Aufgewachsen in Bamberg hatte Christian Fiedler zwar naturgemäß eine innige Beziehung zum Gerstensaft, widmete sich allerdings erst einmal seinem Geographie-Studium. In Amt und Würden angekommen, meldete sich das Biergewissen wieder – und aus einer Geschenkidee heraus entstand das Standardwerk zur Bamberger Biergeschichte „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“, das heute in der vierten Auflage schon wieder vergriffen ist. Zum Dank für diese Arbeit gab es den Bamberger Bierorden, der jedes Jahr am 23. April Freibier in der Stadt garantiert. 2020 folgte mit den „Bamberger Biergeschichten“ der nächste Klassiker, in dem Christian Fiedler mit allerlei Mythen und Legenden rund um das Bier der Oberfrankenmetropole aufräumt. Außerdem besitzt er noch die größte Sammlung historischer Bamberger Bierflaschen, um die zu bekommen er schon vierstellige Höchstgebote setzen musste. Ein spannender BierTalk mit vielen Geschichten und einem Einblick in ein wahrhaft bierverrücktes Leben…
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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute ein Special und so ein bisschen ein Special unter Bier Freaks oder Bier Geek oder wie man auch immer sagen will. Wir haben heute zu Gast den Christian Fiedler, der sich auch gleich selber ein bisschen vorstellt. Erstmal Christian, schön, dass du da bist. Erzähl doch mal den Hörern kurz, mit wem haben wir es denn heute zu tun?
Christian Fiedler: Vielen Dank, Markus! Mein Name ist, wie gesagt, Christian Fiedler. Ich bin der Bier-Community vielleicht dadurch bekannt geworden, dass ich zwei Bücher geschrieben habe. Das erste im Jahr 2004 mit dem Titel „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“. Darin habe ich die Geschichte der Bamberger Braustätten, die es seit 1818 in Bamberg gegeben hat, nachgezeichnet. Dieses Buch hat sich, glaube ich, ein bisschen so als historisches Standardwerk für die Brauereien und Brauereibetriebe in Bamberg entwickelt. Und habe dann im letzten Jahr, 2020, noch ein weiteres Buch folgen lassen, „Die Bamberger Biergeschichten“, wo es eben, wie der Titel schon sagt, auch wieder um lokale Bezüge zum Bamberger Bier geht. Verbunden aber auch natürlich schon ein bisschen mit Historie und mit Geschichte und mit Geschichten. Vielleicht zu meinem Hintergrund ist zu sagen: Ich habe, klar, in Bamberg studiert, Geographie. Und dazu ist dann auch so ein bisschen der Bezug und das Interesse gekommen für die historischen Hintergründe mit dem Bier und dem Brauwesen in Bamberg.
Markus: „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“, das streichelt natürlich meine Seele und ich glaube die von vielen anderen auch. Das sind jetzt schon über vier Auflagen, glaube ich, draußen und vergriffen. Fangen wir vorne an. Also du wächst in Bamberg auf und wie kommst du dann überhaupt zum Bier und wie hat dich das dann in deinem Studium so gepackt, dass du irgendwann gesagt hast „Mensch, das ist ein Thema, mit dem möchte ich mich auch beschäftigen“?
Christian Fiedler: Ja, ist ein guter Punkt gewesen. Ich habe mit Bier lange Zeit nicht so viel zu tun gehabt. Mein erster Kellerbesuch, das weiß ich noch ganz genau, war 1987 auf dem Keller der Brauerei Spezial. Damals hat das Bier 1,80 Mark gekostet und ich war dann meistens mit 3,60 Mark schon immer gut bedient und habe mich dann sozusagen dem Bier spielerisch genähert über die vielen Bierkeller-Besuche bei uns in Bamberg. Ich habe dann, wie gesagt, Geographie studiert, bin in Bamberg geblieben nach dem Abitur am Kaiser-Heinrich-Gymnasium und habe dort Diplom-Geographie gewählt. Als unser Professor am Lehrstuhl, der auch mein Doktorvater war, der Herr Professor Becker, 65 geworden ist, da ist die Idee entstanden, wir müssen unseren Doktorvater eine Festschrift oder irgendwie eine Publikation zukommen lassen. Er selber wollte aber keine richtige Festschrift haben, er wollte irgendwas anderes haben. Da haben wir, sozusagen die Dozenten am Lehrstuhl und seine ehemaligen Schüler, uns ausgedacht, wir machen einen Exkursionsführer durch Bamberg und durch das Umland. Da habe ich mich mit zwei Kolleginnen, Astrid Jahreiß und die Tanja Roppelt, die in Bamberg oder vielmehr auch hier in Buttenheim bekannt ist als Leiterin des Levi-Strauss-Museums, haben wir uns zusammengetan und haben einen Artikel geschrieben über den Einfluss des Brauwesens auf die Stadtgeschichte. Da habe ich mich zum ersten Mal historisch intensiver mit dieser Thematik beschäftigt. Und dabei ist einfach deutlich geworden, es gibt zwar viel Literatur über Bamberg, über das Bier und über das Brauwesen, aber es ist vor allem auch viel Unfug, was da geschrieben stand. Da ist dann so der Wunsch entstanden, das alles mal ein bisschen zu sammeln, zu sortieren und vielleicht das Ganze auch ein bisschen mehr auf wissenschaftlich fundierte Beine zu stellen. Und über diesen ersten Aufsatz kam ich dann auf die Idee, 2004 dieses Buch zu schreiben „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“. Wo ich eben ein bisschen aufräumen wollte mit den Sagen und Mythen, die es gibt. Ob mir das gelungen ist, weiß ich nicht genau, vielleicht ein bisschen. Als es dann darum ging, das Buch irgendwie auch zu betiteln, habe ich mich entschieden für den Titel „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“. Es gab damals immer noch die große Radiowerbung aus Kulmbach, da wurde Kulmbach als die heimliche Hauptstadt des Bieres bezeichnet. Das war natürlich auch ein bisschen aus lokalpatriotischer Sicht der Anreiz zu sagen „Gut, Kulmbach mag die heimliche Hauptstadt des Bieres sein, aber die wahre Hauptstadt ist natürlich Bamberg. Das war dann der Grund für diesen Titel und für dieses Buch.
