BierTalk 44 – Interview mit Michael König, Biersommelier für Maisel & Friends aus Bayreuth

Es ist eine der wenigen Bilderbuchkarrieren, die die deutsche (Craft-)Bierwelt zu bieten hat: Michael König, bierinteressierter DJ aus dem oberfränkischen Coburg, startet mit einer Facebook-Seite zum Gerstensaft in die Welt der Bier-Blogger und entwickelt daraus das Portal neubierig.de. Über einen Job beim Online-Bierversand Bier Deluxe findet er schließlich zur Bayreuther Familienbrauerei Maisel und begleitet dort als erster festangestellter Biersommelier das Projekt der Biererlebniswelt mit ihrem Kernstück, dem Taphouse „Liebesbier“. Mittlerweile ist Michael König eine feste Größe in der deutschen Bierwelt, auch als Organisator und Jury-Chef der Homebrew Hobbybrauermeisterschaft, die jährlich in Bayreuth ausgetragen wird. Für seine langjährigen Weggefährten Markus und Holger hat er sich ein ganz besonderes Bierprogramm ausgedacht, am besten hören Sie selbst…

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Holger: Herzlich willkommen zum 44. BierTalk. Am Mikrofon wie immer der Holger und der …

Markus: … der Markus.

Holger: Genau! Und jetzt wollt ihr natürlich wissen, wer unsere Schnapszahl? Und unsere Schnapszahl ist ein ganz besonderer Biersommelier, der in einer ganz, ganz tollen Atmosphäre arbeitet und nicht nur königlich agiert im Thema Bier, sondern sogar so heißt. Michael König. Hallo Michael!

Michael König: Servus ihr zwei!

Holger: Dann sag doch mal was zu dir, weil es könnt ja doch noch den ein oder anderen in Taiwan zum Beispiel geben, der dich jetzt noch nicht kennt.

Michael König: Ja, mein Name ist Michael König, ich bin 44 Jahre, wohne in Bayreuth und bin Biersommelier bei der Brauerei Gebrüder Maisel. Zum Aufgabengebiet bin ich hauptsächlich für die Marke Maisel & Friends da und natürlich, wer schon mal in Bayreuth war oder das vielleicht auch kennt oder schon mal Bilder gesehen hat, bin ich so der, ich würde mal sagen, der Bierkapitän von unserem Restaurant Liebesbier und man sieht mich auch in dem, was um das Liebesbier gebaut ist, die Biererlebniswelt ganz oft rumhuschen.

Holger: Dann trinkst du da den ganzen lieben langen Tag Biere?

Michael König: Meine Berufsbezeichnung nennt sich ja natürlich Biersommelier Maisel & Friends aber einen schönen Witz, was ich bei jedem Tasting bring, ich komm nicht früh um 9 in die Brauerei und fange das Trinken an, ne, das ist erst um 10. Das ist so ein Standardspruch, den ich immer anbringe, in jedem Tasting, aber wirklich, meine Arbeit beschränkt sich eigentlich relativ wenig mit dem Thema Biertrinken, außer es ist jetzt abends mal ein Tasting und ich habe wirklich Lust jetzt auch möglichst selbst mit Bier zu trinken.

Holger: Normalerweise habe ich immer so ein bisschen Sorge, dass ich zu meinem Bier komme, weil der Markus ja immer so viel redet aber diesmal irgendwie stehen fünf Biere vor uns und da müssen wir ein bisschen Gas geben und so wie ich dich kenne, du bist ja sowieso chronisch unterhopft, aber Markus, möchtest du noch vorab irgendwie dich melden?

Markus: Ach ja gerne. Also ich meine, ich freue mich total, dass der Michael diesmal bei uns Gast ist, weil wir uns ja schon sehr, sehr lange kennen und ja auch gemeinsam Biersommelier gemacht haben und ja, einfach schon viele tolle bierige Momente hatten und das jetzt auch in Bayreuth immer wieder fortsetzen und da auch schöne Veranstaltungen zusammen machen und wo man einfach merkt, das ist dann eine Freundschaft, die da auch gewachsen ist und ja und deswegen finde ich das richtig toll und ich bin auch sehr gespannt, weil wir ja fünf Biere bekommen haben vom Michael und ganz unterschiedlich und ganz unterschiedlich groß und ich weiß, er hat sich was dabei gedacht und mich interessiert jetzt wirklich was er sich dabei gedacht hat.

Holger: Also Michael legt die Reihenfolge fest.

Michael König: Ich sage vielleicht mal was ich euch alles zukommen lassen habe und was natürlich auch bei mir hier steht. Ich habe ein schönes oberfränkisches Kellerbier aus dem Landkreis Bamberg, das Reckendorfer Kellerbier. Damit würde ich auch dann starten. Ich habe hier ein relativ neues Pale Ale, ein Limited bei uns, das nennt sich Hoptimism, da kommen wir dann dazu, glaube ich, wenn es denn soweit ist, ja und dann wird es natürlich schön stark. Ich würde sagen wir gehen dann über zu einer kleinen Flasche, die nennt sich Hopfenreiter und dann habe ich natürlich noch was in 0,75, zum einen habe ich noch einen Maisel’s Weisse Bajuwarus Weizenbock und ich habe noch von ÜberQuell aus Hamburg das Julebryg, auch in 0,75.

Markus: Also Holger, da hast du jetzt endlich mal eine ausreichende Menge Bier im BierTalk, oder?

Holger: Ne also wirklich, also ich habe das ja schon immer gesagt, wir sollen uns gescheite Leute einladen und das haben wir uns ja also in dem Fall haben wir es ja auch gemacht. Also los jetzt. Kellerbier, ihr zwei Franken, ich mach’s auf.

Michael König: Schenk mal Kellerbier ein, Markus du hast ja gesagt, ich soll Biere schicken, zu denen ich eine persönliche Beziehung habe. Jetzt habe ich mir gedacht na, wenn ich jetzt nur Maisel & Friends mache, das ist jetzt auch net so prickelnd. Dann hätte ich euch nen Becks schicken können. Gab mal eine Zeit, wo ich lang Becks getrunken habe, aber die Zeit ist lange, lange vorbei. Ich glaub die hatte jeder, auch jeder Biersommelier vielleicht mal, der schon ein bissl älter ist, aber dann habe ich mir überlegt, Mensch ihr zwei, euch kenne ich schon ein bissl länger, nehm ich doch mal ein Bier rein, was ich mit euch verbinde und vielleicht kommt ihr auch drauf was denn die Verbindung wirklich ist und wir sind und wir sind ja jetzt beim Reckendorfer Kellerbier, hier wäre die Verbindung zu dir Markus. Weißt du denn was die Verbindung sein könnte?

Markus: Puh, also wahrscheinlich der Brauer, oder? Der ja auch Biersommelier ist, wo wir auch Zeit mit verbracht haben, könnte das sein?

Michael König: Du hast es eigentlich schon erwähnt. Wir haben ja zusammen den Biersommelier gemacht, 2013 und der Dominik Eichhorn, das ist ja der Inhaber der Schlossbrauerei Reckendorf, der hat mit uns zusammen damals auch den Biersommelier gemacht.

Markus: Genau, ah sehr gut, also hervorragend. Also der Dominik habe ich auch immer noch sehr gute und häufige Kontakte. Der wohnt ja witzigerweise bei mir um die Ecke in Bamberg und macht für mich auch hervorragende Biere und da freue ich mich sehr und habe mich auch schon gefreut, als ich das ausgepackt hab. Ich würde aber fast sagen, wir lassen den Holger mal ein Kellerbier beschreiben. Das habe ich, glaub ich, noch nie gehört.

Holger: Zum Glück darf ich auch wieder also prost, ich hab’s natürlich schon längst ein geschüttet und so, also ihr redet da ja schon wieder so lang, also bei mir, was bei mir im Glas ist, ist schon eine kleine schöne Malzbombe so. Wenn man reinriecht, schöne Getreidenoten, ein schöner, satter Schaum und dann so eine ja, also der Biersommelier würde jetzt sagen opaque, aber da weiß ja niemand so richtig was damit gemeint ist also so leicht trüb also unfiltriert und ganz, ganz feinporiger Schaum. Ich trink jetzt mal einen Schluck. Ja also so wie der Franke es mag ja, also total ausbalanciert, so richtig schönes, frisches Bier. Die Kohlensäure ist nicht so stark ausgeprägt, also hier würde der Biersommelier wieder sagen, die Rezenz ist eben nur ganz wenig angedeutet, würde ich vielleicht sogar sagen. Es wird ölig, könnte man sogar sagen und es hat so richtig geschmeidige Malzaromen. Ich jetzt als Norddeutscher, das wisst ihr ja, würde jetzt gerne noch mehr ein bisschen deutlicher den Hopfen spüren aber das ist eben ein Kellerbier wie das in einer Brautradition, in einer fränkischen Brautradition auch sein soll, also wenn man ein fränkisches Kellerbier trinken möchte, dann wäre jetzt Reckendorfer Kellerbier deren Vertreter, wo ich jetzt sagen würde, ganz klassisch und ich habe ja jetzt schon öfter mal wieder erwähnt, das ist ja für mich so ein neuer Trend, auch wieder die Klassiker zu trinken und das, das, das ist hier ein Klassiker. Was sagt ihr dazu?

Michael König: Genau, ich gebe dir eigentlich recht, dass des für mich wirklich ein Klassiker von Oberfränkischem Kellerbier ist, das ist auch ein Bier, wo ich relativ gut bekomme. Hier gibt es einen Sagasser-Getränkemarkt, da ist es eigentlich überall in Oberfranken vertreten. Für mich eines der besten Kellerbiere, wo ich kenn.

Markus: Ja, also dem kann ich auch nur zustimmen also es ist einfach, es läuft einfach, es ist, es ist, es ist ein ganz wunderbares Getränk. Das finde ich einfach sehr schön und er hat auch einen schönen, satten Charakter, es kommt so karamellig rüber, die Kohlensäure ist, eben wie der Holger schon sagt, nicht so aufdringlich, sondern lässt sich das einfach schön wegtrinken also ganz, ganz, ganz tolles Bier, was man auch mit ganz vielen Dingen kombinieren kann und man muss vielleicht beim Dominik noch dazu sagen, dass er ja, ein großes Wagnis eingegangen ist vor ein paar Jahren. Der hat seine Brauerei umgestellt auf ein ganz modernes Sudhaus mit einer ganz modernen Technologie, wo es gar keinen Läuterbottich mehr gibt, das nennt sich OMNIUM, beziehungsweise NESSIE, weil das System, was den Läuterbottich ersetzt so ein bisschen ausschaut, wie, wie dieses Monster aus dem Loch Ness. Da ist es eben möglich mit dem Getreide noch mal ganz anders zu arbeiten und auch die Hopfengaben noch mal anders zu dosieren, um eben überhaupt keine Kratzigkeit, überhaupt keine extrem Bittere, sehr viel Weichheit in das Bier reinzubringen und das merkt man hier auch, also dass es wirklich ein komplett rundes, sanftes im positiven Sinne softes Bier ist, was man richtig schön trinken kann, also in dem Fall stoßen wir mal auf den Dominik an, auch wenn der jetzt nicht dabei sein kann. Vielleicht hört er es ja irgendwann. Danke schön, lieber Michael, dass du dieses Bier ins Paket gesteckt hast. Ja erinnere mich auch noch an die Ausbildung, da waren wir ja ganz schön lange zusammen, diese zwei Wochen und hatten auch ein Bierculinarium und ich glaube, du hattest damals auch ein Kellerbier präsentiert bei dem Culinarium. Das war jedenfalls auch ein Highlight, muss ich wirklich sagen. Ganz schön.

Michael König: Ja, ich erinnere mich immer noch gern an die Ausbildung zurück, ist ja schon ein paar Jahre her, wir haben das ja 2013 haben wir, glaub ich, das gemacht und das war ja die erste offene Biersommelier-Ausbildung in Oberfranken.

Markus: Genau, das war auch der erste Kurs von der Bierakademie, sehr, sehr spannende Geschichte auf jeden Fall und ich mein, für dich war es ja auch so ein bisschen ein Anstoß also oder ne Weiterentwicklung. Muss man dann noch dazu sagen, zu dem Zeitpunkt hatten wir ja auch schon länger Kontakt und du hattest ja mit dem bierigen Teil deines Lebens schon vorher angefangen. Vielleicht, wenn du da den Hörern auch noch mal kurz erzählst, was denn vor diesem Biersommelier so war und wie sich das dann danach veränderte.

Michael König: Und selbst wenn ich heute zurückdenke und es ist eigentlich schon eine ziemlich lange Zeit, ich habe anfangen damals, als DJ in einer Bar zu arbeiten, dann kam eben Facebook hoch, das war 2010, 2011 und habe dann für diese Kneipe letztendlich die Facebookseite administriert und auch mit Content gefüllt. Ich fand dieses Thema Social Media, wenn man sich zum ersten Mal bei Facebook angemeldet hat, eigentlich total spannend und habe gedacht, Mensch, es wäre eigentlich ziemlich cool, wenn man das, was ich jetzt hier für die Kneipe mach auch noch für Brauereien machen könnte. Ich habe eine Facebookseite gegründet, die nannte sich damals Bier aus Franken, die ging, glaub ich, 2011, ich glaub so April, Mai an den Start. Content kriegt man ja genügend bei uns, wir haben ja den großen Vorteil, bei uns geht man einmal in den Getränkemarkt und hat für 365 Tage Content. Das ist das natürlich woanders etwas schwieriger. Ich habe dann einfach angefangen, ich habe auch extra vorher noch mal nachgeguckt, welches war denn das erste Bier, was ich wirklich auf dieser Facebookseite vorgestellt habe, es war ein Coburger Bier, es war der Fuhrmannstrunk der Brauerei Grosch, leckeres Bier, also es ist ein dunkles Merzen, Bombenbier, würde ich heut immer noch gerne trinken. Meine damalige Frau hat da noch gesagt: „Das ist ja ein super Marketingtool eigentlich für Brauereien, dass da nicht die Brauereien mal Produktproben schicken, ist eigentlich schon unglaublich“. Dann habe ich gesagt, eigentlich stimmt’s und das war eigentlich ein ganz tolles Hobby und plötzlich kamen dann auch die ersten Produktproben und das Thema wurde immer beliebter. Zufälligerweise war ich auch damals gerade eingeladen von einer Brauerei Maisel deren Museum zu besuchen, da kam nämlich bei mir zum ersten Mal das Thema, dass ich auch noch was brauch was weiter wirkt als eben nur Facebook. Ich brauch eine Homepage und habe dann gesucht, habe dann die ganzen Domains abgegrast, die mit fränkischem Bier zu tun haben, aber die waren alle vergeben und irgendwann habe ich mir abends so die Zähne geputzt, das weiß ich auch noch und da kam wie so ein Geistesblitz die Domain Neubierig, das war das dann mein Startschuss für das Thema Homepage, habe dann aber auch gemerkt, die fränkischen Biere reichen nicht aus um das Thema jetzt zu füllen, ich verlasse die fränkische Grenze, habe dann letztendlich immer mehr Produktproben zugeschickt bekommen und das Thema Craft Beer ist auch so langsam in meinen Bierhorizont eingereist, weil es eben plötzlich auch da war. Zu diesem Zeitpunkt Ende 2011, da habe ich zum allerersten Mal, es war damals vom Felix vom Endt, den kennen ja bestimmt auch viele, der war damals auch ein Blogger und war auch aus dem Coburger Landkreis, der hat mir damals mein erstes Pale Ale und mein erstes IPA gebracht von einer Brauerei, die in München im Klaus im Haus das Spatenbräu gewohnt hat, das waren zwei Typen, die hießen damals noch CREW AleWerkstatt, ich glaub, die kennen auch viele. Dann habe ich das probiert und fand es auch wirklich komisch im Trinken. Aber wie die Geschichte ja mittlerweile vorangegangen ist, finde ich es mittlerweile gar nicht mehr so komisch, wie es jetzt eigentlich ist.

Holger: Du hast ja dann mehr oder weniger Hobby zum Beruf gemacht, so kann man schon sagen, oder?

Michael König: Das kann man schon sagen, es war aber auch alles Zufall. Ich habe ja meinen Biersommelier gemacht eigentlich aus privater Leidenschaft und habe in Coburg auch Tastings und Bierseminare angeboten und dann war es so, das kann ich mich auch noch erinnern, da war eine Stellenausschreibung eines zu der Zeit relativ bekannten Craft Beer Onlineshops. Der hat vier Stellen ausgeschrieben und ich hatte schon ein gewisses kaufmännisches Grunddenken und wusste, dass man natürlich mit Bier online verschicken relativ Geld verdienen kann oder zumindest ist es schwierig damit Geld zu verdienen, weil die Maschen auf dem Getränk eigentlich ziemlich gering sind. Ich kannte aber den Inhaber. Dann habe ich ihn damals angeschrieben, der war aus Potsdam, der Onlineshop, dann habe ich gesagt: „Also wenn der nicht in Potsdam sitzen würde, ich würde ich ja glatt bewerben“, und dann hat es echt, glaub ich, fünf Minuten gedauert und dann kam zurück ja, hast du denn Lust von zu Hause für uns zu arbeiten? Und das war damals der Startschuss für diesen Onlineshop und eigentlich mein Einstieg in diese Bierwelt hauptberuflich.

Holger: Ich würd sagen, wir schreiten zum zweiten Bier also ehrlich gesagt also.

Markus: Ich wunder mich schon warum du das nicht schon längst sagst. Du musst doch schon mit der Zunge am Boden kleben, oder?

Holger: Ne, es ist ja auch total interessant, also wirklich total interessant, weil es ja auch so spannende Bierographien sind, die einem gerade so in der Biersommelier-Welt begegnen und der Michael ist einfach ein Superbeispiel. Ich freu mich auf das nächste Bier. Was haben wir gesagt American Pale Ale, oder?

Michael König: Hoptimism.

Holger: Ja Hoptimism. Ist doch ein American Pale Ale und da musst du ja dann schon wieder ausholen und erzählen was das mit dem Thema Hobbybrauerwettbewerb auf sich hat und wie es dann zu so einem schönen Bier kommt. Ich mach es derweil schon mal auf.

Michael König: Ich kann mich noch erinnern, es war auch der Start bei der Brauerei Maisel, ich habe am 1. Januar 2016 bei der Brauerei Maisel angefangen, meine Stelle ist ja auch schon mehrmals ein bisschen umdefiniert worden. Ich war zu Beginn im Marketing also hauptsächlich wirklich im Marketing angesetzt, das Liebesbier wurde eröffnet im März 2016 und in dieser Zeit waren meine Hauptthemen in den ersten zwei Monaten Bierkarte schreiben und eben auch schon Events planen. Das weiß ich noch, da ist der Chef, dann haben wir uns noch gar nicht so oft gesehen gehabt, haben wir und hat mir das Thema Hobbybrauerwettbewerb auf den Schreibtisch gelegt. Ich war zu dem Zeitpunkt aber auch schon mit dem ersten Craft Beer Fest beschäftigt und ich bin ja selber kein Hobbybrauer, gebe ich auch zu. Ich habe bis jetzt noch nie die Zeit gefunden. Für mich war es einfach spannend ein Craft Beer Fest zu machen und dann kam eben das Thema Hobbybrauer. Ich habe auch damals schon ein erstes Konzept geschrieben und es ist dann auch irgendwie verlaufen. Mit der Dynamik, die dann in der Erlebniswelt und mit dem Liebesbier kam, ist dann die Zeit für das Thema Hobbybrauer auch eigentlich verschwunden, dann gab eben Störtebeker mit ihrer deutschen Meisterschaft. Da ist es das Thema bei mir wieder aufgepoppt, wie sieht es denn aus bei uns mit einer Hobbybrauermeisterschaft und ich habe immer gesagt, wir brauchen letztendlich ein Partner dazu, dann waren wir damals beim World Beer Cup in Nashville und da war auch die Andrea Cartwright. Und wir kamen dann ins Gespräch über das Thema Hobbybrauern, Andrea Cartwright organisiert ja die BrauBeviale. Wir haben uns in diesem Gespräch eigentlich zusammengefunden dieses Projekt Hobbybrauer zu starten und im Herbst 2018 haben wir den ersten Hobbybrauer gekürt bei unserem Craft Brauerfestival. Das war damals das Thema Weizenbier und wir haben eben zusammen mit der BrauBeviale damals diesen Wettbewerb gestartet, haben im Frühjahr 2019 die erste Veranstaltung dazu gestartet, die HOME BREW, das ist ein Wettbewerb, es ist ein Ausschenken von Hobbybrauern und eine Art Messe also letztendlich ist es ein Get-together der Hobbybrauerszene. Ich war damals, muss ich auch wirklich zugeben, sehr skeptisch, ob das wirklich funktioniert, dass so viele kommen aber Markus, ich habe ja deine Verkostung bei der BrauBeviale gesehen, du warst ja beim ersten Mal auch schon dabei und es war wirklich erstaunlich wie viele Menschen den Weg damals ins Liebesbier und in die Erlebniswelt gefunden haben. Das Liebesbier war an dem Tag wirklich am Anschlag, von dem was sie leisten können, weil sie auch gar nicht damit gerechnet haben, dass so viele Leute nach Bayreuth kommen und auch die zweite Veranstaltung war wirklich unglaublich und es ist, glaub ich, stärker als jedes Craft Brauerfestivals, die wir so machen, das ist diese HOME BREW und ja, wir haben jetzt einen Gewinner von unserem Wettbewerb 2020, das Thema war American Pale Ale und es ist der Christopf Wolfrum aus Nürnberg und eben das Hoptimism hat da gewonnen.

Holger: Ehrlich gesagt, ich habe es schon probiert, also aber ich, ich will euch natürlich die Chance geben nachzuziehen, falls ihr.

Markus: Also ich habe die Gelegenheit jetzt auch schon ergriffen, muss ich sagen und bin auch schon dabei es zu genießen. Das ist ja wirklich ein ganz tolles Bier, also ich kann mich auch noch gut an den Wettbewerb erinnern Anfang des Jahres, wo wir auch wirklich echt lange zusammengesessen waren. Also das muss ich auch sagen, das finde ich auch ne tolle Qualität, gerade bei dem Wettbewerb, dass die Jury sich echt mit den Bieren auseinandersetzt und das ist ja auch was Besonderes, das man eben wirklich nur einen Bierstil hat. Und der dann eben 100 Mal eingereicht wird und man dann wirklich über mehrere Runden und auch wirklich eine intensivere Auseinandersetzung dann zu einem Gewinner kommt und das war wirklich eine lange Diskussion am Ende, bis dann Hoptimism gewonnen hat und ich muss sagen, was mich damals schon begeistert hat, begeistert mich jetzt wieder, das ist einfach ne ganz tolle Hopfenkomposition, also wo natürlich die klassischen Aromen Citrus und so weiter rüberkommen, bisschen Pinie, das kennt man ja aber da ist jetzt eben auch noch so ein bisschen Kokos, so ein bisschen dunkle Beeren, so ein bisschen Guave, Ananas und so und das geht dann eben so drum rum um dieses klassische Pale Ale Aroma und macht das ganze wirklich sehr rund und sehr spannend und dann hat man trotzdem noch einen schönen Malzkörper. Das war das warum ich bei der Jury dann gesagt hab, das ist mein Favorit, weil man eben bei dem Pale Ale meiner Meinung nach eben auch noch was vom Malzkörper haben muss und das ist hier eben auch noch mal schön umgesetzt. Man sieht es auch schon in der Farbe, das ist gar nicht so unähnlich zu dem Kellerbier, was wir vorhin hatten und so muss es eigentlich sein und das finde ich, also wie gesagt, ein ganz tolles Bier. Kann man nur empfehlen, jedem der es noch bekommt, das ist ja limitiert, holt euch auf jeden Fall mal ein, zwei Fläschchen, um auch diesen Bierstil American Pale Ale kennenzulernen.

Holger: Also ich kann das nur absolut bestätigen, weil irgendwo ist es ja schon ganz normaler Bierstil, der vielfach interpretiert wird, also es hat was, also das hat so ein, so eine ganz besondere Note, wo man auch noch in dem Stil immer wieder noch was entdecken kann und ich bin auch mega begeistert, also wirklich mega begeistert und habe das ja schon so oft gesagt, die besten Biere meines Lebens habe ich von Hobbybrauern getrunken, die schlechtesten zwar auch aber das ist ja egal und das hier gehört auf jeden Fall dazu, also kaufen würde ich sagen, kaufen. Prost.

