Von seiner Frau zum Brauen verführt, arbeitete sich Christoph Riedel immer mehr in sein neues Hobby hinein und fand in dieser Welt eine ganz besondere Leidenschaft, das Bier der britischen Bierwelt. Dort ist er nun biertechnisch zuhause und hat seinen eigenen Youtube-Channel namens „The British Pint“ gegründet. Es versteht sich von selbst, dass in Christophs Hobbykeller, dann auch Bitter, Porter und Stout entstehen – und genau das verkosten wir dann auch im BierTalk…
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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir eine spannende Reise, wir gehen in die Welt des Hobbybrauens, aber auch in die Welt der historischen Biere, nämlich der britischen Biere. Und da haben wir einen ganz großen Spezialisten da, der auch einen eigenen YouTube-Kanal dazu hat, den Christoph Riedel. Und, ja, bin ich mal sehr gespannt, was er uns erzählen wird. Christoph, erst mal schön, dass du da bist und vielleicht stellst du dich kurz unseren Hörern selber vor.
Christoph: Ja, sehr gerne, erst mal vielen Dank für die Einladung. Ich, ja, bin der Christoph, das hast du ja schon gesagt. Mein YouTube-Kanal heißt The British Pint und ich habe da so ein bisschen versucht, britische Biere dem deutschen Publikum näherzubringen. Ja, ich bin vor drei, nee, vor vier Jahren in ich ins Bierbrauen, ins Hobbybrauen gekommen, weil meine Frau mir damals so ein kleines Set geschenkt hat zum Geburtstag und das hat sich sehr schnell verselbstständig. Uns, ja, wie das so meine Art ist, habe ich sehr, sehr, viel Material gesammelt über die Dinge, die ich mag und das ist eben das britische Bier. Und, ja, seitdem braue ich halt immer wieder und, ja, mache immer gerne neue Sachen.
Markus: Ja, absolut spannend und auch interessant, weil ja nicht jeder Deutsche automatisch etwas mit britischen Bieren anfangen kann, da gibt es also das ein oder andere Vorurteile, was so in der Gegend rumwabbert. Und vielleicht auch nicht jeder Hobbybrauer fängt grade mit den britischen Bieren an, aber das ist natürlich toll, dass du das machst. Und wir treffen uns da auch, weil ich wirklich ein großer Freund der britischen Biere bin, grade so der klassischen Biere, die man in den britischen Pubs bekommt, weil die halt einfach diese hohe Drinkability haben. Und da geht es nicht um extreme Aromen und um irgendwelche Vögel abzuschießen, sondern das ist einfach ein richtig schönes Bier. Und das freut mich immer wieder und ich erlebe das auch immer wieder gerne, in den Pubs dann da zu sitzen mit den Leuten. Und es ist ähnlich wie bei uns in Franken, du hast lange Tische, es kommen irgendwelche Leute zusammen, man trifft neue Freunde, redet über Gott und die Welt und merkt, dass man sich doch gar nicht so fern ist, auch wenn da eine Sprache vielleicht eine andere ist. Also insofern wirklich eine ganz tolle Geschichte. Ich glaube aber, deine Biergeschichte ist nicht nur vier Jahre alt oder wie kamst du denn zum Bier überhaupt?
Christoph: Nee, das ist bei mir tatsächlich ganz kurios, also ich war Zeit meines Lebens, bis ich in England war, davon überzeugt, dass ich Bier überhaupt nicht mag und dachte immer, ich wäre eher so der Weintyp. Bis ich dann hat in England was anderes probiert habe als Pils. Also ich kannte hier auch, obwohl ich ja im Rheinland wohne, nicht so sehr Alt und Kölsch, nur so nebenbei probiert und dachte so, ja, okay, ist auch was anderes. Aber mir war das immer alles viel zu bitter und zu wenig vom Rest. Und in England ist das ja genau, nein, nicht genau umgekehrt, aber es ist schon eine andere Balance da drin. Und dadurch, dass wir ja auch weit weg von Franken sind, gab es sowas wie ein Kellerbier, was ja zum Beispiel süffig wäre, auch nicht so sehr. Ja und in England bin ich dann in den erstbesten Pub rein spaziert und habe gefragt, was die denn da haben und ob man das mal probieren kann? Und dann habe ich von jedem Bier, was sie hatten, das waren, glaube ich, sechs Stück oder so, was vorgesetzt bekommen und durfte mich dann da durchprobieren und das war eine ganz neue Welt, die sich da mir entschlossen hat.
Markus: Wow, das ist ja spannend, also wirklich über diesen Umweg sozusagen zum Thema Bier gekommen. Und hast du denn von Anfang an so dieses Besondere von dem Cask Ale dort auch verstanden oder haben die dir das erklärt oder hast du das erst Stück für Stück erarbeitet?
Christoph: Ich denke, das hat einen großen Einfluss darauf gehabt, warum mir das Bier geschmeckt hat, denn das ist ja ein ganz anderer Charakter, der dadurch kommt, als wenn man das aus einem normalen Keg zapft. Und das war wohl auch Teil des Ganzen und das klappt natürlich auch nur, wenn man ein Bier hat, was dafür gemacht ist, für ein Cask. Ja und dann, denke ich schon, also mir ist aufgefallen, dass das ja natürlich weniger Kohlensäure hat, mir ist aufgefallen, dass das eine andere Temperatur hat, aber das passte halt alles zusammen und ich hatte da bisher nur gute Erfahrungen mit.
Markus: Und mittlerweile hat auch deine Familie sich damit angefreundet oder bist du da eher noch der Exot?
Christoph: Ja, das ist schon so ein bisschen schwierig, weil natürlich das ganze Haus dann, wenn man selber Hobbybrauer ist, auch schon mal nach Malz riecht, je nachdem wie gut die Dunstabzugshaube ist. Das ist immer mal wieder, da muss ich schon mal fragen, ne, habt ihr heute was vor oder seid ihr vielleicht doch Zuhause und so? Ansonsten, Biertrinker sind die alle nicht. Mein Frau sagt bei fast jedem Bier, es schmeckt oder es riecht nach Bier, je nachdem ob ich sie nötige auch zu probieren oder nur dran riechen lasse. Außer einmal bei einem Kaufbier, was ein heftiges Fehlaroma hatte, da hat sie tatsächlich den Kohl, den DMS rausgerochen.
Markus: Ja, das ist ja krass, Frauen haben sowieso die besseren Näschen für solche Dinge, das stimmt. Aber ihr fahrt nach England nehme ich mal an, regelmäßig jetzt auch in Urlaub, oder?
Christoph: Ja, genau, zuletzt waren wir im Juni da. Da habe ich dann auch zum ersten Mal ein bisschen Videomaterial dort gesammelt, wie ich mich da durch verschiedene Biere, die relativ bekannt sind, durchprobiere. Eine Sache ist ja, wenn man sowas Zuhause klont und man probiert dann mal ein Rezept von einer anderen Gegend, wo man nicht war, dann kriegt man das Bier ja dann meist auch nur in der Gegend. Und da waren wir jetzt halt mal im Norden Englands und schon gab es neue Biere zu entdecken. Und da konnte ich dann mal rausfinden, wie gut meine Clone-Rezepte waren, das war wirklich spannend.
Markus: Da waren wir ja ziemlich parallel unterwegs. Also ich war dieses Jahr auch wieder mal in England und habe erst die Tour gemacht von London nach Norden eben, Richtung Tatcaster, Leeds, unter anderem die Samt Smith Brauerei besucht. Und dann letzten Endes, weil ich keine Möglichkeit mehr hatte, nach Deutschland zurückzukommen zu einem bezahlbaren Preis, bin ich dann in Kent gelandet, wo mich dann meine Freundin mit einem Auto aus Bamberg wiederum besucht hat. Und wir haben dann da noch eine Woche verbracht und haben dann eben diese alte Hopfenregion erkundet, wo auch die alten Oast-Houses noch überall so rumstehen, also jetzt ja nicht mehr so viel Hopfen angebaut wird, aber zumindest so die Historie kann man da noch sehen. Und ich glaube, du warst dann auch in diesem Eck noch, oder?
Christoph: Ja, genau, wir sind angefangen in Kent, zwei Tage und sind dann nach Norden in den Peak-District gefahren. Also wir waren genau umgekehrt zeitlich unterwegs sozusagen.
Markus: Das ist ja sehr witzig. Ward ihr zufällig auch in der Hop-Farm?
Christoph: Ich habe, glaube ich, gesehen, dass eine Hop-Farm hieß. Die haben ja alle so einfache Namen, da ist es manchmal schwierig, aber ich glaube, da waren wir nicht, nee. Wir sind auch nur so durch die Gegend gegangen, also wir sind nicht zu einer speziellen Farm oder zu einer Brauerei gegangen.
