumindest bei uns, als das Rotbier. Aber sehr schöne Geschichte. Vielleicht abschließend noch eine kurze Frage. Gibt’s denn vielleicht noch Entwicklungen in der Pipeline? Also kann man noch was anderes erwarten vielleicht auf dieser Basis oder gibt’s da noch neue Bierideen, die Sie vielleicht haben?

Bernhard Wagemann: Unser Chef ist ja sehr, sehr innovativ und sehr, sehr umtriebig, was diese ganzen Geschichten betrifft, da möchte ich aber noch nicht zu viel verraten. Eventuell gibt’s da noch ein paar Abwandlungen, aber solange wir auch räumlich und von unserer Kapazität her so beschränkt sind, werden wir erst mal in dem Bereich Holzfassbiere mit dem Rotbier und dem Nürnberg Lager Hell erst mal so verbleiben. Weil wenn wir auf den Markt kommen wollen, dann wollen wir natürlich auch was verkaufen und dann müssen wir natürlich auch in irgendeiner Form lieferfähig sein. Und deswegen, es gibt Ideen, aber die sind noch ein bisschen hintenanstehend.

Markus Raupach: Also einen Fan haben Sie auf jeden Fall schon mal gewonnen. Und ich sage an dieser Stelle mal auch stellvertretend für die anderen Fans: Vielen Dank für dieses Bier! Das finde ich echt ganz großartig. Und sage für heute: Auf Wiederhörn und bis bald demnächst auch mal in Nürnberg dann beim Rotbier.

Bernhard Wagemann: Dann bedanke ich mich auch vielmals bei Ihnen und vielen herzlichen Dank, dass ich mich und meine Brauerei vorstellen durfte. Vielen Dank, Herr Raupach!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 59 – Interview mit Benny Wabnig von der Inselbrauerei auf Reichenau im Bodensee

Bei Benny Wabnig steckte das Bier schon in den Genen – schließlich war sein Opa in einer Klosterbrauerei groß geworden – und damit waren die Weichen für die künftigen Generationen gestellt… Kurzum: Benny wurde Braumeister und erfüllt sich seitdem auf der beliebten Urlaubsinsel Reichenau im Bodensee einen Traum vieler Kollegen: Dort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen. Doch die Liebe steckt auch im Detail, so gibt es viele besondere Bierkreationen, vom Bio-Bier über ein geheimnisvolles Krimi-Double-IPA bis zum Hochgenießer-Stout oder zum Bier mit Bodensee-Sonnenuntergangfarbe. Sie sehen, hier sind Bierfreunde immer richtig, und genau deswegen haben sich Markus und Holger den jungen Brauer auch in den BierTalk eingeladen, hören Sie selbst und verkosten Sie gerne mit…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum BierTalk Nummer 49. Diesmal wie immer eigentlich was Besonderes. Und zwar wenn ihr mal den Bodensee trinken wollt, dann seid ihr heute ganz genau richtig bei uns. Weil wir haben als Gast den Benedikt Wabnig von der Inselbrauerei. Jetzt kann man sagen, Inselbrauerei haben wir schon mal gehabt so, aber eben nicht vom Bodensee. Das ist das Inselbier und die Zutaten kommen natürlich dann aus der Region und es wird auch Bodenseewasser verbraut. Wenn ihr jetzt schon ganz gespannt seid, ist am Mikrofon wie immer der Holger und der …

Markus: Markus …

Holger: … und der Benedikt. Herzlich willkommen! Wenn du vielleicht dich selbst kurz vorstellst und etwas sagst zu eurem Projekt, das Inselbier, das Reichenauer Inselbier.

Benedikt Wabnig: Ich bin der Benny Wabnig, ich bin 26 Jahre. Geboren und aufgewachsen im Schwarzwald, habe hier auch mein Handwerk gelernt. Habe dann in der Gesellenbrauerei auch als Brauer gearbeitet im Bierkeller, habe mich dann entschieden weiterzumachen. Habe dann bei Doemens zwei Jahre lang Brau- und Getränketechnologie studiert. Habe das dann 2019 abgeschlossen und bin seitdem bei Inselbier. Inselbier gibt’s seit 2016, gegründet von dem Ehepaar Bundschuh, die heute noch meine Chefs sind. Wir haben uns in den letzten zwei Jahren eigentlich komplett einmal verändert, sage ich jetzt mal. Die Brauerei, wie ich sie damals betreten habe, gibt’s so nicht mehr. Also wir haben einen Imagewechsel gemacht und wir haben jetzt mit der Marke „Bodensee“, vorher war es einfach nur ein leckeres Bier aus der Region, aber die Rohstoffe kamen halt aus allen Ecken Deutschlands. Dann haben wir über verschiedenste Kontakte es für uns erschlossen, dass wir auch eine eigene Braugerste für uns anbauen lassen, unweit von uns. Also die ist maximal fünf Kilometer von uns weg. Und (unv. #00:02:00.5# beziehen?) unseren Hopfen ausschließlich aus Tettnang und selbst das Bodenseewasser direkt aus den Stadtwerken in Konstanz.

Holger: Sehr gut! Also habe ich doch schon angekündigt. Aber jetzt gibt’s noch andere Rohstoffe, kommen die dann wirklich alle aus der Region, oder?

Benedikt Wabnig: Die Hefe kaufen wir wie, ich sage jetzt mal, die meisten in unserer Größe als Form von Trockenhefe ein. Die kommt dann natürlich aus einer großen Hefefabrik in Frankreich. Klar, Karamellmalze holen wir aus Bamberg. Aber ansonsten versuchen wir wirklich alles direkt aus der Region zu beziehen. Wir kaufen sogar unsere Flaschen vom nächstmöglichen Hersteller. Die Etiketten werden quasi vor Ort gedruckt. Also wir schauen wirklich, dass wir alles hier aus der Region beziehen können.

Holger: Ihr habt ja doch ein beeindruckendes Sortiment und habt sogar ein Biobier. Da sprechen wir sicher auch noch drüber. Aber damit der Markus nicht verdurstet, können wir zum ersten Bierchen schon übergehen. Und da haben wir uns überlegt, das ist das Inselgold. Da steht jetzt süffig drauf, 5,4 % Alkohol. Und das ist das Bier für die besonderen Momente. Wenn der BierTalk jetzt also kein besonderer Moment ist, dann weiß ich es eigentlich auch nicht. Also machen wir mal auf. Schöner Probierschluck. Wer möchte? Markus, du hast ja noch gar nichts gesagt. Leg mal los! Was hast du im Glas?

Markus: Ich habe mich grad schon total gefreut, weil er gesagt hat, Karamellmalze holen sie in Bamberg. Also ist auch ein bisschen was aus Bamberg hier im Inselbier. Und das ist natürlich sehr schön. Und so wie mir es ausschaut von der Farbe her, ist wahrscheinlich auch ein bisschen was hier in diesem Inselgold. Weil man hat nämlich so eine schöne, fast schon Karamellfarbe, also eine etwas dunklere Farbe. Sie ist trotzdem noch Gold, aber eben eher so ein dunkleres Gold. Das hat einen sehr schönen Schimmer, also lächelt mich ein bisschen an. Der Schaum obendrauf ist auch leicht getönt, schön stabil. Und ich rieche mal rein. Ah ja! Mmh! Also da sind auch so ein paar fruchtige Noten, ein bisschen Zitrus, ein bisschen Orange, aber dann eben Karamell, Honig auch ein bisschen, getreidige Aromen, so röstige, brotige Aromen auch. Jetzt probiere ich mal. Also sehr, sehr weich auf der Zunge. Das gefällt mir ganz gut. Bin ich mal gespannt, ob das vielleicht an dem Bodenseewasser liegt, aber ganz schön, ganz geschmeidig. Und auch wieder viel von diesen brotigen, röstigen Aromen, schön ausbalanciert. Hintenraus kommt dann natürlich eine Bittere, die ist aber schön dezent. Also ein tolles Bier, ein toller Start in den BierTalk.

Benedikt Wabnig: Soll ich euch ein bisschen was über das Bier erzählen, oder?

Holger: Ja, sicher!

Markus: Benny, sag doch mal, was dahintersteckt.

Benedikt Wabnig: Das Inselgold war das erste Inselbier tatsächlich. Das ist das Reichenau Originalbier. Und zwar der Thomas hat damals mit dem ersten Brauer, mit dem er die Brauerei gegründet hat, das war im Herbst 2016, und da waren die Pappeln auf der Reichenau richtig schön schon rostrot an den Blättern. Und er hat dann gesagt, so muss unser Bier aussehen, so wie der Reichenauer Herbst. Und dann haben sie dieses Bier hier kreiert. Ich hab‘s nochmal ein bisschen verändert, als ich gekommen bin, weil es war mir ein bisschen zu röstig und zu scharf im Abgang. Und der Markus hatte ja schon gesagt, das liegt weich auf der Zunge. Ich habe ein bisschen die Malzschüttung ein bisschen verändert, die Malzmischung. Ich verwende auch ein anderes Maischeverfahren als mein Vorgänger. Ich verzichte zum Beispiel jetzt auf einen langen Eiweißabbau, was natürlich nachher beim Kochen wieder sehr viel geschmackgebene Stoffe produzieren könnte. Und ich habe den Röstmalz-Anteil ein bisschen reduziert. Wir benutzen ja das Bodenseewasser, was gerade so im mittelharten Bereich liegt. Also wir haben eine deutsche Härte von 8 – 1 Grad deutsche Härte weniger und wir wären weich. Was in dem Fall aber in Ordnung ist, weil man sagt ja, so mittelfarbige Biere vertragen auch gern mal ein bisschen mehr Resthärte. Dann verwenden wir Tettnanger Cascade im Whirlpool für leichte Zitrusnote im Abgang, die aber nicht im Vordergrund stehen soll. Weil die Biere dominiert, sage ich jetzt mal, das Malzaroma. Und die kräftige Bittere, die hier so schön dann die Süße abrundet.

Markus: Perfekt! Also ein ganz, ganz schönes Bier. Kann ich mir total schön vorstellen, am Bodensee zu sitzen, in den Sonnenuntergang zu schauen und dabei dieses Bier zu genießen. Holger, was sagst du? Eigentlich ist das so ein bisschen dein Lieblingsbierstil, oder? So Richtung Export.

Holger: Du sagst es. Das ist nicht nur in Richtung Export, das ist so ein richtig schönes Export eigentlich auch. Mit so einer schönen Pfirsichnote dahinter und die Farbe ist wirklich phänomenal. Das ist wirklich so eine herbstliche Farbe. Und du sagtest, es entstehen Bilder, wenn man so richtig darüber nachdenkt und über den Bodensee schwelgt, wie der so im Herbst sein kann. Jetzt machen wir einfach weiter, oder? Das nächste Bier ist wieder was Fruchtiges. Also wir haben jetzt das Thema Orange und jetzt kommt das Thema Gelb vom Etikett her. Und das Bier heißt Callista. Und da weiß man ja schon, was Programm ist, oder Benedikt?

Benedikt Wabnig: Genau! In dem Bier steckt ein sogenanntes Session Lager. Also ein stammwürze-reduziertes Lagerbier mit einer Stammwürze von 10 Grad Plato. Hatte den Hintergrund, es sollte eine Alternative zum Radler sein im Sommer. Und zwar, der Thomas hat auf der Braumesse in Nürnberg damals beim Verband Deutscher Hopfenpflanzer ein Festbier getrunken, das mit dem Callista gestopft war. Und fand das so klasse und hat damals zu meinem Vorgänger gesagt, wir müssen auch so ein Bier brauen. Und der hat dann das Callista entwickelt. Und im Prinzip haben wir jetzt hier ein helles Grundbier, was aber auf eine Stammwürze von 10 % reduziert wurde. Daraus resultiert ein Alkoholgehalt von 4,1 %. Zur Lagerung stopfen wir das Ganze dann mit einer beachtlichen Menge von 5 Gramm pro Liter mit dem Callista-Hopfen aus Tettnang.

Markus: Na, dann machen wir es doch mal auf.

Holger: Ich würde auch sagen.

Markus: So Holger, jetzt bist du dran.

Holger: Hier haben wir jetzt so eine goldgelbe Farbe, aber schon auch noch satt. Ein ganz schöner weißer Schaum, schön feinporig. In der Nase kommen jetzt so diese fruchtigen, hopfigen Noten, so ein bisschen Grapefruit auch. Und im Antrunk eine schöne Bittere, macht das Bier schlank und trocken. Sofort Lust auf einen zweiten Schluck. Deshalb rein damit. Und da bestätigt sich schon, was man in der Nase schon vermutet hat, wir haben eben so Zitrusnoten und diese Fruchtigkeit, die man einfach in so einem schönen gestopften Bier eben hat. Und wie ist das eigentlich am Bodensee? Sind das nicht Malzaromatiker eher, die Bodensee-Bewohner? Lieben die den Hopfen oder lieben die den eigentlich nicht?

Benedikt Wabnig: Am Bodensee ist es tatsächlich recht arm mit Brauereien. Also die Dominanz liegt ganz klar bei den Schwarzwälder Brauereien, die dann doch mit ihrem Pils in den ganzen Wirtschaften und Kneipen vertreten sind. Es gibt die Brauerei Ruppaner in Konstanz, die auch regional vertreten ist. Die haben halt ihren Hauptmarkt, klar, in Konstanz. Dann die nächsten sind wir und dann die nächste Brauerei wäre dann zum Beispiel die Krone in Tettnang mitten im Anbaugebiet. Und dann geht’s wieder erst ins Bodensee-Hinterland. Also am Bodensee direkt sind nur vier Brauereien, wenn ich jetzt noch die Inselbrauerei Lindau dazuzähle. Und die sind tatsächlich eher auf mildes Bier aus, die Leute am Bodensee. Und das kam jetzt dann tatsächlich erst durch die Craftbier-Welle und den Boom in Tettnang, dass die Tettnanger auch angefangen haben, andere Hopfensorten anzubauen. Dann haben die Leute sich dafür interessiert, was die Tettnanger da jetzt so schönes Innovatives machen. Und sind dadurch erst dann auf den Geschmack gekommen für andere Biere. Davor war ganz klar Pils, Export und Weizen dominant am Bodensee.

Holger: Dann ist es ja auch noch so am Bodensee wahrscheinlich, das sind auch oft Weintrinker, oder? Also tolle Weinbauregion und da kann man ja auch ganz tolle Tropfen kennenlernen. Und da muss man die Leute erstmal zum Bier rüber holen, oder täusche ich mich?

Benedikt Wabnig: Nein, es ist tatsächlich so. Also Wein hat auch einen ganz großen Stellenwert am Bodensee, zum Beispiel auch bei uns auf der Insel Reichenau. Wir liegen eigentlich mitten in Weinbergen, unsere Brauerei. Und dann gehen wir vom Festland, gehen rüber zur nächsten Stadt Meersburg, und dort von Meersburg bis Friedrichshafen sieht man links nichts anderes als Weinberge. Und jede Stadt hat ihr eigenes Weinfest und die eigene Winzergenossenschaft. Jedes Dorf hat eine eigene Weinkönigin. Der Wein hat so an sich einen kulturellen Stellenwert, der höher liegt als der von Bier.

Markus: Bevor das jetzt hier zum WeinTalk wird, muss ich schon noch anmerken: Es gibt ja ein tolles Hopfen-Anbaugebiet auch am Bodensee. Ich kenne da den Lukas zum Beispiel, Lukas Locher. Die haben ja auch ein großes Hopfengut. Und da war ich auch schon öfters und kann mich erinnern: Wenn man da so morgens im September, später September ist und dann der Nebel so vom See her hochzieht durch die Hopfenfelder, das fand ich schon ein ganz eindrucksvolles Szenario. Und ich fand auch die Hopfen dort unglaublich aromatisch. Und ich muss sagen, ich finde auch diesen Callista-Hopfen in dem Bier Wahnsinn. Also ir habt das wirklich gut getroffen, diese Parallele zum Radler. Also man hat das schon in der Nase, total auch wie Zitronenlimo fast sozusagen. Und auch im Gaumen, bevor dann die Bittere kommt, ist das richtig intensiv. Und das macht richtig Lust. Also finde ich, habt ihr supertoll hinbekommen.

Benedikt Wabnig: Danke schön! Das war auch das Ziel. Und wir leben auch auf der Reichenau ganz klar vom Tourismus, wir sind ein Tourismusziel. Bei uns kommen ganz viele Radfahrer direkt in die Brauwerkstatt. Wir haben dann im Sommer jeden Tag geöffnet von 8 bis 20 Uhr. Die fragen dann immer, ob wir ein Radler haben. Dann sagen wir: Nein! Ihr probiert jetzt lieber mal das Callista. Und dann sagen die tatsächlich: Wenn es sowas öfter gäbe, dann würden sie kein Radler mehr trinken wollen. Also die finden das dann faszinierend, dass man so ein fruchtiges Bier in der Alkoholstärke auch nach dem Reinheitsgebot hinkriegt, ohne ein Mischgetränk daraus zu machen.

Holger: Das sind dann aber wahrscheinlich Touristen aus dem Ruhrgebiet, die sich einfach mit dem Bier auskennen, oder?

Markus: Das schließt sich doch aus.

Benedikt Wabnig: Das möchte ich jetzt so nicht unterstreichen. Aber es ist gemischt, es sind hauptsächlich überwiegend Tagestouristen aus Baden-Württemberg. Aber die Leute, die dann wirklich auf der Reichenau eine Ferienwohnung haben, die sind dann tatsächlich auch eher aus dem Norden Deutschlands, die mal die andere Küste von Deutschland sehen wollen. Und die sind dann ganz klar, seit sie 16 sind, Pils-Trinker. Und für die ist das dann wirklich eine Odyssee, wenn die dann mal bei uns in der Brauwerkstatt sitzen und mal 8 verschiedene Bierstile probieren können, die in alle möglichen Richtungen gehen. Dann erkläre ich das denen, wie das alles entstanden ist und was dann noch mehr möglich sei. Und dann finden die das auf einmal klasse. Und wir kriegen dann auch ab und zu mal eine E-Mail von den Touristen, und sie sagen, sie erinnern sich immer wieder mit Freude an uns zurück, wenn sie jetzt ab sofort in den Craftbier-Laden gehen und sich verschiedenste Bierstile kaufen.

Holger: Da habt ihr wirklich ein ganz schön tolles Portfolio. Also muss ich ehrlich sagen. Wenn wir jetzt schon beim Lukas sind, mit dem habe ich mich mal unterhalten zur Thematik Biohopfen und dann auch noch biologisch-dynamisch, also Demeter-Hopfen. Und dann hat der Lukas zu mir gesagt: Ach, weißt du Holger, ja, gibt’s hier auch zwei, die das machen. Aber die können das nur machen, weil wir alle um die herum spritzen und die Schädlingsbelastungen insgesamt niedrighalten. Und dann wird es halt als Bio- oder Demeter-Hopfen verkauft. Was sagst du dazu?

Benedikt Wabnig: Ja, da hat er nicht ganz unrecht. Die Sache mit dem Biohopfen ist wirklich so eine Sache an sich. Die Biofelder sind wirklich umzingelt von den anderen konventionellen Feldern. Und wir kaufen bei einem dieser zwei Biobauern den Hopfen für unser Biobier ein, die heißen Bentele. Und es ist tatsächlich so. Aber ich sag mal, es hat ein Vorteil, ob das jetzt wirklich vom Grundwasser rüber gedrückt wird und im anderen Feld die Spritzmittel nachher im Hopfen dann sind, da kenne ich mich nicht aus, ich bin kein Botaniker. Aber ich kann sagen, die Hopfen, die dabei rauskommen, sind allererste Sahne. Und ich sehe da vielleicht auch einen Vorteil drin, dass die umzingelt sind von konventionellen Feldern. Weil eben dann die Schädlinge wegbleiben. Die müssen sich ja den erst durch das gespritzte durchkämpfen, bis sie mal bei diesem Biofeld ankommen würden. Beides hat Vor- und Nachteile, sage ich jetzt mal.

Holger: Und lass uns doch nochmal ganz kurz am Biobier hängenbleiben. Haben wir jetzt nicht in der Verkostung, aber sicher interessant auch, und vielleicht auch ein Trend, ein modernes Bier.

Benedikt Wabnig: Also das Biobier ist entstanden letztes Jahr, eine Idee von Thomas Bundschuh, mein Chef. Der hat gesagt: Wir müssen einen Schritt vorausgehen. Der Biotrend schreitet voran. Es gibt schon zwei Biobiere am Bodensee, das ist zum einen von der Tettnanger Krone und das andere vom Ruppaner. Allerdings nicht 100 % aus Bodenseeanbau. Also die kaufen auch aus anderen Anbaugebieten ihre Rohstoffe ein. Und das war dann für uns der Punkt, wo wir gesagt haben: Das wird unser Projekt. Und dann haben wir uns mit der Bio-Musterregion, also dem Landratsamt von Konstanz zusammengesetzt und haben gesagt: Wir brauchen eine Gerste hier aus dem Landkreis, am besten direkt am See. Und dann haben wir tatsächlich im Nachbarort Allensbach, am Festland, einen Biobauern bekommen, der für uns jetzt unsere eigene Biogerste anbaut, die dann separat in einer Mälzerei im Schwarzwald für uns vermälzt wird. Und dann haben wir noch den Hopfen vom Biobauer Bentele, bisher zwei Sorten, die Sorten Tradition und Saphir. Seit dieser Ernte, davor war es nur eine Sorte. Ab sofort wird es dann Saphir, damit es noch ein bisschen einen besonderen Geschmack kriegt. Und dann sind wir noch jetzt gerade daran, ein alkoholfreies Bio-Bodensee-Bier zu machen.

Holger: Der Hopfenbauer, also ich habe jetzt hier gerade eure Biobier-Broschüre vor mir liegen, den Flyer, war ich gar nicht so falschgelegen, ist wirklich ein Demeter-Hof.

Benedikt Wabnig: Genau!

Holger: Das ist eigentlich noch besser als Bio, also biologisch-dynamisch ist dann noch besser. Manometer! Naja gut! Es ist ja ein Bierpaket, das werde ich auch noch mal probieren, wahrscheinlich heute Abend. Wir machen weiter. Du bist ja so ein ganz junger Mann, aber der Markus und ich, wir sind ja schon ein bisschen älter. Ich kann mich entsinnen, früher habe ich immer Kassetten gehört, und es waren dann „Die drei ???“ oft dabei. Und jetzt hier auf dem Etikett gibt’s eigentlich genau in dem Design ein Bild sozusagen, und da steht dann „Die zwei ??“. Das sieht genauso aus wie damals die Kassetten, die ich dann in den 80ern gehört habe. Und da steht aber drauf „Das geheime Double IPA“. Steht dahinter ein Krimi, oder was ist der Hintergrund?

Benedikt Wabnig: Mein Hopfenbauer in Tettnang, bei dem ich immer meinen Hopfen kaufe, der hat eine Zuchtsorte gehabt, die er anbauen sollte für Versuchszwecke und hat gedacht, wem gibt er sie, diese kleine Menge? Und da hat er mich angerufen und hat gesagt: Benny, magst du die haben? Dann habe ich gesagt: Ja, wenn nicht ich? Und dann habe ich mich erkundigt, was diese Sorte könnte. Die hatte damals noch keinen Namen. Die hatte die Charge 20110204, also ich hatte noch gar keine Ahnung davon. Und es wurde dann bekannt, dass sie in Richtung Ananas, Pinienharz und Grapefruit gehen kann. Und dann habe ich mir gedacht: So einen bombastischen Hopfen, den muss man in einen Double IPA verwerten. Und dann haben wir uns mit der Bierboutique Konstanz, das ist so ein Craftbier-Laden in Konstanz, der sehr viel mit uns zusammen macht. Mit dem haben wir dann gesagt: Das wird dann wieder eine Kollaboration zwischen uns. Und dann ging’s darum: Wie nennen wir dieses Bier? Und das dauert dann immer so ein paar Tage, wo wir dann kreativ sind. Und dann hatten wir die Idee, keiner weiß, was das für ein Hopfen ist, keiner kennt ihn, also muss es irgendwas Geheimnisvolles sein. Und sowohl der Martin von der Bierboutique als auch ich haben früher auch „Die drei ???“ gehört. Und haben dann gedacht: Mensch, komm, wir machen so ein „Drei ???“-Abgleich und nennen es einfach „Die zwei ??“, also Inselbier und Bierboutique. Und „das gemeine Double IPA“, weil keiner weiß, was ihn erwarten wird, da keiner noch diesen Hopfen kennt.

Markus: Na, dann müssen wir es mal aufmachen jetzt hier.

Benedikt Wabnig: Genau!

Markus: Wunderbar! Magst du das mal mit uns verkosten, Benny?

Benedikt Wabnig: Kann ich gerne machen. Also wir haben jetzt hier, ich würde sagen, es ist wirklich eine goldgelbe Farbe. Wir haben eine ganz leichte Opaleszenz drin, ein sehr stabiler, feinporig, sahniger Schaum. Im Geruch, würde ich sagen, ist eher die Ananas dominant. Malzaromen gar nicht, also wir haben ja nur helle Malze verwertet. Wir haben auch einen ganz leichten alkoholischen Geruch, also Frucht-(unv. #00:17:11.4#), die aus der Gärung von Hefe kommt. Ich probiere es jetzt mal. Jetzt im Geschmack finde ich ganz klar die Pinie, Stachelbeere und Grapefruit an vorderster Stelle, und erst im Nachtrunk kommt dann die Ananas wieder durch. Wir haben auch eine relativ geringe Bittere gewählt für dieses Bier. Die Double IPAs neigen immer dazu, mit 60 IBUs zu arbeiten. Was ich persönlich zu viel finde, da es dann vom fruchtigen Aroma ablenkt. Wir haben uns jetzt da für 40 IBUs entschieden, also ich finde, was das Bier auch perfekt abrundet. Also ich bin nicht so der Fan von einem Bier, das eine Kante hat. Bei mir muss ein Bier immer rund sein.

Holger: Das finde ich auch. Manchmal mag ich das auch, wenn so ein Bier total polarisiert. Aber ich finde, wenn man so die Zielgruppen im Auge hält und nicht nur die absoluten Hopfen-Nerds dann im Auge hat, sondern wirklich jeden und man möchte gerne auch zeigen, was Bier sein kann, dann finde ich es ganz spannend und komplex, und die Nerds sind befriedigt. Und die, die so Biere noch nicht kannten, weil sie einfach ganz normale herkömmliche Biertrinker und Bierliebhaber sind, die finden es halt auch klasse und spannend. Wenn man das erreicht, dieses zu vereinen, dann, finde ich, hat man es ganz toll gemacht. Und in dem Bier, finde ich, ist es sehr gut gelungen. Schmeckt mir sehr gut.

Markus: Und es ist wieder so unglaublich weich. Also ich finde wirklich, auf der Zunge dieses Mundgefühl, das ist echt einzigartig.

Holger: Das ist wahrscheinlich der Bodensee. Apropos auch im Mund so weich, jetzt hattest du das Thema Wein absolut gestoppt. Da fällt mir jetzt schon wieder das nächste ein. Man könnte ja auch über die Bodensee-Brände natürlich sprechen, und die schönen Destillate, und die sind ja auch alle so weich. Naja!

Benedikt Wabnig: Zum Destillat haben wir tatsächlich auch eine indirekte Verbindung. Und zwar am Bodensee sind zwei weltmarktführende Firmen, die Brennerei-Anlagen bauen. Und eine von den beiden hat unsere Braunlage gebaut tatsächlich.

Holger: Siehst du mal Markus, also das …

Benedikt Wabnig: Sogar unser Sudhaus ist Bodensee-Qualität.

Markus: Ja, Wahnsinn! Klasse! Ich meine, an sich, die Brände, da könnte man natürlich auch sehr lange drüber reden. Die Tradition hat natürlich was damit zu tun, dass am Bodensee einfach auch so tolle Früchte angebaut werden. Und wo es viel Obst gibt, gibt’s dann natürlich auch irgendwann den Brand, weil man ja nicht immer alles essen kann. Und dann kann man das auf die Art und Weise natürlich toll konservieren. Insofern schon sehr, sehr spannend. Ich wollte noch vielleicht ganz kurz nachfragen zum Biobier. Da habe ich auch noch was Schönes von dir gelesen, Benny. Das ist ja doch auch was für die Nerds, weil es ein sogenanntes Smash-Bier ist, also ein Single-Malt & Single-Hop-Bier, was auch so ein bisschen in Mode kommt, um eben nicht nur bestimmte Hopfensorten, sondern auch bestimmte Malzsorten zu präsentieren. Das ist natürlich eine tolle Geschichte. Aber zurück zum Double IPA. Ich fand ja schon das Etikett absolut sensationell. Ich bin auch früher mit „Drei ???“ rauf und runter unterwegs gewesen. Das war wirklich meine Lektüre und mein Hörbuch und was man damals alles so hatte.

Holger: Und dein Vater war auch noch Polizist. Das muss man auch mal erwähnen. Das wissen die Hörer noch gar nicht, haben wir noch nie erzählt.

Markus: Stimmt! Also da war natürlich eine gewisse detektivische Ader sowieso immer in der Familie mit drin. Und insofern hat mich das unheimlich angesprochen. Auch diese Idee, eben mal so einen unbekannten, geheimnisvollen, besonderen Hopfen einfach mal zu verwenden und den Leuten zu zeigen, was noch so alles geht, finde ich ganz, ganz toll. Und ich finde auch, diese Ananas-Noten präsentieren sich wirklich sehr schön und wechseln so hin und her mit dem Stachelbeerigen und mit der Grapefruit. Das ist echt ein Bier, was ganz viel kann. Und ich habe schon ganz viele Food Pairings im Kopf. Also da müssen wir unbedingt mal was damit machen. Eine ganz spannende Geschichte. Was ich mich noch frage, Benny: Wie kommst du denn überhaupt zum Bier? Bist du irgendwann aus dem Mutterleib gekrochen und warst vor einer Maß Bier gestanden? Oder wie lief das, dass du gesagt hast, ich mach jetzt hier den Brauer?

Benedikt Wabnig: Die Geschichte geht sehr weit zurück in die Kriegszeit. Und zwar mein Opa, während der Kriegszeit wurde der aufs Land verschifft in ein Kloster. Und zwar war das ein Kloster in Forchheim. Ist er quasi über die Kriegsjahre im Kloster aufgewachsen. Die Gründe kann sich wahrscheinlich jeder denken, warum. Und er musste damals den Menschen helfen bei der täglichen Arbeit. Und er hat dann immer abends ein Feierabendbier bekommen und wurde damit so zum Biertrinker. Und seitdem ist das bei uns in den Genen. Aber das Lustige ist: Mein Bruder hat es irgendwie nicht so abgekriegt, der trinkt nicht so gerne Bier. Meine Eltern komischerweise auch nicht, die sind eher Weintrinker. Mein Cousin und ich haben es voll abgekriegt. Also seit wir 16 sind, probieren wir uns quasi einmal quer durch Deutschland durch eigentlich im Prinzip. Bei uns in der Clique auch. Und dann habe ich mit 16, als ich mit der Realschule fertig war, habe ich mir Gedanken gemacht: Was könnte ich jetzt machen? Und da gab‘s dann, vom Arbeitsamt haben wir damals so ein Buch bekommen, wo alle Handwerksberufe und allgemein alle Lehrberufe drin verzeichnet sind. Und ich habe mir die interessanten für mich rausgeschrieben und habe so ein Auswahlverfahren gemacht. Und da kam tatsächlich dann für mich Bierbrauer raus, weil ich mich schon immer für die Naturwissenschaften interessiert hatte. Ich hatte immer in Chemie und Bio eine Eins. Von dem her, und ich komme aus einer Handwerksfamilie, also für mich lag es nahe, dass ich irgendwas mit Bier machen will. Ich habe mich dann allerdings dazu entschieden, weil ich ja nur einen Realschulabschluss hatte, dass ich noch die Fachhochschulreife nachhole. Ich habe das berufsbegleitend zu einer Laborantenausbildung gemacht. Also ich habe erstmal was Chemisches gelernt und dann mit 18, als ich das abgeschlossen hatte, habe ich mich dann bei verschiedenen Brauereien beworben, habe ein Praktikum absolviert und fand das dermaßen klasse, dass ich schon am dritten Praktikumstag zu meinem späteren Ausbilder gesagt habe: Ich möchte das auf jeden Fall machen. Und dann habe ich die Ausbildung begonnen und habe es bis heute noch keinen einzigen Tag bereut.

Markus: Wahnsinn! Siehst du mal, Holger, jetzt sehen wir, was wir falsch gemacht haben.

Holger: Ich weiß nicht so richtig, also das alles als Hobby zu haben, ist glaube ich auch sehr schön. Und ich weiß gar nicht, ob jeder Brauer dann so viel Glück hat wie der Benny, halt in so einer schönen, tollen Brauerei und dann auch noch in so einer Urlaubsregion. Also eigentlich hast du jeden Tag Urlaub. Das ist ja nicht jedem vergönnt. Also manche Brauer, mit denen würde ich jetzt nicht tauschen wollen. Mit dem Benny natürlich schon.

Benedikt Wabnig: Das stimmt schon. Also ich schaffe wirklich da, wo andere Urlaub machen. Ich kann jederzeit Mittagspause direkt am See machen. Oder ich gehe runter ans Seeufer in ein Restaurant, das wir beliefern, mache dann gemeinsam mit dem Wirt Mittag. Ich kenne fast die halbe Insel. Dann sind die ganzen Touristen da. Wenn die Touristen da sind, wenn die Urlaub machen, habe ich natürlich keinen Urlaub. Aber ich arbeite da, wo die Anderen Urlaub machen. Und das ist natürlich dann, sage ich mal, 50 % mehr Wert, als wenn ich jetzt irgendwo in einer Riesenbrauerei irgendwo im Keller bei Neonlicht stände.

Holger: Das macht natürlich mehr her, so nach dem Motto: Darf ich dir mal meine Brauerei zeigen? Und der Markus hat halt immer gesagt: Darf ich dir mal meine Briefmarkensammlung zeigen? Das ist halt wirklich schon ein Unterschied.

Markus: In der Tat habe ich mir gerade überlegt, dass das schon eine geniale Möglichkeit eigentlich ist, um sich dann die entsprechende Sirene zum Brauer zu suchen. Aber das ist natürlich dein Ding, Benny, je nachdem. Aber spannend auf jeden Fall, in so einer Region. Toll!

Benedikt Wabnig: Ja!

Holger: Dann kommen wir zum nächsten Bierchen.

Benedikt Wabnig: Vielleicht abschließend zum Double IPA noch.

Holger: Naja, okay!

Benedikt Wabnig: Der Hopfen, tatsächlich vor vier Wochen wurde der veröffentlicht unter einem gewissen Namen. Der heißt jetzt Tango.

Holger: Ganz neue Hopfensorte.

Benedikt Wabnig: Genau! Die ist jetzt dieses Jahr offiziell auf dem Markt. Also eigentlich kann man sagen, dass wir letztes Jahr so ein bisschen das Versuchskaninchen waren. Und ab diesem Jahr ist sie offen auf dem Markt erhältlich, bei diversen Firmen zu erwerben. Ist auch schon ziemlich am Boomen in den ganzen Hobbybrauer-Versänden. Wollte ich noch kurz anmerken für alle Interessierten, die ein ähnliches Bier erreichen wollen wie wir. Die Sorte heißt Tango.

Holger: Ja, das ist eine gute Information, besonders eben auch für die Hobbybrauer.

Markus: Schon wieder ganz viel Kopfkino. Wahnsinn!

Holger: Ja, absolut! Du sprichst gerade von den Sirenen und schon kommt der Tango um die Ecke. Das ist schon was. Und jetzt haben wir noch die Sonderedition vor uns stehen. Und da würde ich sagen, die machen wir jetzt auch noch auf. Und das Finale darf dann der Markus noch mal beschreiben. Bitte!

Markus: Na, das ist aber eine Ehre. Wunderbar! Also machen wir das auf. Das ist sehr schön, das hat oben dann noch so eine kleine Bordüre obendrauf, oder ich weiß nicht, wie man das sagen soll. So ein Stückchen Papier, wo dann eben noch Informationen dazu draufstehen.

Holger: Das heißt Halsetikett-Lasche.

Markus: Das heißt Halsetikett-Lasche? Unglaublich!

Holger: Ja!

Markus: Naja, also sieht man mal. In Deutschland gibt’s für alles wirklich ein Wort. Unglaublich! Dann gibt’s bestimmt auch eine Halsetiketten-Laschen-Verordnung oder so. Aber egal! Nun lassen wir das mal. Schauen wir mal, was wir jetzt hier im Glas haben. Von der Farbe her wieder Sensation. Also jetzt richtig so Ebenholz, dunkelbraun, blickdicht, opak, obendrüber dann ein richtig intensiver, großer, auch wieder so leicht getönter Schaum, ganz kleine Poren, der auch unglaublich lange steht. Also ich habe ihn eingeschenkt und er ist immer noch da, wo er war. Wahnsinn! Wie gesagt, die Farbe finde ich ganz besonders schön, so richtig geheimnisvolles Braun. Jetzt riechen wir mal rein. Ah ja! Und da kommen jetzt so Schokoladennoten, die mischen sich so ein bisschen mit Lakritze und Kaffee. Und dann kommen wieder so brotige …, Brotrinde. Mmh! Ein bisschen Tonkabohne. Faszinierend! Probieren wir mal. Wieder sehr weich. Und ich finde, das tut dem Bier auch total gut, weil es das auch sehr gut trinkbar macht. Also wenn das so weich über den Gaumen fließt, das ist wirklich total angenehm. Wir haben wieder sehr viel schokoladige Noten, vor allem so im Nachtrunk ist das ganz intensiv. Auch so Vollmilchschokolade, also durchaus auch ein bisschen süßer. Wir haben drüber auch ein bisschen was Fruchtiges, ich habe so ein bisschen Kirsche vielleicht, auch ein bisschen ananasige Noten vielleicht auch. Mal schauen, musst du mal erzählen, was ihr da noch für Hopfen verwendet habt. Und eben auch richtig schön weich und rund, wie es sich für so ein Stout gehört. Und da würden einige Iren, glaube ich, ganz schön neidisch sein. Toll! Benny, was habt ihr denn da so verwendet? Sind da auch besondere Hopfen drin?

Benedikt Wabnig: Das Bier heißt Black Diamond. Wir haben ja keine richtig dunkle Sorte, die dunkelste war bisher immer das Inselgold mit diesem Rostrot. Und die haben immer gefragt: Habt ihr was Dunkles, habt ihr was Schwarzes? Und wir hatten von unserer Partnerbrauerei das Schwarzbier und das kam immer super an. Da habe ich gesagt: Nächstes Jahr im Frühsommer machen wir auch was Schwarzes, aber ein Stout. Weil wir sind innovativ auf der Reichenau. Ich finde das Schwarzbier eine super Sache, eins meiner absoluten Lieblingsbiere, aber die Handschrift von Inselbier ist nochmal nachzulegen. Deswegen habe ich gesagt: Wir machen das Ganze obergärig und machen ein Stout draus. Und der Name Black Diamond kommt daher, weil wir hier die Hopfensorte Diamant verarbeitet haben.

Markus: Ah, okay! Das erklärt dann wieder einiges. Und an sich aber ein klassisches Stout. Hast du dich da eher so an den irischen Dingen orientiert oder eher an den Craft Stouts?

Benedikt Wabnig: Sowohl als auch, ehrlich gesagt. Also ich bin absoluter Schwarzbier- und Stout-Fan. Ich habe mich im Prinzip einmal durch die komplette Schwarzbier- und Stout-Szene von Deutschland einmal durchprobiert. Ich habe meine Lieblinge gefunden. Ich kenne auch ein paar Braumeister, die auch sehr gute Schwarzbier und Stouts machen, die mir auch schon so ein paar Tipps und Tricks verraten haben. Und dann daheim habe ich so eine kleine Hobbybrauanlage, da habe ich dann ein, zwei Testsude gemacht und habe dann die Mitte davon quasi gefunden, und die dann auf der Reichenau verbraut. Wir haben jetzt hier eigentlich eine relativ normale Schüttung mit einem sehr hohen gelösten Pilsener Gerstenmalz. Dann habe ich aber noch ein paar Anteile an Münchner Malz dazugegeben, um die ganze Sache ein bisschen abzurunden und auch einen guten Schaum zu erzielen. Weil mein Münchner Malz hat einen sehr hohen Eiweißgehalt. Ich habe mich dann noch für ein dunkles Karamellmalz entschieden, um die ganze Sache noch ein bisschen süßer zu gestalten. Und für ein sehr helles Röstmalz. Es gibt ja bei meinem Lieferanten in Bamberg, von dem wir es vorhin hatten, drei verschiedene Röstmalze, und davon das Hellste habe ich mich entschieden. Denn zum Beispiel mal ganz klassisches Beispiel, Guinness: Guinness, sagen sie immer, das ist nicht schwarz, das ist Dark Shade of Ruby, also ein dunkler Schatten von Rubin. Es ist nicht ganz schwarz. Und genau das wollte ich erreichen. Und wenn man es jetzt mal ins Licht hält, es ist tatsächlich hinter einer starken Lichtquelle eher rötlich. Was die Sache natürlich dann auch angenehmer zu trinken macht. Was dann nicht so in Richtung Kaffee eher geht, sondern eher in Richtung Schokolade. Und genau das wollte ich erreichen. Deswegen habe ich diese zwei Testsude gemacht und habe im Endeffekt mich für die Mitte entschieden. Für die Sorte Diamant habe ich mich deshalb entschieden eigentlich, weil sie eine recht angenehme Bitterkeit aufweist. Also sie hat ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen Alpha- und Betasäure und hat ein fruchtig bis grasiges Aroma. Also eigentlich auch so die Mitte zwischen den beiden Polaren, die in der Craftbier-Szene eigentlich immer angesprochen werden. Also auch wieder die Mitte. Dann habe ich gedacht: Machen wir einfach mal ein Stout, das in der Mitte liegt.

Markus: Ja, Mission erfüllt, kann man da nur sagen, oder Holger?

Holger: Ich würde auch sagen, genauso wie du es jetzt beschrieben hast, ist es auch. Und ich finde diese Cremigkeit der Biere, also jetzt auch ganz besonderes nochmal von dem Stout, aber eigentlich sind ja alle so in diesem samtigen Mundgefühl. Also das ist wirklich klasse. Also wer das Inselbier von der Reichenauer Insel am Bodensee noch nicht kennt, der hat jetzt vier Tipps bekommen in diesem BierTalk und soll sie ausprobieren. Unbedingt! Wie bekommt man euch denn? Also, wenn man jetzt beispielsweise leider in Hamburg wohnt und die trotzdem bestellen möchte?

Benedikt Wabnig: Wir haben einen Online-Händler hier in Baden-Württemberg südlich von Stuttgart, das ist Alehub. Damals, als er angefangen hat, kam der auf uns zu und hat gesagt: Hey! Habt ihr Lust? Und wir: Auf jeden Fall! Klar, Start-up zu Start-up, B2B. Von dem her. Bei Alehub kann man uns bestellen. Ansonsten kann man uns auch einfach eine E-Mail schreiben. Wir haben auch hochsichere Versandkartons. Und wir sind auch gerade dran, mit größeren Disponenten zu verhandeln, die auch unser Bier in größere Städte liefern können. Es ist leider ein bisschen schwierig zu gestalten, aber wir arbeiten dran. Von dem her: Wer unbedingt unser Bier haben möchte, der darf uns gerne eine persönliche E-Mail schreiben und dann bekommt er einen bruchsicheren Versandkarton nach Hause geliefert.

Markus: Das mit dem Versandkarton können wir absolut bestätigen. Es ist nichts gebrochen. Wunderbar verpackt gewesen. Wie ist denn die E-Mail Adresse, wenn wir schon dabei sind?

Benedikt Wabnig: info@reichenau-inselbier.de.

Markus: Wunderbar! Das ist doch eine gute Ansage. Holger, da bestellen wir morgen was. Okay?

Holger: Unbedingt! Heute noch. Mensch, das war doch super. Vielen, vielen Dank! Jetzt müssen wir noch ein schönes Schlusswort finden. Wer möchte es denn machen von euch beiden?

Benedikt Wabnig: Ich hätte vielleicht noch eine kurze Sache dazwischen zu legen. Und zwar, ihr habt ja jetzt ein paar Mal angedeutet, dass meine Biere weich schmecken. Und zwar liegt das daran, dass ich meinen Bieren Zeit gebe für 6 bis 8 Wochen Reifung. Die Zeit nehmen sich leider nicht alle. Ist so eine kleine Philosophie von mir selbst. Also für mich heißt: Ein guter Brauer sollte des Filters nicht bedürfen. Das steht schon in einem Lehrbuch aus den 60er Jahren. Ich finde einfach: Wenn man die Zeit hat, dann sollte man sich auch die Zeit nehmen. Das Bier wird einfach weicher, viel runder und das Kopfweh-Potenzial sinkt drastisch. Leider viele Craftbier-Brauereien, die an dieser Philosophie auch festgehalten haben, haben leider aufgeben müssen, weil sie einfach vom Ausstoß zu schnell gewachsen sind. Und ich finde, das schmeckt man dann auch in den Bieren. Also von meinen ehemaligen Lieblings-Craftbieren kann ich sagen, die schmecken nicht mehr so wie früher. Sie nehmen sich einfach nicht mehr die Zeit. Und ich bin wirklich damit bemüht, dass ich mir weiterhin auch die Zeit für meine Biere nehmen kann.

Holger: Ja, da hast du recht. Also eine gute Lagerung ist die halbe Miete sozusagen. Der zitierte Spruch aus dem alten Brauerbuch, der hat auch wirklich was für sich.

Benedikt Wabnig: Ich kann nur sagen: Jeder ist auf der Reichenau willkommen. Die Reichenau ist ein beliebtes Touristenziel. Bei uns gibt’s immer was zu finden, zu Unternehmungen, und Inselbier hat täglich geöffnet von 8 bis 20 Uhr.

Markus: Wunderbar! Ich bin auf jeden Fall total dankbar, dass wir die Biere entdecken durften, und dankbar, dass du dich für diesen Beruf entschieden hast und dann auch für diese Art entschieden hast, diesen Beruf auszuüben. Ich freue mich schon total, wenn wir dann mal vorbeischauen können. Auf der Reichenau war ich selber noch nie, immer nur auf dem Festland sozusagen. Aber das werden wir machen und dann freue ich mich schon, wenn wir zusammen ein Bier genießen und dann den Sonnenuntergang abgleichen mit der Farbe des Bieres. Also bis dahin auf jeden Fall eine wunderschöne Zeit. Nochmal danke schön! Und bis bald! Und an alle Hörer natürlich: Sonntag, 17:45 Uhr gibt’s dann den Nachbrenner auf Clubhouse. Da schauen wir mal, ob wir uns auch mal mit dem Bodensee-Bier beschäftigen. Bis dann!

