BierTalk 116 – Interview mit Jan Biering, Leiter des Forschungsinstitutes für Bier- & Getränkeproduktion der VLB, Berlin

Jan Biering hat nicht nur den perfekten Namen für einen Start in der Bierbranche, das Schicksal ließ ihn auch in der fränkisch-thüringischen Bierregion das Licht der Welt erblicken. So nimmt es nicht Wunder, dass ihn nach einer Ausbildung zum Brauer und Mälzer und einiger Zeit als Braumeister der Ruf der Lehre ereilte und Jan sich 2012 an der VLB in Berlin wiederfand. Dort kümmert er sich um die Beratung, aber auch um die Weiterbildung für Brauer und Biersommeliers…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute eine spannende virtuelle Reise von der einen Hauptstadt in die andere Hauptstadt. Denn letzten Endes präsentiert sich ja Bamberg gern als die wahre Hauptstadt des Bieres mit seinen 15 Brauereien und seinen 70, 80 Brauereien drum rum. Dafür haben wir aber in Berlin auch eine Bierhauptstadt mit über 30 Brauereien und eben auch viel, viel drum rum, unter anderem auch den wichtigsten Ausbildungsstätten rund um das Thema Bier. Und genau diese Verbindung mit diesen beiden Städten machen wir heute, wir sind in Berlin bei der VLB, bei dem lieben Jan Biering. Und ich freue mich sehr, dass wir heute mal miteinander sprechen können. Erst mal hallo, schön das du da bist. Und vielleicht stellst du dich unseren Hörern ganz kurz selber vor.

Jan: Ja, dann hallo zurück hier aus Berlin. Schön, dass wir die Möglichkeit haben, uns mal hier ein bisschen zu unterhalten. Und, ja, mich kurz vorstellen, also ich bin eigentlich so ganz typisch deutscher gelernter Bierbrauer, habe hier vor gut 25 Jahren angefangen. Damals in Kulmbach meine Ausbildung gemacht zum Brauer und Mälzer, das war ja dann irgendwann die Kulmbacher Brauerei. Danach ging es für mich schon Richtung Hauptstadt, mein Studium habe ich hier gemacht in Berlin. Damals den Diplom-Ingenieur, offiziell ja Biotechnologie Fachrichtung Brauwesen. Das war noch schön, mein Professor war der Herr Wackerbauer, wird wahrscheinlich noch vielen was sagen. Und, ja dann habe ich 2003 das Studium abgeschlossen. Bin dann in meine alte Heimat zurück, bin da quasi Braumeister geworden in einer kleinen mittelständischen Brauerei. Schloßbrauerei Schwarzbach, ich gehe mal davon aus, das wird en wenigsten was sagen, weil das wirklich eine relativ regionale Brauerei ist. Und dann, gut, 2012 dann wieder die Chance gehabt, wieder nach Berlin zurückzukommen. Da wurde mir damals ein Job an der VLB angeboten, den ich dann angenommen hab und bin jetzt seit 11 Jahren hier an der VLB. Jetzt mittlerweile in die Position des Leiters, Forschungsinstitut für Getränke, Bier- und Getränkeproduktion gerutscht. Und in der Position bin ich jetzt quasi verantwortlich hier für das Team, wir machen ja relativ viel Bierberatung, Brauereiberatung. Und zeitgleich aber auch die Verantwortung übertragen bekommen für unsere Ausbildung hier, speziell für den Braumeisterkur, den wir ja jetzt seit ein paar Jahren anbieten, das ist jetzt so quasi insgesamt in meinem Aufgabenbereich.

Markus: Ja, also eine spannende Geschichte mit ganz, ganz vielen Facetten und da können wir jetzt überall so ein bisschen andocken. Also einerseits natürlich Kulmbach, das passt ja in unsere Hauptstadttrilogie, weil die bezeichnet sich ja gerne als die heimliche Hauptstadt des Bieres, also haben wir sie ja quasi alle drei zusammen. Und die Schloßbrauerei Schwarzbach finde ich auch sehr interessant, war ich selber schon vor Ort. Ich habe vor vielen Jahren mal ein Buch geschrieben über alle Brauereien in Sachsen und Thüringen und war da natürlich auch vor Ort. Und ich muss sagen, vor ein paar Wochen erst habe ich ein Testing gemacht, da hatte ich ein Bier von denen dabei. Und der Hintergrund war, dass ich eben besondere Biere vorstellen sollte und auch wollte und es sollten auch Bio-Biere sein, also die dann nach Möglichkeit oder zumindest nachhaltig hergestellte Biere sein. Und da bin ich dann auf das Doppelkaramell gestoßen, weil das ja einerseits eine Bierart, sage ich mal, ist, die fast ausgestorben ist in dieser Art und Weise, wie sie hergestellt wird und eben die Brauerei das auch noch sehr, sehr vorbildlich macht. Ja, vielleicht magst du zu diesem Doppelkaramell ein bisschen was sagen, du warst ja bestimmt dann auch mit dafür verantwortlich, als du dort warst oder?

Jan: Ja, das hatten wir damals wieder mit eingeführt. Das war ja quasi basierend auf einem alten Rezept aus DDR-Zeiten, weil das hat man ja damals noch so als das Mutterbier irgendwie bezeichnet. Mutterbier für die Mütter, die quasi noch am stillen war. Und weil es halt sehr viel Zucker enthält, sehr viel Energie brachte, auch aktive Hefe mit drin war und so weiter, dass das dann durchaus für die Stillzeit zusätzliche Nährstoffe bereitstellt, daher war dieser ursprüngliche Ansatz. Und wir hatten damals relativ viel Nachfragen danach, ob das nicht wieder irgendwie am Markt zu etablieren wäre? Und dann hatten wir uns halt mit meinem damaligen Chef zusammengesetzt, quasi das alte Rezept mal wieder rausgeholt, geschaut, wie wir das umsetzen können in der Brauerei und haben das dann wieder eingeführt. Und es war auch ein relativ großer Erfolg, also da war durchaus die Nachfrage da. Wobei man dann immer dazu sagen muss, weil das Doppelkaramell oder Malzbier, was ja nun allgemein so auf dem Markt ist, das ist eher das alkoholfreie, was dann unter 0,5% Alkohol hat oder sogar 0,0. Unser Doppelkaramell, das war ja dann doch mit 1,5% Alkohol eher in der schon fast Leichtbierkategorie drinne. Also da mussten wir dann schon hinweisen, dass das nicht unbedingt für Kinder geeignet ist und auch bei schwangeren Frauen vielleicht nicht zu übermäßigem Konsum noch werden sollte.

Markus: Genau, aber es steht eben in dieser Tradition der ursprünglichen Malzbiere, also wo man eben wirklich sagen kann, da steckt wirklich noch ein Bier dahinter. Deswegen ja auch der Alkoholgehalt, der dann mit 1,9, glaube ich, sowas, ja, trotzdem moderat ist. Und da gibt es nicht mehr viele Brauereien, die das in Deutschland überhaupt machen. Also ich kenne noch das Koch´sche Malzbier von der Malzmühle, das ist auch in dieser Tradition und dann noch so zwei, drei andere in den neuen Bundesländern, aber das war es dann so ziemlich. Und das möchte ich ganz bewusst auch unseren Hörern mal ans Herz legen. Also kam auch bei der Veranstaltung super gut an, muss ich sagen, die Leute waren begeistert, die Meisten kannten das nicht. Und es ist halt mal was anderes, es ist ein echtes Bier, sehr intensives Malzaroma, natürlich hat man die Süße, aber eben schon ein tolles spannendes und echt intensives Getränk. Und ich muss auch sagen, in Köln hat das auch wunderbar zum Essen gepasst, also ich habe da noch ein bisschen Foodpairing ausprobiert. Also, wie gesagt, unbedingt mal machen, spannend. Überhaupt die Schloßbrauerei Schwarzbach ja so ein typisches Beispiel für Brauereien, die die DDR-Zeit, sage ich mal, einigermaßen überlebt haben. Wie war das denn, als du dahin kamst, war da der Übergang schon gemacht oder war da noch viel zu tun, was jetzt dieses Equipment und so weiter anging?