Markus: Ja, absolut! Dem kann man natürlich als Mit-Bamberger auch nur zustimmen. Ich finde es aber überhaupt schon interessant, wie das emotionalisiert, also wie überhaupt, wenn man überhaupt von einer Hauptstadt des Bieres spricht, das ist schon mal was, wo man merkt, das muss den Leuten wirklich wichtig sein, das muss ein Thema sein, wo sie sagen, da ist es wert, sich drum zu streiten, ob man eine Hauptstadt ist sozusagen. Und dann eben noch diese Diskussionen zwischen heimlich und wahr und so. Aber ich denke mal, also mir ging es auch so, wenn man in Bamberg aufwächst, dann ist das alles ganz normal. Dann hat man vielleicht sogar zwischendurch mal eine gewisse Distanz zum Thema Bier. Wenn man dann zum Beispiel an der Uni ist und lernt oder erfährt, wie andere Leute da drauf gucken und wie begeistert die sind und wie da die Augen leuchten, wenn man in den Bierkeller geht oder in eine Brauereigaststätte, dann merkt man das, glaube ich, erst wirklich zu schätzen. Das sind so die Momente, wo ich heute immer noch sehr davon zehre und mich freue, wie begeistert die Leute sein können, die man hier einlädt. Aber dich hat es dann letzten Endes weg aus Bamberg verschlagen, oder?
Christian Fiedler: Genauso ist es. Ich bin beruflich bedingt seit 2002 im Rhein-Main-Gebiet ansässig, bin aber, ehrlich gesagt, noch nicht so richtig heimisch geworden hier. Ich fühle mich da noch so ein bisschen als Gastarbeiter, einfach weil ich durch die Familie, durch Freunde und eben auch über die Biergeschichte immer noch sehr, sehr eng mit Bamberg verbunden bin. Ich komme natürlich auch alle drei, vier Wochen in die Heimat. Natürlich nicht dann ohne den Kofferraum mit Bamberger Bier voll zu laden, um hier in der, ja, hessischen Bier-Diaspora entsprechend überleben zu können. Das Gute ist, von Frankfurt nach Bamberg ist man, na gut, je nach Verkehrssituation eigentlich auch in zwei Stunden hin und her gefahren. Das ist eigentlich ganz gut. Aber ich bin tatsächlich hier in Wiesbaden beschäftigt bei einem Forschungsinstitut. Das hat mit Bier jetzt mal gar nichts zu tun, aber das Bier als Leidenschaft und vor allem die Geschichte des Brauwesens hat mich bis heute nicht losgelassen und hat nach wie vor eine große Faszination, die es auf mich ausübt.
Markus: War das vielleicht auch ein bisschen Einstellungskriterium, als du dich um den Job beworben hast, dass die gesagt haben „Mensch, da holen wir uns endlich Bierkompetenz ins Haus“?
Christian Fiedler: Leider nein, damit konnte ich damals noch nicht punkten. Aber es war eine lustige Geschichte: Als nämlich ich 2007 beim jetzigen Arbeitgeber angefangen habe, habe ich gesagt im Vorstellungsgespräch, ich bräuchte in zwei Wochen schon einen Tag Urlaub, denn mir wurde im Jahr 2007 der Bierorden der Stadt Bamberg verliehen. Der wird einmal im Jahr an Leute verliehen, die sich für das Bier verdient gemacht haben. Das hat natürlich dann gleich für Lacher gesorgt, als ich beim Vorstellungsgespräch gesagt habe „ich bekomme den Bierorden der Stadt Bamberg überreicht und muss deswegen in zwei Wochen gleich schon mal den ersten Tag Urlaub nehmen“.
Markus: Das ist auch was, wo die Leute dann schon ein bisschen gucken und andererseits auch, wenn man dann die Umstände so ein bisschen erzählt, dass wir als Bierordensträger an dem Tag quasi Freibier in der Stadt haben, da kommt dann immer schon so ein bisschen der Neid auf.
Christian Fiedler: Absolut!
Markus: Apropos, im BierTalk trinken wir ja auch mal ein Bierchen. Ich habe dich gebeten, dir eins rauszusuchen, was du jetzt, wir haben Morgen, mit uns verkosten möchtest. Was hast du dir für eins ausgesucht? Warum? Und mach’s doch dann auch gerne mal auf.
Christian Fiedler: Dann bin ich jetzt schon mal in der Bredouille natürlich, weil wie gesagt, ich bin auch Bierordensträger der Stadt Bamberg und damit irgendwie auch gegenüber den Brauereien irgendwie zur Neutralität verpflichtet. Deswegen will ich hier keine Partei ergreifen für eine besondere Brauerei. Aber ich habe mich tatsächlich für ein Bamberger Bier natürlich entschieden, und zwar für ein Lagerbier der Brauerei Spezial. Aus verschiedenen Gründen, weil es mir natürlich erstens unglaublich gut schmeckt und weil ich der Meinung bin, dass dieses Rauchbier mit der handwerklich hergestellten Malzfabrikation so ein unglaublich aufwändiges Produkt ist. Wenn man einmal sieht, mit welchem Aufwand hier Malz noch in Handwerksarbeit hergestellt wird, dann weiß man dieses Bier auch noch mal ganz anders zu schätzen. Zumindest geht’s mir so. Und ich finde, dass dieses Bier, dieses Lagerbier der Brauerei Spezial, ja, das klingt fast schon ein bisschen poetisch, aber eine richtig tiefe Seele hat. Ich finde, das ist eines der Biere, die man unbedingt mal genießen sollte, wenn man in Bamberg ist. Und deswegen würde ich sagen, wenn wir hier drüber sprechen, dann machen wir es doch am besten gleich mal auf.