Holger: Bis dann! Macht‘s gut! Ciao!

Benedikt Wabnig: Von mir auch noch ein herzliches Dankeschön, dass ich dabei sein durfte. Und ich freue mich auf unsere baldige Zusammenkunft und wir freuen uns über jeden Podcast-Hörer, der auch mal bei uns vorbeischaut und den Podcast vielleicht sogar anmerkt.

Markus: Genau!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 58 – Interview mit Markus Grüßer von der Gesellschaftsbrauerei Viechtach

Markus Grüßer wagte den Schritt aus dem Rheinland über Berlin und die halbe Republik bis nach Niederbayern, wo er sich mit dem Erwerb der Gesellschaftsbrauerei Viechtach einen lange gehegten Traum erfüllte: Die eigene Brauerei! Mit einem engagierten Team aus einem Jungbraumeister, einem tschechischen Biersieder und einer Brauerin aus der Gegend hauchte er dem totgeglaubten Unternehmen neues Leben ein. Die vier überarbeiteten die Bierrezepturen und erfanden auch einen neuen Klassiker – den „Pfahlbock“, der in ganz Deutschland seinesgleichen sucht. Im BierTalk erzählt Markus Grüßer auch die spannende Geschichte vom Brandenburger Bierkrieg, als er mit der Klosterbrauerei Neuzelle so lange Widerstand leistete, bis das Bundesverfassungsgericht schließlich das Reinheitsgebot ergänzte und mit dem „Besonderen Bier“ einen Weg schuf, mit dem auch historische Biere mit der traditionellen Rezeptur hergestellt und als Biere verkauft werden können, selbst wenn dabei Zutaten wie Kräuter, Gewürze oder einfach nur Zucker verwendet werden, die eigentlich nach dem Gesetz verboten sind…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir eine ganz spannende Reise quer durch Deutschland, vom Ruhrgebiet nach Berlin zur Hauptstadt und schließlich dann nach Niederbayern, nach Viechtach, und begrüßen dort den Markus Grüßer. Mit dabei wie immer ich, der Markus, und …

Holger: … der Holger.

Markus: Ganz genau! Lieber Namensvetter, an dieser Stelle erstmal Hallo. Und vielleicht stellst du dich unseren Hörern mal ganz kurz vor, damit sie sich ein bisschen ein Bild machen können, mit wem wir es heute zu tun haben.

Markus Grüßer: Guten Morgen, ihr beiden. Guten Morgen, Holger! Guten Morgen, Markus! Ich bin 56 Jahre, habe drei Kinder und beschäftige mich mein gesamtes Berufsleben schon mit Getränken und speziell mit Bier. Ich bin im Rheinland in der Nähe von Köln groß geworden. Dort hatten meine Eltern einen kleinen Getränke-Fachgroßhandel. Es gibt schöne Bilder von mir als Sechsjähriger, wo ich mit einer Lederschürze zwischen Fässern und Kisten sitze. Das scheint sich in der DNA gefestigt zu haben. Ich habe zwar dann in Berlin BWL studiert, aber schon während dem Studium einen Außendienst gemacht für die Carlsberg Brauerei. Danach war ich fast fünf Jahre in der Klosterbrauerei in Neuzelle. Ich habe da eine sehr spannende Phase nach der Wende erlebt und durfte dort meinen Beitrag dazu leisten, wie das ist, wenn man eine Brauerei fit macht für die Marktwirtschaft. Sehr spannend! Wer Lust hat, da mal reinzuschauen in diese Zeit, kann ja mal gerne das Thema „Brandenburger Bierkrieg“ googeln. Danach nach einem kurzen Abstecher in Berlin habe ich die Seiten gewechselt und war 13 Jahre in leitender Funktion auch als Geschäftsführer von einem der größten bayerischen Getränkehändler unterwegs. Das war dann mein erster intensiver Kontakt in Richtung Bayern. Ich habe dort vom Key Account über den Einzelhandel alles Mögliche gemacht. Das war eine sehr, sehr spannende Zeit. Dann habe ich mich 2010 selbstständig gemacht. Die Liebe zu kleinen mittelständischen Brauereien und vor allen Dingen die Liebe zu gutem Bier war so groß, dass ich gesagt habe, ich muss was tun und ich möchte gerne was tun. Und habe dann für verschiedene Brauereien gearbeitet, Unternehmen saniert, beraten, eher weniger als klassischer Unternehmensberater, sondern eher so als Praxisbegleiter. Wir haben Dinge umgesetzt, neue Projekte gemacht, unangenehme Dinge wie nötige Preiserhöhungen umgesetzt, neue Produkte eingeführt, Marken strategisch aufgestellt, Vertrieb organisiert, Logistik organisiert. Und meine Erfahrungen aus allen möglichen Bereichen von der BWL über den Getränke-Fachgroßhandel, Logistik bis hin zu den Erfahrungen aus den Brauereien haben mir dort geholfen. Und irgendwann kam dann die Idee, wo ich gesagt habe: Was du für andere sehr erfolgreich machst, kann man auch vielleicht eigentlich für sich selber machen. Und ich habe dann für mich überlegt: Wie müsste eine Brauerei aussehen, die man dann kauft, übernimmt? Und da waren für mich zwei, drei Punkte extrem wichtig. Das Erste ist: Sie sollte in Bayern liegen, weil ich glaube, und meine Erfahrung aus den letzten 30 Jahren haben gezeigt, dass die Bayern mit ihren Brauereien anders umgehen. Und Markus, das wirst du mir bestätigen, ich glaube, fast 90 % der kleinen und mittelständischen Brauereien haben wir in Bayern. Diese Kultur, die gibt es so außerhalb von Bayern leider nicht. Deswegen habe ich gesagt, die Brauerei sollte in Bayern liegen. Dann ist über die Jahre eine Affinität bei mir gewachsen zu einer offenen Gärung. In Neuzelle, meine erste Brauerei, für die ich gearbeitet habe, und verschiedene andere Stationen auch, habe ich immer wieder eine offene Gärung kennengelernt. Ich finde, man schmeckt das, wenn Bier in dieser Form gärt und heranreift. Das war das zweite Kriterium. Und wenn ich ehrlich bin, es sollte eine schöne Region sein, wo man sich wohlfühlt. Weil für mich war klar, ich muss dort hinziehen, das wird mein Leben prägen, mein Leben bestimmen, das wird mein Lebensmittelpunkt werden. Insofern muss man sich auch persönlich wohlfühlen. Es wird sicherlich sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Von daher war die Lage für mich auch nicht ganz unwichtig. Und so hat mich dann irgendwann 2016 ein Kollege aus Frankfurt angerufen und gesagt: Du, ich habe gehört, im Bayerischen Wald, in Viechtach, wird aus Altersgründen eine Brauerei verkauft. Und dann bin ich hierhergefahren, habe mir das angeguckt und habe mich sofort sehr wohlgefühlt. Der Bayerische Wald ist ja auch eine der großen Urlaubsdestinationen. Es ist wunderschön hier. Die Brauerei gibt es seit 1553. Wir haben eine offene Gärung. Das Bier hat wirklich toll geschmeckt, auf Anhieb. Ich habe das dann auch verkostet mit vielen Geschäftspartnern, mit Kunden, mit Freunden, und alle waren total begeistert. Und so war für mich klar, das versuchen wir jetzt. Dann hat das aber tatsächlich noch gut zwei Jahre gedauert, die Verhandlungen haben sich zäh gezogen. Das war dann auch so der erste Ausdruck: „Na, dem Preis verkaufen wir das nicht.“ (bayerisch ausgesprochen). Da wir aber am Ende des Tages, und das war auch den Menschen vor Ort, auch der Stadt, dem Bürgermeister sehr wichtig, da wir die einzigen waren, die ein Konzept vorgelegt haben, das den Braustandort erhält und nicht eine Stilllegung, eine Markenverschiebung, einen Lohnbrau vorsieht, und die Beharrlichkeit, mit der wir dabei waren, hat zum Schluss dann überzeugt. Und so haben wir Ende 2018 den Zuschlag bekommen und haben die Brauerei übernommen. Jetzt sitze ich hier und freue mich auf eine spannende Unterhaltung mit euch.

Markus: Da freuen wir uns auf jeden Fall natürlich auch. Eines hat man ja schon gemerkt, mit der Sprache hast du vielleicht noch ein bisschen Schwierigkeiten. Mal schauen, ob du so in vier, fünf Jahren dann auch das perfekte Niederbayerisch sprichst. Mir geht’s ja immer so, wenn ich in der Ecke bi, dass ich die Leute gar nicht verstehe. Wie kamst du denn da so durch?

Markus Grüßer: Durch die 13 Jahre bei Getränke (unv. #00:05:30.0#), einem der größten bayerischen Getränkehändler, hatte ich natürlich schon sehr, sehr viele Kontakte nach Bayern. Ich bin früher mit meinen Eltern schon mit sechs Monaten das erste Mal immer nach Berchtesgaden in Oberbayern in Urlaub gefahren. Von daher hatte ich immer eine sehr enge Bindung und Beziehung nach Bayern. Ob ich in fünf Jahren dann auch Bayerisch spreche, weiß ich nicht so genau. Aber es macht überhaupt kein Problem, die Sprache zu verstehen. Und von daher, ich finde, sie klingt sehr schön, es hat eine sehr schöne Tonalität und man fühlt sich wohl damit. Also von daher ist das überhaupt keine Hürde für mich.

Markus: Du hast ja auch prominente Vorbilder, wenn man zum Beispiel Eric Toft anschaut, der hat es ja vom Amerikaner zum perfekten Oberbayern geschafft, auch in der Sprache. Also da bin ich ganz zuversichtlich. Und du hast uns eine ganz tolle Palette an Bieren geschickt. Das klingt für mich jetzt grundsätzlich mal wie so eine Heimatsymphonie. Also da steht drauf: Vollbier Hell, Urhell, Zwickl, Dunkel, Weißbier, Zwergal und dann auch noch ein gloaner Pfahlbock. Also spannende Geschichte. Wir werden natürlich jetzt nicht alle im BierTalk verkosten können, aber wir würden uns natürlich gerne ein bisschen einen Eindruck verschaffen. Mit welchem Bier würdest du denn anfangen wollen?

Markus Grüßer: Naja, man sagt ja immer, von hell nach dunkel, von leicht nach stark. Und insofern würde ich gerne mit unserem Klassiker, der gut über 80 % unseres Absatzes ausmacht, den man zu jeder Gelegenheit trinken kann, nämlich unser traditionelles Vollbier Hell. Damit würde ich anfangen.

Markus: Na wunderbar! Da holen wir doch unseren zweiten Neubayern in der Runde mal mit ins Boot. Holger, was sagst du, freust du dich aufs Vollbier und wie bayerisch bist du eigentlich schon?

Holger: Na endlich ein Bier. Also fängt ja gut an, wenn du nicht von Anfang an wieder so lange irgendwelche Fragen stellst, sondern direkt zum Bier kommst. Pass mal auf jetzt hier! Zack! Hast schon gehört? Jetzt mache ich das auf und schütte es mir direkt ein. Prost, Markus! Schön, dass du da bist.

Markus Grüßer: Prost! Lasst es euch schmecken.

Holger: Wunderbar! So ein schönes Helles morgens, das mag ich. Deine Frage war ja, wie bayerisch fühle ich mich schon? Ich lebe ja auch im Exil in München und bin Wahl-Bayer und auch absolut überzeugt, ich bin so gerne hier in der Region, in dieser Stadt, aber auch in Oberbayern und bin auch viel in Niederbayern. Ich war am Montag noch in der Nähe von Pilsting, also zwischen Pilsting und Landau an der Isar. Das sind dann ja zu dir noch so rund 60 Kilometer, würde ich sagen. Wenn ich das nächste Mal da bin und die Zeit es erlaubt, glaube ich, komme ich mal vorbei. Also das müssen wir mal unbedingt vereinbaren. Weil im Prinzip ist es schön auch biografisch so ganz parallel. Du bist aus dem Rheinland, ich bin aus dem Ruhrgebiet, uns hat es beide freiwillig nach Bayern verschlagen und wir fühlen uns scheinbar gleich wohl. Nein, also ich bin gerne hier, Markus. Also richtig gerne hier. Aber ich bin auch gerne in Oberfranken. Nicht, dass du jetzt meinst, dass ich da noch irgendwie Unterschiede mache. Aber Bayern als Bundesland mit all seinen Facetten, und da gehört natürlich Oberfranken dazu, ist mir ausgesprochen lieb. Aber ich habe auch eine Frage an den Markus, und zwar: Ihr nennt euch oder du nennst dich, das weiß ich nicht so genau, Gesellschaftsbrauerei. Und dann hast du gesagt, dann haben wir den Zuschlag bekommen. Und wer ist denn wir und warum dann keine Genossenschaftsbrauerei?

Markus Grüßer: Wir ist ein guter Bekannter von mir aus Passau. Wir sind zu zweit an dem Thema beteiligt. Ich habe die Mehrheit, er hat mit einem Drittel eine Beteiligung. Und es ist immer gut, wenn man bestimmte Aufgaben auch mal auf mehrere Schultern verteilen kann. Das ist das eine. Und das zweite zum Namen: Das haben wir uns bei der Übernahme überlegt, ob wir das ändern wollen. Aber zum einen gibt’s diesen Namen schon sehr, sehr, sehr lange. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob schon seit 1553, aber eben sehr lange. Der rührt daher, wir sind auch eine der wenigen Brauereien, die eben keinen eigenen Ausschank haben. Wir haben einen schönen eigenen Getränkemarkt bei uns. Und das hat was damit zu tun, dass die Brauerei mal gegründet worden ist von ortsansässigen Gastronomen, die gesagt haben, wir wollen uns keinen eigenen Wettbewerb machen, aber wir wollen unser eigenes Bier gemeinsam brauen. Und so haben sich die Gastronomen und die Menschen vor Ort, die Bier ausschenken und Bier verkaufen, zusammengetan und haben alle als Gesellschafter diese Gesellschaftsbrauerei gegründet. Ich finde den Namen insofern ganz spannend, weil für mich ist eine regionale Brauerei auch immer Teil des gesellschaftlichen Lebens, ob das die Vereine vor Ort sind, ob das die Gastronomen sind, ob das bei uns in dem Fall die Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Tourismuszentrale, da gibt’s ganz viele gemeinsame Projekte. Also so eine Brauerei hat nicht nur die Aufgabe, großartiges Bier zu machen, sondern ist auch immer Teil des gesellschaftlichen Lebens. Und mit dieser Interpretation und mit dieser Geschichte habe ich gesagt, auch das ist Teil dieser Brauerei, und deswegen haben wir den Namen so gelassen.

Markus: Was sagst du denn zu diesem wunderschönen Bierchen?

Holger: Ein richtig schönes, klassisches Hell. Und man hat ja hier eine goldgelbe Farbe im Glas, also die ist wirklich so schön wie sie schöner nicht sein könnte. Und dann gibt’s so einen weißen feinporigen Schaum, und in der Nase hat man eben diese blumigen Noten, die eben zu so einem schönen Hellen auch dazugehören. Naja, und dann sind die klassischen Malze eingesetzt, das kann man auch rausriechen. Und wenn man dann trinkt, ist das ein sehr schön ausbalanciertes Bier. Das ist richtig schön. Also jetzt könnte man ja so ein schönes Weißwurst-Frühstück machen jetzt so um diese Zeit und dazu sich eben einfach dieses Vollbier Hell gönnen. Das würde perfekt passen. Und dann kann man schon wieder noch besser in den Tag starten. Das würde ich dazu sagen. Und was mir eben auch sehr gut gefällt, da gebe ich dem Markus auch recht, dass ich auch glaube, dass man eine offene Gärung schmecken kann. Und das steht ja sogar hier auch auf der Flasche. Dann kommt ja sofort wieder der Biersommelier in mir hoch, weil ja wahrscheinlich nicht jeder dann damit was anfangen kann. Nicht jeder weiß, was eine offene Gärung ist, nicht jeder weiß, warum das so gut ist. Und dann ist doch unser schöner Beruf dazu da, eben das Bindeglied zu sein zwischen dem Kunden, dem Biertrinker und eben den Braumeister und der Brauerei. Und da würde ich jetzt dann schon wieder richtig loslegen. Du hast ja gesagt, du hast die offene Gärung schon vorgefunden, die war also schon da. Und da bist du auch komplett von überzeugt. Das sind ja alles Qualitätsmerkmale, die man auch herausstellen muss, um in diesem wahnsinnigen Wettbewerb, der existiert, auch bestehen zu können. Und Bier ist local. Das ist ja das, was ihr vormacht. Also so verstehe ich das alles. Und dann auch noch der Tannenbaum oder die Fichte oder so. Ich weiß gar nicht, ob es eine Tanne oder eine Fichte ist. Aber das ist dann auch noch mal so ein Logo ohne viel Schnörkel, Vollbier Hell original, da weißt du, woran du bist. Und jeder im Bayerischen Wald sagt: Mensch, das ist mein Bier. Perfekt!

Markus Grüßer: Genau!

Markus: Ganz kurz, wenn du es schon ansprichst, irgendwie müssen wir es ja kurz aufklären. Also offene Gärung heißt, wir haben eben offene Gärbottiche, die nicht ein geschlossenes System darstellen. Das bedeutet eben auch, dass während der Gärung das Bier oder die Würze oder das Jungbier mit der Luft in Austausch treten kann und damit eben Stoffe auch ausdampfen können, die es sonst vielleicht ein bisschen schwerer haben und insgesamt sich dadurch eben die Aromatik des Bieres durchaus anders darstellt. Ich muss sagen, ich kann mich auch gut erinnern, ich war zum ersten Mal, glaube ich, vor ungefähr zehn Jahren vor Ort. Und was ich ja so toll fand, war, wie die Brauerei sich präsentiert. Also das ist ja ein sehr stattliches Gebäude. Und vor diesem Gebäude ist wie auf so einer Terrasse so eine Art Vorbau, und da stehen diese riesengroßen Kupferkessel in einer Art Wintergarten und man kann sie von allen Seiten anschauen. Es ist total schön, wenn die Sonne scheint, strahlt das über den ganzen Ort und das wird so richtig präsentiert. Und das finde ich ganz toll. Das ist eine der für mich schönsten Brauerei-Präsentationen, die ich kenne. Und ich kann mir vorstellen, als du da zum ersten Mal vorbeigefahren bist, hat dich das auch geflasht, oder?

Markus Grüßer: Ja, definitiv! Das ist toll. Im Winter, wenn wir früh einsieden und ich fahre auf den Hof um sechs und es ist noch dunkel und drin sind die Lichter an, die Scheiben sind von innen beschlagen, das hat was Mystisches. Und Bier ist ja auch was ganz Faszinierendes mit viel Emotionen. Da gebe ich dir zu 100 % recht, Markus: Es ist faszinierend. Schräg gegenüber ist unser Getränkemarkt, und vor dem Getränkemarkt haben wir eine grüne Parkbank. Weil Grün ja neben Gelb unsere Farbe ist, haben wir eine grüne Parkbank stehen, eine große. Und ich muss gestehen, im Sommer sitze ich oft draußen mit meiner Telefonliste, mit meinen Ohrstöpseln im Ohr und mit Blick auf das Sudhaus und führe meine Telefonate. Es ist ein ganz tolles Gefühl. Und wenn wir einsieden und wenn es dann auch noch riecht und dampft, also das ist immer wieder ein Erlebnis. Und von daher, ich kann nur unterschreiben, was du sagst.

Markus: Apropos Erlebnis: Ich glaube, wir brauchen wieder ein Bier. Mit welchem wollen wir denn weitermachen?

Markus Grüßer: Was ich als nächstes vielleicht nehmen würde, aber ich habe eben mitbekommen, Markus, dass du an der Stelle so ein bisschen benachteiligt wirst, ich würde halt ganz gern unser Zwickl nehmen wollen.

Markus: Ach du, ist okay. Ist vielleicht auch ganz gut. Also zum Hintergrund für die Hörer: In meinem Paket waren ein paar mehr Flaschen Dunkel drin und dafür kein Zwick’l. Aber das macht nichts, insofern könnt ihr ja mal gemeinsam ein bisschen verkosten. Ich kann ja ein Kopfkino mitlaufen lassen. Und Zwick’l klingt ja für mich zumindest so ein bisschen nach Kellerbier, da bin ich sowieso zu Hause und kann dann, glaube ich, ein bisschen mitfühlen. Aber dann überlasse ich das mal an euch beiden. Holger, übernimm doch mal die Nummer mit dem Zwickl.

Holger: Das mache ich doch gern. Ja, Markus, dann sind wir jetzt unter uns. Das ist mir dann auch ganz recht mal. Da machen wir doch mal ein schönes Zwickl auf. Ich mach‘s mal auf.

Markus Grüßer: Du kannst ja gleich eine Beurteilung machen, ich kann ja vielleicht ein bisschen was zur Herkunft. Also auf dieser besagten Parkbank haben der Braumeister und ich gesessen vor ungefähr einem Jahr und haben gesagt: Wir möchten gerne ein Zwickl machen. Und unser Vollbier Hell ist ein P11er mit 4,8 % Alkohol. Was viele vielleicht so nicht wissen: Durch dieses Unfiltrierte, also mit Hefe wird – wie vielleicht viele, das kenne ich aus Verkostungen, denken – das Bier nicht kräftiger, sondern das wird etwas abgemildert. Und dann haben wir überlegt, was machen wir, und haben uns ganz bewusst für ein P12er entschieden, also etwas kräftiger eingebrautes Bier mit einer etwas dunkleren Farbe. Und das hat am Ende des Tages wirklich funktioniert. Aus unserer Sicht ein tolles Bier. Die Kunden haben es aus dem Stand angenommen und wir haben im Moment tatsächlich zweistellige Zuwachsraten vor Ort. Es erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Und offensichtlich war die Entscheidung, mehr Stammwürze zu nehmen bei dem Zwickl Bier, die richtige Entscheidung. Und wie schmeckt es dir denn, Holger?

Holger: Mir schmeckt es total hervorragend. Und ein Zwick’l ist ja Kellerbier und hat so eine kleine leichte Rotfärbung, also so rotgelb. Und dann eben mit den 5,2 % ist es einfach so, dass Alkohol auch ein Geschmacksträger ist, und sofort, wenn man dann von unter 5 % eben kommt und dann 5,2 % erlebt, macht das einen vollmundigen Eindruck. Und ihr habt einfach mit einem schönen hellen Malz, einem Pilsener Malz, wahrscheinlich gearbeitet, aber auch ein Münchner Malz dazu genommen, Carahell und vielleicht sogar auch noch ein dunkles Malz. Also das ist so eine richtig schöne Malz-Mischung, die einem dann begegnet. Die Hopfengabe ist dann auch ganz traditionell aus Perle, Tradition und Spalter Select. Wenn man jetzt diese ganzen Zutatennamen sich vor Augen führt, dann ist, glaube ich, schon von alleine klar, dass das so ein richtig schönes Kellerbierchen ist. Und ich muss das sagen, also mir tut der Markus richtig leid, weil ich weiß einfach, dass der Markus ein großer, großer Kellerbier-Fan ist – das ist ja ganz logisch als Oberfranke. Und jetzt dieses wirklich exzellente Zwickl nicht mit zu verkosten, ist sehr hart für ihn. Markus, lebst du noch?

Markus: Ja, noch! Es ist ein bisschen Höchststrafe, muss ich auch sagen. Aber ich hoffe mal auf deine Kollegialität, dass wir demnächst da einen Austausch machen und dann werde ich mir natürlich noch ein Fläschchen davon gönnen.

Holger: (unv. #00:16:48.9#)

Markus Grüßer: Markus, ich verspreche dir, du kriegst nochmal eine Nachlieferung speziell für dich mit Zwick’l.

Markus: Oh, ein Carepaket! Wie schön!

Holger: Ich glaube auch, dass die Leute das wirklich sehr gut annehmen, weil Kellerbier ist im Trend. Hell ist auch im Trend, aber Kellerbier ist auch im Trend. Und das Thema Weißbier und Pils geht zurück in den Zahlen. Eigentlich sind dann drei Trends da, das ist einmal das Alkoholfreie, was immer mehr auch nachgefragt wird, und eben die Kellerbiere und die hellen Biere. Da habt ihr, glaube ich, das genau richtig gemacht, habt so ein neues altes Bier, also Zwickl ist ja auch irgendwie dann auch ein traditionsreicher Bierstil, aber habt ihr gutes Produktmanagement betrieben, würde man ja sagen im Unternehmensberater-Jargon. Und dann noch auf der grünen Bank ohne Tagessatz: Super!

Markus Grüßer: Das ist immer eine relativ einfache Entscheidung sowas, weil wir sind ja wirklich 1553, alte traditionelle Brauerei. Wir sind sehr, sehr stolz auf das Handwerk, offene Gärung, lange, klassische, kalte Lagerung. Und insofern haben wir gesagt: Welchen Namen geben wir dem Produkt. Und der Brauer, für den ist ja ein Kellerbier, Markus, das wirst du sicherlich bestätigen, ein Zwickl-Bier, weil ja der Verkostungshahn im Lagerkeller an den Tanks eben der Zwickl-Hahn ist. Und deswegen haben wir gesagt: Wir nehmen natürlich den traditionellen Namen und schreiben den auch drauf. Und so ist das entstanden. Da braucht man, glaube ich, keine großen Berater dafür.

Markus: Eine interessante Sache finde ich ja noch, du hast ja schon gesagt, P12, 12 % Stammwürze, ein bisschen stärker. Das hat natürlich auch was damit zu tun, dass ihr ja relativ nah an der böhmisch-tschechischen Grenze seid. Das heißt, die tschechische Bierkultur lebt ja generell mit etwas weniger Stammwürze. Und soweit ich das verstanden habe, habt ihr sogar einen Braumeister von dort. Wie funktioniert das denn? Und wie habt ihr zueinander gefunden? Und was ist denn für ihn sein Lieblingsbier?

Markus Grüßer: Wir haben in der Tat ein sehr, sehr spannendes Brau-Team, bin ich jeden Tag stolz drauf und das macht große, große Freude. Das ist der (unv. #00:18:37.7#), ist seit 30 Jahren auch in Deutschland, kommt aus Tschechien, aus Saaz, das ist unser Biersieder. Der ist fürs Sudhaus zuständig. Der lebt Bier, der lebt diese Bierkultur. Das macht große Freude, auch auf seine Erfahrung zurückzugreifen. Und er findet das toll, was wir machen. Und unser Braumeister ist ein relativ junger Kerl, kommt gebürtig aus Regensburg, hat in kleinen mittelständischen Brauereien sein Handwerk gelernt, hat dann natürlich in Weihenstephan seinen Braumeister gemacht, wie das so ist. Und ist eine schöne Mischung aus eben studiertem Braumeister und aus Praxiserfahrung in kleinen und mittelständischen Brauereien. Der ist sehr innovativ. Das ist eine tolle Mischung aus jemand, der auch mal eine Pumpe auseinandernehmen kann, was man in so einer kleinen und handwerklichen Brauerei wie wir es sind gut gebrauchen kann. Aber auch jemand ist, der gerne tüftelt, der sich mit den Prozessen der Bierherstellung auskennt. Und vor allen Dingen, es ist ein tolles Team, auch in Zusammenarbeit mit Herrn (unv. #00:19:31.0#), mit unserem tschechischen Biersieder. Da gibt’s jetzt keine Animositäten, keinen Wettbewerb, sondern der Braumeister hört auch mal auf die 30-jährige Erfahrung von Herrn (unv. #00:19:40.0#). Und Herr (unv. #00:19:40.5#) lässt sich auch von dem jungen studierten Braumeister mal was sagen. Und ergänzt wird das Ganze – vielleicht ein kleiner Seitenhieb an unsere Kollegen – da bin ich extrem glücklich drüber, wir haben seit einem Jahr eine Brauerin aus der Region, aus dem Bayerischen Wald, die einen exzellenten Abschluss gemacht hat und sich nach ihrer Ausbildung beworben hat bei ganz, ganz vielen Kollegen und fünf, sechs Absagen bekommen hat. Wir haben sie mit Kusshand genommen, das ist eine so große Freude, ein Mädel zu erleben, die genauso Bier lebt wie die anderen. Die ergänzt dieses Team perfekt. Sie kann genauso auf dem Stapler sitzen, in der Filtration ist sie zu Hause, im Lagerkeller. Sie ist mit einem Engagement dabei und hat Ahnung und Leidenschaft und ist froh und glücklich, in einer solchen Brauerei handwerklich Bier zu brauen. Und die ergänzt unser Brau-Team perfekt. Und das macht mich jeden Tag stolz und ich bin glücklich, weil ich weiß, dass die drei super zusammenarbeiten und dass hinten nur was Tolles dabei rauskommen kann.

Holger: Das hast du wirklich ganz toll gesagt. Und ich stelle mir auch vor, dass vielleicht in deinem Umfeld die Leute auch den BierTalk hören. Und ich glaube, das ist ganz toll auch für die Mitarbeiter, wie du über dieses ganze Projekt, über deine Firma sprichst, über die Mitarbeiter. Und das finde ich sehr schön, Markus. Also will ich einfach mal sagen. Das ist auch nicht selbstverständlich, dass man so viel Wertschätzung seinen Mitarbeitern gegenüber bringt. Und das schmeckt man dann letzten Endes. Da bin ich fest von überzeugt. Absolut! Wie war das denn damals? Wollte die Brauerei keiner haben oder wieso hat die dann (unv. #00:21:07.1#) gekriegt? Oder hast du einfach am meisten bezahlt?

Markus: Da muss ich jetzt mal ganz kurz einhaken. Ihr könnt doch nicht weiterreden und ihr habt ein schönes Bier im Glas und ich habe keins. Also wir müssen vorher …

Holger: Du hast vollkommen Recht, entschuldige bitte!

Markus: … noch ein Bier aufmachen. Und zu dem, was der Markus gerade gesagt hat, fällt mir auch schlicht und einfach die Frage ein: Warum reden wir eigentlich mit ihm? Also wir könnten ja mit der jungen Brauerin sprechen? Wäre ja auch spannend. Aber gut.

Holger: Das ist wieder so ein typischer Markus. Der ist ja ein großer Frauenfreund, und ich natürlich auch, aber er im Besonderen und so. Also das ist auch vielleicht eine gute Idee. Das könnten wir machen.

Markus Grüßer: Ich kann ja mal fragen, ob sie kurz dazukommt, wenn ihr wollt?

Holger: Ein eigener BierTalk wäre fast noch besser.

Markus: Das wäre fast noch besser.

Markus Grüßer: Ja, dann los! Ja, sehr gerne!

Markus: Vorher brauchen wir jetzt noch ein Bier. Markus, wie machen wir weiter?

Holger: Jawoll!

Markus: Holger, wie du das eben gesagt hast, wir entwickeln uns jetzt gegen den Absatztrend, aber für den Geschmack. Mein Lieblingsspruch, manchmal können meine Mitarbeiter das schon nicht mehr hören: Unser Weißbier ist zum Niederknien. Ich könnte mich im Moment reinlegen, auch wenn es sicherlich etwas rückläufig ist. Wir machen ein Original Weißbier, bernsteinfarben, so wie man das in Bayern kennt. Auch nur dieses eine, natürlich kein Kristall, aber auch kein Helles, kein Dunkles, sondern nur dieses bernsteinfarbene mit sehr fruchtigen Aromen. Hier haben wir ein bisschen was verändert. Die dunkle Farbe haben wir tatsächlich jetzt, wie das sich gehört für so eine Brauerei, durch die entsprechenden Malz, durch Röstmalze, das wurde vor der Übernahme leider Gottes mit Farbebier gemacht. Das haben wir ein bisschen geändert. Wir brauen heute dieses Original Viechtacher Weissbier ein. Und bei uns ist dieser Abwärtstrend zumindest etwas gebremst. Im letzten Sommer sind wir sogar wieder leicht gestiegen, weil viele mitgekriegt haben, dass da was ganz Besonderes entsteht. Ich finde das extrem fruchtig und ich könnte mich ehrlich gesagt im Moment in unser Weißbier reinlegen. Lasst es euch schmecken!

Markus: Ja, du kannst es ja tun. Tue dir keinen Zwang an. Du brauchst nur eine Badewanne und ein paar Flaschen. Und dann kannst du das …

Markus Grüßer: Und dann geht‘s los!

Markus: … parallel ja machen. Also machen wir das mal auf. Ach, wie schön! Da sieht man auch schon, wie schön der Schaum sich entwickelt und wie fest der steht. Und untendrunter, wie du schon gesagt hast, eine richtig schöne Bernsteinfarbe. Ich glaube, das ist auch sowas, die meisten assoziieren ja Weißbier immer eher mit einem Hellen oder dann eben ein dunkles Weißbier, wo man dann sagt, ich habe dann eben sehr viele Röstaromen. Und vergessen, dass das Weißbier natürlich genau die gleiche Geschichte hat wie unser untergäriges Bier auch. Das heißt, früher war das immer eher so bernsteinfarben und eine schöne ausgewogene Mischung. Insofern ist das ja auch wirklich back to the roots und wunderbar, wie der Schaum auch oben so einen ganz festen schönen Teppich bildet, der auch richtig einlädt, da jetzt mal reinzuriechen. Ah ja! Und dann hat man so frische, ein bisschen zitrusige Aromen, dann kommt aber auch so ein bisschen was Fruchtiges rüber. Jetzt probieren wir das mal. Hm! Ein sehr weiches Mundgefühl, sehr cremig. Und auch die Malzaromatik kommt rüber, Getreide. Dann kommt wieder die Hefe, und man hat wieder so ein bisschen Fruchtigkeit. Und hintenraus hat man auch eine schöne Hopfennote. Das finde ich für ein Weißbier sogar ganz schön selbstbewusst. Und ist aber auch gut, weil es dann dem so ein bisschen diese Fülle nimmt, die ja oft sehr sattmacht bei einem Weizen. Und hier räumt es dann im Mund wieder so ein bisschen auf und man ist dann wieder frisch für den nächsten Schluck. Und nachdem der Holger ja vorhin schon von Weißwurst-Frühstück gesprochen hat, da könnte man das zweite Paar ja dann mit diesem Bierchen probieren.

Holger: Da bin ich auch der Meinung. Auf jeden Fall!

Markus: Wie ist das denn überhaupt so in Niederbayern? Gibt’s denn da große Bierfeste, Bierveranstaltungen? Seid ihr da irgendwie präsent? In der Zeit, in der du jetzt schon da warst, gab‘s sowas, plant ihr solche Dinge oder seid ihr woanders in Deutschland unterwegs?

Markus Grüßer: Vor Ort sind wir sehr stark im Festgeschäft. Es gibt viele große Feste bei uns, angefangen vom Volksfest in Viechtach, bis hin zum Bürgerfest. Das hat sich seit vielen, vielen Jahren hier etabliert. Das geht über drei Tage. Da kommen dann auch tatsächlich viele Leute aus der Region hin bis Deggendorf bis Straubing. Da haben wir hier wirklich über 100.000 Besucher an drei Tagen. Es gibt ein ganz traditionelles Fest, das Heimatfest in Kollnburg. In Sankt Engelmar gibt’s viele Feiern, Prackenbach. Also im Umfeld hier gibt’s ganz, ganz viele Feste. Die Tradition der Feuerwehrfeste ist hier wirklich sehr etabliert. Und natürlich in unserem näheren Umfeld sind wir, nicht auf allen, aber auf sehr, sehr vielen Festen präsent. Und es macht uns auch natürlich große Freude, weil da kann man Tradition leben. Und unser Logistikleiter, der kommt aus dem Nachbarort, der hat im Nebenberuf Pferdefuhrwerke und Pferde. Der ist unter anderem auch beim Einzug auf der Wiesn in München dabei. Der hat natürlich auch ein Fuhrwerk für uns, mit dem wir auch unterwegs sind. Da wird dann wirklich klassisch bayrische Tradition gelebt. Und der Preuß hat sich natürlich auch entsprechend ausgestattet mit Lederhosen und Tracht, das macht dann auch Spaß.

Markus: Also direkt aus der Weißbier-Badewanne in die Lederhose. Wunderbar! Dem Holger vorhin habe ich ja seine Frage abgewürgt. Also insofern, das müssen wir natürlich noch beantworten, wie das so war, als du da angekommen bist. Bist du da eher der Erlöser gewesen oder eher der Prophet? Oder wie war das?

Markus Grüßer: Den Zuschlag haben wir tatsächlich deswegen bekommen, weil wir als Einzige dann zum Schluss ein Konzept vorgelegt haben zum Erhalt des Standortes. Leider Gottes war es so, dass der alte Eigentümer, der Richtung, Ende 80 ging, die letzten zehn Jahre nicht mehr viel gemacht hat. Also wir hatten einen erheblichen Sanierungsstau. Einen Großteil davon haben wir in 2019 schon aufgelöst. Aber vor dem Hintergrund gab es viele, die wollten die Markenrechte haben. Wir haben eine extrem starke Fangemeinde und das Bier hat einen sehr, sehr guten Ruf hier vor Ort. Und der ein oder andere Brauer wollte davon partizipieren, indem er die Marke übernimmt. Wir haben ein sehr tolles Grundstück. Wir haben also Innenstadtlage, es sind nur 300 Meter bis zum Stadtplatz mit 6000 Quadratmeter. Markus, du hast es eben gesagt, sehr repräsentativ. Also die Assets letztendlich sind relativ wertvoll. Und da waren natürlich viele, die darauf aus waren. Und wir haben halt den Zuschlag gekriegt, weil wir gesagt haben: Nein, für uns sind nicht die Assets im Vordergrund, sondern die Tradition, das Unternehmen und der Brau-Standort. Insofern natürlich erstmal ein Stück weit Erleichterung. Aber natürlich bin ich auch skeptisch beäugt worden die ersten anderthalb, vielleicht auch zwei Jahre, wo man geguckt hat: Was macht er denn jetzt? Also es gab Wochen, da waren wir zwei, drei Mal in der Zeitung. Also wirklich jeder Schritt ist beäugt worden, jede Aktivität, jede Veränderung ist analysiert worden. Insofern war das keine einfache Zeit. Ich finde es aber gut, wenn man so in der Beobachtung steht, dann ist das auch die eigene Motivation, für mich und die Mitarbeiter, immer das Beste zu geben. Wir haben ja gerade Weißbier getrunken. Die Umstellung war nicht so ganz einfach. Wenn du jetzt plötzlich die Rezeptur von so einem Bier komplett veränderst, indem du Farbebier rausnimmst und sagst, wir möchten die gleiche Farbe und einen ähnlichen Geschmack wieder erzeugen, aber mit natürlichen Rohstoffen, mit Röstmalz, und hast jetzt keine Computeranlage, sondern machst das handwerklich, dann musst du dich da rantasten. Das heißt, wir hatten so zwei, drei Sude von unserem Weißbier, die jetzt weder unserem Anspruch noch dem Anspruch unserer Kunden gerecht waren in 2019. Das war kein einfacher Sommer mit unserem Weißbier und mit unseren Kunden. Wir haben dort aber sehr große Transparenz gezeigt. Wir haben den Leuten gesagt und gezeigt, was wir machen. Wir haben die Brauerei geöffnet. Das war vorher auch nicht. Wir haben also zu Besichtigungen eingeladen. Wir haben zu Veranstaltungen eingeladen. Wir haben die Leute in die Brauerei geholt. Wir waren sehr transparent. Und das hat uns am Ende des Tages geholfen. Das Weißbier, ich denke mal, es schmeckt euch auch, ist ein tolles Ergebnis geworden. Und inzwischen sehen die Leute, was wir tun. Die sehen unser Engagement, unsere Bemühungen und haben, glaube ich, insofern auch den Preuß akzeptiert und finden es gut, dass er sich so für ihre Kultur, ihre Brauerei einsetzt. Und insofern glaube ich, bin ich aufgenommen.

Markus: Na, das hört sich doch wunderbar an. Und ich muss sagen, ich habe schon wieder Durst bekommen. Also ich glaube, wir müssen noch ein Bier verkosten. Wohin magst du uns denn jetzt entführen? Ich gebe dir mal die Wahl zwischen Dunkel und Bock.

Markus Grüßer: Dann würde ich mich, auch wenn der Dunkel eines der Lieblingsbiere unseres Braumeisters ist, als gebürtiger Regensburger ist er da so ein bisschen im Wettbewerb mit dem Dunkel-Qualitätsführer von der Bischofshof. Aber ich würde mich trotzdem gerne für den Bock entscheiden. Weil wir haben jetzt drei sehr traditionelle Biere gehabt, ein Vollbier Hell, der Zwickl und das Weissbier. Und wir haben mit dem Bock so ein bisschen versucht, auch unsere innovative Seite zu zeigen. Ihr werdet es gleich, glaube ich, schmecken, es ist jetzt kein klassischer Bock, nicht so mastig, schwer, süßlich, wo man dann nach dem zweiten oder vielleicht dritten Bock, wenn man so viel trinkt, schon so einen leichten Pelz auf der Zunge kriegt. Sondern wir haben gesagt, wir probieren mal was anderes aus. Wir haben Spezialmalzen verwendet, zum Beispiel Red X. Er hat eine schöne rötliche Farbe. Und wir haben ihn kalt gehopft. Mit zwei verschiedenen feinsten Aromahopfen ist er kalt gehopft. Wir empfehlen auch immer, ihn aus einem Sommelier-Glas oder aus einem Weinglas zu trinken. Weil er hat ein sehr fruchtiges, ein sehr frisches Aroma und schmeckt im Gegensatz zu den klassischen Blockbieren aufgrund dieser Kalthopfung sehr frisch und verhältnismäßig leicht. Insofern lasst euch überraschen und lasst es euch schmecken.

Markus: Also „Frühling im Woid“ steht drauf. Holger, ich glaube, das ist was für dich.

Holger: Unbedingt! Also Bockbiere, und wir sind ja jetzt auch richtig in der Bockbierzeit, Flüssiges bricht das Fasten ja nicht. Ja, herrlich! Ganz herrlich! Sehr schön! Das mag ich.

Markus: Und tatsächlich, es ist ein ganz anderer Geruch, als man ihn jetzt erwarten würde. Wenn man sich das Ganze anschaut, dann sieht man natürlich diese wunderbare Farbe, die von dem Red X auch kommt. Das ist ja ein tolles Malz, mit dem man wirklich richtig schöne Rottöne ins Bier hineinbekommen kann. Und hier ist das wirklich ganz perfekt ausgeführt, also die Farbe ist fantastisch. Dann hat man oben drüber auch so einen schöngetönten Schaum, der auch wieder sehr, sehr gut und lange sitzt. Und wenn man jetzt aber reinriecht, dann auf einmal kommen einem wirklich diese Hopfennoten entgegen. Das heißt, da sind wir bei tropischen Früchten, da sind wir bei der Ananas, bei der Mango, ein bisschen Litschi, also sehr, sehr interessanter Cocktail. Durchkommt dann noch so ein bisschen Honigaroma, ein bisschen was vom Getreide und auch eine relativ frische Note. Jetzt probiere ich das mal. Fein! Dann kommen noch so ein bisschen rote Beeren, auch schön. Und dann kommt so der Mandarina Bavaria durch, der so ein bisschen eben, wie der Name schon sagt, Mandarine, Orange, Zitrusnoten hat. Und wie du schon gesagt hast, es ist jetzt auch nicht der klassische mastige Bock, wo man dann sehr viel Körper hat, sondern das ist relativ schlank, trinkt sich dann auch gut weg. Hat eine schöne Bittere und ist wirklich ein ganz spannendes Getränk. Also finde ich, habt ihr toll hinbekommen, und ist in der Tat mal ganz was Anderes. Wie kommt das bei den Leuten an? Trifft das die Erwartungen oder gibt’s da auch so ein bisschen Widerstreit?

Markus Grüßer: Wir machen ihn jetzt das dritte Jahr. Wir haben also gleich in 19 angefangen. Und nach der Übernahme Ende 18, da war so ein bisschen die Skepsis da: Was machen die denn jetzt, ein neues Getränk? Dann ist das die 0,33er Euro-Flasche. Wir bieten den Bock in einer Holzkiste an mit 12 Flaschen. Und was machen die denn da jetzt? Dann hat das Produkt auch seinen Preis: Die Kiste kostet 20 Euro. Wir haben aber gleich einen Bockbier-Anstich gemacht in der Brauerei, insofern war die erste Schwelle gebrochen. Und wenn ich jetzt springe in dieses Jahr, die Leute konnten es kaum erwarten, wir haben schon 14 Tage vor der Einführung, das ist ein saisonales Produkt, wird ein Sud eingebraut und wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Also schon drei Wochen vor dem Verkauf waren die ersten Anfragen da im Netz, im Markt, überall: Wann kommt denn der Pfahlbock wieder? Die Freude ist groß und wir haben also letzte Woche Samstag den Verkauf gestartet. Das ging zu wie das Brezeln-Backen bei uns. Also von daher. Es gibt den ein oder anderen, der sagt: Ihr macht tolle Biere, ich bin eher der klassische Bockbiertrinker. Für den ist das nichts. Aber neun von zehn Leuten sind begeistert von diesem etwas anderen Bock, von dieser Frische und der Leichtigkeit. Und von daher glaube ich, haben wir alles richtig gemacht.

Holger: Markus, sag doch mal was zum Namen, also Gloana Pfahlbock und Frühling im Wald.

Markus Grüßer: Frühling im Wald ist relativ einfach, weil es natürlich der Frühlingsbock ist. Kommt Ende Februar dann raus. Und da wir, Viechtach, mitten im Bayerischen Wald liegen, ist natürlich Frühling im Wald klar, selbsterklärend. Wir haben hier einen Wanderweg, wir liegen direkt an der B 85, und wenn wir in Viechtach die B 85 in Richtung Schwandorf fahren, kommt direkt 100 Meter hinter Ortsausgang ein Tourismus-Parkplatz und da ist ein Wanderweg, und der führt am großen und am kleinen Pfahl vorbei. Das ist also ein Gebirge, das sich hier langzieht durch diese Region. Und wie gesagt, zwei Erhöhungen, eine etwas größere, eine etwas kleinere, sind direkt in Viechtach. Und da das die kleine Flasche ist, die kleine 0,33er Flasche, haben wir natürlich gesagt, das ist nicht der große Pfahl, sondern der gloane Pfahlbock. Und insofern, so ist der Name entstanden.

Holger: Und dann ist er auch noch kaltgehopft. Das gibt ihm ja diese Frische.

Markus Grüßer: Genau! So ist das.

Holger: Sehr schön!

Markus: Holger, eigentlich müsstest du an dem Pfahl schon entlanggewandert sein, weil du bist schon mal von Vilshofen nach Pilsen gelaufen, und das ist ja ziemlich in der Nähe von Viechtach.

