BierTalk 81 – Interview mit Matthias Richter vom Bayerischen Bahnhof (Gosebrauerei) in Leipzig

Auch wenn der Bayerische Bahnhof früher nie wirklich für Bier stand, so war das 1842 eingeweihte Leipziger Gebäude doch ein Vorbote der damals neuen Zeit und der Verbindung zwischen den beiden stolzen Königreichen. Es bedurfte dann auch eines bayerisch-fränkischen Brauers, dem Ort ein neues, bieriges Leben einzuhauchen. Brauereibesitzer Thomas Schneider aus Weissenburg nahm sich Ende der 1990er Jahre der Aufgabe an, aus dem maroden Bahnhofsrest mit vielen Bombentreffern wieder ein lebendiges Stück Alltagskultur zu machen. Gesagt – getan: Der heutige Bayerische Bahnhof als Gasthaus- und Gosebrauerei entstand und mit ihm die Wiedergeburt eines fast ausgestorbenen Bierstils. Genauso wie die Berliner Weisse war die Leipziger Gose kurz vor der Wende selbst am Ende und es bedurfte wahren Pioniergeistes, ihr wieder zum alten Stellenwert zu verhelfen. Das tat Thomas Schneider auch, erkor die Gose zum Bier der Brauerei und startete zur Jahrtausendwende mit dem Brauen. 2002 kam unser Gesprächspartner Matthias Richter ins Spiel, der seitdem international wie kein anderer für das Thema Gose steht. Bescheiden und professionell, dadurch genau der richtige Mann am richtigen Ort, entwickelte er die bestehenden Rezepturen weiter und kreierte unter anderem einen Goseator, den er noch dazu in verschiedene Holzfässer zur Reifung legte. Im BierTalk erzählt er von seiner Geschichte und gibt wertvolle Tipps für Hobbybrauer, die sich vielleicht einmal selbst dem salzig-sauren Vergnügen aus dem Freistaat hingeben wollen…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir wieder eine spannende Reise zu einem historischen Bierstil, nämlich zur Gose und zwar nach Leipzig. Und dort haben wir einen ganz besonderen Brauer zu Gast, der von vielen auch so ein bisschen als the god father of Gose bezeichnet wird, wie auch immer, aber der sich schon lange damit beschäftigt, unheimlich viel drüber weiß und einfach die Referenz sozusagen eigentlich ist, wenn es um diesen Bierstil international geht. Und da freue ich mich wirklich sehr, dass der Matthias Richter heute bei uns am Mikrofon ist. Hallo, Matthias, vielleicht stellst du dich nochmal ganz kurz den Hörern vor, falls dich jemand noch nicht kennen sollte.

Matthias Richter: Ja, hallo, mein Name ist Matthias Richter, bin Braumeister im Bayrischen Bahnhof in Leipzig seit 2003 und bin seit über 20 Jahren Brauer und Mälzer.

Markus: Über 20 Jahre Brauer und Mälzer, da wäre vielleicht schon mal die allererste Frage, war das für dich im Leben klar, dass du das machen willst oder wolltest du vielleicht Papst werden oder sonst irgendwas anderes als Kind?

Matthias Richter: Nee, ich wollte tatsächlich recht zeitig Brauer werden. Also es war so, in der Schule gab es so mehrere Varianten, da war Buchdrucker dabei und Beleuchter und Brauer war aber das Interessanteste da an der ganzen Geschichte.

Markus: Ja und dann konntest du als junger Man auch schon mal reinschnuppern ins Brauen?

Matthias Richter: Nee, eigentlich gar nicht, also ich wollte Brauer werden, habe mich dann bei mehreren Brauereien beworben, bin dann auch mit dem Motorrad rumgefahren und habe Brauereien besucht. Und die Erste, wo ich angehalten habe, da habe ich dann eine Lehrstelle bekommen und habe eine dreijährige Ausbildung gemacht und das war für mich der perfekte Weg.

Markus: Wo war das, bei welcher Brauerei?

Matthias Richter: Ich habe in Krostitz, bei Ur-Krostitzer gelernt, das ist in der Nähe von Leipzig.

Markus: Und das war noch zu DDR-Zeiten, oder?

Matthias Richter: Nein, nein, so alt bin ich nun auch nicht. Also ich bin 45, ich habe Mitte der 90er angefangen mit Lernen.

Markus: Wie kommst du denn dann zum Thema Gose, das ist ja nun eine ganz andere Richtung?

Matthias Richter: Das kam dann erst, ich sage mal, im Laufe des Studiums. Also ich habe nach der Ausbildung ein Studium zum Diplombraumeister in Berlin gemacht und da ging das dann so ein bisschen mehr los, ich sage mal, so mit handwerklichen Brauen auch, also zumindest da auch mal zu gucken, in die Richtung. Und ich hatte eigentlich Glück, dass direkt nach dem Studium die Stelle am Bayrischen Bahnhof frei wurde.

Markus: Das heißt, du bist da mehr oder weniger ins kalte Wasser rein gesprungen?

Matthias Richter: Ja, so ein bisschen, also brauen konnte ich. Gose kannte ich, hatte aber noch keine gebraut und, ja, der Rest kam dann quasi beim Arbeiten.

Markus: Ja und was viele ja nicht wissen, ist, du braust ja dort auch ganz normale Biere, kann man sagen. War das auch von Anfang an so, dass es eben für das Gasthaus die Standardbiere auch gibt?