Jan: Ja, ich meine, ich bin ja damals 2003 dort gelandet, da war natürlich schon deutliche Jahre nach der Wende, da war das schon alles ein bisschen etablierter. Die Geschichte der Schloßbrauerei Schwarzbach war ja so, dass die privatgeführte Brauerei bis kurz nach dem Krieg und dann natürlich im Ostblock enteignet wurden. Die damaligen Besitzer sind dann halt Richtung Franken rübergegangen, haben dort eine Brauerei übernommen, haben die dann auch über die Jahre immer weitergeführt. Und nach der Wende ist dann quasi die Eigentümerfamilie zurückgekommen und quasi die Juniors aus der Familie, haben dann die Betriebsstätte übernommen und haben die dann entsprechend weitergeführt.

Markus: Ja, also da gibt es ganz viele interessante Geschichten und zwar in jede Richtung. Also ich habe viele tolle Brauereien auch kennengelernt, die dann wirklich es auch geschafft haben, in der DDR-Zeit den privaten Status zu erhalten. Die dann aber sehr, sehr kreativ sein mussten, was ihre Anlagen anging, das eben einigermaßen zu retten. Und natürlich auch die Geschichte andersrum, wo dann eben die westdeutschen Brauereibesitzer nach der Wende kamen und gedacht haben, wir machen da mal eben unser Schnäppchen und sich dann durchaus überhoben haben, weil dann auch große Brauereien durchaus ja da waren, wo man dann auch wirklich eigentlich ganz anders hätte rangehen müssen. Aber, wie gesagt, ist ja jetzt auch ein bisschen Geschichte. Das wäre aber auch nochmal interessant, wir sind ja fast gleich alt. Du bist in Hildburghausen groß geworden, das ist ja in Thüringen. Und, ja, vielleicht magst du uns ein bisschen so einen Eindruck geben, wie war denn so eine Jugend, ich sage mal, in den letzten der DDR, wie hat du das so wahrgenommen und wie hast du da mit 14 diese Wendezeit wahrgenommen?

Jan: Oh, das ist natürlich jetzt mal eine ganz schöne Frage. Also ich würde sagen, das war schon eine sehr prägende Zeit für mich, weil man natürlich in einem System irgendwo aufgewachsen ist, was man als festgemeißelt, festgemauert irgendwo gesehen hat. Und, wie gesagt, Hildburghausen war ja wirklich grenznah, also wir hatten irgendwo zur Mauer vielleicht 15 Kilometer. Also durchaus, wenn man bei uns mal ein bisschen höher auf einen Hügel geklettert ist, konnte man dann quasi rüber Richtung Franken schauen und hat da entsprechend die Getreidefelder gesehen. Aber man war sich halt bewusst, dass ist der Westen, da kommt man nie hin, das wird man nie erleben. Und dann war das halt dann im November 89 mehr oder weniger von einen Tag auf den anderen gefallen, Geschichte. Und man konnte da ohne Weiteres über die Grenze rüberfahren und sich da mal Coburg angucken, Bad Königshofen, die ganzen Städtchen, die es da drüben gibt und das war schon sehr beeindruckend. Also ich glaube, der beeindruckendste Moment für mich war damals, kurz nach der Grenzöffnung, sind wir mit der Familie nach Coburg rüber gefahren und auf dem Rückweg über die Grenze, konnte ich dann zwei Grenzsoldaten beobachten, der eine Ossi, der andere Wessi, die dann irgendwie gemütlich, sage ich mal, an der Grenze standen, zusammen eine Kippe geraucht haben und sich einfach unterhalten haben. Und das war so eine friedliche Situation. Wenn man überlegt, quasi noch eine Woche zuvor hätten die aufeinander schießen müssen. das war schon, das hat mich damals als doch Kind, Jugendlicher sehr geprägt, das man dann auf einmal gesehen hat, das solche Systeme auch relativ schnell fallen können, das sich solche in steingemeißelten Gegebenheiten doch auch relativ schnell ändern können. Das war auf alle Fälle schon eine sehr prägende Zeit.

Markus: Ja, also das muss ich sagen, das habe ich auch so erlebt, wie rasant das sich verändert hat. Ich war dann auch mit meiner Schulklasse dann eine Woche vor der Währungsreform und eine Woche danach in Berlin und auch diese Zeit da mitzubekommen, wie sich das alles so rasant verändert hat, war auf jeden Fall eine ganz spannende Geschichte. Wie ist es denn dann bei dir dann zum Thema Bier gekommen? Also hast du zu dem Zeitpunkt mit 13, 14, 15 schon gewusst, Bier wird dein Thema sein?

Jan: In dem Moment noch nicht, das kam dann irgendwie ein, zwei Jahre später. Da kann ich eigentlich auch immer noch ganz genau, das war ein spezifischer Moment, zurückgreifen, wo mir dann irgendwie die Idee in den Schoss gelegt wurde, Brauer zu werden. Und zwar war das damals bei mir üblich, mit meiner Familie quasi zum Abendbrotessen alle zusammen am Tisch zu sitzen, der Fernseher ist gelaufen, und ich denke, dass es auf dem MDR ein Bericht war, wo auf einmal irgendwie der Kommentar kam, der Braumeister mit seinem Lehrling. Ich habe bis jetzt leider nicht rausgefunden, welche Brauerei das war. Ich vermute, welche es sein könnte, aber ich bin mir nicht sicher, ich habe nie wieder den Bericht sehen können. Aber dieser Satz, der Braumeister mit seinem Lehrling, war so prägend für mich, dass ich gesagt habe: „Wie, Bier brauen?“ Weil, Bier habe ich davor schon gerne getrunken und das klingt ja interessant. Das war grad so die Zeit, wo man dann irgendwie überlegt hat, was macht man jetzt nach dem Abi eigentlich? Und das war dann der Moment, wo ich gesagt hab: „Das klingt interessant, das will ich machen, da will ich reingehen.“ Und dann hat man sich entsprechend erkundigt und dann hieß es, ja, man kann nicht nur den Brauergesellen machen, man kann auch entsprechend studieren, seinen Ingenieur machen, sogar den Doktor machen und so weiter. Und damit war das irgendwo für mich, das interessiert mich, da will ich rein, den Weg will ich gehen und so bin ich da quasi reingerutscht.

Markus: Und dann bist du nach Kulmbach gekommen. Das ist ja dann zu der Zeit auch schon kein so kleiner Laden gewesen. Wie war das dann da so, wie handwerklich war das noch und was hat dich begeistert an dieser Ausbildung?

Jan: Also da war ja bei uns in der Gegend, ich habe mich ja zu der damaligen Zeit in mehreren Brauereien beworben, viele eher kleine handwerkliche Brauereien bei uns. Und die Kulmbacher, die waren ja doch mit ihren Bieren schon relativ dominant bei uns auf dem Markt zu der damaligen Zeit. Oder nicht Kulmbacher, das war ja noch die Reichelbräu zu der Zeit, wo ich angefangen hab. Und da hatte ich natürlich da auch eine Bewerbung hingeschickt mit meinem Abizeugnis und allem drum und dran. Wurde eingeladen zum Vorstellungsgespräch und auch relativ schnell wurde mir dann schon eine Lehrstelle zugesagt. Wo ich natürlich begeistert war, erst mal die Möglichkeit zu haben, quasi in so einem großen Industriebetrieb zu arbeiten, weil dann auch davon ausgegangen bin, dass da entsprechend das Niveau der Ausbildung entsprechend gut ist. Und habe mich dann dazu entschlossen, quasi entsprechend nach Kulmbach zu ziehen und da in die Lehre zu gehen.

Markus: Und sind deine Erwartungen erfüllt worden, was jetzt den Anspruch an die Ausbildung angeht?

Jan: Fachlich, ja. Was das Handwerkliche angeht, das ist natürlich klar, in so einem Großbetrieb ist man da nicht sofort irgendwo am Braukessel und kann dann irgendwie Bier brauen, die Rezepte sind da relativ festgeschrieben. Und es ist halt doch eher, die Brauerausbildung an sich, 90 Prozent ist halt putzen und saubermachen. Das ist mir dann auch so bewusst geworden, sage ich jetzt mal. In kleinen Betrieben ist das durchaus anders. Also ich denke da an Schwarzbach, unsere Lehrlinge, die haben eigentlich dann im zweiten Jahr, Lehrjahr dann spätestens schon die ersten Sude selber gemacht und hatten das alles unter Kontrolle. Das war natürlich in so einem Großbetrieb nicht möglich. Aber man hatte auch andere Betriebe, wo die Lehrlinge jahrelang quasi nur an der Waschmaschine stehen und dann gar nichts vom Restbetrieb sehen. Das ist natürlich dann auch keine qualitative Ausbildung. Also in der Beziehung war das schon auf hohem Niveau, man hatte halt weniger dieses hands on.