Holger: Ja, absolut! Also kurz zur Erklärung. Das ist wirklich eine ganz unglaubliche Geschichte, die muss ich noch zum Besten geben. Es war so, ein Pilsner Urquell hatte so ein Wettbewerb ausgelobt, dass eben Bierbegeisterte einen Joseph-Groll-Weg laufen können. Es gibt ja den Jakobsweg und es ging jetzt darum, den Josephs-Weg ins Leben zu rufen. Und die Geschichte, die ging so, und das ist jetzt wirklich die Wahrheit. Da war Stau auf der A3 und ich musste abfahren. Also es war eine echte Vollsperrung. Und war dann irgendwie südlich von Würzburg, sind wir dann so über die Dörfer gefahren, und da ging dann auch nichts mehr. Und dann gucke ich halt so, ich weiß gar nicht mehr, auf Facebook oder im Internet irgendwie, also gucke so auf meinem Handy und scrolle das so durch und sehe also diese Ausschreibung. Und da war dann so ein Plakat am Straßenrand, da, wo ich gerade stand. Und da war so eine junge Frau abgebildet, die hat so ganz lecker Mineralwasser getrunken. Aber wenn man sich dann so davorgestellt hatte, dann sah das so aus, als würde die einen so richtig anlächeln. Und dann bin ich also wirklich in diesem Stau ausgestiegen, habe mein Foto gemacht, bin wieder eingestiegen und habe mit dem Foto die Bewerbung abgeschickt. Und dann wurde ich ausgewählt und habe dann mit einem jungen Studenten aus Weihenstephan, der Braumeister lernt, wir beide sind dann 180 Kilometer von Vilshofen nach Pilsen gelaufen und sind dann auch bei dir durch die Region gelaufen. Und wir haben dann immer Handwerksbetriebe aufgesucht, also zum Beispiel auch Glasbläser da in der Region um Zwiesel, und dann eben natürlich auch auf tschechischer Seite, und haben denen dann immer so ein Blech-Emaille-Schild dann an die Hauswand geschraubt und haben da Fotos gemacht. Wurde dann alles begleitet von einer Marketingagentur, Conceptbakery hieß die. Und das war eine unglaubliche Reise für mich. Also das war echt super. Und jetzt hat mich einer gestern erst noch angeschrieben in einem Zusammenhang auch mit einem BierTalk, mit dem Randolf Jorberg. Und das war eben der Leiter dieser Marketingagentur und hat dann gesagt: Mensch, Holgi, weißt du das noch? Und ich habe dann gesagt: Mensch, ich kann mich noch sehr gut erinnern und das Tollste war eben unser gemeinsames Doppelzimmer.

Markus: Jetzt sind wir fast wieder in der Badewanne angelangt. Unglaublich! Eine Frage hätte ich noch zum Abschluss. Du hast vorhin in der Einleitung schon gesagt, es gab den Brandenburger Bierkrieg, wo du auch eine entscheidende Rolle gespielt hast. Und das würde mich noch interessieren. Vielleicht kannst du das nochmal kurz zusammenfassen: Worum ging‘s denn da? Und hast du diesen Krieg gewonnen?

Markus Grüßer: Ich habe den nicht zu Ende geführt. Aber direkt nach der Wende, es gibt eine Brauerei im Spreewald, nämlich die Klosterbrauerei Neuzelle, ganz auch traditionell, offene Gärung, Thema hatten wir ja schon, das werdet ihr wissen. Die Schwarzbiere in den neuen Bundesländern waren, weil das eine Tradition ist, die auch aus Osteuropa gekommen ist oder kommt, alle mit Zuckerzusatz. Wer zum Beispiel mal in Prag war und das U Fleků besucht hat – ich meine, ihr beide werdet es sicherlich kennen – dort wird das bis heute auch so gemacht, da wird Schwarzbier ausgeschenkt mit ein wenig Zuckerzusatz. Und alle Brauereien in den neuen Bundesländern haben vor der Wende Schwarzbier mit Zucker gemacht. Auch ein Köstritzer ist vor der Wende mit Zucker gemacht worden. Das ist halt das, womit die Leute großgeworden sind. Und dann nach der Wende, eben Köstritzer von Bitburger, viele Brauereien sind gekauft worden und haben gesagt, wir müssen Reinheitsgebot machen. Und die Brauerei ist relativ spät dann verkauft worden. Und dann hatten wir schon 1991, und der, der die Brauerei gekauft hat, dem sie bis heute gehört, kommt aus Rosenheim, ein Bayer. Der wollte dann natürlich helle Biere machen. Und der damalige Geschäftsführer und ich, wir haben dann gesagt: Mensch, das ist sicherlich nicht Reinheitsgebot, aber die Menschen sind halt 40 Jahre mit dem Geschmack Schwarzbier mit Zucker großgeworden. Warum machen wir das nicht einfach weiter? Und dann hat es ein bisschen Überredung gekostet bei dem Eigentümer, der war zu dem Zeitpunkt nicht so involviert in die Brauerei, hat sich um vieles andere gekümmert. Und dann haben wir das gemacht und wir waren eine Zeit lang die einzigen, die das gemacht haben. Und plötzlich ist da richtig was losgegangen. Also, als wir da angefangen haben, haben wir so 12.000, 13.000 Hektoliter gemacht, und als ich dann weg bin, fast fünf Jahre später im letzten Jahr haben wir über 60.000 Hektoliter (unv. #00:37:28.4# verteilt?) mit diversen Preiserhöhungen. Und das hat was damit zu tun, dass die Menschen gemerkt haben: Da gibt es noch einen, der braut das. Aber jetzt das Thema zum Bierkrieg. Es ist natürlich dann irgendwann das Ordnungsamt gekommen und dann ging das so langsam los. Es stand natürlich Schwarzbier drauf und das durfte es nicht, weil nicht reinheitsgebotskonform. Dann haben wir uns dagegen zur Wehr gesetzt und so weiter. Und als ich dann weg bin, hat der Eigentümer, dem das auch jetzt noch gehört, der Helmut Fritsche, das fortgesetzt, und zwar so lange, bis er dann in Leipzig beim Bundesverfassungsgericht ein Urteil bekommen hat, das heute für viele ausschlaggebend ist in der Branche, wonach, wenn du eine historische und traditionelle Rezeptur hast, ein sogenanntes besonderes Bier, nachweisbar, dass es schon immer so ist oder was auch immer, dann darfst du heute, auch wenn es nicht Reinheitsgebot ist, auch Bier nennen nach diesem Urteil vom Bundesverfassungsgericht, das eben dann wegen der Klosterbrauerei Neuzelle damals ausgesprochen worden ist. Und da hat dann der Helmut Fritsche auch ein Buch dazu geschrieben unter dem Namen „Brandenburger Bierkrieg“. Der Spreewald liegt natürlich in Brandenburg, deswegen Brandenburger Bierkrieg. Und man kann das auch googeln, man kann das nachlesen. Ich finde das toll, dass der Herr Fritsche das dann auch fortgesetzt hat, auch sich dafür eingesetzt hat und das bis eben zum Verfassungsgericht durchgefochten hat. Und das hat heute für viele Brauer eben Auswirkungen, weil, wenn man eine solche historische Rezeptur hat oder ein solches besonderes Bier hat und das wieder machen möchte oder schon immer gemacht hat, darf man das eben aufgrund dieses Urteils heute in Deutschland Bier nennen, auch wenn es nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut ist. Und das fand ich eine spannende Zeit und dass ich da einige Jahre Teil dieser Geschichte sein konnte, finde ich bis heute sehr spannend. Also von daher.

Markus: Wunderbar! Finden wir auch sehr spannend und danken dir auf jeden Fall für die tollen Biere, für deine Zeit, für die spannenden Geschichten und freuen uns natürlich schon auf die Fortsetzung dann mit deiner Mitarbeiterin. Wobei du natürlich da auch sehr gerne nochmal mit dabei sein darfst. Dann können wir ja die anderen Biere in Angriff nehmen, die wir heute nicht geschafft haben. Holger, magst du noch ein Schlusswort formulieren?

Holger: Naja, also für mich spannende Geschichte. Und da kann man mal wieder sehen, wie man sich da vertun kann. Normalerweise denkt man, so ein Diplom-Kaufmann, der zählt halt nur die Erbsen und ist ansonsten ziemlich emotionslos. Aber wenn er dann aus dem Rheinland kommt, dann bringt er natürlich die Emotionen mit und kann dann auch so einen tollen Brauerei-Standort, der schon im 16. Jahrhundert begründet wurde, eben wiederbeleben und zum Erfolg führen. Und ich wünsche dir, Markus, weiterhin da alles Gute und auch eurem ganzen Team alles Gute, und dass eben auch Corona euch nicht irgendwie zu sehr belastet, sondern dass das alles in einem guten Fahrwasser bleibt und weitergeht. Und ich freue mich schon darauf, dich zu besuchen. Danke schön für deine Zeit und es war eine tolle Sache. Danke!

Markus Grüßer: Ich habe auch zu danken, Holger und Markus. Es war sehr, sehr spannend, sehr schön. Euch und euerm Podcast alles Gute! Und ich freue mich, wenn ihr uns alle beide mal hier besucht in Viechtach.

Markus: Das machen wir. Wunderbar! Danke schön!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 57 – Interview mit Janina und Chiara Crowder vom Craft Beer Kontor Hannover

Janina Crowder träumte schon immer von der Selbständigkeit – und dann war ihr Papa Jim glücklicherweise zur rechten Zeit am rechten Ort, nämlich als die Jungs der Mashsee-Brauerei ihren Craft Beer Kontor abgeben wollten. Das ließ sich Familie Crowder nicht zweimal sagen und startete ein spannendes Projekt. Heute sitzt Janina fest im Sattel und stemmt als Biersommelière nicht nur Lager, Bestellungen und Kundentermine – auch Verkostungen und Events aller Art stehen auf ihrem Programm. Seit kurzem ist auch noch Schwester Chiara mit im Boot, die im Rahmen ihrer Ausbildung ein Praktikum im Beerstore macht. Damit ist das Dream-Team perfekt und genau richtig für einen Auftritt im BierTalk, super charmant und bezaubernd, wie Holger und Markus danach einmütig bekundeten…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum 57. BierTalk! Und haltet euch fest, also wir haben zwei Gäste. Dann sind es auch noch Damen. Dann gibt’s auch noch absolut exzellentes Hochdeutsch heute, weil die kommen nämlich aus Hannover und betreiben da den Craft Beer Kontor. Das ist ein echtes Bier-Fachgeschäft mit 250 sorgfältig ausgewählten Bierspezialitäten. Am Mikrofon ist wie immer der Holger und der …

Markus: … Markus.

Holger: Also ihr beiden, berichtet doch mal, was euch am Bier so begeistert. Aber zunächst, stellt euch vielleicht selber vor, sagt etwas über euch, auch natürlich über das Craft Beer Kontor, und legt mal los.

Janina Crowder: Hallo Holger und Markus, ich fang dann mal an. Ich bin Janina und bin 30 Jahre alt, komme aus Hannover und bin seit 2016 im Bier-Business beruflich. Und das Ganze hat sich dann tatsächlich rasant entwickelt. 2017 habe ich dann den Biersommelier-Kurs mitgemacht und seitdem ist meine Leidenschaft zum Bier wirklich immer größer geworden. Was ich beruflich mache, ist halt wie gesagt, das Craft Beer Kontor betreiben. Und das ist ein wirklich besonderer Ort für Bierliebhaber. Da werden wir gleich noch ein bisschen was zu erzählen. Und mit dabei ist meine Schwester Chiara.

Chiara Crowder: Hallo, das bin ich. Ich bin 23 Jahre alt und mache halt im Rahmen meiner Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau ein Praktikum im Craft Beer Kontor. Ich bin jetzt aber auch schon über ein Jahr dabei und bin auch durch meine Familie, weil wir alle jetzt in dieser Craftbier-Welt drin sind, auch auf dieses Thema gekommen. Und das macht halt superviel Spaß, damit zu arbeiten.

Janina Crowder: Ja, das finde ich auch. Bei mir war es auch total verrückt, weil viele sind ja wirklich in dieser Bierszene drin oder sind wirklich Bierliebhaber und machen dann irgendwann ihr Hobby zum Beruf. Und bei mir war es irgendwie andersrum. Ich habe 2016 das Craft Beer Kontor übernommen und habe eigentlich dann erst wirklich angefangen, mich mit dem Thema Bier zu beschäftigen.

Holger: Wie kam es denn dazu, dass du dann das Craft Beer Kontor übernommen hast und wie kamen die auf dich, wenn du nichts mit Bier zu tun hattest?

Janina Crowder: Ja, gute Frage. Ihr kennt ja sicherlich die Mashsee Brauerei aus Hannover.

Markus: Yo!

Janina Crowder: Die sind ja auch in der Szene schon recht bekannt. Und die haben damals gleichzeitig mit ihrer Brauerei auch das Craft Beer Kontor gegründet als Einzelhandel, um die eigenen Biere auf dem Markt bekannt zu machen. Die wussten ja auch nicht genau, wie sie starten sollen. Niemand kennt sie, kein großer Supermarkt sagt sofort, hier, wir stellen euch ins Regal. Deshalb dachten sie, es ist eine coole Idee, auch einen Shop aufzumachen. Und das lief auch sehr gut. Die haben schnell eine richtige Fangemeinde sich aufgebaut. Aber nach zwei Jahren haben sie dann gemerkt, dass das ganz schön kräftezehrend ist, auf so zwei Baustellen gleichzeitig zu sein. Die sind immer ein Zwei-Mann-Betrieb gewesen und das war halt auf Dauer zu viel. Sie konnten sich auch nicht wirklich konzentrieren und haben sich dann entschieden, den Fokus auf das Brauen zu legen und den Shop zu schließen. Und dann war ich einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort beziehungsweise unser Vater, durch ihn kam das so ein bisschen, er war nämlich Kunde im Kontor, hat ab und zu dort mal Bier eingekauft und wir haben das dann zuhause bei Familienfeiern verkostet. Ich weiß noch genau, so Weihnachten 2014 oder 2015 zum Beispiel, da saßen wir dann mit der Familie und haben an Heiligabend einfach verschiedene Bierspezialitäten verkostet und das hat total Spaß gemacht. Und eines Nachmittags war er dann wieder dort im Laden und ist dann mit den Jungs ins Gespräch gekommen, und da hat sich das dann herausgestellt, dass sie den Laden schließen müssen, aber auch Ausschau nach einem geeigneten Nachfolger halten. Und das war gar nicht so einfach. Die wollten ja auch, dass es jemand in deren Sinne fortführt und nicht einfach was komplett Neues daraus macht. Bei mir war es halt ein perfekter Zeitpunkt, weil ich hatte grad fertig studiert, hatte ein paar Nebenjobs und wusste nicht so richtig, was ich machen will. Also ich hatte verschiedene Jobs, die mich alle nicht wirklich glücklich gemacht haben, und ich wollte wirklich gerne was Eigenes haben. Also diese Selbstständigkeit hat mich schon immer fasziniert. Und dann kam diese Gelegenheit, dieses coole Produkt Bier, mit dem ich gerade angefangen hatte, mich ein bisschen auseinander zu setzen, und dann diese Möglichkeit, einen eigenen Laden zu betreiben. Und dann war es aber wirklich ein Sprung ins kalte Wasser. Wir haben uns mit den Jungs zusammengesetzt. Dann habe ich im Mai 2016 den Laden übernommen. Vorher habe ich noch drei Monate Praktikum dort gemacht quasi, wo die beiden Jungs, also Kolja und Alexander, mir alles erklärt haben rund ums Thema Bier und wie man einen Einzelhandel führt. Und das hat dann irgendwie geklappt. Im Mai haben sie mich dann alleine gelassen und ich weiß noch, wie ich ziemlich überfordert war eine Zeit lang. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben.

Holger: Das ist ein gutes Stichwort, um das erste Bier aufzumachen.

Janina Crowder: Oh, allerdings!

Holger: Man wächst mit seinen Aufgaben ist ein gutes Stichwort. Also die Gäste sind sowieso immer zuerst dran und jetzt auch noch doppelt mit Ladies First. Lasst uns doch mal daran teilhaben, was ihr euch für heute überlegt habt.

Janina Crowder: Danke! Wir sitzen ja an der Quelle und konnten uns daher gar nicht so richtig entscheiden, was wir heute probieren wollen, und haben uns für ein verrücktes, ein regionales und ein anderes deutsches Bier entschieden. Und jetzt fangen wir erstmal mit dem etwas außergewöhnlicherem an. Das ist ein Bier von der Brauerei Tanker aus Estland. Kennt ihr die?

Markus: Ja. So ein bisschen, nicht sehr gut, aber ein bisschen schon. Mhm (bejahend).

Janina Crowder: Wir haben die auf jeden Fall ganz neu im Sortiment und die haben so ein Bier, das heißt Sauna Session (deutsch ausgesprochen) oder Sauna Session (Englisch ausgesprochen). Und das ist ein Estonian Birch Ale, also ein Birken Ale, ein Pale Ale mit Birkenblättern. Und soll an einen estnischen Saunaaufguss erinnern. Es ist aber auch ein schön leichtes Bier, weshalb man es wohl angeblich gut in der Sauna trinken kann. Das werden wir jetzt mal einschenken.

Holger: Mensch, Markus, da kommen doch Bilder auf, oder? (unv. #00:06:05.1#)

Markus: Da kommen unglaublich viele Bilder auf, allerdings auch Erinnerungen. Damit rette ich mich jetzt auch ein bisschen. Weil ich war ja schon in Estland und auch in Finnland, und in Finnland habe ich dann die Rauchsauna genossen, was ein unglaubliches Spektakel ist. Da kann ich an anderer Stelle noch mal erzählen. Aber da habe ich eben auch erlebt, dass die Finnen, die zum Beispiel beim Frühstücksbuffet kein Wort miteinander sprechen, also da ist der ganze Raum voll, 50, 60 Leute, Familien, die sitzen alle nur da und essen und reden nichts. Und in der Sauna, da haben sie dann alle ihr Bierchen ausgepackt und haben geplappert wie sonst was. Und das fand ich ganz erstaunlich. Und vielleicht ist das in Estland ja auch so.

Janina Crowder: Das klingt ja sympathisch.

Holger: Hier in München, im Nordbad, da sitzt man dann alle so gemischt in der Sauna und eigentlich redet keiner, weil man sich ja auch nicht kennt und so. Und dann hatte eine Dame doch den Impuls die andere zu fragen, in welchem Monat sie denn schwanger sei. Und dann hat die andere gesagt, ich bin ja gar nicht schwanger.

Janina Crowder: Oh no!

Holger: Und da war das dann noch stiller, aber alle sind dann innerhalb von zwei Minuten raus.

Markus: Den Spruch muss ich mir merken, wenn ich mal eine Sauna leeren will.

Janina Crowder: Oh Gott! Furchtbar peinlich.

Holger: Aber jetzt spreche doch mal, lass uns doch mal am Bier teilhaben. Also was ist denn jetzt mit diesem Estonian Birch Ale?

Chiara Crowder: Das ist wirklich mal wieder ein neues Geschmackserlebnis. Das hat man ja auch selten, wenn man so viel probiert, dass ein Bier einen wirklich komplett neu überrascht. Und das ist ein Geschmack, den ich wirklich noch nie hatte.

Janina Crowder: Ja, das stimmt. Man kann sich ja auch nicht so genau vorstellen, wie jetzt die Birke so schmeckt oder die Blätter der Birke und ich finde, das kommt, in dem Bier richtig gut rüber, dieses Waldige, Holzige.

Chiara Crowder: Genau! So ein bisschen waldig und kräuterisch schmeckt das. Ja.

Janina Crowder: Mhm (bejahend).

Chiara Crowder: Aber wirklich schön hell, so strohgelb und trüb. Riecht auch leicht fruchtig blumig, aber dann merkt man, dass da wirklich noch eine Zusatzzutat mit drin ist.

Markus: Das ist ja echt spannend. Ich kann mich erinnern, in Finnland gab‘s auch so Birkensaft, den man dann getrunken hat. Ich nehme mal an, dass das wahrscheinlich irgend so eine Art Limo war mit so ein bisschen Birkenanteil drin. Aber das hatte auch …

Holger: In jedem Bioladen gibt’s das doch, sogar in Bamberg, wahrscheinlich mit Rauchgeschmack.

Markus: Ich schaue da immer nur aufs Bierregal, Holger. Das tut mir leid.

Chiara Crowder: Bestimmt sehr gesund.

Markus: Ansonsten kenne ich die Birkenzweige auch nur aus der Sauna. Weil es gibt so eine Sauna, wo man mit Birkenzweigen durch die Luft wirbelt. Also die taucht man dann ins Wasser ein und macht damit praktisch einen Aufguss. Das ist immer extrem heiß. Krasse Sache.

Holger: Gehen wir vielleicht nochmal in euren Laden zurück. Also wie ist das denn jetzt? Also ich kann mich entsinnen, eine ganze Zeit lang war das ja so und das passt doch jetzt super auch zum Bier, was ihr euch da ausgesucht habt, da gab‘s ja dann die Craftbier-Nerds, da ging’s da drum, jeden Tag drei Biere, die ich noch nie getrunken habe, aber egal wie schräg. Ist das immer noch so, erlebt ihr da eine Veränderung im Markt? Spielen die Klassiker wieder eine Rolle? Oder ist das Programm, dass bei euch im Laden einfach nur Craftbier und dann möglichst kreativ, und ein Augustiner Hell oder so, also jetzt so aus Münchner Sicht wäre das jetzt so ein normales gutes Bier gibt’s dann gar nicht? Oder wie ist das bei euch?

Janina Crowder: Es gibt nach wie vor beides. Es gibt immer noch die Nerds, die auf der Suche nach den neuesten, verrücktesten, gehyptesten, bestbewertetsten Bieren sind. Die bedienen wir, aber auch Leute, die klassische Biere mögen. Wir stehen zum Beispiel auch total auf fränkische Biere, haben da Immer eine gute Auswahl. Oder auch ein paar traditionelle belgische Sorten sind dabei. Jetzt in den vergangenen Monaten wurde glücklicherweise die lokale Bierszene auch gut unterstützt. Da haben wir mittlerweile auch so ein paar kleine feine Brauereien. Also das ist tatsächlich wieder angestiegen im letzten Jahr. Und sonst hat man ja immer so die Trends. Also nach wie vor sind superfruchtige New England IPAs beliebt, aber auch, man hat das jetzt am Wochenende gemerkt, Sauerbiere kommen jetzt wieder, wo es so ein bisschen wärmer draußen war. Aber im Moment ist ja eigentlich noch Winter, das heißt, es werden auch wieder mehr Stouts gekauft. Wir haben aber wirklich eine richtig, richtig gute Mischung an Kunden, wirklich Profi-Trinker, sag ich mal, aber auch jeden Tag Menschen, die zum allerersten Mal in unseren Laden kommen und noch gar nicht wissen, wie ihnen geschieht und was sie erwartet. Und das macht uns dann natürlich auch richtig viel Spaß, die so heranzuführen an diese Biervielfalt. Und dann bekommen die eine nette Auswahl von nicht zu extremen Bieren. Wir wollen ja auch, dass sie nochmal wiederkommen. Und wenn man dann weiß, was ihnen geschmeckt hat, dann empfehlen wir denen halt vielleicht etwas anspruchsvollere Biere. Also wirklich ein sehr gemischter Kundenstamm, macht Spaß.

Holger: Zu normalen Zeiten bietet ihr ja sogar auch Tastings an, oder?

Janina Crowder: Mhm (bejahend). Unser Laden ist wirklich viel mehr als nur ein Bottle Shop. Es ist eigentlich ein Treffpunkt. Es sind wirklich schon sehr viele Freundschaften entstanden bei uns. Es ist ja gleichzeitig auch Ausschank, wir haben vier Zapfhähne. Man kann normalerweise es sich gemütlich machen und ein Bierchen probieren oder auch ein paar mehr. Man kommt schnell ins Gespräch und man kann bei uns nicht versacken, weil wir halt keine richtige Bar sind, sondern schon um 20 Uhr oder 21 Uhr schließen. Das ist dann noch ganz angenehm. Und Veranstaltung ist auch ein ganz wichtiges Standbein. Bier-Tastings und auch Konzerte, Comedy-Events. Wir haben alles Mögliche schon angeboten. Und so ist auch unser Kundenstamm schnell größer geworden, weil wir das auch schon von Anfang an so gemacht haben. Also eine Vielfalt von Angeboten rund ums Bier.

Holger: Toll! Das ist ja ein Paradies. Aber leider ist es so weit weg.

Janina Crowder: Ja, schade.

Markus: Na, da müssen wir halt mal hinfahren, Holger. Es wird ja bald wieder möglich sein und dann ist Hannover ja auch oft so ein Drehkreuz. Also ich bin ja oft mit dem Zug unterwegs und bin schon ziemlich oft in Hannover umgestiegen. Aber ich muss sagen, ich war noch nie so richtig wirklich in der Stadt. Also das werde ich jetzt beim nächsten Mal dann eindeutig ändern.

Holger: Aber wir sollten mal zum zweiten Bierchen übergehen. Da würde ich dich doch bitten, uns mal daran teilhaben zu lassen, was du da dir ausgesucht hast.

Markus: Ja, mache ich doch gerne. Ich habe mir heute auch ein schönes Bierchen ausgesucht, auf das ich mich schon ziemlich lange freue. Und zwar habe ich mir von BrewDog letztes Jahr die Winterbox bestellt. Das waren so ganz viele verschiedene Biere, die eben so lauter Special Editions waren. Und da haben sie die eben zusammengestellt, die konnte man als Box erwerben. Und da war ein Bier drin, da bin ich ganz gespannt drauf. Da steht drauf „Berliner Rot“ und ist eben ein in Berlin in der neuen BrewDog Location gebrautes Bier. Und zwar, also sie schreiben drauf, es sei ein Red India Pale Lager. Das heißt also, ein untergäriges Bier, ein Rotbier in gewisser Weise, aber dann eben noch mit schön viel Hopfen und so. Und da bin ich echt mal gespannt, was das alles kann. Ich mach’s mal auf. Klassisch natürlich in der Dose.

Chiara Crowder: Das klingt gut.

Markus: Die Akustik stimmt, das passt. Also da ist alles schön. Im Glas habe ich jetzt eine ziemliche Menge Schaum, eine tatsächlich richtig schöne rotbraune Farbe, die so richtig schön schimmert, also fast so rot-gold, ganz, ganz schön. Und obendrauf der Schaum ist sehr fest, so ziemlich grobporig, aber fest, und hat auch eine schöne Tönung. Ich riech mal rein. Wir haben so ein bisschen fruchtige Noten, so Mango, Pfirsich, in diese Ecke. Und es kommt aber auch schon was Malziges durc, ein bisschen Röstmalz, Malzbonbon. Probieren wir mal. Mhm (bejahend). Also am Anfang auch fruchtig, dann kommt tatsächlich eine Süße. Und hintenraus würde ich jetzt mal fieserweise behaupten, man merkt ein bisschen, dass es in der ehemaligen Stone Location gebraut ist, weil es echt eine richtig kräftige Bittere hat. Also für seine 5 % Alkohol, da ist es schon ganz schön gut dabei. Aber es ist trotzdem gerade noch so im Rahmen. Also sehr spannend und mal was völlig anderes. Also macht sehr Spaß und lässt mich auch ein bisschen dran denken, eben möglichst bald wieder auf Reisen zu gehen und dann eben auch mal in Hannover vorbeizuschauen. Insofern Prost an euch!

Chiara Crowder: Prost! Ja, das klingt lecker.

Holger: Prost, Markus! Lass es dir schmecken.

Markus: Mhm (bejahend).

Holger: Und Hannover wäre echt ein Ziel. Da kann man wirklich gut mit dem Zug hinfahren und ist selbst von München ruckzuck da. Also da geht’s ja dann geschwind über Nürnberg und Kassel und dann ist man schon da. Wenn ihr jetzt nichts dagegen habt, also der Moderatorenjob, der hat ja immer den Nachteil, dass man als letzter dran ist. Und ich würde mal direkt nachziehen, darf ich das vielleicht?

Janina Crowder: Aber sicher.

Holger: Ganz kurz.

Markus: Unbedingt!

Holger: Ich habe keine Dose, sondern ich habe eine Flasche.

Janina Crowder: Ah!

Chiara Crowder: Ah!

Markus: Geheimnisvoll!

Janina Crowder: Ja. Was ist es denn? Verrätst du es uns?

Markus: Eine leere Flasche.

Holger: Selbstverständlich! Selbstverständlich! Da gab‘s ja nur eine einzige Möglichkeit. Wenn man mit euch im Gespräch ist, dann sucht man sich ja kein schottisches Bier aus, sondern natürlich Mashsee. Das ist ja ganz klar. Und ich bin ja ein Pilstrinker und ich bin da immer eigentlich ganz empfindlich, weil ich einfach möchte, dass dieser Bierstil unberührt bleibt. Und dann bin ich eigentlich dann immer unglücklich, wenn es naturtrübe Pilsbiere sind. Aber das Beverly Pils von der Mashsee Brauerei finde ich so klasse, dass ich das verzeihe. Also das gehört sich ja eigentlich nicht, ein unfiltriertes Pils zu machen, aber an der Ecke ist es okay. Hat einen schönen Schaum, also wie gesagt, hat eine Trübung, ein ganz weißer Schaum. Und hat so eine Fruchtigkeit, die rüberkommt, also eine schöne Fruchtnote, Zitrusnote lässt sich schon vermuten. Auch ein blumiges Aroma. Da sieht man halt, das ist eine ganz typische Kalthopfung, Zitrusfrüchte, Ananas, Mango, aber eben auch schöne tolle Hopfenbittere, die auch im Nachtrunk knackig bleibt, das Bier schön schlank macht, schön trocken macht. Also wirklich auch wieder Lust auf den zweiten Schluck, das muss ja sein bei einem guten Bier. Wir hatten heute fast 19 Grad hier in München, also wirklich frühlingshaft. Man hätte den Grill anschmeißen können. Und das würde ich mir jetzt auch vorstellen. Also richtig schönes Gegrilltes und vielleicht einen leichten Salat dazu und dazu das Beverly Pils, das wäre für mich jetzt ein perfekter Abend. Aber es ist natürlich auch perfekt, mit euch den Podcast zu machen. Und ihr beiden habt ja noch zwei Biere auf dem Tisch. Deshalb würde ich sagen, wir machen einfach weiter.

Janina Crowder: Ja. Aber erstmal möchte ich euch zu eurer Bierauswahl gratulieren. Also das klingt beides wirklich sehr gut. Wenn wir es uns erlaubt, dann werden wir auch irgendwann einen Gegenbesuch antreten und euch besuchen. Dann können wir auch mal gemeinsam Bier trinken.

Holger: In München würde man sagen, habe die Ehre, habe die Ehre. Also auf jeden Fall. Ihr seid herzlich willkommen. Man kann sich auch in Bamberg treffen, also ihr kommt von Hannover und ich komme von München, das wäre doch was.

Markus: Auf jeden Fall! Also Bier haben wir genug, sowohl in meiner Garage als auch in den ganzen Brauereien hier. Und ihr seid ja offensichtlich auch Fans des fränkischen Bieres, was mich ja schon mal per se sehr freut. Und dann, natürlich, können wir das auf jeden Fall tun.

Holger: Vielleicht mache ich noch kurz, wenn ihr euch überlegt, welches der beiden Biere ihr jetzt nehmt, nochmal so einen Nachbrenner. Weil in Hannover gibt es ja den Maschsee, das ist so ein innerstädtischer See, der durch die Nazis entstanden ist, glaube ich.

Chiara Crowder: Mhm (bejahend).

Holger: Ich weiß aber nicht genau. Und die Brauerei heißt jetzt Mashsee eigentlich, von wegen Maische. Und das finde ich ganz toll irgendwie, was der Kolja da sich überlegt. Und die Biere, die sind auch echt ein Tipp. Also wer die nicht kennt, kann sich da durchprobieren. Nicht nur des Beverly Pils ist toll, sondern auch die anderen Biere sind toll.

Markus: Das Trainingslager zum Beispiel.

Holger: Ja genau! Und die beiden wären auch gute BierTalk-Gesprächspartner, wenn ich mir das so recht überlege. Aber jetzt habt ihr doch bestimmt eine Entscheidung getroffen ihr beiden?

Chiara Crowder: Ja, haben wir.

Janina Crowder: Wir haben übrigens auch noch ein Bier von Mashsee hier stehen, das trinken wir aber als letztes. Und wir haben uns jetzt entschieden für ein Bier von Lemke aus Berlin. Und das Bier hat uns ein Kunde mitgebracht als Geschenk, weil wir das selber gerade nicht im Laden haben. Und zwar es ist deren Winterbock, ein dunkler Bock mit 6,8 Volumenprozent.

Markus: Hurra! Sehr gut!

Janina Crowder: Ja, also klingt super. Die Flasche war auch quasi versiegelt. Also die hatten dann noch so ein Plastik quasi oben um den Kronkorken rum, dass da auch wirklich kein Sauerstoff und so rankommt, dass man das auch länger lagern kann. Und wir haben es jetzt aufbekommen und schauen mal, wie es schmeckt. Es ist auf jeden Fall schön dunkelbraun. Wenn man es gegen das Licht hält, leicht rötlich. Und ich glaube, das würdet ihr auch mögen. Es ist schön karamellig, ganz leicht schokoladig.

Markus: Oh, das ist gemein jetzt.

Chiara Crowder: Für die 6,8 % sehr leicht trinkbar.

Janina Crowder: Riecht schön würzig.

Chiara Crowder: Mhm (bejahend).

Markus: Ach! Das ist ja echt wunderbar. Sehr schön! Ich hab‘s bei mir auch im Kühlschrank stehen, ich hab‘s aber noch nicht aufgemacht. Insofern war ich jetzt ganz gespannt, was ihr berichtet, wie es schmeckt. Also Lemke ist ja eine meiner Lieblingsbrauereien auch, die machen tolle Sachen. Und auf den Winterbock habe ich mich auch schon so richtig gefreut. Ich habe vielleicht noch eine kurze Frage mal von meiner Seite aus. Ihr seid ja so eine komplette Familie sozusagen, die ihr da engagiert seid im Bierladen. Habt ihr ja auch schon erzählt, dass euer Vater euch so ein bisschen den Anstoß gegeben hat. Ist der denn noch mit dabei? Und vielleicht so als zweite Frage. Jetzt seid ihr ja zwei Schwestern und Janina hat erst Praktikum gemacht, hat es dann übernommen, und jetzt macht die Chiara auch Praktikum. Könnte das sein, dass du da dem so ein bisschen nachfolgst? Könntest du dir das vorstellen? Das würde mich mal interessieren. Und wie ist das überhaupt, mit seiner Schwester zusammen so einen Laden zu führen? Hat das auch mal Reibungspunkte?

Janina Crowder: Okay, ich, Janina, fang mal kurz an. Also unser Vater, der kommt immer noch regelmäßig vorbei. Er war ja nie wirklich hauptberuflich oder so mit im Kontor tätig, weil er nebenbei noch einen richtigen Job hat, wie er immer sagt. Und wenn er Feierabend hat, er arbeitet auch in Hannover, dann kommt er halt öfter vorbei und hilft uns. Er redet halt sehr gerne, kommt auch so ein bisschen aus dem Vertrieb. Er hat in der IT-Branche viel Vertriebsarbeit geleistet, deshalb liebt er es auch Kunden zu beraten. Und er hilft uns auch Biere auszuliefern. Das macht ihm einfach richtig, richtig viel Spaß. Und aus meiner Sicht ist es sehr schön, mit meiner Schwester zu arbeiten.

Chiara Crowder: Ja, das kann ich nur so bestätigen. Also ich bin 2015 nach Osnabrück zum Studieren gegangen und habe da Kunstgeschichte und Romanistik, Spanisch studiert. Ich habe mich dann aber schnell umorientiert und dann eine Ausbildung angefangen als Veranstaltungskauffrau. Und da wir nicht nur ein reiner Bottle Shop sind eigentlich, sondern auch eine Veranstaltungs-Location, hat sich das angeboten. Gerade weil diese Pandemie zu der Zeit begonnen hat, wo auch diese Bewerbungsphase war und viele aus der Eventbranche konnten sich halt keine Auszubildenden mehr wirklich leisten. Und dann habe ich mich mit Janina zusammengesetzt, ich habe nebenbei immer schon im Kontor gearbeitet so als Nebenjob, bin dann immer hin und her gependelt und es hat mir einfach super viel Spaß gemacht mit Bier zu arbeiten und jetzt das Praktikum dort machen zu dürfen, also eineinhalb Jahre wirklich Vollzeit durchgängig. Macht superviel Spaß, gerade mit der Schwester und dem Vater. Also wir verbringen superviel Zeit miteinander. Gerade das ist schön, weil ich die halt die letzten fünf Jahre gar nicht so oft gesehen habe. Ich könnte es mir schon vorstellen auch mal in diesem Bereich zu arbeiten, aber ich möchte vorher noch ein paar andere Dinge ausprobieren.

Holger: Das ist ja zu schön, um wahr zu sein eigentlich, wenn ihr das so erzählt. Also ein Traumpaar sozusagen. Und dann stelle ich mir den Vater vor, also ich habe ja auch drei Kinder, aber leider nur eine Tochter, so aus Vaterssicht muss ich sagen: Wahnsinn! Und gerade mit der Verwandtschaft, da ist es ja oft nicht so einfach. Da gilt ja der Grundsatz in der Regel: Du musst nur die gratulieren, die du magst, und die Verwandten. Und wenn wir mal den Kindermund hier zu Wort kommen lassen wollen. Aber so wie ihr das erzählt, ich glaube es euch sogar.

Janina Crowder: Ja. Es gibt ja auch viele Vorteile so gerade was Personal betrifft. Wir hatten auch schon mal andere Mitarbeiter, also so Aushilfen auf 450-Euro-Basis, das war auch immer schön. Aber es ist noch was anderes, mit Familienmitgliedern zusammenzuarbeiten, weil da halt dieses Grundvertrauen da ist. Und das fällt einem als Geschäftsinhaber dann auch viel leichter Verantwortung abzugeben, wenn man einfach dieses Vertrauen von vornherein hat.

Holger: Wirklich klasse! Markus, das sind traumhafte Zustände. Aber die sind halt da oben im Norden, weg von Bayern, und das ist die Frage. Kann man deshalb Bayern verlassen? Was meinst du?

Markus: Naja, ich denke grad schon drüber nach. Zumindest ist es jetzt mal eine Option. Weil ich meine, so der gebürtige Franke, der überlegt sich ja schon, ob er den Main nach Norden überquert. Also so ähnlich wie der gebürtige Bayer sich überlegt, ob er die Donau nach Norden überquert, so sind das eben so geistige Barrieren und alles da drüber ist ja sowieso Niemandsland. Aber jetzt ist das eben Jemandsland und das finde ich auf jeden Fall total schön. Wenn ihr mal ein bisschen aus dem Nähkästchen von jemandem plaudert, der eben so einen Laden hat, also was sind vielleicht so die schrägsten Biere, was sind so die Ladenhüter und wie geht man mit diesem Thema Mindesthaltbarkeitsdatum um? Also wenn ihr darüber reden wollen würdet. Wäre was, was mich interessieren würde, wenn ich jetzt einen Bierladen habe, weil ich hatte neulich erst wieder ein Gespräch mit meinem Steuerberater, dem ich erklären musste, dass ich zwar ganz viele Bockbiere in meinem Keller habe, aber dass die alle abgelaufen sind, dass wir sie aber trotzdem nicht abschreiben können, weil ich die noch für Veranstaltungen verwenden will. Das war eine Riesendiskussion. Also insofern bin ich mal gespannt, wie das für euch so ist. Wenn man so einen Laden hat, gibt‘s bestimmt tolle Herausforderungen.

Janina Crowder: Tatsächlich! Das Thema MHD ist immer sehr spannend. Mittlerweile haben wir das sehr gut im Griff. Ich weiß auch noch, in meiner Anfangszeit, da hatte ich ja noch nicht so viel Ahnung, ich habe halt Biere bestellt, wo ich dachte, dass sie gut sein könnten und dann kamen sie doch nicht so gut an. Und dann wurde viel zu viel Bier leider stehengelassen, dann abgelaufen und dann habe ich es halt immer kurz vor MHD reduziert verkauft. Das machen wir auch immer noch, dass die Biere, die kurz vor MHD sind, die kann man dann zum halben Preis kaufen bei uns. Ist zum Glück weniger geworden. Oft sind es tatsächlich, muss man sagen, Biere, die ein nicht so ansprechendes Äußeres haben. Das ist eigentlich gemein, weil das Bier oft eine tolle Qualität hat. Und durch unsere Beratung versuchen wir, auch dieses Bier zu verkaufen, auch wenn es nicht so schön aussieht. Aber so von sich aus wird es dann natürlich nicht so oft gekauft. Oder ja schon so sehr spezielle Biere mit wilden Hefen und so, das ist jetzt auch nicht jedermanns Sache. Die sind aber zum Glück ja auch meistens sehr lange haltbar.

Chiara Crowder: Mhm (bejahend).

Janina Crowder: Was häufig gekauft wird, ist natürlich Mashsee, alle anderen regionalen Sorten. Und das kann man eigentlich gar nicht so sagen. Die Leute sind wirklich sehr offen und probieren sich einfach durch, egal welche Bierstile.

Chiara Crowder: Ja.

Janina Crowder: Selbst Rauchbiere werden bei uns gekauft.

Markus: Selbst Rauchbiere. Holger, hast du das gehört? Sensationell! Ich bin begeistert.

Holger: Ja. Ich hab‘s gehört, ich hab‘s gehört. Und hab mir vorgestellt, was das bei dir auslöst. Das ist ja schon bei der Muttermilch mit drin gewesen beim Markus, das müsst ihr ja wissen. Und Rauchbiere polarisieren auf jeden Fall. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, wenn man den Leuten natürlich auch erzählt, was das für Biere sind, wo die herkommen, was das für eine lange, lange Tradition hat und so, und dann macht dieses Storytelling auch Geschmack. Das habe ich schon oft erlebt. Also auch bei Sauerbier, wo jetzt jemand, der gar nicht an die Hand genommen wird und einfach eben eine Erwartungshaltung hat und das dann trinkt, total erschrocken ist und es dann auch sofort ablehnt. Aber wenn man den so hinführt und ihn so ein bisschen auch vorbereitet, was dann ihn erwartet, dann klappt das eigentlich gut, oder? Also das stellt ihr doch sicher auch fest bei euch mit den Norddeutschen da oben.

Janina Crowder: Ja, da sind wir zu 100 % bei dir. Deshalb sind ja auch die Bier-Tastings so wichtig. Wir sind glücklich und dankbar über jeden, der ein Bier-Tasting bei uns macht, weil es einfach so viele erklärungsbedürftige Biere gibt. Die Leute, wenn sie die einfach blind im Supermarkt kaufen würden, sich zu Hause aufmachen, dann würden sie nie wieder, glaube ich, so ein Bier anrühren. Oder manche sagen ja dann so, ah, dieses Craftbier, das schmeckt alles nicht. Habe ich auch schon oft gehört.

Holger: Ja. Was meinst du, wie ich das hier oft höre in München. Und in meinen Augen, das ist eigentlich die Hauptaufgabe des Sommeliers, so sehe ich es zu mindestens, also gar nicht so sehr, dass der Sommelier der, wie soll ich sagen, der Übersensoriker ist, sondern für mich ist der Biersommelier so ganz klassisch jemand, der die Welten verbindet. Also was hat der Brauer sich überlegt und was will er transportieren? Und der Verbraucher, der dann interessiert ist, auch mal was anderes zu probieren. Und da ist dann das Bindeglied wirklich der Biersommelier. Und ich glaube, wenn man das gut kann, die Leute auch so abholen kann und dann auch wirklich Lust macht auf das Probieren und so, dann ist das so eine tolle Sache, weil man nur mit glücklichen Menschen zu tun hat, die auch richtig dankbar sind, dass sie das erleben dürfen. Das macht mir immer so wahnsinnig viel Spaß an der Aufgabe. Bringing people together. Und das ist fast ein Hobby geworden. Also das muss ich ehrlich sagen. Und da ist Bier der Stoff. Und jetzt gehen wir noch zu euerm dritten Bier.

Janina Crowder: Aber das hast du sehr schön gesagt. Also genauso ist es.

Chiara Crowder: Das sehen wir auch so. Ja.

Holger: Ja danke schön.

Janina Crowder: Das dritte Bier ist jetzt …

Holger: Und jetzt noch ein Heimatbier.

Chiara Crowder: Genau!

Janina Crowder: Also Mashsee, gerade was ihr vorhin schon angesprochen habt, das Beverly Pils und das TrainingsLager, das sind so unsere Go-To-Biere. Wenn wir einfach mal Lust auf ein Bier haben, dann ist es das meistens. Aber die haben natürlich ganz viele andere spannende Sorten, zum Beispiel das Xoco. Das ist ein Bier, das die Mashsee Brauerei im Jahr 2015 schon mal gebraut hat, ich glaube 2014, 2015, als sie gerade noch relativ neu waren. Und zwar war es damals ein IPA mit Kakaobohne, jetzt ist es mehr so Brown Ale mit Kakaobohne. Das war damals aber glaube ich zu früh. Da war, also vor allem in Hannover, das Thema Craftbier noch überhaupt nicht salonfähig. Also eigentlich wusste keiner, was das ist. Und die Leute waren schon überfordert, wenn sie so ein bisschen Aromahopfen im Bier hatten. Und dann war halt so ein Bier mit Kakaobohnen natürlich echt hart. Das Bier hatte zwar damals auch schon Liebhaber, aber sie haben es dann tatsächlich Ende 2015 eingestellt und dann gab’s das nicht mehr. Und im letzten Jahr hat Kolja das dann endlich wieder auf den Markt gebracht und es kommt einfach echt gut an. Und das ist ein Bier mit 6,2 Volumenprozent, hat 42 Bittereinheiten, ist mit richtig schönen echten Kakaobohnen gebraut. Und jetzt probieren wir‘s mal. Ja, man schmeckt sie sehr doll raus. Also das ist grad eine ganz frische Charge tatsächlich.

Chiara Crowder: Das stimmt, die unterscheiden sich auch immer wirklich. Ich finde zum Beispiel, dass die neue Charge viel kakaoiger schmeckt jetzt als die davor. Das mag ich zum Beispiel ganz gerne. Also im Moment sind so Brown Ales, auf jeden Fall gehören die zu meinen Favoriten.

Markus: Ich bin schon wieder fürchterlich neidisch, muss ich (unv. #00:28:31.3#). Unglaublich!

Chiara Crowder: Das Bier ist jetzt aber auch kein Dessertbier oder so, das hat immer noch so eine schöne Bittere im Nachtrunk. Also ist total gut trinkbar.