Matthias Richter: Also wir hatten schon immer vier Biere gehabt, seitdem ich dort bin. Das ist ein Pilsener, was ein bisschen, ich sage mal, floraler gehopft ist, ein Schwarzbier, ein Weißbier und Gose als Spezialität.

Markus: Und bei der Gose-Rezeptur, war da schon was vorhanden oder hast du dir das erarbeiten müssen, wie gingst du da ran an die Sache?

Matthias Richter: Ich bin ja nicht der erste Braumeister im Bayrischen Bahnhof, also ich habe im Prinzip die Rezeptur so übernommen wie sie war und die ist auch seitdem nicht verändert. Also wir brauen seit über 20 Jahren die Gose na demselben Rezept.

Markus: Und weißt du was, wo dieses Rezept herkommt oder hat das dann der Braumeister vor dir kreiert?

Matthias Richter: Also das hat er mit dem Besitzer zusammen, glaube ich, gemacht, mit dem Herrn Schneider, der ist ja auch Braumeister. Und die haben aus alten Rezepturen im Prinzip das Rezept für die Brauerei entwickelt, also zusammen auch mit dem anderen Hersteller. Weil, die Brauerei ist für Gose konzipiert, also wir haben dort ein Sauergutbehälter, der wesentlich größer ist als in anderen Brauereien. Also wir ziehen im Prinzip unsere eigenen Milchsäurekultur dort her.

Markus: Ja, da hast du grad noch ein ganz interessantes Stichwort gebracht. Bevor wir mit der Gose weitermachen, der Besitzer, der Herr Schneider, das wissen ja auch viele nicht, das sozusagen eigentlich ja das eine bayrische Brauerei beziehungsweise fränkische Brauerei ist aus Weißenburg, die eben dann erst den Bayrischen Bahnhof dazu genommen haben und mittlerweile gar komplett nach Leipzig sozusagen umgezogen sind. Merkst du denn da auch was von diesen fränkisch, sächsischen Spannungsfeld?

Matthias Richter: Was meinst du mit Spannungsfeld?

Markus: Ja, denken die vielleicht anders oder ist da die Herangehensweise anders oder ist das einfach eine nette Zusammenarbeit?

Matthias Richter: Nein, das ist eine gute Zusammenarbeit. Also ich sage mal, Brauer ist Brauer, da ist, glaube ich, egal, ob er nun aus Franken kommt oder von der Küste. Also Brauer funktionieren zusammen eigentlich immer recht gut.

Markus: Das stimmt, das habe ich auch schon so oft erlebt. Ja, zurück zur Gose, also du hast dann die Rezeptur übernommen. Da finde ich vielleicht noch ganz interessant, ich habe auch mit dem Odin Paul schon gesprochen von dem Brauhaus in Goslar. Und der hat die Geschichte erzählt, dass die Gose in Goslar ursprünglich keinen oder nur ganz wenig säuerliche Noten hatte und dass diese säuerlichen Noten sozusagen eigentlich über den Transportweg dann, bis dass dann mal in Leipzig angekommen ist, ins Bier gekommen sind. Und dass man dann eben gesagt hat: „Okay, in Leipzig reproduziert man das, was man kennt“ und dass dadurch praktisch diese Säure eben jetzt in der Leipziger Gose, im Unterschied zum Beispiel zur Goslarer Gose, so präsent ist. Kanntest du diese Herleitung, siehst du das auch so?

Matthias Richter: Also ich kannte jetzt diese Herleitung von der Gose nicht so direkt, aber das Ganze macht Sinn. Also ich kenne den ähnlichen Fall vom Löwener Bier in Belgien, dass in Löwen auch nie selber ein Sauerbier war, aber außerhalb von Löwen immer als Sauerbier bekannt. Also ist eine ähnliche Geschichte, also das wird damals bei der Gose mit Sicherheit auch so funktioniert haben. Weil, die haben ja in Goslar die Gose quasi als Jungbier oder als frisches Bier getrunken und über den Transport ist es dann halt versäuert. Und das war ja in Leipzig im Prinzip auch so, man konnte früher selber entscheiden, welchen Reifegrad man von der Gose in einer Gosen-Schenke trinken wollte. Also eine junge Gose war noch nicht sauer, die war halt eher, ich sage mal, wie Weißbier mit Koriander. Und erst die mittelgereifte Gose entwickelt die Säure, ja. Die mittelgereifte Gose ist so ein bisschen mit unserer zu vergleichen. Da gab es früher halt noch die alte Gose und die war halt so richtig, richtig, sauer, weil die Milchsäurebakterien da lange Zeit hatten, richtig zu arbeiten.

Markus: Und weißt du, welche Altersstufen das ungefähr waren, die man da ausgeschenkt hat?

Matthias Richter: Also von der Zeit her weiß ich es nicht, wie lange die Reifegrade sind, also es ist jetzt auch nicht wirklich irgendwo überliefert. Aber ich denke mal, das sind schon zwei, drei Monate, was eine alte Gose war, die dann im Keller im Prinzip gelagert hat.

Markus: Was ja jetzt für ein Bier gar nicht so alt klingt, aber natürlich für ein lebendiges Bier, wo die Milchsäure arbeitet, dann eben schon eine ordentliche Zeit ist.

Matthias Richter: Ja, ja. Wird wahrscheinlich auch so ein bisschen abhängig von der Jahreszeit gewesen sein.

Markus: Das stimmt.

Matthias Richter: Und auch von der Gaststätte selber, es gab ja verschiedene Schenken, wo man früher Gose hatte. Und ich sage mal, wer einen wärmeren Keller gehabt hat, da hat es halt was eher Säure gezogen und bei den anderen hat es halt was länger gedauert. Also das wird auch sehr individuell gewesen sein.