Markus: Okay. Ja, also das kann ich nur generell empfehlen, also jetzt weniger, weil das jetzt so ein ganz besonders tolles Hopfenerlebnis ist, sondern da hat jemand praktisch so eine Art Vergnügungspark rund um das Thema Hopfen hingestellt, hat aber Oast-Houses aus ganz Südengland zusammengekauft und dort hingestellt. Und das ist ganz eindrucksvoll, weil da stehen halt 25, 30 Oast-Houses rum, die man sich anschauen kann und das ist einfach aus dieser Perspektive interessant. Also der Rest, Streichelzoo und Riesenrad und so, das ist jetzt nicht so spannend, aber das hat einfach was. Und insofern, also wer da in der Gegend ist, kann ich nur empfehlen, da mal vorbeizuschauen, ja.
Christoph: Ja, Oast-Houses habe ich auch viele gesehen, die sind da ja überall.
Markus: Ja, also das ist wirklich und das ist total faszinierend. Also vor allem, wenn man das dann einmal verstanden hat, wie das funktioniert hat und die die ausschauen, dann entdeckt man sie überall. Also dann auch in Belgien zum Beispiel oder sowas, merkt man das dann, zwar nicht so viele, aber das gibt es dann doch, also sehr spannend. Ja und auf deiner Bierreise, ist dir da ein Bier begegnet, was dich ganz besonders beeindruckt hat?
Christoph: Also was ich immer noch faszinierend finde, ich habe es aber erst selber gebraut und dann dort probiert, das war das Thimothy Taylor Landlord. Und zwar ist das deswegen so faszinierend, weil das nur 100 Prozent Golden Promis Pale Ale Malz enthält, also kein Karamellmalz oder irgendwas in der Art. das ist eine schottische Gerstensorte, ich glaube, Sommergerstensorte und die hat ein unglaublich gutes Aroma. Ich habe aber festgestellt, als ich mal hier ein Untergäriges damit brauen wollte, dass die, wenn man das hier dann bei vier Grad trinkt, wirklich wässrig schmeckt, richtig dünn. Das heißt, das ist wirklich so eine Gerstensorte, die bei Cask-Ale, was man ja bei zehn, zwölf Grad trinkt, richtig hervortritt und das ist schon ein tolles Bier.
Markus: Ja, das stimmt. Das Landlord kenne ich auch, mag ich, auch gerne. Und, ja, wie du sagst, man muss es wirklich vor Ort bei den üblichen Temperaturen trinken. Mag für den ein oder anderen vielleicht da eine Überwindung bedeuten, aber man gewöhnt sich dran und entdeckt dann auch an seinem Bier viel mehr noch Aromen, die wir oft hier bei unseren klassischen Trinktemperaturen überhaupt gar nicht feststellen können, obwohl vielleicht mehr Aroma drin sein mag, je nachdem.
Christoph: Genau, es kommt nicht an die Nase, ja, genau.
Markus: Richtig, ja. Und überhaupt auch, was du angesprochen hast, dieses ganze Thema historische Gerstensorten, da war ich, wann war denn das, 18 oder sowas, in Norwich, da gibt es ein Zentrum, das nennt sich John Ennes Center und die kümmern sich wirklich ganz gezielt drum, historische Gerstensorten wieder zum Leben zu erwecken.
Christoph: Habe ich schon mal gehört.
Markus: Genau und die Idee dahinter ist wirklich, dass man sagt, okay, es geht jetzt grade rund um dieses Thema Klimawandel darum, dass wir einfach mit dieser Wasserknappheit zu kämpfen haben und wir da Alternativen finden. Und wir haben halt Sorten, die sind hochgezüchtet, dass sie, in normalen Jahren, einen maximalen Ernteertrag haben. Bedeutet aber, dass sie in nichtnormalen Klimajahren eben einen minimalen Ernteertrag haben, der dann bis auf null runtergehen kann. Und diese historischen Gerstensorten, die schaffen zwar nicht so hohe Maximalerträge, aber sehr hohe Durchschnittserträge. Das heißt, die können halt auch mit wenig Wasser zurechtkommen oder mit anderen widrigen Bedingungen. Und da arbeiten die grade ganz viel dran und da gibt es ja einige, die aus diesem Programm auch schon entstanden sind und jetzt auch wieder benutzt werden. Auf den letzten Brau Beviale und so weiter, gab es da auch entsprechende Versuche und die Engländer sind da auch vorne dran. Also super spannende Geschichte. Wird ein bisschen getrübt durch dieses Brexit-Thema, weil natürlich grade die Gerstenbauern viel exportiert haben nach Europa und das jetzt alles sehr schwierig geworden ist, also hoffentlich findet sich da bald eine Lösung. Aber, egal.
Christoph: Ich bin mal gespannt.
Markus: Ja, also hoffentlich, weil, das ist wirklich sehr, sehr schade. Ich bin ein großer Fan von der Insel und auch für mich ist es wirklich blöd, ich importiere zum Beispiel auch unsere Fehlaromenkapseln oder sowas von dort und das ist mittlerweile so schwer geworden und teuer und zeitlich völlig unwägbar …
Christoph: Ja, furchtbar.
Markus: … das ist total schade einfach. Ja, aber du hast also einen YouTube-Kanal, The Britisch Pint. Wie reagieren denn Engländer da drauf, wenn du da unterwegs bist und denen das erzählst?
Christoph: Ja, habe ich mit Engländern schon viel darüber gesprochen? Gar nicht so sehr. Also ich denke, meine Zuschauerschaft, die teilt sich so in zwei Teile, nämlich auch englischsprachige Leute. Ich mache ja immer alle Videos auch mit entsprechenden Untertiteln und mache manche Videos ja auf Englisch, aber tatsächlich sind die Meisten, glaube ich, aus den USA, das sagt einen YouTube ja. Und so Briten sind da tatsächlich eine Rarität. Die meinen wahrscheinlich auch, dass sie das ja schon können, so zu brauen.
Markus: Also das kenne ich aus Franken.
Christoph: Kannst du dir das vorstellen, ja.
Markus: Das kenne ich wirklich aus Franken, weil hier ist es auch so, der Prophet im eigenen Land, also Wahnsinn. Egal, aber es gibt wirklich vier Millionen Franken und davon sind viereinhalb Millionen Biersachverständige, das ist irgendwie so, aber, egal. Und du machst du ja auch selber, mit deiner Hobbybrauanlage klonst du entsprechende Bierrezepte. Wo kriegst du die Rezepturen her?
Christoph: Ja, ich habe mit viel Glück aus England ein Buch gekriegt, was halt relativ vergriffen ist, also ich glaube, es ist auch schon ewig nicht mehr erhältlich. Von 1992 der Real Ale Armagnac, da sind 1.000 Bierbeschreibungen drin und da steht immer nur das drin, was die Brauereien wirklich auch abgegeben haben, aber dafür ist es halt eben 100 Prozent akkurat. Also manchmal steht nur die Schüttung drin, manchmal stehen nur die Zutaten ohne die Prozentzahlen drin, manchmal stehen nur die Hopfen drin, aber in vielen Fällen kriegt man halt doch eine sehr gute Beschreibung des kompletten Bieres. Und dann, wenn man sich dann noch um die Hefe kümmert, wo es ja auch viel Wissen in den Hobbybrau-Foren der Welt gibt, dann kommt man da schon sehr nahe an richtig gute Rezepturen.
Markus: Ja und ich glaube, jetzt müssen wir langsam mal in den flüssigen Teil unseres Interviews übergehen. Also du hast ja zwei wunderbare Biere mir geschickt. Also ich hoffe, sie sind wunderbar und ich gehe mal davon aus. Und zwar habe ich eine etwas kleinere Flasche, auf der steht Festival Mild clone, Gales Festival Mild clone übrigens und auf der anderen steht Gales ESB clone, die ist etwas größer. Mit welcher magst du denn anfangen?
Christoph: Wir sollten mit der Helleren, also mit dem ESB anfangen.
Markus: Dann fangen wir mit dem ESB an. Gibt es eine Story zu dem Bier?
Christoph: Also tatsächlich ist die Story wieder so ähnlich wie beim Bierbrauen, wie ich dazu gekommen bin, so ein bisschen das Gegenteil von dem, was man erwartet. Ich habe nach langem Suchen bei der letzten Reise einen Fuller´s Pub gefunden und Gales gehört seit 2006 zu Fuller´s. Und habe da erst das Fuller´s ESB probiert, was ich halt auch aus der Flasche kannte und was aus einem Cask unfassbar lecker ist. Also das intensivste Bier was ich so kenne, mit allen Aromen, intensiv Malz, intensiv Hefe, intensiv Hopfen. Und dann gab es, weil das ja die gleiche Brauerei ist, auch das Gales ESB und das war viel, viel schlechter. Und ich dachte mir, das kann ja gar nicht sein und habe das deswegen, aus Trotz sozusagen nochmal nachgebraut. Und siehe da, es ist wirklich ein sehr gutes Bier, was da auch neben dem ESB von Fuller´s nicht verblasst.