Janina Crowder: Wie eigentlich alle Mashsee Biere. Und einfach mal was Besonderes. Mashsee übrigens, vielleicht hast du das auch gesehen, Holger, du hast ja schon auf den Maschsee vorhin angespielt. Und der Maschsee ist ja sogar im Logo der Brauerei versteckt.

Holger: Der ist quasi oben ob auf der Pfanne so abgebildet in seiner Form.

Janina Crowder: Der untere Teil ist das.

Holger: Ach so! Okay.

Janina Crowder: Das ist die Silhouette des Maschsees.

Holger: Ah ja!

Janina Crowder: Mhm (bejahend).

Markus: Mal wieder was gelernt. Nicht schlecht! Mein Lieblingsbier aus dieser Schoko- und Gewürzecke ist ja nach wie vor das Xocoveza. Aber ich werde trotzdem mal das jetzt auch probieren. Das kannte ich noch nicht. Also früher habe ich es einfach nicht probiert, und wenn es das jetzt wieder gibt, werde ich mal schauen, dass ich da rankomme. Klingt auf jeden Fall sehr, sehr spannend.

Chiara Crowder: Mach mal, also schmeckt ganz anders als das Xocoveza. Aber vielleicht magst du es ja.

Markus: Ich befürchte es.

Janina Crowder: Kennst du eigentlich von Stone oder kanntest du damals das Pataskala Red IPA?

Markus: Ich glaube nicht, ehrlich gesagt. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich war bei Stone immer ein bisschen vorsichtig, weil ich habe am Anfang mal so ein Tasting mitgemacht, da haben sie irgendwie zehn Biere serviert, offiziell waren das von den Bierstilen her alle möglichen, die man kennt, also vom Rauchbier über die Berliner Weisse, über ein Export, über ein Dunkles. Und sie waren aber alle so stark gehopft, dass es eigentlich fast egal war, was es für ein Bierstil war. Und deswegen habe ich dann irgendwann mich einfach auf das Xocoveza zurückgezogen und habe wenig anderes probiert. Aber was war das denn für ein Bier?

Janina Crowder: Das Bier, was du jetzt grad von BrewDog getrunken hast, dieses Red Lager, das klingt nämlich total so von der Beschreibung wie dieses Pataskala RED IPA. Das war damals einfach fantastisch. Das war schon extrem, also auch recht bitter und so, aber es hat von der Beschreibung her genauso sich angehört wie das von BrewDog.

Markus: Vielleicht haben sie irgendwo in diesen Gemäuern das alte Rezeptbuch gefunden und …

Janina Crowder: Ja genau!

Markus: … jetzt einfach nur umgelabelt und fertig. Könnte ja sein. Ich habe noch eine Frage. Wir haben ja unter den Craftbier-Leuten schon viele Nerds dabei und viele, die sich schon sehr auch nur mit dem Bier beschäftigen und vielleicht ein bisschen Schwierigkeiten haben, so ins echte Leben, reale zwischenmenschliche Leben rüberzukommen, das irgendwie auch zu tun. Was würdet ihr denn so dem typischen deutschen männlichen Craftbier-Nerd empfehlen? Womit kann er eine Dame beeindrucken, die gerne ein Bier trinkt?

Janina Crowder: Was für eine Frage. Das wurden wir (unv. #00:30:53.6# noch nicht?) gefragt.

Holger: Finde ich auch. Was für eine Frage. Aber das ist halt Raupach, ein ganz besonderes Tierchen.

Janina Crowder: Das Thema ist gut. Ich liebe es immer, wenn jemand fragt so, was ist denn hier so das typische Frauenbier und so. Es ist eigentlich so schwer zu beantworten, weil es einfach immer auf die Frau ankommt. Was die Männer dann meistens meinen, wenn sie diese Frage stellen, ist ja ein Bier, was einfach überhaupt nicht herb schmeckt, was auf keinen Fall Pils ist und was halt eher so fruchtig süßlich ist. Da hat man dann schnell so ein belgisches Bier in der Hand, irgendwie so ein Kirsch- oder Himbeer-Bier. Aber tatsächlich kennen wir auch sehr, sehr viele Frauen, die es sehr hopfig mögen, die es auch bitter mögen, die es auch stark mögen. Das ist gar nicht mal so leicht. Da müsste man dem Mann mal noch ein paar Fragen stellen zu der Frau, die er da beeindrucken möchte.

Chiara Crowder: Aber ich denke, mit so einem schönen, fruchtigen New England IPA kann man nicht so viel falsch machen.

Janina Crowder: Ja genau. Das stimmt, das kommt meistens auch sehr gut an.

Holger: So, jetzt Markus, welche Frau möchtest du denn gerne beeindrucken? Sag doch.

Markus: Ich bin grad noch am Überlegen. Ich habe gerade überlegt, das mit dem New England IPA, da würde man ja auch mich irgendwie rumkriegen. Also insofern ist es alles gut. Ich erinnere mich an so Szenen, ich habe ja auch über die Berliner Bierkultur schon ein paar Bücher geschrieben und war dann immer recherchieren, und da gab’s halt schon so einschlägige Locations, wo dann in der Mitte so der bärtige Barkeeper ist und drum herum sind so 20 Männer irgendwo zwischen 19 und 27 oder so, haben dann alle ihre Zettelchen und Heftchen oder Handys mit Untappd oder so und probieren ein Bier nach dem anderen und schauen nicht rechts und links. Und da fragt man sich immer so ein bisschen, ist das der einzige Lebensinhalt, da jetzt zu sitzen und dieses Bier zu trinken? Da habe ich mir eben überlegt, was kann man denen an der Stelle, weil die einen oder anderen hören ja vielleicht auch unseren Podcast, mal so als Tipp geben, wenn sie da eben sehen, da sind vielleicht zwei junge Damen so wie ihr, sitzen da und trinken auch Bier. Wie kann man da mal eine Connection starten irgendwie, dass man aus diesem Nur-Bier-Trink-Thema rauskommt. Aber ihr müsst es natürlich nicht beantworten. War nur so eine Idee, wenn wir euch schon mal dahaben.

Holger: Aus meiner Sicht haben sie es ja beantwortet. Sie haben ja gesagt, es kommt auf die Frau an. Und das ist dann ja in deiner Situation, die du jetzt gerade beschreibst, ganz kompliziert, weil man kennt die ja nicht. Also na ja. Aber wann haben wir uns kennengelernt? Wir haben uns kennengelernt über Clubhouse. Und da würde ich ganz gern auch nochmal mit euch darüber sprechen. Was haltet ihr denn jetzt da von diesem neuen Scheiß? Ist das einfach nur ein neuer Zeitfresser oder ist das interessant, oder? Wie seht ihr das?

Chiara Crowder: Ich finde es nach wie vor ganz spannend. Ich habe noch nicht so viel Zeit in der App verbracht, obwohl es ja durchaus leicht passieren kann, dieser niemals endende Podcast, den diese App quasi darstellt. Ist schon verlockend. Mir hat es Spaß gemacht, wenn man in so kleinen Runden war, in denen man selber auch mitreden konnte. Das war eigentlich immer bis jetzt das Schönste für mich und hatte auch den größten Mehrwert, als wenn man da in so einem Raum mit 500 Leuten ist, wo dann gerade Leute miteinander reden zu einem Thema oder gerade eine bestimmte Frage stellen, die einen persönlich gar nicht betrifft oder interessiert. Ich finde es gefährlich, weil man da schnell seine Zeit mit verschwenden kann, aber ich sehe auch sehr viel Potenzial. Gerade solche Bier-Räume, wie wir da eröffnet haben bislang, das war schon immer schön, auch mit anderen Bier-Liebhabern in Kontakt zu treten. Und auch in anderen Bereichen, wenn du dich für irgendein Thema interessierst, dann eröffnest du einfach einen Room unter dem Namen und dann triffst du Gleichgesinnte. So gesehen ist das schon schön. Man muss halt aufpassen, wem man folgt und in welche Räume man geht und dann kann man da auch ein sehr positives Erlebnis haben, finde ich.

Janina Crowder: Ja, da gebe ich dir auf jeden Fall recht. Viele vermissen ja auch diese Interaktion mit verschiedenen Menschen, die sie vielleicht in einer Bar oder sowas gehabt hätten. Und dann ist da Clubhouse halt der perfekte Ort für. Sonst wären wir vielleicht auch jetzt nicht so schnell ins Gespräch gekommen.

Chiara Crowder: Genau!

Janina Crowder: Und so muss man das ja auch sehen. Und gerade ich habe auch durch Clubhouse in sehr, sehr kurzer Zeit richtig viele neue Bier Connections machen können. Und viele wissen jetzt auch, wer ich bin. Ich kenne viele neue Leute und das macht natürlich Spaß.

Markus: Mir ist was ganz Witziges aufgefallen, jetzt schon den halben Podcast lang. Weil bei Clubhouse ist es ja so, wenn man jemandem zustimmt bei dem, was er gerade sagt, dann drückt man relativ schnell auf das Mikrofonsymbol und signalisiert damit so eine Art Klatschen oder Beifall. Und das ist mir jetzt schon bestimmt fünf-, sechsmal während unseres Podcasts passiert, dass ich entweder euch oder dem Holger gerne Beifall gespendet hätte und mir überlegt habe, macht das jetzt Sinn auf den Mikrofonknopf zu drücken? Insofern, man kommt tatsächlich da irgendwie so ein bisschen rein. Und ich glaube auch, … ah, ihr habt die Suchfunktion, sehr gut, genau. Also für die Hörer, die es jetzt nicht sehen können, die Damen haben sehr clever natürlich bei Zoom, mit dem wir den Podcast aufzeichnen, die Klatsch-Symbolik entdeckt und gedrückt. Stimmt! Das hätte ich auch machen können. Wie gesagt, ich finde auch, es ist eine tolle Geschichte. Ich bin völlig bei euch, dass diese sehr vollen Räume relativ wenig Mehrwert haben und dass es schon Spaß macht in so kleinen Gruppen zu sein. Und auch, dass man sehr schnell intensiv Kontakt aufnehmen kann. Ich bin mal gespannt, wohin da die Reise geht. Das ist eine schöne Ergänzung irgendwie. Und man muss es aber, glaube ich, tatsächlich ein bisschen unter Kontrolle haben, sonst ist man da schnell auch ganz viele Stunden irgendwo versumpft. Holger, wo warst du denn überall schon auf Clubhouse außerhalb von unseren Räumen?

Holger: Bei mir ist es wirklich so, deshalb habe ich die Frage auch gestellt, ich werde da nicht so richtig warm mit. Vom Thema her bin ich dann doch immer irgendwie bei den Getränke-Podcasts, auch gerne bei den Wein-Sachen, weil man sich von den Wein-Leuten immer auch viel abschauen kann oder in dem Fall abhören kann. Aber so richtig erfasst hat mich das noch nicht. Also ich finde das zwar spannend und wir machen ja dann sonntags immer unsere Sendung und versuchen immer dann auch die Leute zu motivieren, uns Wünsche mitzuteilen, und haben jetzt letzten Sonntag zum Beispiel das Thema englische Biere gemacht, und das war ja auch ein Wunsch aus der Community. Ich fände zum Beispiel ganz toll, wenn man den BierTalk so nachbesprechen kann. Im Moment sind ja nur wir unter uns und irgendwann hören uns dann ganz viele Leute zu, also wir haben ja 30.000 Hörer schon jetzt im BierTalk. Und da wäre für mich Clubhouse so ein Format, das würde ich gerne irgendwie etablieren, dass man den BierTalk nochmal nachbespricht. Ich könnte mir jetzt vorstellen, jetzt gerade bei euch beiden auch, da sind jetzt ganz viele, die jetzt diesen BierTalk dann hören und sich denken, Mensch, warum haben die nicht diese Frage gestellt oder ich hätte jetzt gern noch mal da vertieft mit denen geredet oder so. Und da wäre Clubhouse so ideal in meinen Augen, so eine Nachbesprechung vom BierTalk zu machen, wo alle dann dabei sein können. Weil im Moment können eben nicht alle dabei sein, sondern nur zuhören. Und so finde ich Clubhouse spannend. Aber das ist uns noch nicht gelungen, das so in diese Richtung zu entwickeln.

Chiara Crowder: Hast du das auch schon gehört, dass einige Podcaster das ja auch so machen, dass sie ihre Podcast-Aufzeichnung, so wie wir jetzt gerade miteinander sprechen, dass die das live auf Clubhouse streamen, sodass die Leute quasi einen Live-Podcast haben. Und den Podcast an sich kann man dann später noch in der Podcast App sich anhören. Und danach könnte man diesen Talk ja öffnen für noch weitere Fragen. Das wäre eigentlich auch eine ganz coole Möglichkeit.

Janina Crowder: Mhm (bejahend).

Markus: Das stimmt, also das wäre eine coole Möglichkeit. Und vielleicht auch andersrum, das könnte man mit euch ja auch machen, also kann man jetzt mal vielleicht ganz offiziell den Aufruf starten, liebe Hörer, wenn ihr den Podcast hört – wir starten ja normalerweise immer samstags mit den neuen Folgen – dann wären wir jetzt am Sonntag danach sozusagen mit den beiden Damen nochmal im Clubhouse in unserem BierTalk Room und dort könntet ihr dann euch natürlich auch noch mal unterhalten und Fragen stellen und das Ganze ein bisschen nachbetrachten. Wenn ihr beide dazu bereit wäret, dann könnten wir das vielleicht einfach mal ausprobieren.

Janina Crowder: Ja sofort. Sagt uns einfach Bescheid.

Holger: Vor allen Dingen könntet ihr dann ja auch erzählen, wie ihr euch gefühlt habt. So nach dem Motto, um Gottes Willen, ihr könnt euch nicht vorstellen, was das bedeutet, da an diesem BierTalk teilzunehmen und so. Das könntet ihr ja dann alles sagen und uns da ganz furchtbar bloßstellen. Aber zum Glück haben wir dann ja ein Bierchen und können uns das alles schön trinken. Ja, jetzt sind wir schon zu Ende. Das ist schade. Man könnte jetzt so in einer Tour weitersprechen, aber wir haben ja so eine kleine Selbstbeschränkung, dass wir sagen, komm, wir wollen so bei maximal 45 Minuten, zwischen 30 und 45 Minuten sein. Und da sind wir jetzt. Ich kann mich nur bei euch wirklich ganz herzlich bedanken, das war ganz, ganz toll, was ganz Besonderes. Ich habe auch genossen, so richtig Hochdeutsch mal wieder zu hören, das war auch toll. Und ich glaube, der Markus hat sich auch richtig wohlgefühlt.

Markus: Oh ja, absolut! Zwei junge Damen, die Bier mögen, Rauchbier mögen, fränkisches Bier mögen und dann noch einen eigenen Bierladen haben, den man besuchen kann, also besser geht’s eigentlich gar nicht. Das war für mich ein ganz tolles Erlebnis. Und kann man nur allen Hörern ans Herz legen, wenn ihr aus Hannover oder Umgebung kommt, dann einfach unbedingt mal vorbeischauen. Und ansonsten gibt’s, glaube ich, auch mittlerweile virtuelle Tastings, wo man die beiden erleben kann und dementsprechend bleibt da also jeder Weg offen. Ich bedanke mich von meiner Seite, war ganz toll, hat mir viel Spaß gemacht, waren tolle Biere mit euch zusammen. Und ich freue mich dann auf unseren Clubhouse Talk, Sonntag, 17:45 Uhr. Wir werden das dann entsprechend auch noch in den Shownotes reinschreiben und ansonsten im Internet unter clubhouse.qa.

Holger: Aber das letzte Wort haben die Damen.

Janina Crowder: Danke für eure lieben Worte, eure guten Fragen, die schönen gemeinsamen Minuten, die leckeren Biere. Das hat uns sehr viel Spaß gemacht in unserem Podcast.

Chiara Crowder: Ja, es war sehr aufregend und es hat superviel Spaß gemacht.

Janina Crowder: Bis bald! Auf ein Bier!

Holger: Prost!

Markus: Auf ein Bier! Bis bald! Prost!

Janina Crowder: Prost!

Chiara Crowder: Prost!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 56 – Interview mit René Kaplick von den Gastropiraten aus Letschin in Brandenburg

René Kaplick startete als Koch ins Berufsleben, entschied sich aber nach einigen geflogenen Pfannen für die Welt der Getränke und kam über Kaffee und Spirituosen schließlich zum Bier. Nach vielen Jahren in verschiedenen Brauereien sattelte der gebürtige Brandenburger nochmals um und berät seitdem mit seinen „Gastro-Piraten“ die Hotels und Restaurants im ganzen Land. Wir wollten wissen, welche Rolle das Bier dabei spielt und ob die Botschaft des Gerstensaftes in der Gastronomie auch gehört wird. Die Antwort ist spannend – und ein Auftrag für die Piraten und für uns…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zur Folge Nummer 56 des ehrwürdigen BierTalks. Auch heute wieder ein ganz spezieller Gast, René Kaplick von den Gastro-Piraten. Da sind wir natürlich ganz gespannt, weil erstens ist die Gastronomie in den Zeiten ein wirklich spannendes Thema und auch ein wahnsinniges Feld, wo man wahrscheinlich ganz schön ändern muss. Und da wollen wir mal sehen, wie so ein Pirat sich da dann auch bei hält. Am Mikrofon der Holger und wie immer …

Markus: … der Markus.

Holger: Wunderbar! René, herzlich willkommen bei uns im BierTalk! Vielleicht sagst du was zu dir, zu deiner Person und natürlich auch, wie wird man Pirat in der Gastronomie.

René Kaplick: Erstmal Moin da draußen an alle, die hier zuhören. Vielen Dank für die Einladung, Markus und lieber Holger, 1000 Dank. Wie wird man Pirat? Das ist eine ganz einfache Story. Ich habe mal eine Unternehmensberatung gegründet, die habe ich dann so wie die Großen mit meinem eigenen Namen betitelt, Unternehmensberatung René Kaplick. Die war nicht erfolgreich und ein guter Freund von mir aus Aschaffenburg, der hatte mir die Möglichkeit gegeben, eine Webseite zu bekommen, die er schon seit Jahren hat. Der sagte: Komm, die schenke ich dir. Nenne deine Firma so. Und daraus sind die Gastro-Piraten entstanden. Zu meinem Werdegang: Ganz normal aufgewachsen, eine Ausbildung gemacht als Koch, in der Welt unterwegs gewesen, tolle Läden kennengelernt. Aber irgendwann aufgewacht und gesagt: Nein, das ist es nicht. Du willst Geld verdienen, weil als Koch dieses Teilzeit-Arbeiten und so weiter und so fort, das war mir damals noch nichts, ich war zu jung. Meine Eltern in der Gastronomie, eigentlich hinterm Tresen im Maxi-Cosi sozusagen aufgewachsen. Und irgendwann schlug ich so das Berliner Abendblatt auf. Da war eine Stellenanzeige bei Darboven in Hamburg. Und die suchten jemand, der Kaffee verkauft. Dann habe ich gesagt: Total cool! Hat aber nicht geklappt. Ich wurde dann der Kaffee-Ausfahrer, was aber megaspannend war, weil ich ganz, ganz viele Menschen kennenlernen durfte. Ich verkaufte dann vom Auto mehr Zusatzprodukte als die jemals verkaufen hätten können. Und so hat man mich in den Verkauf reingebracht, in die nächsten Stationen, Borco-Marken-Import, die Spirituose, dann ging ich zur Flensburger Brauerei. Ich habe dann sozusagen die ersten Biereinführungen, die Experimente mit, ihr erinnert euch vielleicht, Catch the Cat mitgemacht. Dann ging‘s weiter zur Krombacher Brauerei, dann über eine Spirituosen-Firma. Und dann habe ich irgendwann gesagt: Jetzt möchte ich mein Wissen, was ich einfach über die Jahre aufgebaut habe, den Gastronomen zur Verfügung stellen und habe eine Unternehmensberatung gegründet, die Gastro-Piraten, die sich von der Existenzgründung bis hin zur Insolvenzabwehr, die Buchhaltung, die Lohnbuchhaltung, Küchenservice-Coachings, alles, was mit dem Thema erfolgreiche Gastronomie zusammenhängt, die wurde dann gegründet. Und wir sagen immer, wir sind der unfaire Wettbewerbsvorteil gegenüber allen anderen, die uns nicht haben.

Holger: Das war ja dann gleichzeitig auch der Werbeblock. Jetzt ist aber dann trotzdem spannend in so einer Zeit, also da ist jetzt beides möglich, du hast entweder so viel zu tun wie noch nie, weil du hast ja gerade von Insolvenzabwehr gesprochen. Oder gar nichts zu tun, weil deine Kunden auch nichts zu tun haben. Wie ist es denn jetzt grad?

René Kaplick: Wir haben Anfang des ersten Lockdowns ganz stark angefangen, uns mit den ganzen behördlichen Vorschriften zu beschäftigen. Und haben gesagt: Wir stecken jetzt die gesamte geballte Kraft, die wir haben mit der Manpower, in Informationssuche. Das heißt, wir haben von morgens um 8 bis abends um 22 Uhr Hotline geschaltet, wir waren für die Gastronomen bereit. Dann sozusagen Telefonhotline für Finanzierungsanfragen, wie gehe ich den Weg, über allgemeine Anfragen, und haben da richtig Gas gegeben. Arbeiteten, ich sag mal, im ersten Lockdown ganz, ganz stark daran, dass die Leute einfach wissen, wo müssen sie sich aufstellen. Das haben wir übrigens unentgeltlich gemacht, sondern einfach nur als Dankeschön für die jahrelange Zusammenarbeit mit der Branche. Und dann gab‘s den ersten Restart, dann haben wir natürlich so ein bisschen das Coaching gemacht. Und dann gab‘s die zweite Welle, dann ging‘s eigentlich schon in die Verzweiflungsphase der Gastronomie hinein: Wie geht’s überhaupt mal weiter? Und jetzt kämpfen wir ganz stark daran, den Leuten einfach eine Vision aufzustellen, sich auf den Restart vorzubereiten. Und ich hoffe, das wird auch der letzte sein. Und da kämpfen wir jetzt mit neuen Ideen, neuen Strategien, ganz stark die Gastronomie sozusagen wieder auf Kurs zu setzen.

Holger: Kannst du Beispiele nennen, also vielleicht so ein griffiges Beispiel von einem Gastronomen, der gerade einfach verzweifelt ist? Und was empfiehlst du denn: Was soll man gerade tun? Soll man sich konsolidieren, soll man neue Konzepte ausdenken, soll man Preise erhöhen? Was soll man machen grad?

René Kaplick: Das Allerwichtigste für jeden Gastronomen da draußen ist ja gerade nur eins: Ich muss mich mit meinen Zahlen beschäftigen. Ich muss mal überlegen, wo stehe ich eigentlich. Ich muss mir mal jemanden suchen, der mir meine Summen und Saldenliste erklärt. Ich muss meinen Betrieb mal anfangen zu verstehen. Weil es gibt natürlich Top-Betriebe, die brauchen darüber nicht nachdenken, weil sie machen es immer. Und dann sollte ich mir, ich sag mal, eine neue Strategie überlegen, indem ich mir einen Budgetplan baue. Das, was jeder Hotelier macht. Ein Hotel ohne Budgetplan ist unvorstellbar, aber in der Gastronomie haben wir noch nie über Budgetpläne vor zwei, drei, vier, fünf Jahren nachgedacht, wenn wir nicht schon in der Systemgastronomie waren. Das heißt, ich muss mich mit meinem Betrieb beschäftigen. Ich muss jetzt nicht neue Sachen erfinden, sondern ich muss mich einfach wirklich mal mit meinen Zahlen beschäftigen. Renner-Penner-Listen analysieren. Gucken, ist meine Speisekarte noch up to date? Kann ich in der Zukunft vielleicht neue Sachen entwickeln? Kann ich neue Produkte anbieten? Kann ich die Vision, die ich mit meinem Restaurant habe, vielleicht neu abbilden? Gehe ich weg von vegetarisch und gehe auf vegan? Weil jeder Veganer isst auch vegetarisch, aber nicht jeder Veganer isst vegetarisch. Muss ich mir da zusätzliche Felder aufbauen? Wie stelle ich mich in der Zukunft so auf, dass ich erfolgreich sein kann? Und vor allen Dingen: Was ist mein USP? Wenn ich meinen USP habe, habe meine Zahlen im Griff, dann kann ich erfolgreich in die Zukunft schauen.

Holger: Das Thema Digitalisierung in der Gastronomie, spielt das jetzt auch immer eine stärkere Rolle? Und was empfindest du in dem Zusammenhang?

René Kaplick: Es stagniert so ein bisschen. Wir haben vor drei, vier Jahren angefangen mit dem Thema Digitalisierung, haben uns damit beschäftigt, haben so round about 2500 digitale Tools weltweit uns angeschaut mit einem großen, starken Partner. Und da bin ich auch heute noch dankbar, dass ich diesen Einblick bekommen habe. Wir haben auch einen Testmarkt gemacht mit über 300 Kunden, die diese digitalen Tools einfach getestet haben, um zu gucken, ist das was für mich. Momentan sehe ich da aber, ich sag mal, eine leichte Bremse, weil wir bereiten uns auf einen Restart vor. Wir wissen noch gar nicht: Wo gehen wir einkaufen? Wieviel gehen wir einkaufen? Wie können wir in der Zukunft uns vernünftig hinstellen? Und ich finde es auch ein bisschen schade, dass wir nicht überlegen, wenn wir unsere Zahlen im Griff haben, wie können wir uns digital neu strukturieren, welche digitalen Lösungen passen eigentlich zu mir? Weil nicht alles, was digital angeboten wird, ist für mich machbar, umsetzbar, praktikabel. Und da muss ich mich halt auch noch beschäftigen. Also der Weg erstmal in die Zahlen, dann in den USP, in den Aufbau der Zukunft und wie können mir digitale Tools helfen, da muss ich mich ganz stark beschäftigen. Und da ist gerade gefühlt ein bisschen Ruhe eingekehrt.

Holger: Dieses Außer-Haus-Geschäft, also dass man über Seiten bestellt und dann die Dinge gebracht bekommt, ist das ein Thema, was noch weiter und stärker kommt? Oder erwartest du, wenn wir wieder in normale Fahrwasser hineinkommen, dass sich das wieder normalisiert und wir dann doch eher am Tisch sitzen? Oder ist das möglicherweise sogar ein Zusatzgeschäft, was dann neben dem normalen Geschäft weiterhin bleiben wird?

René Kaplick: Viele haben ja früher gar keinen Lieferservice gemacht und denken jetzt darüber nach oder haben darüber nachgedacht, das aufzubauen. Ich glaube, dass 20 bis 30 %, die jetzt einen Lieferservice haben, danach den Lieferservice einstellen werden, weil sie ihre Gäste wieder vor Ort bedienen möchten. Wo aber vielleicht ein Umdenken in den Köpfen passieren muss, ist: Wie biete ich diesen Lieferservice an? Gehe ich vielleicht mit eigenen Fahrern raus oder muss ich andere Plattformen reich machen? Kann ich nicht die Marge, die ich habe, bei mir so einkalkulieren, dass ich mir da selber eine Strategie aufbaue, um erfolgreich zu sein? Oder gehe ich nur aufs Abholgeschäft und werde das noch ein bisschen besser über einen Google-Button – man kann ja heutzutage, ohne dass man einen großen Partner braucht, bei Google seinen Liefer- oder Abholservice implementieren. Und das kostet mich kein Geld. Da muss ich überlegen: Was ist strategisch für mich richtig? Habe ich eine Auslastung? Kann ich mein Personal überhaupt dafür einsetzen oder brauche ich zusätzliches Personal? Das ist wieder die Frage, und das haben wir Holger ganz zu Anfang gesagt, eine Budgetplanung. Ich muss meine Zukunft so planen, dass ich weiß, ich habe vielleicht eine 60-prozentige Auslastung, vielleicht habe ich eine 80-prozentige Auslastung, vielleicht habe ich sogar 100 Prozent Auslastung? Wenn ich dann zusätzlich das Geschäft habe, was ich jetzt akquiriert habe, wie kann ich das überhaupt umsetzen? Schaffe ich das oder schaffe ich das nicht? Und dann muss jeder auch selber für sich entscheiden, ja, ich schaffe das oder ich stelle das erstmal wieder ein oder vielleicht sogar auf eine Sparflamme. Also da kommt eine Bestellung rein: Sorry, tut mir leid, heute ist der Gänsebraten aus. Sie können aber gerne morgen wieder bestellen. Da bereiten wir neu für Sie zu.

Holger: Eindeutig die Botschaft ist: Die Flaute, die wir jetzt haben, ganz egal, setzt schon mal die Segel und richtet sie aus. Und die könnt ihr nur richtig ausrichten, wenn ihr eine Transparenz auch im Thema Zahlen, Daten und Fakten habt. So habe ich das richtig vielleicht verstanden, oder würdest du das noch ergänzen?

René Kaplick: Vielen Dank für die Zusammenfassung!

Holger: Perfekt! Und bevor wir jetzt ins erste Bier einsteigen, Markus, dass jeder im BierTalk auch noch merkt, dass du da bist: Hast du denn eine Frage an den René, die ich jetzt so zur Eröffnung noch gar nicht gestellt habe?

René Kaplick: Ja, hallihallo! Also erstmal auch nochmal von meiner Seite aus, schön, dass wir zusammen sind. Und war ja schon ganz spannend, wir sind jetzt schon ganz tief in das ganze Thema eingestiegen. Auf der einen Seite habe ich tatsächlich auch Lust auf ein erstes Bierchen, aber stelle ich auch gerne noch einen Moment zurück. Ich glaube, ich würde einfach gerne den René noch ein bisschen mehr kennenlernen, weil das ja auch wichtig ist für unsere Hörer, dass sie sich ein bisschen mehr vorstellen können, wie unser Pirat denn zu dem geworden ist, was er ist. Du hast ja erzählt, du bist Koch, du warst bei verschiedenen Brauereien. Wie können wir uns das denn vorstellen? Da ist der kleine René da irgendwann mit seinem Schulranzen durch Hamburg gerannt und hat sagt, Mensch, ich mache jetzt mal irgendwie Gastro oder eben wegen der Eltern? Wie kam das? Wie waren so deine Erlebnisse als Koch? Was empfindest du, wenn du an diesen Beruf denkst? Ist das für dich immer noch was Spannendes oder wie gehst du mit Köchen um? Also das würde mich interessieren. Und vielleicht nach dem Bier dann natürlich auch ein bisschen was zu deiner Arbeit bei den Brauereien, ist ja auch spannend im BierTalk.

René Kaplick: Wie bin ich dazu gekommen? Ich habe übrigens nicht in Hamburg meine Karriere angefangen, sondern ich habe sie in Brandenburg angefangen. Für mich gab‘s eigentlich gar keine Alternative. Ich weiß gar nicht, warum, für mich stand immer fest, ich werde Koch. Früher wollte ich auch nicht Feuerwehrmann oder Müllmann werden, sondern ich wollte immer Koch werden, weil mich das schon immer fasziniert hat. Ich bin in der ehemaligen DDR groß geworden. Ich habe nicht ans große Reisen gedacht, sondern ich habe einfach immer dran gedacht: Okay! Ist cool. Wenn dein Vater abends nach Hause gekommen ist, der hat dir mal ein Baiser mitgebracht, der hat dann über seine Erfahrung aus seinem Job, er war in einem großen Hotel, es war einfach spannend. Ich fand den Umgang einfach auch immer toll, auch mit den Menschen. Dann bin ich in die Lehre gekommen und dann flogen die ersten Pfannen. Dann habe ich gedacht: Hey scheiße, wo bist du hier hingekommen? Ist das jetzt so cool? Weil du hast was nicht richtig gemacht, da wurde dann nicht mal „Du, du!“ gesagt, sondern dann kam gleich eine Pfanne geflogen und dann musstest du auf einmal, weiß ich nicht, den Speiseaufzug, den Schacht sauber machen. Und ich kann euch sagen, ich habe den Geruch immer noch in der Nase. Das war dann so der erste Weg. Und dann ging‘s über Berlin, die Mauer war weg, in Berlin gearbeitet, im InterConti, dann nach England gegangen. In Berlin dann wieder zurück. Das große Glück gehabt in einem großen Team dann den ersten Michelin-Stern mit zu erkochen. Ich war damals Gardemanger, also ich war in der Kalten Küche. Das war Wahnsinn, also dieses Feeling. Ich möchte das nicht missen. Ich koche heute noch leidenschaftlich gerne und ich werde das auch nicht aufgeben. Und ich habe das ganz große Glück, dass meine Frau Griechin ist. Und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie vielfältig dann auch wieder die griechische Küche ist und was da Spaß in einem aufkommen kann. Aber mich haben die Arbeitszeiten damals so ein bisschen getriggert. Also wenn du morgens angefangen hast um 9, dann hast du bis um 11 die Vorbereitung gemacht, dann hast du die erste Pause gehabt, dann hast du dein Mittagsgeschäft gemacht bis 14 Uhr und dann durftest du erst mal wieder Pause machen. Dann bist du wieder um 17 Uhr offiziell gekommen, dann durftest du die Abendschicht machen. Aber wenn du deine Arbeit nicht geschafft hast, dann hast du von morgens um 9 bis abends um 22:30 Uhr gearbeitet. Und da hat keiner auf irgendwelche Arbeitszeitschutzgesetze geschaut. Das war anstrengend. Das war aber auch cool, das hat mich geprägt, weil arbeiten ist wichtig. Und ich habe mich da auch selber diszipliniert und auch für die Zukunft ein wenig geformt. Und dann ging‘s in Richtung Hamburg. Weil in Berlin war keine Arbeit mehr, dann ging‘s in Richtung Hamburg. Und dann halt wie gesagt, Darboven, Spirituose und dann Brauereien. Als ich dann in die Brauerei kam, um jetzt auf den BierTalk zurückzukommen, war in Flensburg, es war wahnsinnig groß für mich. Das war eine Welt, vorher die Spirituose, das war klar, ich war in der Champagne, wurde ausgebildet als Champagner-Botschafter, in Mexiko als Tequila-Botschafter. Das war cool. Aber auf einmal kommst du in so eine altgediegene grummelige Atmosphäre. Das andere war vorher so roter Teppich und Party und wie man sich das so vorstellt. Und dann habe ich eine andere Blickweise der Branche kennengelernt. Weil dann ging‘s dann um diese ganzen Finanzierungen, wie kann ich so ein Objekt machen, die Hektoliter. Dann musst du ausrechnen, mit soundso vielen Sitzplätzen kannst du soundso viel Hektoliter machen. Und Sicherheiten. Das hat mich richtig, richtig stark geprägt. Und da war dann auch der Entschluss, dass ich in der Abendschule dann auch eine kaufmännische Ausbildung nebenbei noch mache und habe mich ausbilden lassen zum Handelsfachwirt. Und jetzt, Markus, kannst du die nächste Frage stellen.

Markus: Jetzt haben wir auf jeden Fall Durst. Und normalerweise fängt ja der Gast immer an. Vielleicht magst du kurz erzählen, was du dir für ein Bierchen genommen hast und magst es unseren Hörern vielleicht ganz kurz vorstellen und was es für eins ist.

René Kaplick: Ich habe in Gedenken an meine Zeit bei Bernhard Schadeberg mich für ein Krombacher Pils entschieden, ein sogenanntes Fernsehbier, wie man ja immer so schön sagt. Das Einfache bei diesem Bier, aber auch das Interessante ist, du hast eigentlich eine wahnsinnig einfache Möglichkeit, dieses Bier zu präsentieren, weil es schmeckt fast jedem. Das ist so der Mainstream. Ich habe eure Podcasts ja gehört, ihr habt ja ganz, ganz viele verschiedene Biere, so die auch gelagert werden und so weiter. Und beim Krombacher sage ich mir immer, kannst du nichts falschmachen. Ich hatte das Glück, dass mein Nachbar die mir gerade gebracht hat gestern. Weil ich hatte nichts mehr, ich lebe auf dem Land. Und die Feuerwehrkameraden, die müssen immer mindestens zwei Kisten Vorrat haben an Bier. Und er rief mich an, sagte: Du, ist im Angebot, 9,90 Euro die Kiste. Ich sag: Komm, pack ein! Und dann kam er gleich rüber. Und so habe ich jetzt ein schönes, leckeres Krombacher von Bernhard Schadeberg.

Holger: Helmut Schmidt, der hat mal gesagt, es könnte ein Klischee sein, aber es könnte auch wahr sein. Und wenn man dich jetzt so reden hört, dann passt das ja: Freiwillige Feuerwehr, Leber- und Pupillen-Dauertest mit Krombacher Pils.

René Kaplick: Ja und Nein. Punkt 1: Ich bin in die Feuerwehr spät eingestiegen und habe dann so meine Feuerwehrkarriere gemacht. Also du kommst ja dann irgendwie, wenn du das erste Mal da bist, das ist hier bei uns auf dem Land die einzige Kneipe auf dem Dienstag früher gewesen, wo du dann mal ein Bier trinken kannst. Ja, und dann tritt doch ein, tritt doch ein. Punkt 1 ist: In Brandenburg ist in der Feuerwehr, bei uns jedenfalls, also da trinkst du immer Berliner, das ist ganz fest. Und dann gibt’s immer, wenn wir uns dann mal treffen, so eine schöne Feuerwehr-Marmelade. Kennt ihr Feuerwehr-Marmelade?

Holger: Überhaupt nicht.

Markus: Nö!

René Kaplick: Das ist das Geilste. Da macht man übrigens Zwiebeln obendrauf.

Holger: Ach so! Das ist sozusagen ein Mettbrötchen mit Zwiebeln, oder?

René Kaplick: Jawoll! Jawoll! Die sogenannte Feuerwehr-Marmelade. Und das ist cool. So ein Mettbrötchen mit Zwiebeln, Salz und Pfeffer, ganz frisch gewolft, und dann ein schönes Pils dazu, das ist – ganz ehrlich – ich brauche nichts anderes.

Holger: Da stimme ich dir auch zu. Das kenne ich auch von zu Hause. Ich bin ja auch ein Kneipenkind. Also bei mir gab‘s noch keinen Maxi-Cosi, aber so ungefähr habe ich auch irgendwo gelegen. Das gab‘s bei uns auch. Also halbes Mettbrötchen mit Zwiebeln und dann noch Salz und Pfeffer und ein schönes KöPi. Oder eben von meiner Mutter selbstgemachte Frikadellen und die noch warm. Und die waren noch nicht ganz draußen, also quasi von der Küche an die Theke gestellt worden, da waren die weg. Da kommen jetzt Bilder hoch und Gerüche und Geschmäcker und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Ich glaube, ich brauche ein Bier.

René Kaplick: Holger, Frikadelle mit Senf oder mit Ketchup?

Holger: Bei mir immer Senf. Immer Senf und dann auch möglichst scharf. Also gerne auch dann so Löwensenf Extra strong, das mag ich gern. Manometer, also jetzt ist aber alles hier an Drüsen im (unv. #00:16:11.0#)

René Kaplick: Warte mal, wenn wir über das Barbecue reden und über die ersten Briskets und Spareribs, die ich immer super-gerne mache. Aber ich wollte noch eins ganz kurz reinwerfen. Natürlich lag ich in meinem Alter nicht im Maxi-Cosi, meine Tochter lag im Maxi-Cosi. Und ich habe dieses Maxi-Cosi sinnbildlich für die jetzige Generation, die uns auch hört. Also ganz ehrlich, ich weiß nicht mal, ob ich in einer Bierkiste lag oder in der Gemüsekiste. Also irgendwie war ich immer da.

Markus: Jetzt ist mein Kopfkino auch an. Ich muss auf jeden Fall jetzt mal ein Bier aufmachen, Holger. Ich komme dir jetzt einfach mal eiskalt zuvor, weil jetzt habe ich einfach mal Durst. Du kannst ja noch deine anderen Säfte, die gerade so wallen, verschlucken. Also ich mach mal hier auf. Und ich habe mir auch diesmal einen echten Klassiker ausgesucht. Und zwar habe ich mir gedacht: Gerade, wenn es eben darum geht, jetzt mal über den Zustand der Gastronomie auch zu sprechen und über die Zukunft und über die doch auch schwierige Zeit gerade, da macht es Sinn wirklich, sich vielleicht auch mal mit einem Bier zu beschäftigen, was man eben in den meisten Gastronomien auch antrifft. Ich bin halt ein bisschen weiter südlicher, deswegen ist es bei mir kein Krombacher Pils geworden, sondern ein schönes Augustiner Hell. Was ich wirklich auch immer wieder gerne mal trinke. Ich habe mir dafür jetzt sogar ein schönes spezielles Glas genommen, nämlich das Pilsglas von Spiegelau, wo das ganz besonders schön perlt und strahlt und man diese wunderschöne Farbe sieht. Und jetzt kommt mir auch der Geruch entgegen, wirklich so richtig schön ausgewogen, ein bisschen grasig vom Hopfen, und dann eben so ein bisschen Honig, Getreide. Vom Malz für ein Helles eigentlich sehr, sehr intensiv. Ich probiere mal ein Schlückchen. Ah! Wunderbar! Schön, ich freue mich auf den ersten Tag, wenn ich wieder in der Gastro sitzen kann. Habe ich schon mit Freunden ausgemacht. Also sobald die wieder aufmachen dürfen, da stehen wir um acht Uhr früh, wenn’s aufgemacht wird, vor der Tür, gehen rein und sitzen dann so lange, bis die wieder zumachen müssen. Um das einfach aufzuholen, was da jetzt alles stehengeblieben ist. Also auf jeden Fall ein tolles Bier. Ich stoße auf euch beide an, sage Prost und bin gespannt, Holger, was du jetzt dann hast in deinem Glas.

Holger: Mensch, das ist wirklich sehr ungewöhnlich. Ganz am Anfang haben wir ja immer uns auch so ein bisschen gegenseitig raten lassen. Und auf ein Augustiner Lagerbier Hell bei dir wäre ich jetzt echt nie gekommen. Das muss ich ganz klar sagen.

Markus: Auch ich kann dich noch überraschen. Schau!

Holger: Jetzt sind wir schon so lange verheiratet und du kannst mich immer noch überraschen. Das ist wirklich einmalig, wirklich einmalig. Und Augustiner ist auch einmalig. Also das muss man auch nochmal sagen, das ist ja hier in München der Mittelpunkt der Bierwelt. Und da will ich jetzt niemandem auf die Füße treten. Ihr wisst ja, ich bin auch großer Giesinger Fan, um das auch zu sagen. Und auch die anderen, alle machen tolle Biere, aber Augustiner Bräu München, das ist schon was Geniales. Und auch sowieso, alles, die Stiftung, kein Marketing, kein Trend irgendwie, sondern immer nur einfach sein Ding machen, gutes Bier raushauen und die Leute erfreuen. Und mittlerweile kriegst du ein Augustiner Hell selbst an irgendeiner Tanke in Hamburg. Da kannst du mal sehen, wie toll die Münchner auch sind, selbst für die Preußen tun sie was Gescheites. Aber jetzt zu meinem Bierchen. Also ganz anders und gibt’s jetzt auch überhaupt keine Herleitung. Und ich kann gar nicht erklären und ich habe jetzt das Bier genommen, weil … und auch ein weiterer Klassiker. Es ist ein weiterer Klassiker, aber ich habe mir eigentlich gar keine Gedanken gemacht, sondern ich habe mir das Bier einfach nur gegriffen, weil ich darauf grad Bock habe. Weil hier München ist gefühlt Frühling, also wir haben hier Frühling, also Wahnsinn, so ein tolles Wetter und warm. Also richtig schön. Und deshalb habe ich mich für ein Wit-Bier entschieden. Und zwar ein Klassiker, wie schon erwähnt, Hoegaarden Wit Blanche, in einer 0,25er Flasche. Ich habe mir ja gedacht, ich bin der Nächste, deshalb habe ich es schon aufgemacht. Aber ich nehme jetzt mal einen Schluck. Es ist ein trübes Bier, so eine schöne goldene Farbe, trübe goldleuchtende Farbe. Die Schaukrone, so richtig feinporig fest, voluminös. Und dann hat man, wie das sich für ein schönes Wit-Bier auch gehört, so eine Orangen- und Koriander-Note in der Nase. Also das ist das, was man wirklich rausriecht. Natürlich sind auch die Weizenbier-Aromen deutlich wahrzunehmen. Es gibt aber auch so eine Frucht-Aromatik. Man kann sich so an Zitrusfrüchte auch erinnern. Und dann hinterher im Antrunk kommt noch eine leichte Würze durch. Dann natürlich auch da der Koriander und die Orangenschalen sind deutlich raus zu schmecken. Ja, es ist ein Weißbier, Weizenbier, hat eine Trockenheit so im Nachtrunk. Macht in jedem Fall Lust auf einen zweiten Schluck. Und das ist es doch, oder? Also, wenn man jetzt sagt, was ist ein gutes Bier, dann ist die Antwort: Es macht Lust auf den zweiten Schluck. Also René, (unv. #00:20:49.7# trink?) nochmal einen Schluck Krombacher.

René Kaplick: Ich kann euch nur eins sagen. In der Zeit, wo ihr zwei Bier vorgestellt habt, habe ich die erste Halbliter-Flasche leer. Und ich weiß gar nicht, warum ihr so lange schnackt, weil Bier muss doch einfach nur schmecken, oder?

Holger: Kein Widerspruch. Ich bin ja in der Zeit der BierTalks sozusagen durch so eine Metamorphose gegangen. Ich musste ja anfangs immer sagen: Bitte, bitte Bier, Bier, Bier! Und er hat dann immer gelabert die ganze Zeit und hat dann also nur über irgendwelche Themen und so. Und ich habe mich da irgendwie wahrscheinlich zu stark angepasst. Du hast recht.

René Kaplick: Holger, ich biete dir jetzt was an. Du kommst zu uns in den Podcast und wir sprechen 3 Stunden über 200 Biere. Und ich möchte, dass du diese 200 Biere vor dir hast und sie alle hintereinander trinkst. Und ich bin gespannt, wie du dann bei dem 200. Bier die Beschreibung des Biers durchziehst.

Holger: Hahaha! Wahrscheinlich brauche ich dann nicht mal 200. Also ich kann einiges vertragen, würde ich jetzt behaupten, aber 200 Biere, die kann ich dann nur verkosten. Sowie der Markus das dann, der gibt da ja immer an, wenn er dann im Judge in irgendeinem Wettbewerb ist, dann sagt er immer: Also wir machen so am Tag 70 Biere. He-he! Natürlich schlucken wir auch, weil wir sind ja keine Wein-Fuzzis. Ha! Das sagt der immer. Oder, Markus?