Markus: Genau, ein Satz vielleicht noch, weil es der Michael auch erwähnt hat, das ist auch noch was, was mir wirklich sehr stark in Erinnerung bleibt von dem Hobbybrauerwettbewerb von der HOME BREW, dass da wirklich die Atmosphäre wirklich stimmt, also so wie das am Anfang in der Craft Beer Szene war, da haben wir das immer wieder so erlebt, als wir in Hamburg waren, als da zum ersten Mal auf der Internorga auch so ein Craft Beer Corner aufgemacht wurde, da war das einfach eine Familie oder auch in Berlin oder so, da waren die zusammen und haben sich gefeiert und unterstützt und das ist dann nach und nach so ein bisschen verloren gegangen, als sich das weiterentwickelt hat aber eben bei der HOME BREW, da habe ich das wieder erlebt, also sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Auflage, dass wirklich dieser Raum, wo vielleicht normalerweise nur 50 Leute reinpassen, sind dann plötzlich paar 100 Leute drin und dann ist die Siegerehrung, dann werden eben die Biere nacheinander aufgerufen vom dritten bis zum ersten Platz und der ganze Saal freut sich und jubelt und klatscht und alle freuen sich für die mit, die gewonnen haben und das ist wirklich ein einziges Happening, wo am Ende das Bier gewinnt und das finde ich ganz toll, also sowohl von der Atmosphäre, als auch in dem Fall jetzt von Maisel, dass die das auch möglich machen, weil das ja gar nicht so einfach ist so was auf die Beine zu stellen in der Art und Weise und das dann auch so laufen zu lassen und das ist echt toll und da freut es mich auch, dass du dich da so reinhängst Michael, dass das weiterhin möglich bleibt.

Holger: Ich weiß auch gar nicht was los ist heute, aber jetzt muss ich dir schon wieder zustimmen, also es ist irgendwie ganz komisch, also und das, das möchte ich auch noch mal betonen also auch die Craft Beer Brauerszene war mal eine arschlochfreie Szene, ja? Die Hobbybrauer haben das zum Glück sich immer noch erhalten, bei den Craftlern ist es so ein bisschen verloren gegangen im Thema Wettbewerb und Mammon und das kann ich also auch nur bestätigen, die Stimmung auf diesen Festen und wie man auch miteinander umgeht, wie man sich gegenseitig auch berät, daran teilhaben lässt, wie es entstanden ist, Rezepte diskutiert und so, muss man mal erlebt haben, also ich weiß, ich weiß auch nicht, ich muss dir einfach zustimmen. Ich weiß nicht wieso, aber ich, ich muss dir einfach zustimmen.

Markus: Ich glaube das liegt daran, dass der Michael einfach clever ist und dass er ganz viel Erfahrung hat und dass er deswegen sein Tasting mit einem Kellerbier angefangen hat und wenn das so versöhnlich und schön losgeht, dann kann man einfach nur auf so eine Ja-Straße kommen, wo man sich einfach nur noch zustimmt.

Holger: Also okay, dann reizen wir weiter. Reiten wir weiter.

Michael König: Ich würde gern noch was zu dem Thema American Pale Ale sagen. Pale Ale ist ja ein Bierstil, wo ich, wenn ich mich zurückerinner an meine ganze Craft Beer Historie, ich kann mich erinnern an die ersten zwei Braukunst Live, da hat man noch einen Eisbock unheimlich gerne getrunken, da gab es überall ein Pale Ale, da gab es überall ein IPA, ohne das die IPA’s jetzt in irgendeine Richtung gingen und da war das einfach unheimlich spannend von jedem mal das Pale Ale zu probieren, es IPA, ich weiß noch im zweiten Jahr, da kam plötzlich der Hopfen Mandarina Bavaria, dann wollte man überall dieses Mandarina Bavaria und CREW Republic hatten ein Imperial Stout. Und auch das gab es damals wirklich noch kaum zu probieren und dann hat man gemerkt wie diese Craft Beer Bewegung immer weiter wurde und als das Thema IPA kam, ist dieser Bierstil Pale Ale eigentlich immer weiter nach hinten gerückt. Heute ist es eigentlich nur noch so was ja, das muss ich irgendwie im Sortiment haben aber es kräht, ich würde mal sagen, kein Hahn mehr danach. Man sieht mit dem American Pale Ale, auch noch eine kleine Anekdote nebenbei, weil unser Braumeister, der musste das Pale Ale ja nachbrauchen. Der kriegt ja dann die Hopfensorten und der hat festgestellt, dass er an die Hopfensorten nicht drankommt und musste über den Hobbybrauerversandt die Hopfensorten bestellen und ist natürlich auf einen sehr hohen Wareneinsatz gekommen, weil für die Menge, die wir gebraut haben, muss der da ein bisschen was bestellt und er ärgert sich heute noch über den Wareneinsatz bei diesem Pale Ale.

Holger: Da überlegt man sich’s dann schon. Da müssen die durch die Jungs, also jetzt reiten wir die Bierstraße weiter entlang und kommen zum nächsten Bier, Double IPA, oder?

Michael König: Ja, das war ein großer Schritt nach oben, da vom Pale Ale zum Double IPA. Und ich habe auch immer noch Respekt von dem Hopfenreiter, ich kenn das Bier relativ gut und ich habe auch schon viele Erlebnisse mit dem Bier gehabt.

Markus: Na, da sind wir mal gespannt aber vorher machen wir es auf.

Michael König: Ja genau.

Markus: So, jetzt gießen wir auch ganz schnell ein, damit wir ganz schnell zu den spannenden Erlebnissen kommen, die uns der Michael erzählen will.

Holger:  Da geht es ja wirklich um Freundschaft auch unter Brauern, oder? Das ist ja so ein Freundschaftssud, ne?

Michael König: Ganz genau, wird Freundschaftssud genannt, genau.

Holger: Schieß los.

Michael König: Ich bin am 01.01. zur Brauerei Maisel gekommen, wer mal in Bayreuth ist und direkt von Kulmbach zumindest nach Bayreuth reinfährt, der sieht dieses riesige Verwaltungsgebäude, da sitzt eben alles, was so Vertrieb und Marketing, die sitzen alle drin, ich saß da auch und es kam dann die Entscheidung, dass ich eben mein Büro nach drei Wochen in die Biererlebniswelt, die war damals noch Baustelle, weil das Liebesbier war in den Innenzügen des Baus, nach hinten verlegt in die Biererlebniswelt, ins Baustellenbüro zum Herrn Maisel. Jetzt muss man sich natürlich vorstellen, man ist als erster Biersommelier in einer mittelständigen Brauerei, in der noch nie jemand als Biersommelier gearbeitet hat und sitzt direkt neben dem Inhaber und die Aufgabe ist, schreib mir eine Bierkarte. Man ist natürlich irgendwie im Zweifeln, wie mach ich das eigentlich? Ich habe zu dem Zeitpunkt ja nur Texte für Onlineshops erstellt und muss jetzt eine Bierkarte schreiben und da weiß ich auch noch, ich habe mein erstes Bier beschrieben, habe das so rüber gelegt zum Herrn Maisel, habe gesagt: „Chef, passt Dir das so?“ Es waren sechs Zeilen. Er hat gesagt: „Ja, sieht gut aus, weitermachen“, und dann kam dann auch so das Marketing, wo ich damals noch gar nicht drüber nachgedacht habe und meine Jungs, die halt dann über Druckdaten und alles sich so Gedanken machen und dann haben wir hochgerechnet wie viele Biere wir eigentlich haben und wir kamen dann auf die erste Bierkarte, mit insgesamt 120 und dann kam natürlich auch der Preis noch oben und wir müssen ja auch ein paar Karten drucken und es war relativ teuer, das weiß ich noch, beim ersten Mal aber Chef, das ist auch immer noch was, was ihn heute spiegelt. Er ist dann so, wir wollen Qualität und wir machen das und wir haben das einfach umgesetzt, auch wenn innerhalb der ersten drei Monate 5.000 Karten verschwunden sind, keine Ahnung wohin die verschwunden sind und was man immer noch sagen muss, was da für ein Betrag dahintersteht, aber das war meine erste Aufgabe und während dieses Baus wurde in der Biererlebniswelt in einem Flur von einem Berliner Künstler ein Gemälde gemalt. Der Auftrag vom Chef war, mal mir was mit Bier und der hat da eine Figur gemalt, die eben aus Hopfenpflanze mit dem Mantel, sieht so ähnlich aus wie Sankt Martin, aber eben, dass es eben aus Hopfen ist, auf einem Pferd sitzt, das Pferd ist aus zerbrochenen Fässern zusammen und das war eben damals das Gemälde Hopfenreiter. Ich habe es zum ersten Mal gesehen, bin in dieses Baustellenbüro rein, habe gesagt: „Chef, dazu müssen wir eigentlich ein Bier machen“. Er sitzt da, schaut mich an und sagt: „Eigentlich ne coole Idee.“ Das Bier muss ein richtig hopfiges Bier sein, dann kommt man automatisch auf Double IPA und wir hatten damals im März die erste Veranstaltung und haben gesagt, alle Brauereien, die da ausstellen, müssen uns Hopfengeschenke mitbringen und wir brauen daraus diesen Hopfenreiter. Das Bier wurde eben damals gebraut, nachdem diese erste Veranstaltung war und dann kam der erste Geburtstag des Liebesbiers, wir wollten wieder eine Veranstaltung machen und dann habe ich gesagt, wir müssen eigentlich zu dem ersten Geburtstag wieder einen neuen Hopfenreiter trinken. Da wurde es dann meine Aufgabe fünf Brauereien auszuwählen ein Mix aus nationalen und internationalen die uns eben Hopfen schenken, das Grundbier ist per se eigentlich immer gleich und wir machen immer wieder ein schönes Double IPA mit unterschiedlichen Hopfengeschenken und verschiedenen Brauereien und das jetzt mittlerweile, glaub ich, der 5. Hopfenreiter, genau der 5. Ich habe neulich ein Untappd Ranking mal rausgeguckt, welcher am höchsten ist. Wir sind jetzt auf Platz 3. mit dem Hopfenreiter 2020. Wie schmeckt euch das Bier? Ihr habt es bestimmt schon getrunken, oder?

Markus: Ja.

Holger: Ja.

Markus: Ja allerdings also ein intensives Bier und ich find es ist auch wieder ne schöne Komposition also natürlich überwiegt der Hopfen, natürlich ist der sehr präsent und man hat auch da wieder sehr schöne fruchtige Noten, kommt auch so ein bisschen Pinie, es ist einfach ein sehr, sehr krasses, intensives Bier, trotzdem ist es schön abgerundet mit dem Malzkörper und der ist dann eben auch sehr Druckvoll, das heißt, da habe ich dann auch natürlich den Alkohol, der kommt auch gut rüber, der wärmt auch, wenn man dann getrunken hat, merkt man so, wenn das den Gaumen runterrinnt, dann ist das eben auch so ein bisschen so ein warmer Effekt also ein schönes Bier jetzt auch für den Winter zum Beispiel und es ist insgesamt einfach unheimlich ausgewogen, also wo man einfach sagt okay, natürlich habe ich sehr, sehr viel Hopfen, viele Bittereinheiten kann man ja auch sagen, auf der anderen Seite haben wir richtig viel Alkohol aber in der Komposition ist es trotzdem noch ein Bier, was in sich schwingt und wo man wirklich sagen kann, das ist schon ganz spannend, also weil es ganz viele verschiedene Aromafacetten hat, ganz viele Möglichkeiten hat mit Foodpairing zu arbeiten aber eben auch was ist, was man einfach mal so schön zu zweit so ein Fläschchen vielleicht trinken kann, vielleicht auch nach einem Menü zum Beispiel als Digestif, also ganz fein. Holger, was sagst du denn?

Holger: Ich kann dir schon wieder nur zustimmen.

Markus: Herrje.

Holger: Was ich also wirklich schön finde, ist dann so im Nachtrunk kommt so, ja so ein, also so eine richtige Gewürznote daraus, weißer Pfeffer irgendwie so was, ja?

Markus: Ja, pfeffrig, finde ich auch.

Holger: Und das find ich auch noch mal ganz spannend, aber auch natürlich die Aromen, die du jetzt auch schon beschrieben hast, also so irgendwie ganz klassisch auch so fruchtig aber dann auch so ein bisschen Steinobst mit dabei, also ich find‘s mega. Also wirklich mega und auch die Etikettengestaltung und so, das machen wir, glaub ich, viel zu selten, dass wir darüber auch reden und das gehört ja auch voll dazu, wie man auch ja, Kunst mit einbinden kann, der Hopfenreiter, den kann man ja im Liebesbier an vielen Stellen auch sehen und das gefällt mir hier auch besonders gut. Ich find diese Figur unheimlich toll, die passt auch dazu, die hat so was Geheimnisvolles und man will es eigentlich entdecken, auch der Name, den find ich prima. Ja das gehört dazu, auch der Kronkorken, also insgesamt ganz toll macht ihr das.

Michael König: Vielen Dank. Dann geht natürlich auch ein ganz großer Dank an meine Kollegen. Ich glaub wir haben da ein sehr cooles Designteam muss ich sagen und ich würde auch sagen, dass wir ein sehr gutes Brauteam haben, ihr werdet es spätestens beim Weizenbock merken, was denn so das Geheimnis des Brauens ist. Ich bin jedes Jahr begeistert von diesem Hopfenreiter und wir haben ja, falls es mal jemand wissen möchte, so eine kleine Brauwerkstatt, das ist ein 25 Hektoliter Sudwerk und der Hopfenreiter ist unser größtes Limited. Wir brauen normalerweise bei einem Limited einen Sud. Das war beim Hoptimism so, ich glaub aber, dass ich jetzt das demnächst erhöhen werde und wir mindestens bei jedem Limited 2 Sude brauen werden. Beim Hopfenreiter sind wir mittlerweile auf 4 Sude, die hintereinander gebraut werden, weil da die Nachfrage eigentlich immer mehr von Jahr zu Jahr sehr steigend ist.

Holger: Von dem Freundschaftssud kann man ja eigentlich wunderbar überleiten zum nächsten Bier.

Markus: Was ja auch eine gewisse Herausforderung ist, weil der ist ja nicht nur in der Flasche, sondern der ist auch noch in einer großen Box, also in einem Pappkarton würde man jetzt auf gut Fränkisch sagen, der ist blau-weiß, es ist ein großer Bock drauf natürlich und man sieht das schöne Maisel’s Weisse Logo und dann steht da Bajuwarus und ja, jetzt machen wir das mal auf, das ist ja jetzt eine große Herausforderung.

Michael König: Ich habe das hier eigentlich ausgewählt, um eigentlich mal zu zeigen was ist eigentlich die Arbeit eines Sommeliers und.

Markus: Zum Beispiel ein Bier aus einem Pappkarton auspacken. Nein Quatsch okay.

Michael König: Es hat ein Pappkarton als Packung aber die Idee des Bajuwarus ist ja, es ist ja ein Bier was man aktuell zumindest nicht kaufen kann, sondern das ist eine Gratiszugabe auf einen Kasten Maisel’s Weisse in der Herbstzeit. Das heißt, man kauft einen Kasten Maisel’s Weisse und kriegt keinen Laster, also so einen Mini-LKW oder kein Joggingtuch oder sonst irgendwas, sondern man kriegt eine Flasche Maisel’s Weisse Bajuwarus 0,75 kostenlos dazu also es ist nicht kaufbar, das Bier wird extra eingebraut bei uns dafür, für diese Verkaufsaktion und meine Aufgabe war, wie heißt das Bier eigentlich? Warum heißt das so? Und dann natürlich ein bisschen Marketing muss natürlich auch einfließen, die ganzen Texte. Auch da gibt es dann schöne Meetings, man sitzt zusammen und denkt dann, was muss denn da eigentlich drauf? Ja und am Ende des Tages entsteht so ein Produkt, wo man dann natürlich als Sommelier dann davorsitzt, irgendwann sich in den Händen hält und auch wirklich seine ganzen Texte wieder spiegelt und man schon ein bisschen stolz drauf ist, was dann wirklich dann entstanden ist.

Holger: Aber was natürlich total Wahnsinn ist, ist diese unglaubliche grenzenlose Kreativität zu besitzen und auf einem Weizenbockkarton ein, wirklich ein Bock abzubilden, ne? Das ist ja wirklich toll.

Markus: Holger, ich glaub, du hast zu viel Hopfenreiter getrunken. Nein aber machen wir es doch mal so, ich mach das jetzt hier mal auf. Muss halt sagen, ich habe davon auch noch ein paar Flaschen im Keller, die ich allerdings ganz bewusst habe, um sie dort zu lagern. Das fließt jetzt ja richtig schön ins Glas und wir machen jetzt mal ganz was Besonderes, wenn das eh deine Worte sind Michael, dann verkoste ich jetzt mal dieses Bier mit deinen Worten und lese mal vor was du da geschrieben hast. Also da steht: „Unsere streng limitierte Bierspezialität verzaubert mit ihrer kastanienbraunen Farbe und einer cremigen Schaumkrone“. Absolut also für mich hat es auch noch so ein bisschen so einen rötlichen Touch, ganz schön, aber haben ja Kastanien auch, also wunderbar. Es geht weiter: „Nase und Gaumen werden verwöhnt von einem Aromenfeuerwerk aus reifer Banane, Vanille und einem Hauch Dörrobst und Nelke. Honig und Karamellnuancen runden unseren Bajuwarus wunderbar ab. So bleibt dieser weiche und vollmundige Weizenbock in genussvoller Erinnerung“. Okay Holger also jetzt trinken wir mal und schauen mal, ob das stimmt.

Holger: Ja, ich könnte jetzt noch ergänzen, während ihr trinkt, Ba ju wa rus, ne?  Bajuwarus leitet sich ab von Bajuwaren, dem ursprünglichen Namen der Einwohner Bayerns, Klammer auf, Franken gehört erst seit 1806 dazu, Klammer zu. Zusammen mit der für Weizenbockbiere so typischen Endsilbe US ergibt sich eine neue Wortschöpfung, die einprägsam für die Herkunft, sowie den starken Charakter unseres Weizenbocks Pate steht.

Markus: Das war der zweite Teil des Textes.

Holger: Ja. Absolut und dann gibt es ja hier noch Tradition, ne? Die Brauerei Gebrüder Maisel ist eine traditionsbewusste Familienbrauerei aus Bayreuth, liegt in Oberfranken, die mit ihrer Maisel’s Weisse zu den Wegbereitern der bayerischen Weißbierkultur zählt. So jetzt kommen wir aber auf jeden Fall mal zu dem ÜberQuell Bier The Man Behind, ja? Ist ja auch ein Freund eben von ÜberQuell, wo es jetzt zu so einem Gewürzbier kommt, zu einem Weihnachtsbier mit einer winterlichen Stimmung, das ist ein schöner Abschluss, oder?

Markus: Ja allerdings muss ich sagen. Ich würde gern noch den Weizenbock vorher austrinken. Also nicht die ganze Flasche austrinken aber zumindest mein Glas austrinken.

Holger: Aber was machst du denn die ganze Zeit? Also ich mein, du hörst stundenlang zu, von dir hört man überhaupt nix und jetzt kommst du wieder so daher und sagst, du hast dein Glas noch nicht ausgetrunken. Schläfst du, oder was?

Markus: Ein gutes Bier braucht auch einfach ein bisschen Zeit also und ich find das ist so ein schönes, so ein schön cremiges Bier, was einerseits wirklich diesen typischen Weißbieraromen hat, also bisschen Banane, bisschen Nelke, bisschen Citrus, sehr frisch aber auf der anderen Seiten eben wirklich auch einen ganz tollen Körper hat, auch wieder schön leicht karamellige Aromen und das ist so richtig schön weich und ich muss sagen, ich habe das jetzt mit Genuss angefangen zu trinken, vielleicht habe ich mir auch ein bisschen mehr eingeschenkt als ihr, das mag sein aber ich wollte es jetzt noch in allen Genuss kurz gemütlich austrinken.

Holger: Also pass auf, pass auf ihr beiden, also ich habt ja beide meine Handynummer, wenn ihr dann dazu übergeht irgendwann das Gewürzbier zu öffnen, ich habe es ja schon etwas länger auf, ruft mich einfach an, ich komm dann wieder dazu, okay? Ich komm dann einfach wieder dazu.

Michael König: Ich habe zwei Dinge Jungs, zum einen, ich komm gleich zum Gewürzbier aber vielleicht, wenn ihr das Weizenbier getrunken habt und vielleicht fällt eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen dem Weizenbock und dem Hopfenreiter auf. Beide Biere kann man unheimlich gut trinken, ohne dass man merkt, dass der Weizenbier 7,5 hat oder der Hopfenreiter 8,5. Das ist die Kunst eines Brauers und auch unseres Brauteams, die diese Biere, auch die starken Biere, was oftmals ziemlich fatal ist, unheimlich gut trinkbar macht. Ich muss mich nicht durchbeißen, sondern ich trink diese Biere mit Genuss und ich merke auch okay, ich kann auch vielleicht mehr trinken, nur vielleicht irgendwann kommt so die Grenze, wo man sagt, okay, das Verkosten endet jetzt so langsam.

Markus: Da kommt so ein bisschen ein gewisses patriotisches Gefühl durch, weil ich den Eindruck hab, das ist tatsächlich was, was den Brauereien am besten gelingt, die eben gerade in Franken und Bayern eine lange, gute Tradition haben und einfach seit vielen Generationen wissen wie man ein vernünftiges Bier macht, sodass es die Leute auch gerne trinken und dieses Wissen, was einfach vielleicht nichts ist, was man an der Uni studiert, sondern was wirklich so eine Traditionsgeschichte einfach ist, das fließt eben auch in modern interpretierte Biere hinein und verleiht denen dann eben das, was die Amerikaner als Drinkability bezeichnen, also einfach die Möglichkeit davon wirklich, wie du es gerade erzählt hast, gerne was zu trinken, ohne sofort vom Alkohol erschlagen zu werden, sodass es einfach Freude macht die schön zu trinken und also besonders beim Weizenbock fällt mir das jetzt auf, da hast du völlig recht, da, da ist wirklich, das kann man richtig schön trinken und das mach ich jetzt auch dem Holger zuliebe, damit wir dann noch zum Gewürzbier kommen aber auf jeden Fall stimme ich dir da völlig zu, sind beides Biere, die man richtig schön trinken kann, die eben diese, diese Handwerkskunst einfach präsentieren.

Holger: Aber siehst du mal, jetzt muss ich ja doch noch wieder sprechen, ja? Das hat nämlich gar nichts mit Wissen zu tun, sondern ausschließlich mit Können und können kommt von üben, weißt du? Also das ist nämlich das Thema.

Markus: Das widerspricht sich ja nicht. Ich sage ja, das ist eine Traditionsgeschichte von, von eben Brauern, die das seit 15 Generationen machen und das ist natürlich ganz viel üben und machen und dadurch entsteht dieses Können, was man dann vielleicht auch leichter an seine Nachfolger weitergeben kann, als wenn man jetzt als Universitätsprofessor irgendwo vorne am Pult steht.

Holger: Klugscheißmodus aus.

Markus: So aber jetzt weiter gehts.

Holger: Ja also ich sag jetzt nix mehr. Ich, ich sag jetzt nichts mehr, klar habe ich das schon jetzt getrunken und alles also ich sag jetzt nix mehr. Ihr seid, also jetzt macht da einfach weiter.

Michael König: Wobei du jetzt schon was sagen musst, weil das ist ein Bier, was ich ausgewählt habe wegen dir. Wenn du da drauf kommst, finde ich ja, dann zieh ich mein Hut.

Holger: Manometer. Pass auf, ich versuch mal mein Glück, also das ÜberQuell hat ja mit Hamburg zu tun.

Michael König: Ja.

Holger: Da kann ich mir einen Sinn, da haben wir mal Erlebnisse zusammen gehabt, Lagerstraße 30 oder 32, ich weiß jetzt gar nicht genau wo der Shop ist, also auf jeden Fall altes Mädchen und davor ist ja ein Biershop und da waren wir drin.

Michael König: Echt? Ne, das ist aber die falsche Erinnerung.

Holger: Ja okay.

Michael König: Schön, dass du das weißt, weil ich tue mich da ein bisschen schwer mit meinen grauen Zellen aber wo haben wir uns denn kennengelernt? Wo war unsere erste Begegnung?

Holger: Unsere erste Begegnung war auch im Zusammenhang mit der Bierakademie, da haben wir halt eine gemeinsame Ausbildung miteinander gemacht, den Bierfachmann.

Michael König: Das war vom Bier begeistern.

Holger: Ja, vom Bier begeistern, stimmt.

Michael König: Und jetzt gehts weiter. Wer war denn da dabei?

Holger: Also ich bin ja schon über 44, ah da war der Danny Domingo dabei, oder?

Michael König: Richtig. Wo arbeitet Danny Domingo jetzt?

Holger: Ja der, ja genau, also das ist die Verbindung zum Bier, so ist es ja.

Michael König: Genau.

Holger: Ja absolut, da wäre ich jetzt nicht draufgekommen, aber so wie du es sagst, Mensch und ich fühl mich geehrt, weil das ist ja ein ganz, ganz besonderes Bier und da muss man auch erst mal drauf kommen, wenn man an mich denkt, da so ein Spiced Lager aus dem Schrank raus zu kramen und dann auch noch an die Weihnachtszeit zu denken, dann stell ich mir vor, wenn du dann an mich denkst, dass es dir richtig warm ums Herz wird, ja. Das mag ich.

Michael König: Immer, immer wenn ich an dich denke, wird es mir relativ warm ums Herz.

Holger: Weißt du? Also weitermachen. Siehst du Markus, es gibt dann doch noch Leute, die mich mögen.

Markus: Auf jeden Fall aber ich denke, ich kann sogar noch was dazu beitragen, weil ich glaube, dass wir auch auf dieser Messe in Hamburg FOOD & LIFE oder so ähnlich, oder Style oder wie auch immer die hieß.

