BierTalk 100 – Holger Hahn und Markus Raupach ziehen Bilanz nach zweieinhalb Jahren und über 150 Folgen BierTalk

Das Projekt „BierTalk“ startete am 1. April 2020 zu Beginn der Pandemie, damals eher als Beschäftigungstherapie, mittlerweile ist daraus eines der Top-Medien rund um den Gerstensaft geworden. Die beiden Initiatoren, Holger Hahn und Markus Raupach, blicken zurück auf eine spannende Zeit mit vielen Herausforderungen und nach vorne auf eine für die Branche schwierige Zeit mit vielen Ungewissheiten…

Kommt in unsere Facebook-Gruppe und diskutiert mit: https://www.facebook.com/groups/bierakademie

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum BierTalk der Bierakademie. Und manche von euch erkennen vielleicht die Stimme wieder, wir machen heute den 100. BierTalk und ich war jetzt schon lange nicht mehr dabei, aber der Markus hat gesagt: „Mensch, der 100. BierTalk, auf jeden Fall muss ich nochmal wieder dabei sein.“ Und deshalb bin ich auch dabei, also herzlich willkommen zum 100. BierTalk der Deutschen Bierakademie, es ist mir eine Ehre, habe, die Ehre, Markus.

Markus: Ja, mir natürlich auch. Es ist ja ein bisschen gemauschelt, weil wir durch die ganzen Specials und sonstigen Folgen insgesamt jetzt, glaube ich, bei 155 oder so, aber bei den klassischen Talks haben wir jetzt eben die 100 erreicht und das, finde ich, ist auf jeden Fall natürlich eine kleine Feier wert, ein Anstoßen, vielleicht auch ein bisschen reflektieren, vielleicht auch ein bisschen nach vorne schauen, je nachdem. Aber ist schon spannend, wenn man überlegt, als wir mal angefangen haben mit diesem Thema, ich weiß nicht, ob du dich noch erinnern kannst, das war ja doch eine verrückte Zeit und dann war das, glaube ich, auch erst mal eine verrückte Idee, die sich aber dann relativ schnell als ganz spannend herausgestellt hat, oder?

Holger: Absolut, also es war fast wie immer, du hast mir irgendwas vorgeschlagen, ich habe gedacht, ach, was soll denn das wieder und was ist das für ein Schwachsinn. Und Corona ist halt Corona und jetzt fängt der auch noch mit einem Podcast an und weiß ich gar nicht, wie das geht und wie man das macht und alles. Und so, wie du dann halt immer bist, hast du dann gesagt: „Hej, wir machen das einfach, wir probieren das aus. Und du kannst das noch für so unsinnig erklären, ich glaube, das funktioniert. Ich kann das auch alles, ich schneide das, ich nehme das auf.“ Dann habe ich mir gedacht, ach, mein Gott, abends mit dir zu telefonieren quasi und dabei ein schönes Bierchen zu trinken, so schlimm ist das jetzt auch wieder nicht. Und dann haben wir es gemacht und, ja, wie du sagst, also der 100. Echte und dann eben mit den Englischen und mit den Spezial und wie auch immer, ist es dann doch, ja, also zu einer Erfolgsgeschichte geworden, das muss man einfach so sagen und da können wir stolz drauf sein und du im Besonderen, weil, du bist der Erfinder dieser Idee und ich habe das ja nur eine Zeitlang begleitet.

Markus: Naja, aber ganz wichtig, finde ich, grade am Anfang, weil, da war ja auch noch nicht ganz klar, wohin die Reise geht. Also wie du schon sagst, es war ja am Anfang wirklich so ein bisschen die Idee, naja, lass uns wenigstens mal zusammen ein Bier trinken, lass uns das irgendwie ein bisschen interessant machen, lass andere dran teilhaben irgendwie. Aber das es sich zu einem wirklichen Medium entwickelt, also wo man sagt, okay, wir haben da jetzt Gesprächspartner wirklich global eigentlich und sprechen durchaus auch über sehr aktuelle Themen und haben sehr große Bandbreite auch, das ist was, das war in den ersten Wochen, glaube ich, noch nicht da. Also wenn man überlegt, wenn wir da so abgegrast haben, das war halt unser nächstes Umfeld. Und damals auch die Qualität natürlich noch katastrophal, wenn man überlegt, die ersten Aufnahmen, das war schon alles nicht so ohne und mittlerweile, ja, hat sich das wirklich ganz massiv gewandelt und auch der Inhalt hat sich ein bisschen verändert. Am Anfang haben wir ja Bier raten immer noch mit gemacht, können wir heute eigentlich auch mal wieder tun, also ich habe dir ja noch nicht erzählt, welche Biere ich habe und von dir weiß ich es auch nicht, insofern können wir das gerne mal wieder machen. Und, ja, insofern ist das durchaus auch etwas, was sich so ein bisschen verändert hat, angepasst hat, aber mir am Anfang auch viel gegeben hat. Also ich muss sagen, nachdem ja alles andere weggebrochen ist, war das in der Tat so ein bisschen was, was mich auch ein bisschen aufrecht gehalten hat und auch an diesem Bier hat festhalten lassen, weil, sonst war ja eigentlich nix, also in der Zeit.

Holger: So ist es, du hast vollkommen Recht. Also wann war der Lockdown, im März 2020, keiner wusste, wie es weitergeht, alles war so ganz komisch und, ja, dann haben wir da einfach losgelegt, ich glaube, also wirklich zeitnah, also ich weiß gar nicht mehr genau.

Markus: Ja, der 1. April war die erste Folge.

Holger: Ja, genau, 1. April, genau, also wirklich ziemlich zeitnah. Und dann war ja auch eine Idee, einfach mit unseren Freunden in Kontakt zu bleiben und dann zu mindestens das Bierchen Zuhause zu zelebrieren. Und Themen sind uns nie ausgegangen und natürlich Ansprechpartner und Gesprächsgäste auch nicht und ich glaube, allen hat es ziemlich Spaß gemacht, also mir auf jeden Fall, die ganze Zeit. Und wir haben ja auch unglaublich tolle Leute kennengelernt, die wir vorher gar nicht kannten und alle hatten eben was zu sagen zum Thema Bier. Und, ja und ich denke, das ist jetzt einfach, hat sich etabliert und musst du, müssen wir einfach weiter fortsetzen. Und wenn man dann auch schaut, welche Verbreitung das bekommen hat, also ich weiß nicht, wir werden ja international gehört, also in Ländern, wo man denkt, mein Gott, also wie kommen die jetzt auf den BierTalk-Podcast? Und natürlich auch die Abonnenten haben sich stattlich entwickelt, also du kannst ja auch mal Zahlen nennen, also du hast ja da Statistiken dazu, kannst du ja mal ganz kurz machen.

Markus: Ja, kann ich gerne machen. Also das ist wirklich faszinierend, also wir haben weit über 100 Länder, wo wir gehört werden. Natürlich ist das stärkste Land Deutschland, aber interessanter Weise, das zweitstärkste sind schon die USA, also noch vor Österreich und der Schweiz. Und ich habe mich da mal ein bisschen informiert, ein paar Leute gefragt und das kommt wohl daher, dass in Amerika ja ziemlich viele Leute Deutsch lernen wollen und das sind oft auch Bier-interessierte Leute und die sagen dann: „Naja, wenn ich mich schon mit diesem Thema, mit dieser Sprache beschäftigen muss, dann möchte ich das wenigstens mit einem Thema machen, das ich spannend finde.“ Und so suchen sich dann viele grade den BierTalk aus, weil sie sagen: „Okay, da kriege ich Deutsch, da kriege ich Bierinfos, da kriege ich die verschiedenen Dialekte auch so ein bisschen mit, kriege auch so ein bisschen Spezialwortschatz, der eben für mein Thema Bier auch ein bisschen was ist“ und deswegen ist grade in den USA der BierTalk interessanter Weise ein gerne gehörtes Format, also sehr spannend. Aber wir haben eben auch in den Ländern wie Miramar zum Beispiel oder Osttimor oder, keine Ahnung, Chile, Peru, es ist wirklich, es gibt fast kein Land auf der Welt, wo nicht zumindest einmal ein BierTalk gelaufen ist. Und das ist schon wirklich spannend und das zeigt natürlich auch ein bisschen diese Globalisierung, die so ein bisschen dahintersteckt. Hat natürlich auch was damit zu tun, dass der ein oder andere Stammhörer vielleicht einfach in Urlaub fährt und dann dort im Urlaub auch seinen BierTalk hört, dann haben wir natürlich dadurch den Hörer in dem Ausland sozusagen, aber, also die Summe über die Welt verteilt zeigt natürlich, dass es schon einfach Leute gibt, die vielleicht auch Ex-Patriots sind, Deutsche, die da irgendwo wohnen und sich dann einfach ein interessantes Thema suchen, was sie gerne hören. Und was die Leute angeht, die Anzahl, das ist gar nicht so einfach, weil es ja verschiedene Portale gibt und auf den verschiedenen Portalen auch die Zugangswege unterschiedlich sind, aber wir können also sagen, das jede Folge so um die 10- bis 20.000 grundsätzliche Hörer hat. Und dann im Laufe ihrer Zeit, weil, die steht ja dann Online und bei uns ist es ja auch so, dass die Folgen alle verschriftlicht sind, also transkribiert, im Laufe dieser Zeit gibt es natürlich dann auch mehr Zugriffe auch nochmal über die Audiothemen oder auch über YouTube, da haben wir ja auch alle Podcasts nochmal eingestellt und dann eben auch nochmal über die Website, wo dann zum Beispiel Journalisten, haben wir auch schon einige gehabt, die gesagt haben: „Mensch, das habe ich für einen Artikel benutzt, weil, da kann man sich spannende Zitate rausziehen und so“, das ist schon, ja, eigentlich eine ganz stattliche Menge. Also ich würde mal sagen, so ein mindestens fünfstelliger Podcast, das ist schon was also. Und man kriegt auch immer wieder mal mit, dass einen Leute drauf ansprechen, das finde ich auch schön. Beim ersten Mal habe ich noch gesagt: „Ach, du bist unser Hörer“, aber es ist mehr als einer, also insofern, doch, hat sich toll entwickelt und entwickelt sich auch weiter. Und, ja, ist, glaube ich, einfach dadurch, dass es da ist und sich weiter verbreitet, dann einfach ein spannendes Format. Ja und das muss ich sagen, obwohl ich sonst gar nicht so der Podcast-Hörer bin, also ich habe noch so zwei, drei andere, die ich mir bewusst reinziehe, aber jetzt so wie manche Leute, die wirklich dann den ganzen Tag nix anderes gemacht haben während der Pandemie, so war es jetzt bei mir auch nicht. Aber gut, schön, BierTalk funktioniert, freut uns. Bei dir klimpert es schon, habe ich gehört.