Markus: Kann man wahrscheinlich auch ein bisschen vergleichen mit dem Real Ale in England, wo ja …

Matthias Richter: Ja, im Prinzip schon, genau.

Markus: Genau, wo die Brauereien ja praktisch ein Jungbier ausliefern und die Wirte das dann selber in ihren Kellern jeweils endlagern. Und das ist auch nach Kellertemperatur und Zeit und Kompetenz des Wirts sehr unterschiedlich, was dabei rauskommt. Ja, wo wir grade bei dem internationalen Thema sind, die Gose hat ja einen großen, ja, man kann schon fast sagen, Hype zwischendurch erlebt, grade in den USA, grade bei den Craft-Brauern, aber auch zum Beispiel in Südamerika. Da war ich auch schon öfters und habe dann wirklich spannende Varianten von einer Guaven-Gose über diverse andere Regenwaldfrüchte bis hin zu Mix-Pickles-Interpretationen erlebt. Hast du davon auch was mitbekommen, besuchen die dich, bist du da mal unterwegs, sprichst du mit den Leuten?

Matthias Richter: Also ich habe ein, zwei Schilder hier Zuhause in meinem Flur hängen von Brauereien, die quasi ein Gose-Label haben. Also da ist schon ein Austausch vorhanden.

Markus: Und was fragen die dich dann so?

Matthias Richter: Also grundsätzlich geht es immer um die Rezeptur, die ich natürlich nicht verrate. Aber, ich sage mal, man kann ja so ein bisschen Richtung vorgeben und es wird halt auch viel gefragt, wie man das modern im Prinzip interpretieren kann, ja. Also jetzt auch für Brauer, die jetzt nicht unbedingt eine kombinierte Gärung mit Milchsäurebakterien machen wollen, da gebe ich dann schon ein paar Tipps.

Markus: Ja, apropos, jetzt müssen wir, glaube ich, mal zur Praxis kommen und ihr habt euer Bier ja in zwei verschiedenen Gebinden, also einmal in so einer 0,3er-Flasche und einmal in einer ganz besonderen 0,75er-Flasche. Und die schaut im Grunde so aus, dass man unten ein relativ bauchiges Unterteil hat und dann einen ziemlich langen hohen Hals, also das Ganze ist bestimmt, na, so 40, 50 Zentimeter hoch. Und dann hat man oben einen Bügelverschluss und kann da aufmachen und durch diesen langen Hals ausschenken. Das mache ich jetzt mal, dann können wir das mal zusammen verkosten. Ich schaue mal, ob das Plop rüberkommt. Oh ja! So, also wie schon gehört, ich habe jetzt diese große Flasche genommen. Gibt es da einen Unterschied zwischen der großen und der kleinen?

Matthias Richter: Ja, also die große Flasche, das ist quasi unsere Schmuckflasche, da ist die Gose nicht pasteurisiert, in der kleinen Flasche ist sie pasteurisiert. Einfach, weil wir da auch deutschlandweit im Handel so ein bisschen sind und, wie soll ich sagen, der Kunde und der Handel nicht immer so mit naturbelassenen Bieren kann.

Markus: Ja, das stimmt, kann ich mir gut vorstellen. Und das heißt also, ich sollte auch die anderen hohen Flaschen, die ich jetzt habe, die großen Flaschen, nicht zu lange aufheben oder kann man die auch bewusst lagern?

Matthias Richter: Ja, man kann das schon bewusst machen, wichtig ist da halt wirklich, dass die kühl lagert. Weil, die kommt halt irgendwann in die Autolyse und dann ist die nicht mehr so lecker.

Markus: Kühl heißt, eher so acht Grad oder vier Grad oder zwei Grad oder null Grad?

Matthias Richter: Ja, null Grad ist zu kalt, aber so Kühlschrank ist immer gut.

Markus: Also so sechs, acht Grad?

Matthias Richter: Ja. Wir haben halt bei unserer Gose, ist es so, da sind keine lebendigen Milchsäurebakterien im Bier drin, wir machen ja kesselsauer, weil wir den Gärkeller für alle Biere verwenden. Also wir haben jetzt keinen separaten Gärkeller für die Gose und deswegen ist das Risiko zu groß, dass wir da eine Infektion kriegen und deswegen ist auch die Gose in der großen Flasche ohne Milchsäurebakterien im fertigen Bier.

Markus: Okay, also das heißt, ihr säuert praktisch das Bier während des Brauprozesses und …

Matthias Richter: Genau.

Markus: … dann ist durch das Kochen, sind die Bakterien eh tot …

Matthias Richter: Genau.

Markus: … und dann kann man dann normal damit weiterarbeiten wieder.

Matthias Richter: Ja, ja. Also ist lebendige Hefe drin, aber keine lebendigen Milchsäurebakterien.