Markus: Naja, ganz so sage ich es nicht, aber natürlich muss man jedes Bier probieren. Das ist ja logisch. Man muss sich ja irgendwie einen Eindruck davon verschaffen. Aber es geht halt auch um die Disziplin drumherum. Auf jeden Fall wäre das, glaube ich, dann zumindest für einige Zeit dein letzter Podcast. Und eurer, für René wahrscheinlich einer der beliebtesten, wenn man das so mitverfolgt. Aber vielleicht an der Stelle mal noch an dich die Frage, René, inwiefern spielt denn Bier in deiner Arbeit in der Gastroberatung eine Rolle? Also ist das, zum Beispiel, wenn man auf die Zahlen und Fakten schaut, ist das in der Gastronomie ein Punkt oder ist das eher so ein Durchlaufposten? Und erkennst du, dass es vielleicht Gastronomen gibt, die mit dem Thema Bier anders umgehen, da vielleicht auch mehr daraus machen oder eben nicht oder so? Das würde mich mal interessieren, ob du da irgendwie Entwicklungen absehen kannst oder wie man dem Thema Bier da begegnet in der Beratung.

René Kaplick: Rein theoretisch müsste ich ja sagen, Bier ist ein ganz wichtiges Thema für mich, weil ich komme aus der Bierbranche, ich weiß genau Bescheid, ich weiß, wie man Bier zapft, ich kenne die Hygienevorschriften, ich kenne dieses, wie gehst du damit um, was machst du mit den Leitungen. Aber ich kann euch sagen, in zehn Jahren, in zehn Jahren Gastro Piraten, also wir sind länger am Markt, aber trotzdem, die letzten zehn Jahre nicht ein einziges Mal hat mich jemand etwas über Bier gefragt, noch nie. Und ich glaube, auch in den nächsten zehn Jahren, außer der Podcast wird jetzt viel gehört, wird mich keiner fragen. Bier und das ganze Drumherum ist immer eine Kopfsache. Seid mir nicht böse, aber in der Gastronomie, wer zahlt die meiste Kohle? Und das finde ich wahnsinnig traurig, weil wir uns damit auch ein bisschen einschränken. Und das könnte mal zum Thema werden, dass wir sagen, wenn du nicht die Finanzierung der Brauerei brauchst, also lieber Herr Schadeberg, ich mag Ihr Bier und ich mag auch Ihre Finanzierung, aber trotzdem, dass man da mehr Freiheit bekommt, dann könnte es spannender werden auch in der Gastronomie-Landschaft. Aber solange es immer noch so, die Brauerei zahlt, ich nehme deren Bier, ist bei uns noch nie ein Thema das Bier gewesen.

Markus: Nur nochmal kurz als Nachfrage. Das heißt also, du erlebst es so, dass die Gastronomien sowieso an eine Brauerei gebunden sind und dass einfach durch Langfristverträge, durch Finanzierung so zementiert ist und dann müssen sie auch das Bier abnehmen, müssen es auch bezahlen zu den Preisen, die da vorgeschrieben sind, und deswegen ist das einfach ein unumstößlicher Faktor, an dem man dann auch nicht rüttelt, sondern da baut man dann halt drum rum?

René Kaplick: Ich sag mal, gut zusammengefasst. Aber nochmal, die Frage war ja, was ist bei dir in der Beratung das Thema Bier? Bei mir in der Beratung ist das Thema Bier null und nichtig, noch nie, wirklich noch nie jemals besprochen worden. Ich finde es sehr spannend, aber ich werde da auch nicht darüber sprechen, weil ich sag mal, bei einer Existenzgründung, da geht’s ums Konzept, da geht’s um die Speisen. Da geht’s natürlich auch um die Getränke, was brauche ich für Weine, vielleicht auch das Bier. Ich will das jetzt nicht nach unten nehmen, sondern man muss überlegen, was will ich darstellen. Vorhin ja auch mal gesagt, der USP. Aber es gab, nochmal, Markus, und ich denke jetzt auch gerade selber darüber nach, warum habe ich eigentlich in den letzten zehn Jahren nie über das Thema Bier gesprochen bei einer Beratung, vielleicht werde ich das jetzt durch euch, Markus und Holger, durch dieses Gespräch hier mal aufnehmen. Aber ich glaube, dass das in der Unternehmensberatung in der Wertigkeit ganz weit unten ist, weil wir beraten ja auch nicht, wie kriegst du das meiste Geld von einer Brauerei oder aus der Spirituose, sondern wir beraten ja, wie wirst du erfolgreicher Gastronom. Und da ist ja nicht das Bier das Ausschlaggebende, sondern die Vision desjenigen, der das Restaurant oder das Hotel aufmacht.

Holger: Aber das ist wirklich spannend, dass du das sagst. Und das empfehle ich sehr, dass ihr das aufnehmt aus verschiedensten Gründen. Also erstmal, glaube ich, nach wie vor in der Gastro spielt eine Rolle, wie wird der Gast angesprochen, wie fühlt er sich wohl, wie wird er willkommen geheißen, wie geht die Servicekraft mit dem Gast um. Und so wie du es beschreibst, sorry, dass ich das so sage, aber genau daran krankt die Gastronomie und schafft sich damit aus meiner Sicht auch selber ab. Weil es ist eigentlich nicht mehr, sage ich mal, die Kultur des Gastgebers im Vordergrund, sondern es ist im Vordergrund, wie hole ich am meisten aus dem Betrieb raus. Ich glaube, dass gerade das Thema …

René Kaplick: Nein, da möchte ich sofort widersprechen. Es geht nicht darum, wo hole ich das meiste Geld raus. Aber mal ganz ehrlich, machen wir die Diskussion auf, ist es egal, ob ich ein Paulaner oder ein Erdinger am Hahn habe oder ob ich ein Krombacher oder ein Warsteiner oder ein Flensburger oder ein Bitburger am Hahn habe, Radeberger? Das ist doch nachher nicht die Entscheidung des Gastes, ob er zu mir kommt. Die Entscheidung des Gastes ist doch, mein Interieur, mein Personal, meine Ausrichtung, meine Speisekarte, bin ich mediterran, bin ich Grieche, bin ich Italiener, bin ich Deutscher, das ist doch, was nachher entscheidet. Die Diskussion, die im Vorfeld entsteht, wer gibt mir das meiste Geld, bei der bin ich ja nicht dabei. Und die ist ja nicht ausschlaggebend, ob ich nachher Gäste bekomme. Und ich glaube nicht, dass das jetzt ein Thema ist, wo ich sage, dass wir dadurch die Gastronomie anders sehen oder anders wahrnehmen sollten.

Holger: Für mich ist es eine Haltungsfrage, René. Also das hat einfach mit einer bewussten Wahrnehmung zu tun. Und ich finde schon, das ist ein Unterschied. Wenn ich jetzt irgendwo reingehe und mir ein Bier bestelle, und da gebe ich dir auch recht, also ich will jetzt, weiß ich nicht, zu einem Chinesen gehen oder zu einem Griechen, und der hat halt das Bier am Hahn, wo er eben eine vertragliche Bindung hat, und dann gehe ich da rein, weil ich möchte gern griechisch essen. Aber wenn ich dann mein Bier wirklich in einem richtigen Glas mit der richtigen Temperatur, optimal gezapft und dann auch noch vielleicht beim Servieren das Logo nach vorne gedreht bekomme und eine Servicekraft sagt mir, Mensch, zum Wohl, und kommt vielleicht sogar auch noch mal nach drei Minuten und sagt, hey, schmeckt dir das Bier, oder kennt mich, weiß auch, ich trinke immer Pils, jetzt haben sie aber auch noch ein anderes Bier und vielleicht zwei oder drei andere Biere am Zapfhahn, und sagt, Mensch, Holgi, möchtest du nicht mal was Neues ausprobieren? Also ich möchte dir einfach mal einen Probeschluck servieren, weil wir haben da ein neues Weißbier bekommen und ich kenne dich und ich weiß ja auch, was du bestellst gleich zum Essen, und ich kann dir nur sagen, das ist eine Offenbarung im Food Pairing, dann gehe ich da raus und denk mir: Wow! Wow! Und das macht keiner mehr und das ärgert mich. Da müsst ihr als Gastro Piraten mal die Segel setzen in der Richtung.

René Kaplick: Ich stimme dir zu. Aber jetzt stellen wir uns doch mal folgende Situation vor. Ich trinke ein Krombacher, wir sind jetzt, ich sag mal, in Krombach, ein kleiner Ort. Jetzt stell dir doch mal vor, der – weiß nicht – „Hotel zum toten Hirschen“ mit einer kleinen Gaststube dabei, der bietet auf einmal Bitburger an. Was denkst denn du, was dann passiert? Kommen dann die ganzen Krombacher zu ihm, weil er dann auf einmal Bitburger hat, weil die sagen, ich will mal eine Alternative hier in der Gastronomie haben? Wir müssen ja schon wieder fünf Schritte weiterdenken. Wenn wir, ich sag mal, auf dem flachen Land sind, dann entscheide ich mir das. Aber wenn ich oben in Dithmarschen bin, will ich ein Dithmarscher Bier trinken. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich hier bei uns in der Region in Brandenburg ein Dithmarscher kriege, weil die Jungs in der Dithmarscher Brauerei, ich liebe die. Die haben wirklich ein wahnsinnig cooles Bier. Und vor allen Dingen haben sie es in der 0,33er Flasche und das ist bei der Feuerwehr verpönt. Da sagen die immer, das sind die Zündkerzen. Ich sage, dann trinkt doch 15 Zündkerzen mehr als so eine Halbe-Liter-Flasche, die dann, ich weiß nicht, nach fünf Minuten irgendwie abgestanden ist. Man muss doch immer auf die Regionalität gehen. Nicht jeder Bierkonsum ist ja in einem Restaurant gesteuert mit einer Vision des Bieres, sondern eher mit der Vision der Regionalität. Und wenn ich da jetzt reingrätsche und sage, nein, pass auf, du brauchst jetzt das wunderbare Bier mit Orangennote, (unv. #00:29:28.8# Flavor?) mit Kurkuma, das passt ja nicht überall. Also wir müssen schon die Kirche im Dorf lassen und sagen, es gibt wahnsinnig geile Biere, und eins, glaube ich, da sind wir uns darüber einig, jedes Bier in Deutschland ist nach dem Reinheitsgebot gebraut und dementsprechend eh mit einer Qualitätssicherung, in der wir sagen können, das schmeckt einfach nur okay, also wir müssen uns keine Gedanken machen, es gibt Biere, die schmecken mir nicht und es gibt Biere, die schmecken mir mega-gut, aber es gibt ja kein schlechtes Bier.

Holger: Aber das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe auch nicht von irgendwelchem, sage ich mal, von einem Sommelier-Schnack gesprochen, sondern ganz einfach, wie zelebriere ich die Bierkultur in meinem Gasthaus, wenn ich Bier frisch gezapft anbiete und wenn ich auch dafür mit der Qualität einfach da einstehe. Weil auch in der Schankanlage kann man viel falschmachen und dann ist das nicht mehr das Bier, was die Brauerei da gemeint hat. Ich kann auch Absatzförderung machen. Wenn ich meine Bierleitungen und die Schankanlage entsprechend warte, richtig einstelle, dann merkt das der Gast und letzten Endes habe ich dann auch mehr Bierabsatz. Sondern das, was mir fehlt, und da appelliere ich dafür, ist eben, dass man auch das Bier in solchen Beratungsgesprächen, wie ihr das macht als (unv. #00:30:42.9#), einfach wiederentdeckt, um Kundenbindung zu schaffen, um ganz klar mit dem Gast in eine aktive Kommunikation zu treten. Und nichts genialer ist Bier, also Bier ist ehrlich, bodenständig, Bier ist get together. Wenn ich dieses Thema zelebriere in einer qualitativ guten und eigentlich selbstverständlichen Art, egal was ich da am Hahn habe, dann kann ich mich anders positionieren als andere. Und das Gute ist ja, es macht überhaupt keiner mehr, weil kein Mensch mehr drüber spricht. Also lasst doch die Gastronomen damit anfangen, fangt an darüber zu reden in eurem Beratungsgeschäft, weil darüber differenzieren die sich.

Markus: Ich glaube, man kann das vielleicht noch eine Abstraktion höher ziehen, weil ich glaube, letzten Endes geht’s doch den Gastronomen drum, wenn er den Gast binden will, dass er ihn im positiven Sinne überrascht. Also dass er ihm ein Erlebnis bereitet, das man sagt, wenn man da dort war, das war jetzt noch besser, als ich erwartet habe, das hat mir Spaß gemacht, da habe ich jetzt ein Erlebnis, das nehme ich mit, und da gehe ich gerne wieder hin und da lade ich auch meine Freunde ein, damit sie auch so ein schönes Erlebnis haben. Und ich glaube, was die Gastronomen so ein bisschen aus den Augen verloren haben, ist, dass auch das Bier ein Vehikel zu diesem Erlebnis sein kann. Also es ist sicher nicht das einzige, aber eben auch. Also so wie einen Gruß aus der Küche kann man auch mal einen Gruß aus der Theke servieren. Und man kann ja entweder sagen, wenn ich die Möglichkeit dazu habe, ich habe ab und zu vielleicht mal irgendein besonderes Bier oder irgendein in irgendeiner Art und Weise halt anderes, als was ich normalerweise habe, und wenn mir das meine Brauerei oder mein Vertrag nicht gestattet, dann muss ich mich vielleicht mal innerhalb von einem Sortiment umschauen. Nehmen wir mal Krombacher, wenn du jetzt deinen kleinen Laden in Krombach hast, dann glaube ich, werden 99 % aller kleinen Läden in Krombach nicht das dunkle Hefeweizen von Krombacher haben. Und das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit zu sagen: Dann gibt’s eben da mal 0,1 oder 0,2 als Gruß von der Theke, und ich versuche da mal ein bisschen dieses Thema zu spielen, die Gäste zu überraschen, beim Food Pairing zu sagen, ihr kriegt jetzt da den kleinen Lachs mit irgendwas als Begrüßungshäppchen und dazu gibt’s dann eben so ein kleines Bierchen oder so. Einfach, um das auch noch mal als Möglichkeit zu nutzen, wie ich Erlebnisse und damit auch Kundenbindung generieren kann. Und mit relativ wenig Aufwand, weil Bier im Verhältnis eher ein günstiges Mittel ist, was man da einsetzen kann.

René Kaplick: Ich würde gerne Holger mal die Frage stellen: Wenn du jetzt, ich nehme mal drei Großstädte Berlin, München und Hamburg, wo würdest du denn empfehlen hinzugehen, wo die Bierkultur noch so zelebriert wird, dass du sagst, wow, Bier ist hier ein absolutes Highlight und wird so dermaßen getragen, dass man merkt, die verstehen auch was von Bier?

Holger: In Hamburg, also würden mir mehrere Sachen einfallen, aber würde ich jetzt herausheben, ist es die Elbphilharmonie mit all dem, was Störtebeker da auf die Beine stellt und auch, was da der Chef-Biersommelier Dennis Spahn mit seinem Team auf die Beine stellt, wo es eben (unv. #00:33:34.0#) gibt, wo du die Bierstile erklärt bekommst, wo du herangeführt wirst einfach auch an Geschmäcker, wo vielleicht der ein oder andere sagen würde, Mensch, so habe ich noch nicht mal einen Wein irgendwann mal getrunken. Weil Bier kann ja viel komplexer sein als Wein. Das würde ich da in jedem Fall empfehlen. In Berlin würde mir Brauhaus Lemke am Hackeschen Markt oder am Alexanderplatz einfallen. Das ist auch vom Ambiente her Biererlebnis pur. In dem Zusammenhang, hast du jetzt nicht aufgezählt, aber würde ich auch Bayreuth nehmen, also Maisel‘s Brauerei, Liebesbier ist für mich der Ort in Deutschland vielleicht neben Berlin-Mariendorf BrewDog, wo man auch architektonisch und alles in Richtung Innenarchitektur und da stimmt ja wirklich von der Glühlampe bis hin zur Zapfanlage alles, was das Thema Hopfen und Malz und Hefe und Wasser zu bieten hat. Und dann hast du, was hast du noch gesagt, Hamburg, Berlin und was hast du noch gesagt?

Markus: München.

Holger: München. Gut, in München würde ich einfach ganz normal klassische Bierhalle aufsuchen. Nehmen wir meinetwegen die Augustiner Bierhalle auf der Neuhauser Straße, das ist in meinen Augen eine schöne Atmosphäre, wo man wirklich noch eine typische Bierhalle erleben kann, jeden Tag, die so auch vor 100 Jahren schon existiert hat. Oder nimm das Bier- und Oktoberfestmuseum, ist auch eine Augustiner Gastronomie drin in einem sehr, sehr schönen kleinen, wie soll ich sagen, also es ist eine Museumsatmosphäre. Und auch die Schank hat so ein Flair. Also da gibt’s so viele Sachen, wo ich sage, es gibt ganz, ganz viele Stellen, aber das Gros ist eben so, dass man Bier nicht wertschätzt, überhaupt nicht im Fokus hat, nebenbei laufen lässt, und die Chancen, die da drinstecken, überhaupt nicht entdeckt. Und das ist ein Feld, wo es auch so einfach ist zu überraschen. Ich gebe dem Markus zu 100 % recht, sondern es ist ja immer einmal die Erwartung zu treffen und dann gibt’s das Thema, die Erwartungen zu übertreffen. Und das Gute an dem Thema jetzt grad, was wir diskutieren, ist: Bei Bier hat kaum einer mehr überhaupt eine Erwartung. Also es ist auch total einfach, mit ganz kleinen Schritten die Erwartungen des Gastes zu übertreffen. Und da weiß ich überhaupt nicht, warum ihr das Thema nicht spielt. Überhaupt nicht.

René Kaplick: Danke dafür. Und vielleicht müssen wir auch ein bisschen daran arbeiten. Holger Eichele hat mir einen Weihnachtskalender geschickt mit ganz vielen verschiedenen Bieren. Und ich konnte dann über diesen Weihnachtskalender auch mal wieder ganz viele verschiedene Geschmäcker testen. Das war echt spannend. Vor allen Dingen, weil ich alle zwei Tage dann nur versucht habe, mal ein Bier zu trinken. Und mein Nachbar kam, sagte, oh, kenne ich nicht, kenne ich nicht, und wir haben immer die Wette gemacht, du trinkst eins, ich trink eins, also wir tauschen immer aus und wir packen das natürlich ins Glas, war ja zu Corona-Zeiten, wir haben uns auch am Zaun getroffen, also wir waren jetzt nicht zusammen, und wir probieren mal. Und das war so faszinierend, wie dann auf einmal andere Geschmäcker kamen. Da waren Biere dabei, seid mir nicht böse, die konnte ich nicht mal einen zweiten Schluck trinken, die schmeckten einfach nicht. Aber es waren auch Biere dabei, wo ich gesagt habe, wow, schade, dass ich die hier nicht kaufen kann. Ich glaube, wir müssen alle, der Markus, der Holger und ich, mal in der Zukunft vielleicht noch weiter nach draußen gehen und zu sagen, wir müssen mal eine Botschaft verkünden, wir müssen den Leuten mal erklären: Was ist Bier? Wo kommt Bier her? Und was kann Bier ausmachen für deine persönliche Zukunft, im privaten und im geschäftlichen Bereich? Das finde ich, ist, glaube ich, eine Aufgabe, die ich heute hier bei euch gelernt habe, lieber Holger, lieber Markus, und die ich mir garantiert zu Herzen nehme.

Markus: Wenn dieser Podcast gesendet wird, dann nehmen wir einfach den Sonntag drauf, da treffen wir uns sowieso immer in Clubhouse und machen um 17:45 Uhr eine Runde, so ein bisschen einerseits Nachbesprechung des Podcasts und ein bisschen auch Themen rund ums Bier, und da können wir auf jeden Fall entsprechend schon mal darauf hinweisen und sagen, da können wir dann auch erstens selber in eine Diskussion gehen und zweitens natürlich auch mit anderen in eine Diskussion gehen. Das ist jetzt ein ganz guter Auftakt, weil ich glaube, wir können sehr viel von dir lernen und du kannst vielleicht auch das eine oder andere von uns mitnehmen und das dann auch in deine Kundschaft mit weitertragen. Und ich glaube, da können wir dann auch vielleicht in der Zukunft wirklich von allen Seiten profitieren und dann eben in einem halben Jahr, in einem Jahr, wenn dann auch wieder geöffnet ist und die ersten Erfahrungen wieder gesammelt worden sind. dann machen wir mal ein Update und erzählen den Leuten, wie sich das so entwickelt hat und was wir an spannenden Dingen getan haben. Bevor wir jetzt ganz zum Schluss kommen, möchte ich noch eines erwähnen, weil ich es einfach ganz schön finde, das ist nämlich auch das, worüber wir uns intensiver kennengelernt haben: Auf Clubhouse gibt’s ja schon seit Anfang Januar jetzt eine große deutsche Community und du hast dort einen Hotel- und Gastro-Talk mitinitiiert. Und aus diesem Hotel- und Gastro-Talk heraus ist dann eine Initiative entstanden, die dann jetzt schon ein Schulprojekt finanziert hat in Togo. Und das finde ich eine ganz, ganz tolle Sache, also erstens, dass du dich da so reingehängt hast und auch die Energie hattest das durchzuziehen und dran geglaubt hast und die Leute auch entsprechend motiviert hast, und andererseits natürlich auch, dass wir jetzt wirklich da alle uns freuen, dass das entsteht und wir einfach gerade in so einer Notsituation sagen, gerade dann kümmere ich mich darum, auch anderen, denen es noch viel, viel schlechter geht, eine wirkliche Zukunft zu geben. Und da möchte ich mich einerseits bei dir bedanken und vielleicht auch nochmal kurz dir das Wort geben, dass du zwei Takte dazu sagst. Und dann können für heute, glaube ich, Schluss machen, aber eben nicht final, sondern die Leute einladen, dann jetzt am kommenden Sonntag einfach mal in Clubhouse vorbeizuschauen um 17:45 Uhr im dortigen BierTalk Q&A.

René Kaplick: Ich kann nur Danke sagen, aber ganz ehrlich, ich habe einen Kloß im Hals. Ich habe schon wieder Gänsehaut, weil das Thema, du weißt, das hat mich bewegt. Wir haben über 80 Stunden live moderiert, um diese Schule zu bauen, aus der Hospitality Branche, alle haben sich zusammengetan. Und wir werden auch eine zweite und eine dritte Schule bauen. Ich kann euch nur sagen: Wenn Ihr wissen wollt, um was es da geht, dann sprecht mit dem Markus, sprecht mit dem Holger. Ich will es hier gar nicht ausweiten, weil ich habe einen Kloß im Hals, sorry. Ich kann darüber gar nicht mehr sprechen, ich bin nur so glücklich, dass es geklappt hat.

Markus: Dann werden wir alle Leute, die da Interesse haben, auf jeden Fall informieren. Ihr findet bei Bierakademie-Website auch dazu unter unserer Seite „Unsere Verantwortung“ einen Eintrag, dort könnt ihr auch selber Spenden beitragen und das Projekt verfolgen, also insofern immer auf dem Laufenden sein und euch eben auch beteiligen. Das würde uns sehr freuen. An euch beide dann für heute auf jeden Fall vielen, vielen Dank für eure Zeit, für die Diskussion und die durchaus spannenden Gespräche rund ums Thema Bier und in der Gastro und die Beratung dazu. Und Holger, hast du dein Bier mittlerweile leer? Oder was möchtest du als Schlusswort verlieren?

Holger: Unbedingt! Wenn ich jetzt doch noch das letzte Wort haben darf, dann würde ich sagen: Jetzt weiß ich, warum ich mich heute für ein belgisches Bier entschieden habe, weil das ist auch noch mal ein schönes Beispiel, wie eben Bierkultur zelebriert werden kann. Also wenn man in Belgien in so ein schönes Bier-Café geht, dann weiß man, da ist mehr möglich. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal. Tschüss!

Markus: Tschüss!

René Kaplick: Tschüss und haut eine Delle ins Gastro-Universum!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 21 – Interview mit Randolf Jorberg, Eigentümer der Beerhouse-Kette in Südafrika

Randolf Jorberg, geboren in Bochum, entschloss sich, nach einer Blitzkarriere im Digitalbusiness auf die richtige Seite im Leben zu wechseln und als Bierbar-Betreiber in Kapstadt ein neues Leben zu starten. Dort entstand das Beerhouse (beer.house), grellgelb angestrichen und mit über 100 Bieren am Hahn, schnell kamen zwei weitere Filialen dazu, bis ihn dann die organisierte Kriminalität und der äußerst strenge Lockdown inkl. sechsmonatigem Alkoholverbot auf eine schwere Probe stellten. Randolf ließ und lässt sich aber nicht unterkriegen, bewirtet seit einigen Wochen wieder seine Gäste und startete einen wohl einzigartigen Feldzug gegen die Mafia am Kap. Im BierTalk hört Ihr seine ganze Geschichte – und warum es im Beerhouse die beste Currywurst des Kontinents gibt…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute haben wir wieder ein Special, diesmal Nummer 20. Und die führen uns ja immer weit um den Globus und heute ist es so ein bisschen beides. Einerseits gehen wir nach Südafrika, andererseits gehen wir in den hohen Norden. Auf jeden Fall gehen wir zu Randolf Jorberg. Und das wird auf jeden Fall auch ein stammender BierTalk, wie immer mit mir dem Markus und …

Holger: … dem Holger.

Markus: Lieber Randolf, erstmal schön, dass du da bist. Toll, dass wir den Kontakt zu dir gefunden haben und heute deine spannende Geschichte hören. Vielleicht stellst du dich unseren Hörern einfach mal kurz selber vor, damit sie sich ein Bild machen können.

Randolf Jorberg: Ich bin Randolf Jorberg, Digital- und Bier-Unternehmer. Gebürtig aus Deutschland, im Ruhrgebiet geboren, an der Ostsee groß geworden und dann über Bochum endlich meine Heimat in Kapstadt gefunden. Dort betreibe ich, so es der Lockdown erlaubt, das Beerhouse. Das ist ein Biervielfalts-Experience-Bar-Konzept mit 99 verschiedenen Bieren, was ich seit 2013 führen darf. Da gibt es, glaube ich, ein, zwei, drei Geschichten, die ich aus dieser Zeit erzählen kann.

Markus: Wenn ich höre, 99 verschiedene Biersorten in Kapstadt und würde jetzt hier mit meinem Nachbarn in Franken darüber sprechen, dann würde der sagen: Wie, 99 verschiedene Biersorten? Das ist dann halt Becks und Heineken und Budweiser und sowas. Aber das glaube ich gar nicht, es gibt ja bestimmt spannende Biere in Südafrika. Wie hat es sich denn bei dir entwickelt und was kriege ich denn als Gast bei dir am Hahn?

Randolf Jorberg: Im Beerhouse gibt es tatsächlich the best of both worlds. Wir haben von Anfang an 99 verschiedene Biere gehabt und haben von Anfang an die Industriebiere wie auch die Craftbiere wie auch importierte Biere aller Art angeboten. Weil unser Anspruch ist, sehr inklusiv zu sein, nicht nur Craftbier und auch nicht nur World Beers anzubieten. Und wirklich den Gast dort abzuholen, wo er gerade ist, was ihm gerade schmeckt. Und dann Alternativen und neue Biere anzubieten, ohne aber jetzt den einen Freund, der vielleicht irgendwie auf das in Südafrika marktführende Black Label Bier schwört, vor den Kopf zu stoßen. Und im Endeffekt wirklich allen eine Möglichkeit zu bieten, sich im Beerhouse zu Hause zu fühlen.

Markus: Zum ersten Mal höre ich den Begriff Inklusion in Verwendung mit Bier. Aber ist spannend eben zu sagen, dann integrieren wir halt in eine breite bunte Palette auch so ein paar klassische Mainstream-Biere. Holger, du, Südafrika, ihr wart ja auch schon öfters mal zusammen sozusagen. Hast du da schon mal das Beerhouse gesehen, bist du schon mal drüber oder vielleicht sogar reingestolpert?

Holger: Ja. Also bin ich schon mal drin gewesen. Aber da haben der Randolf und ich uns noch gar nicht gekannt. Ich sag mal, Südafrika, das hat er ja gerade auch beschrieben, also Kapstadt hat ja eine unglaubliche Lebensqualität, die Lage der Stadt, auch die Stimmung innerhalb der Stadt, und man kann unglaublich viel erleben. In Südafrika sowieso, also muss man hinfahren. Wenn jemand die Gelegenheit hat das zu tun, unbedingt. Ich finde, das ist auch so ein toller Flug. Hier ab München geht’s abends weg, man fliegt zehn Stunden, es gibt keine Zeitverschiebung und ist einfach nur in der anderen Jahreszeit. Also wenn man jetzt quasi fliegen würde, hätte man Hochsommer. Ja, das wäre was. Also Corona ist halt scheiße, aber das wäre was, das auszuprobieren, was die Stadt zu bieten hat. Und der Randolf hat übrigens auch einen Blog gemacht und hat da verschiedene Reisetipps zum Besten gegeben, was man unbedingt machen muss, wenn man in Kapstadt und der Region ist. Und da lohnt es sich, auch rein zu schauen. Und ich habe die mal durchgelesen alle und das kann ich nur bestätigen. Dann hat er noch eine Cobra, also das ist so ein ganz tolles Auto mit einem Ford V8 Motor als Replika, in Lichtblau, glaube ich.

Randolf Jorberg: Mit gelbem Polster. Und ab 2021 wird es dann auch gelb umlackiert.

Holger: Also man kann es aushalten da, auf jeden Fall.

Markus: Klingt ein bisschen nach dem BVB oder nach einer Hummel. Ich weiß es noch nicht so ganz. Können wir ja gleich noch drüber sprechen. Vielleicht, Randolf, wir haben ja noch eine ganz tolle Premiere, weil wir haben zum ersten Mal einen BierTalk, in dem auch gegessen wird. Du bist, glaube ich, in den Endzügen deiner wohlverdienten Mahlzeit. Aber vielleicht lässt du uns kurz teilhaben, was du dir da rausgeholt hast, und vor allem, was du dazu trinkst.

Randolf Jorberg: Zum einen, weil es für mich einfach ein Standard mit Bier ist und zum anderen auch eine kleine kulinarische Liebesaffäre, habe ich heute mir eine Currywurst warmgemacht. Die ist jetzt zwar nicht so gut wie das, was ich gerne hätte, aber ich bin ja gerade nicht in Bochum oder in Kapstadt. In beiden Läden gibt es die aus meiner Sicht beste Soße, das Dönninghaus-Rezept, eine wirklich pikante Soße mit Wumms, die dann auch hervorragend zu einem IPA passen würde. Da ich heute jetzt aber so ein Supermarkt-Aufwärm-Ding hier habe, habe ich gedacht, kann auch ein etwas milderes Bier dazukommen. Und zwar ein Bier mit Geschichte, zu der ich emotionale Verbindungen in Südafrika gefunden habe, nämlich das And Union Sunday Pale. Bevor ich zur Currywurst komme, kurz zu And Union. Das ist eine Marke, die wurde vom absoluten Industriepionier Rui Esteves gegründet in Kapstadt. Er hat damals schon erkannt, dass Kaffee ein großes Ding wird und hat die heute größte Kaffeekette Vida e caffé gegründet, schon vor vielen Jahren. Und damit sozusagen den Markteintritt für Starbucks unmöglich gemacht, weil er schon das, was Starbucks ausmacht, viele, viele Jahre früher angeboten hat. Er war dann auch beim Thema Craftbier far ahead of the curve und hat wirklich mit in Deutschland in seinem Auftrag und nach seinen Rezepten gebrauten Bieren den Craftbier-Markt absolut vorbereitet und angeführt. Rui macht heute Mandelmilch, (unv. #00:06:12.7# Okay Jar?) oder so heißt die Marke. Und hat da, glaube ich, auch wieder einen guten Riecher. Ich muss ihm da einfach nur immer einen hohen Respekt zollen und aussprechen, da er doch tatsächlich den Markt in Südafrika vorbereitet hat und für mich auch in seinem Brew Pub zwei Blöcke von der Long Street entfernt gezeigt hat, dass es in Kapstadt in Südafrika Kunden gibt, die bereit sind, für besondere Biere mehr als doppelt so viel zu bezahlen wie für die Industriebiere von SAB. Hätte es das damals nicht gegeben, diesen Beweis, dass es Kundschaft für diese Biere gibt, hätte ich wahrscheinlich so etwas wie das Beerhouse damals nicht eröffnet. Dann kurz zu der Currywurst. Das hat auch viel mit meiner Geschichte zu tun. Bevor ich nach Kapstadt kam, bin ich von der Ostsee mit Ende der Schule nach Bochum gezogen mitten in das Partyviertel Bermudadreieck. Büro und WG waren über dem Café Konkret und über dem Union Kino. Und jeder, der sich da auskennt, weiß, das ist ein Weg von ungefähr 20 Metern. Genau dazwischen, auf dem Weg dahin befindet sich das Bratwursthaus. Und das Bratwursthaus ist die legendäre Currywurst-Bude, die von Herbert Grönemeyer in seinem Bochum-Song besungen wurde. Ich habe seitdem sicherlich in 80 verschiedenen Locations die Currywurst probiert, in vielen Ländern auf meinen Reisen, und ich habe auch bisher keine bessere Currywurst essen können. Von daher war es auch damals in der Aufbauphase vom Beerhouse so, dass, als ich den Leuten bei einem Braai, also einem Barbecue, einem Grillabend, von meinem Plan, das Beerhouse zu eröffnen, erzählt habe und dort Currywurst anzubieten, dass auf einmal jemand zu mir kam, die Gastgeberin, und meinte: Von dieser Dönninghaus hätte ich ja hier auch das Soßenrezept da. Und dadurch bin ich in den Besitz eines Scans von einem gestempelten Top-Secret-Rezept für die Original Dönninghaus-Soße gekommen, die auch heute sozusagen leicht abgewandelt so im Beerhouse noch angeboten wird. Was aus meiner Sicht natürlich so einen Teil meiner Liebeserklärung an die Currywurst ist. Aber jetzt soll’s doch um Bier gehen, denke ich.

Markus: Ja, auf jeden Fall! Trotzdem, sehr, sehr spannend. Und ich bin ja auch ein großer Freund der Currywurst und habe sie auch in verschiedenen Orten auf der Welt schon probiert. Zugegebenermaßen noch nie in Bochum, das werde ich nachholen. Bochum und Schwarz-Gelb, passt das zusammen?

Randolf Jorberg: Das Gelb habe ich nicht aus Deutschland mitgebracht, sondern das ist tatsächlich eine südafrikanische Geburt. Das war auch damals in der Aufbauphase des Beerhouses. Der Name stand, aber das Logo noch nicht. Und in dem Schaffensprozess war klar, wir brauchen eine Signalfarbe. Es war halt ganz einfach: Bier ist gelb. Damit war dann klar, dass das Gebäude, in dem wir sind, komplett gelb angemalt werden muss. Irgendwann hat es sich dann auch ergeben, dass meine Garderobe immer gelber wurde. Und mein allererster Anzug, den ich mir jemals gekauft habe, wurde auch ein gelber. Seitdem sich das eigentlich in meiner Garderobe befindet, hat die Farbe komplett überhandgenommen. Und ich habe jetzt, glaube ich, seit locker drei Jahren keinen Tag gehabt, wo ich nicht mindestens ein, zwei, drei gelbe Teile trage. Mein Auto ist gelb, mein Wohnhaus ist gelb angemalt worden. Das ist tatsächlich inzwischen zu einem dominierenden Thema meines Lebens geworden.

Markus: Das klingt ja nach dem Lieblingsort für Holger. Wie schaut’s denn bei dir aus mit einem Bierchen und welche Currywurst wünschst du dir jetzt?

Holger: Ich kann nur sagen, goldgelb im Glas. Ich weiß gar nicht, haben wir überhaupt schon auf die absolute Weltpremiere im BierTalk hingewiesen? Ich glaube, wir haben im BierTalk jetzt noch keine Speise mit Bier kombiniert. Da macht der Randolf jetzt den Anfang. Ich bin natürlich ein bisschen neidisch, dass ich jetzt keine hier habe, sondern eben nur das Bier. Aber das Bier ist natürlich was ganz Besonderes, was ich hier vor mir habe. Und zwar ist das mein Lieblings-Helles. Das ist nämlich ein Hohenthanner Tannen Hell. Es steht so richtig schön goldgelb im Glas, verbreitet schon so einen frischen, blumigen Duft und hat so eine feine Zitrusnote. Wenn man jetzt ein Schlückchen trinkt, dann ist das so eine richtig tolle Malz-Aromatik, wo es so eine milde Hopfung gibt, die wunderbar ausbalanciert ist. Ja, man denkt einfach an eine schöne Blumenwiese und ist so richtig schön in dieser Malz-Aromatik umarmt. Man könnte jetzt den Eindruck haben, wir haben es irgendwie abgestimmt, damit ich wieder über mein geliebtes Ruhrgebiet sprechen kann. Haben wir aber nicht. Ich habe das wirklich nicht gewusst. Für mich war der Randolf verortet in Kiel und in Kapstadt und Bochum und dann noch Bermudadreieck und so, Bratwursthaus. Das ist was ganz Besonderes. Hat ja auch so ein Herbert Grönemeyer in seinem berühmten Currywurst-Song besungen. Glückauf!

Randolf Jorberg: Prost! Und Bochum, …

Markus: Ja, dann!

Randolf Jorberg: … ich komme aus dir.

Markus: Na, dann Prost ihr zwei! Wunderbar! „Hoch die Tannen!“, kann man da nur sagen. Ich habe ja auch ein schönes Bierchen, ich schenke es mal ein. Und zwar habe ich mir ein bisschen was aus einer anderen Ecke ausgesucht, wobei ich euch quasi ein bisschen näherkomme, wenn man das von Franken aus sieht. Weil ich nämlich gedacht habe, ich nehme mir mal ein belgisches Bierchen. Und habe mir eine ganz klassische Oude Geuze von Boon eingeschenkt, die ganz tolle Apfel- und Birnen- und Most-Aromen hat. Man riecht auch so Apfelschale, so ein bisschen die derben Aromen, ein bisschen wilde Hefe natürlich, das gehört dazu, Holz-Aromatik, Zitrus, sehr frisch. Und wenn man das trinkt, sehr erfrischend, viel Kohlensäure, schönes Spiel zwischen so ein bisschen röstiger Süße und dann dieser Säure. Und am Ende dann der alte Hopfen, der eine schöne Bittere gibt. Also ein ganz, ganz hervorragendes Bierchen, sehr, sehr schön und sehr, sehr spannend. Dann würde es mich total interessieren, Randolf, wenn wir jetzt sagen, du bist in Deutschland, vielleicht wenn du da noch kurz erzählst, wie du dann von da so den Absprung geschafft hast. Du hast ja erzählt, du warst auch in der Software-Ecke unterwegs. Und wie ging das dann in Südafrika los? Warum macht man da ein Beerhouse auf und was erlebt man da?

Randolf Jorberg: Tja! Ich habe 98 Gulli.com gegründet, 2008 das recht erfolgreich verkauft. Dann in dem Jahr habe ich aus meiner Exit-Party heraus dann den OMClub gegründet, das ist einmal im Jahr eine Riesenparty für die gesamte Online-Marketing- und Digital-Branche in Köln. Und auch den 3gstore, also ein E-Commerce, wo wir das iPhone ohne Vertrag verkauft haben. Was ich beides von 2008 bis 2011 und darüber hinaus betrieben habe, um dann durch den OMClub festzustellen, dass mir das Thema „Menschen betrunken machen“ doch relativ gut liegt. Und dieser Kindheitstraum oder Jungen-Traum oder wie auch immer, doch meine eigene Bar zu haben, war immer irgendwie nahe am Herzen. Dann 2012 wurde ich Vater in Kapstadt und damit war auch klar, dass ich jetzt Vollzeit in Südafrika leben werde. Während ich davor immer so Sommer-Sommer gemacht habe, also immer mit den Jahreszeiten wie eine Schwalbe hin und her geflogen bin, war dann klar, jetzt baue ich vor Ort etwas auf. Da war es dann eben die Beobachtung, dass der Biermarkt sich signifikant verändert, die Bars und Restaurants vor Ort aber nicht damit Schritt hielten. Es gab nämlich in jedem Restaurant nur ein, zwei, drei Biere vom Fass und drei, vier Flaschen, und auf der anderen Seite gab‘s aber immer mehr Auswahl und auch ein gutes Angebot an Importbieren, nur eben nirgendwo unter einem Dach. Ich hatte damals dann in den USA bei Freunden mitbekommen, dass es jetzt eigentlich Mainstream ist, in Bars zu gehen, wo mindestens 40 Biere im Angebot sind. Und dann habe ich halt eben nur eins und eins zusammengezählt und gedacht, da müsste man doch ein Erlebnis drumherum schaffen, ein Tasting-Erlebnis, ein kuratiertes Bier-Erlebnis, wo eben den nicht so Bierkundigen diese große Bierauswahl schmackhaft gemacht wird. Dazu noch das passende Speisenangebot, also nicht nur Currywurst, sondern auch noch Pairings dazu und ähnliches. Damit stand das Konzept für Beerhouse und ist dann eben auch zusammen mit einem Team, was sich eingefunden hat, umgesetzt worden und am International Beer Day, dem 2. August 2013, eröffnet worden. Man kann wirklich sagen, vom Eröffnungstag an hatten wir Schlangen vor der Tür und es war wirklich ein Erfolg ab Tag eins. Und hatte eben die richtige Location direkt auf der Partystraße Long Street. Es hatte eine gute Marke, die die Menschen angezogen hat, die selbsterklärend war. Ich glaube, die häufigste Frage, die wir nur bekamen, war: Bietet ihr denn auch etwas für Nicht-Biertrinker an? Haben wir natürlich sofort gesagt, natürlich haben wir auch Softdrinks, Wein, Spirituosen, eben ein Standardangebot in dem Bereich. Haben es aber auch geschafft, unglaublich viele Südafrikaner und Südafrikanerinnen, insbesondere viele der Frauen trinken in Südafrika kein Bier, die zu überzeugen und Nicht-Biertrinkern und -Trinkerinnen zu Beer Lovern zu machen. Auch dadurch oder gerade dadurch, dass wir eben nicht nur die Lagerbiere, die Südafrikaner eben als Bier kennen, angeboten haben, sondern eben auch dieses weite Sortiment Weißbiere, belgische Fruchtbiere, IPAs, all diese Vielfalt, eben jetzt auch anzubieten und nicht nur nach dem Motto, hier ist die Karte, hier entscheide, sondern eben auch mit dem Training der Mitarbeiter, dass die eben verstehen, was man empfehlen kann, wenn der Kunde Typ X kommt. Die Kundin, die sagt, ich trinke nur Bubbly, also Prosecco, dann kann man der natürlich nicht irgendwie ein IPA empfehlen, aber ein Weißbier kommt sehr häufig gut an. Die Cocktail-Trinkerinnen, den bietet man die belgischen Fruchtbiere an und so weiter und so fort. Einfach das, was inzwischen, glaube ich, auch in Deutschland häufig in der Gastronomie angekommen ist, zumindest in der gehobenen, ist im Beerhouse eben von Tag eins an der Standard.

Markus: Ich habe mir das gerade geistig so ein bisschen vorgestellt, die Kamera ein bisschen angemacht, die so im Kopf das Ganze wiedergibt. Und macht mir richtig Lust, mal nach Südafrika zu fahren. Nun bist du jetzt aber hier in Deutschland. Hat sicherlich was damit zu tun, dass es ja in Südafrika auch einen Lockdown oder mehrere davon gibt und gab. Wie hast du denn diese Zeit erlebt und überlebt? Wo ist deine Familie? Und was passiert in so schwierigen Zeiten in so einem doch sehr zerrissenen Land wie Südafrika?