Markus: Aber das hast du dir dann ja in Schwarzbach spätestens so ein bisschen geholt oder holen müssen, je nachdem.

Jan: Naja, ich würde sagen, das war schon relativ schnell in der Lehre, war mir dann klar, du willst das selber auch hands on machen. Also sprich, ich bin dann Heimbrauer geworden und habe dann mir verschiedenste Brauanlagen zusammengebastelt und habe dann halt auch mein Bier Zuhause selber gebraut.

Markus: Spannend. Also das wäre genau meine nächste Frage gewesen, genau, der Weg zum Heimbrauer ist dann ja nicht weit, und das ist ja auch eine ganz, ganz tolle und spannende Geschichte. Leider nicht meine, muss ich sagen, ich bin einfach nicht gut in diesem Thema, ich trinke es lieber. Aber es ist ja schön, wenn das dann jemand entsprechend macht. Eine Frage vielleicht noch, also Hildburghausen, Thüringen, Schwarzbach, das ist ja alles sehr nah an Franken dran und in gewisser Weise ist es ja auch irgendwie fränkisch geprägt. Wie würdest du das denn sagen, gibt es denn eine Thüringer Bierkultur, die irgendwie auch Unterschiede zur fränkischen hat oder ist das eher was, was relativ gemeinsam läuft, wie hast du das erlebt?

Jan: Naja, da muss man einerseits wieder unterscheiden, die Gegend um Hildburghausen rum, die ist ja doch, wie du schon sagst, ja eher Fränkisch beeinflusst. Das ist ja teilweise komplett anders zu dem, grob gesagt, über den Thüringer Wald drüber, also dann auf der anderen Seite vom Thüringer Wald, was dann so Erfurt, Weimar und so weiter angeht, da hat man ja doch auch noch eine andere Brauereilandschaft, würde ich sagen. Bierstile, würde ich jetzt eigentlich nicht sagen, ist eigentlich ziemlich vergleichbar. Aber im südthüringischen Raum hast du da doch mehr von den wirklich kleinen privaten Brauereien, die sehr ähnlich zu dem fränkischen Niveau sind. Und was man in der Gegend auch noch hat, grad so um Hildburghausen, das Hildburghausener Unterland ist ja berühmt für die Dorfbrauereien. Da hast du ja doch relativ viel von diesen Kommunenbraustätten, die heutzutage noch als aktive Brauhäuser bestehen. Und das ist zum Beispiel auch einer der Punkte, wo ich jetzt seit Jahren drauf bestehe immer hier, nachdem ich jetzt für die Ausbildung hier verantwortlich bin, dass wir unseren Braumeistern sowas auch mal zeigen. Also ich versuche immer jedes Jahr zwei Ausflüge zu organisieren, einerseits mit unseren internationalen Braumeisterkurs, wo wir dann mal über das Wochenende nach Thüringen fahren und dort in einem Museum quasi dieses handwerkliche, traditionelle Bierbrauen machen mit Maischen, offener Feuerung, offenes Kühlschiff und so weiter. Und dann einmal im Herbst quasi mit unserem deutschen Braumeisterkurs, wo ich dann entsprechendes organisiere und wir dann zusammen runterfahren und da einfach mal ein Wochenende raus aus allem, einfach nur aufs Bierbrauen fokussieren und da eigentlich immer eine sehr schöne Zeit zusammen haben.

Markus: Genau, da können wir auch ein bisschen vorgreifen gleich auf die VLB-Geschichte. Du meinst das Kloster Veßra, oder, die Brauerei dort?

Jan: Genau, genau, richtig, sehr gut informiert.

Markus: Wie gesagt, ich war da, habe mir die ja alle angeschaut. Damals war das aber noch sehr restriktiv, also die haben, glaube ich, ein-, zweimal im Jahr gebraut oder so, als ich da war.

Jan: Das ist immer noch so. Also das ist ja offiziell, dieses Brauhaus gehört dem Museum und ist natürlich Museumseigentum, also sprich eigentlich sollte es einfach nur in der Vitrine sein. Aber da gibt es halt einen entsprechenden lokalen Brauverein, der sich dem ein bisschen angenommen hat und mit der Argumentation, das natürlich so eine Brauanlage, wenn sie nur rumsteht, sich auch irgendwie kaputtsteht, ist dann dieses, naja, vom Museum ist uns erlaubt, wir dürfen hier fünf Sude im Jahr machen. Also dann wird quasi ein offizieller Sud gemacht für das Museum, der dann auch auf diversen Museumsfesten verkauft wird. Und dann sind halt vier Sude, die quasi für den Brauverein gemacht werden, wo dann auch dieses Typische, Dorfbrauverein, jeder nimmt seinen Teil mit Nachhause, nachdem die Hauptgärung vorbei ist, lagert das und nutzt das quasi für sein privaten Konsum. Also das gibt es durchaus noch und ist auch da existent.

Markus: Ja, also kann man den Hörern auch nur empfehlen, da mal generell nach Thüringen zu schauen, also tolle Brauereien, tolle Bierkultur. Auch viele historische Bierstätten, Steinach fällt mir da zum Beispiel ein, die ja, glaube ich, mal 23 Brauereien hatte oder so, also Wahnsinn, und eben viel, viel spannende Geschichten, die man sich da anschauen kann. Die andere Museumsbrauerei, in Anführungsstrichen, wo ihr seid, ist Vielau. Fahrt ihr da noch hin?

Jan: Da ist der Kontakt leider etwas eingeschlafen in den letzten Jahren. Da hatten wir ja wirklich einen offiziellen Kurs von der VLB, die wir dann in Zusammenarbeit mit der Petra da angeboten haben. Aber der wurde dann kaum noch nachgefragt und da ist es natürlich dann auch irgendwann, wenn die Teilnehmerzahlen soweit nach unten schlagen, dann lohnt sich das auch nicht mehr für uns, das anzubieten, deshalb haben wir das dann nicht mehr gemacht. Da muss man dazu sagen, die Kloster-Veßra-Geschichte, dieser Ausflug, das ist ja wirklich privat organisiert. Also wir machen das dann, ich biete es an, wir können runterfahren, aber dann mieten wir halt ein Auto zusammen, jeder zahlt seine Übernachtung und so weiter. Das ist kein offizieller VLB-Kurs, in dem Sinn, sondern einfach nur eine privat organisierte Exkursion.

Markus: Genau. Und Vielau, wie gesagt, Sachsen, auch eine Brauerei, die eben noch auf dem Stand von vor ungefähr 100 Jahren ist und auf jeden Fall auch spannend, sowas mal erlebt zu haben. Und da kommen wir so ein bisschen auch in dieses Thema, du hast dich dann entschieden, okay, irgendwie, wir haben jetzt genug Bier gebraut im Leben, jetzt kümmern wir uns mal um die Weitergabe unseres Wissens, wenn ich das mal so sagen kann. Wie kam das denn, dass du dann zur VLB nach Berlin gekommen bist?

Jan: Na, das war quasi ein Kontakt über einen ehemaligen Studienkollegen, wir waren mehr oder weniger im selben Jahrgang. Und der war damals hier schon an der VLB quasi Abteilungsleiter und hatte in dem Moment jemanden gesucht, der quasi auf einem Forschungsprojekt arbeiten kann und hatte mir das entsprechend angeboten. Also das ist ja die VLB von der Grundstruktur her, VLB steht ja für Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei. Versuch ist einmal quasi die Forschung, das ist immer noch eines unserer Hauptstandbeine. Also wir haben hier diverse Forschungsprojekte, die bei uns laufen, die von den verschiedenen Abteilungen oder Instituten bearbeitet werden und wir haben halt diesen Ausbildungsteil dann noch dabei, die Lehre. Das ist halt einerseits unser Braumeisterkurs, den wir anbieten, aber auch diesen internationalen Certified Brewmaster Course, den wir haben. Das sind quasi so die zwei Hauptstandbeine und der dritte ist quasi die Beratung. Wo ich dann ursprünglich erst mit einem Forschungsprojekt angefangen und aufgrund meiner Erfahrung dann grade in Schwarzbach, was man da so alles mitgemacht hat, bin ich dann auch mehr und mehr in die Beratung reingerutscht. Und bin dann über die Jahre wirklich international unterwegs gewesen, in vielen Brauereien da irgendwo beraten können, was natürlich auch eine sehr interessante Option ist.