Michael König: Das war eat&STYLE.

Markus: Ah, eat&STYLE genau, weil da warst du ja für Bier-Deluxe und wir waren da für Spiegelau.

Holger: Ja, für Spiegelau.

Markus: Für Spiegelau richtig und da haben wir uns ja auch mehrmals gesehen und waren dann noch in Hamburg unterwegs und auch da erinnere ich mich durchaus an Hamburg, also passt schon.

Michael König: Ja mit Messe verbinde ich immer sehr intensive Zeiten, wo durchaus die ein oder andere Erinnerung fehlen könnte im Nachhinein.

Markus: Das stimmt und was ich auch ganz interessant finde, Bier ist immer die heimliche Währung auf einer Messe, also egal auf welcher Messe ich war, ich war ja meistens als Biervertreter, als Biersommelier da, egal was ich wollte, ich bekam es mit Bier. Die Leute, die dann abends vorbeikamen, waren total glücklich, wenn man ihnen noch ein Bier gegeben hat und das war immer so also egal was mal wollte, man hat es immer mit Bier erreichen können und das ist natürlich toll, wenn man dann ausgerechnet einen Bierstand hat, weil dann ist natürlich der Zugang auch relativ leicht.

Michael König: Gebe ich dir recht, auch eine schöne Erinnerung, was ich mit Bier so hab, auch auf Messen, ich war einmal auf einer Weinmesse, da waren lauter Gastronomen, die haben den ganzen Tag Wein getrunken, den ganzen Tag und wir standen, glaub ich, gefühlte sechs Stunden da und haben eine Berufsschulklasse betreut und dann kamen die ganzen Gastronomen, die eben mit dem Thema Wein fertig waren und jetzt kam die Währung, von der du sprichst, Bier und dann kamst du  wirklich erst mal ins Gespräch. Nachdem die 5 Flaschen Wein geleert haben, kommst du mit dem Thema Bier sehr gut in Verbindung. Also es ist auf allen Messen so, wo ich sage, mit Bier kannst du alles erreichen.

Markus: Also jetzt haben wir hier ein Julebryg, also im Grunde ein Weihnachtsbier könnte man wahrscheinlich sagen, oder? Wenn man das richtig übersetzt?

Michael König: Genau, das ist so ein dänisches Weihnachtsbier.

Markus: Fantastisch und da sind natürlich jetzt auch, weil es halt dänisches Bier ist, also mit dem Reinheitsgebot nichts mehr zu tun haben muss, mit dem Deutschen, sind natürlich jetzt auch Gewürze und andere Dinge drin, was man auch sehr schön riecht. Ich glaub Holger, du hast mit dem Bier schon angefangen, oder?

Holger: Ja unbedingt.

Markus: Für mich ist so, so, so Honignoten drin, dann bisschen Orange, dann so Muskat, Zimt, Anis, irgendwie so, so eine Melange und dann auch noch so ein bisschen Trockenbeeren also eine ganz spannende, interessante Geschichte vom Geruch.

Michael König: Ich bin kein großer Freund von Gewürzbeeren. Was mir aber aufgefallen ist, ich wusste ja, dass hier ÜberQuell dieses Julebryg eben braut, das braueen sie ja jedes Jahr zusammen mit einem dänischen Brauer, ich bin mir aber nicht mehr ganz sicher, ob das wirklich ein Lager war, ob das früher nicht ein Ale war. Ich weiß, dass die Dominanz der Gewürze früher viel stärker war, da kommt mein Gaumen an eine Grenze, sobald es stärker wird. Es ist das Gleiche wie bei diesen ganzen Pumpkin Bieren aber jetzt, dadurch dass es ein Lager ist und diese Gewürznoten, sie sind da aber sie überfordern mich nicht, sie sind einfach Wegbegleiter für das ganze Bier und ich find das wirklich spannend, wie sie drin sind und ich könnte mir auch durchaus vorstellen das Bier weiter zu trinken und das find eigentlich wirklich gut. Ist natürlich im Alkohol etwas jetzt nach unten, wir bewegen uns bei 6,2, was schon relativ stark ist aber von dem Weizenbocklevel nach unten gegangen aber aufgrund der Aromatik einfach.

Markus: Ich find es wirklich sehr, sehr spannend und also du hast recht, historisch gesehen war das sicherlich eher ein obergäriges Bier, aber es ist eben genauso auch wieder, wie du sagst, dass das Lager einer schöneren Leinwand eigentlich bietet, wo man dann darauf diese ganzen Gewürzaromen präsentieren kann. Und es erinnert mich tatsächlich auch ein bisschen so an Kürbisbiere von der Würzung, von der Zusammenstellung her und also man kann es wirklich schön trinken. Und was ich auch interessant finde, ist, dass da ja The Man Behind Pate gestanden ist für das Bier oder Partner war für ÜberQuell und dahinter steckt ja der Anders Coisbo, ein Däne, der früher mal Polizist war und sich dann umgeschult hat sozusagen als Brauer und da jetzt eben als Man Behind also Mann im Hintergrund unterwegs ist und tolle Biere macht und das freut mich sehr. Den mag ich auch sehr gerne, den treffe ich oft bei Wettbewerben, dass ich jetzt auf diese Art und Weise mal wieder Kontakt zu ihm hab, sehr, sehr schön.

Holger: Was mir jetzt noch mal wichtig ist wirklich auch hier hervorzuheben, also auch hier ist natürlich auch wieder die Flaschengestaltung und das Etikett ganz toll, mit den Tannenbäumchen drauf und dann ist ja oben dann diese Kordel und dann gibt es ja hier den Anhänger in Form einer Visitenkarte, ne? So von der Größe her und dann eben Für und Von, ne? Also da könnte man jetzt schreiben, Für Holgi, Von Michael, das versöhnt doch und dann sind wir wieder voll bei dem Charakter des BierTalks, weil der Charakter des BierTalks ist ja ein Gespräch unter Freunden und da bin ich jetzt der Meinung, das haben wir heute wirklich ganz exzellent geschafft, ich bedanke mich also erstens für die Bierauswahl und auch für Einblicke, die du uns gegeben hast und Markus, auch ein großes Dankeschön an dich also so viel Übereinstimmung haben wir ja selten. Ich geh jetzt schön noch in den Nachmittag und werde heut Nacht auch gut schlafen, wenn ich die ganzen Reste ausgetrunken hab. Also macht’s gut! Tschau!

Markus: Ja tschau, das geht mir genauso. Auch vielen Dank lieber Michael und vielen Dank lieber Holger, für den großen Konsens heute, tolle Sache.

Michael König: Auch von meiner Seite vielen Dank, machts gut.

Holger: Tschau, tschüss.

Markus: Tschau.

Michael König: Tschau.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 43 – Interview mit Markus Eder von der Küferei Wilhelm Eder aus Bad Dürkheim

Die Magie der Holzfässer haben die deutschen Brauer erst im letzten Jahrzehnt richtig kennen und schätzen gelernt. Die Firma Wilhelm Eder ist hingegen als Küferei, Sägewerk und Fassvermittler bereits seit über drei Jahrzehnten am Markt, allerdings bisher mit den Schwerpunkten Spirituosen und Wein. Nun aber lockt auch das Bier das Fass und umgekehrt – und Mitinhaber Markus Eder ist fast täglich unterwegs, um unter anderem Fässer an die Brauer zu bringen. Dabei ist ihm kein Weg zu weit, um neue Aromasensationen zu entdecken und in die Heimat zu holen. Außerdem toastet die seine Firma Fässer auch selbst und kann so allerlei Geschmäcker von Nutella bis Honig in die Biere zaubern. Hin und wieder hadert der Küfer aber auch mit den Brauern, doch hören Sie am besten selbst…

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Holger: Herzlich willkommen zu dem 43. BierTalk mit einem ganz speziellen Thema, und zwar mit dem Thema holzfassgereifte Biere. Oder wenn man ganz genau ist, geht’s eigentlich wahrscheinlich eher ums Holz und um die Fässer und dann um die Reifung. Aber man darf gespannt sein. Unser Gast ist der Markus Eder, einer der letzten Küfer in Deutschland, die das wirklich noch in einem richtig großen Stil betreiben. Am Mikrofon bin ich, der Holger, und der …

Markus: Markus.

Holger: So, Herr Eder, guten Morgen, herzlich willkommen! Ist ganz toll, dass Sie da sind und sich für uns Zeit nehmen. Und vielleicht sagen Sie ein paar Worte zu sich selbst und auch zur Firma, damit die Hörer einen Eindruck haben, was Sie so im Tagesgeschäft alles treiben.

Markus Eder: Ja, sehr gerne. Zunächst mal vielen Dank für die schöne Einladung und Einleitung. Mein Name ist Markus Eder, wie Sie es eben schon richtig vorgestellt haben. Ich betreibe mit meinem Bruder hier in Südwest-Deutschland, genauer gesagt in Bad Dürkheim, ein Sägewerk, eine Küferei und eine Tischlerei. Gestört hat mich eben so ein bisschen der letzte Küfer, den Sie da so zitiert haben. Ich möchte es eigentlich anders formulieren. Das ist richtig, was Sie sagen, das Handwerk ist fast ausgestorben und wir sind eigentlich wieder der erste Küfer, der das so vielleicht richtig macht oder im größeren Stil macht. Wir sind hier circa 60 Kollegen, die sich dem Thema gewidmet haben. Wir produzieren selbst Fässer bis zu einem Inhaltsvolumen von im Moment circa 20.000 Liter, von klein bis groß. Das Ganze bewegt sich von tatsächlich B2C bis B2B auch in den Export hinein. Wir sind also sehr export-lastig. Das bedingt natürlich auch die Branche. Wir bewegen uns nicht nur im Biersegment, sondern natürlich vom Volumen her bedingt ist der Alkohol, was die Fässer anbetrifft oder die Holzfässer anbetrifft, natürlich der wesentlich größere Markt weltweit gesehen. Genau wie natürlich auch die Weinbranche, das Bier als solches, das ist in meinen Erinnerungen eigentlich ein Thema, was erst in den letzten zehn Jahren aufgekommen ist. Angehaucht, aus meiner Sicht, meinen Kunden natürlich zuerst aus den USA, dann eingeschwappt über Benelux, dann kam ein bisschen Deutschland und inzwischen natürlich ganz stark die Brauer in unseren östlichen Nachbarländern, von einem Gürtel Litauen über Polen, Tschechien runter in den Balkan. Dort sitzen im Moment in der Tat eigentlich unsere größten Kunden.

Holger: Ich habe Sie kennengelernt in Österreich bei einer Weiterbildung zu dem Thema holzfassgereifte Biere. Und da haben Sie, also weiß ich nicht mehr ganz genau im Wortlaut, aber bei mir ist also angekommen: Jungs, wenn ihr also ein Bier brauen wollt, was nach Nutella schmeckt, ich toaste euch das Fass so, damit das so schmeckt. Ihr müsst eigentlich nur ein Stout reinkippen. Und erklären Sie doch mal, wie geht denn das?

 

Nutella mit dem Holzfass

Markus Eder: Das ist in der Tat auch so. Das ist eigentlich keine Zauberei, sondern letztendlich die moderne Küferei heutzutage. Das ist ja ein gewisser Anteil an Mechanik, das haben wir drauf, das sind im Gegensatz zum letzten Jahrhundert natürlich moderne CNC-Maschinen, die da mit ins Spiel kommen. Und das mit den Geschmacksvariablen, das ist eigentlich das, was das Holzfass ausmacht. Diese Aromen-Zugabe oder dieses, Aromen auf die Holzoberfläche aufbringen, respektive mit den Parametern Temperatur und Zeit, also dieser Hitzebehandlung, versuchen, dieses Holz in seinen chemischen Bestandteilen so aufzuspalten, dass Sie da Holzzucker rausbekommen. Und je nachdem, das muss man sich vorstellen wie so ein Koordinatensystem X-Y-Achse, die eine Achse ist die Temperatur, die andere Achse ist die Zeit. Und das kann ich miteinander verweben und kann das in unterschiedlichen linearen Abfolgen abbilden. Und so wissen wir eben, wann ein Aroma wie Schokolade entsteht. Wir wissen, wann ein Aroma wie Rauch entsteht, also dies (unv. #00:04:18.1#). Und ich kann Ihnen sagen, wann ein Fass nach Mandeln oder nach Honig schmecken kann. Das darf man sich natürlich jetzt nicht so vorstellen, dass ich da jetzt in eine Tafel Trauben-Nuss reinbeiße, das wäre dann wiederum zu einfach. Aber diese Aromen-Struktur ist da hinterlegt.

Holger: Sehr spannend! Markus, hast du das schon mal gehört? Also dass man einfach ein Fass ein bisschen mit Temperatur bearbeitet und dann meint man, man würde ein Nutella-Glas auslöffeln?

Markus: In gewisser Weise schon. Also ich habe das zuerst mal so richtig wahrgenommen, als diese Bier-Querdenker-Workshops losgingen. Das ist, glaube ich, auch schon über zehn Jahre her. Da wurde am Anfang ja noch drüber diskutiert, ob eine Bierlagerung in einem Holzfass überhaupt reinheitsgebotskonform ist.

Markus Eder: Ja, richtig!

 

Die Bierquerdenker

Markus: Und dann hatten wir, ich glaube, 2013 oder sowas mal in Nürnberg am Dutzendteich einen Workshop, wo Sie dann auch da waren, wo wir dann auch Biere verkostet haben und wo mir dann zum ersten Mal auch dieses wirklich große, breite Spektrum bewusst geworden ist, weil es ja um viele Dinge geht. Also einerseits darum: Was für ein Holz nehme ich? Ist das vorbelegt, ist das frisch? Habe ich das mit einer Temperatur irgendwie bearbeitet? War da eine Vorbelegung von irgendwas drin? Habe ich da noch eine Gärung im Fass oder nur eine Lagerung? Und wie auch immer. Und all diese Komponenten können dann auf das, was da drin ist, bei uns meistens eben Bier, Einfluss nehmen und total spannende, manchmal beabsichtigte, manchmal auch eher zufällige Aromen verursachen. Und das ist eine ganz, ganz eigene und sehr spannende Welt. Also toll!

Markus Eder: Das war eigentlich diese schöne Zeit, diese Entdeckerzeit, dieses Aufbrechen in neue Geschmacksstilistik. Da sind auch wirklich surreale Sachen gemacht worden, beziehungsweise gebraut worden. Und das fand ich eigentlich das Spannende. Inzwischen sind wir schon wieder da angelangt, dass man versucht, eigentlich diese tollen Sachen, die wir da angefangen haben, dann einfach wieder zu reproduzieren in Form von Cubes. Also zur Erklärung, das sind dann so kleine gewürfelte Fässer, die einfach dann im Tank vorgelegt werden, um so ein gewisses Geschmacksbild zu imitieren, um dann einfach wieder diesen ganzen Preiskampf aufnehmen zu können. Insofern waren das superspannende Zeiten, in der Tat.

Holger: Das Stichwort, was da so reinkommt, ist gar nicht so schlecht. Wer möchte denn mit dem ersten Bier beginnen und das dann auch in sich hineinkommen lassen?

Markus Eder: Wenn Sie mir den Ball so spielen, dann fange ich gerne an. Ich habe heute Morgen aus unserem Weinklimaschrank in dem Büro von meinem Kollegen ein Bier aus der Schweiz mir ausgesucht. Das ist von der Brauerei Pilgrim, also Kloster Fischingen. Ein Imperial Belgian Blonde. Und das war in Rumfässern gelagert, fünf Monate, hat ordentlich Alkohol, bringt also fast 15 Volumenprozent mit. Ist also kein Bier, wo ich abends so an der Theke gegen einen Durst trinken würde, sondern, und das ist eigentlich immer auch mein Credo, also wer mich schon mal gehört hat, der weiß, dass ich ja immer sage, Mensch, also dieses Craftbier soll eigentlich sich an die Weintrinker wenden, die sind ja „viel Kummer gewohnt“, in Anführungszeichen gesetzt. Nein, sondern die können sehr viel besser, das sage ich jetzt bewusst provokant, mit diesem Aromen-Spektrum umgehen, wie es manche Biertrinker eben können, die, wie Sie eben so diese Steilvorlage geliefert haben, eigentlich sich dem deutschen Reinheitsgebot gewidmet haben. Und das macht die ganze Sache spannend. Und hier in meinem Fall, ich hoffe, ich werde nicht enttäuscht jetzt so bei dem Verkosten, ich hab‘s vor Jahren ja natürlich auch schon mal verkostet. Das Ganze macht das dann natürlich so barock, das macht das füllig, das macht das Ganze überschwänglich in den Aromen, die angeboten werden.

Holger: Dann trinken Sie doch mal einen Schluck.

Markus Eder: Also Leute, es ist besser geworden in der Reifung auf der Flasche, als ich das tatsächlich im Kopf hatte. Es ist so wie ich es anmoderiert habe, es ist eine barocke Fülle von Geschmacksaromen, von Süße, von Rum, von dem Hopfen, der also hinten dann im Nachtrunk, sagt man ja bei den Biertrinkern, sich so am Gaumen festlegt. Also es ist wunderbar ausbalanciert. Es hat jetzt auch eine schöne Kühle. Also wir haben das auf Weißweintemperatur gekühlt. Ich habe es ja eben schon gesagt, wir haben das im Weinklimaschrank liegen. Es ist wunderbar. Würde ich also, wenn es jetzt nicht gerade Mitte des Vormittags wäre und ich nicht noch Anschlusstermine hätte, da könnte ich mich jetzt verlustieren an der Flasche. Ist eine 0,75er Champagnerflasche. Also auch von der Anmutung her eine tolle Geschichte. Und auch da, man fokussiert sich so ein bisschen auf das Weinige.

 

Der Unterschied zum Wein

Holger: Sehr gut! Wir müssen jetzt über zwei Dinge sprechen. Also ich komme jetzt noch mal zurück zum Wein. Für mich kann Bier ja mindestens genauso viel wie Wein, wenn nicht mehr. Aber Sie haben natürlich recht, Sensorik muss man trainieren und schulen, und da sind die Weintrinker uns vielleicht ein bisschen voraus. Aber ich muss sagen, also jetzt gerade holzfassausgebaute Weine, also kann ich mich erinnern, lange, lange Zeit einfach nur Barrique-Bomben, die alles erschlagen haben. Und da würde ich jetzt behaupten, natürlich auch mit Ihrer Hilfe haben wir im Bierbereich das von Anfang an etwas besser gemacht und haben darauf geachtet, dass das so nicht passiert. Das ist das eine Thema, wo Sie bitte noch was zu sagen. Und das zweite Thema ist, erklären Sie doch mal, wieso Weißwein-Kühlschrank und dann Weißwein-Temperatur, eigentlich kommunizieren wir ja solche Biere, die eben so stark im Alkoholgehalt sind, dann fast eher bei Zimmertemperatur zu trinken, weil Kälte raubt ja Aromatik.

Markus Eder: Lassen Sie mich das doch dann grad als erstes aufgreifen. Die Kälte raubt Aromatik, da haben Sie natürlich recht. Aber grad solche Biere, die so kraftvoll sind, die haben bei Zimmertemperatur was so Sattmachendes und Sättigendes, dass Sie oftmals schon nach den ersten Schlucken satt sind und einfach keine Lust auf mehr verspüren. Und das ist genau dieser Vorteil von diesen Weinklimaschränken, die ja in der Gastronomie gang und gäbe sind und in einem gut sortierten Privatkeller fehlt sicherlich kein Klimaschrank. Wenn ich abends Lust habe auf ein Rosé, dann kann ich ja nicht erst vorkühlen und dann ist der Abend vorüber. Oder wenn ich einen Weißwein trinken möchte, dann braucht der eine andere Temperatur wie mein Fläschchen wertvoller Rotwein.

Holger: Ich habe ja keine Lust auf Rosé oder Weißwein. Also ich trinke vielleicht mal zum Heiligen Abend ein Glas Wein, um meinen Schwiegervater nicht zu verärgern, aber ansonsten ist mir es zu langweilig. Aber jetzt können Sie gerne weitermachen.

Markus Eder: Und das ist die Steilvorlage an Sie. Das sollten Sie vielleicht korrigieren. Diese kleinen Weinklimaschränke, die man dann auch für das Bier benutzen kann, die gibt’s inzwischen gar nicht mehr mal so teuer und bekommen die in verschiedenen Angeboten bei den Hard-Discountern in einer fairen Qualität. Also nur mal so als kleiner Seitenhieb. Das ist ja genau der Punkt. Ich muss versuchen natürlich, ein Bier auch passend anzubringen und es schmecken zu lassen. Es nützt mir nichts, wie jetzt die Brücke wieder zu den Weinmachern, mich selbst und mein Bier zu feiern und den anderen, für die es eigentlich gebraut worden ist, den schmeckt’s nicht. Wenn ich jetzt also an die Situation denke, dass ich so ein Bier mit fast 15 Volumenprozent auch mal zu einem Teller Pasta oder zu einem Fischgericht trinken möchte, dann ist das einfach bei Zimmertemperatur aus meiner Sicht ein No-Go. Sie haben recht, wenn wir jetzt in einer Profi-Degustation sitzen und wollen dann da eine Stunde lang über dieses Bier sinnieren und alle möglichen Aromen da rausarbeiten, da bin ich ganz bei Ihnen, das lässt sich bei Zimmertemperatur in der Tat besser veranstalten, als wenn das gekühlt ist. Aber das ist ja eigentlich nicht die Idee, für die das Bier gebraut ist. Und da sind wir dann wieder bei dem Punkt der Weinmacher, die in den 90er Jahren tatsächlich dieses Wort Barrique so verstanden haben, dass ich auf die Daube beißen muss, wenn der Wein im Glas steht. Und das hat sich ganz schnell relativiert. Und wenn Sie sich jetzt heute Rieslinge in einem großen Fass zu Gemüte führen oder Sie trinken schöne Spätburgunder oder auch tolle schwere Rotweine, dann werden Sie in den seltensten Fällen, es sei denn, es ist irgendwie schiefgegangen, noch diesen Holzton oder diese Daube tatsächlich draufbeißend erkennen, sondern wir erkennen vom Holz geküsste Weine, um den Ausdruck zu strapazieren. Und das ist eigentlich das, woran wir arbeiten und worauf wir hinaus möchten. Und das ist genau wiederum dieses Spiel mit dem Feuer im wahrsten Sinne des Wortes beim Toasten. Das ist die Kunst, ein Fass so zu präparieren und das entsprechend dann auch in dem Einsatz bei dem Weinmacher oder dem Brauer zu überführen, dass es dann genauso schmeckt, dass ich es auch vermarkten kann. Und das ist auch immer mein Credo, ihr sollt den Wein nicht für euch machen und ihr sollt das Bier nicht für euch brauen und euch selbst feiern, sondern ihr sollt das für den Markt machen, dass es auch verkauft werden kann. Und wenn ich, gelinde gesagt, für eine Flasche Bier 20 Euro haben möchte, dann muss das verdammt noch mal auch so schmecken wie ein Konsument das auch letztendlich trinken kann. Ohne dass er sagt, um Gottes Willen, das bringt mich ja um oder das schnürt mir die Kehle zu. Und das ist genau auch diese Kritik an den Brauern heutzutage. Da geht’s eigentlich nur noch darum, kurzfristig ein Aroma auf ein Bier aufzubringen, was tatsächlich dann auch in diesem Mindesthaltbarkeitsdatumsablauf getrunken werden kann, weil danach fällt‘s in seine Bestandteile auseinander. Da habe ich auf der linken Seite das Bier, auf der rechten Seite das Holz. Das hat mit der Holzfassreifung nichts mehr zu tun. Der Weinmacher, der hat aus seinen Anfangsfehlern gelernt, und der Bierbrauer, so kommt‘s mir manchmal im Moment vor, der hat am Anfang vieles richtig gemacht und will jetzt möglichst schnell diese Sache hinter sich bringen. Also diese Reifezeiten von in der Regel mindestens ein paar Monaten, die werden gern übersprungen, indem man jetzt einfach im Tank diese Aromen, Holzalternativen vorlegt.

Markus: Da sind Sie ja selber auch nicht ganz unschuldig dran, oder? Wenn ich mir überlege, was es jetzt so alles für Produkte gibt, um diesen Effekt eben zu beschleunigen, von Holzstäben, von Holzwürfeln, bis hin zu praktisch zermahlenem Holzstaub sozusagen, den man da rein gibt. Ich meine, damit geben Sie denen ja auch die Tools, das zu tun, oder?

 

Wie schlau sind die Brauer?