Markus: Also das ist ja sehr spannend, bin ich jetzt gleich mal auf das Versuchen gespannt. Im Zweifelsfall müssen wir uns dann mit John Keeling mal treffen und das dann probieren.
Christoph: Ja, wir müssten ihn mal fragen, was da los ist? Ich habe tatsächlich gehört, dass seit der Übernahme von Gales die Biere nicht mehr so gut sein sollen wie früher. Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt begründet ist. Aber das kann auch an so Sachen liegen wie zum Beispiel, dass Fuller´s einfach eine andere Prozedur hat. Und es gibt ja das, je höher die Ausbeute ist, desto wässriger schmeckt das Bier, weil sich halt mehr Zucker im Bier bindet, aber die Proteine sind relativ schnell schon zu 100 Prozent im Bier und da wird es im Durchschnitt dünner.
Markus: Ja, genau und Fuller´s hat auch tatsächlich einiges geändert, seitdem die Japaner da am Ruder sind, also auch an der Führung zum Beispiel, an den Inhalten, genau, also das hat tatsächlich einiges verändert. Und ich kann mir vorstellen, dass das durchaus auch was mit den Bieren zu tun hat. Und ich habe ja auch den BierTalk mit dem John Keeling schon gemacht, der da auch ein bisschen andeutet also. Mit dem habe ich vereinbart, dass wir uns nächstes Jahr wiedertreffen, da kann ich ihn ja nochmal etwas intensiver fragen. Also gut, jetzt machen wir hier mal auf und schauen mal, wie viel die Tastatur überlebt. Ha, das war schon mal ordentlich, wunderbar.
Christoph: Das sollte gut körperlisiert sein. Ja, also das ist jetzt nicht typisch Englisch, sondern das ist ein bisschen mehr, einfach weil ich das ja auch jederzeit genießen möchte und Leuten geben können möchte, ohne dass man sagt, ja, jetzt bitte bloß bei der Temperatur trinken und auch nicht nur warm werden lassen, sondern da im extra dafür hergestellten Kühlschrank stehenlassen und so, das geht ja doch relativ selten.
Markus: Ja, das stimmt, also.
Christoph: Ich kann zu dem Bier noch ein bisschen was sagen, das ESB steht für Horndean Special Bitter. Der Ort Horndean ist da, wo die Brauerei früher war, das ist kurz vor der Südküste in England. Und, ja, die Brauerei ist halt aufgelöst mittlerweile, weil einfach die Rezepte und die Zutaten nach London gewandert sind zu Fuller´s und dort wird eben dann das Bier gebraut.
Markus: Ja, sehr spannend. Also schon mal von meiner Warte her, ich weiß ja nicht, wie es bei dir ausschaut, aber ich habe einen fantastischen Schaum. Also das ist für ein englisches Bier ja wirklich auch sehr ungewöhnlich. Also wunderbar, richtig schön dicker, fester, leicht cremefarbener Schaum. Das Bier selber hat eine ganz schöne, so eine rötliche, ockerbraun-rot Note, ganz, ganz spannend. Natürlich auch trüb, das heißt, so ein bisschen schimmerig, glänzt mich etwas an, so etwas geheimnisvoll.
Christoph: Ja, die Chinchilla, das ist so eine Sache, die ich immer habe, weil die Engländer ja nur einfache Kombirast machen, da gibt es keine Eiweissrast, sondern es ist nie ganz klar. Das ist aber halt da typisch, die Engländer filtern das dann einfach, ne.
Markus: Absolut, ja, Ja, es kommt drauf an, also entweder lassen sie es auch länger stehen, also was immer weniger passiert, aber das ist ja eigentlich der klassische Weg und dann haben sie ja noch ihre diversen Mittelchen, Hausenblase oder was man sonst so verwendet, um dann entsprechend zu klären. Nee, finde ich aber auch gar nicht schlimm, also ich mag ja sowieso als Franke die unfiltrierten Biere, insofern, mich holst du da völlig ab. Also in der Nase habe ich ganz viel so eine Mischung aus malzigen Noten und zwar so richtig schön, so wie Malzbonbons, so ein bisschen auch mit karamelligen, ja, ein bisschen Toffee, in so eine Richtung. Und auf der anderen Seite habe ich auch so blumige Noten und fruchtige Noten, das sind dann so rote Beeren, wenn ich an Brombeeren denke.
Christoph: Ja, die nehme ich auch wahr, genau. Ich vermute, dass das die Hefe ist.
Markus: Ja, bestimmt.
Christoph: Die Hefe ist die Wyeast 1332 und die heißt nordamerikanisches Ale oder sowas in der Art, die ist aber wohl original aus der Gales Brauerei und ist dann über Umwege in die Datenbanken gekommen.
Markus: Ja, das ist sowieso noch ein ganz anderes spannendes Thema, diese ganzen Hefevermarktungsinstitute, wie die sich Hefen besorgt haben, wie sie sie dann umbenannt haben und so weiter. Also wie du sagst, man muss der Sache dann auf den Grund gehen und steht was völlig anderes auf dem Etikett drauf als was da eigentlich drin ist.
Christoph: Ja, ganz genau.
Markus: Also zum Beispiel auch bei Saisonhefen und sowas, das ist eine ganz krasse Nummer, aber, ja, also weiter hier zu diesem schönen Bier. Und, ja und dann hinten raus haben wir dann aber auch noch ein bisschen sowas vom Hopfen, also wirklich eine sehr schöne Kombination aus all diesen Aromen. Jetzt bin ich mal gespannt. Hm, sehr fein, also tatsächlich sehr britisch vom Geschmack her, das mag ich aber eben auch gerne. Das heißt, wir haben erst mal den malzigen Antrunk, erinnert einen durchaus auch an ein Brown Ale vielleicht. Also nussig auch ein bisschen, ein bisschen vielleicht sogar fast schon Kastanie, also in so eine Richtung.
Christoph: Ja, es ist Marris Otter und ein bisschen Karamellmalz.
Markus: Ah, wunderbar. Und dann so ein bisschen das cremige Mundgefühl, das gefällt mir auch sehr, sehr gut. Und das bleibt dann auch lange im Mund und wenn man dann so runterschluckt, dann merkt man so nach und nach, okay, jetzt ist auch der Hopfen noch im Spiel und der kommt so von den Seiten der Zunge und fängt an, so ein bisschen auszutrocknen und bleibt dann relativ lange da und hat sowas Grasiges, Grünes, ja, auch sehr angenehm. Und im Nachgang bleiben für mich wieder diese fruchtigen Aromen, also Brombeere, Blaubeere, Erdbeere sogar, also so eine Kombination. Was natürlich schon zu dem Malzthema passt, also ein sehr rundes und gelungenes Bier, Prost, danke.
Christoph: Ja, Prost. Ja, ich habe auch den Eindruck, dass das einfach, diese drei Komponenten, ähnlich wie ich das eben beim Fuller´s Bier sagte, wirklich sehr gut zusammen bringt und sich nicht verstecken braucht.
Markus: Ja. Und es gibt tatsächlich so einen typisch britischen, ja, sage ich mal, Ale-Geschmack, das klingt jetzt ein bisschen sehr allgemein, aber ist es so ein bisschen, den man hier auch wirklich feststellen kann. Also das ist, zieht sich ja so ein bisschen durch, wenn man durch die Pubs geht, egal was man da jetzt nimmt, so ein Grundrauschen irgendwie, das hat man überall.
Christoph: Ja, genau.
Markus: Und das ist hier auch da. Und, ja, also ich finde auch wirklich diesen Mut zum Malz, das finde ich einfach schön. Weil, das haben unsere Brauer so ein bisschen aufgeben, hat man so den Eindruck, zumindest die größeren, das man wirklich die Malzaromen leben lässt und da dieses Karamellige, Nussige, das einfach, ja, schön präsentiert und mit dem Hopfen eher so abrundet, das es am Schluss schön trinkbar wird und man nicht satt wird davon.
Christoph: Ja, genau.
Markus: Aber es ist eben wunderbar da also.
Christoph: Ja und es ist grade nicht zu süß, finde ich. Also es gibt ja auch Biere, die dann zu süß sind. Hier ist es sehr malzig und grade noch sehr gut, grade genau richtig.