Markus: Okay. Und ich bin jetzt ein lebendiger Trinker und nähere mich dem Ganzen mal. Und wenn man sich das anschaut, also das Bier an sich hat so ein schönes Orange, sattes Orange, leuchtet mir entgegen. Ist leicht trüb, ist ja auch klar, ist ein unfiltriertes Bier. Und oben drauf ein sehr, sehr feiner schöner weißer Schaum, der auch sehr gut steht. Wir haben jetzt ein bisschen gesprochen und der steht trotzdem immer noch wie eine Eins, wunderbar. Ich rieche mal rein. Ja, das ist jetzt schon sehr spannend, also da haben wir schön die Koriandernoten, also dieses gewürzige Intensive, was eben der Koriander mit sich bringt. Man hat auch schon so ein bisschen den Eindruck, wie wenn man so am Meer steht und einatmet, da hat man ja auch so einen Hauch von diesem Salz, was man ja eigentlich nur schmecken kann, aber irgendwie hat man es tatsächlich so ein bisschen in der Nase. Dann hat man so ein bisschen Citrusnoten, so Orange, Zitronenschale, aber auch ein bisschen Apfel, so ein Apfel, ja, reifer Apfel. Jetzt probiere ich mal ein Schlückchen. Und ist ein sehr spannendes Spiel so von drei Grundaromen. Also es geht erst mal so eine Mischung aus süß und salzig los, dann geht das Süße ein bisschen zurück, die Säure kommt, übernimmt. Dann kommt aber die Süße wieder dazu und dann habe ich am Anfang die Fruchtigkeit und hinten raus kommt immer mehr das Gewürzige, aber auch klassische Malzaromaten. Also auch das ist da, wie man es eigentlich von einem klassischen Bier kennt. Und so klingt das Ganze dann auch aus, das Salz begleitet das so ein bisschen und macht dann auch den Mund wieder schön frisch. Also ein sehr spannender, interessanter Trunk. Ja, wie optimiert man sowas, also auf welche Sachen achtest du, was ist dir wichtig bei dem Bier?

Matthias Richter: Also wichtig ist erst mal beim Salz, dass darf nicht zu salzig sein. Also das Salz liegt eigentlich so, ich sage mal, an der Geschmacksschwelle. Wer jetzt für Salz sensibel ist, der wird es schmecken. Wer nicht so sensibel auf Salz ist, für den ist das eher so ein Mineralton und das ist eigentlich auch, ich sage mal, gewünscht. Es soll halt tatsächlich kein salziges Bier sein, sondern einfach nur durch das Salz soll es gut zu trinken sein. Also der Ursprung von dem Salz kommt höchstwahrscheinlich aus Goslar. Also man hat früher auf keinen Fall Salz in das Bier gegeben, weil Salz viel, viel zu teuer war, aber in Goslar das Wasser war halt sehr mineralig, also fast ein bisschen salzhaltig. Und das später dann in Leipzig nachzumachen, hat man dort ein bisschen Kochsalz dazugegeben als dann Salz nicht mehr so teuer war.

Markus: Ja, also ich denke, das ist auch vielleicht was, was die Hörer mal selber probieren könnten, also wenn ihr im Supermarkt seid oder im Getränkemarkt und da mal schaut, wenn es verschiedene Mineralwasser gibt, da steht ja immer drauf, was drin ist, so vom Mineraliengehalt. Und da könntet ihr euch einfach mal eins aussuchen, wo viel Natrium drin isst, vielleicht mal eins, wo viel Kalzium drin ist und ein eher neutrales und dann einfach mal diese Wässer bewusst verkosten, dann nehmt ihr wirklich bewusst war, welchen Unterschied es eben macht, was ich für Wasser zum brauen nehmen und letzten Endes dann auch, wie das beim Bier verändert. Und ich bin da total bei dir, ich glaube auch, dass eben dieses sehr mineralige Wasser aus Goslar, aus den Harzer Bergen, da sicherlich der Ursprung ist für dieses, ja, leicht Salzige. Ich finde, es kommt so im Nachgang, ist es dann so ein bisschen da, aber es ist wirklich sehr angenehm, sehr schön. Liege ich da mit meiner Beschreibung grundsätzlich richtig?

Matthias Richter: Ja, also die ist perfekt! Die Säure trägt das Salz auch ein kleines bisschen mit.

Markus: Ja, das ist spannend, also man hat ja normalerweise eher so zwei von den Grundaromen, die irgendwie hier eine Rolle spielen, süß und bitter oder bei den dunklen Bieren vielleicht noch so ein bisschen Umami, aber das ist dann wirklich spannend, wenn die drei sich da so ergänzen. Ja und du experimentierst ja auch ein bisschen. Also als ich dich besucht habe zum ersten Mal, das ist ja schon lange her, das müsste 2015 oder 14 oder 13 irgendwie so gewesen sein, da hattest du grade einen Gosiator, da hast du mir auch eine Flasche mitgegeben. Die steht auch immer noch im Keller, irgendwann mache ich die mal auf. Aber, experimentierst du mit der Gose auch, machst du da verschiedene Varianten?

Matthias Richter: Also haben wir über die Jahre tatsächlich relativ viel gemacht, das hat so die letzten zwei, drei Jahre ein bisschen nachgelassen, weil einfach relativ gut zu tun ist. Aber wir haben so vor zehn Jahren angefangen, weil wir die Möglichkeit hatten mit dem US-Markt, dort auch die Sachen zu verkaufen. Also wir haben Gose auch mit verschiedenen Gewürzen gemacht, Orangenschalen und, ich sage auch mal, Kardamom und solche Sachen ausprobiert und wir haben relativ zeitig diese Gosiator-Linie aufgelegt. Das ist ein Gose-Doppelbock, also ist eigentlich kein historischer Bierstil, aber das passte recht gut, da ist wesentlich mehr Koriander dran. Er hat einen ziemlich kräftigen Malzkörper, da deckt den Alkohol eigentlich ganz gut ab. Und dann haben wir das Bier auf verschiedenen Fässern noch zusätzlich gelagert. Also mein Favorit war damals Tequila, wir hatten ein frisch entleertes Tequila-Fass und haben den Gosiator da knapp ein Jahr drauf liegenlassen und das war eine total tolle Kombination von dem Tequila, von dem Holz und von dieser wirklich kräftigen Gose.