Markus Eder: Der Brauer als solches ist ja ein intelligenter Mensch, der hat dann natürlich die Steilvorlage aus der Spirituosenindustrie aufgenommen. Diese Produkte werden in der Tat für alle Spirituosen mit eingesetzt, bei denen das die gesetzliche Grundlage hergibt. Wir orientieren uns ja da an der europäischen Spirituosenverordnung, die im Übrigen eigentlich weltweit Geltung hat, weil jeder, der in Europa irgendwas verkaufen möchte, der muss sich daran orientieren. Und natürlich kann ich dem Brauer nicht verbieten, sich bei uns im Shop Beans, Cubes, Staub und was der Geier weiß alles zu kaufen. Nur interpretiert er den Einsatz dieser Produkte falsch. Die Produkte sind es, und das gebe ich auch in jedem meiner Vorträge wieder, die sind zum Finischen gedacht. Das heißt also, wenn ich ein Produkt jahrelang auf dem Markt habe, bleiben wir jetzt bei dem Thema Rum oder Bier in Rumfässern gelagert, und ich arbeite mit Handelspartnern zusammen und kann dann nicht jedes Jahr ein sogenanntes neues Jahrgangsbier auf den Markt bringen, weil es natürlicherweise in Holzfässern gelagert und das auch noch in gebrauchten Holzfässern gelagert oder vorbelegten Holzfässern gelagert, nicht jedes Jahr gleichschmecken kann. Und wenn der Konsument, sprich, in erster Linie eigentlich der Handelspartner, das nicht akzeptiert, dann müssen Sie versuchen, Jahrgangsschwankungen auszugleichen. Und dafür sind diese Produkte wunderbar geeignet. Aber ein Bier nur im Tank und dann mit Hilfe von Alternativprodukten entsprechend zu aromatisieren, das ist ja der große Unterschied, wir haben auf der einen Seite fassgereifte Biere, wo sich dann also durch diesen Reifeprozess oder die Fasslagerung diese molekulare Struktur innendrin ja verheiratet, und auf der anderen Seite habe ich dann lediglich im Tank aromatisierte Biere. Die dann auch nach ein paar Monaten auseinanderfallen. Das ist der große Unterschied.

Holger: Markus, stell doch mal dein Bier vor, was du dir ausgesucht hast.

Markus: Gut! Dann mache ich das gerne. Also ich habe da aber auch noch ein paar Anmerkungen dazu. Aber dann machen wir das mal zuerst. Ich habe mir natürlich auch ein holzfassgelagertes Bier ausgesucht. Ich muss vielleicht eins noch vorwegschicken. Es ist ja so, Sie haben völlig recht, die Brauer haben da in den letzten Jahren sich dazu hin entwickelt, dass der Idealtypus sozusagen das Imperial Stout aus dem Whiskyfass wurde. Und je intensiver diese Whisky- und Holzfassnoten da waren, umso besser war das. Und diese Biere haben dann auch bei vielen Wettbewerben Preise abgeräumt. Und dann haben sich alle an diesen Standard so herangetastet. Und der ist dann in gewisser Weise ja auch gar nicht so schwer, weil wenn ich einfach ein sehr intensives aromatisches, sehr starkes Bier braue und das entsprechend mit Whisky und Holz irgendwie zusammenbringe, dann kommt immer irgendwie sowas dabei raus. Und diese Diskussionen hatten wir jetzt auch in den Wettbewerben immer wieder, gerade in den Finals von den Kategorien holzfassgereifter Biere. Und Gott sei Dank geht da der Trend jetzt wieder mehr dahin zu sagen, es geht wirklich um die Kunst dabei und darum, Bier und Holzfass wirklich zu vereinen, zu verheiraten, was Neues zu machen, ein spannendes Aroma zu bringen und eben nicht eine maximale Intensität zu haben. Sondern eben wirklich ein wohlschmeckendes interessantes anderes Bier, was wirklich inspiriert ist von dem, was das Holzfass bringen kann. Und so eine Idee habe ich hoffentlich jetzt auch. Ich hab‘s noch nicht probiert, ich bin gespannt. Ich habe von BrewDog so eine Special Edition, und zwar nennt sich das Cosmic Crush Raspberry. Und ist im Grunde ein Fruchtbier, Sour Ale, aber eben dann in Rotweinfässern gereift. Und jetzt gucken wir mal, wie das schmeckt. Das habe ich jetzt auch dem Vormittag geschuldet, bewusst mal eins genommen, was nicht an dieser 10 % Marke kratzt. Weil das auch zum Beispiel so ein Punkt ist in den Wettbewerben, dass halt diese meisten holzfassgereiften Biere wirklich immer Alkoholbomben sind. Und das müssen sie ja nicht sein. Also einer, der das sehr gut bewiesen hat in letzter Zeit, ist der Oli Lemke in Berlin mit seiner Eiche. Das ist eine Berliner Weisse auf einem Eichefass, die eben mit, glaube ich, mit 1,5 oder 2 % daherkommt und wunderbar das Holzfass repräsentiert. Und jetzt schauen wir mal, hier, das hat 4,5 %, schaut natürlich wunderbar aus. Also da hat man einerseits diese fruchtigen, roten, beerigen Noten schon im Auge mit einem leichtgetönten Schaum. Und es schimmert auch schon so ein bisschen dieses Rotwein-Holzfass-Thema durch. Also es ist nicht mehr ganz so frisch fruchtig, sondern schon ein bisschen so leicht bräunlich eingetönt. Jetzt riechen wir mal. Ja schön! Also ganz schön die Himbeernoten in der Nase, ein bisschen Minze, und ein bisschen auch so marzipanige Töne. Und dann kommt so drum rum tatsächlich weiniges Holzfassaroma. Ich probiere mal. Ordentlich sauer, also da merkt man, da ist die Fruchtsäure und da ist auch ein bisschen über die wilde Gärung Säure dazugekommen. Und das macht dann Platz wieder für die Frucht. Und hintenraus tatsächlich kommt dann so ein schöner leichter Rotwein, also eher wie so ein Primitivo, gar nichts Schweres oder so. Was das schön auffängt, was dann in so eine Kirsche übergeht, Sauerkirsche, und insgesamt dann auch schön runtergeht. Sehr viel Kohlensäure, im Grunde so ein bisschen wie ein Sekt. Spannendes Bier auf jeden Fall. Das wäre für mich auch so der Punkt. Also ich war jetzt zum Beispiel im Sommer in Italien, habe da Kollegen besucht, und eine Brauerei besucht, die heißt Siemàn. Die sind im Sommer ein Weinbetrieb und im Winter ein Bierbetrieb. Und machen aber konsequent alles in Holzfässern, also sowohl die Weine als auch die Biere. Und da habe ich eben mal wieder erlebt, wie sehr die Italiener in diesem Denken eben mit Holzfass, mit Aromen und so weiter sind. Wie ist denn das für Sie als Markt, sind Sie da aktiv? Wie erleben Sie die Italiener in dem Bereich?

 

Wein und Bier im selben Laden?

Markus Eder: Also ähnlich wie Sie das jetzt eben so schön beschrieben haben. Ich bin da jetzt ein bisschen skeptisch, wenn einer im Sommer Wein macht und im Winter Bier. Das sind so für mich eigentlich zwei Dinge, entweder du machst Wein oder du machst Bier. Also ich bin ein Fan davon, eine Sache richtig zu machen. Ich sehe einfach im Alltag, Sie haben ja jetzt ein wunderschönes Beispiel gebracht, wenn jemand da so sein Bier in Rotweinfässern oder noch „schlimmer“, in Anführungszeichen schlimmer gesetzt, in Weißweinfässern macht, dann kämpft er automatisch auch immer mit diesen Bakterien, die immer wieder als Rückstände in den Fässern sind. Da kann ich die saubermachen, wie ich möchte. Und das ist ja auch die Fragestellung, ob ich das überhaupt machen möchte, die Fässer saubermachen, weil dann mache ich ja auch die ganzen Aromen daran sauber. Ich halte es für nicht ganz unproblematisch, denn Sie haben dann immer ein gewisses Restrisiko mit einem entsprechend hohen Risikoaufschlag sogar, dass Ihr Bier in eine ganz andere Richtung geht, als Sie das eigentlich vorhaben. Wenn das dann in einer überschaubaren Größenordnung läuft, so dass man dann sagen kann, na ja, also wenn es schiefgeht, geht die Welt auch nicht unter, ist das super. Ansonsten kenne ich natürlich in Italien auch ganz viele Brauer, viele Brauer bestellen sich ja auch bei uns ihre Holzfässer, die sie dazu dann benötigen, und machen sich wirklich einen riesigen Kopf über diese Zusammenstellung der Fässer. Und das ist vielleicht auch ein bisschen ein schönes Vorurteil, was man da hat gegenüber unseren südländischen Kollegen, manchmal auch ein bisschen zu kompliziert gedacht.

Markus: An einer Stelle muss ich kurz Entwarnung geben. Diese Siemàn Brauerei heißt deswegen Siemàn, weil es sechs Hände sind, also drei Brüder, die da zusammenarbeiten. Also sie haben schon mal genügend Manpower. Und dann ist noch die ältere Generation mit im Betrieb, und die haben wirklich zwei verschiedene Räume auch beziehungsweise sogar zwei verschiedene Häuser, wo in einem eben die Brauerei und im anderen die Winzerei untergebracht ist. Und sie arbeiten da wirklich sehr bewusst getrennt. Aber Sie haben natürlich recht, wenn ich solche Dinge mache, dann muss ich schon mich darauf auch wirklich konzentrieren. Und da gibt’s für mich noch ein anderes Beispiel, zum Beispiel in Berlin, den Oliver Lemke, der glaube ich als Erster auch fürs Thema Bier das Thema Cuvèetieren entdeckt hat. Also, dass er gesagt hat, ich lege mein Bier da jetzt in verschiedene Holzfässer und vorbelegte Fässer, und schaue dann, wenn das alles „fertig“ ist, oder in Anführungsstrichen fertig ist, wenn ich der Meinung bin, dass der Reifeprozess so weit ist, wie ich ihn haben möchte, dann fange ich an, das zu blenden. Und gucke, wie kann ich diese jeweils zusammenbringen, um am Ende dann wirklich ein Gesamtkunstwerk daraus zu machen. Und das ist wirklich, der Barrel Blend heißt das in Berlin, gibt’s immer einmal im Jahr eine Edition. Und da finde ich, merkt man so in Reinstform, wie weit man das treiben kann, wenn man das sehr professionell und sehr bewusst und auch sehr gut einfach von der Sensorik angeht. Kennen Sie das Bier zufällig?

Holger: Passt mal auf! Moderation, hat ja was mit Nötigung zu tun, und deshalb unterbreche ich euch einfach, weil …

Markus: Ach, du hast Durst?

Holger: Ja, ihr wollt mich doch nicht verdursten lassen. Also was seid ihr denn für Egoisten? Wir besprechen jetzt einfach mal mein Bier und dann können wir da wieder …

Markus Eder: Einsteigen.

Holger: … in Berlin weitermachen sozusagen.

Markus: Also gut!

Holger: Was habe ich mir ausgesucht? Ich habe mir ein Nordik-Porter, ein Eisbock von Störtebeker ausgesucht. Den mache ich jetzt mal auf und schenke ihn auch ein.

Markus: War der auch in einem Holzfass?

 

Bier aus dem Portweinfass

Holger: Der war auch in einem Holzfass, und zwar in einem Portweinfass. Das ist natürlich jetzt auch eine richtige Bombe, ganz intensiv, sofort kommt sozusagen die Bitterschokolade durch. So richtige wuchtige Noten, so ähnlich wie der Herr Eder das auch gerade beschrieben hat. Ich trinke mal einen Schluck. Wunderbar! Also so richtig schön Vanille- und Tabakaromen. Es sind auch so wuchtige Trockenfrüchte dabei. Ich würde sagen, so eine Backpflaume, die auch so ein bisschen an Rumtopf erinnert.

Markus Eder: Das ist die große Gefahr im Übrigen bei solchen Bieren, dass du dann so eine Rumkugel oder einen Rumtopf hintenraus bekommst. Aber Entschuldigung, ich wollte Sie nicht unterbrechen.

Holger: Das ist auf jeden Fall ein komplexer Geschmack, den ich jetzt hier schmecke. Und dazu dann noch die Farbe und die Schaumbildung, also richtig tiefschwarz und so eine richtig tolle schöne Schaumbildung. Und mir geht’s wie Ihnen, Herr Eder, also schade, dass es vormittags ist, weil mit dem Bier könnte man jetzt in aller Ruhe einfach weitermachen und darüber nachdenken, wie schön doch das Leben ist. Und jetzt gehen wir zurück in deine Welt, Markus, Berlin, und wenn du vielleicht noch mal daran erinnerst, was du gerne wissen möchtest.

Markus: Ich hatte einfach nur die ganz kurze Frage gestellt, ob er vielleicht den Barrel Blend von Lemke kennt?

 

Der Barrel Blend von Lemke

Markus Eder: Ja sicher kenne ich den. Ich kenne sowohl den Oli wie auch den Barrel Blend. Sie sind natürlich jetzt auf dieses Beispiel eines Leuchtturmprojektes eingegangen. Der Oli Lemke ist sicherlich einer der besten, genau wie es der Jens Reineke bei Störtebeker ist. Das sind Leute, die beschäftigen sich intensiv damit. Es sind auch im wahrsten Sinne des Wortes Querdenker, die auch sich von dem Thema Wein und anderen Aromen beeinflussen lassen, beziehungsweise das bewusst auch wahrnehmen. Und sich dann natürlich auch einen Kopf machen, wie kann ich den hohen Alkohol zum Beispiel ersetzen über ein Tannin vom Holzfass, um mein Bier vielleicht das Potential, was es braucht, mit auf die Flasche geben zu können. Wir haben ja festgestellt, dass da wohl zumindest einer von Ihnen auch in diesen 2013ern Dutzendteich-Vorträgen waren. Ich erinnere mich sehr gut, da ist ein Italiener vorne auf die Bühne marschiert und hat gesagt, seine Biere haben 40 Jahre Haltbarkeit. Wo wir uns dann eigentlich alle angeschaut haben, wie kommt sowas oder wie geht sowas? In der Tat kann ich natürlich auch ein Bier über das Holzfass auch mit geringerem Alkoholgehalt haltbar machen über eine gewisse gesunde Tannin-Zufuhr, ähnlich wie beim Wein übrigens. Ob das dann natürlich 40 Jahre hält, weiß ich nicht. Und die andere notwendige Sache ist natürlich, dass das Holzfass neu ist oder zumindest sehr frisch ist. Also wenn ich da jetzt mit einem Portweinfass komme, was, es soll ja auch so sein, unter Umständen zehn Jahre alt ist, weil ich ja dort diese Portweinaromen suche, dann bringt dieses Fass natürlich nicht dieses Potential mit. Wenn ich jetzt mit einem neuen Fass arbeite, was ich dann einblenden kann in so eine Geschichte, dann gehe ich natürlich mit einer ganz anderen Tannin-(unv. #00:26:17.8#) da ran und Tannine macht die Sache haltbar. Und dann kann ich auch natürlich den Alkoholgehalt nach unten fahren.

Holger: Ich würde noch mal zu den Anfängen zurückkehren, weil ich finde es so wichtig, dass man auch noch mal das Thema Holzfass auch so brau- oder bierhistorisch betrachtet. In München gibt’s ja Brauereien, die man kennt, und hier ist es ja auch immer noch Tradition, eben den klassischen Holzfassanstich vorzunehmen. Es sind dann eben in der Regel 30 Liter Fässer, die von innen ausgepicht sind. Da gibt’s hier in Laim die Familie Schmid, die eben dieses Handwerk immer noch betreibt und in erster Linie dann die Fässer auch repariert und auch baut. Wie ist denn das, also wenn so ein Holzfass dann gepicht ist, dann meint man ja immer, also das schmeckt ja noch besser. Also da gibt’s eben die Flasche und dann gibt’s das frischgezapfte Bier. Aber wenn es dann wirklich aus einem Holzfass kommt, das ist ja das Genialste. Und eigentlich durch das Auspichen gibt’s doch gar keinen Kontakt mehr zu dem Holz. Also kann man das erklären, Herr Eder?

 

Warum Bier ins Holzfass?

Markus Eder: 1970 zum Beispiel hat ein Bier aus einem Holzfass oder ein Bier generell anders geschmeckt wie heute. Warum? Weil es noch zum größten Teil aus diesen gepichten Holzfässern gekommen ist. Und dieses Pich oder dieser Harz, der hat ja auch eine gewisse Aromen-Wirkung auf dieses Bier. Das heißt, man hat damals eine andere Hopfenrezeptur gehabt und hat natürlich über dieses Harz, da gibt’s natürlich einen Mikroaustausch mit Sauerstoff von außen durch dieses Harz, durch dieses Gepichte. Da hat ein Bier voller geschmeckt oder anders. Voller, mag ich gar nicht mal so sehr beurteilen, weil ich habe zu der Zeit auch noch kein Bier getrunken, aber die alten Küfer, die erzählen mir, das hat ganz anders geschmeckt wie ein Bier heute, weil einfach die Zutatenliste so reduziert worden ist. Diese ganze Zusammensetzung war anders. Und da kommen natürlich dann auch viele Nostalgie-Gedanken hinterher. Das Thema, was wir eigentlich betreiben, das ist ja die Holzfassreife. Das hat ja vordergründig zunächst mal gar nichts zu tun mit den kleinen Bierfässern oder mit großen Bierfässern. Also wir produzieren jetzt in der Tat schon seit zwei Jahren große Bierfässer, die aber hauptsächlich nach Osteuropa in den Markt dort reingehen, sprich, Tschechien. Aber der Markt als solches ist, Sie haben es ja eben selbst gesagt, das sind in der Regel sehr kleine Fässer, das sind Zierfässer, das sind Showfässer, die da gemacht werden. Das sind Fässer, die für Enthusiasten entstehen. Hat aber mit dem Thema Craftbier jetzt vom Volumen des Marktes her kaum was zu tun. Wir haben jetzt auch in dem klassischen Brauereisegment wieder Kunden, die tatsächlich Biere wieder aufsetzen auf Holzfässer. Man laboriert inzwischen durch diese bekannte Toasting-Technik, die wir eingangs unseres Gesprächs ja kurz dargestellt haben, die Biere wieder ohne diese Pich- oder Pech-Schicht innen drin in Holzfässern auszubauen. Der Brauer hat im Kopf diesen Sprung genommen, dass also auch ein bisschen Sauerstoff von außen dazukommen darf, ohne dass das Bier schlecht wird. Ich glaube, das ist die neue Interpretation von der ganzen Geschichte.

Markus: Da kommt mir noch eine andere Frage. Ich habe gerade noch mal nachgedacht, das war glaube ich damals der Agostino Arioli mit seinem Captain Hannock hieß, glaube ich, dieses Bier, was er vorgestellt hat in Nürnberg mit den 40 Jahren Haltbarkeit. Und ich habe mit der Sandra Ganzenmüller neulich mal eine Flasche verkostet. Wir haben festgestellt, so ganz mit den 40 Jahren kann man das vielleicht nicht sehen, weil die Biere eben doch abbauen. Aber was mich interessieren würde, Sie haben ja erzählt, es gibt jetzt viel diesen osteuropäischen Markt. Und ich frage mich, was tun die denn in die Fässer rein? Also sind das dann Imperial Stouts oder gibt’s da auch regionale Bierstile oder Wein-Hybrid-Geschichten oder sowas? Was kann man sich da vorstellen?

 

Welches Holz für welches Bier?

Markus Eder: Da wird eigentlich die ganze Litanei gespielt oder die ganze Klaviatur durchgegangen, sowohl als auch. Wenn ich den Markt in Tschechien sehe, dann sind das eigentlich eher Biere, die wir kennen, was Volumenbiere sind, die einfach wieder voller im Geschmack werden. Das haben die Tschechen sowieso ja schon immer draufgehabt, wenn Sie da an die Pilsner-Geschichte denken. Also dass die Biere einfach voller geschmeckt haben als jetzt vielleicht in, sind Sie mir nicht bös, in Bayern oder im Bayerischen Wald oder was auch immer. Also ich will da auch niemandem zu nahe treten, das ist einfach eine ganz andere Stilistik. Wenn Sie dann jetzt Beispiel nach Litauen gehen oder Estland, wo wir auch ganz viele Kunden haben, da werden die Craftbiere sicherlich weinlastig ausgebaut. Und ganz interessanterweise, wenn Sie dann ein bisschen südlich gehen nach Polen, da ist dann wieder diese High-Spirit-Belegung. Also tatsächlich, da wird mit verschiedenen Mash Bills aus ehemals belegten Bourbon-Fässern gearbeitet. Man schaut sich da an, was ist der Unterschied zwischen einem Woodford Reserve, einem Buffalo Trace und einem Wild Turkey. Also jetzt nicht von dem Endprodukt, dass man jetzt also diesen Bourbon probiert oder dann auseinanderdividiert, was war Tennessee und was ist tatsächlich Bourbon, sondern man schaut sich diese Mash Bill an. Was war da vorher drin? Wie ist das destilliert worden? Also die Märkte sind da sehr viel exakter, sehr viel genauer, sehr viel dezidierter wie in Deutschland. Das sehe ich ja jeden Tag, wo dann einfach der Unterschied gar nicht mehr gemacht wird, was ist das eigentlich für ein Bourbon-Fass, sondern da geht’s um ein vorbelegtes Bourbon-Fass mit ganz frisch und noch feucht innendrin. Das ist eigentlich das Nonplusultra. Aber was dahinter eigentlich steckt, das wird wenig beleuchtet. Das ist für mich eigentlich der große Unterschied.

Holger: Es ist ja auch noch mal eine Frage, als auch die Holzsorte, also deutsche Eiche, französische Eiche, amerikanische Eiche, dann der Transport auch, oder? Da sind Sie ja auch spezialisiert und bieten da viel an Dienstleistungen auch an.

Markus Eder: Ja, das ist richtig. Also das ist ein riesiges Thema geworden. Es gibt Situationen, wo wir tatsächlich mit Kühltransporten durch ganz Europa fahren, um Fässer auszuliefern oder von unseren Lieferanten her zu holen. Wir haben eine eigene Logistikabteilung hier sitzen. Das ist manchmal auch gar nicht so einfach, Container, wenn Sie jetzt grad sagen, also USA, das ist ja relativ einfach, aber wenn Sie dann jetzt in Mexiko Tequila- oder Mezcal-Fässer zu laden haben und da durch drei Klimazonen müssen. Oder Fässer jetzt wie grad im Moment in einem Auftrag nach Indien gehen oder nach Indonesien, wo Sie einfach mit den Witterungsumständen, sprich, Temperaturunterschieden arbeiten müssen, um diese Fässer zu konservieren und frisch zu halten. Also da gibt’s alle Variablen, die hier gespielt werden, von Trockeneis über Ozonisierung, bis zum Aufschwefeln, bis zu Kühlcontainern. Man kann sich das teilweise nicht vorstellen und manchmal sitze ich dann auch für mich so im Stillen da und denke, Mensch Leute, also klar macht man diesen Aufwand und betreibt den Aufwand. Ob das jetzt aber wie das wir hier uns auf die Fahne geschrieben haben, dieser Nachhaltigkeit entspricht, die wir uns vorstellen, nach deren Richtlinien wir unser Rundholz einkaufen, die Submissionen, die fangen jetzt gerade diese Woche wieder an, das ist dann schon manchmal fraglich.

Holger: Wir können ja endlos weitermachen, das ist ja wirklich so ein spezielles Thema, aber wir haben uns ja selber beschränkt, den BierTalk einfach so um die 30 Minuten werden zu lassen, und sind somit schon wieder am Ende. Also wir können festhalten …

Markus: Halt! Eine kleine Frage habe ich noch, Holger.

Holger: Boah!

 

Holzstücke, Holzstaub und das Reinheitsgebot

Markus: Das muss ich jetzt doch noch, weil es mich wirklich interessiert. Und ich glaube, weil es auch die Hörer interessiert und weil wir es ja schon mal gekratzt haben. Inwiefern ist was jetzt noch reinheitsgebotskonform? Also es ist abgeklärt, dass es okay ist, ein Bier in einem Holzfass zu finishen oder zu lagern, aber darf ich jetzt zum Beispiel dieses kleingehäckselte Holz oder diesen Holzstaub oder den Würfel oder den Stab verwenden und das Ganze im Stahltank haben? Darf ich diese Dinge vielleicht vorher in Whisky einlegen und das Zeugs da mit reinkippen? Also wo sind Grenzen und wo sind vielleicht auch Gefahren? Also ich habe auch gehört, jemand hat Holzstaub in sein Bier gegeben und dann hat sich im Nachhinein eine Belastung mit unschönen Sachen ergeben, weil eben das auch Staub war vom Holz außen, also von der Außenseite des Holzfasses und diese Verunreinigung ist dann auf dem Weg auch mit ins Bier gekommen. Also wenn Sie da vielleicht noch einen Satz dazu sagen könnten?

Markus Eder: Das ist eine Frage, die bekomme ich eigentlich jeden Tag gestellt, weniger aus dem Biersegment, sondern vielmehr aus dem Spirituosen-Segment. Das ist das, was ich vorhin schon angedeutet habe mit der berühmtberüchtigten Spirituosen-Verordnung. Ich kann hier natürlich keine Rechtsberatung durchführen, aber lassen Sie es mich, was das Thema Bier anbetrifft, vielleicht salomonisch beantworten. Es ist oftmals die Frage, wie ich ein Produkt beschreibe und wie ich meinen Lagerprozess oder Reifeprozess beschreibe. Es lässt sich durchaus in einer Fassreifung eine Aromatisierung mitnehmen, ohne dass ich die kennzeichnen muss.

Markus: Okay. Und …

Markus Eder: Ich wollte bewusst diese Pause jetzt einlegen.