Randolf Jorberg: Da gibt es jetzt zwei Geschichten. Und das eine ist erstmal: Der Lockdown in Südafrika war wohl weltweit einer der härtesten mit den schwersten ökonomischen Konsequenzen. Zum Zeitpunkt des Lockdowns hatte ich ungefähr knapp unter 100 Mitarbeitern. Ich habe in Pretoria, also im Norden des Landes, noch einen Laden und hatte im November vor Lockdown gerade noch das Beerhouse im Tiger Valley, also 30 Minuten nördlich, eröffnet. Hatte daher eine schwache Kapitalisierung, wenig Cashflow und wusste mit der Ankündigung des Lockdowns, ich habe jetzt noch 14 Tage Cashflow. Das heißt, wie auch die Mehrzahl der Gastronomen in Land, ich musste eben alle Mitarbeiter also to lay off. Im Endeffekt das Pendant zur deutschen Kurzarbeit, nur dass das leider in Südafrika ein deutlich geringerer Betrag war, der dort bei den Arbeitnehmern ankommt. Und wir haben damals einen kompletten Shutdown gehabt. Wir durften nicht die Küche öffnen, wir durften nicht liefern, wir durften nicht zur Abholung anbieten. Es war komplett geschlossen. Und dazu noch: Es gab ein absolutes Alkohol-Verkaufsverbot. Und in mehreren Wellen von den letzten 11 Monaten, sechs Monate lang durfte keiner im Land Bier verkaufen. Das ist natürlich für einen Laden wie Beerhouse ein relativ katastrophaler Umstand. Wir sind jetzt seit einer Woche wieder geöffnet, seit genau letzten Freitag, und merken aber auch, dass mit fehlenden Touristen und einer unglaublich gestiegenen Arbeitslosigkeit, gesunkenen Nettolöhnen et cetera und natürlich auch einer gewissen Angst, die Menschen nicht mehr in die Gastronomie gehen. Sie haben sich umgewöhnt. Und wir blicken auf eine ungewisse Zukunft. Ich gehe davon aus, dass wir den Stammladen halten können. Der Vermieter in Tiger Valley ist unglaublich kooperativ, bisher. Aber sich aus diesem Tief zu erholen, das wird schwierig. Und ich bin deswegen auch vor einigen Monaten, und auch, weil es Winter in Kapstadt wurde und Sommer hier, bin ich rübergekommen mit dem Plan, drei Monate hier zu bleiben. Ich habe Europa bereist und viele Freunde zum ersten Mal länger wieder gesehen. Ich habe dann allerdings auch aus reiner Langeweile im Lockdown eine Kampagne begonnen gegen die organisierte Kriminalität in Südafrika. Dazu muss man nochmal kurz ausholen, und zwar zur Zeit der Eröffnung. Damals kamen sehr schnell, ich glaube, am ersten oder zweiten Tag nach der Eröffnung, die – man könnte sie Mafia nennen – in den Laden, um noch mitzuteilen, dass man Sicherheitsdienstleistungen anbieten würde und man sich doch gerne mit mir treffen würde. Das ging über mehrere Runden. Da wurde ein wenig Druck aufgebaut. Ich habe damals mir das Angebot von denen angeguckt und einfach nur gesagt: Jungs, ihr wollt Geld dafür, dass ihr wegbleibt, ihr bietet keine Leistung. Ich sehe das nicht ganz ein. Ich habe meine eigene Security, also ganz normal sozusagen, Türsteher, die draußen sind, die, die im Eingang stehen. Und dankend abgelehnt, freundlich, aber bestimmt. Das eskalierte langsam. Und dann auf einmal ging es ganz schnell, dass ich in einer Freitagnacht angerufen wurde und der Geschäftsführer nur sagte: Randolf, Joe is dead. Während ich auf dem Weg dorthin war, kam nur ein „Joe is dead“. In der Nacht ist Joe von vier Jungs, die einfach an die Tür kamen, gezielt abgestochen worden und ist dann wenige Minuten später im Treppenhaus des Beerhouses gestorben. Das war natürlich ein harter Schlag. Und damals war ich kurz davor, alles, was ich über diese Verbindung wusste, zu veröffentlichen, Mark Lifman, mit dem Finger auf ihn zu zeigen et cetera. Ich wusste aber auch, dass es leider zu nichts führen würde. Von daher fand damals eine Orientierung nach innen und auf unsere inneren Werte, die Beerhouse-Familie statt. Und es gab landesweit Presse und wir haben uns einfach auf Joes‘ Familie fokussiert und unterstützen seitdem seine Tochter, die damals vier Monate alt war. Das war im Juni 2015, 18 Monate nach der Eröffnung des Beerhouse. Seine Tochter hatte vor wenigen Wochen sechsten Geburtstag. Bei der Geburtstagsparty habe ich mich reingezoomt. Sie ist auf einer sehr guten Schule untergebracht und wir sind im engen Kontakt. Ich sehe mich so ein bisschen als einer ihrer Paten in der Zukunft. Und das war erst mal alles, was wir in dieser Sache machen konnten damals. Es gab interne Machtkämpfe in dieser Szene, die ich inzwischen relativ gut kenne. Während des Lockdown gab es einen Versuch diese Schutzgeld-Machenschaften aus dem Night Life, also aus den Bars und Clubs, darüber hinaus zu expandieren. Und auf einmal standen die gleichen Jungs, die sozusagen im Nachtleben versuchen, das Geld einzusammeln, auch bei einer befreundeten Brauerei und bei einer Kaffeehauskette und einer Daytime Restaurant standen die auf einmal auch vor der Tür und wollten doch jetzt da anfangen, ihr Abo sozusagen, ihre monatlichen Zahlungen einzutreiben. Und da habe ich die Gelegenheit genutzt, geplant war, dass ich noch vier, fünf Wochen in Europa bleibe, ich nutze doch diese Zeit und Phase der Sicherheit, wo auch meine Tochter nicht in Gefahr ist, da sie hier in Europa mit mir ist, ich nutze das doch, um jetzt mal eine Kampagne zu starten und die günstigeren politischen Umstände, einen neuen Präsidenten, der nicht in ähnlicher Form korrupt ist wie der alte, um da doch mal die Öffentlichkeit auf diese Umstände hinzuweisen. Das ist sehr schnell, hat das sehr weite Kreise gezogen. Ich war auf dem Cover der Sonntagszeitung, im Fernsehen, in der Deutschen Welle et cetera. Und es kam dann auch zur großen Überraschung aller Beobachter dazu, dass der Polizeiminister nach Kapstadt kam. Es gab einen großen Gruppen-Call und eine Pressekonferenz danach und danach eine Ortsbegehung, wo der Polizeiminister vor dem Beerhouse stand und sagte: Ja, der Herr Jorberg soll wissen, dass er in Zukunft hier sicher arbeiten kann und nicht mehr diese Erpresser bezahlen muss. Es gibt ein Spezial-Komitee. Und alle waren ecstatic, also begeistert, dass wir so etwas erreicht haben. Das einzige Problem ist, dass sich seitdem in Bezug auf die konkreten Ermittlungsarbeiten extrem wenig ergeben hat, also das Gegenteil eingetreten ist. Allerdings 24 Stunden später nach dem Polizeiminister stand genau dieser Mafiaboss, um den es erst mal ging, vor meinem Beerhouse und traf dort den Redakteur der Deutschen Welle, um ein 10-Sekunden-Interview zu geben und Suppe und Essen an die Bedürftigen auszuteilen. Was natürlich in Wirklichkeit nur der ausgestreckte Mittelfinger gegen den Polizeipräsidenten und mich war. Noch einen Tag später wurde der ermittelnde Polizeibeamte in diesem ganzen Verfahren vor seiner Haustür erschossen. Seitdem dreht sich sehr, sehr viel in der Öffentlichkeit um diesen gestorbenen Polizeibeamten. Es tut sich sehr viel in Sachen Aufklärung. Und gesteuert wird das unter anderem durch eine WhatsApp-Gruppe, die ich damals gestartet habe. In der ich Politiker, Medienschaffende, Polizeibeamte und Business-Menschen in einer WhatsApp-Gruppe zusammenbringe. Ich verbringe sehr viel Zeit mit diesem Thema, der Vernetzung der Menschen, Politik zu verstehen und zu lernen. Das ist eine unglaublich spannende Sache, allerdings auch eine gefährliche Sache. Es gab in diesem Kontext im Jahr 2020 und jetzt auch schon in diesem Jahr, ich glaube, so um die 12 Tote. Und ich habe beschlossen, dass ich nicht zu diesen Kollateralschäden gehören will und dementsprechend bin ich auf absehbare Zeit erstmal in Europa.

Holger: Das ist ja Wahnsinn! Das ist ja so eine richtige Mafia-Story. Ich meine, du hast aber doch auch ein laufendes Geschäft, du hast investiert, du kannst ja nie sicher sein, wenn du wieder zurückkehrst. Das ist ja Wahnsinn.

Randolf Jorberg: Das ist richtig. Aber wie ich schon gesagt habe, ich hatte nie so wenig Geschäft wie jetzt. Also meine Nichtanwesenheit konnte ich mir nie eher leisten als jetzt, da ja unser Geschäft bedingt durch das Ausbleiben von Touristen und so weiter sowieso weg ist. Und ich muss mir ganz einfach sagen: Ich werde nicht diesen kriminellen Elementen gegenüber klein beigeben. Lieber überlege ich mir andere Geschäfte, die ich machen kann, als dass ich in ein unsicheres Südafrika zurückgehe. Das heißt, ich gehe zurück, wenn diese Probleme gelöst sind. Und da gibt es glücklicherweise sehr positive Entwicklungen. Der Mörder meines Türstehers, Mister Mark Lifman, steht gerade tatsächlich vor Gericht. Nicht wegen Erpressung, nicht wegen dem Mord an meinem Türsteher, aber wegen einem anderen Mord, den er begangen hat. Einen der Mitangeklagten hat es jetzt vor fünf Tagen erwischt und der ist ermordet worden. Also er versucht natürlich auch Mitwisser und Zeugen aus dem Weg zu räumen. Aber generell ist das eine sehr positive Entwicklung, dass zum ersten Mal ein scheinbar vernünftig vorbereitetes Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet wird. Ich bin der Meinung, dass, sobald er rechtskräftig verurteilt wurde, dass ich dann auch wieder sicher zurückgehen kann. Da gibt es natürlich auch im Hintergrund dank der Gruppe, die ich dort weiterpflege, gute Indikatoren, dass auch noch andere Dinge passieren können. Ich glaube, das ist halt sozusagen auch das Spannende am Business in Südafrika. Als Unternehmer hat man ja immer Risiken, die man eingeht. Man hat immer das Risiko einer Pleite, immer das Risiko von gewissen Stressfaktoren. Und ich habe während meiner Geschäfte in Deutschland unglaublich große Frustration erlebt mit Anwälten, unnötigen Gerichtsverfahren, Kleinigkeiten, die zu riesigen Kopfschmerzen werden et cetera. Und ich persönlich kann für mich charakterlich, glaube ich, inzwischen feststellen, dass ich lieber ernste Probleme löse als irgendwelche Steuernachprüfungen, um am Ende irgendwie 10.000 Euro Kosten und 300 Euro Steuernachzahlung zu haben.

Holger: Gab‘s denn auch keine Vandalismusschäden dann in Richtung des Betriebs, sondern immer ging es nur um Personen?

Randolf Jorberg: Ja und Nein. Also es ist ja alles relativ. Das ist ein High Stakes Game, da gibt es Risiken. Natürlich hat Kriminalität in Südafrika eine andere Rolle. Natürlich hast du auch mal einen Einbruch oder ähnliches. Aber das ist jetzt nicht etwas, was aus meiner Sicht die Welt verändert. Du machst halt weiter. Africa is not for sissies. Du musst halt eine gewisse Stressresistenz haben und bereit sein, gewisse Probleme lösen zu wollen. Wenn du das kannst, dann bist du in der Lage, dort ein Business aufzubauen. Und wenn nicht, dann bleib in Deutschland und mache es dort. Und löse halt die Probleme, die es dort gibt. Ich glaube nicht, dass du weniger Probleme hast in Deutschland, du hast nur andere Probleme. Ich muss halt feststellen: Ich weiß, dass ich nicht der durchschnittliche Unternehmertyp bin, will ich auch gar nicht sein. Ich habe kein Problem damit, ein bisschen heraus zu stechen und Dinge anders zu machen und werde mir halt dementsprechend auch weiterhin meine Herausforderungen suchen.

Holger: Jetzt müssen wir irgendwie nochmal zum Bier wieder zurückkommen.

Markus: Also Herausforderungen suchen ist natürlich ein gutes Argument. Und eine Herausforderung ist natürlich auch immer das nächste Bier. Nur sind wir jetzt, glaube ich, mit unserer BierTalk-Zeit schon ganz schön am Ende. Ich würde aber vorschlagen, dass wir hoffentlich vielleicht dich dann mal wirklich in Südafrika besuchen, wenn du wieder da sein willst und sein kannst. Und dann trinken wir da mal ein Bierchen gemeinsam und zeichnen einfach unseren nächsten BierTalk auf und erzählen dann von einer Erfolgsgeschichte. Also für heute auf jeden Fall schon mal vielen, vielen Dank! Das waren ganz spannende Einblicke in eine ganz andere Welt. Und ein toller Einblick, glaube ich, für den Holger wieder mal zurück zur Currywurst.

Randolf Jorberg: Das sicherlich. Und vielleicht noch, ich habe mir, während wir schon am Sprechen waren, noch ein wahnsinnig tolles Bier, was ich hier vor wenigen Wochen gefunden habe, geöffnet, und zwar von Welde, Himburgs Braukunstkeller das Pepper Pils. Und da muss ich sagen, das sind so diese Biere, die mich wirklich begeistern. Natürlich trinke ich gerne ein gutes IPA, brewed according to style und sonst was, aber so richtig geht mir inzwischen mein Herz auf, wenn ich in Südafrika wie auch hier vor Ort wirklich besondere Biere finde, wo ich sagen kann, das schmeckt. Das ist vielleicht nicht etwas für jeden Tag oder fünf davon, aber das ist wirklich etwas, was für den einen Moment so hundertprozentig das richtige ist. Und so ein Pepper Pils mit rosa Pfefferbeeren, das sind so Biere, wo ich denke, wow, das überzeugt mich, das begeistert mich. Und das sind auch die Biere, die ich weiterhin gerne den Menschen näherbringen will, egal ob es jetzt irgendwie in Südafrika oder in Deutschland ist oder im Rest der Welt. Und wo ich denke, dass meine Aufgabe auch noch lange nicht beendet ist.

Markus: Unsere auch nicht, aber für heute. Also insofern vielen, vielen Dank für den Insight. Und ich fühle mit dir, also so ein Pepper Pils ist ein wahnsinnig interessantes und spannendes Bier, das ich selber auch gerne trinke. Holger, ich denke, du kennst das auch. Du darfst jetzt ein schönes Schlusswort finden.

Holger: Das war eine unglaubliche Reise und mal was ganz anderes. Wir haben ja einmal das Thema Food Pairing im BierTalk eröffnet, das kann man weiterspinnen das Thema. Und wir haben einfach aus einem fernen Land Gepflogenheiten kennengelernt, die ja jeder auch schon mal gehört hat. Aber ich denke, so ein Augenzeugenbericht hat eine andere Qualität und man konnte auch raushören, wie dich das beschäftigt. Also ich wünsche dir viel Kraft dabei, das alles durchzustehen und dass du da nicht zu Schaden kommst. Und vielen Dank, dass du so offen berichtet hast. Das ist ja auch nicht selbstverständlich. Also im Ruhrgebiet würde man jetzt einfach nur sagen: Glückauf!

Randolf Jorberg: Ja, ich glaube, das ist auch etwas, was ich definitiv im Ruhrgebiet gelernt habe, offen zu sprechen, mit offenem Visier in die Auseinandersetzung auch zu gehen, wenn es notwendig ist. Und gerne auf ein weiteres Mal, wenn es sich denn so ergibt.

Markus: Ciao! Und auch euch, liebe Hörer, auf Wiederhören!

Randolf Jorberg: Glückauf!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 55 – Interview mit Dr. Martin Zarnkow, Brauer, Mälzer und Forscher an der TU München in Weihenstephan

Der gebürtige Franke Martin Zarnkow verwirklichte seinen Jugendtraum mit der Ausbildung zum Brauer und Mälzer in der Schwabacher Brauerei Leitner. Daran schloss sich ein Studium in Weihenstephan an, dem kurz nach dem Abschluss ein Ruf an den dortigen Lehrstuhl folgte. Seitdem forscht er über 20 Jahre rund ums Bier, sucht in allen Ecken der Welt nach neuen alten Hefen und veröffentlichte bereits zahlreiche Publikationen, unter anderem mit Prof. Dr. Franz Meußdoerffer das Standardwerk „Das Bier“. Im BierTalk räumt er mit allerlei Bier-Mythen auf und berichtet vom aktuellen Forschungsstand zur Herkunft der untergärigen Hefe, die nun doch nicht von einem vor Jahren in Patagonien gefundenen Mikroorganismus abstammt. Ein BierTalk, der Lust auf mehr macht, nicht nur mehr Bier, sondern auch mehr Wissen davon und darüber…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum 55. BierTalk. Und bei so einer Schnapszahl haben wir natürlich wieder einen ganz besonderen Gast, ein promovierter Diplom-Brauer, Martin Zarnkow. Am Mikrofon ist der Holger und der …

Markus: Markus.

Holger: So, Martin, schön, dass du dir Zeit nimmst. Vielen Dank! Sag doch mal was zu dir. Stell dich doch mal kurz unseren Hörern vor.

Martin Zarnkow: Vielen Dank, ihr zwei! Auch vielen Dank, dass ihr mich ausgerechnet zu der Schnapszahl sprechen lasst. Und ich freue mich jetzt auf die kommende dreiviertel Stunde mit euch. Ich bin Brauer, Mälzer, und das schon ziemlich lange. Ich wusste das schon in der Schule zum Ende zum Abitur, dass ich das werden will. Das war für mich vollkommen klar. Und ich habe eine Lehre gemacht in einer sehr kleinen Brauerei im Frankenland, dort komme ich auch her. Das war die fantastischste Zeit überhaupt. Das war die Brauerei Leitner in Schwabach, die heute immerhin noch als Name existiert. Ich habe anschließend in Weihenstephan studiert, habe als FH-Ingenieur aufgehört. Ich bin dann wieder in die Brauerei, in die Industrie und nach etwa einem Jahr bin ich an den Lehrstuhl in Weihenstephan gegangen für Technologie der Brauerei I, wo es hauptsächlich um die Malz- und die Würze-Bereitung gegangen ist, aber natürlich auch mit den anderen Themenfeldern. Ich bin dort in Weihenstephan seit 23 Jahren, habe währenddessen meine externe Promotion in Irland gemacht, an der University College Cork, bei der Frau Prof. Arendt, über glutenfreie Bierherstellung mit der Rispenhirse. Ich habe mich ziemlich viel mit diesen alternativen Getreiden beschäftigt, also bei weitem nicht nur mit der Gluten-Freiheit, und bin seit sechs Jahren jetzt am Forschungszentrum in Weihenstephan, das eine sehr, sehr große Routine-Laborabteilung hat. Wir sind annähernd 100 Leute hier und wir machen aber auch ganz viel Forschung. Und wir gehen hier mit der Forschung deutlich stärker in die Fermentationsbereiche. Wir machen ganz spannende Projekte, indem wir auf Hefe-Jagd gehen, indem wir Pflanzen, große Bäume zum Beispiel, beproben, dort nach fermentierenden Mikroorganismen suchen. Wir gehen auch in Brauereien. Wir sind in alte Bierkeller schon gegangen und haben einen Riesenfundus an solchen Mikroorganismen, die also ganz tolle, phantastische Biere produzieren der unterschiedlichsten Art, mit viel, mit wenig Alkohol, mit ganz besonderen Aromen. Da passiert richtig viel und ich genieße diese Verknüpfung. Und dort an dem Forschungszentrum leite ich seit sechs Jahren die Abteilung für Forschung und Entwicklung und bin eben mit diesen Themenfeldern, die ich gerade genannt habe, betraut und auch mit vielen, vielen anderen Sachen. Ich bin auch weltweit unterwegs als Betriebsberater und hatte das Glück mit sehr vielen tollen Leuten hier schon zusammenzutreffen und da auch schöne Sachen zu machen. Ich war zum Beispiel viele Male schon in Syrien vor dem Bürgerkrieg, ich habe dort archäologische Experimente gemacht in Bezug auf Bier. Und habe mir das nicht vorstellen können, dass Forschung, Universität so verflucht viel Spaß machen kann. Denn eigentlich wollte ich als Bierbrauer in einer schönen, kleinen, fränkischen Brauerei und dort mein Bier machen und dann mit irgendeinem Veteranen-Fahrzeug ausfahren. Das war eigentlich mein Ziel.

Holger: Das hätte ich dich jetzt auch gefragt. Wenn man im Abitur schon weiß, man wird Brauer und Mälzer, und dann denke ich einfach, ja Mensch, das ist dann auch so dieser handwerkliche Prozess, der einen dann da anzieht. Und was fasziniert einen dann so sehr an dem universitären Prozess und diesem universitären Leben der Lehre, wenn man doch aus Franken kommt und schönes Kellerbier machen kann? Da bleibt eine Frage eigentlich. Du hast sie ja gerade schon ein bisschen beantwortet, aber so richtig zufrieden bin ich nicht.

Martin Zarnkow: Das ist schon richtig. Ja, also deswegen habe ich das jetzt gerade auch schon so ein bisschen angeschnitten. Das ganz ursprüngliche Ziel war das so nicht. Ich wollte wirklich eine eigene kleine Brauerei, wirklich was Eigenes. Ich wollte mein eigener Herr sein. Ich wollte auch nicht die Sachen machen, die einfach meine Altvorderen gemacht haben. Da kam nie ein Brauer drin vor, ganz andere Sachen. Das war mir auch echt ein Stück weit wichtig. Und das ist ein bisschen schizophren, da waren immer wieder mal auch Lehrer dabei bei meiner Verwandtschaft, und ausgerechnet das wollte ich wirklich nicht werden. Ich fand Lehrer auch immer doof. Aber was bin ich heute? Ich bin unter anderem ein Hochschullehrer. Und das habe ich mir nicht träumen lassen. Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, Hochschullehrer haben den Vorteil, dass die Leute, die sich dein Zeug anhören, freiwillig drinsitzen. Und die können auch einfach wieder rausgehen. Heute mit den virtuellen Geschichten klicke ich mich einfach weg oder ich gehe aus dem Hörsaal einfach raus. Und die, die drinbleiben, die sind wirklich interessiert. Das ist was ganz anderes wie in der Schule, wo ja eine Pflicht da ist. Ich hab‘s mir nicht erträumen lassen, einfach, dass ich an einer Universität lande. Ich weiß noch genau, dass ich dann damals fertig wurde mit dem Studium und dann habe ich einen getroffen, mit dem habe ich auch schon die Lehre zusammen gemacht, und er hat auch hier studiert, und er sagte dann so: Ja, er könnte sich vorstellen, dass er hier noch promoviert. Und ich habe gesagt: Du bist verrückt. Ich bin so froh, wenn ich jetzt weg bin von der Uni. Ich will unbedingt arbeiten, ich will meinen Traum verfolgen. Und Promovieren, was ist denn das überhaupt? Ich hatte überhaupt keine Ahnung, ich wollte mich überhaupt nicht damit beschäftigen mit diesen Sachen. Und wie ist die Situation heute? Ich bin promoviert und er nicht. Er macht mit Mineralwasser. Ich habe echt Glück gehabt. Also da ist echt Zufall dabei. Das konnte mir auch keiner erklären vorher. Weil ganz ehrlich, selbst wenn du den Wunsch gehabt hättest, also die Wahrscheinlichkeit ist so gering, dass du so eine Stelle bekommst.

Holger: Mir fällt da ein Spruch ein von John Lennon, der gesagt hat: Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne machst.

Martin Zarnkow: Ja, auf (unv. #00:06:16.3#) Fränkisch hätte ich gesagt: Mit den Dummen ist Gott.

Holger: Das hört sich so an, als hättest du da recht. Ja, Kellerbier, Markus, das ist doch ein gutes Stichwort. Hast du was auf dem Tisch stehen?

Markus: Ich habe was auf dem Tisch stehen. Wollen wir wirklich unseren Gast erst später was trinken lassen? Können wir auch.

Holger: Ich wollte ja nur überprüfen, ob du auch was dabeihast.

Markus: Aber auf jeden Fall.

Martin Zarnkow: Anständig vorbereitet, ne.

Holger: Ja, anständig vorbereitet. Das ist ja beim Markus meistens der Fall, also meistens. Was hast du denn auf dem Tisch stehen?

Martin Zarnkow: Ich?

Holger: Ja.

Martin Zarnkow: Ich habe eine Auswahl hier stehen. Ich habe eigentlich was ganz Besonderes hier stehen: Berliner Weisse.

Holger: Oh!

Martin Zarnkow: Und zwar habe ich einen wirklich sehr, sehr netten Kollegen von der VLB Berlin, den Christian Richter. Mit dem teile ich auch ein Hobby, und zwar im Veteranen-Fahrzeug-Bereich. Also ich restauriere und sammle und fahre alte Motorräder. Und der Christian, der sammelt nämlich die alten Nummernschilder dazu. Und der Christian war so nett, mir, bevor dieses alte Gebäude der VLB, wo sie jetzt den Neubau draufgebaut haben, bevor der komplett abgerissen worden ist, mir Biere dort zu schicken, die da irgendwo noch verscharrt waren, und zwar alte Berliner Weisse Biere, die noch von der Hochschulbrauerei in Berlin waren. Und das ist auch ein ganz besonderes Faible von mir, dass ich also diese alten Biere mir anschaue, und wir haben auch die schon untersucht, was sind da für Hefen noch drin. Da kommen also wirklich ganz spannende Sachen dabei raus. Wir haben zum Beispiel auch mal ein Bier gehabt, da lasst mich jetzt nicht lügen, das war von 1885 sowas. Das war in einer Firma in einem Safe eingesperrt, und der Safe wiederum war in einem Zimmer eingemauert, von einer Firma, die heute noch existiert und wo der alte Patriarch das so verfügt hat in den 30er Jahren. Und dann irgendwann 40, 50 Jahre später hat also die Firmenleitung festgestellt, dass mit dem Grundriss was nicht stimmt, also diese eine Mauer, da stimmt was nicht. Und dann haben die die Mauer eingerissen und dann fanden die also das alte Büro darin vor, nicht (unv. #00:08:27.5# klar?), dass die Zigarette noch glimmte da drin oder Zigarre in dem Fall. Und da war dieser Safe. Dann wurden sie ganz fickerig und nervös und dann haben die also einen Knacki geholt und haben den Safe öffnen lassen, in der Hoffnung, dass vielleicht ein paar Apple Aktien oder irgendwas da drin sind oder Bitcoins, keine Ahnung. Funktioniert von der Zeit nicht ganz, aber trotzdem. Da war aber dann offensichtlich das Wichtigste für diesen Herrn da drin, und das war eine Pulle der Brauerei aus der Stadt, wo die sich befanden. Das war Dank des Etikettes nachweislich, ich sag nochmal, ich glaube 1885. Wir hatten das Glück, ganz kleine Tropfen da abziehen zu dürfen, sie untersuchen zu dürfen. Es war also ein echter Korken obendrauf, da konnte man also mit einer Nadel durch. Wir durften das auch verkosten. Das war ein fantastisches Bier. Das war eigentlich laut Etikett ein Pilsener Bier, aber das war, nach heutigen Gesichtspunkten würden wir sagen, ein sehr schönes, dunkles Festbier. Immer wieder haben wir solche Proben und solche Muster, und die verkosten wir natürlich auch. Und so ein Bier habe ich hier.

Holger: Sehr gut! Dann mach‘s doch mal auf und lass uns teilhaben, was du da herausfindest bei dem Bier.

Markus: Ich träume von der Berliner Weissen. Also ich wäre jetzt total gerne bei Martin, weil ich ja auch ein großer Fan bin gerade von dem Bierstil und auch schon viele alte Flaschen mir besorgt habe – ich kam aber selten weiter zurück als die 70er Jahre – und immer wieder erstaunt war, wie großartig und toll diese Biere eben noch schmecken, in welchem Zustand sie noch sind und wie sich das eben alles so entwickelt. Ich habe zuerst gedacht, du hast es vielleicht von Kurt Marshall, den kenne ich nämlich auch bei der VLB, aber das ist natürlich noch viel spannender, wenn da so alte Flaschen irgendwo gefunden worden sind. Also ich bin jetzt schon ganz gespannt und bin auch ganz leise.

Martin Zarnkow: Das dürfte auch 70er Jahre sein, das kann ich nicht genau sagen. Also Hochschulbrauerei Berlin, grundsätzlich ein gelbes Etikett. Das ist eine 0,33er Steini-Flasche. Und aufgrund der Fundstelle total verrosteter Kronkorken, Berliner Weisse steht drauf. Hinten Rückenetikett existiert alles nicht und daher habe ich auch keine Informationen von wann genau. Allerdings erlaube ich mir jetzt mal den Boden anzuschauen, weil manchmal steht an den Flaschen ein Jahr. Dem ist aber nicht so. Kann ich nicht beurteilen. Ich würde sagen, 70er Jahre auch. Ein bisschen später hat dann die Hochschulbrauerei auch aufgehört zu produzieren. Wenn man mit Bier konfrontiert wird, sprich, von Konsumentenseite, wird dir erst mal so klar beigebracht, Bier muss frisch sein und das war’s. Das ist einfach nicht die ganze Wahrheit. Ja, es gibt Biere, die sollten frisch sein, und dann machen die auch richtig Spaß. Und da ich ja eine Brauerlehre habe, haben wir natürlich auch Biere gezwickelt. Dann haben die den Lager-Schwefler noch. Und das ist alles ganz toll und wunderbar. Das sind also wirklich ganz tolle Biere. Aber es sind einfach auch Sorten da und dazu gehört auch so eine Berliner Weisse, die können also durchaus Jahrzehnte ab und werden dann immer noch spannender. Ich habe zum Beispiel auch zu Hause durch Zufall auch eine Art Safe, weil der Vorbesitzer bei mir, der hatte einen Waffenschrank und das nutze ich nicht dafür. Dort habe ich ein paar Kästen weggesperrt, und zwar dunkle Bockbiere und dunkle Weizen-Bockbiere. Und die werden da alt. Die sind schon viele Jahre alt. Und ab und zu hole ich mir halt einfach mal eine Flasche. Das ist ultraspannend diese Entwicklung da nachzuvollziehen. Das ist ein besonderes Glück auch, dass man in dem Fall den Platz auch dafür hat. Und das kann ich nur jedem empfehlen, einfach sowas mal, wenn man die Möglichkeit hat, einfach so einen Kasten mal nehmen und wegtun, wegsperren, und dann nach Jahren wieder rausholen. Es gibt ja Brauereien, die machen inzwischen da auch schon ein kleines Geschäft daraus. Und das ist auch wirklich absolut in Ordnung, denn die Biere können das ab. Die haben also wirklich ganz viel tolles Potenzial. Und wenn du dir das ja auch anschaust, was hast du für Attribute, die dann bei der Alterung kommen? Da sind ganz viele Attribute dabei, wo du erst mal sagen musst, brotartig, Cracker-artig, süß, Toffi-artig, Whisky-Sherry-artig. Was war denn da jetzt negativ? Das ist doch alles positiv. Das mögen wir doch eigentlich alles. Cardbord, den Pappdeckel, auf Fränkisch dem Papperdeckl, den mögen wir tatsächlich nicht. Weil das ist auch was, was ganz besonders in hellen Lagerbieren vorkommen wird. Das wird nach einiger Zeit kommen. Aber das ist tatsächlich so, dass sehr, sehr viele Alterungsattribute eigentlich positiv sind. Und das passiert bei solchen Bieren und die Berliner Weisse gehört da auch dazu. Der steht das. Da sowieso die Berliner Weisse mit diesen sehr, sehr, sehr spät fermentierenden Brettanomyces-Hefen ja dann auch noch nach Monaten überhaupt erst ein Aroma erzeugt, wie es eigentlich sein sollte. Ja, das habe ich vor mir.

Holger: Dann trink mal.

Markus: Wir sind ganz gespannt, wie das jetzt genau schmeckt.

Holger: Ich bin auch ganz gespannt. Der Herr Raupach, der hat ja mehrere Garagen in Bamberg angemietet und hat da seine Jahrgangsräume.

Martin Zarnkow: Editionen.

Holger: Genau! So stelle ich mir das in Freising dann auch vor. Aber jetzt lass uns teilhaben, also jetzt trink mal einen Schluck und lass uns doch mal teilhaben. Also ich bin auch schon ganz aufgeregt.

Martin Zarnkow: Es ist einfach ein fantastisches Bier, das muss ich einfach sagen. Und es ist immer noch einfach ein schönes Bier und das ist ein deutliches Bier, klare (unv. #00:13:51.0#), es hat eine schöne Frische, was eigentlich sehr, sehr typisch für die Berliner Weisse auch ist. Und das liegt auch viel an der Milchsäure, das ist gar nicht mal hoch kohlensäurehaltig. Ist aber immer noch angenehm frisch und trotzdem sind da viele schwere Aromen auch mit dabei, die im Laufe der Jahrzehnte gekommen sind. Ich find’s ein total schönes, harmonisches Bier. Ich weiß nicht, ob ich es auf Anhieb erkannt hätte. Man hat ja nicht oft solche Biere, dass man also sagt, ja, das ist jetzt aber ganz typisch Berliner Weisse. Das liegt aber auch ein bisschen daran, dass wir heute nicht mehr so viel an eine echte Berliner Weisse rankommen, die also auch tatsächlich mit Brettanomyces nachvergoren wurde. Und in dem Fall weiß ich es nicht, das haben wir noch nicht so analysiert, durchanalysiert, ob denn da auch eine drin war. Aber es ist einfach ein klasse Bier, muss man echt sagen. Sehr erfrischend, immer noch.

Holger: Wir haben eine Zoom-Sitzung, eine Spezial-Zoom-Sitzung gehabt mit der Ulrike Genz, die ja die Berliner Weisse in Berlin hochhält. Und die hat sogar einen Berliner Weisse Salon eröffnet hat.

Martin Zarnkow: Hm!

Holger: Aber Markus, nicht, dass du dann jetzt ganz austrocknest. Dann gehen wir doch mal zu dir rüber. Du hast ja gesagt, du bist vorbereitet. Was hast du denn vorbereitet? #00:15:06.1#

Markus: Ich mach einfach mal einen Quickie, ist ja auch ganz schön. Ich habe natürlich auch ein Bierchen vorbereitet. Es ist ja eigentlich noch Nachmittag. Deswegen habe ich jetzt mal was genommen, was eher weniger Alkohol hat. Ihr habt‘s gehört, es war eine Dose. Jetzt ist das auch schon im Glas. Es ist ein sehr helles, leicht getrübtes Bier mit einem schönen weißen Schaum obendrauf. Wenn man reinriecht, kommen so leichte zitrusfruchtige Aromen, ein bisschen vielleicht auch Grapefruit, ein bisschen auch so kräutrige Noten. Probieren wir das mal. Wunderbares Mundgefühl. Sehr schön, sehr erfrischend auch. Leider nicht so sauer wie die Berliner Weisse, aber in dem Fall ist es ja auch völlig okay. Es handelt sich um ein BrewDog Bier. Das nennt sich Lost AF und ist ein alkoholfreies Lager. Das habe ich in letzter Zeit ganz oft schon, weil ich gerne alkoholfreie Biere trinke. Und das ist wirklich ein schönes erfrischendes Bier, so auch für zwischendurch ist, und macht mir richtig viel Spaß. Vielleicht, bevor der Holger sein Bier aufmacht, an der Stelle mal eine Frage, die mir schon gekommen ist, als du dich eingeführt hast vorhin. Du hast gesagt, ihr seid unterwegs und sucht Hefen und seid da auch auf der ganzen Welt und seid so ein bisschen wie die Hefe-Doktoren, die da irgendwo in den Holzüberresten so rumwühlen. Hattet ihr auch was zu tun mit der untergärigen Hefe aus Patagonien? Habt ihr da auch mit zu tun gehabt oder das auch mal nachvollzogen?

Martin Zarnkow: Darf ich ganz kurz was dazu sagen, dass da kein Missverständnis aufkommt? Ja, wir sind auch weltweit unterwegs, aber da holen wir uns nicht einfach so Hefen oder andere Mikroorganismen. Das ist uns nicht erlaubt. Das machen wir immer in Zusammenarbeit mit anderen Universitäten. Das ist also wirklich ganz wichtig. Und deswegen beantworte ich deine Frage mit Diego Libkind, auch mit einem Ja. Das ist nämlich derjenige, der diese Eubayanus in Patagonien gefunden hat. Wir hatten da also schon Forscheraustausche und wir haben auch eine gemeinsame Publikation mit ihm zusammen. Und wir sind auf jeden Fall mit ihm in der Diskussion. Es ist ein nicht so ganz einfaches Thema, was die tatsächlichen Ursprünge der untergärigen Hefe betrifft. Es ist auf jeden Fall wissenschaftlich absolut korrekt, was er gemacht hat, absolut in Ordnung. Die Rückschlüsse, dass das tatsächlich das eine vermisste Elternstück ist, um die untergärige Hefe zu haben, denn die ist ja ein Hybrid, die hat also, sprich, ein Elternpaar, und eins davon ist eine sogenannte Eubayanus und das andere ist eine obergärige Hefe. Die Situation ist die, dass wir die heute also immer noch nicht kennen, beide nicht. Die Eubayanus in Patagonien kommt der Sache sehr, sehr, sehr nahe, aber sie ist es nicht. Und ich habe mich ja sehr viel mit der Historie auch beschäftigt und habe da ja mit dem Prof. Franz Meußdoerffer auch ein kleines Büchlein dazu geschrieben. Wir haben das schon erwähnt, aber es ist schon allein historisch nicht nachvollziehbar, wie das funktioniert haben soll. Denn die Hybridisierung wird wahrscheinlich in der Region passiert sein, wo das Untergärige eigentlich zum ersten Mal so richtig hochgekommen ist. Und das war in der Region Franken, Oberpfalz, Egerland, Tschechien. Dort in dieser Region, dort ist es kalt genug gewesen zur richtigen Zeit. Die Zeit, von der ich spreche, ist etwa vor 700, 800 Jahren, als die eigentlich große Revolution in der Bierherstellung stattgefunden hat. Denn in der Zeit wurden die Biere also in bestimmten Regionen selektiv immer untergäriger. Es wurde ab da reproduzierbar der Hopfen verwendet. Es wurde dazu gekocht, das war auch nicht selbstverständlich. Deswegen hast du auch feste Töpfe verwenden müssen, hast du Herde gebraucht. Die Häuser mussten entsprechend gemauert sein wegen des Feuerschutzes. Das sind alles so Sachen, die da passiert sind. Die Brauer wurden männlich, davor waren sie zum größten Teil weiblich. Und man hat in der Zeit von dem Hafer umgeschwenkt auf die Gerste. Und ehrlich gesagt sind da jetzt so ein paar Stichwörter gefallen, die eigentlich dann 1516 in dem Reinheitsgebot niedergeschrieben worden sind: Gerste, Wasser, klar, Hopfen. Und was dort nicht steht, weil das auch nie wichtig war, ist die untergärige Hefe, die man zu dem Zeitpunkt aber gekannt hat. Die kalte (unv. #00:19:33.0# Gür?), wie sie zum Teil beschrieben worden ist, die ist schon viel früher beschrieben worden. Es wird immer wieder berichtet, die haben das damals nicht gewusst, die waren blöd oder sonst was auch immer. Das stimmt alles überhaupt nicht. Wenn die irgendwas nicht waren, dann ist, dass die blöd waren. Die haben unglaublich viel gewusst, nur die zwei Herzöge, das waren zwei, nicht immer nur der eine, die zwei Herzöge haben das nicht für nötig gehalten, dass darnieder zu schreiben, weil darum ging‘s gar nicht. Es ging nur darum zu sagen, diese Rohmaterialien habt ihr zu verwenden. Und die Hefe wurde da als Rohmaterial gesehen. Es ging auch nur um den heißen Bereich, und deswegen stehen diese Inhaltsstoffe drin. Es ging auch nicht darum, dass man da schreiben musste, dass es Gerstenmalz ist. Das war selbstverständlich. Aber das Getreide, die Gerste, die wurde festgelegt. Diese gnadenlos tolle Revolution, die ja zu unserem Bier heute geführt hat, wenn wir in die Welt gucken und 85 % der Biere, die weltweit hergestellt worden sind, dann ist das das untergärige helle, kühl getrunkene Lagerbier. Und diese Keimzelle, die war in dieser Region da oben und dort hat das gestartet. Und jetzt, wenn ich mir das mit der patagonischen Hefe, der Eubayanus, überlege: Wie soll die, kurz nachdem Kolumbus Amerika wiederentdeckt hat – ja, ja, da waren schon ein paar andere davor, aber die Wikinger oben in Neufundland und vielleicht ist ein irischer Mönch auch mal rübergekommen, ziemlich sicher waren die Araber auch drüben – aber da war nichts in dem großen Austausch, der Austausch, der fand erst statt mit Kolumbus. Und das war 1492. Und das soll so schnell dann ausgerechnet mittendrin von Europa gekommen sein? Warum hat so eine Hybridisierung nicht dann in einem portugiesischen, spanischen, italienischen Hafen stattgefunden? Also das ist aus historischer Sicht schon schwierig und aus wissenschaftlicher Sicht ist es auch einfach nicht ganz tragbar. Aber ehrlich, das ist super-super-spannend und man guckt weiter und es ist auch eine kleine Motivation für uns, dann hier auf Bäume eben zu gucken, weil Bäume langlebige Pflanzen sind. Wir suchen jetzt nicht Bäume, die einfach 500 Jahre alt sind, sondern das reicht, also wenn die einfach älter sind, denn da halten sich dann einfach solche Mikroorganismen. Und dann kommt noch was anderes dazu, denn die Hefen haben eine Eigenschaft, einen Zucker zu vergären, den die Würze gar nicht hat. Das ist die Raffinose. Die Würze hat sowas nicht. Und warum können die das denn so? Das mag vielleicht auch daran liegen, dass das Holz vielleicht der Träger mal dieser Hefen auch war, dass dieses Holz aber auch eine große Rolle als Gebinde gespielt hat und dass dadurch da eine Interaktion stattgefunden hat. Und das war ja übrigens auch was total Spannendes. Diese Erfindung des Gebindes, sprich, des Fasses, das war so wichtig für unser modernes Bier, weil erst durch dieses Gebinde konnten die Biere überhaupt erst auf Druck kommen und Kohlensäure anreichern. Und deswegen haben die neben Milchsäuren und so haben die ihre Spritzigkeit bekommen. So sehen wir heute unser modernes Bier, aber manche Sachen sind vielleicht gar nicht so alt. Wobei die Erfindung des Fasses also schon 350 vor Christus war durch die Kelten. Aber das war erst mal ein Transportfass für Wein. Also das war lange Zeit nur ein Transportfass und erst später wurden die Wandungen dicker und dann konnten sie auch Druck aushalten. Und dann konnte man tatsächlich da drin noch eine Nachgärung fahren. Diese Punkte, die finde ich so spannend, da mal zurückzugehen in der Zeit und sich zu überlegen, gut, so schaut unser Bier heute aus. Also das, was wir unter Bier erst mal verstehen, getrunken haben wir beide jetzt gerade wunderbare andere Sachen. Das ist ja nicht der Punkt. Aber das kann ich ja davon ableiten dann, solche Sachen. Was musste eine Erfindung da sein, dass das Bier heute das ist, was es ist? Sachen, die wir für völlig selbstverständlich sehen. Die Gebinde, der Kronkorken oder der Bügelverschluss und all solche Sachen. Das Trinkglas, sowas von wichtig, das Trinkglas. Wann war denn das? Wann kam da auf? Und was hat das gemacht, inwieweit hat das eigentlich unser Produkt verändert? Und das sind echt total spannende Fragestellungen.

Holger: Und das steht alles da in dem Buch drin, „Das Bier – eine Geschichte von Hopfen und Malz“?

Martin Zarnkow: Ja. #00:23:54.8#

Holger: Wahnsinn! Ich bin auch davon ausgegangen, genau wie der Markus auch, dass eben die untergärige Hefe ihr Zuhause, dieser Mutter-Mikroorganismus aus Patagonien stammt. Und dann gibt’s meines Erachtens zwei Thesen. Also einmal Dornbusch sagt, das kommt eben mit Winden zu uns über den Atlantik. Und dann gibt’s die andere Thematik, eben über die Beringstraße und über Menschen, die da einfach gewandert sind. Und jetzt höre ich, nee, es ist wahrscheinlich nicht derselbe Organismus oder man kann das nicht wirklich darauf zurückführen.

Martin Zarnkow: Es ist definitiv nicht dieser Organismus. Der genetische Abgleich passt nicht. Er kommt verflucht nah, aber er passt nicht. Also diese ganzen Theorien, die kannst du dir sonst wohin, was auch immer du damit machen willst. Die sind immer spannend diese Theorien, wobei das mit den Winden, hui-hui-hui, da würde ich eher auf Vögel tippen, aber bestimmt nicht auf Winde. Weil, ganz ehrlich: Diese Mikroorganismen sind sehr, sehr schwer. Zum Beispiel: Man spricht ja immer von dieser sogenannten spontanen Gärung in Brüssel, von diesen fantastischen Bieren mit den Lambics und dem (unv. #00:25:06.0#) gemischten Geuze und so weiter. Fantastische Biere, wirklich wahr. Und man spricht davon, dass die spontane Gärung auch deswegen nur in Brüssel so funktioniert, weil die Luft so voll ist mit diesen Mikroorganismen. Das ist Quatsch. Das hat man schon alles mal untersucht. Hefen, Hefen sind Bierbrauer. Also Bierbrauer, sind das leichte Leute? Nein. Das sind schwere Leute. Und die Bierhefen sind auch schwer im Vergleich zu, ich meine das jetzt echt ernst. Also eine Hefe, die kann ich schon mal in die Luft blasen, aber in kürzester Zeit wird die da auch wieder verschwinden. Das kann ich ganz einfach in einem anderen Medium sehen, nämlich in einem Hefeweißbier. Wenn ich ein wirkliches Hefeweißbier habe, wo ich Hefe drin habe, werde ich erkennen, dass diese Hefen nach einiger Zeit auf den Boden absinken und dass mein Bier obendrüber klar wird. Weil diese Hefen so schwer sind. Jetzt ist natürlich eine Flüssigkeit wie Bier was anderes wie die Luft. Aber die Flüssigkeit wie Bier hat mehr Widerstand als die Luft. Und jetzt reden wir von Patagonien bis hierher, von 20.000 Kilometer Direttissima? Vielleicht sind es 15 bloß. Ich weiß es nicht genau. Also da wird‘s schwierig, da wird‘s echt schwierig. Und das hilft auch alles nichts, wir brauchen uns gar keine Gedanken machen, weil die genetisch nicht zusammenpassen. So, dass man sagt, nur die kann es sein. Interessant ist aber doch Folgendes: Dass man weitgehend nur auf der südlichen Halbkugel diese Eubayanus bis jetzt gefunden hat. Es heißt zwar nochmal, in Tibet hat man auch noch mal was gefunden. Da kann man sich ja über die Seidenstraße ein bisschen was vorstellen, wie da ein Austausch stattgefunden hat. Also das ist durchaus möglich. Aber auch die passt nicht zusammen. Das ist die einzige, die man auf der nördlichen Halbkugel mal gefunden hat. Also das ist schon spannend. Und ganz ehrlich, diese ganzen Saccharomyces-Hefen sind sowieso nicht so häufig in der Natur. Das ist ein superspannendes Thema. Da haben wir noch ein paar Jahre dran zu grübeln und wir haben Proben zu nehmen ohne Ende, um da vielleicht wirklich mal was zu finden. Und wir hybridisieren ja auch schon nach und gucken, ob da was dabei rauskommt. Da kommen wir aber noch nicht an diese tolle untergärige Hefe, so wie wir sie kennen. Ich könnte mir das vorstellen, dass diese Hybridisierung, also diese Verschmelzung einer Eubayanus-Hefe mit einer obergärigen, ständig stattfindet, vielleicht auch jetzt gerade. Das könnte ich mir vorstellen.

Markus: Da müssen wir auf jeden Fall auch noch ein paar mehr BierTalks mit dir machen, um da nachzufühlen und so weiter. Aber ich denke mal, der Holger will unbedingt noch ein Bierchen trinken, oder wie schaut‘s denn bei dir aus?

Holger: Ganz ehrlich gesagt, man darf ihn gar nicht unterbrechen sozusagen. Mir kommt jetzt einfach nur: Was macht eigentlich die Virologen heutzutage so sicher? Und eine Erkenntnis von Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Das kommt mir jetzt so in den Sinn. Aber wenn ich jetzt unbedingt auch noch mein Bier aufmachen soll, und ich glaube, das war noch nie da, dass ich so lange stillgehalten habe. Martin, also da kannst du dir jetzt was drauf einbilden. Ich mach das mal auf. Und ich habe halt einfach gedacht: Gut, zwei Franken und dann einfach ein typisch bayerischer Bierstil oder in meinen Augen ist der hier zu Hause. Auch geschmacklich gibt’s ja so Sachen wie Kollektivgeschmack. Und deshalb habe ich mich für ein dunkles Lager entschieden. Und zwar heißt das Bier ETA, von Mahrs-Bräu in Bamberg. Ich schütte es ein.

Martin Zarnkow: Das klingt doch gut.

Holger: Das ist eines meiner absoluten dunklen Lieblingsbiere. Das muss ich wirklich sagen, ein absolutes Highlight. Und wenn man da jetzt so reinriecht, natürlich die Malz-Aromatik voll im Vordergrund, auch so ein bisschen Schokolade rieche ich da raus. Also so Zartbitterschokolade, vielleicht so mit 44 % Kakao-Anteil. Ich probier‘s mal.