Markus: Ja, mach’s doch mal auf. Da bin ich gespannt, was du dazu sagst. Ich kann auch nur sagen, ich werde immer mal gefragt, welches Bier würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen oder sowas, und da gehört das für mich auch absolut dazu. Und lustigerweise komme ich auch gerade aus der Spezial Brauerei, ich war jetzt da gerade mit ein paar Bekannten aus Italien dort und wir haben uns die Brauerei angeschaut und auch die Mälzerei. Das ist in der Tat absolut faszinierend, dass die quasi immer noch so arbeiten wie eben vor 200, 300, 400 Jahren. Es ist ganz viel Handarbeit immer noch da und überall, wo man da drin ist, da ist einfach dieses Aroma, dieser Rauch gegenwärtig. Und wenn man dann oben steht in diesem Silo, wo das Malz dann auch gelagert wird und dann probieren kann, das ist wirklich ein absoluter Traum. Und natürlich für Bamberger wie uns ein großes Kino sozusagen. Aber ich will dich gar nicht lang unterbrechen: Wie schmeckt‘s dir denn?
Christian Fiedler: Mir schmeckt‘s ausgezeichnet. Wenn du sagst, auf eine einsame Insel einen Kasten Spezial, dann bräuchten wir auch natürlich einen guten Kühlschrank, der das mit kühlt. Aber wenn das so kühl gelagert wird, es ist ein Genuss, es schmeckt einfach kräftig. Also ich bin leider kein Biersommelier, ich kann immer nur sagen, mir schmeckt‘s oder mir schmeckt’s nicht, aber dieses Bier schmeckt mir wirklich ganz, ganz ausgezeichnet.
Markus: Das ist auch das ultimative Kriterium am Ende, am Ende des Tages.
Christian Fiedler: Eigentlich ja!
Markus: Also egal, was man da irgendwie beschreibt oder erzählt, es muss den Leuten schmecken. Und letzten Endes ist es eben so, für alle, die jetzt nicht ganz so tief in der Bamberger Bierkultur drin sind, haben wir diese zwei Brauereien, Schlenkerla und Spezial, die eben beide nach wie vor Rauchbier machen und weltweit die Einzigen sind, die das eben immer gemacht haben, und auch die beiden einzigen sind, die ihr Malz selber herstellen. Beim Spezial kommt eben dazu, dass sie sogar alle Schritte des Malzes komplett selber machen noch, also sich auch die Gerste anliefern lassen und dann wirklich vom Weichen und Keimen bis zum Darren am Ende den Prozess wirklich komplett selber noch machen. Das macht das Ganze so ein bisschen besonders. Und ihr Lagerbier ist von der Intensität, wenn man es jetzt so ein bisschen einordnen würde, vielleicht so die Nummer 3 in Bamberg. Also das Intensivste ist wahrscheinlich das Schlenkerla Märzen, was die klassisch ausschenken. Und dann hat man auch von der Spezial Brauerei ein Märzen, und dann gibt’s eben das Lager, was ein bisschen weniger intensiv ist, aber trotzdem für die Leute immer noch sehr spannend, sehr rauchig, und hat dann eben wunderschön diesen Charakter, diese wunderbare Farbe schon, so ein Braun mit Rotstich und dann eben dieses schöne …
Christian Fiedler: Sieht superschön aus. Ja.
Markus: Ach Gott! Ganz, ganz toll, freut mich sehr. Und schön, dass du dieses Bier ausgewählt hast. Ich mach mir mal meins auch auf, weil dann können wir auch mal virtuell quasi anstoßen. Ich hatte dieselbe Bredouille wie du, ich wollte jetzt auch keine Bamberger Brauerei bevorzugen, und habe mir dann gedacht, na ja, nachdem der Tag heute für mich noch ein bisschen länger dauert und ich noch ein paar Termine habe, nehme ich mal ein alkoholfreies Bier. Da mache ich sehr viel, beschäftige mich auch damit, auch mit neuen Entwicklungen, und habe mir neulich mal so eine gemischte Kiste aus Belgien und Niederlanden kommen lassen mit verschiedenen neuen alkoholfreien Bieren, die ich auch noch nicht kenne. Und habe hier von Hertog Jan das alkoholfreie 0,0. Da steht drauf „(unv. #00:10:58.4# vol van smaak?), also mit vollem Geschmack und „(unv. #00:11:01.3# verfrisen mit en bitterne?)“, also erfrischend mit einer Bittere. Gucken wir mal, was das so zu bieten hat.
Christian Fiedler: Das klingt zumindest schon mal ganz gut.
Markus: Ja, also es fließt auf jeden Fall schon mal schön ins Glas, hat eine wunderbare goldene Farbe, also das ist auf jeden Fall auch sehr einladend. Oben schöner weißer Schaum. Passt! Riechen wir mal rein. Ja schön, so malzig, bisschen brotig, auch ein bisschen so Honigaromen. Probieren wir es mal. Mmh, also einen satten vollen Körper. Dann so ein bisschen eigentlich typische belgische Hefearomen. Und hintenraus kommt dann tatsächlich eine relativ kräftige Bittere, die auch lange bleibt. Es moussiert ein bisschen im Mund. Also ist, ich weiß nicht ganz genau, welchen Bierstil es repräsentieren soll, ich würde mal sagen wahrscheinlich ein Blonde. Also das Gegenstück vielleicht ein bisschen zu dem, was wir als Helles haben. Aber durch diese belgischen Hefearomen ist es eben fruchtiger und ein bisschen voller und ein bisschen frischer. Aber ein schönes Bier für diesen Morgen. Also Prost!
Christian Fiedler: Prost!