Markus: Kein Thema! Und was eben die Möglichkeit einer Verunreinigung dadurch angeht, gibt’s sowas? Oder auch zum Beispiel, dass eben dadurch praktisch Zucker wieder eingebracht wird in ein Bier und man damit von einer künstlichen Zuckerung oder zusätzlichen Zuckerung sprechen kann? Sind sowas Themen, um die Sie sich kümmern müssen?

Markus Eder: Ja natürlich. Das sind dann, entschuldigen Sie die Neunmalklugen, die dann glauben, sie könnten sowas do it yourself machen und dann mal schnell in die Schreinerei nebenan gehen und mal auf den Boden gucken, was da rumliegt. Also letztendlich, natürlich, wir gehen hier mit Lebensmittel um, die Produkte müssen zertifiziert sein. Wie überall im Leben, manchmal ist erst fragen und dann schießen besser, wie umgekehrt.

Markus: Lieber Holger, du darfst gerne fortfahren.

Holger: Sehr gut! Es ist ja ein Thema, wo man sagen könnte, es ist ein Fass ohne Boden. Da habe ich mal gelernt, das gibt es eigentlich nicht, es gibt nur eins ohne Böden.

Markus Eder: Genau!

Holger: Das ist ja vielleicht ein schönes Schlusswort. Ich bedanke mich recht herzlich und wünsche euch und mir natürlich auch erstens einen schönen Tag, aber vor allen Dingen weiter auch so tolle Produkte, die eben mit Holzfässern in Berührung gekommen sind und komplexe Geschmackserlebnisse sicherstellen. Vielen, vielen Dank!

Markus Eder: Ich danke Ihnen! Ade!

Markus: Ade!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 42 – Interview mit Barbara Lohmeier-Opper aus Loh, Braumeisterin, Youtuberin, Mutter und Mädchen für alles

Barbara Lohmeier-Opper, kurz Babsi, wurde in die oberbayerische Bierwelt hineingeboren. Ihre drei Schwestern gingen andere Wege und so ist sie nun seit 2020 Chefin im und vom Bräu z’Loh. Im BierTalk mit Holger Hahn und Markus Raupach erzählt sie ihre spannende Geschichte, klärt über die bayerische „Allerwelts-Kirta“ auf und gibt Einblicke in den Alltag als Braumeisterin, Chefin, Mutter und ihr neuestes Baby – ihren eigenen Youtube-Kanal…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von unserem BierTalk. Für alle Science-Fiction Fans heute eine ganz besondere Zahl Nummer 42. Und wir haben uns natürlich auch was Besonderes rausgesucht, quasi die Antwort auf das ultimative Bier, nämlich die liebe Babsi, die ich vor sechs Jahren oder sieben kennengelernt habe zum ersten Mal in München, damals bei einer Pressekonferenz. Aber bevor ich viel erzähle, vielleicht erst noch, am Mikrofon ist natürlich wie immer der Markus und …

Holger: … der Holger.

Markus: Genau! Und wir haben eben die Babsi Lohmeier-Opper zu Gast, die sich jetzt am besten gleich noch kurz selbst vorstellt.

Barbara Lohmeier-Opper: Ich bin die Babsi. Ich habe eine Brauerei in Loh bei Dorfen. Das ist im schönen Oberbayern. Seit 1. Januar habe ich die Brauerei meines Vaters übernommen und jetzt schaue ich halt einfach mal, wie es weitergeht. Im April habe ich einen YouTube Kanal angefangen. Da erzähle ich übers Bier und wie wir es bei uns machen und was sonst noch so interessant ist, wer bei uns arbeitet. Ich bin Brauereichefin, Braumeisterin, Hausfrau, Mutter, Ehefrau, was da halt alles so daherkommt, was man alles machen muss, was einem nicht erspart bleibt. Und in diesem Sinne habe ich mir aber trotzdem jetzt mal heute die Zeit genommen, um beim Markus und beim Holger ein Bier zu probieren.

Holger: Und genau damit fangen wir jetzt auch an.

 

Was ist ein Kirtabier?

Markus: Genau! Da würde ich doch mal sagen, wir haben drei schöne Bierchen vor uns und das eine lacht mich schon richtig an: Das Kirtabier. Vielleicht musst du uns ganz kurz vorher noch erzählen, was sich hinter diesem schönen Wort Kirta versteckt, weil das kennt vielleicht nicht jeder.

Barbara Lohmeier-Opper: Das ist zur Kirchweih speziell eingebraut, also Kirchweih ist ein ganz großer Bauernfeiertag, hier in Oberbayern ist das ja immer richtig groß gefeiert worden, da war sogar Montag dann noch Feiertag, und die Knechte und Mägde haben es halt richtig krachen lassen. Und da gibt’s den Spruch: „A g’scheide Kirta, der dauert bis zum Irta.“ (Also Irta war der Dienstag). „Ko se schicka a bis Migga.“ (Also bis zum Mittwoch). Also die haben es halt richtig krachen lassen damals. Und für diesen Anlass hat man halt ein extra Bier eingebraut, das ist eben dieses Kirtabier. Das ist ein bisschen stärker, also hat so Festbier-Charakter. Hat 13 % Stammwürze, entsprechend auch 5,6 % Alkohol. Und es ist aber eigentlich trotzdem sehr mild, weil es auch recht fein gehopft ist mit Saphir-Hopfen. Da haben wir speziell mehr von dem Saphir-Hopfen drin. Dieses Bier eben jetzt auch heuer ist zugleich das Einstands-Bier von meiner neuen Braumeisterin, die seit August da ist. Und das waren so ihre Anfangssude. Und das ist aber total gut angekommen bei den Leuten.

Markus: Das heißt, ihr seid ein Zwei-Mädel-Betrieb jetzt, kann man das so sagen?

 

Drei Frauen und eine Brauerei

Barbara Lohmeier-Opper: Na, eigentlich drei Mädel, weil wir haben auch noch eine Auszubildende. Die hat zwar im Januar erst angefangen, ist aber schon topfit und ersetzt den Brauer, der uns vor kurzem erst verlassen hat.

Markus: Das ist ein sehr helles, honigfarbenes, schönes, klarfiltriertes Bier. So von der Idee her kommt das dann von eurem Hellen oder habt ihr da ein komplett eigenes Rezept dafür entwickelt?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja. Mein Vater hat damals schon ein spezielles Rezept entwickelt, nach dem brauen wir heute immer noch.

Markus: Also ein Urbier sozusagen.

Barbara Lohmeier-Opper: Genau!

Markus: Und wenn man reinriecht, hat man das auch, was du sagst, die Hopfennoten, den Saphir-Hopfen, ein bisschen Citrus. Und man sieht auch schon, wenn man es im Glas hat und ein bisschen dreht, dass das schon durchaus ein bisschen mehr Alkohol hat. Es klebt ein bisschen am Glas, wie sich das für so ein Festbier gehört. Dann probieren wir doch mal.

Holger: Ich als Preuße, wir sagen ja Kirmes eigentlich. Und dann kenne ich noch die Kerwa, das ist dann so Franken, oder?

Markus: Yo!

Barbara Lohmeier-Opper: Genau!

Holger: Dann gibt’s noch die Kirb und die Kerb und die Kirta. Und Kirta ist dann Altbayern?

Barbara Lohmeier-Opper: Sozusagen! Also kommt halt vom Dialekt. Genau!

Holger: Dann gibt es noch Kilbi, das gibt’s in der Schweiz.

Markus: Okay! Wow! Also es erinnert mich sehr auch so an diese Oktoberfest-Biere, also im Mund ein bisschen cremig, sehr schön auch eben der Körper mit ein bisschen Honigaromen. Und halt insgesamt ein bisschen kräftiger, kraftvoll, wie es sich für so ein Festbier gehört. Eigentlich geht das ja auch so ein bisschen auf die alten Erntedankfeste zurück, wo man dann einfach auch eben die Ernte gefeiert hat und dadurch auch ein bisschen mehr Umdrehungen so im Glas hatte oder haben wollte, oder im Krug, genauer gesagt. Wann ist denn eure Kirta immer?

 

Ein Kirchweihtag für alle

Barbara Lohmeier-Opper: Wir haben den Allerwelts-Kirta, der ist am dritten Sonntag im Oktober. In Franken ist es ja, glaube ich, noch so, dass die Kirchweih an geteilten Daten festgesetzt ist und bei uns ist es aber vereinheitlicht, weil natürlich bei jeder Kirchweih sich einige Leute dann vor allem wegen dem Alkoholkonsum geprügelt haben und dann war die Stimmung halt entsprechend und die Leute konnten nicht mehr arbeiten. Und deswegen wurde es dann vereinheitlicht auf ein Datum, weil natürlich von den umliegenden Gemeinden die feierlustigen Leute immer dann in die Gemeinde gekommen sind, wo halt grad gefeiert wurde. Und da war entsprechend was los.

Markus: Das ist ja eine krasse Geschichte. Ich kenne es bei uns nur andersrum. Also einerseits ist es so, dass tatsächlich die Kirchweih bei uns zu dem jeweiligen Heiligen gehört, auf den die Kirche jeweils geweiht ist, und das geht dann das ganze Jahr, fängt irgendwann im März, April an und geht dann eigentlich bis in Oktober, November rein. Und eigentlich ist tatsächlich, wie du schon sagst, in jedem Ort an irgendeinem anderen Wochenende irgendeine Kirchweih. Also ich kenne es nur andersrum, dass man zum Beispiel in Erlangen bis vor kurzem Betriebsferien bei Siemens und an der Uni gemacht hat, wenn die Bergkirchweih war, weil man eben wusste, die Leute gehen sowieso dahin und dann brauche ich die auch nicht arbeiten oder studieren lassen. Hat man jetzt vor ein paar Jahren abgeschafft, aber dass es so rum ist, dass man von Staats wegen sagt, wir machen jetzt alle Kirchweihen auf einen Termin, finde ich natürlich auch ganz schön krass. Wann ist denn das gewesen? Weißt du das zufällig?

Barbara Lohmeier-Opper: Muss Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen sein.

Markus: Krasse Sache. Also sowas. Ihr seid in Niederbayern, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Nein, wir sind oberbayerisch, wir haben früher mal zu Niederbayern gehört. Irgendwann 1800 sind wir dann auch zu Oberbayern …

Markus: rüber gewandert sozusagen.

Barbara Lohmeier-Opper: Genau!

 

Was und wo ist Loh?

Markus: Vielleicht noch ganz kurz, das Ganze heißt ja Bräu z’Loh, wenn ich das richtig ausgesprochen habe?

Barbara Lohmeier-Opper: Mhm (bejahend). Ja.

Markus: Was steckt denn da dahinter und wie spricht es der gemeine Franke richtig aus?

Barbara Lohmeier-Opper: Es ist eine Ortsangabe. Z’Loh heißt in Loh, oder von Loh, deswegen, weil wir halt aus Loh sind, sind wir halt der Bräu z’Loh.

Markus: Und dann heißt ihr auch noch Lohmeier, das kommt ja auch noch dazu.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja genau. Weil früher war es ja so, in den Orten gab’s ja einen Meier, der halt den gräflichen Besitz verwaltete, und der Lohmeier war halt dann der Meier von Loh. Daher unser Name.

Markus: Und dann habt ihr irgendwann die Brauerei quasi übernommen sozusagen, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Nein, das war ja so, in den 1920er Jahren waren ja auf dem Hof von meinem Uropa ganz viele Knechte und Mägde, die haben da gearbeitet und alle Durst gehabt. Und mein Uropa hat halt da schauen müssen, dass die was zum Trinken haben. Und er hat aus dem Nachbarort Bier bezogen im Tausch gegen die Gerste. Und als der Wirt Jahr um Jahr mehr verlangt hat als er dann bei den anderen verlangt hat und der Preis für das Getreide einfach nicht gut war, hat mein Uropa gesagt: Naja, da muss irgendwie eine Alternative her. Und das war dann so, dass ein Braumeister, der aus München kam und hier auf die Jagd ging, ihm halt erzählt hat, man konnte für den Eigenbedarf Bier brauen und das könntest du ja machen, das ist gar nicht so schwer. Und dann hat er sich da mal so umgehört und sich mit anderen Bauern noch zusammengeschlossen, die das auch probiert haben. Und dann gab’s da eben mehrere Bauernhöfe, auf denen Bier gesotten wurde für den Eigenbedarf. Nachdem dann viele Leute da waren auf dem Hof und mein Uropa dann musiziert hat und die Knechte musiziert haben und dann war da halt Stimmung, und mein Uropa hat dann fleißig eingeschenkt und hat auch was dafür verlangt, weil man kann es ja nicht herschenken. Daraufhin flatterte halt eine Strafanzeige ins Haus wegen illegalem Bierausschank. Und andere würden jetzt vielleicht sagen: Oh! Nicht gut gelaufen. Höre ich mal wieder auf. So war das bei meinem Uropa nicht. Der hat gesagt: Also wenn das so ist, dann mache ich das gewerblich. Und hat dann richtig anfangen, hat größere Behältnisse sich zugelegt, hat sich dann auch Flaschen zugelegt. Die ersten Flaschen waren ungefähr 300 Flaschen mit eigenem Aufdruck. Die waren ja damals alle so die Flaschen, aber es war halt für unsere kleine Brauerei ganz was Besonderes, da für so einen Bauernbräu 300 Flaschen da sich zuzulegen. Es gibt auch von den anderen Bauernbräus noch Flaschen, aber die gibt’s halt schon nicht mehr als Brauerei, die haben dann aufgehört, weil es unrentabel war oder halt einfach das Geschäft nicht so angekurbelt haben, wie eben dann mein Opa und meine Oma das gemacht haben.

Markus: War da dann auch der Name im Glas eingraviert, oder wie?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja genau! Also das war ja so ein Aufdruck, also das war eine spezielle Prägung.

Markus: So erhaben wahrscheinlich einfach. Oder Holger, wie sagt man dazu?

Holger: Ich überlege auch gerade. Jetzt bei Papier würde man sagen, Prägedruck, aber wie das bei einem Glas ist, weiß ich gar nicht.

Barbara Lohmeier-Opper: Weil es ja nicht geprägt ist, sondern es steht ja raus.

Holger: Genau!

Barbara Lohmeier-Opper: Also in der Form muss direkt so eine …

Holger: Eine Aussparung sein.

Barbara Lohmeier-Opper: … Aussparung sein. Genau. Dass das halt dann auch so 3D-mäßig wirkt. Und es schaut auch echt cool aus. Also das wirkt total super. Also die Flaschen haben echt was gehabt. Und es gibt auch welche mit besonderen Verzierungen und so. Das ist echt was Schönes.

Markus: Dann weißt du ja, was du in acht Jahren zum großen Jubiläum für Flaschen rausbringen musst, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Das werde ich mir nicht leisten können.

Markus: Holger, du bist doch auch in so einem Familienbetrieb großgeworden rund ums Thema Bier. Wie ist das denn so, wenn man als kleiner Stöpsel da so rum rennt in der Wirtschaft?

Holger: Wie ist das? Ich sag mal, man hasst es und man liebt es, so würde ich sagen. Man hasst es, weil die Eltern ja gefühlt alles andere irgendwie wichtig nehmen als einen selbst. Und man liebt es, weil immer was los ist und die meisten Gäste sind ja auch total nett. Und gerade so ein kleiner Junge, den finden dann alle sowieso gut und so. Und die Männer bei uns, also ich war ja quasi in Duisburg und da war ja Stahl und Kohle ganz groß, und die kamen halt von der Arbeit und haben ein bisschen erzählt und so. Und ich fand das immer total spannend, was die erzählt haben. Also ich habe die richtig geliebt, weil die auch so unterschiedlich waren. Jeder hat da so für irgendwas gestanden. Also ich würde sagen, man liebt es und man hasst es. Und es ist aber auf jeden Fall total spannend, in so einem Betrieb dann groß zu werden. Also wir haben ja keine Brauerei gehabt, sondern eine Gastronomie. Aber wenn man da jetzt, also ich glaube, wir haben so 286 Hektoliter im Monat gehabt, …

Barbara Lohmeier-Opper: Wow!

Holger: … heutzutage alle Brauereien würden da ganz nervös werden, so jemanden unter Vertrag zu nehmen.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, unbedingt!

Holger: Aber das war damals ganz normal.

Markus: Wie war es bei dir, Babsi, großwerden in so einem Betrieb? Kannst du dem zustimmen, was der Holger sagt

 

Die Frage der Übergabe

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, total! Also das ist schon wirklich was Besonderes. Bei mir war das irgendwie von Anfang an bestimmt, oder ich wollte es auch von Anfang an. Also ich bin halt auch als kleines Mädchen dann schon mit dem Laster mitgefahren oder habe auf den Festen geholfen, wenn mich der Vater gebraucht hat. Und insofern war das dann eigentlich klar, dass ich die Brauerei mal kriege. Und meine Schwestern wurden dann außen vorgelassen, ich habe noch drei Schwestern. Aber meine Eltern haben dann gesagt: Nein, das macht die Babsi. Und dann war das irgendwie so und hat sich dann auch nicht mehr geändert. Also ich bin jetzt die einzige aus der Familie, die das übernommen hat.

Markus: Ich glaube, wir sollten zum nächsten Bier übergehen. Wir haben da noch ein Kellerbier und ein Dunkles. Was wollen wir dann als nächstes probieren?

Barbara Lohmeier-Opper: Vielleicht das Dunkle und danach das Kellerbier.

Markus: Das Dunkle wäre auch mein Wunsch. Holger, gehst du d’accord?

Holger: Du weißt doch, ich bin glücklich, wenn du glücklich bist.

Markus: Also gut, dann lass uns doch mal das Dunkle in Angriff nehmen.

Holger: Ich merke schon, da lacht wieder das oberfränkische Herz.

Markus: Es springt.

Holger: Ja, es springt.

 

Hurra, ein Dunkles

Markus: Ich meine, es gefällt mir ja schon von vornherein diese schöne Kastanienfarbe, das ist ja schon toll. Weil in Bayern sind die ja oft so dunkel, dass man gar nicht mehr durchgucken kann. Und so ist es einfach so ein bisschen geheimnisvoll, ein bisschen Rotschimmer, ein bisschen braun obendrauf der Schaum auch, schön braun getönt, wie es sich gehört. Steht bei mir auch sehr, sehr lange, und es ist schon beim Einschenken mir dieses leichte Karamell, Kakao, Kaffee entgegengekommen, wie es sich für so ein Bier halt gehört. Und das ist natürlich für mich als Franke großartig. Es fehlt vielleicht noch der Rauch, aber das ist ja okay.

Barbara Lohmeier-Opper: Wollte ich grad sagen.

Holger: Nein, richtig schön malzaromatisch.

Markus: Und schön cremig.

Holger: Aber hat eine leichte Röstnote.

Markus: Ja, muss es ja haben. Und schön cremig auf der Zunge, das gefällt mir. Mhm (bejahend). Ist das euer ältestes Bier, Babsi, so von der Geschichte her?

Barbara Lohmeier-Opper: Das kann in der Tat sein. Ja. Wir haben ja mit dem Dunkel-Export angefangen, also zumindest sind das die ältesten Etiketten vorm Krieg. Früher hat man ja mit einem Dunklen, also das war ja die Hauptsorte, Dunkles.

Markus: Auf jeden Fall! Und die Etiketten, die jetzt auf den Flaschen sind, sind an dieser alten angelehnt?

Barbara Lohmeier-Opper: Nein, gar nicht. Also diese Etiketten, die hat mein Vater entworfen Ende der 80er Jahre. Wir hatten in den 80ern noch ein bisschen andere. Halt das mit dem L in den Rauten so alles seine Gestaltung. Also der hat da richtig viel Herzblut reingesteckt in die Grafik. Und ich werde die jetzt nicht groß ändern, also wenn ich mal was ändere, weil die eigentlich so recht schön sind, finde ich.

Markus: Mhm (bejahend). Ja, ich denke, da haben sich die Leute auch einfach dran gewöhnt, so ein Wiedererkennungswert.

Barbara Lohmeier-Opper: Mhm (bejahend).

Markus: Gibt’s denn um euch herum viele andere Brauereien?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, es gibt schon auch viele kleinere. Also im nächsten Landkreis dann, das ist die Brauerei Stierberg. Die sind ungefähr so wie wir. Da waren wir jetzt erst auch kürzlich dort. Und das ist echt ganz schön auch Familienbetrieb. Dann ist natürlich der Unertl bei uns um die Ecke. In Taufkirchen gibt’s einmal die Brauerei, in Dorfen gibt’s ja nur den Bachmayer. Und eine neue Brauerei, den Kellerbräu.

Markus: Stimmt. Ja. Mhm (bejahend).

Barbara Lohmeier-Opper: Genau! Und der Kellerbräu, das ist ganz witzig, der hat bei uns einmal gearbeitet vor drei Jahren sowas, und dann hat er sich halt selbstständig gemacht.

Markus: Und ihr habt immer noch Kontakt miteinander?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja freilich. Also man trifft sich ja auch so bei gewissen Veranstaltungen. Wenn halt jetzt Volksfest gewesen wäre, hätten wir uns bestimmt auch wieder gesehen.

Markus: Du hast ja schon ein paar Mal erwähnt, es gibt dich ja auch zum Anschauen. Da müssen wir vielleicht auch noch kurz drüber reden. Der Holger hat ja auch schon gerade erzählt, er hat ein Video gesehen.

Barbara Lohmeier-Opper: Warum musst du jetzt lachen?

 

Die Wächterin des Reinheitsgebotes

Holger: Weißt du, warum ich lachen muss? Kann ich dir sagen. Weil da gibt’s doch so ein wahnsinniges Bild von dir, die Wächterin des Reinheitsgebots.

Barbara Lohmeier-Opper: Ach so. Ja, ja.

Holger: Mit den Rosen im Dekolleté und so. Und dann eben mit der Gau im Hintergrund und so. Und dann, wenn der Markus dann sagt, es gibt dich ja auch zum Anschauen, dann habe ich halt dieses Bild vor Augen gehabt. Und das ist schon super. Also gäbe es in Schleswig-Holstein so nicht.

Markus: Das kann man an dieser Stelle vielleicht mal sagen, (unv. #00:14:31.3#) hat das gemacht, ein Fotograf, ein Freund von mir. Das ist ein Buch, wo wirklich zum Reinheitsgebot eben viele verschiedene Brauer-Protagonisten aus ganz Bayern von ihm auf ganz besondere Art und Weise inszeniert worden sind. Und das ist echt ein eindrucksvolles Buch mit eindrucksvollen Fotografien. Kannst du dich da noch erinnern an das Fotoshooting?

Barbara Lohmeier-Opper: Oh ja, das war total abgefahren. Die sind halt gekommen, ich hatte noch ein bisschen Arbeit, und haben sich irgendwie altes Krempelzeug zusammengesucht, sie bauen jetzt Kulisse. Ich habe mich dann fertig gemacht. Dann haben sie mich geholt. Und dann stand halt mitten im Garten so ein uralter Tisch, der schon fast zusammengefallen ist und wo der Wurm schon drin war. Aber der Tisch schaut halt super aus, und dann haben sie gesagt, dann nehmen wir jetzt diesen Krug noch und da schenken wir jetzt Bier ein. Und du musst da dich so hinsitzen mit, die Arme so verschränkt und dann musst du so ernst schauen. Das war so anstrengend. Und Rücken gerade. Also ich mache das ja grad noch mal so, also ja, Rücken halt gerade und die Hände so hin und dann muss halt das Bier da passen. Dann ist natürlich zwischen dem Shooting immer wieder der Schaum zusammengefallen. Wie soll es denn auch anders sein? Und dann ja, jetzt musst du trinken, weil sonst können wir ihn nicht frisch draufschenken, haben wir keinen frischen Schaum. Okay, gut, getrunken. Und dann wieder ernst hinsetzen. Und das war irgendwie so paradox schön auch, also im Nachhinein wirklich schön.

Markus: Klasse! Also das Ergebnis solltet ihr euch unbedingt anschauen, liebe Hörer, sehr spannend. Ich glaube, man findet es auch irgendwo im Internet, ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube schon.

Holger: Ich glaube, das ist ausverkauft.

Markus: Das Buch ist ausverkauft. Ja, aber das Bild ist, glaube ich, irgendwo.

Holger: Naja, einfach auf der Seite auch, auf der Internetseite. Und dann „Über uns“ und „Historie“ und dann nur nach unten scrollen. Und dann sieht man es schon.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja genau!

Markus: Ah, okay! Na, siehst du. Weil du immer deine Hausaufgaben machst, Holger. Sehr gut! So tief bin ich in die Website gar nicht vorgedrungen.

Holger: Ich bereite mich ja immer vor. Und außerdem, wenn ich dann mit dir zusammenarbeite, muss man ja professionell sein, sonst schimpfst du ja immer.

Markus: Absolut!

Barbara Lohmeier-Opper: Ich hätte auch noch ein paar Exemplare da, die man käuflich erwerben kann bei mir.