Markus: Genau. Und wir haben uns ja das letzte Mal tatsächlich in den USA getroffen bei einer dieser Gelegenheiten, wo man eben viel im Ausland unterwegs ist. Und ich meine, das vielleicht auch nochmal für die Hörer, die sich da noch nicht so auskennen, sage ich mal, also VLB, du hast es grade schon gesagt, die Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin und im Grunde eine der großen Forschungs- und Ausbildungsstätten rund um das Thema Bier in Deutschland. Und auch schon sehr, sehr lange natürlich tätig und entsprechend auch sehr international ausgerichtet. Und das ist auch spannend, weil man halt überall auf der Welt auf Leute trifft, die in irgendeiner Form mit der VLB schon mal Kontakt hatten, dort vielleicht eine Ausbildung gemacht haben oder sich beraten lassen oder Ähnliches. Und so ist es tatsächlich auch was, wo viele, ja, praktisch deutsche Bierkultur auch verbotschaftet wird so nach außen und andersrum auch viele Einflüsse eben aus dem Ausland auch zu uns nach Deutschland kommen. Und das merkt man auch, also die VLB ist auch ein sehr lebendiger Laden, sage ich mal, natürlich wird da auch Bier gebraut und gefeiert und genossen, aber eben auch viel sich ausgetauscht und viel Kultur entsprechend weitergegeben. Und das kann ich auch jedem nur empfehlen, wenn man da mal in Berlin ist, sich entsprechend eben umzusehen. Und das heißt jetzt, ihr bietet jetzt zum Beispiel für Leute, die gerne Braumeister werden wollen, Ausbildungen an, aber auch für Leute, die jetzt, sagen wir mal, in dieses Thema Bier als Seiteneinsteiger kommen. Habt ihr da auch Angebote?

Jan: Genau, also das geht bei uns quasi wirklich von ganz Basic-Kursen los. Das ist dieses Brewing in a Nutshell zum Beispiel, was wir wirklich auch als on-demand-Kurs Online stehen haben. Wo man sich einwählen kann, entsprechende Videos sich angucken kann, Prüfungsfragen dann gestellt kriegt und dann quasi so durch den Kurs durchgeht. Das ist wirklich so ein ganz Basic-Kurs, um erst mal ein Verständnis für Bierbrauen zu bekommen. Dann haben wir zum Beispiel unseren Craft-Brewing-in-Practice-Kurs, das ist dann ein zweiwöchiger Kurs, der bei uns hier angeboten wird. Zielpublikum bei dem Kurs ist eher Leute, die vielleicht eine Brauerei aufmachen wollen, aber nicht der verantwortliche Braumeister sein wollen. Die irgendwie ein bisschen Verständnis für den Prozess haben wollen, sich auch mit dem Braumeister unterhalten wollen und den verstehen wollen, aber nicht täglich im Sudhaus stehen und im Gärkeller und da entsprechend Bier produzieren. Also das ist ein englischer Kurs, der ist international, relativ gut nachgefragt. Da haben wir eigentlich jedes Jahr so 20, 30 Leute, die dann teilnehmen und sich hier quasi so mal die Basics abholen. Und dann die nächst größere Stufe ist ja quasi unser Certified Brewmaster Course. Das ist auch der internationale Kurs, der komplett in Englisch ist. Der ist dann ein halbes Jahr und da wird dann quasi so Braumeisterniveauwissen vermittelt. Und in dem Kurs dieses Jahr sind wir 22 Leute. Vor Corona, muss man sagen, waren das deutlich mehr, da hatten wir teilweise Jahrgänge bis zu 50 Leuten, wirklich international, 25 unterschiedliche Länder, alle Kontinente mit dabei gehabt. Ein sehr bunter Haufen, habe ich es immer bezeichnet. Das ist die eine und dann haben wir ja noch unseren deutschen Braumeisterkurs, den wir ja hier in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer anbieten. Das ist dann ein Kurs, der quasi für Deutschland oder Deutschsprachige zugeschnitten ist. Also sprich, da ist der ganze Kurs dann rein in Deutsch abzuhalten und der ist auch ein bisschen speziell. Weil der Certified Brewmaster Course der ist eher oder wird jetzt nächstes Jahr dann auch wieder voll in Präsenz sein. Also da müssen die Leute ein halbes Jahr hier in Berlin vor Ort sein im Hörsaal, im Praktikum und so weiter. Und dieser deutsche Braumeisterkurs, den wir jetzt anbieten oder den Vorbereitungskurs für die Meisterprüfung, der ist dann quasi mit so einem Blended-Learning-Konzept aufgebaut. Also wir haben quasi so circa drei Wochen, wo Selbststudium Zuhause angesagt ist und dann alle vier Wochen kommen die Teilnehmer hier bei uns rein, haben nochmal zusätzliche Vorlesungen, haben Praktikas in der Studiumbrauerei, in den Laboren, die wir hier haben und können dann quasi das Wissen jeweils vertiefen. Das ist im Endeffekt so aufgebaut, dass ich das berufsbegleitend irgendwo mit durchziehen kann. Wobei ich immer sage, seit bitte vorsichtig, nicht denken, ihr könnt 100 Prozent arbeiten und nebenbei noch schnell den Braumeister machen, weil es doch sehr zeitintensiv ist. Also normalerweise ist hier unsere Empfehlung, wenigstens eine Dreiviertelstelle maximal zu haben, dass man halt wirklich noch genug Zeit zum Lernen hat. Und man muss sich das so vorstellen, jede Woche geben wir quasi unseren Kursteilnehmern hier ein neues Thema vor. Teil des Braumeisterkurses ist ja auch unsere Fachbibliothek. Also die Teilnehmer bekommen hier, ich weiß gar nicht, 10, 15 Bücher, also quasi unsere kompletten gelben Bücher zur Verfügung gestellt und dann jede Woche, ist dann aus diesen Büchern ein Thema dran, was dann durchgearbeitet wird und was entsprechend dann betreut wird und behandelt wird.

Markus: Also richtig viele Aufgaben auch als Lehrbetrieb und natürlich auch Herausforderungen. Wie ging es euch denn in dieser Pandemiephase? Also das war für uns ja eine unglaubliche Umstellung auch mit diesem ganzen Thema Online und Blended und so weiter. Wie habt ihr das so erlebt und überlebt?

Jan: Oh ja, das war auch für uns erst mal eine große Herausforderung. Wobei, da muss ich sagen, da hatten wir Gott sei Dank die glückliche Position, dass wir kurz zuvor mit diesem deutschen Braumeisterkurs angefangen hatten und der war ja vom Konzept her schon so angelegt als Hybrid. Also sprich, wir haben einen Teil, wo die Leute Zuhause im Selbststudium lernen und dann halt Online-Vorlesungen sind und den praktischen Teil, das sie reinkommen. Daher hatten wir schon eine Art Plattform, die irgendwo für uns, wo wir uns schon auskannten und wo wir wussten, okay, okay, soundso müssen wir das aufsetzen, soundso funktioniert das. Und haben dann quasi in dem Moment, wo der erste Lockdown kam und die Schulen auch hier in Berlin geschlossen wurden, und in dem Sinne sind wir als VLB auch als Schule klassifiziert und mussten dann natürlich unsere Studenten Nachhause schicken. Und hat im Endeffekt zwei Wochen gedauert, dass wir dann quasi unseren internationalen Kurs, den Certified Brewmaster Course, auch in dieses Online-Lern-Tool überführen konnten. Und dann war das so, dass wir dann die Vorlesung teilweise wirklich von Zuhause gehalten haben oder teilweise, wenn wir vor Ort sein konnten, dass wir dann hier alleine im Hörsaal standen, nur die Kameras waren eingeschaltet. Und dann auf einem großen Screen im Hintergrund des Hörsaals waren dann die Teilnehmer, die sich entsprechend Online eingewählt hatten und haben dann die Vorlesung verfolgt. Ist bis jetzt auch für dieses Jahr immer noch soweit existent gewesen, also wir hatten diese Hybrid-Variante angeboten. Sprich, für die Vorlesungen konnten die Studenten entweder nach Berlin kommen, hier im Klassenraum sitzen oder sich Online einwählen. Wo ich sage, das ist schon immer faszinierend, wenn man dann irgendwie als Dozent vorne steht und hinten dann sieht, die einen, wenn sie eher in Asien sitzen, Thailand oder Ähnliches, die sind dann irgendwie am späten Nachmittag, da sieht man schon fast die Sonne untergehen. Und die anderen Kursteilnehmer, die sich aus Brasilien einwählen, bei denen geht die Sonne grad erst auf. Das ist dann schon immer so ein sehr spezielles Erscheinungsbild dann. Aber macht natürlich auch Spaß, grad wenn man die Flexibilität hat. Und das muss ich sagen, jetzt grad auch mit unserem Handwerksbraumeisterkurs, wir haben ja immer freitags dieses Online-Tutorium und ich bin dann eher in dem Bereich Gärung zuständig. Dann machen wir natürlich freitags Online-Tutorium und dann immer, wenn man auf der Beratung unterwegs ist, dann muss man da halt versuchen, sich da einzuwählen. Also ich hatte es dieses Jahr da in den USA, wo wir uns getroffen haben, da hatte ich mich dann halt früh vom Hotelzimmer eingewählt. Oder dann zwei Wochen später war ich in Indien für eine Beratung, da hatte ich mich dann ins Sudhaus gesetzt und habe mich da eingewählt und dann die Vorlesung gehalten. Wo ich sagen muss, da bin ich immer fasziniert drüber, das zu sehen, was da heutzutage wirklich möglich ist und was man da umsetzen kann.