Martin Zarnkow: Kolumbianisch.

Holger: Wenn ich jetzt reinschmecke, dann muss ich dir fast widersprechen. Ich glaube, es ist eher aus Peru die Schokolade.

Martin Zarnkow: Okay, okay!

Markus: Also jetzt ist euch die Hefe zu Kopf gestiegen.

Martin Zarnkow: Die kann man leicht verwechseln. Ja.

Holger: Das ist jetzt halt so ein Scheiß-Gelaber von so einem Biersommelier. Aber lass uns wieder zurückkehren zu deinen spannenden Themen.

Martin Zarnkow: Wenn ich dir eine Frage vorwegnehmen darf. Wenn man diese Lagerbiere betrachtet, dann wird natürlich das Pilsener Bier hervorgehoben, dann wird Wien-Schwechat, der Herr Dreher hervorgehoben, der Sedlmayr in München, oder der Lederer in Nürnberg oder wie auch immer. Das waren einfach Leute, die diesen Bierstil wirklich bekanntgemacht haben, kommerziell erfolgreich. Also die sind Teil der zweiten großen Revolution. Dazu gehört dann auch ein Herr Carlsberg oder der Herr Hansen vielmehr von der Carlsberg Brauerei. Und natürlich auch ein Herr Heineken. Denen haben wir viel zu verdanken. Aber die Münchner, die kamen ja eigentlich vom dunklen Lagerbier. Und das lag an diesem Wasser. Das war immer ganz selbstverständlich. Ja, die Münchner haben hartes Wasser. Und das haben sie, sehr kalkhaltig. Und das eignet sich für ein dunkles Bier einfach besser. Okay. Aber plötzlich kommt dieses helle Lagerbier. Das kommt übrigens – das ist auch ganz spannend – diese hellen Lagerbiere kommen echt dann auf den Markt, als das Trinkglas, also das Glas für die Trinkbehälter, günstig wurde. Vorher war Glas, uralte Erfindung, 2500 Jahre ist es schon her, so ungefähr plus-minus 100 Jahre. Das Glas war immer teuer, war immer nur für reiche Leute vorbehalten. Aber 1823 herum hat in den USA jemand eine Erfindung gemacht, um Glas billig herzustellen. Er hatte einfach Glas gepresst. Und seitdem das Glas billig wurde und man Glas dann als Trinkbehälter verwenden konnte, hat dann der Kunde plötzlich das Produkt gesehen. Und dann wurden zwei Sachen nach und nach immer mehr von dem Produkt verlangt. Dass es nämlich heller wurde und dass es auch nicht mehr so trüb sein sollte. Also die Filtration kam dann auch. Erstmal eine ewig lange Lagerung und dann die Filtration kam auf. Die Frage für mich war dann auch immer, jetzt komme ich zu dem Dunklen zurück, das Wasser war ja immer noch dasselbe in München. Sie mussten eine weitere Erfindung machen, nämlich Wasser zu entkalken. Da bin ich auch immer noch nicht so ganz durch, was da in München passiert ist, oder nicht nur in München, sondern auch in anderen Braustätten. Wie haben die das hinbekommen? Die Pilsener Leute, Brauleute, die haben das nicht gemusst, die haben ein ganz weiches Wasser. Da hat sich schon immer ein helles Bier einfach geeignet. Und nicht umsonst heißt das helle Malz ja auch Pilsener Malz. Und das dunkle heißt Münchner Malz. Und das da mittendrin, das war das Wiener. Also es hat schon alles gepasst. Aber die haben dieses Wasser dann irgendwie entkalkt. Und das kannst du natürlich durch Aufkochen machen und das kannst du auch mit Hilfe von Kalkmilch, also da kann man was machen. Und das ist ganz spannend, der Herr Professor Narziß, der hat mir noch erzählt, dass einfach die Biere, wo die das Wasser vorher aufgekocht haben, also energetisch ein Wahnsinn, dass das aber ganz besondere, tolle, helle Biere waren. Und das wollte ich eigentlich auch immer mal nachvollziehen, ob ich das auch so rausschmecken kann. Also ich wollte diese Biere mal nachbrauen. Das muss ich bloß zu Hause machen, weil das kann ich hier finanziell gar nicht richtig vertreten. Vorher das ganze Wasser aufkochen, das ist schon echt heftig. So hat jede Sorte einfach so viele spannende Fragestellungen. Und immer wieder stolpere ich darüber, dass ich feststelle, dass einfach da gewisse Sachen schon niedergeschrieben sind, wo sich Leute schon Gedanken gemacht haben, aber vielleicht nicht bis in die letzte Konsequenz. Und leider sehe ich auch immer wieder mal, dass einfach Sachen immer wieder abgeschrieben werden, abgeschrieben werden, abgeschrieben werden und nicht richtig hinterfragt werden. Das haben damals der Franz Meußdoerffer und ich, wir haben es versucht, so weit wie möglich irgendwie zu eliminieren. Und vielleicht dann auch sogar mit – und da haben wir viele gemacht – mit Experimenten das nachzuvollziehen. Also das Buch war sehr aufwendig.

Holger: Wir müssen noch einen BierTalk machen mit dir. Da reicht jetzt einer nicht aus. Man könnte sogar, der neue heiße Scheiß ist ja Clubhouse, da könnte man einen ganzen Sonntag mal mit dir philosophieren. Markus, wie geht’s dir denn damit?

Markus: Ich würde auf jeden Fall super-gerne mindestens noch eine weitere Folge machen, weil es einfach so viele spannende Dinge gibt. Ich würde auch gerne über Irland reden oder über eben seine anderen Reiseerfahrungen. Und es gibt natürlich immer viel über die Biergeschichte und über Leitner und über Schwabach und überhaupt. Also da gibt’s so viele Punkte, können wir gerne tun. Können wir auch bei Clubhouse tun. Da können wir einfach noch mal drüber reden und dann unseren Hörern Bescheid sagen.

Martin Zarnkow: Ich bin für viele Schandtaten bereit.

Holger: Martin, herzlichen Dank! Das war wirklich so kurzweilig und so unglaublich interessant. Der 55. BierTalk ist ein ganz besonderer geworden. Also das muss man sagen, oder Markus? Mach mal ein schönes Schlusswort.

Markus: Ja, es war mir eine ganz, ganz, ganz große Ehre, weil ja zugleich ein Franke, ein Bierwissenschaftler, mit dem ich sehr, sehr viele, sowohl Biervorlieben als auch historische Vorlieben teile. Und das hat mir ganz, ganz viel Spaß gemacht. Ich freue mich, wie gesagt, total, wenn wir das demnächst weiterführen.

Martin Zarnkow: Hat mir auch echt viel Spaß gemacht, war wirklich super-angenehm. Ich würde mich freuen, wenn das vielleicht auch mal in Präsenz stattfinden kann. Das hat ja dann doch ein bisschen mehr da auch eine etwas andere emotionale Bindung, die bei dem ganzen Thema ja auch wirklich guttut. Aber es hat echt viel Spaß gemacht. Und wenn da noch was kommen sollte, ich habe Zeit, ich werde mir die Zeit nehmen und ich bin für die verschiedenen Schandtaten durchaus bereit.

Holger: Also bis zum nächsten Mal!

Martin Zarnkow: Alles klar!

Markus: Yo! Bis zum nächsten Mal! Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 20 – Interview mit Ulrich Wappler, dem Erfinder des modernen deutschen alkoholfreien Bieres

Ulrich Wappler gehörte zu der Generation, die den Kriegswirren altersbedingt gerade noch entkommen war, aber dann ohne echten Abschluss und Perspektive trotzdem einen schweren Start ins Leben hatte. Für ihn und seine beiden Brüder blieb nur eine Wahl: Entweder Büttner oder Brauer werden. Nachdem sie sich lieber um den Gerstensaft kümmern wollten, heuerten sie in Wernesgrün bei der Günnel-Brauerei an, die beiden Brüder flohen später in den Westen, Ulrich aber hatte bereits Familie, blieb und machte eine für einen Nicht-Genossen erstaunliche Karriere, deren Höhepunkt die Geburt des ersten modernen deutschen alkoholfreien Bieres 1972 war. Doch auch danach blieb er am Ball, konstruierte Brauereien auf der ganzen Welt und kann sich zurecht als „Vater“ vieler Brauer in Ost und West bezeichnen. Im BierTalk mit Markus Raupach gibt er einen spannenden Einblick in sein Leben und gibt interessante Insights in ein Brauerleben hinter dem Eisernen Vorhang.

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen BierTalk Spezial. Heute wagen wir den Sprung an die Spree, also sozusagen ein ganz besonderer Ausflug, und zwar auch wegen unseres Gastes. Wir sprechen nämlich mit Ulrich Wappler, der von vielen als Erfinder des alkoholfreien Bieres gehandelt wird. Was sich so genau dahinter versteckt, werden wir jetzt gleich ein bisschen zusammen ergründen. Herr Wappler, vielleicht stellen Sie sich einfach mal selber kurz den Hörern vor, damit sie sich schon mal ein Bild machen können.

Ulrich Wappler: Sie haben es gesagt, ich heiße Ulrich Wappler. Ich bin am 15.4.1936 in Zwickau auf die Welt gekommen und habe mit meinen beiden Brüdern in Wernesgrün im Vogtland das größte Bierdorf Europas damals meine Kindheit bis zum 18. Lebensjahr verbracht. Mein Vater war auch in der Brauerei und 1949 kam mein Vater aus russischer Gefangenschaft nicht mehr zurück und wir drei Jungs mit unserer Mutter, das Haus steht heute noch 200 Meter neben der Brauerei, so haben wir als Nachkriegskinder natürlich gelitten und konnten keine große Berufswahl wählen, es gab Böttcher oder Brauer. Nun war das Böttcher-Handwerk eigentlich auch ziemlich trocken, so haben wir Brauer gelernt, mein Bruder vorher. Ich war der Mittelbruder und der kleine hat dann auch noch Brauer gelernt. Wernesgrün ist ja ein Dorf, wie gesagt. Der Wernesbach fließt durch das Dorf rechts und links der Brauerei, einmal die (unv. #00:01:41.9#) Brauerei Aktiengesellschaft und auf der anderen Seite die Brauerei Hermann Günnel, die Grenzquell Brauerei. Die Grenzquell Biere waren ja sehr bekannt. Die haben das Bier durch die ganze Welt gefahren. Heute ist es ja anders, heute baut man die Brauereien dahin, wo man das Bier trinkt und fährt das Wasser nicht mehr spazieren. Wir hatten ja in Wernesgrün ein super Wasser, deshalb haben die Brauereien sich da angesiedelt. Wir haben das Wasser aus dem Gebirge genommen. Das würde nur über Kies rüber gejagt und da war das fertig. Meine weitere Entwicklung war dann, dass ich mit 18 Jahren nach Berlin kam und über Bürgerbräu habe ich dann die Engelhardt Brauerei gewählt auf der Halbinsel Stralau in Friedrichshain. Die Brauerei war 75 % ausgebombt und ich habe aber da trotzdem angefangen, weil mich das interessiert hat, bei einem Aufbau einer Brauerei mitwirken zu dürfen. Und so habe ich da 38 Jahre inklusive fünf Jahre Institut, Forschungsinstitut da verbracht. Es wurden damals in dieser Gesellschaft alle Betriebe im Osten die Brauereien nur noch aufrechterhalten, wo das Kesselhaus und die Kälteversorgung nicht zerbombt waren, und alle anderen wurden geschlossen. Und so war Engelhardt schon ganz gut mit der technischen Leitung und alles so. Ich habe alle Funktionen da gemacht.

Markus: Das heißt aber, so die sächsische Herkunft Wernesgrün ist für Sie schon immer noch im Herzen, oder? Oder sind Sie mittlerweile eher Berliner?

Ulrich Wappler: Ja, Wernesgrün geht mir nicht aus dem Kopf. Ich habe auch noch meine Schulfreunde da. Wir telefonieren, die noch übriggeblieben sind, am Leben sind. Das ist so, wir waren 42 zu 50 zur Schule. Und Wernesgrün war damals zum Kriegsende Niemandsland. Oben standen die Russen und unten die Amerikaner. Das hat sich dann nur verschoben, dass in Wernesgrün zur russischen Seite hin wie in Berlin die Grenzen verändert wurden und wie das alles geklärt wurde. Da hat sich dann die Grenze auch verschoben und wir wurden nun die russische Einheit. An sich, meine Schulfreunde, die noch leben, wie gesagt, die Wernesgrüner, es gibt ja nur noch eine Brauerei da, ich habe sehr gute Erinnerungen. Und wenn ich nach Wernesgrün kommen sollte wieder mal, ich kann jetzt nicht, weil meine Frau vor fünf Jahren einen Schlaganfall hatte und ich pflege sie, wir sind 63 Jahre, jetzt 64 Jahre dieses Jahr verheiratet, haben auch zwei Kinder großgezogen, und ich muss sagen, ich wollte eigentlich beruflich was anderes werden. Aber ich bin trotzdem nicht böse darüber, ich liebe den Beruf Brauer. Auf der ganzen Welt, was ich erlebt habe, kann mir keiner mehr wegnehmen. Und ich muss sagen, der Brauerberuf, die Leute sind ehrlich zueinander und eine gute Gesellschaft.

Markus: Ja, das stimmt. Und Sie haben ja eben auch ein drittes Kind quasi großgezogen. Können wir vielleicht schon mal kurz vorziehen, wo wir eben am Anfang auch schon drüber gesprochen haben, das alkoholfreie Bier. Wie kam es denn da überhaupt dazu? Haben Sie da in Ihrem Werdegang als Braumeister schon von Anfang an gedacht, dass das mal ein Projekt werden könnte? Oder kamen Sie da quasi wie die Jungfrau zum Kind?

Ulrich Wappler: In Berlin haben wir damals in der Engelhardt Brauerei nur Pupe hergestellt, das sogenannte Karamellbier und alles, weil das technisch gar nicht ging. Und durch die Entwicklung der Brauerei habe ich dann nicht an alkoholfreies Bier gedacht, sondern wir haben immer versucht natürlich, helle Biere, (unv. #00:04:54.6#)-Biere zu machen. Wir waren ja mächtig beschäftigt mit den Rohstoffen. Da auch die Auslastung der Betriebe ganz groß, weil die Rohstoffe wurden ja immer enger. Das war Wernesgrüner (unv. #00:05:05.6#) kein Vergleich. Die Betriebe haben die besten Rohstoffe gekriegt, weil sie eben exportiert haben, auch Lübz gehört dazu. Man hat ja immer mehr Getränke gebraucht. Es hat ja das alkoholfreie Getränkelager gar nicht mehr ausgereicht, um die Versorgung zu sichern. Und dann hat man dann gesagt, also an den Grenzen, wenn die Leute hier rüberfahren, die Lkws, die laden immer auf. Da stand dran, hier Pirelli tanken, in der DDR strengstes Alkoholverbot. Und dann kam man in den 70er Jahren zu uns in die Brauerei und dann haben die natürlich gesagt: Naja, was wollt ihr weitermachen? Wir waren wirtschaftsgeleitete Industrie und das Getränkekombinat Berlin bestand aus vier Großebetrieben. Und dann hat man gesagt: Na sag mal, kennt ihr sowas nicht? Ihr Braumeister, seid ihr zu dusselig dazu? Und da muss ich dazusagen, eigentlich kann jeder Braumeister das machen, aber die hatten ja gar kein Interesse daran. Die Kapazitäten waren überfordert an Bier. Und deshalb war auch die Qualität so schlecht. Wir mussten mit Rohgerste arbeiten, wir hatten ja kein Reinheitsgebot. Wir haben (unv. #00:06:05.9#) Hopfen verwendet aus der Tschechei, bis dann selbst welcher angebaut wurde. Und so hat sich das alles schon entwickelt. Und ich habe mir Gedanken gemacht, weil ich ja eigentlich fünf Jahre im Forschungsinstitut war. Ich habe erst in 1957 zu 58 den Braumeister gemacht, Brau- und Malzmeister, in einer Fachschule in Friedrichshagen. Und 62 dann habe ich in Dippoldiswalde fünf Jahre lang ein Fernstudium zum Getränkeingenieur gemacht. Ich musste aber die 10. Klasse nachholen, denn in der Schule bei uns waren nur acht Klassen. 45 wurden die Altlehrer entnazifiziert, die Neulehrer kamen. Wir haben eigentlich wenig gelernt. Die Schule hatte keine Kohlen und so weiter und da habe ich das gemacht. Eigentlich war das ein Lauf. Ich bin dann ins Getränkekombinat schon als Braumeister gut behandelt worden und alles, aber es ging darum, alkoholfreies Bier herzustellen. Und da habe ich gesagt, das geht bei uns auch nicht. Aber ich muss sagen, nach 58 hat man die Schnapspreise erhöht in der DDR. Und da wurde natürlich unsere Schnapsfabrik in der Engelhardt Brauerei, die die Russen damals den Braumeister Zappe gezwungen haben mit dem Revolver auf der Brust: Wenn du Bier machen kannst, kannst du auch Schnaps machen. Und dann musste der Schnaps machen. Aber nur keine Brennerei, sondern nur eine Schnapsherstellung mit Rohsprit und so weiter. Da haben sie Rohsprit gemacht, aber die Schnapsabteilung hat sich eigentlich ganz gut entwickelt. Aber 58 haben sich die Preise erhöht und dann hat man gesagt, machen wir das zu. Und da wurde plötzlich die halbe Brauerei, der halbe Gärkeller, der halbe Lagerkeller leer. Und nachdem die Schönhauser Allee Schultheiss geschlossen wurde aus technischen Gründen, haben unsere schlauen Schlosser, die waren wirklich gut, die zusammengeschraubten Tanks aus dem Lagerkeller noch herausgeholt und bei uns aufgebaut und zusammengeschweißt. So hatten wir eine Kapazitätserweiterung. Und da habe ich gesagt, natürlich können wir auch alkoholfreies Bier herstellen. Aber ich muss sagen, das hat einen langen Weg gedauert. Um alkoholfreies Bier zu erstellen, war es notwendig, erst mal eine Patentrecherche zu machen. Aber es war schwierig an die Patente ranzukommen. Wir haben doch als normale Menschen weder eine westdeutsche Literatur bekommen noch Patente. Aber man hat mir das dann zugespielt, ein Patent nach dem anderen. So habe ich eben ein halbes Jahr dran gebraucht, um die Patente erst mal zu erforschen. Es gibt ja bei der alkoholfreien Bierherstellung einen physikalischen Weg und einen biologischen Weg. Und der physikalische Weg ist ja die Verdampfung, Membranfiltration, ich brauche das nicht alles aufzählen, Extraktion, Absorption, alles. Aber wir hatten ja gar keine Anlagen dazu. Ich durfte auch keinen Erfahrungsaustausch machen, weil ich nun nicht dazugehörte, war kein Genosse und meine Brüder sind nach Westdeutschland abgehauen damals und haben das Land verlassen. Und durch meine Familie natürlich konnte ich nicht und hab’s auch nicht gemacht, ich war meiner Familie treu. Wir haben erst mal ein Kollektiv gegründet. Ich muss dazu sagen, bei uns wurden Patente und Neuerungen in der Not geboren. Man hat sich Gedanken gemacht, wie kannst du das verändern. Und außerdem gab’s auch noch Geld dafür, wir haben das nicht umsonst gemacht. Und so wurde eben das alkoholfreie Bier, wir haben eine Kleinanlage aufgebaut und haben das versucht. Es war ja nicht so einfach, wir wollten ja ein biologisches Verfahren machen mit Angären. Und im Ostblock gab‘s das nicht.

Markus: Bei uns im BierTalk trinken wir auch immer gemeinsam ein Bierchen. Jetzt ist für mich so ein bisschen die Frage: Was haben Sie sich für eins aufgemacht? Ist das eins mit oder ohne Alkohol? Was lassen Sie sich schmecken?

Ulrich Wappler: Ich trinke meistens gepilstes Bier mit einer starken Hopfennote, weil ich liebe die Hopfennote. Die Lehrbrauerei, wo ich war, war das bittere Bier, die andere Brauerei, die (unv. #00:09:49.6# Meinel?)-Brauerei hat das milde Frauenbier gemacht und ich habe die Bittere immer noch bei mir. Die muss natürlich angenehm sein, aromamäßig und auch im Hals kein kratziges Bitter sein. Und ich trinke gerne ein Pilsner, das ist zum Beispiel das Jever Bier.

Markus: Und das haben Sie jetzt auch gerade bei sich im Glas?

Ulrich Wappler: Ja, das habe ich jetzt da und habe es aufgemacht und habe schon mal angestoßen, weil ich Durst hatte. Und ich muss immer wieder sagen, dieses bittere Bier bringt einen guten Appetit mit und regt zum Weitertrinken vor allem an. Man trinkt dann nicht nur ein Bier. Man soll von Bier nicht satt werden. Denn Bier war ja früher Nahrungsmittel. So ist es in der Mongolei gewesen, wo ich da war. Die haben das als Nahrungsmittel aufgenommen und Alkohol war bei denen Nebensache.

Markus: Dann mache ich mir auch eins auf. Ich habe mir auch ein untergäriges Bier genommen. Moment! In dem Fall aber tatsächlich ein alkoholfreies. Das kommt jetzt aus Schottland von der BrewDog Brauerei. Würde Ihnen bestimmt gut schmecken, weil ist ordentlich Hopfen drin, hat eine schöne Bittere. Und durch den Aromahopfen, durch das Hopfenstopfen auch ein bisschen so eine fruchtige Zitrusnote. Also auch was sehr Schönes. Prost! Schön, dass wir zusammen sein können.

Ulrich Wappler: Sehr zum Wohl!

Markus: Danke schön! Sie haben ja gesagt, das war alles sehr knapp. Lag ja auch ein bisschen daran, dass einfach durch diese relativ willkürliche Grenzziehung auf einmal die DDR-Brauwirtschaft abgeschnitten war von den Rohstofflieferanten vom Hopfen, aber auch von den Braumaschinen-Herstellern und so weiter. Das heißt, da war viel Improvisation angesagt. Und ich habe mir auch erzählen lassen, dass es zum Beispiel sowas gab wie einen Liefervertrag mit Kuba, weil die einfach nur Zucker exportieren konnten und alle Ostblockländer eben gesagt haben, wir müssen Kuba unterstützen. Und so die DDR auch jede Menge Zucker eingekauft hat. Und man dann eben sogar beschlossen hat, das Bier zum Großteil mit Zucker zu brauen. Haben Sie denn von diesen Engpässen und auch von dieser Zuckergeschichte auch was mitbekommen?

Ulrich Wappler: Ja, ja. Natürlich, reichlich. Wir haben erst mal grundsätzlich das Malz bekommen, was man nicht für den Export, die Brauereien, die exportiert haben, nicht für den Export (unv. #00:11:47.2#), unser gutes Malz hat man exportiert und die Brauereien, die eher exportiert haben, haben ja (unv. #00:11:52.9#) gekriegt und die haben auch das gute Malz gekriegt. Denn bei uns war die Malzwirtschaft, man hat zwar ein Gersteninstitut gehabt und hat daran gearbeitet, aber die DDR oder die Bauern, die haben für die Gerstenherstellung, eine gute Gerste, die zu vermälzen waren, es mussten ja gleichmäßige Körper sein, die gleichmäßig keimen und alles, haben wir eigentlich keinen besonderen Aufschlag gekriegt. Die haben für die Gerste nach (unv. #00:12:18.3#) Menge gekriegt, die haben natürlich Stickstoff in den Boden hineingehauen als Düngemittel. Und da wurde die Gerste eiweißreich. Und über 10 % Eiweiß konnte man das kaum verwenden. Und dadurch ist natürlich die ganze Malzindustrie etwas zurückgegangen, auch durch den hohen Anstieg des Bieres. Sie müssen sich vorstellen, wir haben 1945 34 bis 40 Liter pro Kopf-Verbrauch. Und 1982 waren das 147 Liter pro Kopf der Bevölkerung, obwohl die Bevölkerung um 1,5 Millionen abgenommen hat für diesen Zeitpunkt getrunken. Es war unmöglich. Und der Zucker aus Kuba, der Rohrzucker war zur Verfügung. In der DDR hatten wir auch selbst, Nauen war eine Zuckerfabrik, ich durfte da mal ein paar Monate arbeiten. Da wurde der Rübenzucker verarbeitet. Zucker war in Hülle und Fülle da. Aber wir haben nur 10 % Zucker eingesetzt. Der Zucker ist natürlich als Sacharose ein (unv. #00:13:15.2#) fressender Hefe. Und wir haben dann in die heiße Würze unsere Aufstockung nur 10 % einsetzen dürfen. Und ich muss sagen, das war eigentlich gar nicht schlecht. Die Vergärung wurde angeregt. Denn unsere Maltose, da mussten ja Enzyme hinein, (unv. #00:13:31.7#) vergärt ja nicht. Die war ja nicht aufgeschlossen.

Markus: Wir haben ja vorhin über das Thema Alkoholfrei schon gesprochen. Und Sie haben angesprochen, dass es ja das Birell Bier gab, was im Westen, das war, glaube ich, eine Schweizer Marke, ursprünglich relativ präsent war, und man dann eben gesagt hat, wir wollen auf jeden Fall ein alkoholfreies eigenes Bier haben für uns. Und wie hat sich das dann bei Ihnen entwickelt, dass Sie das umgesetzt haben? Und wann kam dann so dieses erste Bier raus, das man dann auch wirklich trinken konnte?

Ulrich Wappler: Das Bier nannte sich (unv. #00:13:59.5# auch?) wie unser Bier. Und nachdem ich da anderthalbes Jahr mit einer Arbeitsgemeinschaft von vier Personen, aber das waren nur die, die im Patent getragen waren, sondern der ganze Betrieb musste mit mir mitziehen. Und da muss ich sagen, die guten Brauer und auch die Laborantinnen, wir hatten ja keine Messgeräte groß. Das gab’s ja alles nicht. Wir haben dann das Bier vorbereitet mit einer Kleinanlage, alkoholfreies Bier in (unv. #00:14:24.5# metabiologischen?). Aber da gab’s ja Probleme. Wir hatten keine Sonderhefe, wir mussten also erst mal eine Anlage bauen, dass wir die Würze unterkühlen können, dass wir die Gärung stoppen können, dass wir nicht über 0,5 % Alkohol haben, dass wir das zugelassen bekommen. Leider habe ich nachts um halb eins einen Anruf gekriegt von der Leipziger Messe, die wussten, da hat wahrscheinlich einer abends irgendwie in der Gesellschaft da angegeben, was wir alles schon in Arbeit haben. Da habe ich einen Anruf gekriegt, morgen früh müssen da zwei Kästen von dem Bier, was erst in 14 Tagen, drei Wochen fertig gewesen wäre, nach Leipzig schicken. Und die haben das alles für so gut gefunden, (unv. #00:15:01.6#) mir heute noch anstinkt, wenn mir einer sagt, ein älterer Herr, ja früher hast du (unv. #00:15:06.4#), das konnte man ja nicht trinken. Deshalb habe ich es später in Pilot umbenannt und so weiter. Aber diese Biersorte haben wir dann vor allen Dingen erst mal gebracht in die Hitzebetriebe. Wir haben die Betriebe beliefert, erstmal die ganzen Raststätten in der DDR. Und da hat man einfach gesagt, dass wir kein Wasser transportieren müssen, weil auch (unv. #00:15:27.1# Sprit?) für die Aktion negativ war. Wir haben kein Benzin gehabt für die Autos. Und da hat man gesagt, also macht doch folgendes: Fahr in den Bezirk Gera in die Brauerei Neustadt an der Orla und rüste die einfach um und dann könnt ihr alkoholfreies Bier machen. Und da könnt ihr Hermsdorfer Kreuz, Mischendorf und was weiß ich, alles, was da unten an Raststätte liegt, wir können Weißwasser, die Glaswerke, wir können Leuchtenbau Dresden, wir können alles, die Schwerindustrie, alle, die Durst hatten und während der Arbeit. Der Gewerkschafsbund war ganz hart. Der hat ja den Alkohol dann in den Betrieben grundsätzlich verboten. Und da haben die das ausgeglichen eben mit alkoholfreiem Bier. Unser Bier war ja billiger als das Birell, ist ja klar, aus der Schweiz, das kleine. Wir haben 75 Pfennig pro halben Liter. Das war ja an sich kein Preis. Das normale Pilsener hat 91 gekostet, der halbe Liter. Und die Spezialbiere gingen dann von 1,25 bis 1,50 hoch, der halbe Liter. Und mir wurde gesagt, die Fahrer nehmen das reichlich mit in ihre Autos rein und das hat denen gefallen. Die hatten alkoholfreies Bier.

Markus: Und haben sich auch die Mitarbeiter in den Glaswerken gefreut? Wie war das so?

Ulrich Wappler: Ja, natürlich! Die Glaswerke, natürlich haben wir einen Fehler gemacht. In Weißwasser war ich da, das einheimische Bier war ja kaum trinkbar. Und wir sind mit unserem unetikettierten Bier dahingekommen, haben eingegossen und haben da schöne Gläser mitgehabt. Die Mundblasgläser haben hauptsächlich für Export gearbeitet. Und das war natürlich (unv. #00:16:53.3#) für die. Die haben Bier getrunken, die konnten so viel holen. Da waren so Lehrlinge, die haben dann eine Kanne Bier gebracht. Da hat der geschluckt und dann haben die sich gegenseitig auch mal verbrannt und ein Unfall passiert. Und wie wir da ankamen, haben das Bier verkostet, haben gesagt: Das ist ein schönes Bier. Das hätten wir auch gerne. Und unser Betriebsleiter, der war dann so, hat gesagt, ihr könnt noch so viel trinken, wie ihr wollt, ist alkoholfrei. Da gingen die an die Decke. Die haben Schnaps noch nebenbei getrunken. Ist ja klar. Und dann sind wir nach Leuchtenbau Dresden gefahren und da haben wir natürlich gar nichts gesagt und haben die erst alle unterschreiben lassen, ob sie das Bier haben wollen. Und dann haben die gesagt, das möchten wir haben. Die hatten sogar Deputat-Bier gekriegt, um den Durst zu löschen. Die sind der Meinung, zur Speichelbildung braucht man Bier.

Markus: Das heißt aber, letzten Endes haben sie es dann doch genommen, oder war es dann tatsächlich …

Ulrich Wappler: Ja, ja. Ja, ja. Die haben genommen, auch die Hitzearbeiter, die Stahlwerker. Ich habe sie jetzt nicht alle aus dem Kopf hier. Wir haben reichlich beliefert. Und das hat natürlich auch dann (unv. #00:17:49.1#) spitzgekriegt und die Länder vor allem im Ostblock. Es gab ja schon Biere, die aber waren alle über 1 % Alkohol. Und diese Biere in der Tschechei und in Bulgarien über 1 %, und geschmeckt haben sie eben auch nicht. Aber wir haben uns da wirklich große Mühe gegeben und ich habe dann auch schon mit Hopfen-Öl gearbeitet. Ich habe für die Forschung mitgearbeitet. Und das Hopfen-Öl haben wir dann auch im Bier mit angewendet und so weiter. Aber mit allen Tricks und allen Mitteln haben wir eigentlich dann ein ganz gutes Bier. Das wurde immer besser und auch der Anstieg des Absatzes wurde immer besser. Und wir hatten dann schon 11.000 Hektoliter, das ist schon eine ganze Menge. An sich wurde die Anlage gebaut auf 100.000 Hektoliter. Das wäre der DDR-Bedarf gewesen. Aber die Wirtschaftlichkeit ist damit ja abgesunken, das ist klar, vom Preis her, hatte ich ja gesagt. Heute wäre das schon kein Problem. Ich meine, man muss immer berechnen, das war 1972, wo wir das Patent eröffnet haben.

Markus: Wann war die erste Präsentation von dem Bier?

Ulrich Wappler: Das Bier ging soweit zur Messe und nachdem man dann gemerkt hat, dass das in der Qualität immer besser wurde und wir haben ja zusammengearbeitet mit dem Forschungsinstitut, was auch hier auf Stralau stand, das nannte sich WTEZ, Wissenschaftlich Technisch Ökonomisches Zentrum der DDR. Und die haben das verkosten lassen mit Bieren aus dem Ausland und bis zum zweiten Platz haben wir das geschafft und standen also sehr gut dar. Und dann hat man gesagt, na, dann müssen wir auch das exportieren können als Exportbier. Nach Amerika Michigan ging das dann unter Foxy Light. Dann haben wir (unv. #00:19:29.4#) gekriegt und konnten uns Verpackungsmaschinen kaufen. Und so hat sich das immer weiterentwickelt. Auch nach England, die wollten den Namen Berolina draufhaben. Wir sind dann schon 87, 88 bei 18.000 Hektoliter Ausstoß gewesen. Die Anlage wurde ja noch nicht voll genutzt, wir hätten weit mehr machen können. Und dann habe ich das natürlich, da ich mal ein Meister für Pilotanlagen war, habe ich es auf Pilot umgetauft unser einheimisches Bier. Und dann sind wir zur Messe gefahren, eingeladen worden, da wurde unser Bier Foxy Light nach Amerika an der Ausstattung und im Geschmack mit der Goldmedaille der Leipziger Messe ausgezeichnet. Das war 1986. Und da wurden natürlich noch mehr Betriebe aufmerksam. Da wollten jetzt noch viele haben. Dann war nach Ukraine, Ukraine in der Brauerei, dann war ich in Weißrussland in einer Brauerei, und viele andere wollten das auch haben. Und das war eigentlich eine ganz gute Entwicklungsphase, die wir hatten. Aber leider hat man das dann zunichte gemacht, nachdem das Brauen (unv. #00:20:29.5# verboten?) wurde, hat man ja die Betriebe zugemacht. Die Engelhardt Brauerei wurde ja am 30.11.1991 geschlossen. Und damit war auch diese ganze Idee und alles gestorben.

Markus: Vielleicht da noch mal kurz zurück zur Wende. Wie haben Sie denn diese Zeit erlebt? Also vielleicht 88, 89 und was direkt danach passiert ist. Und wie ist es Ihnen denn in dieser Zeit ergangen?

Ulrich Wappler: Na ja, mir eigentlich hat man nichts angetan. Ich war durch meine fachliche Arbeit und ich war ja überall mit beteiligt in sämtlichen Neuerungen und Ideen und alles, was auf den Markt kam, ob das nun alkoholfreies Bier war oder reduziertes Bier, alkoholreduziertes Bier oder zur 750-Jahr-Feier ein Köpenicker Moll und so weiter, hat man da natürlich mich als Produktionsleiter, ich war ja auch 15 Jahre stellvertretender Betriebsdirektor, eigentlich ganz in Frieden gelassen. Nur das alkoholfreie Bier, ich habe das gemerkt, dass der Wirtschaftsrat von der geleiteten Industrie etwas gebremst hat. Je mehr wir alkoholfreies Bier hergestellt haben, obwohl das einen höheren Aufwand hatte, aber dafür weniger Prozent, hat ja nur 7 % Stammwürze, aber es hatte einen höheren Energieaufwand, kältetechnisch und auch Energie. Weil wir mussten ja Kochmaischeverfahren fahren, wir haben mehr Springmaischeverfahren gemacht und so weiter, mehr Hefe zugegeben und Arbeitsaufwand, war das also eigentlich etwas teurer in der Herstellung. Und wenn man das für 75 Pfennig die Flasche verkauft, wir haben ja alles mit Pilsener Bier gemacht. Sie müssen sich mal überlegen, wir haben 1972 eine große Idee durchgesetzt, und zwar, Tankanlagen aufgebaut. Wir hatten zur Wende 1989 350 Tankerstädten, jede Gaststätte vom Palast der Republik bis zur Ostsee hoch, die neu konzipiert wurde, waren Tanks eingebaut, und wir haben nur per Pipeline unser Pilsator dahin geliefert. Das war so ein ökonomisch wirtschaftliches Verfahren. Wir haben 200.000 Hektoliter Pilsator, das ist das unpasteurisierte Berliner Pilsener, das haben wir geliefert in Tankerstätten. Das wurde ja unheimlich viel getrunken.

Markus: Wie ging‘s dann mit Ihnen persönlich in der Wendezeit weiter?

Ulrich Wappler: Man hat mich nicht entlassen. Ich bin dann mit (unv. #00:22:44.0# Brehm?) als letzter raus und habe die Tür abgeschlossen. Und man hat mich immer hochgehalten, weil ich ja, ohne jetzt überheblich zu wirken, eine gewisse fachliche Fähigkeit hatte, denn ich habe mein ganzes Studium nach Feierabend gemacht und habe nie die Praxis unterbrochen. Ich war in der Lage, jedem in der Brauerei die Arbeit vorzumachen vom Flaschenkeller bis zum Lagerkeller bis zum Sudhaus. Selbst das Kesselhaus hatte ich beherrscht, habe da einen Lehrgang gemacht, und konnte, wenn der Heizer besoffen kam, habe ich ihn nach Hause geschickt und habe alleine weitergeheizt. Und diese ganze Situation war natürlich für mich sehr gut. Man hat uns dann auch mehr Geld gegeben und hat, wo ich sehr stolz drauf war, anfangs, man hat in die Brauerei noch mal 5 Millionen reingesteckt in die Brauerei 89. Und dann hat man 91 gesagt, jetzt machen wir zu und ich wollte den Füller anlaufen lassen und da hat man gesagt, nein, das ist nicht. Und dann war eine Versammlung und Polizei stand vor der Tür. Und ich saß dann da und da haben die Leute gefragt zum Betriebsdirektor, der hat gesagt, ich habe gar nichts dazu zu sagen. Nach dem Untergang, das war dann, Brau und Brunnen kam dann aus Dortmund. Und dann hat man den technischen Leiter gefragt, hat gesagt, was sagst du dazu? Der hat auch bloß den Kopf geschüttelt und hat nichts gesagt. Und dann haben die gefragt, Produktionsleiter, Oliver (unv. #00:23:57.7#), was sagst du dazu? Und dann bin ich aufgestanden und habe unter Tränen dann natürlich den Leuten gesagt, dass sie zufrieden sein sollen, dass sie eine gute Abfindung kriegen, und dass unsere Technik und unser Betrieb eigentlich dem Stand der westdeutschen Brauereien weit zurück waren. Das muss ich zugeben. Wir waren technisch und in allem weiter zurück. Ich habe meine Arbeitskräfte dann in Westberlin untergebracht in den Brauereien, die Brauer. Und da habe ich die Brauereien gesehen, also da muss ich mal sagen, da waren wir weit zurück. Wir hätten ein völlig neues Sudhaus gebraucht, neuen Flaschenkeller und alles. Aber das musste man den Leuten beibringen und das war das Entscheidende. Und ich selbst wurde nicht entlassen, ich wollte aber auch kein Bierverkäufer werden, sondern habe mich dann auf Grund, dass ich die Kleinanlage für das Forschungsinstitut gemacht habe, für die Hopfenforschung, habe ich Blut geleckt und habe mich den Hausbrauereien gewidmet. Und dann bin ich als erstes nach Gommern, das ist 15 Kilometer vor Magdeburg, da habe ich eine Brauerei aufgebaut in einem Wasserschloss für einen Millionär, und habe da auch selber Bier gebraut. Das ist das ja, was ich konnte. Ich habe nicht nur als Sonderbrauleiter gewirkt, sondern ich habe dann auch vorgemacht, wie man Bier braut. Und dann habe ich mir das Bier gebraut, dann war natürlich schon das Reinheitsgebot da, wir hatten da bessere Malze und auch guten Hopfen, also alles kein Problem. In Görlitz war ich bei einer Susanne Daubner, die hat in Berlin studiert, aber nicht die Rundfunksprecherin, sondern in der Obermühle. Die haben mir ein Lied geschrieben und viel geschrieben über mich. Da habe ich ein Mühlengose gebraut für die. Und die waren ganz begeistert, die haben vieles getan für mich dann. Und da war ich auch stolz darauf. Und dann war ich in Rathenow, habe denen eine Brauerei konzipiert und aufgebaut. Dann habe ich natürlich auch eine Brauerei gemacht am Alexanderplatz. Da hat mich dann einer von Gommern zurückgeholt und hat gesagt: Du musst bei uns hier anfangen. Und ich wohnte ja da in der Nähe. Da habe ich dann das Alexbräu, das ist eine Brauerei mit einem Sudhaus von 15 Hektoliter, die habe ich als Sonderbrauleiter aufgebaut mit und war dann zehn, elf Jahre da, habe da mit Lehrlinge ausgebildet, die die Hausbrauereien heute noch machen, und auch ausländische Ingenieure. Ich habe auch für Beraplan gearbeitet, was heute BrauKon ist in München. Und so weiter. Dann kam auch das Heldenblut im Karolinenhof. Dann habe ich eine Brauerei gebaut, und zwar 2015 in Altlandsberg mit Brennerei. Das war, wo ich mir das letzte Denkmal gesetzt habe. Ich muss mal sagen, ich war auch stolz, ich habe 63 bis 67 im Fernstudium meinen Getränke-Ingenieur gemacht und habe dann 62 vom Staatsministerium aus Dresden den Diplom-Ingenieur (FH) Fachhochschule zugesprochen gekriegt aufgrund meiner langen Praxis.

Markus: Also quasi ehrenhalber, könnte man ja fast sogar noch sagen, oder?

Ulrich Wappler: Ja, ja. Ja, ja. Ich muss Ihnen aber sagen, es hat keiner bis jetzt gefragt, was ich gelernt habe und was ich gemacht habe oder irgendwie was. Die haben immer gewusst, kann er Bier brauen oder nicht. Und entscheidend war das, was die Leute getrunken haben und wie man Bier braut. Und ich kann sagen, also ich habe wirklich sehr viel Bier gemacht und sehr viele Namen. Ich habe damals ein rotes Bier gemacht, damit die Tankerstätten, damit da keine fremden Firmen reintanken können. Ich habe mit dem Reif-System gearbeitet. Reif ist, wenn man in den Lagertank einen Beutel reinmacht und dann reinschickt und über die Uhr. Wir haben nach Volumen ausgeschenkt das Bier. Also ich muss Ihnen sagen, es war schon eine ganz gute Geschichte. Ich hatte Angebote, muss ich sagen, in West-Berlin, aber ich habe das nicht gemacht. Ich habe gedacht, wenn du mal hier auf dem Arbeitsamt sitzt und es trifft dich einer von den alten Brauern von früher, dann sagen die, guck mal, da sitzt der Idiot, der uns hat sitzen gelassen. Das habe ich nicht gemacht, sondern ich bin meiner Gesellschaft treu geworden und werde heute noch geehrt und geachtet von Leuten, die eben Brauereien machen. Ich kann mich in Altlandsberg gerne sehen lassen, die sind mir dankbar, dass ich ihnen eine Brennerei vorgeschlagen habe. Und die brennen jetzt ihr Bier ab, was sie nie verkaufen und machen Schnaps draus. Und das ist schon sehr gut. Es gibt ja viele Hausbrauereien.

Markus: Ja, auf jeden Fall! Und ich habe ja auch schon viele, viele Brauer besucht. Und in der Tat ist es so, ob das jetzt die Jungs von Heldenblut waren oder zum Beispiel auch die Frau Daubner, überall ist immer wieder Ihr Name gefallen. Und das merkt man einfach, dass da einfach viel Respekt und viel Anerkennung da ist und einfach viele Leute von Ihnen, mit Ihnen gelernt haben und in die Branche auch gefunden haben. Also ganz großartig. Vielleicht zum Abschluss noch eine Frage: Wie denken Sie denn aktuell die Zukunft der Branche? Was denken Sie, wird so dieses Jahr, das nächste Jahr bringen? Und worauf sollten sich vielleicht Brauereien auch ein bisschen konzentrieren?

Ulrich Wappler: Ich spreche ja mit sehr vielen Kumpels, die alle aus der Getränkebranche stammen, ob Wein, Sekt oder Bier, hauptsächlich Bier. Und ich habe wirklich sehr viele gute Kontakte. Ich muss sagen, die Brauereiwirtschaft hat sich unheimlich in den letzten 50, 60 Jahren entwickelt, also sagenhaft. Wenn ich noch daran denke, wie wir in Wernesgrün in Holzfässer reingeklettert sind und wie wir gepicht haben und alles sowas, und heute das alles gesteuert wird. Die sitzen ja nur noch da. Heute braucht man normalerweise gar keinen Brauer mehr. Heute braucht man einen Computertechniker, der sitzt drin und kann das alles schalten und walten. Also es wird für die Brauereien sehr schwer sein. Viele wandern ja deshalb aus, das habe ich gesehen. Ich war, wie gesagt, sechs Jahre in der Mongolei und da habe ich das gesehen, dass da fast alles deutsche Braumeister sind, die da arbeiten und die noch Bier brauen können. Oder die Hausbrauereien, die Craftbier-Brauereien, ist ja auch weiter nichts wie handwerklich gebrautes Bier, und auch gutes Bier, muss ich sagen. Viele gehen natürlich jetzt kaputt durch die Gastronomie. Ich weiß nicht, wie es mal wird, wenn dieser Krankheitszustand jetzt mal eingeengt ist und wieder frei in eine Kneipe gehen können. Wahrscheinlich wird das kommen, dass man geimpft sein muss, sonst kommt keiner rein. Aber viele sind ja schon kaputt und müssen ihre Gaststätten verkaufen. Das geht alles den Bach runter. Die Zukunft wäre so, es hat sehr nachgelassen, habe ich gelesen, der Bierabsatz zurzeit, und die Leute, die ich kenne, die jungen Leute, die ja da als Sommelier und so weiter da arbeiten in der Brauerei, nur noch halbtags oder zwei Tage in der Woche. Da kriegen sie natürlich auch nicht volles Gehalt. Und wer eine große Wohnung hat und alles und sich nichts beiseitegelegt hat, der geht auch den Bach runter. Aber eins steht fest, die Leute merken, dass viele Sorten alkoholfreies Bier da sind, aber die Geschmäcker oder die Geschmacksunterschiede so groß sind, dass man manche Biere gar nicht trinken kann. Und das liegt an der Verfahrensweise und dann sind die auch noch elend teuer. Da kostet manche Flasche Bier alkoholfrei bis einen Euro und wenn man’s nimmt, 7 % oder 6,5 % Stammwürze und Alkohol null, den haben sie rausgezogen und haben Schnaps draus gemacht. So schlau waren wir damals auch, bloß wir hatten keine Möglichkeit, den verdunsteten Alkohol wieder zurückzugewinnen. Da hatten wir keine Anlage dazu. Sonst hätte ich das auch gemacht. Das macht heute (unv. #00:31:03.4# Dingsleben?) und stellt damit auch Bier her. Patent ist ja weg. Ich habe natürlich sehr viele alte Leute, mit denen ich zusammenkomme, die trinken alkoholfreies Bier, zum Beispiel alkoholfreies Weizen. Ein Kumpel von mir, der kippt sich Bananensaft rein, dann schmeckt er den Würzegeschmack nicht. Wohl dem, der das nicht braucht, alkoholfreies Bier. Ich trinke gerne ein gutes Pilsener, das bekommt mir auch gut, aber wenn es eben nicht mehr geht aus gesundheitlichen Gründen oder aus beruflichen Gründen, und die Leute, die nicht auf Bier verzichten wollen, die sollten dann, bin ich der Meinung, schon auf alkoholfreies Bier zugreifen. Bloß, man müsste da schon den kleinen Unterschied zwischen der (unv. #00:31:40.7# Preislage?) machen. Und das wird auch kommen.