Markus: Das ist doch ein guter Tipp. Wenn ihr euch das Bier holt, könnt ihr gleich das Buch dazu mitnehmen. Sehr schön! Wir waren beim Video. Weil das finde ich nämlich ganz spannend. Wir haben ja uns entschlossen, im April die Podcast-Geschichte zu machen, also das war schon lange ein Wunsch von mir, aber immer irgendwie beiseite gedrückt, weil halt keine Zeit war. Und dann hatten wir halt auf einmal Zeit. Und wann kamst du auf diese Idee zu sagen, du gehst jetzt auch in die Medien sozusagen und machst es dann gleich noch als YouTuberin sozusagen?

 

Babsi auf Youtube

Barbara Lohmeier-Opper: Das war eigentlich ziemlich genau der gleiche Zeitpunkt wahrscheinlich. Das war um den Tag des Bieres, am 23. April habe ich das Video gedreht. Und ich habe das auch schon ganz lang vor mir hergeschoben. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, ungefähr seit einem Jahr oder anderthalb, weil ich ja doch ein recht bewegtes Leben führe und da viel los war. Und meine Jungs, also ich habe zwei Söhne, einen mit 14 und einen mit 10, und die sind halt alle beide total gern auf YouTube und sehen sich da halt Leute an. Und da gibt’s halt Leute zum Beispiel, der „Held der Steine“ in Frankfurt, der Lego Reviews macht. Also der baut diese Sets auf und zeigt die her und was daran toll ist, was daran schlecht ist und so. Und der Typ an sich ist ja auch schön anzuschauen. Und da habe ich mir gedacht, also eigentlich wäre das ja auch sowas für mich, wo ich einfach mal mich präsentieren kann. Wenn jemand was interessiert, kann ich es ihm zeigen. Und man kann da so in Kontakt treten mit ganz vielen Leuten und kriegt da einfach auch mal ein schönes Feedback oder kann mal das irgendwie ausbauen. Egal, wie auch immer, einfach mal probieren. Und dann habe ich mich da so ein Jahr lang herumgedrückt. Und als dann das kam mit Corona, da habe ich mal so ein Video gedreht. Da habe ich mein Dirndl angezogen und extra schöne Frisur gemacht. Und meine Eltern haben sich gefragt, was ist denn jetzt mit der los? Läuft da im Festtagsgewand übern Hof und so ein Stativ aufgebaut im Sudhaus. Und ich habe mir gedacht, jetzt musst du einfach mal anfangen. Und dann habe ich da eben das Video über die Regionalität gemacht. Und habe da auch schon erwähnt, dass ich jetzt YouTube machen werde. Und dann hatte ich es halt versprochen, da konnte ich nicht zurück. Das war für mich jetzt auch irgendwie so die Bestätigung, jetzt musst du. Du hast es versprochen, jetzt musst du auch dranbleiben. Und es ist natürlich schon schwer, dass man da jede Woche wieder ein neues Thema hat. Man muss sich ja dann erst mal damit auseinandersetzen, was könnte die Leute jetzt interessieren? Also in den Kommentaren ist es ja eher jetzt spärlich, also grad so am Anfang. Da weiß man ja gar nicht, was man so bringen soll. Und das wird euch auch so gegangen sein. Aber man fängt dann einfach mal an und dann läuft es schon. Und ich denke, ich könnte das auch noch weiter ausbauen, einfach mal schauen, wie es sich entwickelt.

Markus: Ganz toll fand ich auch das Hopfenvideo. Das habe ich vorher noch nie, ehrlich gesagt, noch nie gesehen, dass jemand das wirklich in einer relativ kurzen Zeit so schön und klar über die Bühne bringt sozusagen, also den Hopfen …

Barbara Lohmeier-Opper: Danke!

Markus: … vom Feld. Und das fand ich wirklich großartig. Das haben wir auch bei uns im Sommelier-Kurs eingesetzt als Lehrvideo.

Barbara Lohmeier-Opper: Echt wahr?

Markus: Absolut!

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, freut mich sehr.

Markus: Das ist wirklich toll. Und ich glaube, das ist auch für die Leute, dann sehen die eben auch die Verbindung, die du zu den Hopfenbauern hast und wie eben die Rohstoffe was mit dem Bier machen, wie man sich darum kümmern muss. Das ist toll, dass man das macht. Und ich glaube, Holger, das ist doch ein bisschen auch für uns das Learning, dass die Leute wirklich sich freuen, wenn man sich ihnen öffnet, wenn man mit ihnen kommuniziert. Und die dann eben die Protagonisten, so wie uns oder auch dich, dann einfach ganz anders mal kennenlernen. Und das sorgt für Bindung, glaube ich.

Barbara Lohmeier-Opper: Das hast du schön gesagt.

Holger: Aber noch schöner wäre ja, wenn wir jetzt noch ein Bierchen trinken würden, ehrlich gesagt.

Markus: Das stimmt, das Dunkle ist auch schon weg. Das war sehr trink, wie soll man sagen, trinkfreudig. Oder ich war trinkfreudig, wie auch immer.

Holger: Dann machen wir Fränkisch weiter und gehen zum Kellerbier über, oder?

 

Auf zum Killerbier?!

Markus: Ja, nicht Killerbier, Kellerbier.

Holger: Das war, wie sagt man, ein Freudscher Versprecher, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, ja. Das würde aber zu Halloween passen.

Markus: Das stimmt. Haben wir ja bald. Dann schauen wir mal. Noch schnell das Fläschchen öffnen. Das ist jetzt auch ein anderes Fläschchen, da müssen wir gleich darüber reden. Wunderbar!

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, schaust du mal.

Markus: Also ein helles Kellerbier, also auch das natürlich bei uns in Franken, da ist ja der Bierstil ursprünglich mal zu Hause, gibt’s die ja in einer breiten Bandbreite. Also von sogar noch heller als eures jetzt bis zu ganz dunkel. Weil das halt einfach früher so diese ursprünglichen untergärigen Biere waren, die man halt mit den Rohstoffen gemacht hat, die man hatte. Also meins wieder sehr so gold-, strohgelb, so dazwischen vielleicht so ein bisschen, hat wieder einen schönen, feinen Schaum. Es ist leicht trüb, ich weiß nicht, filtriert ihr das?

Barbara Lohmeier-Opper: Nein!

Markus: Nein, okay.

Barbara Lohmeier-Opper: Ist nicht filtriert, das ist direkt vom Lagerkeller, es ist auch naturbelassen. Also das ist wirklich so, wie es im Tank liegt.

Markus: Spricht dann aber auch für euch, das heißt, ihr lagert die Biere richtig schön aus, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, also so vier bis sechs Wochen versuchen wir jetzt schon zu halten.

Markus: Nein, merkt man, weil dann klärt es sich ja so ein bisschen von selber und es bleibt dann eben so, wie es jetzt hier bei uns in der Flasche ist. Jetzt riechen wir mal rein.

Holger: Was du immer für ein Geschiss machst. Ich bin schon fertig, ich habe schon ausgetrunken.

Markus: Weil es eine 0,3er Flasche war, natürlich. Das ist ja für dich so ein gewohntes Maß.

Holger: Ein Schlückchen.

Markus: Ein Schlückchen. Was mir gut gefällt in der Nase schon, ist diese Ausgewogenheit, also zwischen malzigen und hopfigen Aromen, man hat so ein bisschen das Getreidige, ein bisschen Karamell, ein bisschen Honig, aber eben auch grasige, herbe, kräutrigre Aromen. Und zusammen gibt das ein sehr rundes Geruchsfeld. Probieren wir es mal. Mhm (bejahend). Das schmeckt fast ein bisschen grünhopfig, also sehr hopfenaromatisch. Und was mir auch gut gefällt, ist hintenraus die Bittere. Die ist ein bisschen kerniger als bei dem Kirtabier, was wir gerade hatten, und macht dann genau das, was man ja auf dem Bierkeller so haben will. Es wird so leicht trocken im Mund und ich habe relativ schnell den Reflex, ich muss wieder weitertrinken. Das ist natürlich perfekt, weil dadurch habe ich auch eben, also wir sagen ja auf dem Keller, ich weiß nicht, wie es bei euch heißt, im Biergarten wahrscheinlich, …

Barbara Lohmeier-Opper: Ja.

Markus: … einfach den Effekt, dass man da dementsprechend das ein oder andere trinkt, was ja wohl offensichtlich beim Holger auch schon passiert ist.

Holger: Du hast vollkommen recht. Also ich kann das nur bestätigen. Ich finde auch toll, dass das so ein bisschen trocken und schlanker ist und einfach wirklich Lust macht auf einen zweiten Schluck. Kann man sehr gut trinken. Sehr lecker!

Markus: Mhm (bejahend). Fein! Also Bierkeller, Kellerbier, seit wann habt ihr das im Programm, Babsi?

Barbara Lohmeier-Opper: Seit 2017.

Markus: Ah!

Barbara Lohmeier-Opper: Mein Vater, der hat sich immer dagegen gesträubt, der wollte das nicht.

Markus: Das heißt, dein Baby, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, sozusagen. Genau. Er wollte es halt auch nicht abfüllen und dann habe ich gesagt: Naja, wenn wir es in 0,3er Flaschen machen, ob es dann nicht möglich wäre? Und ja, dann hat er zugestimmt. Gott sei Dank! Na, aber das ist jetzt echt, also es kommt gut an bei den Leuten. Und gerade auch bei den Mädels, die ja speziell was Weicheres und Runderes lieber haben wie sowas Kratziges. Also da finde ich, ist das wirklich sehr ausgewogen, wie du schon gesagt hast.

 

Die Chefin im Dirndl

Holger: Aber du bist jetzt die Chefin, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja genau! Ich bin jetzt die Chefin, für alles verantwortlich.

Holger: Sehr gut!

Markus: Wird man das, ist man das, lernt man das? Wie funktioniert das?

Barbara Lohmeier-Opper: Ob man das lernt? Eigentlich bin ich es ja schon länger insgeheim. Weil mein Vater war halt so ein Typ, also ist er noch so ein Typ, der halt schon gerne Sachen abgibt, also natürlich auch Verantwortung. Und wenn es halt irgendwie um Preiserhöhungen oder sonst irgendwas Unangenehmes ging, dann hat er das gern mir übertragen. Insofern war ich das eigentlich schon länger. Hundertprozentig verantwortlich bin ich halt jetzt erst seit dem 1. Januar.

Markus: Das heißt, dann musstest du immer so frisch gestylt im Dirndl zum Getränkemarkt und denen die schlechte Nachricht verkünden, dass das Bier teurer wird?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja genau!

Markus: Ist vielleicht auch gar nicht schlecht von der Strategie her.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja.

Markus: Wer weiß.

Barbara Lohmeier-Opper: Na, freilich.

Holger: Überhaupt, ich meine, er hat vier Mädels, die kann er einsetzen. Ich verstehe den.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, ja.

Holger: Ich habe nur eins, und zwei Buben.

Barbara Lohmeier-Opper: Oh, echt? Ja, drei, da ist auch schon ganz schön was los dann.

Holger: Unbedingt! Aber die sind schon ein bisschen älter als deine.

Barbara Lohmeier-Opper: Ach so! Wie alt sind die?

Holger: 18, 16 und 14.

Barbara Lohmeier-Opper: Die kleine ist 14?

Holger: Mhm (bejahend).

Barbara Lohmeier-Opper: Aber da ist ja auch Pubertät im vollen Gange, oder?

Holger: Ja, also das kann man sagen. Aber ich habe ja genug Bier im Keller und kann es mir schön trinken.

Barbara Lohmeier-Opper: Ah ja, das ist eine gute Idee.

Holger: Und außerdem ist Pubertät ja die Zeit, wo die Eltern so komisch werden.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja genau!

Markus: Eben! Immer eine Frage der Perspektive, genau wie beim Bier. Vielleicht noch ganz kurz, Babsi, ich meine, du hast ja selber gesagt, du hast dieses YouTube Dings aus der Taufe gehoben, als es mit der Corona-Zeit losging. Wie habt ihr denn so den Sommer erlebt? Wie habt ihr eure Kunden erlebt? Habt ihr Möglichkeiten gefunden, ein bisschen Absatz zu machen?

Barbara Lohmeier-Opper: Also wir haben ja eigentlich schon immer unseren Heimdienst gehabt, das war ja auch das Standbein, mit dem die Brauerei groß geworden ist. Ich habe ja schon gesagt, mein Opa und meine Oma sind ganz viel rumgefahren, am Anfang mit den Pferden. Da hat mein Opa übrigens auch meine Oma kennengelernt beim Kunden akquirieren. Und durch das, dass wir eben den Heimdienst haben, haben wir das relativ gut abgefedert. Also so richtig abgefedert haben wir es natürlich nicht können, weil halt die Feste und die Vereine fehlen. Und jetzt geht’s ja auch wieder los mit den Vereinen grad, wo die loslegen wollten, auch schon wieder dichtgemacht werden. Das ist für uns schon, also das sind schon Einbußen, die wir deutlich spüren. Und über den Sommer hinweg war das auch besser, also ich habe jetzt schon Fassbier-Absatz auch gehabt gerade im privaten Bereich. Also es wurden auch wieder Holzfässer verlangt, aber 50 Liter Fässer haben wir, glaube ich, nur eins gebraucht. Da ist halt einfach die Nachfrage nicht da, weil sie es ja auch nicht dürfen. Gastronomie haben wir Gott sei Dank nicht so viel, da sind wir ganz froh. Aber die Gastronomie, die wir haben, die leidet auch sehr. Da muss ich schon echt Bewunderung aussprechen, was die da auf die Beine stellen.

Markus: Das stimmt! Da gibt’s ja unheimlich viel Kreativität auch und Ideen, wie sie jeweils überlegen, wie sie eben dann doch irgendwie Umsatz machen können, vom Abholen über spezielle Modelle mit Karten und Gutscheinen und was weiß ich was.

Barbara Lohmeier-Opper: Genau!

Markus: Und es ist in der Tat keine leichte Zeit. Aber jetzt muss ich trotzdem noch mal zurückkommen, also wenn dein Vater sich seine Frau beim Bierausfahren geangelt hat, …

Barbara Lohmeier-Opper: Mein Opa.

Holger: Der Großvater.

Markus: Ah, dein Opa.

Holger: Schon wieder nicht aufgepasst, du hast schon wieder nicht aufgepasst.

Markus: Ah ja!

Holger: Wahnsinn! Der Großvater.

Markus: Wenn dein Großvater sich schon seine Frau geangelt hat beim Bierausfahren, hast du dann die Männer auch auf diese Art und Weise besorgt oder wie ist das so?

 

Auf Männerschau mit dem LKW

Barbara Lohmeier-Opper: Nein, als ich noch so richtig viel mit dem Bier mitgefahren bin, da war ich noch auf der Schule. Da wäre auch nichts da gewesen in meinem Alter, die waren dann alle beim Arbeiten oder auch in der Schule. Ich bin ja in den Ferien hauptsächlich mitgefahren. Also irgendwie war da einfach nicht sowas dabei. Wo ich halt auf Männerschau gegangen bin, war in Freising, in Weihenstephan. Da habe ich meinen Mann kennengelernt, auch Braumeister.

Markus: Was bedeutet, dass er dich auch unterstützen kann.

Barbara Lohmeier-Opper: Genau! Der kann mir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Am Wochenende sehen wir uns. Der ist ja in deiner Heimatstadt tätig, Markus, der ist ja in Bamberg und schafft da unter der Woche, und am Wochenende kommt er dann zu mir heim und dann können wir alles bequatschen und diskutieren.

Markus: Aber auch nicht immer ganz einfach, wenn man sich die ganze Woche nicht sieht?

Barbara Lohmeier-Opper: Nein, ist nicht so einfach. Das stimmt. Aber wir haben uns jetzt damit ganz gut arrangiert eigentlich. Die Kinder kommen auch gut damit zurecht. Und so passt‘s eigentlich.

Markus: Jetzt haben wir noch vorhin diese kleine Flasche besprochen. Der Holger hat sie quasi schon ausgetrunken. Und du hast auch schon gesagt, das war deine Idee mit diesem 0,3, oder?

Barbara Lohmeier-Opper: Mhm (bejahend). Genau!

Markus: Und wie haben die Leute drauf reagiert, als ihr die zum ersten Mal gehabt habt?

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, gut, sie haben sich gefreut, dass wir auch abgesehen vom Pils dann noch eine zweite Sorte in kleineren Flaschen haben. Das war dann ganz angenehm und auch für die Mädels, wie gesagt, die mögen das ganz gerne.

Markus: Ist ja auch eine schöne, also eine andere Flasche als die, die man so kennt. Liegt auch gut in der Hand. Holger, was sagst du als Ruhrpott-Kind? Ungewohnt?

Holger: Unbedingt! Ich meine, 0,33 hat ja sowieso einen Siegeszug hinter sich. Und man muss jetzt auch sagen, viele Brauereien, die auf 0,33 umgestellt haben oder viel mehr bestimmte Biere in 0,33 angeboten haben, waren damit sehr erfolgreich. Und ist ja auch ein schönes Maß. Weißt du, 0,5 ist oft zu viel und 0,33 ist so schön. Und ich halte es ja so, weil es so klein ist, trinke ich einfach zwei.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja klar!

Markus: Ist ja für alle Beteiligten am besten.

Barbara Lohmeier-Opper: Ja, die Flaschenform ist auch bei uns eigentlich recht gängig. Also viele Nachbarbrauereien nutzen die auch, ist schon geläufig. Insofern ist das dann auch mit dem Leergut wieder ganz praktisch.

Markus: Jetzt hatten wir hier drei wirklich schöne Bierchen von dir. Vielen Dank an der Stelle schon mal.

Barbara Lohmeier-Opper: Gerne!

Markus: Aber was können wir denn unseren Hörern jetzt sagen, wenn die das gerne trinken wollen? Die sind ja jetzt nicht alle nur in deiner Heimat beheimatet. Wie kommen die denn da ran?

Barbara Lohmeier-Opper: Wir werden jetzt dann in Kürze, also so spätestens in zwei Wochen, einen Online-Shop haben, da kann man sich das besorgen, da verschicken wir das. Und dann können sie einfach mal reinschauen, was wir alles so haben, und dann sich bestellen.

Markus: Ja, das klingt doch …

Holger: Oder noch besser, einfach die Autobahn A94 fahren.

Barbara Lohmeier-Opper: Genau!

Holger: Und in Dorfen abfahren und dann einfach in den Biergarten hinsetzen.

Barbara Lohmeier-Opper: Genau!

Holger: Oder jetzt ins Wirtshaus, weil so ein bisschen schlechteres Wetter jetzt wird.

Barbara Lohmeier-Opper: Mhm (bejahend).

Markus: Die Empfehlung bleibt, also wie gesagt, wir haben den Online-Shop, wir haben deinen YouTube-Kanal, wo die Leute dich kennenlernen können oder dir auch folgen können. Solange sie nicht zu Stalkern werden, ist das ja okay. Und natürlich kann man bei euch vorbeifahren und dementsprechend die Biere selber trinken oder mitnehmen. Dann vielen, vielen Dank an dieser Stelle für deine Zeit, für die guten Biere.

Barbara Lohmeier-Opper: Gerne!

Markus: Und für die spannenden Geschichten aus der Vergangenheit. Ist ja durchaus auch immer schön, da so ein bisschen reinzuschauen. Und wir haben auch immer sehr gerne Damen beim BierTalk, weil es einfach schön ist, dass die Bierwelt da einfach auch immer spannende Geschichten und interessante Frauen zu bieten hat. Oder Holger, was sagst du?

Holger: Ich muss dich natürlich, also du sprichst ja wie immer nur wieder für dich, also ich habe die Frauen ja immer gern. Also nicht nur beim BierTalk.

Markus: Gut! Jetzt haben die Hörer wieder was gelernt, vor allem die Hörerinnen. Nein, okay! Also dann an dieser Stelle vielen Dank und bis zum nächsten Mal. Wir werden das bestimmt vielleicht im nächsten Jahr, mal schauen, wie dann die neuen Biere oder Feste oder Veranstaltungen dann wieder laufen, dann können wir das bestimmt mal weiterspinnen. Und freuen wir uns schon zu hören, wie es bei dir dann weitergegangen ist. Hoffentlich natürlich gut, wir wünschen dir da das Beste.

Barbara Lohmeier-Opper: Vielen Dank! Hat mich auch sehr gefreut.

Holger: Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 16 – Interview mit Prof. Dr. Ludwig Narziß aus Freising, Bier-Pionier und Bier-Papst

Prof. Dr. Ludwig Narziß erblickte 1925 in München das Licht der Welt und startete nach einer kurzen Episode bei der Kriegsmarine mit einem Brauwesen-Studium in Weihenstephan eine ganz besondere Karriere in der deutschen Bierwelt. Als Sohn eines Münchner Brauereidirektors waren die Wege zwar vorgezeichnet, aber aus den Brauer wurde schnell auch ein Brauwissenschaftler und Buchautor, ab 1964 schließlich ein Professor an seiner ehemaligen Alma Mater. Seine Bücher und Studien ließen ihn zum international anerkannten Spezialisten, vor allem für Gärungsfragen, werden. Auch mit seinen mittlerweile 95 Jahren betreut er noch Studierende und berät Brauereien. Markus Raupach traf ihn kurz nach seinem Geburtstag zuhause in Freising und sprach mit über seine Geschichte und natürlich auch die aktuelle Situation…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus Raupach: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks! Heute wieder ein BierTalk Spezial mit einem ganz speziellen Gast, denn wir haben heute den Bierpapst bei uns. Es gibt ja die einen oder anderen, die sich in der Branche so bezeichnen, aber für die meisten gibt es nur einen Bierpapst und das ist Prof. Dr. Ludwig Narziß. Er wohnt jetzt in Weihenstephan, dort war auch langjährig seine Wirkungsstätte an der Universität. Und er hat vor kurzem seinen 95. Geburtstag gefeiert. Trotz des hohen Alters ist er immer noch aktiv, berät viele Brauereien, hält Vorträge und ist immer noch für Doktoranden da. Wir sitzen jetzt hier gemeinsam am Kaffeetisch. Es gibt feinen Kuchen, einen Kaffee und ausnahmsweise kein Bier, dafür aber sicherlich einen spannenden Einblick in ein langes Leben im Dienste des Bieres. Herr Prof. Narziß, Sie sind eigentlich in eine Brauerfamilie hineingeboren. Ihr Vater war Direktor bei Hacker, später war er bei Lederer. Und da ist ja eigentlich klar, dass man auch von der Ausbildung in diese Richtung gehen muss. Aber Sie sind 1925 geboren, das heißt, Sie wurden mit der Schule mitten im Krieg fertig. Wie ging dann Ihr Start ins Berufsleben los?

 

Über die Kriegsmarine zum Bier

Ludwig Narziß: Ich bin immer ein Marinenarr gewesen. Mein Vater hat es für unmöglich gehalten, aber ich war dabei. Und da habe ich es also bis zum Fähnrich gebracht. Eigentlich während der Zeit, wo ich entlassen worden bin, wäre ich dann auch schon Oberfähnrich gewesen. Zuerst in Stralsund und hinterher auf der Admiral Scheer als Kadettenschulschiff, 1200 Mann Besatzung, davon ungefähr 400 Kadetten, und anschließend Marinekriegsschule. Und wir haben uns zur U-Boot-Waffe gemeldet und in der U-Boots-Lehrdivision waren keine Plätze frei. Und dann haben sie uns noch willkürlich halt auf irgendwelche Schiffe verteilt. Und da war ich auf einem sehr interessanten Schiff, nämlich dem Flottentanker Nordmark. Der sollte Bismarck Tirpitz, also die Handelsstörer draußen mit Öl versorgen. Da waren wir dann und dann war es uns eigentlich zu dumm und wir haben gesagt, wir können doch jetzt da nicht umeinander sitzen und Kadetten ausbilden mit dem, was wir das Jahr vorher gelernt haben, und haben uns weggemeldet. Und da gab’s das Panzerjagdregiment Dönitz und dann sind wir in Grau eingekleidet worden. Zuerst wollten sie uns belgische Uniformen anhängen mit solchen Hosenbeinen. Da haben wir uns dann geweigert. Und dann waren wir halt feldgrau und sind halt losgeschickt worden. Aber wir haben eigentlich keinen Feindkontakt gehabt. Wir haben sie mal am Horizont brummen hören und wir waren 20 Mann mit zwei Panzerfäusten, dann haben wir geschaut, dass wir denen nicht begegnet sind. Da sind wir halt interniert worden bei den Engländern. Aber da kamen immer mehr Truppen natürlich aus dem Osten zurück alle da in die Gegend rein und da konnten sie es nicht mehr so recht ernähren. Und dann haben sie geschaut, dass wir sie relativ frühzeitig losgeworden sind. Gottseidank! Da bin ich halt in der Brauerei bei meinem Vater, mein Vater war Brauereidirektor in Nürnberg bei Lederer und da bin ich bei meinem Vater aufgekreuzt und da waren seine ersten Worte: Mein Bua, was tust denn du da? Und dann habe ich gesagt, jetzt müssen wir schauen, was ich machen soll. Und dann habe ich mich eigentlich für den Brauerberuf entschieden. Und zwar ganz einfach, da war so ein Häuschen da in Schleswig-Holstein und die haben uns Bücher geliehen. Und da war ein Filmvorführungsbüchle von einem gewissen Professor Aufleger, da ist der Brauerberuf geschildert worden. Und da habe ich mir gedacht, ja, das könnte mir eigentlich gefallen. Und so bin ich Brauer geworden.