Markus: Kann ich mir sehr gut vorstellen. Wenn man auch noch überlegt, in meiner Jungend hatten wir Tequila ja mit Zitrone und Salz …

Matthias Richter: Genau.

Markus: … insofern passt das ja auch von der Aromatik her richtig gut.

Matthias Richter: Ja.

Markus: Spannend, ja. Und was würdest du denn so sagen, wenn wir jetzt auch so an die Hobbybrauer unter den Hörern denken, was muss man denn beachten, wenn man so mit Gewürzen oder eben auch Salz oder solchen Sachen braut, gibt es da Sachen, wo man richtig was falschmachen kann? Ja, gibt es etwas aus deiner Trickkiste, was du verraten magst?

Matthias Richter: Also direkt falschmachen kann man nix, also man sollte sich halt immer so ein bisschen ran tasten, grade beim Salz. Also das Spannende am Salz ist, nicht zu viel, sondern grade so, dass man es nicht mehr merkt. Das ist eigentlich, also für mich zumindest, das Perfekte beim Salz. Dann kann man bei der Säure halt auch ein bisschen spielen. Also wir haben halt einen PH-Wert bei unserer Gose so von 3,6, 3,7 so im Schnitt, man kann das aber auch saurer machen oder halt ein bisschen weniger an der Säure machen, also hat man extrem viele Möglichkeiten. Man kann auch, haben wir auch schon probiert, ist aber kommerziell ein bisschen schwierig, Koriander stopfen, macht nochmal ein bisschen anderen Aromaeindruck. Aber da muss man ein bisschen aufpassen, Gewürze sind manchmal ein bisschen belastet mit Keimen, also man kann sich da eine Infektion ziemlich schnell reinholen. Aber zum Probieren ist das super spannend.

Markus: Das ist ja durchaus auch was, was man beim Hopfen erleben kann, also dass man beim Stopfen dann auch Infektionen damit hervorrufen kann, wenn man Pech hat sozusagen.

Matthias Richter: Ja, wobei, beim Hopfen ist es seltener, weil der ja schon mal grade gegen Milchsäure, bietet der ja einen guten Schutz oder gegen Milchsäurebakterien.

Markus: Wenn wir von Koriander sprechen, sprechen wir ja immer nur von den Samen, oder?

Matthias Richter: Ja, genau.

Markus: Hast du auch schon mal probiert, mit den Kernen was zu machen?

Matthias Richter: Nein, also Blätter, funktioniert da nicht besonders. Weil, Blätter haben immer so ein bisschen, wenn man da so Salat macht, hat an dieses leicht Seifige, das hätte man dann nachher im Bier auch. Und Blätter machen auch immer so ein bisschen krautigen Geschmack.

Markus: Also ganz bewusst die Samen verwenden.

Matthias Richter: Ja, ja.

Markus: Okay. Jetzt, wenn ich mir eure Speisekarte anschaue, da empfehlt ihr verschiedene Sachen zur Gose, also unter anderem eine Haxensülze und einen gebackenen Camembert. Hast du da persönlich Favoriten, wenn du Speisen kombinierst mit der Gose, was denkst du, ist gut?

Matthias Richter: Also ich bin da tatsächlich nicht so geeignet, weil ich bei manchen Sachen ein bisschen einen eigenen Geschmack habe.

Markus: Und was schmeckt dir persönlich am besten?

Matthias Richter: Zur Gose?

Markus: Mhm.

Matthias Richter: Nix weiter.

Markus: Ah, okay.

Matthias Richter: Also es ist tatsächlich so, für mich ist Gose das Erfrischungsgetränk. Also das ist eigentlich das Bier gegen den Durst, wenn ich im Sommer ins Gasthaus komme.

Markus: Kannst du dich noch erinnern, wann du deine erste Gose getrunken hast?

Matthias Richter: Ja, 2003, als ich im Bayrischen Bahnhof angefangen habe.

Markus: Das heißt also, du bist dahin, wusstest, dass du dieses Bier machen wirst, aber hast es vor der Stelle, bevor du angetreten bist, noch nicht probiert gehabt?

Matthias Richter: Nein.

Markus: Das ist ja auch witzig. Und wie habt ihr dann die ersten Sude, hast du das noch gemeinsam gemacht mit dem vorherigen Braumeister?

Matthias Richter: Also der war schon nicht mehr da, aber der Herr Schneider konnte ja im Prinzip auch dieses oder die Brauerei bedienen, der hat die ja mit aufgebaut und hat mir dann im Prinzip dann alles gezeigt. Und, ja, ich habe das dann so übernommen.

Markus: Ist der heute auch noch ab und zu im Brauhaus?

Matthias Richter: Ja, er ist regelmäßig da.

Markus: Und mischt dann auch ein bisschen mit?

Matthias Richter: In der Brauerei jetzt nicht mehr so viel.

