BierTalk 38 – Interview mit Dr. Marc Rauschmann, Geschäftsführer „Internationale Brau-Manufacturen GmbH“, aus Frankfurt

Ein BierTalk als Geburtstagsgeschenk – immerhin feiert das „Baby“ von Marc Rauschmann, Braufactum, 2020 seinen zehnten Geburtstag! Mit Leib und Seele Brauer und Brauingenieur, zählt der Frankfurter zu den Protagonisten der „Craft-Bier-Szene“, auch wenn sein Projekt nicht ganz unumstritten war. Schließlich gehört sein Label zur Radeberger Gruppe, der größten Brauereigruppe des Landes mit Marken wie Jever, Tucher und Schöfferhofer. Was vielen Bier-Geeks als kleiner Fluch anmutete, war für Marc Rauschmann eher ein Segen, denn so konnte er sein Projekt von Beginn an professionell durchziehen, inklusive Design, Gläsern und den berühmten Kühlschränken, die in ganz Deutschland zu finden sind. Doch nach zehn Jahren stellte sich auch eine gewisse Ernüchterung ein, und deutliche Restrukturierungen stehen an. Im BierTalk schauen wir mit fünf Bieren zurück in die Braufactum-Geschichte und lernen den Menschen Marc Rauschmann richtig gut kennen…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum 38. BierTalk! Und wieder, schon wieder etwas ganz Besonderes, unser Gast Dr. Marc Rauschmann von Braufactum. Braufactum steht für brillante Meisterwerke deutscher Braukunst, und es ist ein riesiges Sortiment individueller Craftbiere. Ihr kennt die Kühlschränke, aber ihr kennt sicher auch die Produkte. Am Mikrofon ist der Holger und wie immer …

Markus: … der Markus.

Holger: So, lieber Marc, schön, dass du da bist. Zu Anfang machen wir es eigentlich immer so, dass der Gast sich vorstellt. Sag doch mal, wer bist du, was macht dich aus?

Dr. Marc Rauschmann: Ja, Marc Rauschmann, ich bin Geschäftsführer, Mitgründer mit meinen Kollegen von Braufactum. Wir sind ja zehn Jahre jetzt im Markt, Wahnsinn, wie die Zeit dahinrennt. Es ist fast noch, als wäre es gestern gewesen, als wir losgelaufen sind, uns das Thema Craftbier in mehreren Ländern angeschaut haben. Wenn man so zurückblickt jetzt nach zehn Jahren, was alles passiert ist, ist das schon irre. Jetzt, wie gesagt, sind wir zehn Jahre im Markt, haben viel erlebt, gucken nach vorne. Und ich selber, ich habe selber Heimbrauen angefangen, Jahre her, mit der Hobbythek mit Jean Pütz, erste Brauanleitung, so ging’s los. Und so hatte ich dann den Spaß an diesem tollen am Ende Beruf bekommen.

Holger: Bei Braufactum, du sagst es ja, zehn Jahre, jetzt habt ihr schon auch eigene Gastronomie in Berlin zum Beispiel. Ihr habt, ich weiß, kenne gar nicht die Zahl, ich habe mal gehört, 600 Kühlschränke in verschiedenen Supermärkten über die ganze Bundesrepublik verteilt. Wo steht Braufactum nach den zehn Jahren und ist es so, wie ihr euch das vorgestellt habt, oder sogar noch besser? Wie ist die Lage?

Dr. Marc Rauschmann: Gut, allein darüber könnte man jetzt den halben Tag reden. Im Prinzip ja, du sagtest, unsere Gastronomie-Objekte, die beiden in Berlin, die wir zusammen mit einem Gastronomie-Partner mit guten Freunden betreiben, natürlich auch durch Corona gekennzeichnet, aber jetzt wieder mit wachsenden Zahlen. Und ja, ich sagte es, Corona betrifft uns natürlich alle, und von daher hat Corona vieles, was sich vielleicht vorher auch abgezeichnet hat, sicherlich so teilweise auch wie ein Brennglas beschleunigt. Da komme ich vielleicht später noch mal drauf. Ansonsten, wo wir auch gerne hinschauen, ist Exportmarkt, auch dort haben wir gute Absätze in Russland, Italien, USA vornedran. Insgesamt verkaufen wir in 20 Ländern. Aber auch da, ich sagte ja, die Länder, kann man sich vorstellen, dass auch das Thema Corona davor nicht Halt macht und wir natürlich hoffen, dass das Geschäft möglichst schnell auch dort wieder in ähnliche Regionen kommt. In Deutschland wiederum neben unseren eigenen Objekten die Gastronomie, die wir seit einigen Jahren nicht nur mit Flaschen, sondern auch mit Fassbieren bedienen, auch spannend. Und zwar gar nicht mal so sehr nur in Richtung der Craftbier-Konzepte, die ist natürlich wichtig, da gibt’s zum Glück auch immer mehr, die neue Konsumenten zum Bier bringen. Viel spannender ist eigentlich noch, dass wir mehr und mehr Objekte gewinnen, ich sag mal, klassische, moderne Gastronomie, in der nicht mehr wie früher zwei, drei Hähne, sondern vielleicht jetzt fünf, sechs Hähne sind. Davon sind nicht fünf Craftbier, aber einer, zwei. Und so bringen wir den, sage ich mal, klassischen Bierkonsumenten, der aufgeschlossen ist, mehr und mehr zum Thema Craftbier. Und das ist eigentlich das, was die spannendste Entwicklung ist, weil wir seit langer Zeit jetzt schon versuchen, gesamt eigentlich Craftbier mit anderen Brauern aus dieser Nische zu bringen, nicht mehr nur für die Bier- oder Craftbier-Liebhaber, die langsam wachsen, aber natürlich auch immer so eine Nische bleiben, sondern Craftbier mehr und mehr für den klassischen Bierkonsumenten spannend zu machen mit auch nicht zu komplizierten Sorten, damit wir ihn auch mitnehmen und nicht erschrecken. Und dann ist natürlich wichtig, dass er die Biere, die er in der Gastronomie trinkt, auch im Handel kaufen kann beziehungsweise umgekehrt, die eher im Handel kaufen kann, in der Gastronomie sieht. Und diese Vernetzung, die gab es in der Vergangenheit ja nur bedingt, weil erst war der Handel sehr stark, jetzt kam die Gastronomie stärker dazu. Der Handel hatte vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch übers Ziel hinausgeschossen, Meter um Meter Craftbier-Regale gebaut, baut jetzt wieder zurück und wird sich auf ein vernünftiges Maß einpendeln. Und dann, wie gesagt, parallel Gastronomie, Handel, auf einem niedrigeren Niveau. Das ist aber gut, weniger ist da mehr, weil der Konsument ist sicherlich zum Teil auch überfordert gewesen. Und so stehen wir, denke ich, mal, nach zehn Jahren an einem realistischen Punkt. Man hat jetzt praktisch so die Linie gefunden, wo man ausreichende Vielfalt hat, Konsumenten auch im klassischen Bierbereich gewinnen kann. Und ich glaube, so gucken wir ganz zuversichtlich in die Zukunft. Und ich glaube, diese Vernetzung, Gastronomie und Handel, ist das, was uns jetzt mehr noch beschäftigen wird und was einfach extrem wichtig ist für die nächsten zehn Jahre.

Holger: Vielen Dank, Marc! Also weniger ist mehr ist ein gutes Stichwort. Es stehen fünf Biere vor mir mit unglaublichen Namen, wie Progusta oder Yakeros oder Barrel 1, und auch noch andere. Wir würden natürlich auch gerne mit dir einen halben Tag diskutieren, aber wir haben uns für dieses Format einfach vorgenommen, so um 30 Minuten zu bleiben. Wenn wir jetzt fünf Biere noch besprechen wollen, dann sollten wir langsam das erste öffnen. Markus, was sagst du denn dazu? Was wäre dir das liebste für den Anfang?

Markus: Das ist gar nicht so leicht, weil ich sie fast alle zumindest kenne und zu vielen auch wirklich eine persönliche Beziehung habe. Aber ich glaube so, um des lieben Trinkens willen sozusagen müsste man vielleicht mit dem Pale Ale anfangen, weil es einfach eine schöne Basis ist und vielleicht auch ein guter Einstieg in unseren Talk.

Holger: Das mache ich jetzt sofort, also die Dose.

Markus: Das kriege ich auch hin. Moment!

Dr. Marc Rauschmann: Das klingt doch schon mal gut.

Markus: Wunderbar, wie das so im Glas steht. Ein herrlicher Anblick, oder Holger?