Markus Raupach: Und wie war das da in Nürnberg bei Lederer? War die Brauerei stark zerstört oder konnte man da Bier brauen?

Ludwig Narziß: Hat schon ihre Treffer gehabt, hauptsächlich aber in der Mälzerei. Und es waren also von der Brauerei keine wichtigen Teile außer Gefecht. Aber ich habe ja nicht bei Lederer angefangen, sondern mein Vater hat mit dem Baron von Tucher gesprochen. Dann bin ich zur Tucher Brauerei gekommen. Und Tucher zu Lederer.

 

Das erste Bier nach dem Krieg

Markus Raupach: Durfte dann nach dem Krieg schon wieder Bier gebraut werden? Ich dachte, da gab’s doch dieses Brauverbot.

Ludwig Narziß: Brauen durften sie, und zwar es gab ja Armeebrauereien. Und in Nürnberg, Fürth war das die Grüner Brauerei und in Augsburg war es die Hasenbrauerei. Und dann war es halt so, dass man Dünnbier an die Bevölkerung geben durfte. Und das war nur 1,7 % Stammwürze stark, nicht Alkohol, Stammwürze. Und das wären ungefähr 0,5 Alkohol gewesen.

Markus Raupach: Und wie sah dann Ihr Arbeitsalltag in der Brauerei aus?

Ludwig Narziß: Habe ich endlos Lagerfässer geschlupft im Lagerkeller. Aber die waren nicht sehr stark verschmutzt wegen dem Dünnbier. Und noch was ganz anderes, mein Vater wollte unbedingt, dass ich Brauerei-Kaufmann werde. Ich wollte Brauer werden. Und dann habe ich ihn halt doch umgestimmt, aber ich habe als Kaufmann anfangen, musste also rückkommende Kästen und Fässer aufschreiben. Und dann haben sie mich losgeschickt, die einzelnen Wirtschaften abzufahren und zu kontrollieren, was Leergut draußen ist. Und das war eigentlich ein mickriger Job. Da waren ja auch die Wirte teilweise recht gschert und so weiter. Ihr mit eurem Plempel da, da braucht’s gar nicht da nachfragen und so. Mit dem Dünnbier halt. Und dann bin ich im Winter in die Malzfabrik Baumgartner gekommen in Sulzbach-Rosenberg, und da habe ich das Mälzer-Handwerk erlernt. Aber die Ernährung war ja so mager. Dann haben wir halt immer mal wieder ein Pfund Gries bekommen. Und nachdem wir aber keine Milch hatten, hatten wir den mit Wasser gekocht. Irgendwie sind wir durchgekommen. Und mit Baumgartner, dem Chef dort, verband mich dann eigentlich auch eine lebenslange Freundschaft hinterher. Und nach dem Mälzerei-Praktikum und dann ging es in der Tucher wieder weiter. Als Lehrling musste ich ja Mälzerei machen und die Tucher-Mälzerei war zerstört.

Markus Raupach: Wie muss man sich das von den Maschinen her vorstellen? Waren das noch Dampfmaschinen damals?

Ludwig Narziß: Ja, da liefen noch Dampfmaschinen. Da hatte die Tucher zwei Stück, eine schnelllaufende mit 250 PS, also schneller laufende, und eine langsamer laufende mit ungefähr so 120 PS. War gut, aber Tucher hatte ungefähr 1100 Lagerfässer, keine Tanks noch, aber die Gärbottiche waren Gott sei Dank schon 400 Hektoliter, ist gleich ein Sud, aus Aluminium. Und ein besonders schönes Ereignis war immer, wenn man als Lehrling losgeschickt worden ist, um Hefe beim Hasenbräu in Augsburg zu holen, denn das war eine Armeebrauerei. Da ist die Hefe eben noch gesund ernährt worden, das Bier war 10,5 % stark für die Armee. Das war gepresste Hefe, das roch dann nach Banane. Da haben sie gesagt, ist da irgendein Schwarzhändler hier in dem Abteil? Da habe ich denen erklärt, dass das Hefe ist fürs Bierbrauen. Und das haben wir in Augsburg geholt, weil die ein stärkeres Bier haben.

Markus Raupach: Und was für Bier haben Sie damit dann in Nürnberg gebraut?

Ludwig Narziß: Nur eine Sorte, und zwar weil es nach mehr geschmeckt hat, ein Dunkles. Mit dunklem Malz mit 80 % untergärig. Es gab ja auch Weißbierbrauereien, also Brauereien, die Weißbier brauten. Und die obergärige Hefe, um die zu retten, dass die jetzt da nicht über den Bach geht, da hat man dann das Weißbier mit 7 % Stammwürze erlaubt. Aber es durfte nicht mehr gebraut werden, also ein bestimmter Anteil. Und der ist dann im Schwarzhandel für Baumaterialien und für weiß Gott was alles ist der untergegangen, für lauter reale Dinge, muss ich sagen.

Markus Raupach: Da muss ich als Bamberger natürlich fragen: Sind Sie zu der Zeit auch mal nach Bamberg gekommen?

Ludwig Narziß: Das war 1955, da war ich im Beratungsdienst. Und die hellen Biere der Rauchbierbrauereien schmeckten alle nach Rauch. Und dann habe ich die mal zusammengeholt und habe gesagt, horcht einmal, ihr müsst eure Hefen getrennt führen. Es muss ja nicht alles nach Rauch schmecken. Da waren sie teilweise ein bisschen verschnupft.

Markus Raupach: Ja, so kenne ich die Bamberger Brauer. Wie ging’s denn dann nach Ihrer Ausbildung weiter?

 

Karrierestart und Studium

Ludwig Narziß: Meine Ausbildung war vorbei im November 47, und da bin ich dann auf ein halbes Jahr in die Landesgewerbeanstalt gegangen in deren Labor. Unbezahlt natürlich, aber das hat mir einen unheimlichen Vorsprung verschafft beim Studium. Ich konnte ihnen ja eigentlich einen Assistenten ersetzen, weil ich die ganzen Analysen dort gelernt habe. Wie alle die Grippe gehabt haben, war ich der einzige, der noch da war und habe so als ausgelernter Brauer halt dann, wenn die ihre Frage gehabt haben, eine technische, die habe ich dann natürlich beantwortet. Aber wir waren ja unheimlich wissensbegierig.

Markus Raupach: Und zum Studium ging’s dann hier nach Weihenstephan?

Ludwig Narziß: Am 1. November 48 habe ich das Studieren angefangen. War damals nur sechs Semester. Erstes und zweites Semester und dann kam die sogenannte Vorprüfung. Und dann am vierten Semester konnte man sich zum Diplom-Braumeister prüfen lassen. Die haben uns schon ganz schön rechnen lassen. Beim Lehrstuhl für Energie immer gewöhnt mit dem Rechenschieber umzugehen. Ich war nach dreiviertel der Zeit war ich fertig. Und dann haben die hinter mir gesagt, Ludwig, rutsch einmal und so weiter. Und dann ist es irgendwann einmal dem Professor Fischer zu dumm geworden. Wer ist denn der Herr, Herr Narziß, der da dauernd auf Sie einredet? Und dann haben sie einfach wir mein Blatt weggenommen und nachdem das schon fertig war, da haben sie nichts mehr abschauen können. Es war schon so, dass ich gesagt habe, ich steige jetzt richtig in die Eisen, das muss fürs Leben reichen. In der Schule war ich eher ein bequemer Schüler, um nicht zu sagen, faul.

Markus Raupach: Ja, das kenne ich so ein bisschen auch von mir. Und nach dem Studium ging’s dann erst mal als Braumeister zu einer Brauerei?

Ludwig Narziß: Ich habe da an der Landesgewerbeanstalt praktiziert. Und anschließend war ein mal tote Hose. Die Brauereien brauchten keinen Brauer, es war nichts zu machen. Dann habe ich das Semester Betriebswirtschaft studiert. Und dann war es so, nach dem Studium hatte ich aber gleich schon eine Anstellung in der Landesgewerbeanstalt, und zwar als Betriebsberater. Und ich war dann für die jüngeren oder für die kleineren Brauereien zuständig. Und das war hochinteressant deswegen, weil in Oberfranken war ja die Zonengrenze. Die waren von statt 30.000 haben sie nur 5.000 Hektoliter gehabt und dann mussten wir halt auch sehen, was man tun kann und vor allem die Instandhaltungsarbeiten. Wenn sie am Montag das Wasser aufgerieben haben, das war rostrot, weil die Leitungen korrodiert waren und so weiter. Und dann haben wir halt erst einmal das Wasser in Ordnung gebracht. Denn man hat es in der Bittere gemerkt das Eisen. Als Betriebsberater habe ich die Analysenzahlen von der LGA auf ungeahnte Höhen gebracht, weil ich ja Proben genommen habe und so viele Betriebe. Ich war ja der zweite Mann da. Der andere, der war 65 Jahre alt und der hat kaum Proben heimgebracht. Ganz ein eigenartiger Typ, der wollte mit mir überhaupt nicht reden, weil er mich von Anfang an als Konkurrenz betrachtet hat. Er arbeitete in Nürnberg und wohnte aber in Oberau bei Garmisch, da hat er ein Haus gehabt. Und jedes Wochenende ist der dann runtergefahren. Und habe da so meine fünf Betriebe pro Woche absolviert. Und die Berichte habe ich am Sonntag geschrieben. Zur Enttäuschung meiner Frau. Und ich habe mir einen VW Käfer gekauft. Standard 4.400 Mark, neu, grau mit roten Rädern. Und mit dem bin ich dann durch die Lande gedampft. Ganz selten, dass ich mal mit dem Zug gefahren bin. Weil ich ja die Proben dann alle gleich reingebracht habe. Und da war ich jetzt in Nürnberg und dann hat es den Weihenstephanern irgendwann mal wehgetan, weil halt da Kunden von Weihenstephan auch zu mir gekommen sind. Und die wollten mich dann haben als Wissenschaftler. Und dann war es so, dass ich an die staatliche Prüfanstalt Weihenstephan übersiedeln musste. Für meine Frau eine Katastrophe. Sie war Nürnbergerin und muss in das mittelalterliche Freising damals. Und dann nach einem Jahr habe ich halt dann meine Frau auch runtergekriegt, das war 54 dann. Da haben wir vier Jahre hier gewohnt. Und dann war es allerdings so, da habe ich also promoviert hier. Und zwar Einfluss der Hefe auf die Bierqualität. Das ist heute eigentlich noch gültig. Die Hefetypen, die wir damals untersucht haben, gibt es heute noch. 34er ist ja die allgemeine in der Welt. Also das war eigentlich damals schon die beste. Aber die 44er, die war also auch sehr schnell, aber die 34er hat besser geschmeckt.

 

Erster Braumeister bei der Münchner Löwenbräu

Markus Raupach: Und dann kamen ja auch schon die ersten Angebote von der Löwenbräu, oder?

Ludwig Narziß: Ja. Und zwar, die wollten mich 55 schon haben. Und dann habe ich gesagt, nein, das mache ich nicht, weil ich meine Promotion erst fertighaben will. Und die habe ich 56 dann fertiggehabt und 57 war dann auch noch die Publikation und so weiter. Und die Löwenbrauerei ist wieder gekommen 1957, dass ich doch zu ihnen kommen soll in den Betrieb. Und dann mit allem Brimbamborium, ich habe mich natürlich auch teurer verkaufen wollen. Ach ja, 1600 Mark. Da habe ich gesagt: Also Entschuldigung, das habe ich schon bei mir vor ein paar Jahren gehabt. Aber die Löwenbrauerei war dann echt die Erfüllung.

Markus Raupach: Und bei welchem Betrag sind Sie dann letzten Endes gelandet?

Ludwig Narziß: 1.800, aber es ist dann schon ordentlich. Ich habe hinterher so viel verdient, dass ich also mit dem Staat verhandeln konnte, wie ich Professor geworden bin. Aber das muss ich sagen, war ein ganz toller Vertrauensvorschuss. Müssen Sie sich vorstellen, ich war 33 Jahre alt in der Löwenbrauerei, erster Braumeister.

Markus Raupach: Da war Ihr Arbeitsplatz ja dann da, wo heute noch die Kupferkessel zu sehen sind von der Löwenbräu in München, oder?

Ludwig Narziß: Das waren aber nicht die. Neben diesem schönen Schausudwerk da war dann ein Raum und da war noch das Sudwerk 1 und 2 vom Jahrgang 1906, von der Firma Göckel. Und dann dahinter noch zur Mälzerei zu, da war das Sudwerk 3. Das Sudhaus war natürlich schon immer meine Spezialität. Und wo ich also dann auch ganz schnell darauf abgefahren bin, das waren die zylindrokonischen Gärtanks. Aber da war die Bewegung ganz anders und da haben wir dann leider ein anderes Spektrum der Gärungsnebenprodukte gehabt. Mehr, höhere Alkohole, ein bisschen weniger Ester. Dieses Gleichgewicht, das hat sich verschoben oder diese gute Relation.

Martin Zarnkow: Da kommen wir jetzt auch praktisch zur Hefe, zu Ihrem Lieblingsthema, über das Sie nicht nur wissenschaftlich viel gearbeitet haben, sondern wo Sie auch sehr viele Brauereien beraten haben. Ging das schon bei der Löwenbräu damals los?

Ludwig Narziß: Eigentlich haben wir schon der Hefe ganz viel Augenmerk geschenkt, weil wir immer wieder festgestellt haben, dass die irgendwann mal nicht mehr so wollen hat. Und dann haben wir halt die vorher stufenweise belüftet vorm Anstellen und so weiter. Da gab’s ja dann diese Belüftungsgeräte. Und da haben wir beim Löwenbräu eins in Dortmund gekauft und plötzlich habe ich ein, zwei Tage Gärzeit eingespart. Mein Chef war glücklich, dass er keine neuen Gärbottiche hat kaufen brauchen. Und diese ganze Hefewirtschaft, die war eigentlich auch mein späteres Ziel. Ich habe auch die sogenannten ausgewählten Kapitel gehabt als Vorlesung. Eigentlich war ja bei mir nur Mälzerei und Sudhaus-Technologie oder der Zubereitung. Und da habe ich also dann gewildert in anderen Gebieten.

Markus Raupach: Vielleicht noch mal kurz zur Löwenbräu zurück. Waren Sie denn da als Braumeister auch so ein bisschen ins öffentliche Leben integriert? Also zum Beispiel auf den Festen, auf dem Oktoberfest oder Anstichen oder so?

Ludwig Narziß: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Das hat irgendjemand angesteckt und hat sich dabei schön vollgespritzt. Ich habe eigentlich so groß nach außen hin als erster Braumeister gar nicht so die Rolle gespielt. Was mir eigentlich auch ein bisschen gleichgültig war.

Markus Raupach: Und dann war es irgendwann mal Zeit, die Löwenbräu zu verlassen. Wie lange waren Sie denn insgesamt bei der Brauerei beschäftigt gewesen?

Ludwig Narziß: 5 ½ Jahre.

 

Die Professur in Weihenstephan

Markus Raupach: Und dann kam der Ruf nach Weihenstephan.

Ludwig Narziß: Es war halt so, der Prof. Schuster von der Technologie 1, der ist in den Ruhestand gegangen. Und war ich halt sein Lieblings-, wie soll ich sagen, -Aspirant. Und dann war aber so Weinfurtner ging ein Jahr später. Und der hatte mal einen Besuch gemacht bei uns, Kaffee-Besuch, und dann hat er gesagt, ja, ich müsste doch seinen Lehrstuhl übernehmen, ich hätte doch da auf der Hefe gearbeitet. Aber Schuster war ja ein ganz Verbissener, da haben die zwei sich schon erst mal ernsthaft unterhalten. Dann war die unmögliche Konstruktion, ich soll mal bei Schuster anfangen und dann hinterher umsteigen zu Weinfurtner. Ich habe dann gesagt, okay, das mache ich.

Markus Raupach: Und damit war ja dann auch der Grundstein gelegt für 28 Jahre Arbeit an der Universität mit vielen, vielen interessanten Forschungsergebnissen. Wenn Sie da zurückschauen, gibt’s da so Highlights oder besondere Dinge, die Ihnen noch heute besonders im Gedächtnis sind?

Ludwig Narziß: 16 Gaschromatographen, da fing ja die Gaschromatographie erst an. Da haben wir einen mal gekriegt, vom Brauerbund gestiftet zur Hundertjahrfeier der Fakultät. Und da konnte man also dann Gärverfahren durcharbeiten mit höheren Alkoholen und Estern. Das war eine schöne Sache. Und natürlich Diacetyl-Bestimmung beim schnelleren Verfahren und all die Dinge.

Markus Raupach: Gibt’s vielleicht auch Erlebnisse in Verbindung mit dem Ausland, wo Sie gerne dran zurückdenken?

Ludwig Narziß: Ja. Also da habe ich eigentlich schon ein paar Pflöcke eingehauen. Wer zuerst kam zu mir, aber das war in Nachfolge von Herrn Schuster, der hatte gute Verbindungen nach Japan. Und der hat mich also da dort eingeführt. Da hatte ich aber zuerst dann eine Brauerei und aber es war so in Japan, wenn man bei meiner Brauerei ist und dann kann man so die anderen Wege gehen, in Deutschland ist das was ganz anderes. Aber ich bin so oft zu Vorträgen und allem geholt worden, dass ich eigentlich natürlich die anderen auch mitgenommen habe. Der letzte war Kirin, aber der hat da ein Jubiläum gehabt und da wollten sie mich dann doch dabeihaben. Aber Asahi, der alte Harada war ein echter Freund von mir. Und Suntory war ja mein Hauptbetrieb. Da habe ich ja auch mitwirken dürfen, wie die von eineinhalb Brauereien dann die drei und die vier dazu gebaut haben. Mit der bin ich eigentlich immer noch in Verbindung. Da habe ich im Kühlschrank sechs Bierproben drin, die noch probiert gehören. Alle Monate kriege ich das Bier zum Probieren.

Markus Raupach: Das heißt, Sie sind da auch ein bisschen der Berater geblieben?

Ludwig Narziß: Ja, ja!

 

Der Kampf ums Reinheitsgebot

Markus Raupach: In Ihrer Amtszeit fiel ja dann auch die Diskussion ums Reinheitsgebot. Gerade so in den 1970ern und 1980ern, wo ja versucht wurde, den deutschen Markt für die anderen europäischen Brauereien zu öffnen. Wie haben Sie das denn erlebt?

Ludwig Narziß: Wir haben uns stur gestellt und wir haben gesagt, das ist also eigentlich nicht glaubhaft, da jetzt plötzlich umzustellen und da alle möglichen Ingredienzien zuzulassen. Es wäre nicht absehbar, wie der Ruf des Bieres leiden würde und wie viel doch dann Hektoliter pro Kopf verlorengingen. Es ist halt einfach so, Bier ist unantastbar und ist Reinheitsgebot. Und wir haben uns ja auch mit den Ausländern gestritten, weil da mich der Per Nielsen von Dänemark blöd angeredet hat. Aber wir haben dafür wirklich auch die Varianz der Biere. Was hat Dänemark? Die haben halt da verschiedene Stammwürzen, aber halt soundso viel Prozent an Rohfrucht drin. Damit ist eigentlich so ein bisschen die Biervielfalt, weil die Leute dann diese schwächeren Biere irgendwie gewöhnt sind und dann wollen sie auch nichts anderes. Und da jetzt eine neue Biersorte rein zu quetschen. Der deutsche Bierexport nach Dänemark ist null, weil die mit diesen doch unterschiedlichen Bieren und vor allem mit den starkgehopften Bieren, Pilsner, nichts anzufangen wissen. Das ist schon so, wenn man also so ein Nicht-Reinheitsgebot-Bier trinkt. Nehmen wir mal an, nur mit Rohfrucht, irgendwo ist es leerer und es ist etwas eckiger. Das kommt also auf die Verarbeitung der Rohfrucht an. So einfach den Reis in die erste Maische mit einmaischen, da bleibt aber immer hinterher ist noch ein Abstand zwischen Bittere und Nulllinie. Von den Kolloiden her ist das das Thema. Oder man verträgt weniger Hopfen. Und weniger Hopfen bedeutet aber auch wieder weniger Charakter und weniger Vollmundigkeit auch. Natürlich ganz großer Glaubenskrieg, welche Hopfensorten, die billigeren oder wie viel teuren muss man geben? Aber man muss den geben, sonst kriegt man die Abrundung nicht.

Markus Raupach: Es ist dann ja auch anders gekommen und wir haben das Reinheitsgebot heute noch in Deutschland. Wie sehen Sie denn den Biermarkt in den nächsten 50 Jahren? Wohin wird’s gehen?

Ludwig Narziß: Vielleicht schon so eine gewisse Vielgestaltigkeit, dass die Leute interessiert sind, jetzt nicht nur eine Biersorte zu trinken, sondern dass sie an mehreren interessiert sind. Und ich sehe eigentlich auch eine Chance, dass man eben die Feste nützt und da jeweils mit Festbier die Neugierde weckt. Und bei Behagen natürlich auch ein gewisses Mehr an Ausstoß. Das ist eigentlich schon ein ganz wichtiger Punkt. Weihnachtsbier, wenn man da sieht, was die Brauereien da schon im Vorlauf alles machen, dass sie also wirklich erstens mal stärker, dann haben sie wieder entsprechende Malzschüttungen oder natürlich auch Hopfen. Da ist eigentlich schön was dabei. Oder wenn ich mir das Augustiner Festbier anschaue, was Glatteres und Runderes gibt’s eigentlich nicht. Aber diese Biere, die haben auch ein gewisses Alter. Nur musst du als Braumeister schauen, wann du es reinkriegst in dein Sudprogramm. Wenn du mal im Juni, Juli in Hochform bist und grad den Ausstoß bewältigst, das muss da sein. Das belegt ab März dann schon soundso Lagerkellerraum. Aber das Bier, das schmeckt man auch. Damit man aber immer gleichmäßig bleibt, wird dann das ältere mit dem jüngeren, und das ist auch gut so wegen dem Schaum und all den ganzen Dingen, verschnitten. Früher haben wir noch das Märzenbier gehabt, aber das Publikum hat sich sehr schnell von dem abgewendet.

Markus Raupach: Und wie sehen Sie die Entwicklung der letzten Jahre im Hinblick auf die Biervielfalt? Wird sich das fortsetzen?

Ludwig Narziß: Ja. Die Landschaft ist bunt und das ist der Anreiz, also das ist der Reiz an der ganzen Geschichte. Doch. Also ich finde die deutschen Bierlandschaft wirklich faszinierend. Und sie ist es natürlich auch durch die Craftbiere noch etwas ausgedehnt worden. Aber ich meine, für den amerikanischen Biermarkt war das natürlich aufregend. Da war ja eins langweiliger wie das andere. Näherte sich immer mehr dem neutralen Geschmack des Wassers.

Markus Raupach: Ja, das stimmt. Sie haben ja selber dann gesagt, das „Near Water“ Bier. Aber gut, das hat sich dann natürlich auch geändert und wir haben jetzt in Amerika 8500 Brauereien. Auch Wahnsinn. Lieber Herr Prof. Narziß, vielen, vielen Dank für die Zeit, für die vielen Informationen, für den Einblick in Ihr spannendes Leben und in die Brauwelt. Und sage ich noch mal Danke, wünsche uns noch einen wunderschönen weiteren Tag heute, und Ihnen noch viel Geduld beim Schreiben der ganzen Dankesschreiben für die vielen Geschenke, die sich hier auftürmen, die Sie zum 95. Geburtstag bekommen haben.

Ludwig Narziß: Ja. War eine Freude, wenn man so seine Gedanken wieder loswerden kann, dass sie unters Volk kommen. Danke schön!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 39 – Interview mit Sebastian Oberwalder, stellvertretender Betriebsleiter bei Lemke in Berlin

Sebastian Oberwalder ist einer der Herren und Väter der Berliner Weissen aus dem Brauhaus Lemke. Schon seit vielen Jahren ist er im Unternehmen und mittlerweile stellvertretender Betriebsleiter, was natürlich auch eine Menge Verantwortung mit sich bringt. Für die erste Waldmeister-Weisse hatte er die Kräuter noch im heimischen Garten angebaut, mittlerweile behütet er vor allem den spannenden Cocktail an Mikroorganismen, der den ganz besonderen Geschmack in die Budike-Weisse aus der Berliner Brauerei zaubert. Im BierTalk verkostet Sebastian Oberwalder mit Markus Raupach und Holger Hahn neben der Waldmeister-Weissen auch die Varianten mit Himbeeren und Kirschen und verrät allerlei Details über die Rezepturen und Herstellungsverfahren…

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Holger: Herzlich willkommen zum 39. BierTalk, uns treibt es wieder einmal in die Hauptstadt nach Berlin und wieder einmal zu einer unserer Lieblingsbrauereien Lemke. Unser Gast ist der Basti Oberwalder, einer der Brauer bei Lemke. Und am Mikrofon sind wie immer der …

Markus: Markus.

Holger: … und der Holger. Basti, grüß dich, das ist großartig, dass du dir für uns Zeit nimmst. Wir haben das so ein bisschen als Tradition, dass die Gäste sich zunächst einmal vorstellen. Sag doch mal wer du bist und was dich ausmacht.