Markus: Okay. Ich kann mich erinnern, also ich habe ihn besucht und auch seine Brauerei öfters, als sie noch in Weißenburg waren. Die hatten dort auch einen wunderschönen Bierkeller, den Araunerskeller. Das ist so mitten im Wald, ist ja doch so ein bisschen auch eine leicht hügelige Gegend, im Altmühltal, da unten. Und da fließen auch so ein bisschen Franken, Schwaben und Bayern zusammen. Also die Leute, die da sind, die haben irgendwie von allen Volksstämmen so ein bisschen was. Ein sehr quirliges, witziges Volk, wo ich sehr, sehr gerne bin. Und auch schon lange gastronomische Prägung, weil das ja früher alles Römergebiet war. Also da gibt es auch Affinität in Richtung Wein und was weiß ich was, also wirklich spannend. Und das stelle ich mir schon interessant vor, wenn so jemand dann sagt: „Ich gehe da weg und gehe dann nach Leipzig.“ Aber ich glaube, da wirst du wenig mitbekommen haben, du kennst ihn ja nur dort, oder?

Matthias Richter: Ich kenne ihn hauptsächlich aus Leipzig, ja.

Markus: Okay. Ja, was sind denn noch so deine Ideen, was du mit der Gose noch so anstellen möchtest in Zukunft? Hast du noch so, ja, Sachen, die du schon immer mal machen wolltest oder wo du gedacht hast, ah, packe ich jetzt demnächst mal an?

Matthias Richter: Also ich muss mal gucken, also ich würde tatsächlich gern nochmal so eine Gosiator-Serie auflegen und vielleicht nochmal gucken, ob man noch ein paar andere Fässer benutzen kann, um das so ein bisschen auszubauen, müssen wir mal gucken. Aber das ist halt auch ein bisschen eine Zeitfrage und auch eine Platzfrage. Wir sind halt über die Jahre recht gut gewachsen mit der Brauerei und sind schon ganz gut an der Kapazitätsgrenze, da ist nicht mehr so viel Spielraum.

Markus: Wie hat sich das denn in der Pandemie entwickelt, ward ihr da schwer betroffen oder habt ihr dann auch mehr versendet?

Matthias Richter: Ach, also Pandemie war halt oder ist halt schwierig. Wir machen ja 80 Prozent von unserem Ausstoß im Gasthaus und wenn das halt zu ist, verkaufen wir halt auch die 80 Prozent nicht, also wir haben uns dann auf die restlichen 20 gestützt. Und wir haben aber den Vorteil, dass wir seit 2005 noch ein Tochterunternehmen haben, das ist die Firma Wilhelm Horn und wir stellen Spirituosen her. Und die Spirituosen haben sich auch während des Lockdowns gut verkauft.

Markus: Das heißt, du destillierst dann auch mal?

Matthias Richter: Ja, also wir machen den Leipziger Allasch, was eine andere Leipziger Spezialität ist, das ist ein Kümmellikör. Und den hat man früher, ähnlich wie in Berlin den Kümmel zur Berliner Weissen, in Leipzig mit der Gose zusammen getrunken und zwar hat man den in die Gose rein gekippt. Und der Zucker aus dem Likör, also der ist wirklich sehr süß, der hat im Prinzip die Säure rausgenommen. Und früher war ja die Gose in den Bauchflaschen mit lebendigen Milchsäurebakterien, war dadurch natürlich auch ein bisschen verdauungsanregend. Und man hoffte mit dem Kümmel, dass so ein bisschen einzubremsen. Wobei, das ist halt vom Geschmack her, also man muss das mögen, diese Kombination aus dem, das ist wirklich ein sehr kräftiger Kümmel, mit dem Bier zusammen.

Markus: Ja, das kann ich mir vorstellen. Vielleicht da auch noch für die Hörer als Ergänzung, diese Flasche, wie der Matthias auch grade gesagt hat, mit diesem sehr hohen Hals hatte früher eben auch, soweit ich das weiß, die Bewandtnis, dass die dann oben so einen Pfropf gebildet haben, diesen …

Matthias Richter: Ja, genau, das hatte eine Funktion.

Markus: Genau und dann hat sich praktisch natürlich verschlossen und konnte dadurch eben auch besser gelagert werden, also deswegen also dieser lange Hals.

Matthias Richter: Das war halt früher so, das ist halt auch wieder ähnlich wie beim Real Ale, dass man das Bier als Jungbier von der Brauerei in die Wirtschaften gefahren hat. Und die Schenken hatten halt früher im Keller einen Bottich oder ein Holzfass, da kam das Bier halt rein. Die Wirte füllten selber diese Flaschen und haben die Flaschen dann halt unverschlossen im Keller zur Nachgärung stehenlassen. Und durch den langen Hals stieg da halt Hefe mit auf, die ist oben getrocknet und hat das dann verschlossen. Und zwar teilweise sogar so dicht, dass sich da die Kohlensäure drin binden konnte und das war dann nachher ein moussierendes Getränk.

Markus: Von der Berliner Weisse weiß ich ja, dass man da ganz bewusst nach alten Flaschen gesucht hat, um da eben noch alte Hefestämme zu finden und auch überhaupt die Sensorik nochmal zu sehen, wie das eben so bei gereiften Flaschen ist. Kennst du Ähnliches auch von der Gose, also gibt es da auch alte Flaschen, die noch von älteren Chargen aufgetaucht sind, die man analysiert hat, gibt es sowas?

Matthias Richter: Also das gibt es, aber ob die jetzt analysiert worden sind, das weiß ich nicht so genau. Also ich selber habe noch zwei in der Kühlzelle stehen, die sind noch verschlossen. Die wollte ich eigentlich auch so lassen! Also es waren mal vier, ich habe die anderen zwei verkostet und das war tatsächlich noch ein, ich sage mal, zwar oxidiertes, aber immer noch gut zu trinkendes Bier.

Markus: Von wann waren die und von welcher Brauerei?

Matthias Richter: Die waren Anfang der 90er und zwar von der Dahlener Heide Brauerei.