Markus: Wir haben darüber gesprochen, du hast die beiden Bücher verfasst. Und bei dem zweiten, neueren geht’s jetzt auch ganz viel so um die Geschichten hinter der Geschichte. Vielleicht können wir da so ein, zwei Highlights mal unseren Hörern erzählen. Ich erinnere mich, zum Beispiel gibt’s diese Geschichte rund um den Bamberger Bierkrieg, also dass es da sogar Soldaten und Hauptmänner und Bierlieferungen, die irgendwo gestoppt und beschlagnahmt wurden. Was weiß ich, was es alles für Geschichten gibt. Vielleicht können wir diesen Mythos mal als erstes aufräumen. Gab’s diesen Bierkrieg überhaupt und was hast du rausgefunden und was hat das für die Stadt bedeutet?
Christian Fiedler: Den Bierkrieg gab es tatsächlich, auch wenn man vielleicht heute mit Abstand sagen muss, das wurde natürlich immer wieder auch ein bisschen überhöht dargestellt, und man muss es immer auch vor dem damaligen Zeitgeist sehen. Dieser Bamberger Bierkrieg ereignete sich im Oktober 1907 und damit eigentlich schon relativ nahe auch am Ersten Weltkrieg orientiert. Ich glaube, das war damals auch ein bisschen so die Grundstimmung, die Bevölkerung war einfach kriegsbereit. Ich glaube, vor diesem Hintergrund, der politisch und auch in größerem Umfang gesehen werden muss, hat sich dann in Bamberg dieser kleine Bierkrieg entwickelt. Hintergrund war der, dass die Bamberger Brauereien, die damals übrigens das Bier zum gleichen Preis ausgeschenkt hatten, also sich abgesprochen hatten, wie teuer das Bier ist, die haben beschlossen, dass das Bier zu günstig ist, denn sie hatten steigende Kosten durch verteuerte Rohstoffe, durch verteuertes Heizmaterial, auch die Lohnkosten sind immer weiter gestiegen und die Preise für Maschineneinrichtungen sind höher geworden. Da haben die Bamberger Brauer sich zusammengetan, das war an sich schon mal schwierig, weil es erstens über 30 waren, die sich eben nicht immer einig waren. Aber sie haben dann beschlossen, den Preis für den halben Liter Bier, also für das Seidler Bier, von 11 auf 12 Pfennige zu erhöhen. Daraus hat sich dann ein Boykott der Bürger entwickelt, der letztendlich dann nach sieben Tagen dazu geführt hat, dass die Brauer ihren Bierpreis wieder zurückgenommen haben und dann wieder für 11 Pfennig das Bier ausgeschenkt haben. Das ist so in etwa die Story, die dahintersteckt. Es gibt aber nicht nur in Bamberg Bierkriege, sondern es gibt viele Städte, in denen es vergleichbare Boykotte oder Bierkrawalle, wie man sie auch genannt hat, gegeben hat. Beim Bamberger Bierkrieg habe ich mich, wie gesagt, ein bisschen eingelesen. Man muss sagen, dass dieser Bierkrieg sich schon Jahre vorher angedeutet hatte, einfach weil die Brauereien das Bier erhöhen wollten. Gleichzeitig haben sie dazu natürlich die Zustimmung der Gastwirte gebraucht, sie haben ja die Restaurants, die Gasthäuser mit Bier beliefert. Diese Gasthäuser wollten aber diese Bierpreiserhöhungen natürlich nicht mittragen, weil sie sonst den Unmut der Gäste zu spüren bekommen hätten. Die Gastwirte wollten viel lieber den Bierbezugspreis senken. Also sie wollten das Bier von der Brauerei billiger bekommen, die Brauereien aber wollten das Bier teurer verkaufen. Dadurch kam es dann sozusagen zum großen Interessenskonflikt zwischen den Brauern auf der einen Seite und den Gasthaus-Betreibern auf der anderen Seite. Dann haben sich einige skurrile Begegnungen ergeben, zum Beispiel die Tatsache, dass dann Bier aus Forchheim und aus Erlangen importiert worden ist, also mit dem Pferdewagen nach Bamberg geliefert ist. Die haben das dann zum alten Preis geliefert. Die Gastwirte haben selbst aufgerufen, verstärkt Apfelwein zu trinken oder eben gar kein Bier mehr zu trinken. Und damit wollte man eben den Widerstand gegen die Brauereien entsprechend größer machen. Was letztlich nach einer Woche dann auch gelungen ist. Es gibt da ein schönes Bild, weil nämlich diese Personen, die das maßgeblich angezettelt haben, das waren unter anderem zwei Gastwirtsbesitzer, die haben dann sogar eine eigene Postkarte von sich machen lassen zur Erinnerung an den Bierkrieg von 1907 und haben sich da entsprechend dann feiern lassen, dass sie die Brauereien mehr oder weniger in die Knie gezwungen haben.
Markus: Faszinierend, und auch wie du schon sagst, dieser Anklang, wo eben schon dieser beginnende Militarismus da so ein bisschen zu hören ist. Das merkt man auch daran, dass dann der Dritte auf der Postkarte eigentlich ein Buchhalter ist, der dann den Titel Feldmarschall bekommen hat, …
Christian Fiedler: Richtig, ja!
Markus: … Karl Panzer, also das finde ich schon auch eine ganz spannende Geschichte. Diese Postkarte geistert auch immer so ein bisschen durch viele Bamberger Bücher und sonst wo im Internet rum. Das ist sehr spannend. Was ich auch interessant finde, man sieht da unten die Erwähnung von dem § 11. Das sieht man auch immer wieder bei alten Speisekarten in Brauereien, wenn man das irgendwo sieht. Ich weiß nicht, weißt du, was es damit auf sich hat?