Holger: Unbedingt! Bei mir ist es auch ein herrlicher Anblick. Ein sehr schöner feinporiger Schaum und so eine leichte Trübung und so eine schöne Farbe auch. Und wenn man da so reinriecht, dann ist das fruchtige Potenzial des schönen Hopfens, der da drinsteckt, auf jeden Fall wunderbar wahrzunehmen. Ich würde jetzt mal einen kleinen Schluck trinken. Und das ist eben ein ganz tolles Pale Ale, was seinem Bierstil alle Ehre macht. Also so in der Nase haben wir halt die süßen Früchte, so ein bisschen die Mandarine sticht bei mir heraus. Aber im Trunk dann doch eher schlank, so süßlich fruchtig, aber eben dann doch diese ausgewogenen Bitternoten, die dann auch im Nachtrunk so ein ganz trockenes Mundgefühl machen, um den zweiten Schluck eben zu sich zu nehmen. Das werde ich jetzt auch tun. Prost!

Markus: Also Prost! Genau. Ich habe auch so ein bisschen diese harzigen Noten in der Nase und da im Geschmack stimme ich dir voll zu, also dieses Fruchtige geht für mich auch so in Richtung Mandarine, also sehr, sehr schön, der Callista Hopfen, also tolles Pale Ale auf jeden Fall. Vielleicht an der Stelle, das ist ja jetzt eher ein moderneres Produkt aus eurer Range und auch von der Dose her jetzt eher modern. Bevor wir dazu kommen, würde ich vielleicht noch mal ganz kurz an den Anfang gucken. Also wenn wir denken, vor zehn Jahren, in Deutschland gab‘s 99 das erste Craftbier, 2007 war die Hopfenweisse am Start und dann kommt ihr. Wie ist das denn so? Also von vielen wirst du auch so ein bisschen als einer der Protagonisten der ganzen Szene ein bisschen gefeiert. Wie war das damals vor zehn Jahren, und ist das eher ein Rucksack oder eher eine Ehre, die man so mit sich trägt?

Dr. Marc Rauschmann: Sicherlich beides. Ich meine, 2010 auch, man muss ja sagen, auch wenn der eine oder andere im Markt war, war das natürlich so der Startschuss, zu dem dann die Biere plötzlich auch mit den Kühlschränken im Handel zu sehen waren. Da kommen wir nachher noch auf das Progusta als IPA. Das Verrückte war ja damals, dass nicht nur Craftbier als Begriff nicht bekannt war, kann man ja darüber streiten, wie man es nennt, aber die ganzen Stile, dass man IPA, Pale Ale, Scotch Ale, wie die alle heißen, dass man die in Deutschland nicht kannte, war damals schon sehr ungewöhnlich. Und es war natürlich eine extreme Spannung zu sagen, wir bringen in den klassischen deutschen Biermarkt etwas, was Deutschland als Bierland nicht kennt, und gleich so viele auf einmal. Das war natürlich spannend, ist natürlich gleichzeitig eine Belastung, nein, würde ich nicht sagen, es ist eigentlich Freude, ein solches Thema in den deutschen Markt gebracht zu haben, und am Ende auch viele Einflüsse, die man heute sieht, mit den anderen der Branche in den klassischen Biermarkt gebracht zu haben. Nicht alles findet sich im Craftbier-Markt wieder, sondern man sieht ja auch, dass es den klassischen Biermarkt und die Art und Weise, wie Bier inzwischen auch gelebt wird, wie wir so einen Podcast machen über Bier, all das war vor zehn Jahren in der Form auch nicht da.

Holger: So ist es. Da hat sich viel getan. Und trotzdem sind wir auch in so einer Konsolidierungsphase. Du hast es ja vorhin schon beschrieben, also die Regale wurden voll und voller, es war schon fast unübersichtlich, und jetzt trennt sich auch so ein bisschen die Spreu vom Weizen. Das muss man ganz klar sagen. Und da ist dann auch die Frage, wie es dazu, so ein Blick in die Zukunft, Marc, also wie erwartest du, wie sich der deutsche Craftbier-Markt jetzt weiterentwickelt?

Dr. Marc Rauschmann: Im Prinzip konsolidiert sich der in zwei Richtungen. Wenn ich jetzt noch mal zurückblicke, dann würden wir heute eins anders machen, das haben wir gelernt. Und zwar würden wir die Konsumenten etwas behutsamer mitnehmen. Wir waren so begeistert von Sauerbieren, von Double IPAs, von den Fassgelagerten, dass wir das gleich alles auf einmal bei uns in den Kühlschrank gestellt haben und andere ja auch mit den Bieren gewonnen haben. Und man muss ja sagen so rückblickend, wenn ich mir andere Länder anschaue, nehmen wir USA, auch wenn ich die nicht immer zitieren möchte, weil vieles anders ist, aber dort war Sierra Nevada Pale Ale oder Anchor Steam, so zwei Beispiele, das waren Biere, die weg waren von dem, was der Amerikaner als Bier kannte, aber er hat keinen vor den Kopf gestoßen. Die extremeren Biere haben sich ja später entwickelt. Und da hat der Konsument sich mitentwickelt. Und wir haben den Konsumenten gleich damit vor den Kopf gestoßen. Das ist schön für die Bier-Nerds, aber für den klassischen Konsumenten, wenn der dann gleich eine Geuze gegriffen hat, dann war er dem Craftbier auch schon wieder verloren. Und von daher geht der Trend einmal sicherlich zu etwas leichter trinkbaren, aber immer noch natürlich spannenden Craftbieren und hopfenaromatischen Bieren. Und das Zweite ist, dass jemand, der jetzt gerade mal sein IPA gefunden hat und Spaß dran hatte, weil es ein gutes war, der vielleicht eine Marke jetzt mal kennt oder eine zweite, der braucht im Handel nicht jede Woche eine andere Marke, wo er dann, wenn er Pech hat, noch auf eins trifft, das vielleicht nicht ganz so den Ansprüchen genügt. Da gibt’s ja auch genug. Also man konnte ihn doppelt vor den Kopf stoßen, qualitativ oder aber auch von Bierstilen, die ihn überfordert haben. Und so wird sich das im Handel auch konsolidieren, weil natürlich das Angebot an Marken, an Sorten, viel stärker gewachsen ist als die Menge, die dann auch verkauft wurde. Und so viele Anbieter dürfen mit den Absätzen eigentlich nicht unbedingt glücklich sein und das wird zurückgebaut. Und von daher werden wir ähnlich wie es in den USA ja auch nach der ersten kleineren Welle war, mit weniger Brauereien und Marken und Sorten unterwegs sein im Handel. Und das ist auch gesund so. Und dann wird sich das weiter positiv entwickeln, und dann kommen wieder neue dazu. Aber es wird dieser Hype und dass jeder meint, jetzt auch Craftbier machen zu müssen, das ist zum Glück ein bisschen nicht mehr so schlimm.

Holger: Aber auf jeden Fall hat es dazu geführt, dass man insgesamt, also egal wer jetzt welche Produkte im Biermarkt anbietet, ganz anders eben über das Bier sprechen kann. Und das, glaube ich, hat die Craftbier-Bewegung schon nachhaltig verändert. So, jetzt gehen wir zum nächsten Bier. Was nehmen wir denn da? Also Progusta oder Yakeros? Marc, jetzt darfst du mal entscheiden.

Dr. Marc Rauschmann: Progusta ist jetzt auf jeden Fall das wichtige.

Holger: Also den Protagonisten Progusta.

Dr. Marc Rauschmann: Genau. Ich gehe mal an den Zapfhahn, ihr macht mal die Flasche auf.

Holger: Ah, so dekadent, so dekadent.

Markus: Das möchte ich auch mal haben, zu Hause meinen eigenen Zapfhahn. Wahnsinn!

Holger: Deshalb, wenn man innerhalb eines Konzerns in einer Teilstreitkraft Geschäftsführer ist, Markus, dann sind solche Dinge selbstverständlicher. Also wir kleines Fußvolk.

Markus: Naja, wenn wir mal in 50 Jahren auch so einen Konzern haben, dann schauen wir mal. Die Farbe finde ich ja wunderschön. Das ist ja, ach, so ein, wie soll man sagen, so ein Mahagoni ist es nicht, eichenbraun, rotbraun.

Holger: Versuch’s mit Bernstein, das passt immer.

Markus: Ja, Bernstein ist ja immer richtig.

Holger: Das passt immer.