Holger: Oh, bei mir klimpert es schon. Naja, wir haben ja so eine gute alte Tradition und die war ja, dass du rätst, was ich mir so überlegt habe und ich muss raten, was du im Glas hast oder in der Flasche, wie auch immer oder, bei dir weiß man das ja nie also, ich meine, es kann ja auch sein, dass da grade eine Versuchsschankanlage steht und dann auch noch frisch gezapft und so. Das war ja ganz am Anfang, haben wir das ja immer gemacht, wenn du dich erinnerst und ich würde vorschlagen, wir können ja diese gute alte Tradition nochmal wieder aufleben lassen, also du könntest einfach versuchen, mal herauszufinden, was ich mir für heute überlegt habe.

Markus: Also gut, klassischer Weise, glaube ich, bist du bei einem Bier aus der Heimat geblieben, also mindestens einem deutschen Bier, vielleicht sogar eher einem bayrischen Bier. Dann bist du ja normalerweise ein Fan von Export- oder Pils-Bieren, also würde ich mal sagen, wahrscheinlich auf jeden Fall ein helles Bier und ein untergäriges Bier. Jetzt kannst du ja sagen, wie nah ich dran bin.

Holger: Also das ist quasi eine Achterbahnfahrt, also Heimat passt und vor allen Dingen auch lokal. Aber ich bin grade gar nicht in München, sondern meine neue Arbeit, also bei mir hat sich ja vieles verändert in meinem Leben und eins davon ist einfach, dass ich eine neue Arbeit habe, eine neue Aufgabe habe und die bringt mich sehr häufig in das Hohenloher Land, also Hohenloher Frankenland und zwar bin ich jetzt grade in Crailsheim und da bin ich lokal geblieben, so. Also insofern hattest du da Recht, ich bin in der Heimat, bin jetzt hier, Crailsheim liegt ja nicht in Bayern, aber Bayern ist jetzt nicht weit entfernt. Und geschichtlich kann man einfach immer auch sagen, das war so ein Wechselbad der Geschichte hier, also die Hohenloher Franken waren mal Bayern und dann waren sie wieder Baden-Württemberger oder Württemberger an der Stelle und es ging so hin und her, aber aktuell ist es Bundesland Baden-Württemberg und, ja und da bin ich dann lokal geblieben. Und jetzt kannst du ja nochmal einen zweiten Versuch starten.

Markus: Also gut, da muss ich mal überlegen. Also Brauereien kenn ich in der Ecke eigentlich nur die Engelbräu aus Crailsheim. Einfach, weil ich das vom Namen her auch schon immer schön fand, das Engel-Bier sozusagen. Also nehme ich mal an, dass es ein Engel-Bier ist.

Holger: Genau, also jetzt bist du wirklich ganz heiß, ja, also jetzt wird es richtig warm, ja, jetzt so.

Markus: Ja, ja, also die haben ja alles. Also was ich besonders gerne mag, sind die beiden dunklen Biere oder saisonal dann sogar die drei dunklen Biere, also es gibt ja so ein klassisches Dunkel und ein dunkles Kellerbier und den dunklen Bock, also die mag ich besonders gern. Dir würde ich natürlich wieder eher was aus der helleren Ecke zutrauen.

Holger: Also jetzt wird es wieder grade kalt.

Markus: Ah, jetzt wird es wieder kalt, okay.

Holger: Also jetzt wird es wieder ganz kalt. Also im Prinzip ist es so, du hast es gesagt, also Engel bietet eine unglaubliche Bandbreite an Bieren und da ist jetzt was ganz Besonderes passiert dieses Jahr und zwar ist das dunkle Kellerbier, ist in seiner Kategorie eben European-Beer-Star-Award-Sieger geworden.

Markus: Ach, stimmt, ja, ja.

Holger: Und dann habe ich mir halt gedacht, also European Beer Star, das ist schon was, also das ist auf jeden Fall mehr als irgendeine DLG-Plakette oder so, ja. Und dann habe ich gedacht, Mensch, das ist ein Wettbewerb, der durchaus qualitativ auch was hergibt und wenn die dann eine Goldmedaille vergeben, dann ist das würdig, auch wirklich zum 100sten BierTalk mit uns beiden, dabei zu sein. Und das war mir halt dann wichtig, also lokal und klassisches Bier der Brauerei, wo sie auch sehr erfolgreich sind in den Kellerbieren, gibt es auch noch ein helles Kellerbier, das eben auch ausgesprochen erfolgreich hier ist. Und Engel, ich weiß nicht, ob du das weißt, also Engelbräu ist auch im Ausland relativ stark, also die sind hier auf lokaler Ebene, habe ich so den Eindruck, gar nicht so präsent, also da könnte man vielleicht auch nochmal ein bisschen nachlegen, vertriebsseitig, aber Engel gibt es echt überall, ja. Und ich habe jetzt also heute auch davon erzählt, dass wir diesen BierTalk machen und habe dann auch gesagt, was ich mir da für ein Bierchen überlegt habe und habe dann gesagt: „Mensch, also wenn ihr das noch nicht wusstet, aber ist Europameister in dem Bierstil“ und dann haben, also die Crailsheimer haben dann gemeint: „Engel, also ich kann dazu nur sagen, in Hamburg ist die Kiste Engel-Bier billiger als bei uns und deshalb kaufe ich das nicht.“ Also habe ich heute zum Beispiel gehört, ja. Und das ist auch so ein Phänomen, oder, also das ist ja auch ein Phänomen, das ist also Brauereien, wo man jetzt eigentlich sagen könnte, Mensch, qualitativ super, Bandbreite super, Vielfalt super, Tradition super, lokal und trotzdem werden sie dann vor Ort von den Einheimischen, also von den Ureinwohnern dann vielleicht doch nicht so geschätzt oder entdeckt wie es sich eigentlich gehört. Also beispielsweise auch Riegele in Augsburg ist auch so ein Beispiel, da versuche ich auch immer wieder drauf hinzuweisen, was Riegele alles kann und hat und die Augsburger selbst, die schmettern das dann immer sofort ab und sagen: „Ach, Blödsinn“, ja und so ist es mir hier in Crailsheim eben auch gegangen. Aber ich kenne das Bier schon, also ich habe das auch schon, bevor es die Goldmedaille erlangt hat, hier schon getrunken. Und es ist so, dass eben das Pils wirklich auch, mag ich sehr und eben der helle Bock, finde ich gut, sehr gut, ein ganz tolles Bockbier auch und eben das dunkle Kellerbier. Und das hat aber nix damit zu tun, dass ich jetzt, sage ich mal, den dunklen Bock oder das helle Kellerbier in irgendeiner Weise abwerten möchte, überhaupt nicht, aber man muss sich ja entscheiden und ich habe mich halt jetzt einfach für den Europameister entschieden, das ist so, ja.