Christian Fiedler: Das ist ein guter Punkt, Markus, den du ansprichst. Ich hab‘s leider bis heute nicht herausgefunden, ich weiß es nicht. Aber es ist extrem, dass dieser § 11 auftaucht. Wenn es mir jemand sagen könnte, wäre ich sehr dankbar und vielleicht auch ein Stückchen schlauer, (unv. #00:16:39.6#)
Markus: Dann werde ich das Geheimnis lüften. Gut, also ganz so kompliziert ist es auch nicht. Aber was eben interessant ist, dass es diese Verbindung auch zu den Studentenverbindungen, die es damals noch in großer Zahl gab und die da auch ein großes Ansehen hatten. Die haben für ihre Kommerze, wenn die sich treffen, eine Ordnung sozusagen, wie man sich da verhalten hat, wann man aufstehen darf und wann man sich hinsetzen muss und wann man trinkt und so weiter. In dieser Bierordnung, die die da für ihre Veranstaltung haben, da gibt’s eben verschiedene Paragrafen. Der § 11 ist dann der, der heißt: Es wird weiter gesoffen. Also auf lateinisch: porro bibitur. Das ist praktisch so einerseits ein bisschen Trotz, wenn das so in den Gaststätten hängt und auf dieser Postkarte ist, und andererseits eben auch Verpflichtung, dass man eben dem Alkohol entsprechend zuspricht. Kennt man von Studentenverbindungen. Aber deswegen taucht es immer wieder auf und wird eben damit gleichgesetzt, dass man sagt „hier wird auf jeden Fall ordentlich konsumiert“ sozusagen. Daher kommt das.
Christian Fiedler: Sehr spannend! Siehst du. Vielen Dank!
Markus: Ach Gott, kein Thema! Ich bin froh, dass ich auch dir mal was erzählen kann. Es gibt da noch so mehr Dinge. Ich habe auch mal gelesen, dass die Bamberger Feuerwehr was mit Bier zu tun hat. Gibt’s da eine Geschichte dazu?
Christian Fiedler: Auch das ist ein sehr schöner Beleg dafür, wie eng die Entwicklung des Brauwesens mit der Stadtgeschichte verwoben ist. Früher hat man gerade in den Braubetrieben sehr viel mit offenem Feuer hantiert. Man denkt zum Beispiel jetzt nur an das Darren, worüber wir schon gesprochen haben. Das wurde über offenem Holz getrocknet. Das war eine ständige Feuerquelle oder ein Problem, dass eben Brände ausbrechen konnten. Zumal viele Häuser oder auch Dachböden natürlich aus Holz gebaut waren. Auch beim Bierbrauen selbst, beim Sieden, musste natürlich mit offenem Feuer hantiert werden. Oder auch beim Abdichten der Fässer, die hat man früher, um sie möglichst dicht zu halten, mit heißem Pech gepicht, also abgedichtet, damit es zwischen den Dauben wasserdicht oder in dem Fall eher bierdicht bleibt. Das heißt also, mit offenem Feuer wurde bei den Braubetrieben früher sehr, sehr viel hantiert. Es ist leider sehr oft vorgekommen, dass dieses Feuer eben unkontrolliert ausgebrochen ist. So gibt’s eigentlich fast keine Brauerei, in der es nicht irgendwann mal gebrannt hat. Die Leute hatten früher vor Bränden sehr viel mehr als heute natürlich extreme Angst, denn die Häuser waren gerade im Innenstadtbereich dicht bebaut, Haus an Haus. Wenn irgendwo mal in einer Brauerei ein Feuer ausgebrochen ist, dann bestand eben auch die große Gefahr, dass dieses Feuer auch auf andere Häuser übergreift. Damals waren natürlich die Feuerwehren noch nicht so ausgerüstet wie heute. Deswegen hat man versucht, diese Feuergefahr entsprechend zu reduzieren, indem man vorgeschrieben hat, dass die Türen zu den Malzhäusern nicht aus Holz sein dürfen, sondern die mussten aus Metall sein. Manchmal, das sieht man auch in Bamberg immer noch ganz gut, waren die Brauhäuser auch räumlich getrennt von der anderen Bebauung. Also vorne war das Gasthaus, dann kam ein Innenhof und dahinter war dann erst das Brauhaus. Einfach auch, um zu vermeiden, dass das Feuer direkt an die Häuser geht und übergreift. Trotzdem kam es auch immer wieder mal zu großen Feuersbrünsten. Auch in Bamberg sind leider einige Brauhäuser oder auch die Nachbarschaftshäuser in Flammen aufgegangen. Einer der einschneidenden Tage in der Bamberger Stadtgeschichte war sicherlich der 3. Januar 1860. Da ist nämlich auch wieder ein Feuer ausgebrannt oder ausgebrochen, und zwar in der Brauerei Jäck. Das ist für die, die sich in Bamberg ein bisschen auskennen, am Maxplatz gewesen. Innerhalb von wenigen Stunden ist die Brauerei dort komplett abgebrannt. Ein Problem war, und das haben auch die Zeitzeugen damals in den Zeitungen berichtet, es gab zwar viele Menschen, die helfen wollten, die Wasser herbeigebracht haben in Kübeln und versucht haben, irgendwie zu löschen, aber die Löschbemühungen waren einfach unkoordiniert und jeder hat irgendwas gemacht, aber einfach nicht kontrolliert. Man hat dann scheinbar hier mehr Unruhe entwickelt, als dass man den Brand gekämpft hat. Das hat dann in Bamberg die Diskussion befeuert, im wahrsten Sinne des Wortes, dass man doch unbedingt auch eine schlagkräftige Feuerwehrtruppe brauchen würde. So gab letztendlich dann dieser Brand in der Brauerei Jäck den Anlass, dass sich in Bamberg die Freiwillige Feuerwehr gegründet hat. Und zwar schon 13 Tage später am 16. Januar 1860 haben sich in Bamberg mehr als 70 Bürger zusammengetan und haben in der Gaststätte Pelikan, die es auch heute noch gibt, die Gründungsversammlung der Bamberger Feuerwehr abgehalten. Soviel ich weiß, wird auch heute noch einmal im Jahr dieser Tag dort gefeiert mit den Leuten der Freiwilligen Feuerwehr. Das ist eigentlich ein sehr schönes Beispiel, dass die Brauereien und letztlich auch die Biertrinker damit verantwortlich sind, dass sich damals die Feuerwehr gegründet hat, die nicht nur hilft, wenn es in den Brauereien brennt oder in den Mälzereien, sondern eben auch jedem Bürger zugutekommt, wenn irgendwo ein Feuer ausgebrochen ist. Ich glaube, das ist eine schöne Geschichte, wie sich so Brauereihistorie und Stadtgeschichte miteinander verzahnen.