Markus: Waldhonig vielleicht. Naja, wie auch immer, also auf jeden Fall ein wunderschöner verführerischer Rotbraun-Ton, der mir total gut gefällt. Der Schaum ist auch leicht beige. Das sind halt so richtig schöne, hopfige harzige Töne. Also auch jetzt nicht so überbordend fruchtig, wie das oft bei den Hazy IPAs jetzt mittlerweile so ist, sondern einfach wirklich klassisch schön harzig, ein bisschen Citrus, ein bisschen Aprikose, aber sehr erfrischend. Probieren wir mal. Mmh, ja, also das setzt sich fort. Auch wieder sehr erfrischend, geht sehr schöner Antrunk, dann kommt so ein bisschen der Körper des Bieres, ein bisschen Honig und dann kommt der Hopfen, vor allem mit seiner Bittere. Das schleicht sich so von rechts und links in die Zunge hinein und dann füllt es die ganze Zunge aus und klingt dann aber wieder schön aus. Also ganz schön. Und das ist ja überhaupt so ein bisschen für mich der Punkt, eure Biere sind halt so eine Bank. Also wenn ich weiß, ich mache eine Verkostung und ich muss irgendwas mitnehmen, da weiß ich einfach, die sind sauber, die entsprechen den Stilen, das kann man präsentieren. Und das hat man hier auch wieder, ein ganz tolles IPA. Und wie der Holger schon gesagt hat, euer Vorzeige-Bier.

Holger: Absolut! Es ist auf jeden Fall ein sehr ausgezeichnetes Bier. Also es hat auch viele Auszeichnungen. Man kann das doppeldeutig sehen. Ich finde halt auch wirklich unglaublich toll, diese sanfte Süße und die ausgewogene Bitterkeit, die da ist. Und so ein bisschen Aprikose, aber dann hinten raus eben so richtig Gewürze. Ich weiß nicht so genau, welche Gewürze, aber das produziert auch noch mal so einen unglaublich spannenden komplexen Nachtrunk. Das finde ich wirklich gut. Und da könnte ich mir jetzt wahnsinnig gut orientalische Gerichte vorstellen, so was Indisches vielleicht schwebt mir da vor. Also so in die Richtung geht das. Progusta ist doch eine Bank, oder Marc? Das ist schon so, oder?

Dr. Marc Rauschmann: Gut, ist ja mit Abstand unser wichtigstes Produkt, was wir auch im Export sehr stark haben. In Deutschland die stärkste Sorte, aber auch gerade im Export. Und das Spannende ist ja, dass wir es zum Beispiel auch gerade in den USA sehr stark verkaufen, wo man denkt, wieso IPA nach USA? Aber die Erklärung ist eigentlich, dass es diese Ausgewogenheit hat und viele Amerikaner, die sagen, ah, nur kein IPA, die sagen, oh, das ist aber lecker. Weil das nicht so übertrieben ist, weil es so ein bisschen The German Way of Craft, also praktisch so die deutsche Art, Bierqualität, die Ausgewogenheit. Und das, was ihr beschrieben habt, war ja vor, 2010 haben wir das erste Mal gebraut, so die Art, wie wir auch IPA in den USA verstanden haben. Also praktisch so einen süßen Körper, etwas Vollmundigkeit, ein bisschen malzige Noten, um das ausgewogen zu machen. Und interessanterweise, wenn man heute nach USA geht, heute vielleicht nicht mit Corona, aber noch letztes Jahr, dann ist es so, dass sich der Stil dort ja komplett verändert hat. Also dort findet man fast kein IPA mehr mit diesem Körper und der malzigen Note, die sind alle viel heller geworden, die Bittere ist auch runter. Also die sind praktisch mit dem Stil eigentlich jetzt auch in so eine leichtere Trinkbarkeit gegangen. Und im Prinzip haben wir das mit Progusta fast schon vorweggenommen, aber immer noch diese malzige Note. Und das Spannende weiterhin ist, dass man damit eigentlich alle aufgeschlossenen Konsumenten und Konsumentinnen vor allem erwischt. Also Leute, die eigentlich kein Bier trinken, viele Frauen sagen, oh, das ist aber lecker, spannend, diese fruchtigen Noten, die Herren der Schöpfung genauso. Es ist nicht zu weit weg vom Pils, von der Bittere was erkennt. Also dunkle Biere sind manchmal eher schon so ein bisschen in so einer Spezialitäten-Nische. Mit dem Bier erwischt man sowohl die klassischen Biertrinker in Deutschland als auch neue Konsumenten. Und das passt natürlich auch zu supervielen Speisen, muss man sagen. Also ob man jetzt ein Barbecue macht oder ob man irgendwie ein Thunfisch-Carpaccio hat oder einfach vorneweg zum Aperitif, ein sehr, sehr vielfältig einsetzbares Bier.

Holger: Ja, sehr gut. Du hast recht, also mit diesem Malzkörper. Wir hatten gestern Abend noch beim Online-Biersommelier-Kus das Sierra Nevada Torpedo. Und das hat ja auch noch immer diesen wirklich ausgeprägten Malzkörper, also so die IPAs der ersten Stunde in der amerikanischen Craftbier-Szene. Da hat sich jetzt einiges verändert, auf jeden Fall. Was uns fast schon zum Yakeros führt. Es sei denn Markus, du hast noch weitere Fragen an den Marc?

Markus: Ja. Ja, ja. An dieser Stelle würde ich schon noch …

Holger: Ich hab’s mir ja gedacht. Ich hab’s mir ja gedacht. Das ist ja immer so, also auf der einen Seite macht er mich dann rund, wenn wir mit der Zeit nicht klarkommen und auf der anderen Seite fragt der Typ die Menschen immer Löcher in den Bauch. Aber bitte, bitte, bitte, ich habe ja noch Bier. Also …

Markus: Eben, wir haben genügend Bier, wir haben Zeit. Nein, aber was ich wichtig finde, als ich das kennengelernt habe, ist jetzt auch gut zehn Jahre her, da war das ja noch in so einer großen 0,75er Flasche, und jetzt haben wir hier die kleine Flasche und wir hatten vorhin beim Pale Ale die Dose. Das würde mich auch interessieren, also wie habt ihr am Anfang überlegt, in welches Gebinde ihr eure Biere packt und wie hat sich das so entwickelt über die kleine Flasche bis zur Dose?

Dr. Marc Rauschmann: Gute Frage. Als wir angefangen haben, wir hatten ja in Italien diese schönen großen Flaschen gesehen, aus Italien kamen ja auch unsere großen, wir haben in USA auch damals die großen 0,65 gesehen, in Belgien, und es war vor zehn Jahren in vielen Ländern auch so, dass das Thema Craftbier ja gerne mehr zelebriert und auch in großen Flaschen verkauft wurde. Und das war für uns der Anlass zu sagen, ja, das machen wir auch so. Wir konnten uns jetzt keine Mehrwegflasche am Anfang vorstellen und wollten auch eher im Handel dort sein, wo man Wein-Fachverkäufer, Spezialisten hat, die dann nicht nur Wein, sondern auch andere Getränke verkaufen können und den Menschen einfach etwas über diese Biere erzählen, die die Leute ja gar nicht kennen. Also wir wollten dorthin, wo man Beratung hat. Und das hat auch gut funktioniert in den ersten Jahren. Es hat sich dann rausgestellt, wir dachten ja, auch gerade die große Flasche schön für die Gastronomie, man kann es teilen, aber die Konsumenten, die ja das Bier gar nicht kannten, wollten lieber kleinere Flaschen, um mal zu probieren und nicht gleich eine große nehmen von etwas, was sie gar nicht kannten. Von daher hat das in der Gastronomie leider nicht funktioniert. So sind wir dann auf die kleinen Flaschen gekommen. Zudem war das natürlich sehr aufwendig, die großen Flaschen haben wir in einer Sektmanufaktur abgefüllt, und das war auf Dauer dann auch viel zu aufwendig. Und wir haben dann sehr viel Freude und Gefallen an den amerikanischen kleinen und auch großen Flaschen, also 0,355 und 0,65 gefunden, sodass das die nächste Stufe war. Und die hatten wir dann die nächsten Jahre im Einsatz, mussten jetzt aber erkennen, dass letztendlich Einwegflaschen in Deutschland am Ende nicht mehr zu verkaufen sind. Und dass auch der ganze Weg der Rücknahme und des Reinverkaufens mit dem Einwegpfand, die Bereitschaft, das noch zu machen, war im Handel nicht mehr da. Und von daher sind wir mit allen Themen, also sowohl mit den Flaschen als auch mit den Distributionswegen mehr und mehr jetzt in Richtung der klassischen bekannten Wege und auch Gebinde gegangen, weil das sonst einfach für alle in dieser Stufe zu kompliziert ist und sie, wenn sie schon neue Produkte verkaufen, aber keine Lust haben, alles anders zu haben. Das muss jetzt ein bisschen einfacher sein. Und wir haben dann jetzt deswegen gesagt, wir gehen auf Mehrweg, und ich muss sagen, mit der ganzen Ausstattung sind wir auch sehr glücklich. Also wir haben uns wirklich schwergetan, von der 0,355 wegzukommen, aber wenn wir jetzt auch mit dem Halsetikett das sehen und wir freuen uns richtig, wie die Flaschen aussehen, und das ist natürlich um Längen einfacher und für die ganzen Partner einfacher das dann zu händeln. Und deswegen sind wir jetzt bei der Mehrwegflasche gelandet. Und der Markt hat sich aber in zehn Jahren auch verändert. Also das wäre damals schwer möglich gewesen, weil es keiner verstanden hätte, und nachdem aber jetzt Craftbier auch diese zehn Jahre gegangen ist und man schon diese Spezialitäten, die Bekanntheit erreicht hat, finden die Konsumenten das jetzt auch in den klassischen Bierregalen und kommen damit zurecht. Also ich glaube, das war gut, so gestartet zu haben, und ist richtig jetzt, dort in den klassischen Mehrweggebinden und in dem Regal zu stehen.