Markus: Ja, ich finde auch, da hat sich wahnsinnig viel getan. Und ich muss auch sagen, also diese lustigsten Situationen aus den Anfängen der Pandemie, wo man dann wirklich Leute im Schlafanzug da sitzen hat oder so, das war schon teilweise echt witzig, bis sich da auch so eine gewisse, naja, Zivilisierung eingependelt hat bei der ganzen Nummer. Aber was ich auch sehr faszinierend fand, und ich glaube, das ist ja für euch in der Beratung auch spannend, das jetzt diese virtuelle Geschichte extrem zugenommen hat. Also mir haben schon Leute erzählt, dass sie mit so einer Art 3D-Brille durch die Brauerei gehen und dann praktisch übertragen, was sie sehen und dann eine Beratung fast so möglich ist, als wäre man vor Ort. Habt ihr solche Sachen auch schon gemacht, erlebt?

Jan: Soweit noch nicht, also mit 3D-Brille haben wir bis jetzt noch nicht gearbeitet. Ich habe mal wirklich während des Lockdowns eine Online-Brauereibesichtigung in Thailand, wo sie dann wirklich mit Kamera und Mikrofon und Kopfhörer immer mit mir irgendwie durch die Brauerei durchgegangen sind. Wobei ich zugeben muss, dass jetzt, nachdem es ja quasi vorbei ist, deutlich wieder zurückgekommen ist. Also man merkt, dass oft die Anfragen sind, nee, nee, komm du mal rüber geflogen, lauf mal durch den Betrieb und guck dir das genau an. Muss ich zugeben, finde ich teilweise auch wesentlich effizienter. Weil, man kennt ja als Brauer oder ausgebildeter Braumeister seine Trickstellen und dann hat man oft in der Brauerei, wo man dann, komm, guck da nochmal hin, mach da nochmal. Wo ich sagen muss, was jetzt wesentlich effizienter ist, ist halt die ganze Beratung. Weil, teilweise machen wir jetzt Online-Meetings zuvor, gehen die Themen schon mal durch, grad wenn es so ums Trouble-Shooting geht, dass man sagt, okay, wir könnten das, das und das ausprobieren und dann teilweise werden schon mal kleine Versuche von den Brauereien gemacht. Und in dem Moment, wo man dann rüber fliegt, dann kann man dann zusammen sich die Biere nochmal angucken, die Qualität überprüfen, sagen, okay, der Versuch hat funktioniert, bei dem hat es nicht funktioniert. Und dann zusammen eine Entscheidung fällen und sagen, okay, jetzt rollen wir quasi diesen Versuch auf die große Charge aus und versuchen das dann entsprechend umzusetzen. Also da, würde ich sagen, ist es auf alle Fälle wesentlich effizienter geworden, jetzt die Beratung. Aber eine reine Online-Beratung sehe ich immer noch als relativ skeptisch an. Weil oft hat man einfach dieses vor Ort, teilweise einfach so Momente, man läuft durch die Brauerei und man nimmt einfach so einen gewissen Geruch wahr, es riecht irgendwie komisch, das fehlt natürlich Online. Und oft findet man dann irgendwo Schwachstellen im Betrieb einfach durch alle Sinne nutzen.

Markus: Ja, natürlich und ist halt auch was anderes, wenn man die Atmosphäre von einer Brauerei wirklich vor Ort in sich aufnehmen kann und dann eben auch so ein Gespür dafür entwickelt, wie der Laden läuft oder vielleicht auch nicht läuft, je nachdem, worum es dann jeweils geht. Und man muss ja auch sagen, also es sind jetzt schon ein paar Wochen vergangen, seitdem wir uns in den USA gesehen haben und zwischendurch wollten wir mal einen Termin machen und dann warst du mal in Afrika und mal in China und so. Also das heißt, dein Leben ist schon auch wieder sehr vielfältig und bunt geworden, grade was das Reisen angeht. Hast du vielleicht so ein, zwei Geschichten jetzt so aus den letzten Reisen, wo du sagst, das war spannend, da hast du echt tolle Sachen erlebt?

Jan: Also in der Beziehung ja, das ist jetzt erst mal bei uns deutlich wieder zurückgekommen, also ich würde jetzt fast behaupten, dass wir wieder auf vor-Corona-Niveau sind. Man merkt, dass auch viele von unseren VLB-Mitgliedern jetzt wieder Beratung anfragen. Ein ganz spezielles Erlebnis, muss ich sagen, war für mich jetzt meine letzte Indienreise jetzt vor zwei Wochen. Da haben sie mich ja mal wirklich einmal quer durch das Land gescheucht. Da muss man dazu sagen, wir hatten diese Mitgliedsbrauerei, die schon seit Jahren VLB-Mitglied ist, die ich auch regelmäßig berate, also sprich, einmal im Jahr bin ich dann nach Südindien geflogen. Und eine schicke Brauerei, sehr gute Biere auch. Und wir haben dann immer eine Woche zusammen in der Brauerei verbracht und haben halt verschiedene Themen diskutiert, Optimierung, Rezeptideen überlegt und so weiter. Und über Corona haben sie dann irgendwie die Chance gehabt, noch weitere Brauereien dazu zukaufen, sind jetzt quasi zu einem Brauerei-Konzern aufgestiegen und dann hatten wir die ganze Zeit versucht, immer eine Beratung zu organisieren. Dann war aber, entweder war Deutschland im Lockdown oder Indien war im Lockdown, das war ja so ein Ping-Pong-Spiel teilweise. Sodass es jetzt wirklich seit 2019, war ich das letzte Mal unten, jetzt erst wieder möglich war für mich, da nach Indien zu reisen. Und dann war jetzt die Aussage, ja, jetzt machen wir aber mal eine Intensivtour und wir gucken uns jetzt mal alle fünf Brauereien in einer Woche an. Und fünf Brauereien in einer Woche angucken, klingt jetzt erst mal nicht viel. Du kommst aus Bamberg, ich meine, in Bamberg kannst du das irgendwie in ein paar Stunden machen, aber in Indien war das halt dann jeweils wirklich über das komplette Land verstreut, mit stundenlang im Auto, drei, vier Stunden im Flieger. Also das war ein sehr intensives Reiseerlebnis. Aber ich muss sagen, man hat auch sehr viel vom Land gesehen oder wirklich von Delhi, über Kalkutta, Chennai runter, richtig Südindien, Südwestindien, komplett unterschiedliche Landstriche, Natur und so weiter, also das war schon sehr faszinierend. Und da auch mal mit den Leuten in Kontakt zu kommen und das ein bisschen zu erleben mal so, sehr, sehr faszinierend.

Markus: Ja und bestimmt auch kulinarisch interessant, oder? Indien hat doch unheimlich viel zu bieten, was die Küche angeht.