Markus: Ja, auf jeden Fall! Natürlich helfen die Feuerwehrler auch, wenn sie ihren persönlichen Brand mit dem Bier löschen, …
Christian Fiedler: Definitiv!
Markus: … und unterstützen damit dann auch die Brauereien. Ich finde das auch ganz spannend, vor allem eben dieser Zusammenhang mit dem Thema Feuergefahr und Bier. Der bekannteste Brand, den ich so kenne, ist der große damals in Erlangen 1706. Das war zumindest von der Geschichte her wohl so, dass da auch bei einer Brauerei, die hatten auch eine Brennerei und wollten da wohl gerade eine Destillation ansetzen, und da muss wohl das Feuer aus gekommen sein, muss ein Fuhrwerk in Brand gesetzt haben. Das Pferd, was noch drangeschnallt war, ist dann durchgegangen und dann ist dieses brennende Fuhrwerk durch die halbe Stadt gefahren und am Ende ist Erlangen fast komplett abgebrannt. Das ist in der Tat damals natürlich wirklich ein großes Thema gewesen. Jetzt haben wir zwei spannende Geschichten gehört. Wollen wir vielleicht noch eine dritte machen? Hast du noch eine Lieblingsgeschichte?
Christian Fiedler: Ja, eigentlich sind alles Geschichten, meine Lieblingsgeschichten, aber vielleicht eine besondere, und zwar das Thema Flaschenbier. Ich weiß nicht, da denkt man eigentlich meistens nicht so richtig drüber nach, was es bedeutet, Bier aus der Flasche zu trinken, weil es für uns völlig normal ist, dass Bier in Flaschen gelagert und getrunken wird. Aber lange Zeit war es natürlich auch in Bamberg üblich, dass man das Bier in der Gaststätte trinkt. Also man ist in die Brauerei oder ins Gasthaus oder im Sommer eben auf den Bierkeller oder in den Biergarten und hat das Bier dort konsumiert. Eine andere Möglichkeit war natürlich, das war auch noch beliebt lange Zeit und hat, glaube ich, auch während der Corona-Phase noch mal so ein richtiges Revival erfahren, die Gassenschenke, dass man also mit dem offenen Bierkrug in die Brauerei geht, lässt sich das Bier dort einschenken, bezahlt und geht dann wieder. Hat auch meine Mutter noch immer lebhaft erzählt, dass sie von ihrem Großvater oder von ihrem Vater immer zum Bierholen geschickt worden ist in die Brauerei Kaiserwirt oder zum Einhorn und hat dann dort das Bier sich befüllen lassen und nach Hause gebracht. Aber die eigentliche Revolution ist durch dieses Flaschenbier dadurch entstanden, dass man das Bier sozusagen wirklich verschlossen mit nach Hause nehmen konnte. Deswegen war die Erfindung der Bierflasche eine Sache, die mich persönlich sehr interessiert hat und die ich auch in dem Buch unbedingt widerspiegeln wollte. Ich erzähl mal vielleicht so ein bisschen, wie es in Bamberg gewesen ist. Das mag in anderen Städten vielleicht ein bisschen anders, aber in der Tendenz wahrscheinlich ähnlich gewesen sein. Den ersten Hinweis, den ich gefunden habe, dass Bier aus Bamberg in Flaschen abgefüllt worden ist, der findet sich im Jahr 1836, als nämlich ein Brauer aus der Königstraße das Bier in Tonkrüge, also so in Tonflaschen abgefüllt hat. Hat sie dann mit einem Korken verschlossen und um den Druck bändigen zu können, nochmal mit einem Drahtgeflecht verstärkt, so wie wir es auch heute bei Champagnerflaschen kennen, und diese Sendung mit Bamberger Bier in Flaschen hat er dann nach Nordamerika geschickt, also wohlgemerkt 1836. Das waren so die ersten Anfänge, dass Bier in Flaschen abgefüllt worden ist. Hat sich aber bei den Einheimischen Verbrauchern erstmal nicht durchgesetzt und erst so in den 1870er Jahren, als dann auch so die großen Brauereien aus München, aus Erlangen, aus Kulmbach Bier in Flaschen nach Bamberg geschickt haben, haben sich die Bamberger Brauereien allmählich Gedanken gemacht, Bier in Flaschen zu füllen. Und ab 1875 gibt’s dann auch die ersten Bamberger Brauereien, die Bier in Flaschen gefüllt haben. Das wurde natürlich dadurch befeuert, dass damals auch dann sehr viele Menschen in Fabriken gearbeitet haben, auf dem Bau. Da war es natürlich sehr schön und sehr bequem, einfach sich einen Kasten Bier mitzunehmen oder die Flasche einzupacken. Man konnte die mit dem Bügelverschluss auch schön verschließen. Das hat eigentlich auch dann dem Flaschenbier-Verbrauch einen richtigen Schub gegeben, sodass es also nicht mehr notwendig war, zum Trinken in die Gaststätte zu gehen, sondern sozusagen das Bier „to go“, ganz moderner Ansatz, das Bier eben mit nach Hause zu nehmen oder auf Ausflüge mitzunehmen oder auf die Arbeit mitzunehmen. Das fand ich eine sehr schöne Geschichte, wie sich so ein Alltagsgegenstand wie die Bierflasche, was der auch wirklich