Markus: Das ist ja auch völlig legitim und wahrscheinlich oder wahrscheinlich eine gute Entscheidung. Also ich kenne es ja deswegen, weil die auch schon immer bei der DLG dabei sind und da auch schon oft den Bundesehrenpreis gewonnen haben, und diese Siegerbiere gibt es dann immer beim Deutschen Brauertag in Berlin. Und da machen schon eher auch die ganz großen Brauereien mit und wenn man da dann ist als Gast und vielleicht jetzt nicht unbedingt so die Klassiker, die man auch einfach so kennt, trinken will, dann ist man relativ schnell bei den Engel-Bieren. Und deswegen, also ich glaube, vor vier, fünf Jahren oder sowas, habe ich die mal dann dort durchprobiert und seitdem kenne ich die und mir gefallen die auch gut. Und ich kann mir aber auch vorstellen, dass das vor Ort so ein bisschen was ist, was ich hier aus Franken auch kenne. Also auf der einen Seite, glaube ich, hat der Baden-Württemberger dann auch noch diesen Hang dazu, grade wenn er aus der Schwäbischen Ecke kommt, einfach dieses Finanzielle, Sparsame noch so ein bisschen zu haben und da ist dann das Argument, wenn du sagst, wenn der Kasten woanders billiger ist als hier, dann kaufe ich ihn hier nicht, das kann ich mir sogar noch vorstellen. Ich glaube, da steckt noch mehr drin, also einerseits vielleicht einfach die Gewohnheit. Also so kenne ich es ja bei uns hier auch und ich muss sagen, bevor ich wirklich mich mit dem Thema Bier in unserem Sinne, also beruflich damit auseinandergesetzt habe, davor war es für mich auch einfach normal, also ich war halt in Bamberg großgeworden, ich bin aus Bamberg und dann wusste man, okay, es gibt halt 15, 20 verschiedene Biere in der Stadt und die sind alle gut und eigentlich macht man da nie was falsch, und im Umland ist es genauso, in jedem Dorf hat man eine Brauerei. Aber man hat das nie als Besonderheit betrachtet, das ist mir erst klargeworden, als ich dann an der Uni war und die ganzen Leute von außen kamen und dann gesagt haben: „Mensch, bei uns gibt es im Umkreis von 150 Kilometern nur ein Bier und bei dir sind es 150 Meter.“ Das war dann in der Tat so ein Erwachungsmoment für mich auch, wo ich gemerkt habe, okay, das ist nicht nur was Normales, das ist schon was Besonderes. Aber das muss erst mal passieren.

Holger: Absolut.

Markus: Eine andere Sache, die, glaube ich, noch dazu kommt, ist, das ging hier mit einer Brauerei auch so, also wir haben hier die Weismeiner Püls-Bräu und die haben als einer der Ersten auf den Schraubverschluss gesetzt. Und der wurde oder wird auch immer noch hier in der Gegend eher so, ja, minderwertig, billig, einfach assoziiert, also weswegen Leute einfach ein Bier aus einer Schraubverschlussflasche offensichtlich als weniger attraktiv empfinden. Also ich muss sagen, ich fand es einfach immer komisch, weil ich damit eher Mineralwasser assoziiert habe als Bier, hatte aber jetzt nicht unbedingt ein Qualitätseindruck, kann mir aber vorstellen, dass das vielleicht auch noch mitspielt, weil ja Engel, glaube ich, die meisten Flaschen auch im Schraubverschluss macht.

Holger: Ja, alle.

Markus: Vielleicht ist das so ein Konglomerat, ja.

Holger: Nee, nee, alle, also es ist sowieso also, ja, eine eigene Flasche und dann eben der Schraubverschluss, und das kann auch mit eine Rolle spielen, habe ich jetzt hier noch nicht gehört. Aber was ich auf jeden Fall gehört habe, ist so nach dem Motto, Dunkel schmeckt doch nicht, also das ist irgendwie zu rauchig und so, also das schmeckt doch nicht. Und ich habe jetzt hier im Hotel, also ich wusste das ja mit diesem Europameistertitel und dann haben die hier helles Kellerbier von Engel im Ausschank. Und, naja, dann habe ich halt gesagt, ich meine, mein Gott: „Nimm doch mal einfach das dunkle Kellerbier auch mit rein, macht einen Tischaufsteller, trinken Sie hier den Europameister. Und wenn ihr das dann am Tisch anbietet und sagt, Mensch, probiert es doch mal, und es sind ja alles dann Hotelgäste, die dann in der Regel ja nicht hier aus Crailsheim kommen, dann habt ihr doch immer ein Bier verkauft, ja, das will doch jeder mal trinken.“ Und die haben dann auch erst gesagt: „Nee, also das Dunkle kommt nicht so gut an, eigentlich wollen alle ein klassisches bayrisches Helles, ja.“ Also gibt es natürlich auch, Engel Hell, aber, nee, das ist nicht so. Und dann sage ich: „Mensch, hört doch mal, draußen stehen die Kürbisgerichte, ihr werbt jetzt mit den Wildwochen und so und was gibt es da Tolleres als ein dunkles Kellerbier, also jetzt macht das, ja.“ Und jetzt, halt dich fest, jetzt haben sie es wirklich gemacht, ja und das macht mich natürlich stolz. Und dann haben wir auch so ein bisschen Biere probiert und wir haben da ein bisschen diskutiert, also ich dann auch mit den Servicekräften hier und so. Und dann war natürlich erst mal dann natürlich auch das Thema Glas. Engel hat so ein schönes Kellerbierglas, was so satiniert ist und so, also das sieht auch toll aus. Und dann habe ich gesagt: „Aber komm, lass uns doch jetzt mal Teinacher Wassergläser“, also die haben so ein Glas, das sieht so aus wie dieses Sam-Bier-Verkostungsglas nur ohne Stiel. Und dann haben wir halt mit verschiedenen Rotweingläsern auch probiert und so und eben dann mit diesem typischen Engel-Bierglas, was die halt für das Kellerbier auch empfehlen, gibt es hier dann in 0,3 und in 0,5, die Gläser. Und, ja, also dann waren die alle total angefixt und jetzt übertragen die das auch auf die Gäste. Und ich hoffe, dass die Rückmeldung ist, dass es wirklich gut funktioniert hat, einfach mal als Saison und als Besonderheit, den Gästen hier zu sagen, hej, wir habe hier ganz besondere Biere und eine tolle Brauerei. Und dann ist ja der Slogan von Engel, ist ja, Prost, mein Engel. Und das ist auch so ein Klassiker zwischen uns beiden, ja, also du bist ja natürlich was ganz Besonderes für mich und ich könnte auch jeden Tag zu dir, Prost, mein Engel, sagen, aber was ja auf jeden Fall ein Klassiker im Podcast zwischen uns beiden immer war, du hast ja immer so viel gelabbert und ich habe ja immer so viel Durst gehabt und jetzt ist das auch wieder so ein Punkt, ja, also wir machen jetzt hier schon ewig rum, also darf ich jetzt endlich mal trinken?

Markus: Ja, ja, mach doch. Lass uns teilhaben, was du so im Glas hast.

Holger: Naja, gut okay, dann, ich hole es jetzt kurz, ja, also dann geht es sofort weiter.

Markus: Gut, dann überbrücke ich al solang. Ja, also wunderschönes Engel-Bier, da freue ich mich jetzt natürlich auch schon drauf und habe es ein bisschen noch in meinem Hinterkopf, muss ich sagen, auch wenn es schon ein bisschen her ist, aber wir haben auf jeden Fall schöne malzige Noten zu erwarten. Mal gucken, was der Holger dazu sagt, ist ja nicht sein Standard, aber, gucken wir mal.

Holger: Ja, ich bin schon wieder hier und jetzt öffne ich mal den Schraubverschluss. Und schon die erste Besonderheit, der Schraubverschluss hat eben oben schon das Kennzeichen des European Beer Star Awards drin, also das Logo und dann steht da halt, ausgezeichnet als Europas bestes Kellerbier, ja, also das haben sie schon mal gemacht. Und ich habe natürlich da auch drauf geachtet, dass ich jetzt also schon so eine Flasche erwische, die eben schon diesen neuen Drehverschluss hat. So, ich schenke jetzt mal ein.

Markus: Ja.

Holger: Oh ja, also ein ganz, ganz satter Schaum, also ein wirklich richtig satter Schaum. Und, ja, jetzt muss ich das mal hier ein bisschen gegen das Licht halten, weil, ich habe hier im Hotelzimmer nicht die absolut optimalste Beleuchtung, ja. Aber ich kann vielleicht über die technischen Daten ein bisschen schon sprechen, also das hat 5,3 Prozent Alkohol, Volumenalkohol und ich denke, jetzt haben wir so acht bis neun Grad grade als Trinktemperatur. Ich hatte es hier bei mir im Hotelzimmer einfach draußen auf die Fensterbank gestellt und wo ich jetzt hier wieder zurückkam ins Hotel, und ich glaube, das ist wirklich ideal. So und jetzt verkoste ich es mal. Ja, also richtig samtig weich, ja, also wirklich unglaubliches schönes Mundgefühl, sehr vollmundig, so, wie man sich so ein ganz klassisches dunkles Kellerbier vorstellt. Von der Farbe her geht es so ganz in den Kastanienton, der Schaum ist feinporig und ist auch, ja, der Kastanienfarbe so ein bisschen angepasst, also ist nicht rein weiß, sondern eher cremefarben. Und da ist also das im Mund, was auf dem Etikett steht, es ist wirklich ein dunkles, naturtrübes Kellerbier, ja und ist so eine fein fruchtige Note, die da rüber kommt. Also auch so eine leichte Säure, finde ich, aber sehr ausgewogen, richtig voluminös. Ein ganz, ganz leichtes Röstaroma habe ich, aber das gehört sich ja im Prinzip auch für ein dunkles Bier, würde ich jetzt einfach mal sagen und, also mir schmeckt das wirklich gut. Also da ist eine Karamellnote, kann ich jetzt sagen, kommt da noch so ein bisschen durch, schimmert da rein. Es ist auch so ein bisschen brotig, also so brotig, hat eine Note von frischem Schwarzbrot, würde ich jetzt noch im Nachtrunk so hinterher schieben. Nee, also das ist wirklich ein perfektes Bier eben für genau das, was ich grade schon gesagt habe, also beispielsweise, wenn man jetzt Maronen hat vielleicht und dazu einfach dieses dunkle Kellerbier oder auch Wildgerichte, Kürbissuppe, die vielleicht so ein bisschen sämig ist, also das ist was. Ist jetzt vielleicht kein Durstlöscherbier, aber ein ganz, ganz toller Speisenbegleiter. Also herrlich, wirklich herrlich.