Markus: Ja, wenn man jetzt mal auf die andere Seite fragt, du hast es ja auch gebraut, wenn du so mal in kurzen Sätzen wiedergeben könntest, wie entsteht so ein Bier bei dir? Also wie geht es los, was passiert da, wie lange dauert das und wann ist es dann soweit, dass wir es trinken können?
Christoph: Also Rezeptsuche ist tatsächlich ein riesen Teil, der dauert natürlich ziemlich lange, auch genau zu wissen, welche Zutaten jetzt da Sache sind. Und natürlich ist es immer hilfreich, wenn man nicht nur das Rezept aus den 90ern hat, sondern auch guckt, ob sich das Rezept nochmal verändert hat. Da sind dann zum Beispiel Webseiten von den Brauern ganz hilfreich, von den Brauereien. Ja und dann das Brauen selber, ich habe so einen wirklich sehr einfachen Maischekessel, ich glaube, der heißt Braufreund oder sowas, der einfach wie so ein Suppentopf die Temperatur halten soll und unten ist ein kleiner Auslaufhahn dran. Und ohne Läuterblech oder Läuterhexe mache ich da mein Läutern, das klappt wirklich immer, dass es nicht zu dick ansetzt. Und dann lasse ich das halt auch durchläutern, ohne dass ich da groß bei bin und dann ist das sehr bequem und einfach. Ich mache ja grad meistens auch relativ kleine Mengen. Also wenn ich wirklich viele Biere im Jahr durchhauen will, dann mache ich auch gerne mal vier oder fünf Liter nur in einem Sud und gucke mir dann ganz genau an, ob der mir so schmeckt. Und wenn er dann gut ist, dann kann ich den ja jederzeit nochmal neu brauen. Ja und dann, bis zum Läutern bin ich so in zwei Stunden durch, also ich maische eine Stunde und dann läutert das eine Stunde. Und das Kochen ist dann meistens 90 Minuten, weil das einfach in den Rezepten von früher in England immer so drinsteht, manchmal aber auch 60 Minuten. Und die Hopfung ist ja bei solchen Bieren auch relativ einfach. Das war früher immer ein Bitterhopfen und ein Aromahopfen. Bei den komplexeren Bieren wie diesem hier, sind es dann vielleicht mal zwei Bitterhopfen und zwei Aromahopfen und Aroma bedeutet immer die letzten zehn Minuten. Und dann ist man halt in vier Stunden ungefähr, ist man durch mit allem.
Markus: Na, das klingt doch schon mal gut. Und dann?
Christoph: Ja, genau, dann, ich lasse meine Biere meistens bei konstanter Umgebungstemperatur gären, also ich habe jetzt keine große Gärführung. Das heißt, ich suche mir den Raum. Also im Winter ist es ja einfach, da stellt man die Heizung richtig an. Im Sommer hatte ich mal ein, zwei Biere, da wurde es richtig knackig, weil, dann hatte ich auch Hefen, die sollten eigentlich nicht bei 22 Grad sein. Bei dem Bier, das war jetzt das Erste nach dem Sommer, was richtig gut geworden ist, 20 Grad Umgebungstemperatur. Bei meinen kleinen Mengen bedeutet das fast immer, dass im Bier auch 20 Grad herrschen. Und da ist die Hefe perfekt für und dann gärt das richtig schön vor sich hin, die englischen Hefen sind ja sauschnell. Nach einer Woche fülle ich dann meistens schon ab in so ein kleines 5-Liter-Partyfässchen, tue ein Sicherheitsventil drauf. Und wenn das jetzt eine Hefe ist wie die Meisten, dann flockuliert das ja auch so stark, dass das schon klar ist. Das hatte ich bei der jetzt nicht, die ist, obwohl sie als starker Flockurlator beschrieben ist, sehr lange in der Schwebe gewesen, deswegen hast du auch noch was in der Flasche, nehme ich an, im Glas hoffentlich nicht. Ja und dann lasse ich das meistens, je nach Stärke, vier Wochen in diesem Partyfässchen bei Zimmertemperatur. Denn die Engländer, die lassen ja nicht bei vier Grad reifen oder so, wenn die Nachgärung durch ist, die machen das meistens bei zwölf Grad, manchmal eben auch wärmer, und ich mache es halt extra schnell bei Zimmertemperatur. Und dann kommen die in Flaschen und dann sind sie natürlich dann kalt, damit es nicht zu schnell altert.
Markus: Tja und dann kommt es irgendwann sogar in Franken an, also sehr, sehr schön und interessant. Und diese besonderen englischen Zutaten, also ich denke da jetzt zum Beispiel an den Brauzucker, also die nehmen ja auch Zucker zum Bierbrauen dazu. Oder jetzt auch zum Beispiel beim Hopfen, da habe ich zumindest in den meisten traditionellen englischen Brauereien gesehen, dass der Hopfen durchaus länger rumsteht und schon ein paar Jahre auch alt ist. Also versuchst du da auch Dinge selber zu machen oder zu emulieren?
Christoph: Brauzucker auf jeden Fall. Also ich glaube, hier in diesem ist, ich habe das Rezept jetzt grad nicht zur Hand, ich meine, es sind fünf Prozent Rohrzucker auch drin. Einfach, weil das damals so war, da habe ich jetzt nicht geguckt, ob die das heutzutage noch machen. Viele Brauereien haben aufgehört mit Brauzucker. Es gibt auch Vorgaben von verschiedenen von diesen Cask-Zertifizierungsprogrammen, die Reinheitsgebot wollen, also die wirklich dann Hopfen, Malz, Hefe und Wasser als Zutaten haben möchten. Aber die Klassiker sind ja diese Invertzucker, die man selber herstellt, da hat man Invertierzucker mit ein bisschen Zitronensäure und kocht den dann bei 115 Grad bis zu drei oder vier Stunden. Und je nachdem wie lange man das macht, kriegt man verschiedene Farben und die sind unfassbar lecker, die Dinger. Und da gibt es dann halt verschiedene, ja, verschiedene Stufen. Also die ganz Dunklen mit 400 bis 600 EBC, die sehen ja fast verbrannt aus, schmecken unglaublich nach Johannisbeere und Brombeere und das merkt man im Bier auch.
Markus: Das stimmt, ja, da unterstützt ja nochmal diese Aromen, von denen wir grad ja auch schon gesprochen haben, die aus der Hefe kommen.
Christoph: Genau.
Markus: Und ist das dann nicht eine unglaublich klebrige und zähe Angelegenheit, wenn man den da im Topf gekocht hat?
Christoph: Och, das geht. Also ich packe den in einen Schöpflöffel immer rein, abgewogen und dann, die letzten fünf Minuten kommt der wieder rein und mit dem Kochen, ist das kein Problem, der löst sich sehr schnell auf.
Markus: Ja, nee, ich meinte jetzt auch, wenn du den selber herstellst vorher.
Christoph: Oh ja, doch. Ja, das kommt drauf an. Also es gab einen Trick im Hobbybrauforum, das ich wirklich nur jedem empfehlen kann für alle solche, die Tipps und Tricks, man stellt einfach den Topf, nachdem er die richtige Temperatur hat, in den Backofen und schon macht sich das Ding von alleine, eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Und dann muss man es nur noch raus gießen, wenn der unter 100 Grad ist und kann den, wenn man möchte, noch mit ein bisschen Wasser verdünnen.
Markus: Das ist ja nicht schlecht.
Christoph: So, dann gießt man den. Ja, das ist super sauber, also da passiert dann gar nichts mehr mit.
Markus: Na, habe ich wieder was dazugelernt. Ich sage ja, jeder BierTalk ist ein Gewinn, so oder so.
Christoph: Ja.
Markus: Sehr, sehr spannend.
Christoph: Ja, muss man auch wissen sowas, genau.
Markus: Eben, also das ist genau der Punkt, man muss es wissen. Und grade Hobbybrauer haben ja teilweise wirklich faszinierende Anlagen und Ideen und sind da sehr kreativ. Wir haben ja unter anderen zum Beispiel auch mit dem Florian Erdl gesprochen, den habe ich vor Kurzem mal Zuhause besucht. Und der hat im Keller, glaube ich, eine Anlage, da würde die ein oder andere Brauerei sich vielleicht die Finger danach lecken. Aber der experimentiert halt auch viel mit allem Möglichen, zum Beispiel Hopfenprodukten, was es da so eben alles gibt oder anderen Zutaten. Das ist schon sehr spannend und soweit bin ich in meiner Hobbybrauerkarriere nie gekommen und werde ich auch nie kommen, weil ich einfach dafür kein Händchen habe. Ich kann es trinken, ich kann es beschreiben und ich weiß, wie es theoretisch funktioniert, aber ich habe noch kein einziges vernünftiges Bier zustande gebracht, muss ich sagen. Ja, aber das liegt bei mir einfach an, ich bin nicht so der ganz exakte Typ, was so Zahlen und Nummern und Temperaturen und was weiß ich was angeht.