eigentlich für eine Revolution im Konsumentenverhalten ausgelöst hat. Für mich persönlich hat das noch mal vielleicht eine besondere Bewandtnis: Diese Bierflaschen, die damals hergestellt worden sind, die waren ganz individuell gestaltet. Also nicht wie heute, wo es eine Einheitsbierflasche gibt mit einem Etikett, war es damals viel mehr so, dass jede Brauerei eigene Bierflaschen hergestellt hat, und zwar mit dem Namen der Brauerei, mit dem Schriftzug aufgeprägt auf das Glas. Also bei der Glasherstellung der Flasche hat man auch den Namen der Brauerei mit aufgeprägt. So gibt’s da wunderbare alte Flaschen, so beginnend ab 1880, wo dann eben draufsteht „Brauerei Mahr Bamberg“, „Brauerei Greifenklau Bamberg“. Das sind wunderbare Zeugnisse der Brauhistorie in Bamberg. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich seit vielen Jahren solche alten Bierflaschen sammele, und versuche, möglichst viele verschiedene Varianten von solchen Flaschen zusammen zu bekommen, um sie auch dokumentieren zu können. Dieser Werkstoff Glas hat so eine unheimliche Wirkung, wenn man die schön entsprechend beleuchtet, dann sieht man auch diese Aufschrift sehr schön. Also ich finde es einerseits sehr ästhetisch vom Ansehen, aber auch als Beleg für die lokale Braugeschichte sind das sehr schöne Stücke. Deswegen war es mir wichtig, dieses Thema Flaschenbier hier in dem Buch mit unterzukriegen. Zumal ich auch eine schöne Stelle in der Bamberger Tageszeitung gefunden habe, wie die Bamberger auf dieses Bier in Flaschen reagiert haben. Denn man muss sich, wie gesagt, vorstellen, es wurde jahrhundertelang immer nur aus Bierkrügen getrunken, und als dann diese modernen Flaschen kamen, waren die Bamberger, die eh immer ein bisschen, ja, traditionsbewusst sind in ihrem Umgang, waren sie erstmal ein bisschen skeptisch, ob Bier in Flaschen überhaupt schmeckt. Auch die Brauer haben behauptet, zumindest einige, wenn sie Bier in Flaschen abfüllen, dass das Bier dann sehr schnell schal werden würde. Da habe ich eine schöne Stelle gefunden in den Bamberger Tageszeitungen aus dem Jahr 1897. Da geht’s darum, dass jemand das Bamberger Kellerleben sozusagen beschreibt. Dann kommen sie auf einen Biergarten, das ist am Bundeshof gewesen, da sehen sie, dass Bier aus Flaschen ausgeschenkt wird. Sie wundern sich erstmal, ob natürlich Flaschenbier sich, und so heißt es wörtlich, „würdig erweist eines deutschen Männerdurstes“. Aber sie machen die Flasche auf, trinken das Bier und kommen zum Ergebnis: Der Stoff ist famos. Und so hat sich dann wahrscheinlich erst recht langsam, aber dann doch recht schnell das Bier in Flaschen durchgesetzt. Und schon ab 1900 haben alle Bamberger Brauereien einen Großteil ihres Bierausstoßes über den Flaschenversand verkauft.
Markus: Ja, ein absolut spannendes Thema. Das hat sich dann eben so Stück für Stück fortgesetzt. In Berlin hat man dann ein Kartell gebildet, um dann eben eine Einheitsflasche zu haben und daraus kommt dann unser Pfandsystem. Also sehr, sehr spannende Geschichte. Du hast ganz viele davon, also eine wunderbare Sammlung. Wahrscheinlich die größte, die es so gibt, oder?
Christian Fiedler: Ja. Ich könnte sagen, ich habe weltweit die größte Biersammlung von Bamberger Bierflaschen. Aber es ist natürlich übertrieben, weil ich wahrscheinlich auch der Einzige bin, der es überhaupt sammelt. Der Sammlerkreis ist recht überschaubar. Ich habe, wie gesagt, so 160, 170 verschiedene Flaschen von Bamberger Brauereien. Die unterscheiden sich hinsichtlich des Aufdrucks. Es gab auch lange Zeit bis zum Ersten Weltkrieg Literflaschen, also sehr schöne große Ein-Liter-Flaschen zu den (unv. #00:28:13.9# passenden?) 0,5-Liter-Flaschen. Es gibt die Flaschen in Grün, es gab sie mit braunem Glas, es gab sie aufgeprägt, es gibt sie mit unterschiedlichen Verschlusssystemen. Also ich versuch wirklich, alle Varianten dieser Bamberger Bierflaschen zusammen zu klauben und habe sie auch auf meiner Webseite www.bamberger-bierflaschen.de mal zusammengestellt. Vielleicht mal ganz interessant zu sehen, was es alles für Brauereien gegeben hat und welche Bierflaschen es gegeben hat. Und natürlich sammele ich auch die Flaschen aus dem Landkreis, das gehörte dann doch irgendwie zu Bamberg mit dazu, auch da habe ich dann nochmals ungefähr 130, 140 verschiedene Bierflaschen.
Markus: Falls da jetzt jemand auf deinen Spuren wandeln will und dieses Sammelgebiet für sich erschließen will, wo bekommt man solche Flaschen denn überhaupt her? Das stelle ich mir relativ schwierig vor.