Markus: Ja, also da läuft einem ja wirklich das Wasser im Mund zusammen. Und jetzt weiß ich auch wieder, warum ich am Anfang ein bisschen skeptisch war bei dem Engel Kellerbier, weil ja ziemlich viele Baden-Württemberger Brauereien Kellerbiere machen, aber mit obergäriger Hefe, also selbst Riegele zum Beispiel. Und das ist ja immer so ein Thema, also ist das überhaupt ein Kellerbier, kann das überhaupt ein Kellerbier sein? Wobei hier, ist ja kein Thema, Engel macht das ganz normal klassisch untergärig, also alles gut. Aber das fand ich schon auch immer interessant, wie Brauereien auf diesen Gedanken kommen. Also ich selber habe am Anfang immer gesagt: „Das geht gar nicht.“ Mittlerweile also bin ich immer noch zu 90 Prozent auf der Seite, das geht gar nicht, aber es ist ein bisschen, wo ich sage: „Okay, irgendwie kann man das vielleicht rechtfertigen, weil das halt früher immer Mischgärungen waren.“ Vielleicht gab es ja auch wärmere Keller, ich weiß es ja nicht, aber es ist zumindest ungewöhnlich, sagen wir mal so. Ja, fein, schmeckt, finde ich gut.

Holger: Ja, also mir fällt jetzt grade noch darüber hinaus ein, wenn man jetzt so auch noch so in die Dessertseite geht, ja, also so ein Florentiner zum Beispiel oder so eine Nussecke, überzogen mit dunkler Schokolade. Oder überhaupt, also das müssen wir auch nochmal unbedingt wieder machen, also jetzt können wir ja direkt den nächsten BierTalk schon wieder besprechen, wir müssen unbedingt nochmal wieder mit Goldhelm Schokolade und Bieren arbeiten, wir beide.

Markus: Oh ja.

Holger: Wir müssen das auch den Hörern nochmal in Erinnerung rufen, was das für eine großartige Kombination ist. Also das ist, ja, das ist eine Offenbarung eigentlich. Also das müssen wir auch noch machen und das ist auch so ein Thema, ja, also Schokolade da zu kombinieren, ist sicher auch eine ganz gute Idee, zu diesem schönen Engel Kellerbier dunkel. Ja, doch, super.

Markus: Ja, also Schokolade und Bier beziehungsweise überhaupt Dessert und Bier. Das war auch eine meiner ersten Entdeckungen und macht auch immer wieder Spaß, weil ich halt leider auch ein bisschen auf der süßen Ecke gerne bin und da macht es natürlich Spaß, das beides zu verbinden.

Holger: Wieso leider?

Markus: Naja, leider, weil das Problem ist, es bleibt ja immer was hängen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Holger: Ach, aber, Markus, also ich sage mal, du bist halt ein Körper, ja, also wenn ich das so sagen darf und …

Markus: Andere sind ein Geist, aber gut.

Holger: Und, ja, mein Gott, also, ja, also so ist das halt und fertig. Und, also ich meine, jetzt zum Beispiel so eine Ganasche-Creme-Brülée pur, weißt du, das ist schon was. Also, mein Gott, mir fallen da so viele Sachen ein und dann, du darfst da aber nicht drüber nachdenken, weil, das mindert ja den Genuss. Also wenn du jetzt denkst, okay, jetzt kann ich da dieses Stück Schokolade und mit dem Bier und was macht das jetzt wieder und das macht mich noch dicker und so. Aber das ist doch scheißegal, also wir kennen dich alle so wie du bist und ich sage dir schon, wenn genug ist.

Markus: Okay, na gut. Aber jetzt habe ich auch Durst und muss auch erst mal.

Holger: Ja, genau, aber, also jetzt muss ich ja auch raten, oder?

Markus: Genau, oh ja.

Holger: Okay, ich versuche auch mein Glück. Also wer dich jetzt verfolgt hat, die letzten Wochen, Tage, der weiß, Irland und Brasilien ….

Markus: Und Belgien.

Holger: … da gehe ich jetzt einfach mal davon aus, dass du das also nicht so machst wie ich es jetzt gemacht habe, also das man einfach ganz lokal bleibt dann dort, wo man sich grade aufhält, sondern du wirst wahrscheinlich in die Ferne schweifen und bringst was mit von deinen Reisen. Und da wird es irgendwas Spannendes und Außergewöhnliches sein, gern vielleicht sogar in der Dose. Ja, so in die Richtung wird es wahrscheinlich gehen. Also vielleicht nicht experimental-style, das jetzt vielleicht auch nicht, weil 100ster BierTalk und so, aber sowas richtig Klassisches aus UK, aber sehr modern und toll interpretiert, so in die Richtung würde ich tippen.

Markus: Ja, also der Tipp an sich ist legitim. Allerdings ist es so, ich musste dieses Mal nur mit Handgepäck reisen, also das heißt, ich hatte keinen Koffer dabei und zwar über die ganze Reise. Also ich war ja praktisch am Stück erst in Brasilien, dann in Belgien und dann in Irland und dann erst wieder Zuhause und das hat einfach gedungen, das ich also nur meinen Rucksack dabei hatte. Und das bedingt wiederum, dass man immer durch die Sicherheitskontrolle muss und dann darf man eben nix mitnehmen. Bedeutet, ich habe tatsächlich, also obwohl ich wirklich liebend gerne gewollt hätte, konnte ich kein einziges Bier mitnehmen. Das war schon ein bisschen traurig und insofern musste ich die dann alle jeweils vor Ort probieren. Habe auch oft da gedacht, welches man jetzt zum Beispiel mal in einen BierTalk mitnehmen könnte, aber bin dann eben an der Sache gescheitert. Das Einzige, was zwischendurch Nachhause gewandert ist, war ein Paket, dass ich in Frankfurt am Flughafen aufgegeben habe, als ich aus Brasilien zurückkam und auf dem Weg nach Belgien war, aber da war dann nur meine dreckige Wäsche drin, um das Ganze etwas zu erleichtern. Also deswegen tatsächlich mal nichts Exotisches, sondern ich bin auch Zuhause geblieben.

Holger: Ah ja, okay. Aber richtig Zuhause, also richtig Zuhause wäre ja dann Rauchbier und da dann, ja, also ich meine, dann vielleicht Schlenkerla Eiche, fünf bis sieben Jahre alt wäre, also würde uns gut zu Gesicht stehen beim 100. BierTalk, und auch da könnte man sehr schön über Foodparing philosophieren. Also das wäre ja richtig Zuhause.

Markus: Das wäre richtig Zuhause, wäre auch schön. Also von der Stilrichtung, es ist tatsächlich ein Bier, was etwas Rauch hat, aber es stammt nicht aus einer der klassischen Rauchbierbrauereien, sondern aus einer sehr kleinen Brauerei, die es noch gar nicht solange gibt und die jetzt vor Kurzem ihr erstes, sagen wir mal, normales Rauchbier rausgebracht hat und jetzt eben ein besonderes Bier mit ein bisschen Rauch. Wir kennen den Brauer auch beide ziemlich gut.

Holger: Hertl.

Markus: Genau.

Holger: Ja, haha.

Markus: Nicht schlecht! So, also wir sind bei der Braumanufaktur Hertl beziehungsweise ein bisschen eben auch bei mir. Also ich glaube, ich muss es auflösen, weil es sonst zu …

Holger: Ah ja, okay, also lös es auf, genau.

Markus: Ich löse es auf, genau, also weil es ein zu spezielles Thema ist. Und zwar, ich überlege grade, ob ich erst trinke oder erst aushole. Jetzt habe ich erst mal meinen Öffner runter geschmissen.

Holger: Jetzt fällt der erst mal alles aus der Hand. Bleib ganz ruhig, bleib ganz ruhig.