Christoph: Ja, da muss man Interesse für haben, genau, da muss man so ein bisschen zahlenfanatisch, ja.
Markus: Genau und der Mathematiker vor dem Herrn war ich noch nie und insofern, naja. Wobei ich ja sagen muss, also zum Beispiel in Norwich war ich auch in einer Brauerei dort und da haben die zum Beispiel erzählt, sie haben kein Thermometer im Einsatz, sie benutzen immer noch die alte Methode mit dem Ellenbogen.
Christoph: Ach ja, habe ich gelesen, vor 100 Jahren und so, steht das in Texten. Wow, wow!
Markus: Ja, also Wahnsinn. Und die haben zum Beispiel auch Hopfen gehabt, der da dreieinhalb Jahre rumstand und den haben sie noch verwendet zum Brauen und grade den, also das ist wirklich eine …
Christoph: War der gekühlt oder war der ungekühlt?
Markus: Nee, nee, ganz ungekühlt.
Christoph: Oh, das ist aber ungewöhnlich, ja.
Markus: Ja, wobei, ich muss sagen, also bei den traditionellen Brauereien, also jetzt zum Beispiel bei Sam Smith im Sommer war ich auch da und dann war da ein Hopfenraum, der war auch nicht gekühlt. Stand halt auch so ein Ballen Hopfen rum, wo man halt offensichtlich von oben immer was raus gebrochen hat. Und, naja, ich meine, das ist ja so, manche Stoffe bauen sich ab. Das ist vielleicht sogar ganz gut, werden ja auch für die belgischen Biere ganz bewusst so genutzt und das andere funktioniert vielleicht grade mit diesen englischen Rezepturen besser. Ich weiß es nicht, aber, also auf jeden Fall es ist spannend. Also liegt vielleicht auch ein bisschen daran, dass eben auf dem Land in England, die hatten keinen Krieg und keine Zerstörung durch einen Krieg, die hatten nicht diese krassen Wirtschaftszusammenbrüche, die wir hier auf dem Kontinent hatten. Und das heißt einfach, vieles dort ist halt noch so wie vor 150 Jahren, also angefangen von der Straße, über die Hecke, bis zu den Häusern und dann letzten Endes eben auch der ein oder anderen Brauerei. Und dadurch konserviert sich da auch viel und das macht ja auch den Charme aus.
Christoph: Ja, die Verfahren sind definitiv noch sehr traditionell. Man muss aber sagen, dass die ja, was die Stammwürze und sowas angeht, viel mehr unter den Weltkriegen gelitten haben als wir. Also ich habe Letztens noch in einem Interview zum Thema Ludwig Narziß, der jetzt vor Kurzem gestorben war, gelesen, dass er mal beschrieben hat, wie 1949 alle Regeln von wegen einsparen von Gerste und anderen Materialien aufgehoben wurden und schon waren die alten Rezepte wieder dran. In England hat sich das Bier nie wieder erholt nach dem Zweiten Weltkrieg, wo richtig Stammwürze verloren ging und die brauen immer noch deswegen leichtere Biere als früher, wo das auf einem Niveau war, wie wir das heute haben. Stattdessen hat man das weiterentwickelt und macht jetzt perfekte Leichtbiere sozusagen. Es kommt halt aus Mangel, man muss den Hintergrund wissen. Das ist genauso, wenn man da ein Müsli kauft und dann steht da als Zutat verstärktes Weizenmehl drin. Das hat Winston Churchill eingeführt, weil die keine Milch hatten, man hat deswegen Kalk in das Mehl gemischt. Und das benutzen die immer noch teilweise, das ist schon heftig.
Markus: Krasse Sache. In Belgien hat man es ja andersrum, da haben sie die Spirituosen verboten und dadurch haben die Brauereien immer stärkere Biere gemacht.
Christoph: Ah, okay.
Markus: Also da hat sich die Sache so ein bisschen umgedreht. Wobei da natürlich dann auch, also das ging dann eben bis zum Zweiten Weltkrieg und danach oder beziehungsweise durch die Folgen des Krieges, ist dann eben auch das Thema Stammwürze extrem eingebrochen und hat auch da für entsprechende Reduzierung bei dem ein oder anderen Bier gesorgt. Aber es ist auf jeden Fall auch ein interessantes, spannendes Thema, was grade solche Ereignisse für Auswirkungen dann auf die Brauwirtschaft haben und wie das langfristig dann auch wirkt, super spannend. Apropos super spannend, wir haben ja noch ein Fläschchen.
Christoph: Ja, genau.
Markus: Also ich habe das Erste zwar noch nicht ausgetrunken, aber du hast mir ja glücklicherweise welche mit einem Bügelverschluss geschickt, sodass ich die wieder zumachen kann und heute Abend trinken kann.
Christoph: Das ist sehr charmant, ja.
Markus: Ja, das hast du wunderbar gemacht. Und dann haben wir hier noch ein Malt clone und ich glaube, den werde ich nochmal probieren. Vorher vielleicht noch die Frage, also jetzt, wir zeichnen es grade auf, das ist Ende Dezember, kann man ja ruhig sagen, also gesendet wird erst in zwei, drei Monaten, aber da läuft ja grade in England so eines der sportlichen Haupt-Events, nämlich die Darts-WM. Schaust du die auch ab und zu an?
Christoph: Nee, Darts ist gar nicht so meins. Meine Frau guckt aber sehr oft Pferderennen.
Markus: Ah, okay, gut.
Christoph: Und wir kriegen auch englisches Fernsehen hier über Satellit, einen, der besonders ausgerichtet ist, können wir alles jederzeit mitkriegen.
Markus: Okay, spannend. Also ich bin ein großer Darts-Fan mittlerweile geworden, muss ich sagen und da kriegt man natürlich auch viel von dieser britischen Kultur mit und, in Anführungsstrichen, auch von der Bierkultur. Weil, wenn die da alle in ihrem All Pally sitzen, dann haben die natürlich auch das ein oder andere, oder noch eins und so weiter, Bierchen, aber egal. Also gut, schauen wir mal dieses schöne Mild an, ich mache mal auf, Moment. Wieder ein wunderbarer Sound.
Christoph: Ja.
Markus: Ich meine, da muss man ja erst mal überhaupt überlegen, was ist überhaupt ein Mild? Also ich glaube, viele Hörer werden das so gar nicht kennen, also das ist einer der ältesten britischen Bierstile sozusagen. Und man könnte es am ehesten bezeichnen als ein eher dunkles Bier, eher malzbetontes Bier. War so ein bisschen das Gegenstück zu den Stock Ales, also die länger gelagerten Biere, die es dann in dieser Zeit gab und ist so ein bisschen die Urmutter für viele britische Bierstile, die wir heute so kennen. Und es lebt eigentlich nur noch in Black Country, das ist so um Birmingham, so in dieser Region, also da, wo viel Kohlenarbeit und so weiter auch war, wie Bergbau und ansonsten kriegt man es eigentlich kaum. Und ich hatte das Glück, bei Sam Smith zum Beispiel das Dark Mild aus einem Holzfass zu trinken, das fand ich legendär, muss ich sagen. Aber man kriegt eben wenig gute Milds oder fast überhaupt gar keine auf dem freien Markt. Und, ja, jetzt schauen wir mal hier. Also wir haben natürlich ein noch etwas dunkleres Bier als das von eben. Auch der Schaum ist noch etwas dunkler, er ist aber wieder sehr schön, also steht auch immer noch sehr schön bei mir im Glas, das ist wunderbar. Und die Farbe, würde ich jetzt sagen, das ist so, na, so zwischen Haselnuss und, was ist denn noch so braun, ein bisschen dunkler, Kastanie, irgendwie so dazwischen. Also es hat nach wie vor, einen kleinen Rotstich hat es, aber eine sehr, sehr schöne braune Farbe. Wenn das Schokolade wäre, würde ich sofort reinbeißen, sagen wir mal so.
Christoph: Also es ist gefärbt mit, wenn ich dich kurz unterbrechen darf, mit drei Prozent Black Malt.
Markus: Ah.
Christoph: Und nach Spezifikation hat es deutlich mehr EBC, 140 sollten es sein. Und ich vermute, da ist dieser Caramel for Coloring, dieser hocheingekochte Zucker, der pechschwarz ist, im Spiel. Den ich natürlich hier nicht oder noch nicht habe, vielleicht mache ich den mir mal irgendwann. Ich wollte das jetzt aber auch kein Zuckercouleur rein schütten, was manche als Ersatz sehen, sondern habe mich wirklich nur an die Schüttung gehalten, weil Farbe ist ja nicht so das einzig Wahre.