Markus: Aber ist dann die Dose jetzt auch noch so ein Zukunftsmodell? Also es wird ja immer mehr jetzt auch wieder.

Dr. Marc Rauschmann: Ja, die Dose war natürlich ein spezielles Projekt, die Dose einfach das beste Gebinde, weil es ein kleines Fass ist. Das wisst ihr ja, es kommt kein Sauerstoff rein, qualitativ unschlagbar, und deswegen haben wir vor, ich glaube, drei Jahren jetzt mal gesagt, oder zwei Jahren, wir machen jetzt zwei in der Dose. Das ist auf jeden Fall ein Zukunftsgebinde. Wir werden jetzt nächstes Jahr eine kleine Pause machen in Deutschland damit, weil wir das German Pale Ale in die Flasche bringen, das wird eines unserer drei Fokus-Produkte sein, und dann in der Flasche an den Start gehen ab Anfang des Jahres. Sodass wir in Deutschland jetzt erst mal mit der Dose aussetzen, nicht weil wir nicht überzeugt wären davon, sondern weil wir uns jetzt grad, was ich vorhin sagte, auch mehr fokussieren und lieber in mehr Märkten mit den Fokus-Sorten am Start sind, als uns in wenigen mit zu viel zu verzetteln. Progusta Dose beispielsweise, die wir in Deutschland nicht hatten, ist aber eine unserer stärksten Artikel, den wir zum Beispiel als Hauptartikel in Russland sehr gut verkaufen, aber auch in anderen Ländern.

Markus: So! Holger, jetzt darfst du das nächste Bier.

Holger: Ach, keine Fragen mehr? Das ist ja …

Markus: Ja doch, aber wir haben ja noch ein paar Bierchen, da kann man immer noch fragen.

Holger: Also dann Yakeros. Yakeros, das Yakima Valley die Inspiration zu dem Bier, West Coast India Pale Ale als Stil. Das machen wir jetzt mal auf.

Markus: Yo! Auf geht’s. Das ist ja ein Bier, zu dem ich eine sehr enge Beziehung habe, weil wir ja gemeinsam im Yakima Valley waren, Marc, als ihr das dann auch kreiert habt oder als es in euren Köpfen vielleicht so nach und nach entstanden ist. Und ich muss sagen, das hat mich damals sehr beeindruckt, einfach die Dimension dieser Hopfenbauern dort und auch die Professionalität, mit der sie arbeiten. Und letzten Endes auch einfach diese Bierqualität, weil das was ist, was ich wirklich aus Deutschland so nicht gekannt habe. Also diese IPAs, die praktisch frisch von der Farm gebraut in meinem Glas gelandet sind, sowas, glaube ich, gibt’s in ganz Europa zumindest noch nicht. Und das war wirklich eine ganz eindrucksvolle Sache. Und vielleicht war auch das ein bisschen was, was euch zu diesem Bier inspiriert hat. Aber vielleicht lassen wir den Holger vorher das Bier kurz verkosten, sonst dauert’s ihm wieder zu lang.

Holger: Du bist wieder sehr lustig. Zunächst einmal Prost!

Markus: Ja, Prost!

Holger: Es kann ja sein, dass Hörer das einfach mitmachen und sich denken, um Gottes willen, um Gottes willen, also ich möchte so gern, ich möchte so gern. Ihr dürft jetzt, ich erlöse euch. Prost!

Markus: Willst du zu deiner Erlösung noch was sagen, Holger, oder wollen wir …

Dr. Marc Rauschmann: Er hat einen großen Schluck genommen.

Holger: Naja, ich meine, mir bleibt ja nicht anderes über bei euch beiden. Also das ist ja der Wahnsinn. Hier habe ich jetzt den Eindruck, dass schon eben so diese typischen Citrusnoten da sind, aber eben auch ganz deutlich der Malzcharakter stärker da ist als beim Progusta. Ich weiß es nicht, ob das so ist, weil das West Coast IPA sollte es eigentlich nicht haben. Aber ich habe das so im Glas. Da können wir vielleicht mal drüber diskutieren, vielleicht mache ich irgendwas falsch? Ich habe unser Bierakademie-Verkostungsglas, aber mir hat es für ein West Coast IPA ziemlich viel Malzcharakter. Oder ist das bei euch nicht so?

Dr. Marc Rauschmann: Das ist ja wieder ein West Coast IPA mit unserer Handschrift, mehr Malzcharakter als sicherlich eins, was man dort in den USA trinkt. Aber für mich deutlich weniger als Progusta, auch weniger Restsüße und Körper. Und für mich kommt auf jeden Fall die auch etwas höhere Bittere gradliniger durch. Ist jetzt nicht so in dieser ein bisschen malzigen Süße gefangen, sondern kommt eigentlich viel schneller durch als beim Progusta.

Holger: Ah ja, okay. Also das ist so heller Bernstein, das ist die Farbe, ist eine ziemlich schöne Schaumbildung bei mir im Glas. Und dann, wie gesagt, gibt’s ein bisschen Ananas vielleicht. Aber die harzigen Noten sind auch da, so diese Waldhonig-Themen auch. Deshalb ist das vielleicht bei mir so.

Markus: Vielleicht ist es ja so der Gesamteindruck. Für mich ist es insgesamt, ehrlich gesagt, das rundere Bier im Verhältnis zum Progusta, wobei ich das auch schon sehr gut fand. Aber was mir jetzt sehr gut gefällt, ich habe in der Nase auch wieder diese harzigen Aromen, aber da kommt eben auch schon, was du gerade gesagt hast, so Waldhonig, Citrus, aber sowas Rundes, Weiches auch schön rüber. Und wenn ich das dann trinke, dann, glaube ich, hängt so diese gerochene Süße sozusagen auch noch ein bisschen mit rein. Und dann ist es eben ein sehr weicher runder Trunk, wo man die Bittere, die stärkere Bittere eigentlich erst im Nachhinein spürt, aber während des Trinkens ist es sehr harmonisch für mich. Und dieses Honig- und Orangen-Citrus-Thema ist da sehr, sehr intensiv. Ich glaube, deswegen überdeckt das dann vielleicht auch so diese anfängliche Bittere sehr stark, bis die dann so hintenraus sich so richtig zeigt. Also mir gefällt das sehr, sehr gut. Ich kann mir gut vorstellen, wie du auf den Gedanken kommst, dass es mehr Körper hat, einfach durch das Zusammenspiel aus den Hopfenaromen und den Honigaromen, die da einfach im Körper sind. Aber insgesamt also wirklich ein sehr schönes Bier. Und man sieht‘s auch wieder in der Farbe, das mag ich halt gern, ich mag auch gern diese klassischen englischen Bierstile. Und wenn das zu hell ist und wenn man zu sehr einfach nur Hopfen hat, dann geht das fast in so eine Richtung Hopfenwasser mit Alkohol, und das ist mir dann zu wenig. Und so finde ich, ist es wirklich eine runde Geschichte, die man super auch zu so vielen Sachen kombinieren kann, weil der Malzkörper da ist und da überall andockt. Ja, für mich so ein bisschen mein Lieblingsprodukt, muss ich sagen. Nicht zuletzt auch wegen der Geschichte. Marc, sag doch mal, wie kamt ihr darauf, welche Verbindung habt ihr zu dem Yakima Valley?