Markus: Also, ich würde sagen, ich glaube, ich gieße erst mal was ein, Moment. So, offen ist es. Also, klassische Flasche, klassischer Kronkorken. So, also es ist von der Farbe her auch ein dunkles Bier oder zumindest relativ dunkel, ich würde mal sagen, ja, so Kastanienfarben ungefähr. Ein richtig schöner dicker, fester, feinporiger Schaum, der da obendrüber sitzt. Auch ein bisschen cremefarben, also der ist durchaus auch getönt. Und wenn man rein reicht, dann ist es eben etwas Rauch, aber auch so ein bisschen fruchtige Noten, ein bisschen so Weintrauben. Und dann kommen so nussige, so Haselnuss, Nutella, Schokolade, sowas in diese Richtung. Sehr spannend, muss ich mal ein Schlückchen probieren. Ein ganz weiches Bier, weich im Mund, rund, sehr cremig. Fängt dann auch mit diesen Kastanien-, nussigen Noten an, dazwischen hat man dann wieder den Eindruck von Nutella, hinten raus kommt dann auch ein bisschen Bittere, dann kommt auch die Fruchtigkeit wieder. Also ein wirklich sehr komplexes Bier, was auch sehr erfrischend ist. Spannend! Also ich muss dazu sagen, ich habe es jetzt ja so beschrieben, als hätte ich es noch nie getrunken und es ist auch so. Weil, also der Hintergrund der Geschichte ist der, auf der einen Seite gibt es das fränkische Bierfest. Das gibt es ja schon ziemlich lange in Nürnberg, da waren wir auch schon öfters zusammen und dort habe ich auch schon seit Langem immer einen Stand. Und durch Zufall über einen Freund habe ich vor vier, fünf Jahren erfahren, dass da, wo meine Vorfahren herkommen, also aus dem Schlesischen Gebiet, was heute Polen ist, da sind Namensvetter von mir, die wahrscheinlich irgendwie auch mit mir verwandt waren, ausgewandert vor ungefähr 200 Jahren. Und die sind ausgewandert nach Dänemark und haben dort eine Brauerei gegründet mit dem Namen Raupach’s Bryggeri, das ist in der Nähe von Århus gewesen. Und die hat bis 1974 existiert. 1974 ist witziger Weise mein Geburtsjahr und da hat man dann die Brauerei dichtgemacht und auf dem Gelände steht jetzt ein großes Wohnanwesen, ein paar Wohnblocks und ein paar Gewerbeimmobilien, nennt sich aber immer noch Raupach’s Bryggeri vom örtlichen Namen her und, ja und der Ortsteil, der heißt Odda, wo das ist. Und ich bin durch Zufall da drauf gestoßen und habe dann ein bisschen nachgeforscht und lauter Bierdeckel gefunden, Etiketten gefunden und rausgefunden, dass niemand die Namen irgendwie benutzt, dass keiner die Namensrechte hat. Und dann habe ich nachgeforscht, was das für Bierstile waren, die die damals gebraut haben. Und die heißen ja so lustig in Dänemark, also da gibt es ein Juleøl und ein Vitøl und ein Skibsøl und lauter solche Dinge, also Bier heißt ja dort øl. Und dann habe ich angefangen, mich mit diesen Bierstilen auseinanderzusetzen und habe dann vor vier Jahren schon mal ein Vitøl für das Bierfest gebraut unter diesem Raupach´s Label sozusagen. Das kam auch sehr gut an, das haben wir damals in Memmelsdorf gebraut bei der Isabella Straub beziehungsweise Mareien heißt sie ja jetzt, bei den Drei Kronen. Und dann war es eben jetzt dieses Jahr so nach der Pandemie, das ich mir überlegt habe, ja, eigentlich könnte man an diese Tradition ja anknüpfen. Und war dann tatsächlich vorher im Januar schon in Kopenhagen, oder nee, es war sogar im Februar, eingeladen von einem Bierwettbewerb und dort gingen so spannende Ideen, wie man verschiedene Biere mit verschiedenen Läden braut, egal. Dabei habe ich ein Buch gefunden, wo ein dänischer Brauwissenschaftler tatsächlich diesen ganzen alten Bierstil aufgedröselt hat und zwar auf Englisch. Und das habe ich dann mitgenommen und dann eben so ein bisschen geschaut, was es für Raupach-Bierstile in dieser Brauerei gegeben hat und was in diesem Buch so steht und bin dann auf einen Bierstil gestoßen, den ich sehr spannend fand, nämlich das Skibsøl. Also das Skibsøl, übersetzt, das Schiffsbier, war dann praktisch das Bier, was die Matrosen bekommen haben, die da losgefahren sind. Und das sollte ein Bier sein, was die gut trinken können und was möglichst lange frisch bleibt, was nicht zu alkoholisch ist, aber eben, was sich gut hält. Und im Grunde kennt man das ja von anderen Bierwelten auch, dass die Matrosen und lange Schiffsreisen da so eine Rolle gespielt haben. Und viele wissen gar nicht, dass die Dänen ja früher auch Kolonien wirklich überall hatten. Also selbst in Nordamerika gab es dänische Kolonien, in der Karibik gab es dänische Kolonien, Saint Thomas zum Beispiel war ganz lange eine dänische Kolonie, bis nach Indien, und in dieser Zeit waren eben auch die unterwegs. Und dieses Skibsøl war ein rauchiges Bier und ein relativ hochvergorenes Bier mit etwas niedrigerer Stammwürze, sodass eben möglichst wenig Angriffsfläche für Bakterien da war und ein sehr trinkbares Bier und, ja und so ein schönes Alltagsbier. Und dann habe ich gesagt: „Okay, dann lass uns das für das Bierfest brauen.“ Das hatten wir dann auch dieses Jahr im Juni dann in Nürnberg beim Bierfest und das fanden die Leute auch ziemlich cool. Gebraut habe ich es da beim David Hertl in seiner neuen Brauerei in Schnaid. Und als wir da waren, hatte ich auch eine ukrainische Gastbrauerei. Also du merkst, die Geschichte wird etwas länger, aber sie wird nicht mehr sehr lang. Und dann hatten wir die Ukrainer eben da, die hatten ihre Biere und wir haben da insgesamt so um die 6.000 Euro für die Ukrainer erlösen können als Unterstützung. Und als die wieder gefahren sind, haben wir uns überlegt, was können wir denn tun, um das weiterlaufen zu lassen? Und die Überlegung war dann auch von David und von mir, dann lass uns doch noch ein Bier in der Flasche machen, wo wir dann pro Flasche auch nochmal eine Spende machen. Und als Rezept haben wir dann überlegt, nehmen wir dieses Skibsøl und machen daraus eben dann dieses Bier. Und deswegen steht jetzt auf der Flasche, auf dem Etikett als Name auch Freiheit, das hat sich der David dann gewünscht und drunter steht, Mehrkornbier, Skibsøl und dann tatsächlich die drei Namen, also Hertl, die Braumanufaktur natürlich, dann das Logo von der Raupach´s Bryggeri und Varvar, unsere ukrainischen Freunde. Und hinten drauf kann man dann nochmal sehen, was drin ist. Also wir haben hier Gersten-, Weizen-, Hafer-, Dinkel-, Roggenmalz und Rauchmalz. Also viele verschiedene Malze, das war in der Zeit eben damals auch so üblich. Vom Alkohol sind wir bei 4,8 und haben ein obergäriges Bier natürlich. Also eine sehr schöne spannende Mischung mit vielen Aromen und viel Geschichte und viel drum rum, wie ich das eigentlich gerne mag. Und, ja und ich muss auch sagen, ich habe es eben dann nicht trinken können seitdem. Weil, also der David hatte ein bisschen gebraucht, bis er es fertiggebraut hatte, dann hat er ein Etikett gemacht, dann mussten wir das Etikett nochmal machen lassen und bis es dann gedruckt war, war ich wieder unterwegs. Und deswegen ist es jetzt, seit ich wieder da bin, auf dem Markt und ich habe jetzt heute mir die erste Flasche gekauft, um es selber zu probieren und das habe ich jetzt eben grade getan. Also, du siehst, eine lange Rede für wenig Bier, aber auf jeden Fall spannend.

Holger: Sehr gut, jetzt trink mal einen Schluck. Und, ja, das ist ja ein richtiger Collab-Brew, würde man sagen und dann smoky, rosty, ja, oder?

Markus: Ja.

Holger: Also mir taugt es auch ausgezeichnet, ich habe es halt auch schon probiert. Und ich finde die Idee toll und dieses ganze Zusammenwirken von diesen Dingen, die du jetzt erklärt hast. Und ich will jetzt also nur, weiß ich nicht, ob das bei jedem dann so richtig sauber rübergekommen ist, also das heißt nicht Kipsøl sondern Skibsøl, ja?

Markus: Genau, Skibsøl.

Holger: Also das man das auch nochmal, also das ist (buchstabiert) Skibs und dann eben dieses dänische o mit diesem Strich durch und dann ein l, also Skibsøl, ja.

Markus: Ja, genau.

Holger: Und, naja und dann, das ist ja, ich meine, trinken für einen guten Zweck ist ja auch was Tolles.

Markus: Ja!

Holger: Also das sollten alle machen. Also das sollten alle machen, also alle, die jetzt zuhören, sollen das bitte machen und dieses Freiheits-Bier trinken und, ja und dann kann man eben dabei eben Leute aus der Ukraine unterstützen. Und das, finde ich, ist doch ganz großartig, ja.