Markus: Nee, nee, es ist schon, es passt ja perfekt. Also ich meine, es ist ja sowieso so, das versuche ich auch unseren Leuten immer zu sagen, dieses ganze Thema Bierstile, das ist etwas, darüber reden wir vielleicht seit 30, 40 Jahren intensiv.
Christoph: Genau.
Markus: Davor hat es ja niemanden interessiert, also die haben halt einfach ihr Bier gemacht, Punkt. Und das dann zu dem ein oder anderen Stil gepasst hat und so, das ist nochmal eine andere Nummer. Aber auch, also selbst heute noch bei uns in Franken, die schreiben alles Mögliche auf ihre Flaschen drauf, weil das halt einfach ihr Bier ist und da interessiert keinen, wie die Bittereinheiten oder solche Dinge sind.
Christoph: Ja, genau.
Markus: Und dementsprechend muss man das Mild, glaube ich, auch einfach nur als eben eher malzbetontes leichteres Bier sehen. Was natürlich eher dunkler war, aber ich glaube nicht, dass man da jetzt einen Farbwert zu Grunde legen kann, stelle ich mir zumindest schwer vor.
Christoph: Ja, man muss auch natürlich unterscheiden zwischen dem Mild um das Jahr 1900 und das Mild um das Jahr 1800 und das Mild heutzutage. Also heutzutage ist dunkel für ein Mild typisch. Vor 100 Jahren war das noch überhaupt nicht so, da fing das grade erst an, da war das genauso hell wie ein Pale Ale.
Markus: Richtig.
Christoph: Das war das Gleiche. Und eine andere Sache, die man vielleicht noch erklären muss an der Stelle, der Name Mild, der kommt daher, dass alles, was wir heutzutage trinken, außer ein paar belgische Biere, sind alle Mild, nämlich ohne Brettanomyces und nicht ein Jahr lang im Eichenfass gereift, das ist alles immer Mild. Und heutzutage ist das natürlich ein eigener Stil, der was Eigenständiges ist, das war früher nicht üblich.
Markus: Perfekt.
Christoph: Da gab es also Mild Porter, Mild Ale, Mild, was weiß ich, Brown Ale und sowas alles.
Markus: Ja, genau, also das war der große Gegensatz, also einmal das Stock Ale, alles was irgendwie gelagert war und in der Regel eben auch mit Brett und eben das andere, das Mild. Aber jetzt, lass uns doch mal … hast du sie eigentlich parallel auch da oder hältst du dich grade alkoholisch etwas zurück?
Christoph: Ich habe es tatsächlich, ich habe es die letzten Tage getrunken, das war meine letzte Flasche, weil ich ein anderes Bier für heute mir vorgenommen hatte und zwar einen Barleywine, den ich vor einem Jahr gebraut habe.
Markus: Oh! Na gut.
Christoph: Und da dachte ich, der wäre auch ganz gut. Kann ich gleich noch was zu sagen.
Markus: Wollte ich grade sagen, den kannst du dann ja nachschieben. Also dann erzähle ich hier mal ein bisschen, was ich hier in der Nase habe. Also wir sind noch ein bisschen mehr in dieser Toffee-, Schokoladenrichtung unterwegs. Jetzt weiß ich nicht, ob unsere Hörer das noch kennen, ob du das kennst, vielleicht schon eher. Es gab früher so Bonbons, die hatten so ein Spiralmuster und es gab helle und dunkle, beides war Toffee und die dunkleren, die haben genauso geschmeckt und gerochen wie das hier jetzt.
Christoph: So zähes Karamell, ja, das kenne.
Markus: Richtig, genau. Oder wenn man sich ein Werthers Echte in dunkler Schokolade vorstellt, die gab es auch mal. Ich weiß nicht, ob es die noch gibt, aber in so eine Richtung. Also schöne schokoladige, eher Nougatnoten auch, also da sind wir wieder ein bisschen bei diesem Nussigen. Richtig intensives Karamell, aber sehr weich, ein bisschen sogar vanillige Noten und auch wieder ein bisschen Beeren. Also weniger, vielleicht eher so ein bisschen Blaubeere, aber auch ein bisschen da. Jetzt probiere ich mal.
Christoph: Ja, die Hefe ist ja die gleiche, genau.
Markus: Also vom Mundgefühl her ähnlich, auch sehr weich, sehr cremig. Ich würde sagen, vom Gefühl her nicht so bitter. Also es ist natürlich Bittere da, die kommt auch hinten raus, aber es wirkt ein bisschen weniger. Und am Anfang sehr cremig, sehr schön diese schokoladigen süßen Malznoten. Vom Körper her würde ich es auch ein bisschen schwächer einschätzen als das ESB von eben, aber natürlich diesen Stil Mild, also wie er jetzt als Stil praktisch so steht, natürlich genau richtig, also als sehr schönes, angenehmes Trinkbier. Und ich finde wirklich dieses Spiel zwischen diesen verschiedenen Malzaromen, das gefällt mir sehr gut. Weil, es ist dann mal eher süß, dann ist mal eher so Richtung also zuckersüß, dann eher Karamell, dann kommt die Schokolade, dann hat man sogar ein bisschen röstige Aromen, dann kommen wieder so nussige Töne.
Christoph: Also ich fand es auch ein unglaublich komplexes Bier und war richtig überrascht. Weil, ich habe schon öfter dunkle Biere gebraut und ich vermute, die Hefe macht irgendwas besonderes Tolles mit den dunklen Komponenten da, dass es so richtig gut zusammenpasst, weil es ist echt lecker.
Markus: Ja, also ist es, hast du auch, auch sehr gut hinbekommen. Also wenn du jetzt eine Brauerei wärest, dann könnte man diese Biere auch entsprechend empfehlen. Kommen denn Leute dazu, mal deine Biere zu trinken, gibt es da Möglichkeiten?
Christoph: Ja, also jetzt hatten wir grade wieder so eine Aktion im Hobbybrauforum, Beers of Christmas. Da hat jeder, das sind so zwölf Rezepte von Randy Mosher mit besonders weihnachtlichen Gewürzen oder irgend so einen weihnachtlichen Twist dabei. Und da haben zwölf Leute dann jeweils ein Bier gebraut und man schickt sich das untereinander zu. Das heißt, ich habe dann elf Biere von den anderen bekommen und die haben natürlich dann auch was von mir bekommen und konnten das probieren. Also unter solchen Bedingungen schon, ich habe natürlich keine Brauerei, wo ich das jetzt groß verkaufe.
Markus: Was hast du für eins gemacht von diesen Christmas-Beers?
Christoph: Das war das Fruitcake Old Ale mit Trockenfrüchten, richtig vielen Trockenfrüchten und dann so acht Prozent. Und ich habe das, glaube ich, im Mai abgefüllt und dann jetzt im Dezember probiert, damit es auch ein richtiges altes Bier ist.
Markus: Wow, jetzt bin ich neidisch. War es auch gut, wie haben die anderen drauf reagiert?
Christoph: Doch, ich habe schon ein paar gute Kommentare bekommen, ja. Ich hatte das Mal, also das ist auch wieder sowas von den Videos, die ich jetzt grad mache, mit den anderen zusammen im Vergleich getrunken. Da war meins tatsächlich ziemlich schwer. Also es gab ein paar andere, die waren so richtig leicht, trotz des hohen Alkoholgehalts. Und meins war schon ziemlich heftig, weil, die Früchte wurden auch nicht weniger mit der Zeit, da kommt ja dann noch Sherry-Note dazu, diese Alterungsaromen. Und es ist schon, da kann man nur so 0,2 am Tag von trinken.
Markus: Ja, also auf jeden Fall, das ist jetzt nix für drei Halbzeiten eines Fußballspiels.
Christoph: Genau, ja, ja, so ist es.
Markus: So ist es, genau. Aber was waren sonst noch von den anderen für Bierstile dabei, bei diesen Craftbeers?
Christoph: Das ging von Double, Triple, Quadrupel. Da war ein Gruit Ale, da war ein Ingwer IPA, solche Sachen, also richtig viel.
Markus: Gibt es eins, wo du sagst, das war dein Favorit, das ist so richtig gut geglückt?
Christoph: Ja, es gibt so zwei, drei, die waren richtig gut, eins war ein Coconut Triple. Das sollte eigentlich ein Safran Triple sein, aber der Brauer sagte, er hat es letztes Jahr schon mit Safran gemacht und hatte halt Kokosnuss rein gehauen mit so einem ganz speziellen Verfahren. Unglaublich lecker!