Dr. Marc Rauschmann: Du warst ja mit dabei, du hast uns ja auch mit so, da habe ich die noch mal anders kennengelernt, mit zusätzlichen Qualitäten, mit deinen tollen Bildern da beglückt, die ich immer noch gerne anschaue, weil die so eine ganz andere Handschrift haben als andere Fotos und die Emotionen so rüberbringen. Und so ist diese Reise auch gewesen, die war so schön. Und wir hatten ja gemeinsam dann die Hopfenpflanze besucht, die auf den Riesenfarmen, und dieser HBC 431, ich glaube, der hat immer noch keinen Namen, der hat uns damals fasziniert von diesem Charakter, und wir haben den dann in einer kleinen Menge bekommen und haben den praktisch dort mit eingebaut und wieder, wie beim Progusta auch, mit einem deutschen Hopfen, den Taurus auch in der Kalthopfung, aber auch mit dem Mosaic, den wir einfach lieben, den wir auch im The Brale drin haben, kombiniert. Und wir haben ja das Etikett, ihr habt’s ja auch vor euch, da mit dieser Reise und mit der ganzen Geschichte, mit den indianischen Zeichen der Ureinwohner kombiniert, der in dieser Anmutung dargestellt, wo wir die Weltkugel haben, wo wir den Hut des Farmarbeiters haben, die Hopfenfelder, den Hopfen, dann die Wildpferde, die wir wirklich damals gesehen haben im Bus. Und dann mit dem Schiff der Hopfen hier rübergebracht wird und hier verbraut wird. Und am Ende den Zapfhahn. Was uns ja auch damals da drüben so fasziniert hat, ist einfach diese Riesenauswahl an Bieren vom Hahn und dem ganzen Probieren. Und das ist alles auf dem Etikett drauf. Und wenn ich das Etikett anschaue, das ist einfach die ganze Story und die Emotion, die dahintersteht. Und jeder, der dabei war, der kann sich genau, wenn er das sieht, das Bier trinkt, so wie du auch, genau an diese Reise erinnern. Und deswegen ist dieses Produkt so emotional und da der Hopfen eh so emotional. Also alles, was so besonders hopfenaromatisch ist und man den Hopfen auf dem Feld gerochen, gefunden hat, dann riecht man rein und hat diese ganze Reise vor sich, weil die Geruchssinne einen einfach so wahnsinnig emotionalisieren für das, was man erlebt hat.

Holger: Was ja auch eine sehr seltene Sorte ist, zumindest ist mir die nicht so geläufig, ist HBC 431 als Hopfensorte. Und dann auch die Kombination mit Taurus und Mosaic, ist schon toll auch.

Dr. Marc Rauschmann: HBC steht ja für Hop Breeding Company. Also das ist praktisch noch die Versuchsnummer. Und ich glaube, der hat nie einen richtigen Namen bekommen. Es kommen ja so viel Hopfensorten raus und das war so eine Kleinstsorte, da haben wir einfach die Versuchsnummer genommen, weil die noch keinen Namen hatte.

Holger: So! Männer, ich muss jetzt einfach wieder treiben zum nächsten Bier. Was machen wir denn?

Markus: Klein oder groß?

Holger: Klein oder groß?

Dr. Marc Rauschmann: Ich denke, wir nehmen jetzt das Barrel 1. Ich meine, die haben beide über 10 % oder eins 10 %, eins knapp drüber. Aber ich glaube, das ist schön mit dem Anniversary, unserem Geburtstagsbier zu enden.

Holger: Gute Idee. Und die Kooperation zwischen Brenner und Brauer, ich darf das vorab verraten, ohne dass wir es geöffnet und verkostet haben, das ist wirklich mein absolutes Braufactum Lieblingsbier.

Markus: Dann machen wir es mal auf.

Holger: Ja, absolut. Ich sag mal, der Schliersee ist ja auch nicht weit weg von mir. Jetzt Markus, bist du natürlich als Oberfranke direkt wieder total versöhnt, keine Bittere oder wenig.

Markus: Aber eine unglaubliche Intensität.

Holger: Absolut!

Markus: Allein schon die Farbe, das ist ja pechschwarz. Wahnsinn!

Holger: Wunderbar! Und dann eben diese Süße, diese Malzsüße, diese Whiskyaromen, Karamell, Rosinen. Also mein Gott, das ist doch großartig. Also da fällt einem doch sofort ein, jetzt dann, wenn der Herbst beginnt, die karamellisierten Maronen und Lebkuchen und Vanilleeis.

Markus: Da hat jemand Weihnachtssehnsucht offensichtlich.

Holger: Aber jetzt hört doch mal, das ist doch nicht abwegig, oder? Das ist doch so.

Markus: Ja, ja. Auf jeden Fall. Sehr fein. Gerade auch dieses intensive Whiskeyaroma finde ich sehr, sehr schön. Und überhaupt, die Holzfassaromen zusammen mit dem Karamell und mit den Früchten, also ein Wahnsinns-Bier. Das ja auch eine besondere Geschichte hat. Wenn ich mich richtig erinnere, habt ihr da ja so eine Art Wettbewerb gemacht mit zwei verschiedenen Bieren, oder Marc?

Dr. Marc Rauschmann: Du bist gut im Thema, ja, hast ja alles mitbekommen.

Holger: Das war doch auf der Braukunst Live!, oder nicht?

Dr. Marc Rauschmann: Genau, beiden, der Finest Spirits und der Braukunst Live!, wir sind ja auf beiden Veranstaltungen immer gewesen und haben dort die Kollegen von Slyrs kennengelernt, vor allem den Hans Kemenater, und haben dann praktisch zwei Biere uns überlegt und gebraut, und diese zwei Biere in jeweils ein Fass gelegt. Auf der Braukunst Live! und der Finest Spirits haben wir das dann verkosten lassen. Und das Barrel 1 hat ganz knapp vor dem Barrel 2 gewonnen, und das haben wir dann praktisch permanent gebraut. Wobei permanent heißt ja, in ganz kleiner Menge. Das geht ja auch nicht im Handel, das füllen wir in wenigen Flaschen ab und haben das bei uns in Berlin am Hahn. Aber das sind kleine Mengen, aber die haben wir regelmäßig vom Barrel 1.

Markus: Ja, eine tolle Geschichte. Und gerade eben diese Kombination, ich glaube, das ist ja vielleicht vor zehn Jahren auch noch mal anders gewesen. Ich meine, am Anfang hat man ja sogar gesagt, ob in ein Holzfass das Bier zu legen, überhaupt reinheitsgebotskonform ist. Und eben auch die große Frage: Was macht das in Sachen Hygiene und wie funktioniert das? Und das hat sich ja auch wahnsinnig entwickelt. Nun bist du ja übrigens auch Dr. Marc Rauschmann. Willst du uns noch erklären, was da so dahintersteckt? Ist das ein Doktor im Bierbrauen oder was ist das?

Dr. Marc Rauschmann: Ich wollte noch, genau, mache ich gleich. Ich habe noch zwei Ergänzungen zum Barrel 1. Also einmal hygienisch, ja, wobei, wenn vorher Whisky drin war, musste man sich da nicht so viele Sorgen machen. Im Prinzip sind zwei Sachen eigentlich bei den fassgelagerten Bieren wichtig, die man hier noch mal merkt. Zum einen, was uns wichtig war, es haben ja dann manche angefangen, weil man es so in den USA macht, Bourbon-Fässer nach Deutschland zu holen. Und da dachten wir, das ist ja wirklich völlig unsinnig, in den USA fallen die ja an. Weil der nur einmal drin liegt, der Bourbon, haben die ohne Ende Bourbon-Fässer und verwenden die. Macht ja Sinn. Aber in Deutschland haben wir so tollen Whisky, wie beispielweise von Slyrs. Und wir wollen ja immer persönlich was machen mit den Menschen, und Whisky mögen wir auch von Slyrs, und so lag das nahe, eine Kooperation zu machen und dann deutsche Whisky-Fässer zu nehmen und nicht amerikanische. Und das zweite, und das haben wir bei Firestone gelernt, ist, dass wir die Fässer auch in einem Kühlraum haben, also die liegen bei, ich sag mal, 10 +/- 10 bis 12 Grad, und halt nicht mal irgendwo, wo Platz ist. Und es ist ein megagroßer Unterschied, ob ich jetzt Fässer irgendwo im Sommer bei 30 Grad habe, die Poren aufmachen und es mehr oxidiert, oder ob ich die, wie ja auch in Schottland, den Whisky moderat bei 10, 12 maximal 14 Grad lagere. Firestone macht das so, in den USA machen es viele andere auch nicht so, aber das ist ein Riesenunterschied, ob die Biere gut gelagert sind oder gut gereift sind oder nicht. Und im Endeffekt ist es, je intensiver Aromen sind, desto schwieriger ist es, umso mehr muss man sich da auch Gedanken machen, wie man das sinnvoll macht, damit es auch qualitativ passt. Und von daher ist das eine große Anstrengung und viele Überlegungen, damit das Bier nachher dann so in der Flasche ist, wie es jetzt ist. Ja Doktor, im Endeffekt habe ich fünf Jahre studiert und dann fünf Jahre promoviert auf einer Filtrationsthematik. Und während dieser fünf Jahre in Berlin jetzt nicht nur an meinem Thema promoviert, sondern Vorlesung gemacht, Praktika gemacht und viele, viele andere Arbeiten, Seminararbeiten betreut. Also viele derjenigen, die jetzt so im Markt sind als Craftbrauer, waren auch mal bei mir in Berlin, haben bei mir die Diplomarbeit, Seminararbeit gemacht. Das ist ja eine kleine Branche, es gibt ja Weihenstephan und Berlin, viele, die in Berlin waren, waren dann in meiner Zeit auch da und kenne ich dann darüber auch über die Zeit.