Markus: Ja, also ist es auf jeden Fall. Ich muss ein bisschen Wasser in den Wein gießen, aber nur kurz. Weil, für mich war das auch so ein ganz entscheidendes Erlebnis, also als wir die Ukrainer dann da hatten bei uns auf dem Bierfest, haben wir uns natürlich auch unterhalten, was macht ihr denn dann mit diesem Geld, was wir zusammen jetzt da erwirtschaften? Und dann war die Antwort, naja, das ist für die Familien unserer gefallenen Mitarbeiter. Und ich finde, dieser Satz drückt eigentlich alles aus, also wie krass das alles ist, also das man eine Firma hat mit Leuten, die einem am Herzen liegen. Das ist ja eine kleine Brauerei mit vielleicht insgesamt 20 Mitarbeitern. Und zu dem Zeitpunkt, das war jetzt ja im Juni, da schon mehrere Mitarbeiter hatten, die eben gefallen waren und man dann sagt, okay, man tut dann jetzt für die Familien etwas, also da ist so viel drin, ich fand das so, das hat mich richtig bewegt, muss ich sagen und auch lange Zeit beschäftigt und weil es auch noch was anderes ist, wenn einem das dann jemand persönlich erzählt. Und ich habe ja dann von denen auch ihre Geschichte gehört natürlich, wie die da Ende Februar, Anfang März mit der Situation zurechtgekommen sind und, ja, also das ist einfach total krass, kann ich nur sagen! Wo man eigentlich gedacht hat, man muss sich damit nie wirklich persönlich mal auseinandersetzen und jetzt ist es schon sehr nah dran. Und, ja, also insofern, wie gesagt, das ist ein sehr ernstes Thema, was zwischendurch halt auch dazu gehört. Ich meine, wir hatten ja während der Pandemie auch immer wieder unsere Diskussionen auch mit den Leuten und man wusste ja nie so recht, grade am Anfang, wo die Reise hingeht. Das ist grad oft emotionale Achterbahnfahrt und, also die Sache hat mich wirklich echt beschäftigt, muss ich sagen, ja.

Holger: Ja, ich denke, das beschäftigt uns ja alle, im Prinzip täglich und man weiß ja auch nie so richtig, wie es ausgeht und wie es weitergeht und, ja. Aber, ich muss jetzt einfach sagen, Prost, mein Engel, ja.

Markus: Ja, dito.

Holger: Und wir trinken jetzt einfach darauf, dass es doch noch irgendwie so ausgeht, dass es irgendwann wieder gut sein kann, die Ukraine wieder aufgebaut wird, eigenständig wird, möglichst viel von ihrem Gebiet wieder zurückerlangt hat. Und, ja und so komische Demagogen, die sich da sowas einfallen lassen, keine Chance mehr auf der Welt haben!

Markus: Das ist ein gutes Wort, Prost!

Holger: Prost! Ja, Mut zur Freiheit, ja, das ist ja, ja, naja, ja. Jetzt kann man fast keine Kurve mehr kriegen, also das …

Markus: Doch, ein bisschen schon, weil, ich glaube, also vielleicht nutzt du die Gelegenheit und erzählst vielleicht den Hörern auch ganz kurz, weil, manche haben sich ja vielleicht da ein bisschen gewundert, dass du ja vor ein paar Monaten so immer seltener im BierTalk aufgetaucht bist. Dass du vielleicht ein bisschen erzählst, was so bei dir sich so verändert hat, was da so dahintersteckt und wie sich so dein Bieralltag vielleicht mittlerweile gestaltet.

Holger: Ja, also Leben ist ja das, was passiert, während man andere Pläne macht, also so hat es John Lennon mal gesagt, und genauso war das auch bei mir. Also wir waren ja, denke ich, vor der Pandemie waren wir beide zu 100 Prozent Bier, haben beide zu 100 Prozent eben unser Geld damit verdient und da war eigentlich für nichts anderes mehr Platz. Und es ist ja auch nichts Schöneres, wenn man sein Hobby quasi zum Beruf macht. Und trotzdem wissend, dass die ganz treuen und alten BierTalk-Hörer, ja, ich habe ja dann noch so eine andere Leidenschaft und das sind eben die historischen Nutzfahrzeuge, also bin eben einfach immer noch mit meiner alten Welt, eben mit der Nutzfahrzeugwelt immer verbunden und auch verbunden geblieben und die liegt mir auch sehr am Herzen. Und, naja und dann sind halt grade jetzt diese b2b-Geschäfte, die wir hatten, die ja auch ausgesprochen ertragreich waren, die sind mit dem ersten Lockdown einfach von heute auf morgen weggebrochen. Und dann erst mal freut man sich ja, weil, man hat dann ein bisschen mehr Zeit und man kommt runter, man kommt zur Ruhe und so, aber dann war abzusehen, dass das sich so schnell nicht erledigt und das also grade die Brauwirtschaft und auch die Gastronomie dauerhaft da drunter leiden werden und das es auch Konsequenzen hat. Und dann habe ich dann einfach Folgendes gemacht und habe dann so in meine alte Welt, also in diese Nutzfahrzeugwelt hineingerufen, Mensch, passt auf, ich würde zur Verfügung stehen und wenn ihr irgendwas habt, was projekthaft abgearbeitet werden kann oder so, ich kann das tun. Und dann gab es eben Ford als Nutzfahrzeughersteller, die ein neues Produkt entwickelt hatten und wollten dieses Produkt eben auch hier in Deutschland etablieren, da ging es da drum, wer wird Importeur? Und da gab es dann wiederum die Gegebenheit, dass ein mir sehr, ja, kann man wirklich sagen, ein Freund, ein wertvoller Mensch, der eben einen MAN-Betrieb hat und dessen Familie hatte also überlegt, diese Importeursrolle zu übernehmen. Und der hat mich dann angesprochen, hat gesagt: „Mensch, Holger, willst du da nicht mithelfen und willst du das nicht mit begleiten und so?“ Und das war natürlich ein ganz tolles Angebot und eine ganz tolle Aufgabe und das ein richtiges, ja, ein richtiges Startup eigentlich in dem Zusammenhang. Und dann habe ich mich da also voll rein geschmissen und dann haben wir dann irgendwann auch den Importeursvertrag unterschrieben. Da gibt es dann in der Firma, eine vierte Generation und man ist jetzt dann eben auch Gesellschafter dieser neuen Company und wir versuchen jetzt also diese neue Sattelzugmaschine, also diesen Ford-Truck, hier in Deutschland eben einzuführen. Und ich habe einfach die Ehre, dabei zu sein. Und jetzt kannst du dir natürlich vorstellen oder ihr alle, auch die Hörer können sich sicher vorstellen, das ist jetzt kein Job, den man einfach nebenbei machen kann und irgendwann gab es halt den Punkt, ich musste mich entscheiden. Also ich musste jetzt einfach sagen: „Komm, okay, dieses Projekt dauerhaft zu begleiten und meine ganze Kraft und Energie da hineinzustecken oder entferne ich mich jetzt wieder nach der Projektphase daraus und schaue mal, was sonst so passiert, bis eben das Business, was ich davor gemacht habe, dann wieder ganz normal läuft.“ Und ich habe dann, ich habe ja drei Kinder und ich wohne in München und dann habe ich einfach gesagt: „Komm, das macht mir so viel Spaß und ich gehe jetzt da voll und ganz hinein.“ Und dann gab es, also das ist jetzt so eine ganz tolle positive Wendung und ich bin da auch glücklich und zufrieden damit und bin auch froh, dass ich das gemacht habe, weil es unglaublich viel Spaß macht. Ist auch eine internationale Tätigkeit, das Auto wird in der Türkei gebaut, ich bin regelmäßig dann eben auch mit türkischen Kollegen zusammen und bin dann auch in der Türkei vor Ort und so, also ist wirklich eine sehr spannende Aufgabe. Und gleichzeitig haben sich dann meine Eltern im Zusammenhang mit der Pandemie entschieden, wirklich beide geleichzeitig pflegebedürftig zu werden. Bei meiner Mutter wurde das Bein amputiert und musste noch zur Dialyse, hochgradig Zucker. Mein Vater hat das alles überhaupt nicht verpackt, also auch mit der Amputation und alles, was da passiert ist und war dann auch kurzzeitig auch auf der geschlossenen Psychiatrie. Und da könnt ihr euch dann vorstellen, also das war total hart, also das Jahr 2021, neue Aufgabe, alte Aufgabe komplett weggebrochen, beide Eltern absolut pfleghebedürftig, mittlerweile auch in einem Altenheim. Bin ich sehr, sehr froh, überhaupt ein Altenheim gefunden zu haben, was beide gleichzeitig aufnehmen konnte, aber das war halt lange nicht so. Und, ja und dann bleibt nicht mehr viel Zeit für ein Hobby, das man zum Beruf gemacht hat, sondern dann bricht einfach alles zusammen und man hat dann auch für nix anderes mehr Zeit und pflegt seine Eltern und versucht, diese neue Aufgabe zu bewältigen, so ist die Situation gewesen. Und deshalb war ich sehr lange jetzt nicht dabei und jetzt hat sich das alles ein bisschen stabilisiert. Also der neue Job hat, ja, schon Strukturen, also das ist immer noch sehr pionierhaft, aber wir kommen in die Professionalität. Und wie gesagt, meine Eltern sind jetzt im Altenheim, sind da gut versorgt und jetzt so langsam wird es wieder heller bei mir. Und da war das jetzt gut, das wir gesagt haben: „Komm, 100. Folge zum BierTalk, da darf ich wieder Mal dabei sein.“ Und da freue ich mich natürlich, dass ich auch wirklich dabei bin. Also so, ja, so ist das. Aber du, ich meine, du weißt es ja, aber wir hatten ja vorher auch gesagt, wir reden da drüber, warum das alles so war und jetzt wissen es die Hörer halt auch.