Jan: Solange man mit dem scharfen Essen zurechtkommt. Da musste ich mich ja doch über die Jahre her erst mal etwas dran gewöhnen, weil so als normal Deutscher bist du ja normalerweise kaum scharfes Essen gewöhnt. Ich glaube, meine erste größere Reise ging damals nach Korea. Das war schon eine Herausforderung für mich, weil ich einfach mit dem scharfen Essen nicht zurechtkam. Mittlerweile bin ich großer Fan vom koreanischen Essen und man merkt auch, dass man sich an die Schärfe halt entsprechend gewöhnt und es dann auch irgendwo zu schätzen und zu lieben lernt. Also wenn ich sehe jetzt letzte Woche in Kamerun, die scharfe Soße, die es dann immer zum Essen gab. Man muss sie immer noch vorsichtig nehmen, aber man hat durchaus zugegriffen und es auch gut vertragen. Und grad in Indien ist natürlich dann auch, das ist ja im Endeffekt ein eigener Kontinent und da ist halt auch das Essen von Nord- nach Südindien sehr unterschiedlich und immer wieder faszinierend.

Markus: Ja, also das kann ich auch nur so bestätigen und ich muss sagen, ich habe mich auch erst dran gewöhnen müssen. Aber mir geht es wie dir, ich hab mich da auch wirklich in diese Kulinarik und auch grade in dieses intensive Aromatische und gerne auch Scharfe so ein bisschen verliebt und mag das gerne. Und da kommen wir auch so ein bisschen zurück nach Berlin, weil Berlin ja immerhin als Stadt eine große Vielfalt hat, auch was die Kulinarik angeht, aber auch, was das Bier angeht. Wie erlebst du das denn? Also ich meine, du bist ja schon so ein paar Jahre in Berlin, wie hast du so die Entwicklung der letzten 10, 15 Jahre mitgenommen und wie gefällt es dir da so bierig gesehen in Berlin?

Jan: Also in der Beziehung muss man schon sagen, ich hatte ja quasi da noch den Cut mit meiner Zeit als Student hier, so Ende der 90er, Anfang 2000. Da war ja so Craftbeer und so weiter quasi noch kaum bekannt, waren das zwei, drei Gasthausbrauereien hier in Berlin. Das waren dann aber auch eher welche, die halt auf typisch deutsche Bierkultur gemacht haben, mit Eisbein und entsprechend, böse gesagt, Touristenfallen halt. Und es kam ja dann erst über die Zeit, teilweise auch wirklich Studienkollegen von mir, die hier entweder in Berlin hängengeblieben sind und Brauereien aufgemacht haben und jetzt mittlerweile eine der beste Brauereien hier darstellen. Oder halt auch wieder aus einem Braumeisterjob zurückgekommen sind, gesagt haben, nein, ich will was Selbstständiges machen, ich mache mir jetzt meine eigene Brauerei hier auf. Und die sich über die Jahre wirklich hier in Berlin gut etabliert haben, sehr gute Biere wirklich am Markt haben. Also in der Beziehung ist auch wirklich schon die Vielfalt deutlich größer geworden. Und ich meine, mittlerweile haben wir hier, ich glaube, 20, 25 unterschiedliche Brauereien. Ich muss zugeben, die aktuellsten Zahlen habe ich gar nicht so im Kopf, weil alle halbe Jahr irgendwie eine neue Brauerei, ein neues Brauprojekt irgendwo dazukommt. Das kommt ja noch dazu, diese ganzen Gypsy-Brauer, die dann irgendwo mit Rezeptideen noch an den Markt kommen, sich irgendwo in Anlagen einkaufen und dann mal halt eine Charge, zwei Chargen von ihrem Bier brauen lassen. Auch die sind jetzt mit auf dem Markt und machen natürlich diesen ganzen Markt sehr bunt, sehr vielfältig und auch sehr interesssant.

Markus: Ja, also Berlin kann man wirklich nur auch wieder den Leuten ans Herz legen, was das Bier angeht, ist ja eine unglaubliche Vielfalt, wie du schon sagst, die man da erleben kann und auch sehr authentisch. Also es gibt auch viele Leute, die jetzt zum Beispiel aus den USA nach Berlin kommen, aus England, aus Belgien und dort dann eben einfach irgendwas mit dem Thema Bier machen, sei es jetzt Bars oder eben Brauereien oder Läden und man dort eben dann überall so ein bisschen jeweils so eine kleine Stippvisite in die eine oder andere Bierkultur machen kann. Und ich habe auch über Berlin ja schon zwei Bücher geschrieben oder drei, weiß ich gar nicht, rund um das Thema eben Brauereien, auch die Geschichten erzählt. Und da ging es mir so wie dir, also am Anfang hat man tatsächlich noch diese Hell-, Dunkel-, Weizen-, Eisbein-, Schnitzel-Kultur gehabt und das hat sich dann doch relativ schnell gewandelt in eine große Vielfalt. Und, ja, also ich meine, wir sind ja ein werbefreier Podcast, deswegen können wir gerne auch Namen nennen. Also mich beeindruckt da tatsächlich zum Beispiel so jemand wie der Oliver Lemke, der einfach sich da unglaublich entwickelt hat und jetzt auch zusammen mit anderen natürlich sich dieses Thema Berliner Weisse angenommen hat. Also da muss man natürlich die Uli Genz noch sagen mit der Schneeeule und letzten Endes ja euch auch. Also die VLB hat ja eine eigene Brauerei und mit dem Kurt Marshall auch jemand, der sich schon seit Ewigkeiten mit der Berliner Weisse beschäftigt. Bist du denn da im Studium oder dann später in Berührung gekommen mit der Berliner Weisse schon?

Jan: Also im Studium, muss ich sagen, eher weniger. Klar, wenn man nach Berlin gezogen ist, dann hat man erst mal, ja, Berliner Weisse, sagt einem was, aber naja, dieses Sauerbier und so weiter. Und, ganz ehrlich, mein alter Professor der Herr Wackerbauer, der hatte dann von der Berliner Weisse auch keine große Meinung, keine Begeisterung, uns da diesen Bierstil irgendwie näherzubringen. Also das ist, glaube ich, wirklich später, deutlich später erst gekommen. Und weil du es grad erwähnt hast, unser Kurt Marshall, der ist ja wirklich, hat sich da sehr etabliert. Der schöne Funfact ist ja, Kurt als US-Amerikaner kommt nach Berlin und etabliert hier bei uns erst mal wieder die Berliner Weisse. Und er macht ja jetzt mittlerweile auch wirklich eine sehr gute Berliner Weisse, muss ich sagen, die wirklich gut trinkbar ist, ohne dass man da einen Sirup oder Ähnliches dazugeben muss. Und mittlerweile laufen sogar schon einige Forschungsprojekte bei uns auch in der Richtung Produktion von Berliner Weisse und so weiter. Also man sieht, deswegen auch dieser Bierstil von einem eher am aussterben befindlichen Bierstils zu einem wirklich dominierend, na, nicht dominierenden, aber, ja, beachteten Bierstil entwickelt hat.

Markus: Genau, also für Berlin halt einfach eine Frage der Identität. Also das war so ein bisschen das Thema, als ich zum ersten Mal so richtig den Biermarkt in Berlin mir angeschaut hab, das ist ja schon lange her, da hatte man so ein bisschen das Gefühl, das eben eine Berliner Bieridentität so ein bisschen gefehlt hat. Also bis zur Wende war das irgendwie noch da, da gab es halt die Kindl Brauerei auf der einen Seite und eben die große Brauerei im Osten auf der anderen Seite. Aber dann, dann war das so ein bisschen so, als würde man in Hamburg sagen, wir machen aus dem HSV und Sankt Pauli einen Fußballklub und alle Fans sollen da jetzt weiterhin jubeln. Und so, habe ich das Gefühl gehabt, war das dann in Berlin, als die ja auch zusammengegangen sind, die beiden großen Brauereien. Und man dann so ein bisschen gemerkt hat, auf einmal war dann Raum da für Rotkäppchen, nein, nicht, wie heißt es, Rothaus oder dann eben Tegernseer zum Beispiel, Augustiner, die dann den Berliner Biermarkt sehr erobert haben. Und ich glaube, die Berliner wollten einfach wieder irgendwie was Eigenes haben. Und da waren dann so Berliner Brauereineugewächse wie eben Lemke zum Beispiel und dann eben auch eigene Bierstile, die wieder eine Berliner Biergeschichte erzählen können, das war irgendwie schon wichtig und sind auch irgendwie Exportschlager. Man darf ja nicht vergessen, dass zum Beispiel Lemke ja mittlerweile kontainerweise Berliner Weisse in die USA liefert und dort dann entsprechend auch verkauft. Also das ist schon auch ein ganz spannendes Thema, wie man so eine Bierkultur wiederbeleben, erwecken und aus dem Dornröschenschlaf so ein bisschen zurückholen kann. Schmeckt es dir denn, das Thema Berliner Weisse mittlerweile oder immer noch nicht so?