Markus: Das war ja die Letzte, die praktisch die Kontinuität so ein bisschen gewahrt.

Matthias Richter: Genau.

Markus: Ja, wie ist es denn heute in Leipzig, also wenn ich da jetzt hinkomme, also, klar, Bayrischer Bahnhof, bei euch, logisch, aber wenn ich sonst noch Gose trinken will, kannst du da noch ein paar Tipps geben, wo man das schön erleben kann?

Matthias Richter: Ja, also mein absoluter Tipp wäre, da hat man alle Gosen auf einem Haufen sozusagen, das ist in der Gosen Schenke in Leipzig Gohlis. Dort kriegt man drei Gosen, das ist einmal die Ritterguts Gose, unsere Gose und selber haben die dort auch eine kleine Brauerei und machen auch eine eigene Gose.

Markus: Ist das die Ohne Bedenken Geschenke?

Matthias Richter: Genau.

Markus: Genau. Ah, wunderbar, ja, sehr schön! Also das kann man auf jeden Fall empfehlen. Natürlich gibt es auch tolle Literatur. Also auch hier könnt ihr euch gerne, liebe Hörer, mal weiterbilden, wenn ihr wollt, spannende Geschichte. Ja, ich habe noch zwei Sachen, also einerseits würde ich gern nochmal in den Allasch einsteigen.

Matthias Richter: Gerne.

Markus: Wie war das denn, also ihr habt ja gesagt, ihr macht eine Destillerie, wollt selber eben Liköre ansetzen. Wie kommt man da auf die Rezeptur und bist du zufrieden mit dem aktuellen Ergebnis?

Matthias Richter: Also beim Allasch war es im Prinzip auch wieder wie bei der Gose, das ist ein historischer Likör, der wurde von der Firma Wilhelm Horn schon wirklich lange, lange, lange hergestellt. Wir haben die Rezeptur mit übernommen und haben die dann nur an unsere Betriebsgröße angepasst. Und später dann, wir haben die Destille noch nicht ganz so lange, als wir dann die eigene Destille hatten, dass dann immer noch ein bisschen auf die Rohstoffe angepasst. Und mittlerweile ist das Kümmelaroma ein bisschen intensiver als in dem Ursprünglichen. Das ist ein bisschen komplexer, auch weil einfach, wenn ich selber destilliere, da ganz andere Möglichkeiten habe als wenn ich es machen lasse.

Markus: Und muss ich mir das so vorstellen, dass du dann quasi so eine Art Kümmelgeist machst und den auch später zum Likör machst?

Matthias Richter: Genau. Also ich nehme wirklich viel Kümmel, den weiche ich ein und destilliere dann im Prinzip fast, bis der Kümmelsamen trocken ist, das ab. Also beim Kümmel kann man sehr viel ab destillieren und das wird dann nochmal in einem Reinigungsbrand im Prinzip rektifiziert und dann nimmt man das als Grundbasis für den Likör. Kommt halt, wie gesagt, sehr viel Zucker dazu, ein bisschen Wasser und dann ist der Likör eigentlich auch schon fertig.

Markus: Also zweimal destilliert und dann eigentlich nur noch Wasser und Zucker und …

Matthias Richter: Genau, ja.

Markus: Spannend! Okay, also muss ich unbedingt auch mal probieren. Ich kenne das aus München, da wurde ja auch der Münchner Kümmel wiederbelebt und ist jetzt sogar irgendwie auf der Liste der geographisch geschützten Produkte und sowas. In Bayern, die sind da auch sehr stolz drauf. Aber da muss man natürlich auch mal das Leipziger Gegenstück dann probieren.

Matthias Richter: Gerne.

Markus: Ja, das Zweite, was du vorhin schon angesprochen hast, ihr macht ja auch ein Schwarzbier. Das ist ja auch so ein Bierstil, den es vor allem in der reinen Form eigentlich kaum gibt. Wie würdest du denn euer Schwarzbier charakterisieren?

Matthias Richter: Also bei unserem Schwarzbier ist es tatsächlich so, dass ich das so ein bisschen meinen persönlichen Geschmack dann auch unterworfen habe, wo ich dort angefangen habe. Also es ist halt tatsächlich sehr röstig, es ist eine wirklich gute Menge an Röstmalz dran. Es hat im Gegensatz zu den anderen Schwarzbieren, also Schwarzbier ist in Ostdeutschland doch ein recht beliebtes Bier gewesen, was aber immer recht schlank war. Und ich habe dem Ganzen ein bisschen mehr Körper gegeben und den Körper aber mit dem Hopfen ein bisschen abgefangen. Also es ist, geht so ein klein wenig Richtung Stout, es ist aber ein Schwarzbier.

Markus: Und ist untergärig?

Matthias Richter: Ist untergärig, ja, ja.

Markus: Genau. Ah ja, ja, spannend. Also finde ich auch insofern sehr interessant, als da ja immer dieser Dualismus praktisch ist zwischen den Bayrisch Dunkel, was es zum Beispiel auch in der Schneider Brauerei in Weißenburg gegeben hat. Das eben eher süßlich, weniger intensiv, röstig, eher so eben Karamell, Schokolade, in diese Richtung, mit sehr viel Körper, sehr viel Süße. Und dann eben als Gegenstück so dieses Schwarzbier eher schlank, eher röstig, aus Thüringen und Sachsen. Und das finde ich auch eine sehr interessante Geschichte. Und wie gesagt, das wird halt von den Brauern oft so ein bisschen, ja, wie soll man sagen, also auf manchen Bieren steht Schwarzbier drauf und ist eher ein Dunkles drin oder andersrum. Das ist für den Verbraucher, glaube ich, auch ein bisschen schwierig. Insofern hört sich das für mich sehr spannend an, was du da machst. Wenn du euren Absatz insgesamt siehst, welchen Anteil haben denn da die Gose oder das Schwarzbier ungefähr?