Christian Fiedler: Ja, gar nicht so einfach. Es wird auch immer schwieriger, so Flaschen zu bekommen, muss ich selbst zugestehen. Ein Klassiker ist natürlich im Internet, also bei Ebay oder Ebay Kleinanzeigen einfach mal zu schauen, ob da was angeboten wird. Dankbar sind auch natürlich irgendwelche Flohmärkte, die veranstaltet werden, wo man ab und zu mal sowas findet. Diese Flaschen, das muss man sagen, die wurden früher nie allzu weit um die Brauerei herum verteilt. Also bei Bierdeckeln, bei Bierfilzchen, da kennt man das, das war ein Sammelobjekt, die haben sich sehr schnell weit verstreut. Bierflaschen sind aber meistens sehr lokal begrenzt geblieben. Das lag vor allem auch daran natürlich, dass die Leute die Flaschen, wenn sie leer waren, behalten haben, haben dann Gelee eingekocht und haben es darin aufbewahrt oder haben Saft eingekocht und haben es aufbewahrt. Manche haben auch Öl oder irgendwelche Lacke eingefüllt. Das heißt, man findet solche Flaschen auch tatsächlich öfters mal in alten Scheunen oder wenn Häuser abgerissen werden, irgendwo zwischen den Balken oder im Dachgeschoss. Da taucht sowas immer wieder mal auf. Es gibt natürlich dann auch noch Tauschtage, es gibt richtige Veranstaltungen von Brauereiartikel-Sammlern. Da werden dann Krüge getauscht oder verkauft, es werden Gläser getauscht oder verkauft, und es gibt auch einige Bierflaschen-Sammler, die dann natürlich auch Bierflaschen anbieten zum Verkauf oder zum Tauschen.
Markus: Hm! Unter uns Gebetsschwestern, was war so die teuerste Flasche, die du jemals erstanden hast?
Christian Fiedler: Das bleibt ja unter uns: Es gab in Bamberg die Franziskaner Bräu, das war die letzte Klosterbrauerei im Franziskanerkloster auf dem Jakobsberg, und die hat 1880 zugemacht, die Brauerei. Und zwar nach einem Beschluss des Ordens, dass nämlich in ganz Bayern alle Franziskanerklöster ihre Brauereien dichtmachen sollten, um sich wieder mehr der geistigen Einkehr zu widmen. Deswegen wurden alle Franziskaner Brauereien geschlossen, mit Ausnahme des Franziskaner Klosters in der Rhön, auf dem Kreuzberg, die Brauerei gibt’s ja noch. Aber alle anderen Brauereien wurden geschlossen, und eben auch die Bamberger Franziskaner Brauerei. Ich habe dann bei Ebay tatsächlich mal eine Bierflasche von dieser Franziskaner Bräu Bamberg gefunden. Ich war natürlich total angefixt, weil ich diese Flasche unbedingt haben musste. Und habe deswegen 1111 Euro und 11 Cent als Höchstgebot abgegeben, weil ich die Flasche unbedingt haben wollte. Jetzt wirst du fragen: Habe ich den Zuschlag bekommen?
Markus: Allerdings! Ich hänge gerade in den Seilen. Ich bin gespannt.
Christian Fiedler: Ich habe sie für 22 Euro bekommen. Wenn wir von Preisen sprechen, Bierflaschen sind eigentlich relativ günstig zu bekommen. Bei Bierkrügen werden da ganz andere Preise aufgerufen. Bei Flaschen, wie gesagt, da gibt’s nicht so viele Sammler, deswegen sind die Preise für Bierflaschen mit geprägter Aufschrift, die variieren. Klar, bei denen, die es häufiger gibt, bei 2, 3, 4, 5 Euro und bei den etwas selteneren 10, 15, 20 Euro. Ist selten, dass man wirklich mal eine Flasche für 50 Euro oder irgendwas bezahlen muss. Wie gesagt, diese von mir gebotenen Höchstpreise waren ein Mondpreis, aber ich wollte die Flasche unbedingt haben. Und 22 Euro war dann offensichtlich der Marktpreis, weil der zweithöchst Bietende eben nur 21 Euro geboten hatte.
Markus: Da hattest du dann Glück, dass es nicht auch so einer war wie du, der dann 2222 Euro eingibt oder so.
Christian Fiedler: Da hast du völlig recht. Vor allem, ich habe dann irgendwann mal später einen anderen Sammler kennengelernt, der seine Sammlung aufgelöst hat. Der hatte tatsächlich von genau der gleichen Flasche noch mal fünf Stück an mich abgegeben. Da habe ich sie dann für 3 Euro oder 4 Euro das Stück bekommen. Man muss da als Sammler ein bisschen aufpassen, man wird dann vielleicht oftmals zu schnell ein bisschen emotional und will dann unbedingt irgendwas haben. Das ist aber gar nicht notwendig, wie gesagt, weil solche Flaschen gibt’s dann doch relativ häufig und der Kreis der Sammler ist eher, ja, es ist ein kleiner Kreis. Das sind meistens ältere Männer, da bin ich dann mit meinen (unv. #00:32:34.0#) 50 der Jüngste. Man kommt also immer wieder mal an irgendwelche Flaschen ran, man braucht aber auch das Netzwerk in dieser Sammlerszene, um da ran zu kommen.
Markus: Also jetzt nicht unbedingt die perfekte Geldanlage fürs Alter oder so.
Christian Fiedler: Definitiv nein! Es muss ein Spaß bleiben. Man sollte nie bei sowas hoffen, dass sich die Preise so nach oben entwickeln, dass man dann davon seinen Ruhestand finanzieren kann.
Markus: Okay! Aber immerhin, du wirst auch im Ruhestand immer ein gutes Bier haben. Jetzt sind wir langsam am Ende unserer Zeit angelangt. Dank dir ganz, ganz herzlich für deine Geschichten, für deine Zeit und natürlich auch für das schöne Bier, das wir gemeinsam trinken konnten. Man kann den Hörern eigentlich nur ans Herz legen, es gibt die Bücher von Christian Fiedler, es gibt die Websites und es gibt natürlich auch Veranstaltungen. Das heißt, es wird demnächst eine Lesung in Bamberg geben, wo man dich live erleben kann. Bin ich auch schon sehr gespannt darauf. Wie werden es in den Shownotes verlinken, damit ihr das findet. Dann für heute erstmal vielen Dank, lieber Christian, und dir noch einen wunderschönen weiteren Tag.
Christian Fiedler: Ich danke dir, Markus. Mach‘s gut!
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