Markus: Dann bedanke ich mich bei Ihnen ganz, ganz herzlich für die Zeit und für die vielen spannenden Einblicke in Ihr langes Brauerleben. Ich wünsche Ihnen natürlich noch viele, viele schöne Jahre und Tage und viele gute Biere, die Sie trinken können. Und ich freue mich, wenn wir uns dann demnächst vielleicht bald auch mal wiedersehen.

Ulrich Wappler: Ja. Ich bedanke mich bei Ihnen auch fürs Gespräch und wünsche Ihnen alles Gute. Bleiben Sie uns erhalten, bleiben Sie gesund!

Markus: Das mache ich. Ich versuch’s zumindest. Danke schön!

Ulrich Wappler: Alles Gute, Herr Raupach! Wir hören voneinander.

Markus: Das machen wir, auf jeden Fall.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 53 – Interview mit Günther Thömmes, Bierzauberer und Autor aus Brunn in Niederösterreich

Geboren in Bitburg, startete der frisch gebackene Brauergeselle Günther Thömmes nach Bayern, um dort neben dem akademischen Braumeistertitel in Weihenstephan auch noch die bierologischen Weihen der legendären Schwester Doris zu erlangen. Anschließend zog er aus in die weite Welt, um überall auf dem Globus Brauanlagen zu verkaufen und einzurichten. Mit dem Umzug nach Österreich kamen die Liebe und das Verlangen, endlich eine eigene Brauerei einzurichten: Die „Bierzauberei“ war geboren. Nebenbei fand Günther Thömmes auch einen Verlag für seine Bierzauberer-Romanreihe und schaffte es, im ZDF 100.000 Euro bei einer Quiz-Show abzuräumen. Im BierTalk erzählt er seine Geschichte, ein wirklicher Podcast-Höhepunkt…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum 53. BierTalk, auf den ich mich persönlich besonders freue. Am Mikrofon ist der Holger und der …

Markus: Markus.

Holger: Unser Gast ist eigentlich unbeschreiblich. Vom Namen her Günther Thömmes, also da gehe ich davon aus, dass viele der Hörer den Günther kennen, vielleicht persönlich sogar. Aber sicher haben sie schon mal von ihm gehört. Was kann man zu ihm sagen? Eben zwei Dinge sind voll im Vordergrund: Braumeister und Autor. Wer jemals schon mal vom Bierzauberer gehört hat, der Günther ist derjenige, aus dessen Kopf der Bierzauberer entsprungen ist. Und: Was man auch noch sagen könnte, er hat sogar mal in der TV-Sendung „Der Quizz-Champion“ 100.000 Euro gewonnen. Das finde ich auch bemerkenswert. Günther, also herzlich willkommen und schön, dass du Zeit für uns hast. Sag doch mal was zu dir, stell dich selbst einfach mal unseren Hörern vor.

Günther Thömmes: Hallo! Danke Holger, danke Markus! Es ist schön, mit euch hier mal zu plaudern. Ich freue mich über die Einladung. Kurze Vorstellung, und wie gesagt Günther Thömmes ist mein Name, ich bin 1963 im schönen Kreis Bitburg auf die Welt gekommen. Bitburg ist natürlich jetzt auch für Bierfreunde auch ein Begriff. Ich bin auch in Bitburg dann aufgewachsen, habe da nach dem Abitur und Wehrdienst eine Brauerlehre in der Bitburger Brauerei gemacht. Und habe dann in Weihenstephan weitergemacht, habe dann meinen Abschluss als Diplom-Braumeister gemacht. Ich bin dann ziemlich viele Jahre in der Zulieferindustrie unterwegs gewesen in der ganzen Welt. Ich habe also für Ziemann und für GEA, für zwei wirklich große Anlagenbauer in der ganzen Welt Projekte gemacht, zuerst in der Projektierung und dann im Vertrieb. Ich war also wirklich in Ländern, wo man normalerweise brautechnisch nicht hinkommt, wie Usbekistan, Vietnam, hinteres Sibirien, Eritrea, Rumänien, Bulgarien, habe ich damals viel gemacht und in Ex-Jugoslawien. Ich bin dann für die GEA drei Jahre nach Amerika gegangen, zuerst an die Westküste und dann an die Ostküste. Ich habe da meine ersten Erfahrungen mit Craftbier gemacht, also mit dem amerikanischen Craftbier. Das war 1997. Da habe ich dann mein erstes Sierra Nevada Pale Ale getrunken, das war mein persönliches Erweckungserlebnis. Ich habe mir sofort eine Hobbybrauanlage zugelegt beziehungsweise selber gebaut und habe dann angefangen, selber meine Pale Ales, IPAs und so weiter zu brauen. Also zu einer Zeit, da hat in Deutschland eigentlich niemand mit dem Begriff IPA was anfangen können. Ich bin dann 2000 zurück erst nach Deutschland und dann knapp zwei Jahre später nach Österreich, wo ich dann geheiratet habe. Ich habe dann weiter in der Zulieferindustrie gearbeitet. Wir haben die Regionalvertretung gehabt für meine früheren Arbeitgeber Ziemann und GEA. Da war ich viel in Ex-Jugoslawien unterwegs. Und ich habe dann aber beschlossen, ich will mir den Traum meiner eigenen Brauerei erfüllen. Ich habe Ende 2009 mein Geld zusammengekratzt und habe mir meine Bierzauberei gebaut mit einem kleinen 2-Hektar-Sudwerk. Was damals in Österreich so ziemlich das erste echte Craftbier-Projekt war. Also sprich, kleine Brauerei, nur Flaschenbier, spezielle Biersorten, die erste rein obergärige Brauerei war ich ja auch noch. Ich habe als erstes ein IPA in Österreich auf den Markt gebracht, als erster auch eine Gose dann gemacht im 2-Hektar-Sudwerk ohne Gastronomie. Und das war ziemlich heftig. Danach gingen leider ein paar Sachen schief. Deswegen habe ich 2013 die eigene Brauerei wieder verkauft, trotz voller Auslastung. Ich bin dann noch drei Jahre als Wanderbrauer durch die Welt gezogen, habe also in Salzburg gebraut, in (unv. #00:03:41.1#), habe in Budapest viel gebraut, sogar mal in Brasilien eine Gose. Ich habe auch in Deutschland gebraut in der Nähe von Bamberg beim David Hertl. Mit dem habe ich zusammen Biere gebraut. Ich bin dann noch mal in die Zulieferindustrie gegangen hier in Österreich, habe aber letztes Jahr endgültig beschlossen, ich möchte mich als Autor selbstständig machen, weil das ist, was mir am meisten liegt. Das macht mir am meisten Freude. Und die Auftragslage ist auch gut, mit dem Autor, hast du vorhin schon angesprochen. Oder rede ich jetzt zu viel?

Holger: Es ist auf jeden Fall so, die kurze Vorstellung ist jetzt einfach zu einer etwas längeren geworden. Aber in deiner Biografie gibt’s ja auch wirklich so viele spannende Stationen, da reicht wahrscheinlich ein BierTalk sowieso nicht aus. Aber was für mich wirklich immer schon eine Frage war, die ich dir schon immer stellen wollte, ist: Wie hat man sich als Brauergeselle bei der Schwester Doris aus der Klosterbrauerei Mallersdorf eigentlich gefühlt?

Günther Thömmes: Das war eigentlich eine recht lustige Geschichte. Da war ich in Weihenstephan und wollte natürlich in den Ferien auch jobben gehen. Und ich hatte ja schon einen Gesellenbrief in der Hand, im Gegensatz zu vielen anderen Studenten, die ja eher Praktika gemacht haben. Und dann wollte ich in der Freisinger Brauerei arbeiten, bin dann damals zu dem Herrn Mühlbauer gegangen, der war da Chef-Braumeister. Ich habe ihn gefragt und er sagt, bist du in einer Verbindung? Sage ich, Nein. Sagt er, dann ist es schwierig, weil wir nehmen Leute von unserer Verbindung von Bavaria oder so, wo auch der Professor Narziss drin ist. Aber, sagt er, ich weiß, meine gute Freundin, Schwester Doris, sucht eine Urlaubsvertretung. Die hat noch nie Urlaub gemacht, seit sie in der Brauerei arbeitet. Das war 1988. Dann bin ich dahingegangen und habe bei der Schwester Doris mal angerufen. Sagt sie, ja, komm mal vorbei. Da bin ich halt hingefahren. Dann sind wir zur Schwester Oberin gegangen und dann hat sie mich mit den Worten vorgestellt: Ich habe hier einen Brauer für Urlaubsvertretung, er ist zwar ein Preiß, aber Hauptsache, er ist katholisch.

Markus: Musstest du da was unterschreiben, dass du nicht die ganzen Nonnen irgendwie abspenstig machst?

Günther Thömmes: Nein, nein, das nicht. Aber es war dann insofern eine recht lustige Einführung. Dann war das so, dass die Schwester Doris mich zwei Wochen eingewiesen hat und dann ist die tatsächlich mal für vier oder sechs Wochen verschwunden auf Urlaub. Und die hatte wirklich noch niemals Urlaub gehabt vorher. In der Brauerei, mittlerweile ist sie ja recht modern und neu, damals war die wirklich, die hatte noch ein altes Kupfer-Sudwerk, die Austreberung hat auch nicht mehr funktioniert. Das heißt, ich musste zum Austreben dann in diesen kleinen Bottich reinklettern. Was mit meinen 2 Meter plus ja nicht ganz einfach ist. Und da war es heiß und es war eine Herausforderung.

Holger: Normalerweise ist Schwester Doris da reingeklettert? Nein?

Günther Thömmes: Ja genau, genau!

Holger: Echt?

Günther Thömmes: Normal ist Schwester Doris da reingeklettert. Es ging ja nicht anders, weil die beiden anderen Nonnen, die da noch geholfen haben, die waren schon viel, viel älter. Das waren der Schwester Doris ihre Vorgängerinnen. Eine war damals schon 80 Jahre alt fast. Die hat mir dann geholfen bei der Arbeit, ist dann morgens zum Beispiel, damit ich nicht um vier Uhr aufstehen muss oder in der Brauerei sein muss. Ich habe dann da nebenan im Gasthof übernachtet. Die ist dann morgens um vier Uhr gegangen und hat schon mal die Schroterei angeworfen und so weiter. Und wenn ich dann kam, lief die Maische schon. Und musste ich schon im Sudhaus noch weitermachen. Und zum Beispiel beim Schlauchen, die Tanks musste man auch von Hand schrubben und die haben auch nur kleine Satteltanks gehabt, 20-Hekto-Tanks. Das war auch sehr knifflig, da reinzukommen. Aber da habe ich gelernt den alten Brauerspruch: Wenn du mit dem Kopf reinpasst oder mit den Schultern drin bist, dann geht der Rest auch. Und da bin ich dann wirklich in dem Tank, wo ich mich kaum bewegen konnte, habe ich mich dort hingesetzt mit einer Bürste und habe die Tanks geschrubbt. Das war eine Art von Brauen, die ich halt in der Bitburger so nicht gelernt hatte, aber es war eine wirklich spannende Zeit.

Holger: Sehr schön!

Günther Thömmes: Da habe ich wirklich handwerkliches Brauen gelernt.

Holger: Das ist doch wirklich eine sehr schöne Geschichte. Und darauf jetzt ein Bierchen. Günther, was hast du auf dem Tisch oder was hast du in der Flasche?

Günther Thömmes: Ich habe ein Weißbier auf dem Tisch. Ich trinke eigentlich im Moment nur Weißbier. Das ist irgendwie mein Lockdown-Bier. Das läuft am besten.

Holger: Selbst gebraut, oder?

Günther Thömmes: Nein, nein! Das ist ein gekauftes.

Holger: Dann berichte doch mal. Was ist es denn und wieso?

Günther Thömmes: Ich trinke Weißbiere quer durch die Bank eigentlich. Anfang Dezember war ich noch mal in Deutschland und da ist mein Lieblings-Getränkemarkt und da hole ich mir immer ein Weißbier-Sortiment mit. Hier habe ich jetzt im Moment ein Huber Weisses aus Freising. Das sind Biere, die kriege ich in Österreich im Handel nicht. Da habe ich mir so ein bisschen quer durch mal gekauft. Und das hier sind jetzt noch Restbestände. Ich habe nicht mehr viel vom Huber Weisse. Sehr gerne trinke ich halt Weihenstephaner, das ist ein sehr schönes. Und auch das Benediktiner finde ich auch ganz okay, was die Bitburger jetzt da vor ein paar Jahren angefangen haben. Ich kaufe mir aber immer auch mal so ein bisschen ein Sortiment durcheinander und probiere bei Weißbieren eigentlich immer alles durch. Und ansonsten, wenn ich mal ein Pale Ale zum Beispiel möchte, so ein richtiges Craftbier, bin ich im Moment von der Schiene ein bisschen weg. Das Atlantik-Ale vom Störtebeker mag ich sehr gerne, weil das für mich so ein Benchmark Ale aus deutscher Produktion ist. Und ab und zu mal ein schönes Pils oder ein böhmisches oder Budweiser oder so trinke ich auch mal ganz gerne.

Holger: Sehr (unv. #00:08:36.4#)

Günther Thömmes: Aber so richtig Craftbier ist bei mir im Moment eher nicht so. Also das würde ich gerne bei dem Craftbier-Fest noch mal machen. Wenn man älter wird, dann lassen die Geschmacksnerven einen da auch ein bisschen im Stich. Mir sind viele Sachen einfach zu intensiv, die sprechen mich nicht mehr an.

Holger: Das ist ja wirklich interessant, einfach mal zu erfahren, was der Bierzauberer trinkt. Wenn man dann Holger Hahn heißt und der Protagonist, der ja dann 1248 in dem schönen Ort Hahnfurt geboren ist und dann Niklas von Hahnfurt heißt, dann ist das natürlich was Besonderes. Wie bist du denn da drauf gekommen?

Günther Thömmes: Der erste Entwurf ist schon uralt. Das war so, ich habe immer eigentlich schon sehr viel gelesen, ich habe auch sehr viele Romane, historische Romane gelesen. Und mir ist dann irgendwann aufgefallen, es gibt über jeden althergebrachten Beruf irgendeinen historischen Roman, sogar über Physiker, Mathematiker, Wanderhure, Steuerberater der Wanderhure, der Anwalt der Wanderhure, die Hebamme und allem möglichen Scheiß halt. Und da habe ich gedacht, müsste man doch auch mal was über Brauer schreiben. Ich habe aber angefangen mit dem schon in den, ich glaube, Anfang der 90er Jahre. Da gab‘s noch nicht mal Word, da habe ich das noch in dem alten WordPerfect in der DOS-Shell geschrieben, die ersten Textfragmente. Dann lag das mal wieder, dann habe ich mal wieder weitergeschrieben. Und Anfang der 2000er Jahre habe ich mich dann ernsthaft mit dem Thema befasst, habe gesagt, jetzt ist die Textverarbeitungs-Software so gut, da kann ich auch mittlerweile als Laie da mal weiterschreiben. Man konnte auch besser recherchieren, weil es im Internet auch immer mehr gab. Ich bin am Anfang wirklich noch in die Orte gefahren, um mir das anzuschauen, auch für den zweiten und dritten eigentlich, weil es wahnsinnig schwer war, wirklich im Internet früher noch die Sachen zu finden. Das ist mittlerweile überhaupt kein Problem mehr. Ich habe dann die Geschichte weiter ausgewalzt und mir ausgedacht, die Protagonisten habe ich mir ja ausgedacht, und das Drumherum habe ich gedacht, das sollte aber so ziemlich handfest recherchiert sein. Also auch mit ein paar Prominenten, die es damals wirklich gab, wie den Albertus Magnus zum Beispiel und so. Aber für mich war es wichtig, die Brauereisachen authentisch darzustellen. Da hat mir natürlich schon mein Hintergrund, meine Ausbildung so geholfen, über Sachen, über Hopfen und Malz zu schreiben, wie die damals behandelt wurden, wie man damals das weiterentwickelt hat. Der Sprung halt vom Heimbrauen, wo damals die Frauen gebraut haben zu Hause, weil das erste Kapitel heißt ja auch „Bier brauen ist Weibersache“. Und wo dann die Männer übernommen haben praktisch und das in ein Gewerbe überführt haben. Das war ja so die Zeit 12., 13. Jahrhundert. Und das fand ich sehr spannend, weil da gerade die Klöster und die Städte angefangen haben, das halbwegs professionell zu betreiben. Und habe mir die Geschichte dazu ausgedacht. Ich habe das dann fünf Mal, zehn Mal überarbeitet, weil immer noch was nicht gepasst hat. Irgendwann hat mir jemand gesagt, der Gmeiner Verlag hat da eine neue Reihe, historische Romane, historische Krimis. Schau mal, ob das passt. Denen habe ich das Manuskript angeboten und die haben auch gleich zugeschlagen, obwohl es von meinem Konzept her kein Krimi war. Aber die haben es als historischen Krimi anfangs mal vermarktet. Es gab ein paar Leichen, es gab ein bisschen Ärger, und ja, hat denen gereicht für einen Krimi. Und das wurde dann für den Gmeiner Verlag ein wirklich irrer Erfolg. Wir sind jetzt bei der 10. Auflage mittlerweile beim Bierzauberer. In den ersten zwei Jahren bin ich auch kreuz und quer durch Deutschland gefahren und habe Lesungen gemacht. Weil das war für die Brauereien wirklich eine tolle Sache, dass sie gesagt haben, endlich mal ein Buch über einen Brauer. Ich habe zum Beispiel allein dreimal hintereinander beim Krimifestival in Braunschweig gelesen, in der Wolters Brauerei. Wo die mir in der Verladehalle ein richtiges Amphitheater aus Bierkisten gebaut haben. Richtig schön mit Sitzplätzen und Freibier dazu und einer Bühne und Ton und Licht, alles ganz perfekt. Das war 2009, 2010 und 2011 oder so habe ich da gelesen. Ausverkauftes Haus jedes Mal, das war echt toll. Ich habe dann halt den zweiten und dritten relativ schnell nachgeschoben, weil die Rechercheunterlagen hatte ich da. Weil ich habe gedacht, ich mache dann immer Sprünge von 200 Jahren, weil das meiner Meinung nach die wichtigen Epochen sind, wo da was passiert ist. Also der erste war halt der Übergang zum gewerblichen, der zweite war die Entstehung der diversen Gesetze bis zum Reinheitsgebot im 14., 15. Jahrhundert bis Anfang 16. sogar, also Spätmittelalter. Und dann halt in der Barockzeit im 17. Jahrhundert der Niedergang des Bieres über 30-jährigen Krieg und neue Getränke wie Kaffee, Tee, Kakao, die halt das Bier nicht mehr attraktiv gemacht haben. Und außerdem waren die Hopfenfelder und die Getreidefelder ja alle zerstört. Danach habe ich ein paar Jahre Pause gemacht, andere Sachen geschrieben. Und dann jetzt 19. Jahrhundert wieder draufgelegt mit dem Wiederaufstieg des Bieres als Volksgetränk in der Industrialisierung. Da habe ich einen zweibändigen gemacht, ein Duell der Bierzauberer. Und das aktuelle ist jetzt letztes Jahr rausgekommenen im Herbst, „Tage des Hopfens, Tage des Zorns“. Über im Prinzip den Sedlmayr Spaten-Brauerei und englische Brauereien, eine Rivalität. Da habe ich mit dem Sedlmayr zum ersten Mal eine Figur genommen, die es wirklich gegeben hat. Ich habe den aber fiktiv ausgewalzt, weil es ist Roman, da darf ich das.

Holger: Der Markus und ich, wir sind ja wirklich sehr bier- und brauhistorisch begeistert. In allen Verkostungen ist das ein Thema, auch in allen Ausbildungen ist das ein Thema. Markus, was hast du dir denn jetzt für diesen Termin für ein tolles Bier ausgesucht?

Markus: Werde ich gleich lüften, dieses Geheimnis. Vorneweg noch, ich freue mich natürlich, wenn du jetzt dein nächstes Buch schreibst, weil dann gehen wir ja in die Zukunft. Und das könnte durchaus spannend werden, wenn wir dann im 21., 22. Jahrhundert sind und du vielleicht dann den brauenden Raumschiffkapitän durch die Gegend fliegen lässt, der den Aliens dann mit Bier den Hintern versohlt. Oder irgendwie so.

Günther Thömmes: Na, so weit, also wenn ich jetzt noch einen sechsten schreibe, dann würde der im 20. Jahrhundert spielen. Weil da ist so viel passiert. Ich habe aber jetzt grad noch einen anderen in Arbeit, jetzt auch fertiggestellt, gerade ein Krimi, der nichts mit Bier zu tun hat. Der erscheint im August. Das ist ein Wien-Krimi. Und jetzt habe ich gerade einen historischen Roman in Arbeit, der aber mit Bier jetzt soweit nichts zu tun hat. Aber ich komme wieder zurück auf das Thema.

Markus: Okay! Oder wir machen das dann zusammen. Das fände ich ja auch mal lustig. Auf jeden Fall habe ich mir natürlich ein besonderes Bier ausgesucht und ich habe eine besondere Flasche einer besonderen Brauerei, auch die letzte Flasche und vielleicht überhaupt die letzte Flasche, weiß ich gar nicht. Und zwar ist das eine relativ junge Brauerei aus Nürnberg, den Brauer kennst du, glaube ich, den Felix. Es ist …

Günther Thömmes: Vom Orca?

Markus: Genau! Vom Ocra Brau.

Günther Thömmes: Ja, ja.

Markus: Ganz genau! Er hat ein schönes Bier gemacht, wo ich mir gedacht habe, das passt gut zu dir. Da steht nämlich drauf: Es ist alles Gold, was glänzt. Besonderes Bier. Da drin ist dann eben nicht nur Wasser und Gerstenmalz und Hopfen, sondern auch Kakaobohnen und Orangenschalen und Zimt und Ingwer. Also im Grunde ein sehr, sehr spannendes, vielfältiges, vielschichtiges Bier. Das habe ich gedacht, passt gut, wenn wir mit dem Günther reden. Und das mache ich jetzt mal auf.

Günther Thömmes: Ihr seid ja politisch Bayern. Wird man da nicht gesteinigt?

Markus: Nein, in keinster Weise. Also erstens ist es ja da. Grundsätzlich, was in einer Flasche käuflich erwerbbar ist, das darf auf jeden Fall getrunken werden.

Günther Thömmes: Der Felix ist ja ein unglaublich mutiger und auch kreativer Typ und vor allen Dingen seine Begeisterungsfähigkeit, das finde ich immer wieder klasse. Er ist so ein netter Kerl, der lässt sich ja nicht unterkriegen, egal was dem da an Widrigkeiten missfallen, mal unterkommen kann. Und das finde ich wirklich bewundernswert.

Markus: Das finde ich auch total klasse. Er ist ja nicht immer der, der alle Herzen im Sturm sofort erobert, aber er hat es tatsächlich geschafft, jemanden zu finden, der eben mit ihm da jetzt gemeinsam streitet und auch ein bisschen investiert hat. Und sie haben jetzt eine Kaspar-Schulz-Anlage, ein richtig nobles Teil dastehen.

Günther Thömmes: Ja, ja. Ich habe abgesehen, (unv. #00:15:51.4#)

Markus: Macht tolle Biere. Und er hat es wohl auch geschafft, seinen zuständigen Behördenmenschen davon zu überzeugen, dass seine besonderen Biere eben besondere Biere sind und deswegen auch sein dürfen. Also zumindest ist der aktuelle Stand der Dinge, dass da vieles geht. Und wenn ich mir das Ganze anschaue, was ich jetzt hier im Glas habe, dann habe ich so ein richtig, ja, schon fast kaffeebraunes Bier. Es ist nicht ganz blickdicht, ein bisschen sieht man noch. Also richtig schön braun, leichter rötlicher Schimmer. Obendrauf steht auch ein ziemlich schöner etwas grobporiger brauner Schaum, der also auch relativ dunkel ist. Es bildet schon so ein bisschen Schlieren im Glas, da merkt man, mit 6,5 oder so ähnlich ist das schon ein etwas kräftigeres Bier. Und wenn man reinriecht, dann kommen einem tatsächlich die Orangenschalen und der Ingwer und so ein bisschen malzige Noten entgegen. Probieren wir das mal. Also sehr, sehr schön. Das ist ganz moussierend auf der Zunge. Der Zimt kommt dann auch richtig schön raus, bleibt auch lange, lange da. Und dazwischen kommen dann so diese Kakaobohnen. Das schmeckt fast ein bisschen auch wie Tonkabohne, also eine ganz schöne erdige Note mit dabei.

Günther Thömmes: Also ein richtig schönes Winterbier, oder?

Markus: Richtig schönes Winterbier, auch ein bisschen frisch. Also das gefällt mir richtig gut. Wenn ich schon mal jetzt das Mikrofon quasi in der Hand habe, dann nutze ich die Gelegenheit, dich auch was zu fragen. Wir hatten ja jetzt gerade drüber gesprochen oder du hast erzählt, dass du ja bei unserem lieben David warst. Da denke ich mir immer, der David ist ja so einer, der hat auch viele Worte und sagt die auch alle. Ist ein ganz lieber Mensch.

Günther Thömmes: Schön gesagt. Ja.

Markus: Aber wie läuft das? Du hast mit ihm einen Collaboration Brew gemacht. Also ihr beide an einem Braukessel stelle ich mir interessant vor auf jeden Fall.

Günther Thömmes: Wir haben schon zwei gemacht, schon zwei.

Markus: Ah ja! Dann sogar schon zwei gemacht, umso besser. Ich habe das English Burton Ale noch im Kopf. Das weiß ich …

Günther Thömmes: Genau, genau! Das war von meiner Bierzauberei, denke ich, mein bestes historisches Rezept. Das war einfach ein unglaubliches Bier. Als ich dann aufgehört habe mit meiner Brauerei, habe ich gedacht, mit dem David machen wir das mal. Es ist nicht ganz so gelungen, wie das Original war. Das höre ich immer wieder von Leuten, die das aufmachen. Aber heute hat noch einer auf Facebook gepostet, dass er noch eine Flasche von der (unv. #00:17:49.8# Herzog?) Koproduktion aufgemacht hat, sagte: Der Hopfen ist ein bisschen weg, aber sagt er, immer noch, auch nach fünf Jahren oder ich weiß gar nicht mehr, wann wir das gemacht haben, vier, fünf Jahre ist das schon her, sagt er, immer noch ein tolles Bier, sehr schön zum Trinken. Da lief dem David seine Anlage nicht ganz rund, weil das Burton Ale ist vom Maischen und Läutern und Kochen ein sehr anspruchsvolles Bier. Das haben wir nicht ganz so hingekriegt. Er hat mittlerweile, glaube ich, aufgerüstet, da geht das besser. Und wir haben danach noch eine Quitten-Gose gemacht. Da habe ich ein Rezept gemacht und der David hat damals, ah komm, das besondere Bier, das kriegen wir jetzt durch, wir lassen uns einfach nicht erwischen. Das haben wir 2016, glaube ich, gemacht. Das war auch ein sehr spannendes wirklich tolles Bier, habe ich noch ein paar Flaschen da. Das haben wir in so Prosecco-Flaschen abgefüllt.

Markus: Da hatte ich damals auch ein Fläschchen, das fand ich auch total genial. Zumal Quitte auch eine meiner absoluten Lieblingsfrüchte ist. Ich habe dieses Jahr zum ersten Mal dank des Lockdowns Zeit gehabt, also letztes Jahr genauer gesagt, Zeit gehabt, eine Quitten-Marmelade selber zu machen, was mir echt viel Spaß gemacht hat. Tolle Geschichte! Aber ich glaube, wir müssen unbedingt den Holger noch zu seinem Bier kommen lassen, sonst wird der noch ganz vertrocknet.

Holger: Ja, unbedingt! Und vor allen Dingen muss ich sozusagen mir die Moderation wieder zurücknehmen. Das ist ja immer sehr gefährlich, wenn man mit dem Herrn Raupach quasi in einem Podcast steckt.

Günther Thömmes: Ja, die Gefahr läufst du bei mir aber auch, Holger.

Holger: Ja. Ja, ja. Aber ich bin dem, glaube ich, gewachsen. Jetzt ist ja auch noch mal das Quizzen ein Thema. Jetzt hast du in der ersten Lockdown-Phase ein Quizz-Buch quasi kostenlos zur Verfügung gestellt im Internet. Und jetzt gibt’s da also eine Frage, die heißt: Woraus besteht die Nudel in Loriots (unv. #00:19:24.6#) Nudel-Sketch?

Günther Thömmes: Ja!

Holger: Jetzt ist für mich natürlich die Frage: Warum beschäftigt diese Frage so einen Menschen wie dich so unglaublich? Sag das doch mal.

Günther Thömmes: Das ist nicht unglaublich, aber ich quizze halt gerne. Also das heißt, aber nicht organisiert, nicht im Club oder so. Aber ich schaue gerne Quizsendungen und ich denke mir auch selber gerne Fragen aus. Meine Familie nervt das schon ein bisschen, wenn da irgendwas läuft. Eine Zeit lang habe ich auch immer „Wer wird Millionär?“ geschaut. Mich beschäftigen einfach so Trivia-Fragen und ich merke halt auch, dass es viele Leute gibt, denen das auch Spaß macht. Deswegen habe ich gedacht, jetzt ist Lockdown, jetzt schreibe ich das mal zusammen. Und habe da gar nicht vorgehabt, da ein Buch daraus zu machen. Ich habe nur mal Fragen einfach aufgeschrieben und irgendwann waren es so viele, dass es genug war, wo ich gedacht habe, ich mache da jetzt ein PDF und stelle das mal zur Verfügung, wer Lust hat. Es freut mich aber, dass du dich damit beschäftigt hast. (unv. #00:20:13.6#)

Holger: Wir können ja den Markus, und Markus, das ist jetzt quasi eine Ansage an dich, du darfst jetzt eine Antwort formulieren und danach geht es wieder zurück an mich. Also woraus besteht die Nudel in Loriots legendärem Nudel-Sketch? Erstens, aus einer echten Nudel, aus gedrehtem Papier oder drittens, aus Kartoffelstärke? Bitte sehr.

Markus: Da würde ich sagen, aus der Kartoffelstärke.

Günther Thömmes: Falsch, falsch! Die Nudel besteht …

Holger: Die war wahrscheinlich dann aus gedrehtem Papier, oder?

Günther Thömmes: Die Nudel besteht aus Papier. Ja.

Holger: Ja.

Markus: Da war ich aber nah dran. Ich hatte es zuerst gedacht. Dann habe ich doch gleich mal eine Frage an euch.

Holger: Das gibt’s doch gar nicht. Also jetzt …

Markus: Doch!

Holger: Du bist ja wie ein ungezogenes Kind.

Markus: Jetzt darf ich auch eine Frage …

Holger: Jetzt muss man dich doch wirklich mal zurechtweisen. Das geht doch nicht. Das geht doch nicht. Außerdem habe ich noch nicht mal mein Bier aufgemacht, du unverschämter Kerl.

Günther Thömmes: Ja, Bier. Mach mal dein Bier zuerst jetzt.

Markus: Also gut!

Holger: Unglaublich! Ich sage ja immer, der Raupach, ein ganz besonderes Tierchen. Ich mache jetzt mal mein Bier auf.

Markus: Voran, voran!

Holger: Was habe ich jetzt hier für ein Bierchen? Ich habe mir jetzt gedacht, was trinke ich jetzt, wenn ich jetzt mit dem Günther Thömmes da so sprechen darf und zusätzlich noch einen Oberfranken habe? So habe ich ganz viele Dinge einfach miteinander vereinbart. Erstens habe ich gedacht, wir reden jetzt natürlich über Historie und Bierhistorie und über den Bierzauberer und wir gehen total in die Moderne. Also möchte ich jetzt fast behaupten, das modernste Craftbier, was es im Moment gibt in der Dose. Das ist das erste Thema. Dann habe ich gedacht, es muss natürlich ein Bier aus Oberfranken sein. Und das dritte Thema ist: Es muss natürlich von jemandem sein, mit dem der Günther schon mal ein Collaboration Brew gemacht hat. Jetzt ist doch klar: Was habe ich in der Dose?

Günther Thömmes: Impfstoff.

Holger: Ganz genauso ist es.

Günther Thömmes: Doppelt oder einfach?

Holger: Es ist ja noch nicht ganz so spät, ich muss ja irgendwie meinen Abend gestalten. Deshalb habe ich jetzt einfach gedacht, nein, einfach, ganz normal einfach.

Günther Thömmes: Und kann das was? Ich höre nur, dass das ausverkauft ist, dass die Leute so begeistert sind.

Holger: Innerhalb von drei Stunden war alles ausverkauft. In dem Fall ist es ja ein Collaboration Brew mit Munich Brew Mafia, das Einfache und das Doppelte. Ich finde sie beide ganz großartig.

Günther Thömmes: Was ist das für ein Bierstil? Da wird nämlich nie darauf eingegangen. Ich lese immer nur Impfstoff hier, Impfstoff da.

Holger: New England IPA.

Günther Thömmes: Ein NEIPA. Okay!

Holger: Ja, genau! Ein NEIPA. Und dann auch in der modernen Dosengröße 0,44 Liter. Auch nochmal so ein Phänomen, finde ich. Was habe ich jetzt also hier schon in der Nase? Auf jeden Fall ist es eine totale Fruchtbombe, die man da mitbekommt. Also Maracuja und Mango, ein bisschen Erdbeere sogar, finde ich. Und wenn man dann trinkt, dann bestätigt sich eben dieser fruchtige Körper. Es kommt dann auch noch so eine Vanillenote dazu. Im Abgang feine Gewürze, finde ich. Es ist auch ein richtig schönes komplexes Bier. Er hat einen relativ neuen Hopfen, Aromahopfen verwendet, der so gerade, oder was heißt so neu ist der gar nicht, aber der wird gerade so modern, Motueka.

Günther Thömmes: Motueka. Ja, der Motueka ist aber nicht so neu. Den habe ich vor sieben Jahren oder so bei meinem Jahrgangsbier schon verwendet.

Holger: Nein, nein. Deshalb sage ich ja, der ist gar nicht so neu, aber er ist gerade so im Kommen. Also der wird jetzt oft verwendet und man hört ihn immer an jeder Ecke. Und das war früher nicht so oder ich habe nicht genug aufgepasst, das kann sein.

Günther Thömmes: Wir müssen ja, jeden Monat muss die Craftbier-Szene ja eine neue Sau durchs Dorf treiben. Das ist ja leider so.

Holger: Die Craftbier-Szene, die hat ja auch viel bewegt und hat letzten Endes auch dazu beigetragen, dass wir hier so wunderbar über Bier sprechen können. Also das haben die ja hoffähig gemacht. Und ich muss dir recht geben, klar, ich bin jetzt auch jemand, der immer wieder, auch gerade so in der letzten Zeit, immer wieder predigt, vergesst mir die Klassiker nicht. Aber heute war das für mich ideal. Also einfach so ganz hochmodern eben dieses Thema Impfstoff, dann der Härtl und dann noch Oberfranken. Und mir schmeckt‘s wirklich hervorragend.

Günther Thömmes: Das ist schön. Ja, ich würde es auch mal gerne probieren. Aber ich habe das nicht als Kritik an den Brauern gemeint mit der Sau durchs Dorf treiben. Die Brauer sind ja im Prinzip die armen Schweine. Das war eher Kritik an den Craftbier-Fans, die einerseits nicht genug kriegen können von den Neuerungen. Und wie du sagst, vergesst mir die Klassiker nicht, dann kommen die zum Händler und fragen so den Händler: Was gibt’s Neues? Der Händler sagt: Ja, das. Das hatte ich ja letzten Monat schon. Ich will was richtig Neues. Das ist beim Craftbier schon seit Jahren aber ein Dilemma, aus dem ich da im Moment nicht sehe, wie wir da rauskommen sollen.

Holger: Wie kommen wir da raus?

Markus: Da kommen wir gar nicht raus. Weil ich denke, das sind kommunizierende (unv. #00:24:48.2# Röhren?). Ich meine, auf der einen Seite ist es eben so, dass die Brauer das natürlich auch nähren und fördern dadurch, dass sie ständig neue Biere raushauen. Und dann hat man auch das Problem, dass es immer die Bubble ist. Also das heißt, man hat diesen Craft-Brauer, der hat dann seine 20 Jünger. Denen gibt er dann sein neues Bier. Die sind total begeistert. Er denkt, er ist der Größte. Und dann wird er animiert, das nächste zu machen, zeigt das wieder seiner Bubble. Die Bubble ist natürlich wieder entsprechend begeistert. Und so ist das ein Teufelskreislauf, der einfach dazu führt, dass dieses Rad sich immer weiterdreht, so lange, bis halt kein Geld mehr da ist. Das ist sehr, sehr schade, weil da eben auch viele gute Leute so ein bisschen in die Falle tappen und (unv. #00:25:22.2#)

Günther Thömmes: Ja, die verheizen sich selber und die werden verheizt.

Markus: Genau! Weil das Problem ist ja, du musst als Brauerei irgendwann mal Geld verdienen.

Günther Thömmes: Ganz genau!

Markus: Und mit dieser Geschichte, dass du immer mal wieder was Neues raushaust und das dann immer nur deinen besten Freunden am besten noch umsonst oder zum Sonderpreis gibst, davon wirst du sicher nicht überleben können. Aber ich habe mal eine Frage an euch beide, wenn wir schon beim Quizzen sind. Bin ich mal gespannt. Was passierte am 1. Oktober 1907 in Bamberg?

Günther Thömmes: Am 1. Oktober 1907?

Markus: Ganz spektakuläre Angelegenheit.

Holger: Ach so! Ah, ich weiß. Ich weiß doch. Das ist der Bamberger Bierkrieg.

Markus: Hat damit zu tun. Aber was passierte an diesem Tag?

Günther Thömmes: Da gab’s eine Bierpreiserhöhung, oder?

Markus: Genau! Richtig! Da wurde der Bierpreis erhöht von 10 auf 11 Pfennig, zum ersten Mal seit über 200 Jahren. Muss man sich das vorstellen und da gingen natürlich die Bamberger auf die Barrikaden. Also so viel nur mal kurz zum Thema Quizz. Ich bin da leider nicht ganz so drin, finde das aber auch immer ganz spannend und muss sagen: Ich habe auch die Sendung wirklich eifrig verfolgt, also wurde ja erst ausgestrahlt, nachdem sie ja schon abgedreht war. Aber trotzdem wusste ich ja in dem Moment noch nicht wirklich, wie es endet. Und das war sehr, sehr spannend. Vielleicht mal so aus erster Hand von dir erzählt: Wie fühlt man sich da und wann hattest du Lust auf das erste Bier?

Günther Thömmes: Das war eine ganz großartige Erfahrung. Ich war ja vorher schon mal dagewesen im November, war schon fix und fertig verkabelt und wäre als nächster Kandidat drangekommen. Dann der Kandidat vor mir aber hat so lange gebraucht und der hat dann auch die Show gewonnen. Da haben sie mich wieder unverrichteter Dinge nach Hause geschickt und haben gesagt: Darfst du im Frühjahr wiederkommen. Da hatte man schon mal ein bisschen Erfahrung. Deswegen war dann im Frühjahr die Nervosität nicht mehr ganz so groß, als ich dann drankam. Und es hat einfach an dem Tag alles gepasst. Es hilft ja nichts, wenn du selber denkst, du weißt alles. Es muss alles passen. Die sind unglaublich nett da beim ZDF, auch die Produzentenfirma. Du arbeitest ja mit mehreren Firmen. Die einen machen den Imagefilm, dann gibt’s einen Veranstalter, gibt’s eine Casting-Firma, ZDF ist die Hülle drumherum. Und dann die Promis dabei. Und sind alle total nett zu den Kandidaten und machen dir das Leben wirklich leicht. Als ich dann dran war, war die Nervosität eigentlich relativ schnell weg halt mit dem ersten Bier. Ich durfte als einziger Kandidat vorher schon ein Bier trinken. Da war ich wirklich nervös. Und der Casting-Chef hat gesagt, der ist Braumeister, der darf ein Bier trinken. Die anderen haben nur einen alkoholfreien Kühlschrank in unserem Casting-Zimmer. Mir hat er zwei Flaschen Becks hingestellt, die ich dann trinken durfte. Und sagte, sag’s aber nicht weiter. Das hilft dann schon ein bisschen. Und es war abgemacht mit dem Kerner, dass, wenn ich es nicht zu plump mache, dass ich ein Bier bekomme während der Show. Es war ja auch unüblich. Aber da hat’s halt zum Thema gepasst. Und weil dann auch der Horst Lichter noch da war, mein entfernter Verwandter, haben wir da halt das Ganze ein bisschen klamaukig aufgezogen. Das war also ein bisschen scripted schon mit dem ersten Bier, aber danach ist das bei den anderen Shows leider eingerissen, dass jeder nur noch Alkohol gefordert hat. Und deswegen haben sie das dann wieder eingestellt. Am Schluss wollten die ja sogar Wetttrinken mit den Promis machen. Das war dann schon ein bisschen daneben. Aber ich fand das sehr, sehr schön, war ein ganz toller Tag, also hat einen Riesenspaß auch gemacht. Und in der nächsten Folge im Herbst bin ich ja nochmal hin. Da habe ich ja einen Bekannten gecoacht, mit dem ich früher zusammen in der Schule war. Und der hat ja auch gewonnen. Das war ja wirklich dann besonders klasse.

Markus: Richtig! Das habe ich auch gesehen. Letzte Frage zu dem Thema, von mir zumindest: Wie ist das dann, wenn man auf sein Konto guckt und da ist so ein Zahlungseingang von 100.000?

Günther Thömmes: Wahnsinn, Wahnsinn! Total geil! Ich habe mir den Kontoauszug auch ausgedruckt und mit einem Bild zusammen eingerahmt, diesen Zahlungseingang. Das war schon irre, echt geil.

Holger: Wann machen wir noch einen BierTalk mit dir? Man könnte jetzt sagen, wir machen den 106., also einfach verdoppeln wir, oder ist das zu mutig, Markus? Ich weiß nicht. Kommen wir auf 106 BierTalks? Keine Ahnung.

Markus: Ja, warum nicht? Also ich habe genügend Bier im Keller, sagen wir mal so.

Holger: Ich glaube, das trifft für den Günther und für mich dann auch zu. Günther, wärst du damit einverstanden, dass wir dich …?

Günther Thömmes: Ja, natürlich! Gerne! Macht ja Spaß. Bierkeller ist bei mir auch kein Problem.

Holger: Sehr gut! Dann tragen wir das in die Tabelle ein: Der BierTalk 106 ist dann Günther Thömmes Teil 2. Die abschließende Frage, die ich an dich habe, ist: Was ist eigentlich dein Lieblingsbuch?

Günther Thömmes: Jetzt von allen oder (unv. #00:29:25.1#)

Holger: Ach, du kannst dir das aussuchen. Du kannst jetzt (unv. #00:29:27.4#) generell …

Günther Thömmes: Oder von den Büchern, die ich geschrieben habe, welches gefällt mir da am besten?

Holger: Das kannst du dir jetzt aussuchen. Das lasse ich offen.

Günther Thömmes: Oh, das ist schwierig. Ich habe eigentlich viele Lieblingsbücher, weil ich halt wahnsinnig viel auch querbeet lese. Aber ich sag mal, zu meinen absoluten Lieblingsbüchern gehört oder erst mal als Autoren, John Irving lese ich wahnsinnig gerne. Und da war mein erstes von ihm „Garp und wie er die Welt sah“. Das war ein Buch, was ich, glaube ich, dreimal hintereinander gelesen habe, so fasziniert war ich davon damals. Ist ja auch schon ziemlich lange her. Dann ist eins meiner absoluten Lieblingsbücher auch von Harry Mulisch „Die Entdeckung des Himmels“. Sprachlich ganz toll, auch ein bisschen ein philosophisches Buch. Spielt in Holland, der Harry Mulisch ist ja Holländer. Ich finde das total irre, also von der Idee her. Ich weiß nicht, ob jemand von euch das kennt?

Holger: Ich kenne es nicht.

Markus: Nein, ich auch nicht.

Günther Thömmes: Vor einigen Jahren gab‘s mal so eine Samstagabend-Serie, „Die beliebtesten Bücher der Deutschen“ oder so. Da ist es tatsächlich in den Top 10 gelandet. Also da war ich ganz überrascht, dass das wirklich so erfolgreich war. Im Moment lese ich so ein historisches Lesebuch, ein bisschen flapsig von einem Engländer über Deutschland geschrieben, das ist recht lustig, von Simon Winder. Da hatte ich gerade das vorher „Herzland“ gelesen. Von meinen eigenen Büchern mag ich mir kein Urteil erlauben. Ich empfehle halt nur, wenn jemand mich fragt, wenn es nichts mit Bier zu tun hat, empfehle ich den „Limonadenmann“, weil ich denke, dass der von der Story vom Plot, weil da auch eine Liebesgeschichte drin ist, dass der eher Leser erreicht, die nicht bieraffin sind. Der Bierzauberer war natürlich für mich der große Türöffner. Und insofern hänge ich an dem Buch persönlich halt sehr, weil das für mich die Eintrittskarte war, als Autor zu arbeiten.

Holger: Ich habe ihn auch geliebt und liebe ihn auch immer noch. Vielen, vielen Dank für deine schöne Art zu berichten und die tiefen Einblicke in deine spannende Biografie. Und ich freue mich schon auf den 106. BierTalk.

Markus: Ich freue mich da auch sehr drauf. Dann gibt’s bestimmt bis dahin auch noch mal ganz spannende Geschichten. Und wer weiß, vielleicht machen wir das dann ja sogar live, besuchen entweder dich in Österreich oder du bist gerade mal hier irgendwo zwischen Bamberg und München. Auf jeden Fall hat mir auch viel Spaß gemacht und ich freue mich immer von dir zu hören, mit dir zu sprechen. Und das war heute wirklich ein ganz besonders schöner BierTalk.

Günther Thömmes: Danke schön! Hat mir auch großen Spaß gemacht. Dann macht’s gut, Jungs! Bleibt gesund!

Holger: Ja, tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de