Markus: Da sprichst du noch was Interessantes an. Ich denke, das hast du auch miterlebt, Holger, es gibt ja einfach auch ein großes Netzwerk. Weil die Branche nicht so groß ist und weil man sich gut kennt, ist das auch was, was euch da vor zehn Jahren geholfen hat, euch da entsprechend auszubreiten?

Dr. Marc Rauschmann: Ja, in Deutschland haben wir natürlich ein großes Netzwerk, international damals nicht. Aber das Beeindruckende war, als wir die Reisen geplant haben, dass man uns überall die Türen aufgemacht hat. Also wir waren bei Brooklyn Brewery, Firestone, bei Sierra Nevada, und wo immer man hinwollte, haben Brauer, auch in Belgien, in Japan, überall, habe die kontaktiert, auch die, die ich vorher nicht kannte, die meisten, und man war extrem offen und hat uns willkommen geheißen und vieles gezeigt und wir konnten vieles lernen. Also grundsätzlich die Brauer sehr offen, machen die Türen auf, wenn ein anderer Brauer kommt, und sind sehr gastfreundlich. In Deutschland ist es natürlich eine kleine Branche, man kennt viele und klar, hilft das. Ich meine, da freut man sich ja auch, wenn man gemeinsam, und das ist ja Wichtige, dass man gemeinsam und gar nicht mal nur unter Craftbrauern oder Brauern die Themen, die uns gerade alle beschäftigen, es sind ja nicht, wie vielleicht manch einer immer noch denkt, ich sag mal, die Themen schwarzweiß, groß gegen klein, sondern die Themen, die die Branche beschäftigen, gehen ja darüber hinaus. Und ich hoffe, oder wir müssen gemeinsam lernen und gemeinsam vor allem die Themen angehen, die die Branche beschäftigen. Das ist heute Corona, das Thema Gastronomie, wie kommen die durch, wie kommen die übern Winter jetzt nach dieser Zeit? Und das sind viele andere Themen, die die ganze Branche beschäftigen und wo man dann über sein Netzwerk und auch darüber hinaus gemeinsam an den Themen arbeiten muss.

Holger: Ich glaube einfach, Marc, dass die aktuelle Thematik auf jeden Fall was verändern wird, was wir auch nicht wieder zurückdrehen werden. Das glaube ich einfach. Ich glaube, dass die Gastronomie sich verändert. Ich glaube, dass es ein Sterben auf Raten ist, was wir gerade erleben. Und da muss man als großer Brauereikonzern, wie jetzt zum Beispiel die Radeberger Gruppe, die hinter euch steht, muss man auch Konzepte und Ideen haben. Ich mache mir Sorgen ein Stück weit, aber freue mich natürlich auch auf die Veränderungen und auf das Neue. Vielleicht ist es noch mal eine zusätzliche Chance, auch wirklich noch mehr Qualität und noch mehr Besonderheit, und in der Verbindung vielleicht auch besserer Preis. Vielleicht kriegt man das hin. Ich weiß es nicht.

Dr. Marc Rauschmann: Ich bin da sehr guter Dinge, weil die Themen, die wir alle gemeinsam, und das Thema Craftbier ist ja gerade nicht nur der Brauer wie ich jetzt, sondern das sind insbesondere Menschen wie ihr beide, die Sachen, die angestoßen wurden, wo so viele Menschen sich in so viel Ebenen für das Thema Biervielfalt engagieren, das ist da. Und das Thema Bier steht ja nicht alleine da, das ist ja in vielen Bereichen, Lebensmittel, da gibt’s ja immer mehr Verbraucher, die einfach mehr wissen wollen, die bereit sind, auch für Qualität was zu bezahlen. Die aber dann auch wissen wollen: Wer ist das? Was macht der? Und das ist beim Thema Bier jetzt seit den zehn Jahren auch angekommen. Und da vielen Dank an euch, ihr tragt auch euern Beitrag dazu bei, und das wird bleiben. Und das Thema Wertigkeit, ich fand‘s damals ganz schlimm vor zehn Jahren, wie über Bier geschrieben wurde. Weil es gab keine bieraffine Presse, das hat man, heute der eine, morgen der andere geschrieben, da war kein Wissen da. Und heute hat man redaktionell da gute Leute, die wir ja alle gut kennen, und die schreiben qualitativ ganz anders über Bier. Und wir haben heute wieder ganz andere Themen, wir reden über Bier und wir reden nicht über, ich weiß nicht, was für Themen da alle mit dem Bier in Zusammenhang gebracht werden, sondern über das Produkt. Und das ist superschön, das macht einfach Spaß. Und das wird auch bleiben, da bin ich auch sicher.

Markus: Was ich auch interessant finde, wie ist das denn, wenn man so zum Gesicht für eine Marke wird? Das macht ja vielleicht auch was mit einem. Wenn man jetzt in Berlin in die Läden geht zum Beispiel, da strahlst du einem gleich entgegen und das sind sehr schöne Bilder übrigens. Bist du da irgendwann mal mit deinen Eltern rein und hast gesagt, schau mal, euer Marc, da oben ist er jetzt? Was macht das mit einem?

Dr. Marc Rauschmann: In Berlin warst du lange nicht mehr, da habe ich mich in Überlebensgröße, da haben wir jetzt schwarz drüber gemalt und da hängen jetzt die Bierthekenschilder mit den Sorten. Aber Spaß beiseite, unabhängig davon, wo ich hänge, das ist schon, ja, man steht für die Qualität gerade. Und es ärgert mich dann insbesondere, wenn einer sagt, ihr schreibt ja nicht drauf, wo ihr braut. Es ist aber egal, weil Gypsy Brauer haben in verschiedensten Brauereien jetzt gebraut, aber das Entscheidende ist ja, auf jeder Flasche steht mein Name, beziehungsweise der von Markus. Und in Facebook schreiben wir und wir sind ja das Gesicht und der Name. Und wenn irgendwo die Qualität nicht passt, die Leute haben einen Namen dahinter. Und von daher nimmt man natürlich die Themen, die einem zugetragen werden oder die man dann liest, sehr persönlich, weil man persönlich einfach so viel Zeit reinsteckt. Viele Sachen haben wir gemeinsam gemacht, ihr wisst, wie viel ich jetzt und mein Team unterwegs ist. Und von daher ist es automatisch etwas sehr Persönliches, egal was über die Marke geschrieben wird.

Markus: Wo man auch mal durchaus angefasst ist, vielleicht. Es gab ja durchaus auch mal kritische Töne zwischendurch, aber ich glaube, mittlerweile ist es schon auch einfach anerkannt, was ihr geleistet habt und wie ihr die Branche vorangebracht habt. Und ich kann mir gut vorstellen, dass der Holger jetzt so richtig Lust auf das große Ding hat, oder?

Holger: Ich habe Lust aufs Finale, das stimmt. Und das holen wir jetzt zu uns.

Markus: Also groß … ach, du musst das jetzt noch holen?

Dr. Marc Rauschmann: Ich hoffe, es ist auch alles leer, was ihr aufgemacht habt jetzt?

Markus: Jetzt nicht sofort, sonst könnten wir das Ende vom Podcast, glaube ich, nicht miterleben, aber der Tag wird das noch mit sich bringen. Ja, auf jeden Fall.

Dr. Marc Rauschmann: Und bevor ihr das Bier beschreibt, guckt euch doch bitte mal das Etikett an.

Markus: Okay! Dann schauen wir uns erst mal das Etikett an. Der Holger holt ja sowieso noch. Dann kann ich mal beschreiben. Wir haben so ein bisschen eine Comic-Zeichnung darauf. Ich sehe so kleine Tierchen mit Hüten und 10 drauf. Also da geht’s natürlich um die Jahreszahl 10, denke ich mal, 10 Jahre, das zieht sich ja durch, als Jubiläumsbier. Dann haben wir einen Braukessel, in den wird Hopfen und Malz gegeben, von eben einer Hopfen- und einer Malzfigur. Ich glaube, das Gelbe, da ist eine gelbe Hefe zu sehen, die glaube ich da gerade den Zucker frisst, wenn ich das richtig interpretiere. Und dann haben wir links ein Huhn. Das musst du vielleicht noch erklären, warum da ein Huhn ist. Und insgesamt steht dann da noch Hoppy Strong Saison. Also das verspricht schon mal ganz viel, weil Saison an sich schon ein sehr interessanter, sehr aromatischer, sehr vielfältiger Bierstil ist. Und Strong Saison heißt natürlich, noch mal mehr davon. Und Hoppy würde dann ja noch mal bedeuten, okay, dann hat man das Ganze noch mit Hopfen angereichert, abgerundet. Also sicherlich ein ganz spannender Trunk. Ohne es jetzt zu trinken, würde ich mir da ganz viel Frucht erwarten und hinten raus auf jeden Fall so ein bisschen würzige pfeffrige Noten von einem Saison und relativ viel Kohlensäure. Ja, so würde ich das sagen. Habe ich was vergessen auf dem Etikett?