Markus: Also das stelle ich mir jetzt auch sehr spannend vor. Ich war vor Kurzem ja in Belgien beim Kerst Bierfestival, wo die ganzen belgischen Weihnachtsbiere präsentiert werden in Essen. Das ist so eine kleine Stadt, die auch Essen heißt, aber nichts mit dem deutschen Essen zu tun hat. Und dort gab es tatsächlich dann auch so einige Biere vom Fass als Weihnachtsbiere mit solchen speziellen Zutaten. Und ich muss sagen, also es gab auch eins mit Kokosnuss, das fand ich zumindest, war aber sehr kokoslastig, das war dann fast ein bisschen too mutch. Aber es gab ein ganz geniales mit Orange und auch so ein paar Gewürzen und das war total komplex, harmonisch, wunderbar zu trinken, sehr rund. Das hat dann auch den zweiten oder dritten Platz gemacht bei der Gesamtbenotung. Also da können dann immer alle ihre Stimmen abgeben und ein paar Wochen später kommt dann das Ergebnis dabei raus. Also das fand ich wirklich ganz toll. Und da kann man tolle Sachen machen und ich glaube, da habt ihr als Hobbybrauer einfach den großen Vorteil, dass ihr da einfach auch mal ausprobieren könnt und warum nicht? Also wobei, Safran durch Kokosnuss zu ersetzen, ist jetzt nicht so direkt naheliegend, aber spannend…
Christoph: Ja, es lädt ja ein zur Kreativität, genau. Ja, ich muss sagen, alle Biere, die ich bekommen habe, waren unglaublich gut harmonisch angepasst. Also die Gewürzen waren nie übertrieben, was ja ganz schnell passiert und auch andere Dinge, es war nie zu süß, war nie zu heftig. Auch so ein 10-prozentiger Baway war richtig angenehm so, das haben die Leute schon echt gut gemacht.
Markus: Gibt es irgend so ein Bierrezept, wo du davon träumst, das würdest du total gerne mal machen und konntest es bisher noch nicht?
Christoph: Also ich hatte von Young´s mal das Winter Warmer versucht, das ist sehr ähnlich wie das Festival Malt. Nämlich, das habe ich noch gar nicht gesagt, das Festival Malt hat tatsächlich den gleichen Alkoholgehalt wie das ESB, weil das wahrscheinlich ein traditionelleres Rezept ist, vor den Weltkriegen, als die Stammwürze noch höher war, es ist nur so dunkel wie ein Malt es heutzutage ist. Aber tatsächlich, das Winter Warmer, das enthält 20 Prozent einer Property an Zuckermischung, die keiner weiß, was drin ist. Und das ist natürlich richtig fies. Das soll aber unglaublich reichhaltig und lecker sein und einen sehr geringen Vergärgrad haben, trotz der Zuckermischung. Und meine Vermutung ist, dass die da so einen Maltodextrinsirup reinhauen. Und vor Kurzem habe ich gesehen, dass man als Confiserie- und Gastronomie-Zulieferer solche Maltodextrinsirups im Sortiment hat und vielleicht mische ich mir da mal was zusammen.
Markus: Das klingt doch auf jeden Fall spannend. Ja, also ich fand, also das überhaupt, also Young´s, ich kann mich da vor allem an das Chocolat Stout erinnern, Double Chocolat Stout, das ist schon großes Kino.
Christoph: Ja, das kriegt man öfter, genau. Das Winter Warmer nur im Winter und ich war noch nie im Winter in England. Ich habe jetzt wieder Posts gesehen dieses Jahr und alle sagen, das wäre super. Und ich denke mal da so, ja, müsste man wenigstens mal Zuhause nachmachen.
Markus: Okay, also auf jeden Fall schon mal wieder was für meine persönliche Bucket List, muss unbedingt gemacht werden, ja. Also was ich noch im Kühlschrank habe, was ich jetzt in den nächsten Tagen noch probieren werde, ist von Sam Smith eben das Christmas Ale, was sie jetzt gemacht haben auch zum Jubiläum der Königin. Und da bin ich mal gespannt, also das ist noch in der Flasche, aber wird dann demnächst geöffnet.
Christoph: Das klingt super, ja.
Markus: Apropos geöffnet, magst du denn dein Babywine mal aufmachen und uns was dazu erzählen?
Christoph: Ja, ich habe den grad eben schon eingeschenkt, der hat einen unglaublich stabilen Schaum nach der Zeit, ist kristallklar. Und das war im November 2021, habe ich meinen allerersten Parti-Gyle gebraut. Die Leute, die Fuller´s kennen, die werden das wissen, man teilt seinen Sud in Vorderwürze und, ich glaube, Glattwasser heißt im Deutschen, das, was danach kommt. Da sind halt die zwei Gyles, also die zwei Würzen, die starke und die schwache und man trennt das. Und die einfache Methode ist, was man als Hobbybrauer so als erstes macht, man macht aus dem Starken ein Bier und aus dem Schwachen ein Bier und guckt mal, wie es wird. Und das ist jetzt tatsächlich aus dem Starken der Sud gewesen. Eigentlich sollte der, ich glaube, 50 EBU haben, ich habe mich noch verrechnet, mit 100 ist der reingegangen. Ist jetzt nach über einem Jahr unglaublich ausgewogen und gar nicht mehr so schlimm bitter. Und ich glaube, Aroma war East Kent Golding, ein ganz klein bisschen Crystal Malt und dann ist das Bier auch schon durch. Also die einfachen Rezepte sind das ja immer, die dann durch sowas gewinnen, wenn man da so ein spezielles Verfahren macht. Sehr viskos im Mund durch die Vorderwürze. Also das sind ja dann die Mehrheit der Proteine, geht da rein in die Vorderwürze, mehr als nur das Mehr an Stammwürze, überproportional ist das, deswegen auch der super Schaum. Und, ja, das hat jetzt so ein Sherry-Aroma, das ist ganz, ganz intensiv. Ich meine, ich rieche immer noch ein klein bisschen vom East Kent Golding. Ich habe mal gehört, der soll als einer der Hopfen gelten, der länger hält, der nicht so schnell weggeht durch die Alterung. Das könnte jetzt sein, dass das so ist. Ich bin da immer kritisch, man soll ja nicht einfach sich selber immer zustimmen.
Markus: Ja, naja, wenn du es so wahrnimmst, ja.
Christoph: Genau. Also tief Golden und halt unglaublich intensiv vom Aroma. Und durch die wenigen Zutaten hat man halt nicht, was da alles an Geschmack rauskommt. Also das Crystal Malt passt halt perfekt zu dem Sherry, da hat man so Rosine und Birne als Aroma. Man hat das Malz natürlich ganz stark da. Das ist süß, das ist wie Honig, aber so ein richtig schwerer Honig, da denkt man schon an Waldhonig bei dem Bier. Und, ja, das ist wirklich, muss man vorsichtig trinken und man hat richtig viel davon. Neun Prozent hatte der, glaube ich, jetzt.
Markus: Huijuijjuij, na, dann erst mal Prost, wunderbar. Ja, Baybwine kann ein ganz großartiges Bier sein. Also da habe ich auch viele in den letzten Bierwettbewerben, wo ich war, war ich öfters mal in dem Bereich, wo es die britischen Starkbiere gab und da waren tolle Barleywines dabei, also fein.
Christoph: Ja, was ich mir jetzt gesichert habe, es gab 24 Stundenlang das Prize Old Ale von Gales zu kaufen. Das gab es nur, weil einer von den berühmten Historikern, der Martyn Cornell, der hatte da einen Text geschrieben, dass man doch bitte Fuller´s schreiben sollte, die mögen das gefälligst rausrücken. Weil Fuller´s unter der neuen Führung von Asahi halt der Meinung ist, das Bier ist eigentlich uninteressant für die Welt. Und das war jetzt wohl der letzte Sud und der wurde dann noch einmal abgefüllt. Das ist ein faszinierendes System, die haben also eine Hefemischkultur, die seit 100 Jahren immer die gleiche ist. Und die benutzen immer ein klein bisschen vom letzten Sud und tun das in den neuen, um den zu inokulieren. Und das kann halt kein Mensch auf der Welt nachmachen. Das sind irgendwie mehrere 100 verschiedene Hefe- und Bakterienstämme, da kann kein Mensch sich die Mischung sozusagen bestellen. Und ich habe es tatsächlich geschafft, weil ich halt da hinterher war. Ich habe auch Fuller´s geschrieben, ich habe denen gesagt, sie sollen gefälligst hinmachen und wenn sie irgendwie Werbung brauchen, mache ich das über meinen Kanal. Darauf sind sie aber gar nicht eingegangen, die haben das dann einfach veröffentlicht. Ich habe mir schnell sechs Flaschen gesichert, Freunde bringen das in ein paar Wochen vorbei, wenn sie aus England kommen. Und, ja, dann werde ich mir eine der Flaschen mal 15 Jahre in den Keller stellen und gucken, die soll unglaublich gut werden.