Markus: Ja, ist schon krass, wie schnell sich so ein Leben vom Kopf auf die Füße stellen kann oder andersrum, je nachdem, wie schnell das eben passieren kann. Und das, ja, ich habe es ja miterlebt, war natürlich auch für dich einerseits sicher eine ganz harte Zeit und auch eine wirklich, die dich unheimlich unter Druck gesetzt hat und das war dann schon, ja, also schon etwas, was einem mehr als alles abverlangt hat. Also insofern auch, Chapeau, wie du das alles durchgestanden hast und dass du jetzt wieder in ein Fahrwasser kommst, wo du damit, glaube ich, gut zurechtkommst. Und, ja und vielleicht haben wir dann ja auch in der Zukunft ab und zu mal Gelegenheit, bei weiteren Jubiläumsfolgen, uns da wieder auf Biere zusammenzusetzen. Ich meine, man kann das Jubiläum ja selber festlegen, das kann ja die 110. oder 125. oder 150. oder wie auch immer, 133. Folge sein, da gibt es ja jede Menge Möglichkeiten. Also auf jeden Fall bist du natürlich immer sehr gerne herzlichst willkommen, das ist keine Frage! Und wir haben ja gesehen, du hast nix verlernt, also so, wie du vorhin das Bier beschrieben hast, wunderbar.

Holger: Ja, genau, also die Frage habe ich ja gar nicht beantwortet, du hast ja gesagt, ich soll noch was dazu sagen, wie jetzt mein Bierleben aussieht. Also das Bierleben sieht so aus, dass ich einfach feststelle, dass ich immer noch vieles ausprobiere, sehr wach wahrnehme, was eben am Biermarkt passiert und ich bin, ja, eigentlich wieder zu den Klassikern zurückgekehrt. Also du hast es ja ganz am Anfang gesagt, Pils ist auf jeden Fall definitiv mein Bierstil und ich genieße einfach täglich mein Feierabendbierchen und bin dann einfach zu den Klassikern zurückgekehrt. Das variiert immer noch sehr stark und da gibt es eine große Auswahl, aber es ist vielleicht insgesamt vom Spektrum etwas enger geworden und back to the roots, würde ich das beschreiben, bin da sehr glücklich auch drüber. Und was mich natürlich schmerzt, ist einfach, dass die ganze Branche so sehr gelitten hat. Auch die Craftbeer-Thematik dann, ja, doch nicht das bewegt vielleicht schon, aber dann auch an Marktanteilen nach wie vor, spielen die überhaupt keine Rolle, haben vielleicht erreicht, dass wir über Bier anders sprechen, dass es überhaupt diesen Podcast gibt und wir so viele Hörer haben, aber es gab ja keinen Durchbruch. Und vielleicht brauchte das auch nicht sein, weil, Deutschland hat ja tolle eigene Biere und trotzdem hat es insgesamt die Szene bereichert, in meinen Augen. Du hast jetzt vor Kurzem auf Facebook gepostet, dass die Inselbrauerei einen neuen Eigentümer sucht. Viel hat sich verändert, manche sind verschwunden, gibt es welche, die haben verkauft, aber es ist insgesamt ein bisschen ruhiger geworden. Wir können vielleicht auch drüber reden, wie du Zukunft einschätzt in dem Zusammenhang, wie entwickelt sich der Biermarkt, was erwartest du, wäre spannend auch zu hören. Also ist eine Frage an dich, die ich dir gerne zurückgebe. Ja, aber ich für mich bin einfach ein bisschen wieder back to the roots, so wie früher, also für mich selbst sehr viel mit Bier beschäftigen täglich und sehr bewusst trinken und mich freuen, dass ich nicht mit abgeschmiert bin. Also ich kann dir sagen, geschlossene Psychiatrie, ich habe ihn ja oft besucht, da will man nicht sein, da will man nicht sein. Und dann freut man sich, wenn man abends einfach sein Wunschbier trinkt.

Markus: Ja, nee, das kann ich absolut nachvollziehen. Und, ja, ich glaube, also so ein bisschen, finde ich, ist es vielleicht so, dass das, was du sagst, dieser Gedanke, back to the roots, in vielerlei Hinsicht auf den deutschen Biermarkt zutrifft. Also einerseits, glaube ich, ist es eine ziemlich große Klammer, weil man überlegt, also so richtig die roots verlassen, hat der deutsche Biermarkt, würde ich mal sagen, mit der Deutschen Einheit erst mal. Also interessant, aber das ist schon lange her, 35 Jahre her fast, aber da war es so, dass viele gestandene Brauer, ja, aus einem vielleicht verständlichen Gefühl, man müsste jetzt Aufbruchsstimmung und unbedingt was tun, sind grade viele westdeutsche Brauer in den Osten marschiert und haben irgendwelche Brauereien übernommen, gekauft, dazu genommen, wie auch immer und gar nicht gemerkt, dass sie sich dabei völlig übernehmen. Also weil, das waren oft kleine Brauereien, die, was weiß ich, vielleicht 30-, 40.000 Hektoliter hier produziert haben und haben dann irgendeine Ost-Brauerei übernommen mit einer halben Million Hektolitern und überhaupt nicht gemerkt, was das bedeutet, dass es eine ganz andere Dimension ist und noch dazu eben der Investitionsstau da war und dann ging das alles los. Und dann kam man in diese Mühle mit den Großbrauereien, die dann angefangen haben, genau zu dem Zeitpunkt ihre Biere, die dann zu den Fernseh-Bieren wurden, immer billiger auf den Markt zu schmeißen. Die dann eben von der besonderen Krone der Schöpfung, die man sich vielleicht am Sonntag mal gegönnt hat, wurde das dann zum Alltagsbier und da kamen dann die ganz normalen Biere natürlich unter die Räder, weil die preismäßig überhaupt nicht mithalten konnten. Dazu dann eben dieser neue Biermarkt im Osten, der die Stimmung auch nochmal erheblich verändert hat, der auch den Markt verändert hat und so, also da ist ganz viel in Bewegung gekommen. Das hat sich dann so über die 90er nach und nach ein bisschen beruhigt, währenddessen sind dann die ganzen Gasthausbrauereien entstanden. Und dann kam eben dieses Craftbeer-Thema und hat dann auch nochmal viele Leute verunsichert, viel den Markt durcheinandergebracht, aber auch den Verbraucher durcheinandergebracht und polarisiert. Wo man auf einmal immer in die Extreme gegangen ist und man sich gegenseitig wirklich da in eine Ecken gestellt hat und sich die Köpfe eingeschlagen hat, obwohl man in derselben Branche eigentlich unterwegs ist und so. Und das ging alles immer weiter, bis dann das so eigentlich fast mit der Pandemie, also kurz vorher war ja da schon eine deutliche Konsolidierung festzustellen, aber die Pandemie hat das Ganze dann nochmal verstärkt, das Ganze dann wieder zurück, eingedämpft, eingeschrumpft worden ist und man den Eindruck hat, das jetzt sich alle wieder auf ihre Wurzeln besinnen, weil die einfach merken, okay, wenn ich überleben will, wenn ich mit meinem Laden weiter Bestand haben will, dann muss ich einfach mein ehrliches Geschäft machen, so wie es ursprünglich mal war. Und das ist dann eben tatsächlich mindestens 40 Jahre her und das merkt man bei vielen. Also trotzdem ist natürlich auch was passiert, das heißt, sie haben in dieser Zeit neue Bierstile kennengelernt, sie haben gelernt, ihre Biere anders zu beschreiben, sie haben Geschichten dazu entweder gefunden oder erfunden. Sie haben mit den Rohstoffen gelernt, anders zu arbeiten, ihre Küchen anders zu organisieren. Also all das ist natürlich auch passiert, ist nicht nur ein Zurück, sondern in gewisser Weise auch ein Nachvorne, aber halt so in beide Richtungen. Und trotzdem, muss ich sagen, schaue ich momentan eher mit einem weinenden Auge auf die Branche, weil es echt momentan schwer ist. Also es ist für die schwer, die viel Flaschenbier machen, weil sie, angefangen von den Energiekosten über das ganz banale Thema, wo bekomme ich meine Flaschen her, meine Etiketten, meine Bierkästen? Wie komme ich damit zurecht, dass mein Bierpfand grade mal ein Viertel von dem abdeckt, was mich eine Flasche oder ein Kasten kostet? All diese Fragen sind natürlich für die Brauereien ganz maßgeblich, dazu dann die Transportkosten natürlich noch, Logistik, Wahnsinnsthema. All die, die Gastronomie haben, haben einfach das Problem, sie kriegen keine Leute, die sind irgendwie anscheinend alle verschwunden in der Pandemie und arbeiten jetzt irgendwo anders und sind einfach nicht mehr verfügbar. Der Mindestlohn ist angehoben worden, auch schwierig für die Branche, Also ich will damit nicht sagen, dass das an sich negative Punkte sind. Also ich finde es gut, dass man einen vernünftigen Lohn bezahlt und ich hätte auch schon vorher dafür plädiert, dass die Leute eher mehr verdienen sollen und ich finde es auch gut, dass sich Leute Gedanken machen, wie sie ihr Leben leben wollen und was sie arbeiten wollen. Das sind alles positive Entwicklungen, trotzdem ist die Branche eben sehr träge, um mit sowas zurechtzukommen. Und es fällt ihnen sehr schwer, glaube ich, richtig positive Schlüsse daraus zu ziehen. Ganz im Gegenteil, viele denken, sie machen einfach weiter wie bisher und werden es schon irgendwie aussitzen und das wird nicht mehr funktionieren. Also merkt man allein schon daran, dass viele jetzt auf der einen Seite sagen: „Wir erhöhen unsere Preise nicht“, aber auf der anderen Seite sagen: „Wir machen nur noch statt fünf Tage in der Woche nur noch drei Tage die Woche auf oder vier“ und haben reduzierte Öffnungszeiten während dieser Tage und das sie da nicht verstehen, dass bei nahezu gleichbleibenden Unkosten ich da natürlich mehr verlangen muss, sonst kann ich ja gar nicht an weniger Tagen mit weniger Zeit denselben Umsatz erwirtschaften, das kann ja gar nicht funktionieren, und all diese Dinge. Also ich glaube, es ist wirklich, es ist momentan ein sehr komplexes Thema, was die Branche in Gang hält und ich glaube auch, dass es einfach für viele zu komplex ist und das könnte sein, dass einige überfordert und dass wir auf der Strecke noch einige verlieren. Wir sehen das auch in Europa und in anderen Ländern, dass es schon teilweise der Fall ist. Und, ja, ich bin gespannt. Also mir tut es natürlich leid um jeden Teilnehmer der Branche, um jede Brauerei und jede Gastronomie und jeden Pub, der da zumacht oder aufhören muss oder wie auch immer, das ist natürlich schade. Und jedes Mal, es geht ja nicht nur das Bier verloren, das ist vielleicht auch noch ein letzter Punkt, es geht uns ja nicht um Bier, es geht uns um die Bierkultur und das bedeutet, es geht drum zusammenzusitzen, mit Freunden Spaß zu haben irgendwo. Und das muss dann auch kein Bier sein, das kann auch ein Wasser sein oder ein alkoholfreies Bier, wie auch immer, aber diese ganze Sache, die einfach damit zu tun hat, dass es Brauereien, dass es Bierkultur gibt, einen Biergarten, ein Gasthaus, all das drum rum, die Veranstaltungen. Und wenn wir das verlieren, dann verlieren wir einfach einen Großteil unserer Kultur. Und das ist schade und davor habe ich Angst und da möchte ich einfach gerne Meins dafür tun, dass es möglichst nicht passiert, mal sehen.