Matthias Richter: Also die Gose ist schon mit das Hauptbier. Wobei, da gibt es ein bisschen jahreszeitlich, schwankt das. Also in der Sommerzeit ist definitiv das Hauptbier, in der Winterzeit geht es ein bisschen zurück. Also ein Drittel der Jahresproduktion ist Gose, ein Drittel ist Pilsener. Wir sind in Deutschland, Deutschland ist ein Pils-Land. Und das restliche Drittel teilt sich eigentlich das Schwarzbier mit dem Hefeweizen.

Markus: Euer Pilsner heißt Schaffner Pils.

Matthias Richter: Genau.

Markus: Das ist eher wegen Bahnhof, ne, also?

Matthias Richter: Ja, also die Biere haben, außer die Gose, alle einen Bahnhofsbezug. Also das Pilsner ist halt Schaffner, das Schwarzbier ist der Heizer und das Hefeweizen ist der Kuppler. Und dann haben wir saisonal vor Weihnachten noch den Prellbock, das ist ein dunkles Bier, da ist der Name auch ein klein wenig Programm.

Markus: Ja, das hört sich auf jeden Fall auch sehr gut an. Ja, nun bist du 20 Jahre da, da ist natürlich auch so ein bisschen die Frage also einerseits, siehst du dich da auch noch 20 Jahre und andererseits, wie sieht es denn da mit dem Nachwuchs aus? Hast du Azubis, kommen da Leute, um zu lernen, wie sind da so die Situationen?

Matthias Richter: Also beim Nachwuchs sieht es eigentlich gar nicht so schlecht aus. Der Brauerberuf ist nach wie vor ungebrochen beliebt und es sind zum Teil halt auch Ältere, die das lernen wollen. Also mit älter meine ich jetzt nicht 15-, 16-, 17-Jährige, sondern zum Teil als zweiter Berufsweg, dann so Mitte 20, die das machen wollen. Also da sehe ich eigentlich kein großes Problem. Und ich selber bin seit 20 Jahren oder fast 20 Jahren da und kann mir weitere 20 Jahre auch noch vorstellen.

Markus: Okay. Ja, vielleicht hört der Herr Schneider ja zu, dann ist ja alles gut. Hast du da auch mittlerweile vor Ort so ein bisschen dich gesättelt, Familie und so weiter?

Matthias Richter: Ja, ja, habe ich. Ja, also meine Frau arbeitet im Bahnhof.

Markus: Ah!

Matthias Richter: Die habe ich dort kennengelernt.

Markus: Wunderbar, das passt, das hört sich doch sehr, sehr schön an. Hast du noch einen letzten Tipp an alle Hobbybrauer unter uns, die sich mal an eine Gose ran wagen sollen, was sollten sie auf jeden Fall machen und was sollten sie auf jeden Fall nicht machen?

Matthias Richter: Also auf jeden Fall für den ersten Versuch, würde ich sagen, Hälfte helles Gerstenmalz, helles Weizenmalz, einfaches Maischprogramm, also einfach Infusion. Dann auch bei der Hefe irgendeine neutrale obergärige Hefe, also Kölsch-Hefe, Altbier-Hefe, sowas dann nehmen. Beim Hopfen ein bisschen dezent arbeiten. Wobei, man kann das Ganze auch Hopfenstopfen, das passt mit manchen Hopfen gut mit dem Koriander zusammen. Milchsäure, wenn man sich das nicht selber herziehen möchte, kann man sich eine Röstmilchsäure kaufen oder Sauergut. Für den Anfang zum Testen kann man das machen, später kann man sich dann auch mal selber hinsetzen und eine Milchsäure ziehen. Wobei das halt auch ein bisschen tricky ist, wenn man das Zuhause macht, weil man einfach die Temperatur nicht genau halten kann. Ja, beim Koriander, am besten frisch mahlen, das ist wichtig.

Markus: Genau. In Amerika habe ich mal erlebt, da hat mir eine Brauerin erzählt, ja, für ihre Gose, sie nimmt einfach immer einen Becher Joghurt und schmeißt den vorher in den Kessel. Scheint funktioniert zu haben.

Matthias Richter: Ja, das geht, also wenn man naturbelassenen Joghurt hat, kann man sich durchaus die Milchsäurebakterien daraus kultivieren, das geht.

Markus: Ja, also lustig auf jeden Fall. Dann bedanke ich mich ganz, ganz herzlich für dieses tolle Gespräch, für die vielen Hintergrundinfos und, ja, für deine Bereitschaft, zur Verfügung zu stehen. Und, ja und natürlich auch dafür, dass du dieses tolle Bier machst. Ich habe die Flasche jetzt schon fast leer, also man sieht, es läuft, auch in Franken, also sehr schön. Vielen, vielen Dank, dir noch einen schönen weiteren Tag und bis bald.

Matthias Richter: Ich habe noch was ganz Wichtiges.

Markus: Ja.

Matthias Richter: Beim Gose trinken darf man auf keinen Fall Prost sagen, sondern beim Gose trinken heißt das Gosianer.

Markus: Dann, Gosianer!

Matthias Richter: Gosianer!

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