Markus: Puh, da kriege ich ja Gänsehaut. Das ist auch immer mein Problem, also weil, eben, Biere in England zu kaufen, das geht immer nur so, dass man dann eben Leute in England hat, die die dann bunkern sozusagen und entweder selber mitbringen oder wenn man selber wieder rüberfährt, dass man es dann mitnimmt. Das ist tatsächlich immer eine ganz schöne logistische Action. Und, ja und diese Hefekulturen, das ist echt super spannend. Also ähnlich ist es ja bei Sam Smith auch, also die haben ja da auch ihr endloses System praktisch mit ihren Yorkshire Squares und auch da ist die Hefe praktisch seit Ewigkeiten dieselbe und das ist total spannend, ja.
Christoph: Genau, ja, das gibt es natürlich, ja, das ist so, das gibt es bei vielen Brauereien, dass die ihre eigene Hefe, also die Haupthefe haben. Aber bei Gales ist es tatsächlich, die haben eine extra Kultur, die nur in deren Lagertank wächst, nicht im Hauptgärtank.
Markus: Ah so, okay, ja.
Christoph: Und das ist nochmal was anderes und das wird dann auch leicht sauer und all sowas und wahrscheinlich Brettanomyces ohne Ende. Und das ist noch mal komplexer als diese 5.000-mal propagierten Hefestämme, die es auch immer wieder gibt.
Markus: Also gut, es schreit ja danach, dass wir uns irgendwann nochmal wieder treffen und du dann von diesem Erlebnis erzählen kannst, ja.
Christoph: Genau, es ist der Wahnsinn.
Markus: Und wann würdest du den Leuten empfehlen, dass sie nach England fahren zum Bier verkosten, gibt es da so einen Zeitpunkt, wo du …
Christoph: Das hängt wirklich davon ab, also dadurch, dass es halt auch so Winterspezialitäten gibt und es gibt auch manchmal Frühjahr- und Sommerspezialitäten. Man sollte sich halt wirklich eine Gegend aussuchen und gucken, was für Bierstile da vorherrschen, weil, das ist ja auch in England lokal. Ja, im Süden hat man, glaube ich, eher so diese leichten Bitter, im Norden sind die meistens ein bisschen stärker. Im Norden haben die Leute auch gerne mehr Schaum drauf, im Süden weniger. Es ist, wie du sagtest, das Mild, das ist ja da eher so zentral. Wobei ich glaube, im ganzen Süden, das habe ich nie gekriegt, aber da gibt es noch von Harvey´s das Dark Mild. Und dann gibt es natürlich in Schottland auch wieder ganz andere Aromen. Also das Britische ist ja das Vereinigte Königreich und da kann man halt wirklich eigentlich viel entdecken.
Markus: ja, also Schottland ist auf jeden Fall nochmal eine ganz andere Nummer, das auf jeden Fall. Wobei ich sagen muss, ich war auch dieses Jahr dort und war ein bisschen enttäuscht, weil bei Belhaven haben mich die Biere nicht wirklich so abgeholt, als wir dort waren, aber vielleicht hatten sie auch nur einen schlechten Tag. Weil wir haben die öfters bei uns in den Kursen, das sind sie eigentlich immer ziemlich gut. Aber in England, finde ich, überhaupt erst mal den Leuten zu sagen, okay, es gibt London und das ist die eine Nummer und dann gibt es eben dieses ganze andere. Und das ist allein …
Christoph: Genau, das habe ich ganz vergessen, London ist ein Gebiet an sich, das ist nochmal was ganz anderes, ja.
Markus: Ja und in London hat man halt auch die ganzen Craft-Brauer und so weiter, also angefangen von, was weiß ich, Meantime und, gut, Fuller´s, das ist eher traditionell, aber Beavertown und halt die ganze Bermondsey-Mile und was es da halt so alles gibt. Und viele Leute kommen ja nur nach London und schaffen es eben nicht, da mal über den Tellerrand zu schauen.
Christoph: Ja, das ist schade.
Markus: Und ich finde, ja, das ist total schade. Und es ist auch relativ einfach, weil, es gibt ja so ein tolles Zugsystem. Also das wollte ich an dieser Stelle auch mal gesagt haben, das ist sehr vorbildlich. Also man kommt in England wirklich, also zumindest wenn keiner streikt, mit dem Zug wirklich überall hin, relativ schnell überall hin, sehr komfortabel und auch verhältnismäßig günstig. Und da kann man dann wirklich sehr schnell Ausflüge machen, weil, so groß ist die Insel dann auch wieder nicht, also zumindest, wenn man die untere Hälfte so ein bisschen hat und da kann man sich wirklich vieles anschauen. Also ich freue mich auf jeden Fall, ich werde dieses Jahr wieder zum Great British Beer Festival fahren, oder nächstes, von heute aus gedacht, aber für die Hörer dann dieses. Das ist ja dann immer im Juli. Und da war ich ein paar Mal jetzt auch schon dabei, beim Judging dann zum Champion Beer of Britain. Und das ist auch so ein Bierwettbewerb, der völlig anders ist als alle anderen auf der Welt, weil die halt …
Christoph: Da muss ich auch mal hin, da war ich noch nie.
Markus: Unbedingt, also da judgen sie halt noch nach dem guten CAMRA-System, also wo dann halt es eine Oberkategorie Bitter gibt und da ist halt IPA, ist just a part of bitter. Das ist nicht so üblich und wie bei allen anderen Wettbewerben, wo halt 25 IPA-Kategorien da sind, gibt es das da halt nicht. Und das funktioniert auch ganz anders, also da gibt es erst mal ein Fass am Tisch und jeder kriegt ein Kalibrierungsbier. Und sie tauschen dann während des Tages dreimal die Jury aus, weil irgendwann halt das Bier natürlich seine Wirkung zeigt. Es ist völlig anders, aber eben auch sehr schön und sehr sympathisch und ungeheuer Britisch. Also das kann ich dir auch nur empfehlen, da mal vorbeizuschauen. Ja, vielleicht fahren wir da ja zusammen hin.
Christoph: Ich bin vor einem Monat Vater geworden, deswegen ist Reisen grade ganz schwierig. Aber wer weiß wie das in einem halben Jahr aussieht, mal gucken.
Markus: Eben, also ich halte dich auf jeden Fall mal auf dem Laufenden. Weil wir werden dieses Jahr aller Voraussicht nach eben zum Great British Beer Festival fahren und danach eine Exkursion ins Black Country machen, eben zum Mild probieren und das könnte dich ja interessieren, schauen wir mal.
Christoph: Wow, ja, auf jeden Fall.
Markus: Also dann auf jeden Fall vielen, vielen Dank für deine Zeit, für deine tollen Biere und für diese kleine Reise in diese kleine Insel.
Christoph: Ja, sehr gerne.
Markus: Und wir können wirklich alle Hörer nur dazu einladen, also tut es uns gleich, lernt die britischen Biere kennen, lernt die Pub-Kultur, lernt das lieben und schätzen, das ist ein ganz wichtiger Teil der Bierkultur. Und wir werden natürlich auch deinen YouTube-Kanal entsprechend in den Shownotes verlinken, sodass dann auch jeder reinschauen kann, weil da, finde ich, kann man der Sache auch nochmal schön auf den Grund gehen. Also danke schön.
Christoph: Ja, man kann es auch nachbrauen und dann erfahren und kann schon mal so reinschnuppern, bevor man die Reise antritt.
Markus: Das stimmt. Und da können die Leute dir auch schreiben oder, wenn sie irgendwie Fragen haben zu dem …
Christoph: Ja, natürlich, ja, die können mir auch schreiben, dass sie englisches Bier nicht mögen. Ich akzeptiere erst mal alle Kommentare und dann gucken wir, wo wir da auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Markus: Perfekt, wunderbar. Also nochmal vielen Dank, dann auch viel Spaß noch bei deiner Reise in die Vaterwelt. Das ist bei mir schon über 20 Jahre her, aber fand ich legendär, weil jeden Tag was anderes passiert und immer was Neues ist und das wirklich ein Wunder ist, wie das Leben sich so entwickelt. Ja, also vielen Dank und dir einen guten Rutsch, wir sind ja noch vor dem Silvestertag sozusagen.
Christoph: Ja, danke schön, dir auch, genau.
Markus: Bis dann, tschau.
Christoph: Bis dann, mach´s gut, tschüss.
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