Holger: Ja. Also vielleicht, also grade das Thema Sterben, auch die Pub-Kultur in Großbritannien, du kommst jetzt grade daher, also erzähl doch nochmal vielleicht von Dublin, von Brasilien, das ist doch vielleicht nochmal ein schöner Abschluss.

Markus: Ja, also das sind total gegensätzliche Eindrücke gewesen. Also in Brasilien hat man tatsächlich so den Eindruck, es ist ein anderer Kontinent, also ist es ja auch, aber es ist wie eine andere Welt. Also dort ist die Bierwelt einfach sehr jung, sehr dynamisch, alle sind in einer Aufbruchsstimmung. Allerdings sind sie jetzt auch schon so weit, also ich war ja vor fünf, sechs Jahren zum ersten Mal da, da war das pure Aufbruchsstimmung, mittlerweile haben sie einfach auch viele, viele neue Brauereien, es gibt über 1.500 jetzt in Brasilien. Dadurch gibt es auch eine gewisse Sättigung, auch einen gewissen Konkurrenzkampf schon, aber das ist noch eher am Anfang. Also das heißt, da ist eher alles noch positiv aufgeladen und die erobern die Welt und sind da auch miteinander zugange und unterstützen sich und schauen da sehr, sehr positiv. Und wenn man dann eben rüber schaut dann in Irland, da hat man schon gemerkt, also natürlich sind die jetzt auch nicht alle griesgrämig, aber es kämpft wirklich jeder auf seine Weise. Also grade in Irland ist es zum Beispiel so, die haben unheimlich hohe Biersteuern. Also für so einen Liter Bier zahlt man bei uns, glaube ich, so um die fünf Cent Steuern und in Irland ist es halt ein Euro. Und dementsprechend ist das eine ganz andere Sache, wie viel dann letzten Endes von so einem Bier übrigbleibt, dass man verkauft. Und die Pubs haben in der Pandemie auch ganz andere Art von Unterstützung bekommen, das heißt, haben sich sehr stark verschuldet und das ist jetzt was, was grade ganz vielen die Luft abdrückt. Also Irland hat ungefähr ein Drittel seiner Pubs jetzt schon verloren in den letzten Jahren. Und auch der Bierkonsum ist in den letzten 20 Jahren von an die 100 Liter pro Kopf auf unter 60 Liter pro Kopf gesunken, das ist schon rasant. Und ist ja auch kein so großes Land, also dadurch ist das schon echt eine krasse Veränderung. Und dann hat man eben auch noch so ein Getränk wie Whisky, was natürlich den Markt auch noch mit dominiert und viele Anteile wegnimmt, deswegen, also das merkt man auch. Und das ist da halt auch total schade, weil grade Irland so ein Land ist, wo die Pubs das Lebensgefühl darstellen. Also das ist einfach, jeden Tag ist da Live-Musik, der ganze Pub, alle singen mit stundenlang. Das ist wie eine allgemeine Chorprobe für jeden Abend, ist Wahnsinn, also das ist einfach richtig toll! Und da sind alle zusammen, alle haben Spaß, alle freuen sich, da prügelt sich auch keiner, das ist wirklich eine ganz tolle Kultur. Und da merkt man halt mit jedem Pub, der zumacht, dass ein Stückchen davon wirklich verloren geht, a was ich grade schon gesagt habe. Also da fand ich die beiden Extreme schon ziemlich deutlich zu sehen. Und ich war auch im August in Schottland und England und da war es zwar nicht ganz so krass wie in Irland, aber auch deutlich spürbar. Und auch die Engländer haben zum Beispiel über ein Drittel ihrer Pubs schon verloren und hatten zwischendurch auch eine deutliche Abnahme an Brauereien. Also man wird sehen, das ist wirklich nicht so einfach. Aber, wie gesagt, wenn man dann über den Teich rüber schaut, es gibt also noch Bierwelten, wo die Stimmung sehr positiv ist und das tut dann auch mal gut. Also da mal da zu sein, wo einfach nicht jeder auch solche Gedanken mit sich rumträgt, sondern wo wirklich die Gedanken eher sind, was mache ich als nächstes und womit begeistere ich meine Leute jetzt und was kann ich jetzt wieder Tolles tun und welche neue Idee habe ich jetzt. Also wirklich dieses ständige Vorangehen, das fand ich wirklich in Brasilien sehr augenscheinlich, oder auch in Mexiko, wo ich im Frühjahr war, das ist eine andere Ecke und auch schön. Also insofern, ein buntes Potpourri so ein bisschen und, ja, die alte Welt muss sich eben grade komplett neu finden und erfinden und das spürt man eben auch beim Bier.

Holger: So ist es, so ist es. Und deshalb kann man nur dazu aufrufen, geht raus, unterstützt die Gastro und versucht, eben einfach diese Bierkultur, die uns so lieb und teuer ist, Markus und mir, zu unterstützen, indem ihr es zelebriert und euch jeden Tag an euren Bieren, an euren Produkten, die ihr testen könnt und genießen könnt, erfreut, das ist wichtig. Und Bier ist halt get togehter.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

Mehr lesen

Alle Fränkischen Brauereien in einem Buch

Das Autorenduo Markus Raupach/Bastian Böttner präsentierte sein 21. Buch Das Autoren-Duo Bastian Böttner und Markus Raupach war wieder aktiv und hat sein mittlerweile 21. Werk veröffentlicht. „Brauereien und Brauereigasthöfe in…

Erlebte Biervielfalt

Neuer Brauereiwanderweg mit Biertaufe eröffnet Memmelsdorf. „Dieses Bier riecht phantastisch!“ Strullendorfs Bürgermeister Andreas Schwarz staunte nicht schlecht, als er die neue „Frankenweiße“ probierte. Das aromatische Bier aus der Brauerei Drei…