Jan: Also sagen wir mal so, es ist kein Bierstil, der bei mir als Standard im Kühlschrank liegt Zuhause, da bin ich dann doch eher der typische Pils-, auch mal Weizen-, mal ein IPA-Trinker, aber wenn es angeboten und wenn es eine gute Weisse ist. Also da ist wirklich, da sieht man schon auch Unterschiede. Also teilweise sind sie ja wirklich zu saure Biere, die dann eine relativ niedrige Drinkability haben. Und ich möchte dann schon gerne auch am Abend dann mal ein, zwei Liter Bier trinken können und nicht nach einem kleinen Glas sagen, du, also irgendwo stockt mein Magen und ich kann da nicht weitertrinken. Aber es gibt durchaus auch zwei, drei Berliner Weisse, die wirklich eine sehr gute Drinkability haben, wo man da sich schön dran festhalten kann und die auch einen ganzen Abend entsprechend genießen kann, ohne dass man jetzt großartig eine Sirupzugabe machen muss.

Markus: Absolut, ja. Und man muss auch sagen, es ist halt auch ein großer Unterschied, ob man jetzt sagt, so wie eben zum Beispiel der Oli oder die Uli, das man wirklich versucht, die historischen Kulturen zu verwenden und sich dem auch ein bisschen anzunähern. Da kommen dann auch automatisch ganz andere Biere dabei raus, als wenn man einfach nur irgendwas Kesselsaures macht und dann halt das Ganze auch Berliner Weisse nennt. Das ist dann halt immer natürlich ein bisschen schwierig, aber, gut, ich meine, insofern, ja. Und für mich das zweite Thema, was ich gerne in Berlin entdecke, ist tatsächlich das Thema holzfassgereifte Biere. Auch da ist ja zum Beispiel Oli Lemke einer, der ganz vorne dran ist in Deutschland, ganz viel experimentiert und macht und tut. Und auch, glaube ich, als einer der ersten dieses Thema Blending wieder für Bier rausgeholt hat, was in Deutschland ja lange Zeit, glaube ich, eher verpönt war. Aber jetzt eben zu sagen, okay, ich stelle mir aus verschiedenen Bieren, verschiedenen Fässern dann eben ein Bier zusammen, was dann am Ende in der Mischung so ist, wie ich mir das wünsche, wie ich mir das vorstelle. Und da kommen ja auch tolle Sachen dabei raus, meistens ziemlich alkoholisch. Wie geht es dir denn damit?

Jan: Ja, da muss ich sagen, da bin ich dann schon eher ein Fan an, also da gibt es ja durchaus sehr schöne Biere, sehr interessante Biere. Und da hast du Recht, da sind jetzt mittlerweile doch auch einige Brauer, die hier in Berlin damit anfangen, so eine Holzfassreifung in den verschiedensten Varianten zu machen. Also gesehen habe ich das jetzt das letzte Mal bei unserem Meisterabschied von dem Handwerksbraumeister, da waren wir ja von BRLO eingeladen und die haben ja dann auch ihr Holzfassreifungsprogramm da. Und dann hatten wir mal die Möglichkeit, da auch aus diversen Fässern mal sowas zu probieren und quasi noch vor-geblendet, wo man dann mal gesehen hat auch, wie unterschiedlich so Biere so schmecken können. Je nachdem aus welchem Fass sie kommen, je nachdem wie das Fass vorgelagert wurde, ob es ein Tequila-Fass war oder ein Rum-oder ein Whisky-Fass, man kriegt ja da noch ganz andere Aromanoten mit rein. Und dann da nochmal anzufangen, das zu verschneiden, das ist wirklich eine extrem große Spielwiese und macht so einen kompletten Herstellungsprozess von einem Bier natürlich extrem komplizierter, komplexer und aufwendiger.

Markus: Und ist eine ganz neue Welt irgendwie, also dieses ganze Thema Holzfassreifung, da gab es ja vor Kurzem auch den Barrel Summit in Berlin. Das geht ja auch über das Thema Bier raus. Also bei Spirituosen, okay, da kennt man das. Aber jetzt zum Beispiel auch, dass man Kaffeebohnen in vorbelegten Holzfässern sozusagen lagert und dann über diese Aromatisierung wiederum bestimmte Aromen im Kaffee erzeugen kann. Also klingt vielleicht für viele erst mal komisch, aber ich habe es mittlerweile an vielen Ecken der Welt schon probieren dürfen und es ist wirklich faszinierend, was da alles geht und wie man sich mit diesem Thema, eben Holz und Aroma und Fermentation und so weiter, wirklich ganz spannend in verschiedenste Getränkewelten so ein bisschen, ja, vorarbeiten kann. Da sind wir vielleicht nochmal bei deiner aktuellen Arbeit, da geht es ja gar nicht nur um Bier oder?

Jan: Inwieweit meinst du aktuelle Arbeit?

Markus: Na, im Institut oder, da macht ihr doch auch andere Getränke oder geht es da hauptsächlich um das Thema Bier?

Jan: Also da, muss man dazu sagen, wir als VLB, wir haben ja diverse Abteilungen hier, Forschungsinstitute, wie sie bei uns ja bezeichnet werden. Und da haben wir einerseits das Forschungsinstitut, wo ich jetzt quasi inne hab, Bier- und Getränkeproduktion. Also da machen wir halt meistens alles, was mit Bier, vom Sudhauseingang, Malzannahmen bis fertige Flasche kommt. Aber wir haben zum Beispiel auch unsere Kollegen von der Biotechnologieabteilung, die dann eher an sauerfermentierten Getränken dran sind, Kombucha, Kefir und so weiter und da momentan dran sind. Teilweise relativ viel auch Industrieprojekte haben, wo wir Rezeptentwicklung in dieser Richtung machen. Aber wir haben jetzt mittlerweile auch schon drei, vier Forschungsprojekte, die sich mit dem Thema befassen. Weil, da muss man dazu sagen, das grad diese Getränke, ich meine, wenn wir uns die Bierforschung angucken, das ist seit wie viel 1.000-Jahren, kennt die Menschheit Bier und seitdem wird versucht, das Bierrezept irgendwie zu optimieren. Diese sauerfermentierten Getränke sind ja doch relativ neu oder relativ neu, dass sie jetzt quasi erst diesen Schritt in die Industrialisierung machen. Dass sie jetzt von diesem, ich produziere das Zuhause bei mir in der Küche auf der Fensterbank zu, ich will das jetzt wirklich in 100-Hekto-, 1.000-Hekto-Maßstab da herstellen, diesen Schritt jetzt erst gehen. Und da ist wirklich noch sehr viel Forschungsbedarf vorhanden, weil das ist natürlich oft, ja, dann nehmen wir halt einfach Brauereianlagen. Aber die sind natürlich für solche Prozesse, die dann teilweise Sauerstoff bedarfen, da eine Mixed-Fermentation drinne ist, wo wirklich unterschiedlichste Kulturen miteinander agieren müssen und teilweise dann auch scrappy bilden, die ich kaum händeln kann, die nicht pumpfähig sind oder ähnlich. Das sind auch wirklich große Herausforderungen für den Getränkeproduzenten, aber natürlich auch neue Betätigungsfelder für die Forschung.

Markus: Ja, da muss man ja auch ein bisschen in die Zukunft schauen. Wenn wir uns den deutschen Biermarkt anschauen, da gibt es natürlich schon gravierende Veränderungen, die Leute trinken weniger klassisches Bier, auf der anderen Seite nimmt alkoholfreies Bier und alkoholarmes Bier als Segment deutlich zu. Und dann haben wir natürlich noch viele andere fermentierte Getränke, die den Markt irgendwie bereichern. Wie siehst du das denn so in der Zukunft und was sind für euch vielleicht auch Schwerpunkte in der VLB, wo ihr euch damit beschäftigt?