Dr. Marc Rauschmann: Ja, lass mich mal kurz erklären. Also der Hahn ist der galizische Hahn, den wir auf dem Soleya haben.

Markus: Ah!

Dr. Marc Rauschmann: Der hat den Handbiegeschwinger in der Hand oder im Flügel. Den siehst du vielleicht da.

Markus: Ja, jetzt sehe ich ihn. Mhm (bejahend).

Dr. Marc Rauschmann: Dann haben wir in der Tat die Hefe, so ein bisschen wie Pac-Man, kennt ihr ja noch. Die immer auf der Suche, also ganz rechts außen neben „ANNY 10“ und zwischen den „10 Jahre“ ist der Zucker, der Malzzucker praktisch. Die Hefe ist immer auf der Suche nach diesem Malzzucker, die wirft sich da immer kleine Würfel rein. Daneben ist der Hopfen, alle mit dem Geburtstagshütchen drauf. Den Kessel hast du erkannt, der Hopfen schmeißt da grad Hopfen rein. Und hinten rechts ist noch mal eine Hefezelle vor den Barrel 1 Fässern. Und diese ganze Zeichnung hat der gleiche Künstler gemacht, der uns in Berlin am Alexanderplatz dort die Graffitis gemacht hat.

Markus: Ah!

Dr. Marc Rauschmann: Und diese Motive, die ziehen sich dann durch. Also die Protagonisten, der Hopfen, die Hefezelle und je nach Bild dann die Figuren, die wir auf den Etiketten haben, die ziehen sich über diese Grafik immer durch. Und den haben wir dann gebeten, unser Etikett für das Jubiläumsbier auch entsprechend zu machen.

Markus: Wow! Also sehr, sehr schönes, spannendes Etikett. Das wird den Holger bestimmt auch wieder freuen. Ich glaube, Holger, das Bier könnten wir doch den Marc mal verkosten lassen, wo es doch das Jubiläumsbier ist, oder?

Holger: Das ist eine gute Idee.

Markus: Mach’s auf jeden Fall mal auf.

Holger: Aber es ist auf jeden Fall total beeindruckend, also die Flasche und alles. Und es ist auch was Besonderes, 10 Jahre sich da festzusetzen in dem ja doch sehr umkämpften und schwierigen Markt. Und vor 10 Jahren hat auch noch keiner sagen können, wie wird‘s eigentlich. Und da eine Entscheidung zu treffen und auch so lange daran zu glauben, auch als Konzern so lange daran zu glauben, finde ich, hat viel Lob verdient und Dankbarkeit. Und das muss auch mal gesagt werden. So! Jetzt Marc, bist du dran.

Dr. Marc Rauschmann: Also nebenbei, mach dann noch mal Anhänger auf, da ist noch ein bisschen was über die 10 Jahre beschrieben. Das Bier ist ja praktisch so ausgehend vom Soleya. Das hatten wir damals gebraut und uns irgendwie völlig vertan, was diese Hefe alles vergärt. Also diese Hefe, die wir für das Saison verwenden, vergärt alles, was irgendwie nach Zucker aussieht und macht unglaublich viel Alkohol. Der erste Versuch für Soleya hatte dann sage und schreibe 9 % Alkohol. Unsere italienischen Freunde haben gesagt, ist doch super, lasst das so. Aber wir haben auf der Braukunst Live! es das erst Mal gehabt und feststellt, ja, du trinkst ein Bier und hast eigentlich schon zwei getrunken. Das ist sehr anstrengend über so einen Abend und wir haben das deswegen dann runtergebracht. Aber jetzt zu den 10 Jahren haben wir dann gesagt, okay, wir brauen das gleiche wie damals, aber noch etwas intensiver, also dass wir 10 % haben. Die Aromen sind ähnlich wie beim Soleya, nur intensiver. Also wir beschreiben das ja mit tropischen Früchten, grüne Banane und pfeffrige Noten. Es sind insgesamt die grünen Früchte, so ein bisschen vom Wein kommend, würde ich sagen, so ein bisschen wie ein Sauvignon Blanc. Also hat auch Mirabelle, die Richtung, aber auch gerade diese, so ein bisschen weißer Pfeffer, diese würzigen Noten. Und das Bier ist ja super-super-hochvergoren durch die Saison-Hefe. Trotzdem, und das ist vielleicht ein bisschen ähnlich beim Yakeros, aber trotzdem die Flasche hat hohen Alkohol, wir wissen gar nicht so, warum, wirkt es etwas süßlich und hat auch Körper, der eigentlich gar nicht da ist. Macht es insgesamt sehr erfrischend und keiner, dem man das gibt, denkt, hat 10 %. Man käme nie auf 10 %. Und wenn man manches deutsches Bockbier nimmt, was vielleicht 7 % hat, wo man so diese Mastigkeit hat, das ist genau das Gegenteil, weil das sehr hohen Alkohol hat, aber sehr erfrischend leicht und superspannendes Bier, meiner Meinung nach.

Holger: Hoppy Beers Day.

Dr. Marc Rauschmann: Ja.

Markus: Auf den Geburtstag! Da können wir grad mal anstoßen.

Holger: Hier kann ich mir jetzt ein schönes Fischgericht oder auch Käse dazu vorstellen. So dieser weiße Pfeffer, den finde ich wirklich ganz spannend. Jetzt, wo du das gesagt hast, ist der jetzt noch mehr in den Vordergrund getreten bei mir. Das hat ja auch ein bisschen was mit Psychologie zu tun, Sensorik. Also sehr, sehr spannend, wirklich sehr spannend.

Markus: Ich habe auch noch so viele so florale Noten mit dabei. Und die Aprikose ist auch ziemlich intensiv. Das Schöne ist ja, das kennt man ja vom Soleya auch oder von anderen Saisons, dass es eben so eine Reise durch ganz viele Aromen ist. Und das finde ich so spannend, also du hast das im Mund und es ploppt hier mal was auf, da mal was auf. Und dann trinkst du einen Schluck, dann verändert sich es wieder. Dann trinkst du es ganz, dann kommt dieser Pfeffer, dann kommt das wieder ein bisschen zurück, dann kommt die Bittere. Und am Ende bleibt dann doch wieder ein bisschen was von diesen Steinfrüchten. Also das finde ich Wahnsinn, wie viel Aroma das hat, wie komplex das ist. Und du hast natürlich völlig recht, das ist ein saugefährliches Bier, weil das merkt kein Mensch, dass das 10 % hat. Außer er hat es dann getrunken, dann merkt er es schon. Also das ist auch ein tolles, ganz tolles Bier. Und habt ihr euch ein schönes Geburtstagsgeschenk gemacht. Das muss man auf jeden Fall sagen.

Dr. Marc Rauschmann: Ja, danke.

Markus: Wie viel gibt’s denn davon überhaupt?

Dr. Marc Rauschmann: Du, wir haben davon, lass überlegen, etwa 45 Hektoliter gebraut.

Markus: Also ist noch ein bisschen was da, auch für unsere Hörer, falls jemand drauf Lust hat.

Dr. Marc Rauschmann: Von den Flaschen haben wir etwa 1000 abgefüllt, füllen nochmal ein paar ab, die wir dann für unsere Jahresendveranstaltung für Talk & Taste nutzen. Und ein paar Fässer in Deutschland, unter anderem bei uns in den Objekten. Und der Großteil der Fässer geht, ich deutete es schon an, nach Italien, die lieben ja höheralkoholhaltige Biere. Und unsere Kollegen in Italien, die haben die größte Menge Fassbier geordert.

Markus: Ja, das wird bestimmt ein rauschendes Fest. Das stimmt, das ist erstaunlich, wie die Italiener wirklich auch beim Bier es fast schon als normal empfinden, wenn das 8, 9 oder 10 % hat, weil sie ja eher wirklich vom Wein herkommen, und da ist es ja auch so. Also insofern merkt man da auch gar nicht so eine gewisse Berührungsangst, die man bei uns vielleicht hat, sobald mal irgendwie mehr als 5 % irgendwo draufsteht. Vielleicht noch von mir als Frage, du bist ja sehr viel in der Welt rumgekommen: Was waren denn so die skurrilsten Erlebnisse, die du so hattest in Japan oder sonst wo auf der Welt?

Dr. Marc Rauschmann: Eine Sache, an die wir wirklich nicht denken, weil wir ja auch grad, du sagtest es Markus, über die großen Flaschen und eher so Bier Tastings, wir hatten ja erst gar nicht die Becher, sondern nur in den Flaschen und mit den Pokalen und immer kleine Schlucke, IPA, und jeder sagt in Deutschland, das kannst du nicht in großen Mengen trinken. Und die 0,3er Becher, die man dann vollmacht, waren schon die erste ungewöhnliche Veränderung. Und dann haben wir bei uns am Alexanderplatz jetzt und am Hausvogteiplatz ja 0,5er Becher, wo dann mancher sagt, boah, 0,5 IPA geht gar nicht. Und wenn man in die USA kommt und da verkaufen wir ja das IPA sehr, sehr gut, und kommt in große Bierobjekte, da wird das, jetzt nicht, dass ich den Stil jetzt in Deutschland unbedingt referieren würde, aber da trinkt man ein IPA im Litergefäß. Und denkst du: Okay! Jetzt nicht, dass die dann zwei, drei Liter trinken, sondern die kommen in den Biergarten, in die Beer Hall, haben teilweise ihren Krug im Schrank und trinken dann ein Progusta, ein Liter, und gehen dann nach Hause. Wo du in Deutschland denkst oder die Leute sagen, kannst nicht mehr trinken, kann ich ja eh nicht bestätigen, weil ich kann auch mehr davon trinken, weil es einfach lecker schmeckt. Und dann gehst du nach USA und die trinken das in großer Menge. Das war auf jeden Fall ein interessantes Erlebnis, und regelmäßig, sage ich mal. Da wird man auch keinen von abhalten, weil da freut man sich ja, ist ja das Fass auch schnell leer.

Holger: Marc, ihr könnt ja am Alexanderplatz mal ein 3-Liter-Pitcher einführen.

Dr. Marc Rauschmann: Ja, der Pitcher an sich, genau, gutes Thema, wir haben ja den 1,5 Liter Pitcher, auch das ist für Deutschland ungewöhnlich, weil jeder sagt, oh, Pitcher ist ja qualitativ, wie geht denn das mit Qualität und Bier? Und es ist die perfekte Qualität, weil die Frage ist ja nicht, Pitcher, ja oder nein, sondern die Frage ist ja, wie kommt das Bier in den Pitcher? Und wenn du eine supereingestellte Zapfanlage hast mit Begleitkühlung, wir fahren mit Mischgas, das Bier läuft raus, ohne dass es schäumt, einfach schwarz in den Pitcher, dann kann sich jeder am Tisch die Menge nehmen, die er will. Und das ist qualitativ viel besser, als wenn der eine mit 0,3 den ganzen Abend dasitzt, dann nimmt er doch lieber nur einen ganz kleinen Schluck, und der andere, der Durst hat, kann sich nachschenken. Das ist qualitativ zehnmal besser, als wenn jeder die gleiche Größe bekommt. Und das sind so Schubladen in Deutschland beim Thema Bier, die wir ja so ein bisschen abbauen, aber die immer noch da sind.

Holger: Markus, was sagst du jetzt dazu? Also ein Hoch auf den Pitcher.

Markus: Ein Hoch auf den Pitcher. Ach! Also ich muss sagen, ich finde das immer lustig. Weil wir haben ja auch bei euch in Berlin schon Verkostungen gemacht, und da ist es ja so, dass der Verkostungsraum in einem Nachbargebäude ist. Das heißt, man holt sich mit dem Pitcher eben das Bier aus dem Hauptraum sozusagen und geht dann rüber und schenkt ein. Ich finde das sehr praktisch. Und solange man das dann immer schön frisch genießt, ist das wunderbar. Ich habe nur einmal im Leben eine schlechte Erfahrung damit gemacht, das war in Finnland. Da hatte es, in Finnland wohlgemerkt, morgens schon 28 Grad, und wir hatten da einen Bierwettbewerb, und da war es so, dass alle Biere zum Verkosten in Pitchern von den Brauereien geholt wurden von den Zapfhähnen. Und die sind dann, während sie ausgezapft wurden und dann im Pitcher zu uns gebracht worden und dann ins Glas geschenkt worden sind, sind die total oxidiert, weil einfach durch die Temperatur, durch die Wärme, durch das Licht, das hat die Biere umgebracht. Aber so in unserem normalen Fall ist doch so ein Pitcher eine wunderbare Geschichte. Und finde ich auch gut, dass ihr sowas macht. Und vielleicht als letzte Frage von mir noch. Ihr habt ja sogar ein eigenes Glas entwickelt. Wie kam es denn da eigentlich dazu?

Dr. Marc Rauschmann: Gut, wir hatten, als wir angefangen haben, einen Teku Pokal genommen und eingeführt hier in Deutschland, weil wir den gut fanden. War damals auch State of the Art. Und wir wollten ja damit, dass wir das Glas nicht vollmachen, die Konsumenten motivieren, praktisch in das Glas noch mal reinzuriechen und sich stärker mit dem Bier zu beschäftigen, als er es bisher gemacht hat, nämlich auch mal mit dem Geruchssinn. Über die Zeit haben wir dann festgestellt, dass es ein paar Nachteile bei dem Glas gibt, es einfach zu breit ist, was den Schaum kaputtmacht, ein Konus fehlt, um einfach den letzten Schluck nicht gleich so warmwerden zu lassen. Und haben dann gesagt: Okay! Wir entwickeln den Pokal neu mit den Erfahrungen, die wir über die Jahre damals gemacht hatten. Und gleichzeitig haben wir gesagt: Okay! Wir wollen mit Fassbier starten. Und für Fassbier passt aus unserer Sicht jetzt ein Pokal mit Stil nur bedingt. Und deswegen haben wir praktisch parallel zum Pokal das gleiche Glas nochmal als Becher entwickelt, der heute auch mit Abstand in Deutschland unser Haupttrinkgefäß ist.

Markus: Was dem Holger, glaube ich, sehr entgegenkommt, oder? Du trinkst doch Bier gerne aus solchen Gefäßen.

Holger: Unbedingt! Ich finde das Glas wirklich gut und würde mir auch wünschen, dass das Thema Glas auch in der Gastronomie noch eine größere Rolle spielt, als es das eigentlich tut. Also jetzt nicht nur bei den speziellen, innovativen Bieren, über die wir heute gesprochen haben, sondern auch bei den normalen Bieren. Und dass das also wirklich richtig zelebriert wird und dass eben ein frischgezapftes Bier auch anzuschauen ist, und dass die Gläser optimal gespült sind. Auch überhaupt die ganze Gastronomiekultur, die dazugehört zu der Bierkultur, dass das noch mehr in den Vordergrund kommt, dafür stehe ich und da möchte ich auch einiges dafür tun. Und da begrüße ich das immer, wenn solche Projekte wie eine eigene Glasentwicklung dann auch umgesetzt werden. Das ist eine gute Sache. So, Freunde der Nacht! Wir haben etwas überzogen und müssen einfach zum Ende kommen. Marc, dir vielen, vielen Dank! Es war eine tolle, tolle Reise durch Qualität und Innovation und die Bereitschaft Neues auszuprobieren, und das jetzt schon seit zehn Jahren. Sehr beeindruckend. Ich würde jetzt mal behaupten, ist nicht unser letzter BierTalk. Vielen Dank!

Markus: J, vielen Dank, lieber Marc! Großartig! Fand ich auch sehr spannend. Und ich freue mich auch, wenn wir das fortsetzen und dann, was weiß ich, auf die nächsten 11, 12, 13, 14 Jahre, je nachdem, und unterhalten.

Dr. Marc Rauschmann: Vielen Dank! Hat mir viel Freude gemacht. Zumal ihr beiden ja wirklich, ihr habt’s ja gesagt, Begleiter der fast ersten Stunde seid. Wir haben schon uns ganz am Anfang kennengelernt, kennen uns schon sehr lange, seid Freunde von uns, habt viel dazu beigetragen, und seid Teil der Branche und ein Bestandteil des Ganzen. Hat mir viel Spaß gemacht, zumal ihr uns kennt, und wir uns so lange kennen. Also vielen Dank dafür! Und würde mich auch freuen, wenn wir das fortsetzen.

Markus: Danke schön für dieses Lob! Das geht runter wie ein Barrel 1.

Holger: Sehr gut! Tschüss!

Dr. Marc Rauschmann: Also tschüss!

Markus: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

Mehr lesen

Craft Beer in Franken

Craft Beer – Jeder, der sich mit dem Thema „Bier“ auseinandersetzt, hat es schon einmal gehört. Doch was genau ist „Craft Beer“, was macht es so Besonders und warum ist…

Weltneuheit in Reckendorf eingeweiht

Dominik Eichhorn feierte die Einweihung seines neuen Sudhauses Fast 60 Jahre hat das alte Sudhaus in der Reckendorfer Schlossbrauerei auf dem Buckel. Damals nach dem neuesten Stand der Technik eingerichtet,…