Jan: Also wie gesagt, das alkoholfreie Bier, ja, das ist auf alle Fälle ein Wachstumsmarkt, was ich jetzt auch in den nächsten Jahren weiterhin so sehen werde. Weil, man hat es einerseits in der jüngeren Generation, es ist mehr so dieses Gesundheitsbewusste, weniger Alkohol konsumieren. Das hat man drin, man hat religiöse Gründe, man hat Gründe, dass man halt Autofahren will, muss und dementsprechend nicht trinken kann. Oder einfach während des Tages, wenn man auf Arbeit ist, ist ja mittlerweile mehr und mehr Alkoholverbot in allen Arbeitsstätten und dementsprechend ist halt das alkoholfreie Bier mehr und mehr nachgefragt. Und ich sehe das mittlerweile am Markt so, dass jetzt doch einige Brauereien es hingekriegt haben, die Rezepte so zu designen, das wir hier wirklich sehr nah am Originalbier dran sind, dass man teilweise kaum noch einen Unterschied schmecken kann zwischen original alkoholhaltigen Bier und dem entsprechenden alkoholfreien Konterfei dazu. Und das macht es natürlich interessant und bietet natürlich dem Konsumenten auch deutlich mehr Option jetzt und mehr Möglichkeiten, hier sich mit der entsprechenden Biervielfalt auszudrücken oder zu etablieren.

Markus: Und ist das für euch als VLB auch ein Thema, also habt ihr Entalkoholisierung zum Beispiel oder eben andere Hefen oder sonstige Produktionsverfahren, gehört das bei euch zur Ausbildung auch dazu?

Jan: Einerseits zur Ausbildung gehört es dazu. Also das ist quasi Teil unserer Braumeisterkurse, da haben wir entsprechende Vorlesungen mit drinne. Ich selber habe jetzt irgendwie in den letzten zwei Jahren, drei Jahren so viele Vorträge über Herstellung von alkoholfreiem Bier gehalten, ob das jetzt in den USA war letztes Jahr oder jetzt letzte Woche erst in Kamerun, in Indien, überall immer mal wieder dieses Thema. Also man merkt, dass es erst mal nicht nur ein deutschlandspezifisches Thema ist, sondern das es halt weltweit ein großes Thema ist. Grad in den USA sehe ich das momentan, fast jeder spricht über irgendeine Möglichkeit, alkoholfreies Bier herzustellen. Und natürlich bei uns nicht nur in der Ausbildung, sondern auch entsprechend in der Forschung und Entwicklung ist es drin. Also wir sind grad dabei, ein, zwei Forschungsanträge hier zu stellen, die sich mit Thema alkoholfreies Bier beschäftigen. Aber auch unsere Kollegen von der Biotechnologieabteilung, die sind halt auch in dem Bereich sauerfermentierte Getränke mit diversen Forschungsprojekten dabei und versuchen sich hier zu etablieren. Und wir haben auch doch relativ viele, über die letzten Jahre, Anfragen aus der Industrie, wo es drum geht, wir wollen alkoholfreies Bier bei uns etablieren, könnt ihr uns bei der Rezeptentwicklung helfen? Dann machen wir hier Versuchssude bei uns, ob das mit speziellen Hefen ist oder ob das gestockte Gärung sind, ob das Verschnittmöglichkeiten sind mit einem entalkoholosiertem Bier oder Ähnliches. Also da, für den Brauer ist es sehr kompliziert, ein alkoholfreies Bier, ein wirklich geschmacklich hochwertiges alkoholfreies Bier herzustellen, aber ich würde sagen, für den Kunden ist es im Endeffekt nur ein Zugewinn, weil er einfach dann noch mehr Möglichkeiten hat, hier ein gutes Getränk zu konsumieren.

Markus: Hast du da einen aktuellen Favoriten, was die beste Produktionsweise momentan ist oder ist es vielleicht die Mischung oder gibt es vielleicht bei euch irgendwas, was ihr grade so im Hexenkessel habt, was man demnächst vielleicht erwarten kann, was kommt?

Jan: Aktuellen Favoriten, da hatte ich ja schon gedacht, du fragst nach meinen lieblingsalkoholfreien Bier.

Markus: Auch gerne.

Jan: Ja, da weiß ich nicht, ob man das so … also es gibt ein, zwei auf dem Markt, die ich wirklich sehr gut finde, wo ich wirklich sage, die sind an dem Originalbier dran, das auf jeden Fall. Ich persönlich muss sagen, um da wieder zurück zu der Aussage, für den Brauer ist es extrem kompliziert, gutes alkoholfreies Bier herzustellen, sehe eigentlich die Chance hier nur da drinne, das es halt kombinierte Methoden sind. Also ich habe jetzt so die zwei Hauptmethoden, ich kann entweder Alkohol erst gar nicht erzeugen, sprich, eine gestockte Gärung machen oder ich kann Alkohol nachträglich entfernen. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Und grad die Nachteile, wenn ich dann beide verschneide, heben sich mehr oder weniger auf und führen dann dazu, dass ich hier wirklich ein gut balanciertes Bier auf den Markt bringen kann, was quasi nah an das Originalbier rankommt. Und deshalb sage ich bei Methoden immer, irgendwo eine Kombination zwischen einem gestockten Gären, einer Entalkoholisierung. Vielleicht noch ein bisschen mit Hopfen spielen, weil natürlich Hopfenaroma hier auch gut Fehlaromen überdecken kann und kommutieren kann. Also da gibt es für den Brauer sehr große Spielflächen, sehr großen Spielplatz, sich auszuleben.

Markus: Und spezielle Hefen spielen für dich weniger eine Rolle oder kommt das auch noch mit in den Topf?

Jan: Das kommt auch noch mit in den Topf, das zähle ich zu diesen biologischen Verfahren. Also nicht nur gestockte Gärung, sondern halt diese maltosenegativen Hefen, die halt keine Maltose verwerten können, dementsprechend einfach weniger Alkohol produzieren. Das sehe ich zum Beispiel als eine große Chance für grad kleine Brauereien, die natürlich nicht mehrere 100.000 Euro übrighaben, um in eine Entalkoholisierung zu investieren. Einfach mit dem richtigen Hefestamm in den normalen Gärtanks, im normalen Verfahren kann ich da ein alkoholfreies Bier herstellen und ist grad für kleine Brauereien hier eine sehr schöne Möglichkeit, noch zusätzlich Biertypen am Markt zu etablieren.

Markus: Finde ich auch sehr wichtig und für mich auch ein Punkt. Damit entfällt auch so ein bisschen diese Entschuldigung, die viele kleine Brauereien immer sagen, ja, wir können uns das nicht leisten, deswegen machen wir das nicht. Also da gibt es mittlerweile schon Möglichkeiten, zumindest mal in das Thema einzusteigen und sein Portfolio da entsprechend zu erweitern. Ja, also vielen, vielen Dank für deine Zeit und für die vielen Infos und für diesen Parforceritt sozusagen, sowohl durch die deutsche Biergeschichte als auch durch dein Leben und die vielen Stationen. Ich wünsche dir noch eine ganz schöne Zeit, einen schönen Sommer natürlich und viele gute Biere mit und ohne Alkohol. Und, ja, gibt es noch ein Reise-Highlight dieses Jahr für dich?

Jan: Das muss ich mal noch abwarten, was sich da entwickelt. Also aktuell steht jetzt erst mal für nächste Woche China an, da bin ich mal gespannt. Über die Pandemie war natürlich auch keiner von uns in China, mal sehen, wie sich das Land so in den letzten vier Jahren da entwickelt hat, wie da aktuell der Biermarkt aussieht. Also da bin ich schon gespannt. Ansonsten, wenn ich so meinen Kalender angucke, ist da auf alle Fälle noch Thailand mit dabei, Indien noch einmal. Nicaragua wird auch wieder spannend. Also da werden noch sehr viele Reisen auf mich zukommen dieses Jahr.

Markus: Wunderbar. Also safe travells, wie man so schön sagt und auf ein baldiges Wiedersehen in Berlin mal bei einem Bierchen.

Jan: Auf jeden Fall. Ich bedanke mich, vielen Dank.

Markus: Sehr gerne, vielen Dank auch, tschau.

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