Basti Oberwalder: Ja, servus und danke für die Einladung hier. Ich bin hier bei Lemke einer der zwei stellvertretenden Betriebsleiter und bin auch hauptsächlich für die Weisse verantwortlich. Kommt daher, dass ich über die Weisse damals meine Bachelorarbeit auch geschrieben habe, die mit entwickelt habe und dass quasi so ganz unter meinem Schirm jetzt läuft alles, was mit der Weissen bei uns zu tun hat.

Holger: Ja, aber du bist ja jetzt nicht nur Weisse, sondern du bist alt irgendwie und du bist schon ewig Brauer oder noch nicht so lange und so weiter.

Basti Oberwalder: Ich bin 33, habe Brauen studiert und bin jetzt bei Lemke seit fünf Jahren. Also habe aber auch alles durchlaufen, also Praktikant, Werkstudent, normaler Brauer erst mal und jetzt seit anderthalb Jahren stellvertretender Betriebsleiter.

Holger: Ich meine, die Belgier wissen es ja schon lange, dass das Thema Frucht und Bier eine ganz ausgezeichnete Kombination ist also und jetzt so das Thema Berliner Weisse ist ja im Trend. Aber wie seid ihr dazu gekommen, was macht ihr damit? Also die Budike Weisse war vorher, jetzt kommt das ganze Programm nochmal erweitert daher. Erzähl doch mal dazu.

 

Die neue Berliner Weisse

Basti Oberwalder: Na ja, die Budike war ja die Erste, die wir entwickelt haben, so die Grund-Weisse oder die Basis. Und dann haben wir uns ein halbes Jahr später auch überlegt, was könnte man denn noch machen damit? Weil das Bier für uns eigentlich sehr viel hergibt, grad, weil es auch immer nur aus der Hefe kommt und danach gibt es eben diese Biere mit dem Sirup, die in Berlin bekannt sind. Und dann dachten wir uns, wie wäre es denn, wenn wir das mit richtigen Früchten machen, aber nicht süß. Weil, mir persönlich schmeckt das nicht, wenn das so eine Brause am Ende ist. Das hat nichts mehr mit Bier zu tun. Wenn man das aber mit natürlichen Früchten, mit einer natürlichen Lagerung auf Früchten einfach auch hinbekommt, ein komplexes saures Bier mit Frucht hat oder eben Waldmeister zu bekommen. Im ersten Test haben wir dann damals, das war 2017, haben wir dann auch auf Holz eine gelegt, eben mit richtigem Waldmeister. Den habe ich damals noch bei mir im Garten gepflückt, getrocknet und verwendet, in kleinen Chargen. Und eben dann mit Himbeer und Kirsche Versuche gemacht. Und hatten dann quasi dann gleich fünf Weisse, haben dann davon jeweils ein Batch gebraut. Der hatte dann noch ein Sonderetikett damals, mit einer Nummer drauf, die so fortlaufend ist für so Sonderbiere. Und dann hatten wir mit allen auch beim European Beer Star da damals mitgemacht und haben da mit der Himbeer gewonnen. Und dadurch kam es dann so, dass wir sagen: „Wir wollen nur eine Frucht erst mal haben, das dann die Kirche erst mal.“ Es gab quasi nur diesen einen Batch, diese zehn Hekto Kirsche. Und haben jetzt aber seit einem Monat knapp, haben wir die Kirsche jetzt wieder. Weil wir in dem Rückstellprobenlager, haben wir dann mal ausgemistet und haben dann noch diese Kirsch-Weisse gefunden und haben die natürlich probiert erst mal, diese ganz alten Flaschen. Die waren da schon über zwei Jahre alt und die waren so lecker auf einmal, dass wir gesagt haben: „Die muss auf jeden Fall wiederkommen.“

Holger: Und die Waldmeister-Weisse ist ja, zu mindestens aus der Berliner Sicht, so die Ur-Weisse oder, damit hat eigentlich in Berlin alles begonnen. Also die Früchte sind da erst mal noch gar nicht reingekommen, oder?

Basti Oberwalder: Ich weiß gar nicht, wahrscheinlich war der Waldmeister mit das Erste auch, weil es auch verfügbar war damals, in der Nähe. Ursprünglich wurde das ja superfrisch auch getrunken. Also ganz früher, kommt drauf an, von welcher Zeit wir jetzt reden, also 1700 Jahrhundert, da wurde die Weisse ja eigentlich nicht alt. Die war ja dann eigentlich frisch getrunken. Die Brauer haben die ja nicht mal zu Ende vergoren, sondern haben die nur angestellt und dann kamen die Wirtsleute mit ihren kleinen Fässern und haben sich das abgeholt, diese angegorene Würze. Und dann war das mehr sowas wie ein Federweißer damals quasi, weil die Wirtsleute dann selber gucken konnten, wie lange sie es gären lassen, bis sie es ausschenken. Und natürlich dann wahrscheinlich kam dann Waldmeister, weil er überall auch in Berlin im Umland wächst. Und dann eben hat wahrscheinlich auch irgendwann mal einer das mit Früchten probiert. Dieser Sirup kam, glaube ich, auch erst durch eine Bar, die dann die Weisse wieder attraktiver machen wollten in den 1930ern und dann eben diesen Sirup benutzt haben, damit auch Frau das wieder trinkt, weil es denen zu sauer war. Und dadurch kam dieser Sirup erst überhaupt in diese Berliner Weisse.

Holger: Ah ja. Also Markus, du hast ja sogar ein Buch geschrieben über Bierhistorie. Und weißt du, was Weisse mit Strippe ist?

Markus: Na, Weisse mit Strippe müsste die mit Kümmelschnaps sein, oder?

Holger: Ja, genau. Also so war das früher, das eben dann so eine Waldmeister-Weisse begleitet wurde von Kümmelschnaps oder auch von einem Korn und das hat man dann Weisse mit Strippe genannt. Ihr wisst ja, ich bin immer sehr durstig, wenn es an den BierTalk geht und irgendwie habe ich das Gefühl, das es Zeit wäre, das erste Bier zu öffnen. Und jetzt können wir die Waldmeister-Weisse öffnen, wir können aber auch was anderes machen. Also Basti, du bist der Gast, du darfst entscheiden, was wir tun.

Basti Oberwalder: Da wir ja die Frucht auch noch probieren, würde ich die Waldmeister als erstes trinken.

Holger: Sehr gut, dann mache ich die mal auf.

Markus: Für welche habt ihr euch jetzt entschieden?

Holger: Für die Waldmeister-Weisse. Hast du wieder nicht aufgepasst, oder?

 

Berliner Weisse mit Waldmeister

Markus: Ja, genau. Nein, ich habe nochmal kurz drüber nachgedacht. Also bei dem Waldmeisterthema, das ist ja so, also die ursprüngliche Berliner Weisse war ja schlicht und einfach nur ein leicht säuerliches Bier auf Weizenbasis, sagen wir mal so. Und der Waldmeister war den Berlinern schon lange, lange Zeit bekannt, weil das ja auch eine Heilpflanze war und man hat das dann aus verschiedensten Gründen, schmerzstillend zum Beispiel, in Wasser oder später auch in Wein getan. Da hat sich dann auch die in Berlin allseits beliebte Maibowle entwickelt. Und ich glaube, aus dieser üblichen Verwendung und dass sich die Leute an das Aroma, an den Geschmack gewöhnt haben, hat man dann vielleicht auch gesagt: „Okay, dann probieren wir das doch mal einfach in unserem Bier.“ Also ich habe jetzt keine fundierte Basis dafür, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das so passiert ist, weil es auch üblich war, damals Sirupe aus Kräutern herzustellen, weil sich dann natürlich die länger gehalten haben. Also dadurch ist auch klar, dass man das dann einfach zum Beispiel ins Bier gegeben hat. Aber bevor ich jetzt lang rumrede, freue ich mich schon drauf (unv. #00:05:53.6#).

Holger: Ich wollte es grade sagen, weil, ich habe uns ja gelobt und du bist ja immer der, der dann immer alles in die Länge zieht. Aber du hast es jetzt noch selber gemerkt, zum Glück und bist lernfähig, super. Also ich habe auf jeden Fall schon ein Bier im Glas und habe auch schon dran gerochen.

Markus: Moment.

Holger: Und der Basti hat Recht, also ein bisschen so Federweiße habe ich jetzt im Kopf und erinnert mich dann auch so ein bisschen vielleicht in Richtung Apfelmost oder Cidre, so in die Richtung vielleicht. Und von der Farbe her ist es so ein leicht trübes hellgold. Ja, also man sieht auf jeden Fall nix Grünes im Glas.

Markus: Solange du trinkst, kann ich vielleicht noch kurz für die Hörer sagen, also viele wissen ja gar nicht, was Waldmeister eigentlich ist. Also es handelt sich jetzt hier nicht um eine Frucht oder Beere oder so, sondern das sind schlicht und einfach Blätter. Und das ist so ein Kraut, was eben am Boden wächst, auch gerne mal in etwas höheren Lagen und hat ziemlich viele Blätter um einen so ein bisschen viereckigen Stiel herum. Und grade, wenn man das frisch hat, also so im Frühjahr, so Mai, Juni rum und dann an den Blättern reibt oder sie auch isst, das ist ein ganz einmaliger Geschmack und auch ein bisschen anders als das, was man so aus den Brausetütchen kennt. Also, das ist vielleicht auch so ein bisschen was Besonderes, das ihr eben gesagt habt, ihr nehmt kein Waldmeisteraroma oder sowas, sondern ihr nehmt wirklich die ursprüngliche Frucht, mit all ihren Tücken. Da werden wir bestimmt gleich noch drüber sprechen. Aber das ist für manche vielleicht auch unbekannt, weil man sich diesen Geruch und Geschmack erst mal wieder nähern muss, weil man ihn ja so aus der Natur gar nicht kennt.

Holger: Also das ist gut, dass du das noch erklärst, wächst ja auf jeden Fall in des Brauers Garten, haben wir ja grade gehört. Und ich mache jetzt einfach weiter mit meinen Verkostungsnotizen. Es ist so ein bisschen also eine Zitrusnote, eine Apfelnote drin. Also unglaublich erfrischend, aber doch herb. Die Säure kommt ganz klar rüber. Ist für mich wahnsinnig appetitanregend. Also, wenn wir fertig sind, muss ich sofort was essen, glaube ich. Und ich finde es absolut hammerhart. Ich könnte mir jetzt natürlich vorstellen, Basti, also wenn jetzt so normale Leute bei euch dann in die Gastronomie kommen und eine Waldmeister-Weisse bestellen, dann könnte es auch sein, dass sie erst mal enttäuscht sind, weil sie halt dieses Sirupzeug erwarten und dann doch was viel Spannenderes bekommen. Also was habt ihr da für Erfahrungen gemacht?

Basti Oberwalder: Also am Anfang war auch so, dass es manchmal auch zurückging, weil die Leute halt quasi jetzt grün erwartet hatten und auch dieses Süße auch. Und wir haben aber von Anfang an auch überall klar drauf geschrieben, dass es ohne Sirup ist, das es auf richtigen Kräutern lag oder eben auf Früchten und das es halt eher komplexer ist und sauer und nicht süß. Und mittlerweile ist es aber auch kein Problem. Also auch die Kellner sagen dann extra nochmal, wenn was bestellt wird, das ist halt nicht so, wie man es vielleicht in anderen Bars kennt, diese Standard Berliner Weisse mit Sirup ist.

Holger: Sag doch mal was zum Prozess. Also wo bezieht ihr jetzt Waldmeister her? Also ihr werdet das ja nicht immer noch, also immer noch aus deinem Garten beziehen. Und wie funktioniert es dann? Also ihr habt dann irgendwie die Blätter und wie kommen die, getrocknet, gefroren, frisch gepflückt, also wie …

Basti Oberwalder: Waldmeister muss man trocknen zum Beispiel, damit überhaupt dieser Geschmack wirklich entsteht. Das ist dieses Cumarin. Das ist der chemische Stoff, der quasi nach Waldmeister schmeckt und der entsteht aber erst beim Trocknen oder beim Einfrieren. Beim Trocknen mehr als beim Frieren, aber man kann keinen frischen Waldmeister benutzen. Der riecht nur ganz wenig nach Waldmeister, der getrocknete riecht viel, viel intensiver dann. Und gleichzeitig ist dieses Cumarin auch so ein Halluzinogen, wenn man zu viel nimmt davon. Deswegen darf man auch gesetzlich nur drei Milligramm pro Liter haben. Da liegen wir aber weit drunter. Bei uns ist weniger als 0,1 drin.

Markus: Aber habt ihr es schon mal ausprobiert?

Basti Oberwalder: So viel rein zu machen? Nee, weil man dann auch, nach den Halluzinationen kommen auch Leberschäden, deswegen nehmen wir da nicht so viel rein.

Markus: Ich dachte jetzt eher, ob ihr die Halluzinationen schon mal ausprobiert habt, aber.

Basti Oberwalder: Nein, nein, nein. Also so viel Weisse kann man gar nicht trinken, bis man da so viel Cumarin hat am Tag, wie es dann erlaubt ist oder wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.

Holger: Und dann kommt es wann rein, also in welchem Schritt des Brauprozess macht ihr das rein?

Basti Oberwalder: Quasi beim Schlauchen. Wir vergären die Weisse ja in offenen Gärbottichen und dann kommt der Waldmeister. Das ist getrocknet, das ist quasi so, sieht aus wie ein grüner Tee am Ende, ungefähr, kommt dann in den Tank rein und da wird dann die Weisse drauf gestaucht. Also noch warm und liegt dann ungefähr eine Woche auf dem Waldmeister, bis der (unv. #00:09:54.7#) wird.

Markus: Und während der Zeit gärt das dann noch?

Basti Oberwalder: Es gärt dann noch, ja.

Markus: Okay.

Basti Oberwalder: Leicht nur noch, aber nicht mehr viel. Zwei Grad Plato ungefähr gehen dann noch runter.

Markus: Spannend. Also ich war ja damals auch durchaus ein bisschen involviert bei diesem Prozess und kann mich sehr gut an die ersten fünf erinnern und weiß noch, dass die erste Waldmeister-Weisse da durchaus so ein bisschen aus der Art geschlagen ist. Also sie war richtig sauer. Und auch sehr spannend, ich mochte die sehr gern, aber es war durchaus ein Produkt, wo man gemerkt hat, da passiert auch mikrobiologisch was. Wie habt ihr da drauf reagiert? Kannst du dich noch erinnern, wie das damals so war? Also wie habt ihr das geschafft, die jetzt so hinzubekommen, dass sie auch eine schöne dezente Säure hat, aber insgesamt dieses Waldmeisteraroma so schön präsentiert?

Basti Oberwalder: Im Prinzip muss man ja auch sagen, dass wir jetzt halt mit der Weissen auch viel mehr Erfahrung haben. Ich meine, das ist ja immerhin ein Sud, den man mit drei verschiedenen Mikroorganismen anstellt. Und normal hat man als Brauer nicht so viel mit Laktobazillen und Brettanomyces zu tun in dem Prozess. Und dann lernt man einfach auch ganz viel bei diesen ganz vielen Suden. Und damals, die ersten Fruchtdinger waren ja noch unter den ersten zehn Suden, die wir jemals gemacht haben. Und jetzt haben wir so viele gemacht und haben uns einfach auch persönlich weiterentwickelt und haben einfach ein besseres Handling für alles. Das ist ja auch immer ein Schritt, wir haben ja vorher auf einer kleinen Anlage nur Probesude gemacht und dann auf eine große gegangen. Da verändert sich auch nochmal ganz viel einfach. Und jetzt mittlerweile haben wir einfach diese Weisse super im Griff mit den Mikroorganismen auch, dass sie, ja, auch bei der Waldmeister nicht so. Das Problem ist natürlich auch bei dem getrockneten Waldmeister, man kann ja nicht vorher ihn abkochen oder in Desinfektionsmittel rein schmeißen. Daher liegt natürlich auch eine Mikroflora auf den Blättern, wo man bestimmt auch nochmal ein paar andere Mikroorganismen mit rein zieht. Aber ist ja bei den Kirschen und bei den Himbeeren genauso, dass auf den Früchten auch noch was drauf ist.

Holger: Ist denn jeder Batch anders?

Basti Oberwalder: Nee, nee, nee, nee, die sind schon alle gleich. Also da ist ja schon, der PH-Wert ist schon so tief, dass zum Beispiel, wenn dann gären höchstens noch andere Laktostämme mit in dem Tank dann. Also machen es höchstens auch noch sauer oder saurer. Weil, wenn der PH-Wert unter den 4,0 liegt, dann ist das für die meisten Mikroorganismen schon so tief, dass die quasi dann auch nicht mehr arbeiten können.

Holger: Die haben dann keine Lust mehr, ja?

Basti Oberwalder: Ja, ungefähr so. Die leben da, schwimmen da mit drin, aber machen nichts mehr. Also sie stellen nichts mehr her und vergären auch nix mehr. Oder fermentieren, heißt es ja bei den anderen Bakterien. Und auch mit der Farbe, das haben wir auch dann beim ersten Batch noch gar nicht so mitbekommen. Der war ja auch teilweise sehr dunkel. Haben dann einfach gemerkt, dass das Chlorophyll sich aus dem Waldmeister dann doch löst. Und der hat auch am Anfang im Tank, wenn man es frisch rausholt, so einen ganz kleinen grünlichen Stich. Also ist gelb, aber hat, wenn man wirklich so hinguckt, so minimal so einen leichten grünen Schatten mit drin. Dieses Chlorophyll stirbt aber ab und wird dann braun.

Holger: Ah, sehr spannend.

Basti Oberwalder: Wussten wir auch vorher nicht. Aber dann, da gab es so die Flaschen, die halt sehr lange in dem Licht standen und die dann wirklich komplett wie ein Tee braun wurden. Wo wir auch gedacht haben, dass vielleicht irgendwie eine Oxidation da noch stattgefunden hat. Aber es hat einwandfrei geschmeckt, es war einfach nur braun.

Markus: Wahnsinnig, also was da alles passiert. Was ist denn aus der Idee vom Oli geworden, einen Waldmeistergarten oben auf diesem Teilstück, auf dem stillgelegten Teilstück von der S-Bahn zu machen?

Basti Oberwalder: Das ist noch in der Schwebe, soweit ich weiß.

Markus: Okay, das kann ich mir gut vorstellen, da mit einem Liegestuhl zu liegen im Waldmeister.

Basti Oberwalder: Es lag auch einfach daran, dass wir quasi den Jahresbedarf, den wir haben, dann selbst anbauen. Einfach aus dem Grund, weil, wir hatten von verschiedenen Bezugsquellen damals dann Waldmeister geordert. Das sind ja, sagen wir mal, so Mengen, die sind in so einem riesigen Beutel dann drin und die schmeckten alle unterschiedlich von verschiedenen Herstellern komischerweise. Wo wir uns auch gewundert haben, wie das sein kann, weil, es ist ja im Prinzip nur Waldmeister drin. Und haben dann uns für einen entschieden und haben aber jetzt das auch nochmal gewechselt, seit dem letzten Batch.

Holger: Also ich könnte mir vorstellen, wenn jetzt ein Gärtner hier ist und der könnte jetzt über Waldmeister referieren, der würde dann wahrscheinlich sagen: Ja, wisst ihr denn nicht, dass es 32 unterschiedliche …

Basti Oberwalder: Unterarten.

Holger: … Sorten gibt von Waldmeister, oder so ähnlich stelle ich mir das vor. Also wahrscheinlich ist das so. Naja, also wahnsinnig spannend.

Markus: Ja und falls sich irgendein Hörer jetzt berufen fühlt, weil er Gärtner und Waldmeisterbauer ist, kann sich ja bei euch melden, ne?

Basti Oberwalder: Ja, wir brauchen ungefähr, sagen wir mal, 30 Kilo getrockneten Waldmeister im Jahr. Also schon im getrockneten Zustand, nicht im frischen. Braucht irgendwie 150 Kilo frischen oder so.

 

Berliner Weisse mit Kirschen

Holger: Also ich habe ja mal mehrere Jahre in Berlin gewohnt und wir sind dann mit den Kindern immer so ins Berliner Umland. Und ich kann mich erinnern, in Brandenburg gab es oft irgend so Waldmeister im Wald und so. Also irgendwie, das scheint da schon ganz regelmäßig vorzukommen und war wahrscheinlich auch früher schon so. Und dann eben Kräuter ins Bier zu tun, ist ja auch zu der damaligen Zeit gar nichts Ungewöhnliches gewesen. Jetzt ist ja der Schritt zur Frucht gar nicht mehr so weit, ja. Also da habt ihr dann irgendwann gesagt: „Okay, jetzt machen wir da noch die Kirsche und die Himbeer ins Bier“, wie die Belgier das eben auch schon sehr lange machen. Und ich hatte ja schon in der Anmoderation gesagt, sie wissen ja, dass das richtig toll ist. Und arbeitet ihr dann auch mit den typischen Früchten, also zum Beispiel mit der Kriek-Kirsche oder mit anderen Kirschen?

Basti Oberwalder: Die Himbeere haben wir gemacht, weil wir ja auch, also ich persönlich, auch Fan dieser belgischen Framboise bin. Und die Kirsche haben wir gemacht, weil auch hier in Werder, das ist auch hier in Brandenburg, gleich bei Berlin, da werden auch viele, viele Kirschen angebaut. Hat man diesen regionalen Faktor eben mit dabei. Und wollten da einfach gucken, ob das so klappt. Aber es ist nicht die Kriek-Kirsche, weil, die bekommt man gar nicht auf dem Markt. Diese Brauereien bauen selber diese besondere Kirschsorte an, die nämlich nicht / oder ist so eine Mischung aus Süß- und Sauerkirsche.

Markus: Ja, das sind diese Schaarbeeksen Kirschen …

Basti Oberwalder: Genau.

Markus: … oder Krieken. Und die sind ja eh viel zu wenig für die belgischen Brauer, die sie gerne hätten. Dementsprechend, glaube ich, werden die den Teufel tun und das nach Berlin transportieren. Aber, es macht ja auch Sinn, regionale Zutaten zu verwenden. Trotzdem, bevor wir drüber reden, wollen wir das gute Ding nicht aufmachen?

Holger: Unbedingt, also das war ja meine Intention. Du hast mich schon wieder verstanden.

Markus: Ja.

Holger: Das kommt ja nicht so häufig vor, aber manchmal ja doch. Also,

Markus: Also.

Holger: … machen wir die Kirsche auf.

Markus: Da muss ich jetzt auch noch was dazu sagen, weil, wir haben ja nicht nur das Bier bekommen von euch, sondern wir haben von euch auch ein wunderschönes Glas bekommen, was eben so an die historischen Weisse-Gläser angelehnt ist. Das heißt, das ist eher so ein Kelch und darin kommt das Bier natürlich wunderbar zur Geltung. Und sieht man jetzt auch, wie das so schön rot einem quasi fast entgegen strahlt. Ich habe selber auch mal versucht, eins von diesen wirklich historischen Gläsern zu bekommen, aber die sind quasi nicht auffindbar in Berlin. Also das finde ich ganz krass, da ist wohl viel verloren gegangen. Aber gut, ja, vielleicht trotzdem eine Frage, habt ihr euch bei dem Glas an was Bestimmten orientiert oder einfach irgendwas überlegt?

Basti Oberwalder: Ja, natürlich auch in der alten Form. Also wir haben das Glück, dass wir noch mit Manfred Staruß, das war der letzte Leiter der Hochschulbrauerei, der letzte Braumeister, der auch noch aktiv Weisse gebraut hat in den 70ern, dass der uns auch ganz viel geholfen hat. Und der hat einfach ein Museum Zuhause und hat dann uns auch mal alte Weisse-Gläser mit hergebracht. Diese Form gibt es heute eigentlich gar nicht mehr, deswegen war es eine lange, lange Suche, bis wir ein Glas haben, was so quasi alles mit vereinbart. Also wir haben ja einen hohen Schaum auch oft auf der Weissen, dass das da nicht drüber geht, dass man die Glasflasche auch auf einmal rein schütten kann. Ein Kelch halt ganz wichtig, dass es einen Fuß hat, das Glas. Und dann gibt es halt aber auch vielleicht optische Sachen, quasi das Kelch- zu Stielverhältnis und so weiter, was dann eher von uns so ein Geschmacksding war.

Holger: Beim Glas ist ja auch der Anstellwinkel geschmackproduzierend. Markus, magst du eine Verkostungsnotiz mal zu dem Bier uns zur Verfügung stellen?

Markus: Also kann ich super gerne machen, vielleicht noch ein Satz dazu. Ich habe 2014 ja damals das erste Buch so für alle Berliner Brauereien geschrieben und recherchiert und bin damals dem Andreas Bogk begegnet, der ja so einer der Pioniere der Wiederbelebung der Berliner Weisse war. Und mit dem lang drüber gesprochen, dass der am Anfang einfach das Problem hatte, dass er keinen Schaum auf das Bier bekommen hat, weil die modernen Malze dafür einfach zu gut waren. Und dann hat man eben immer mehr geschaut, wie war das denn früher? Und kam dann auf die Idee, Spitzmalz zu verwenden. Also nur ganz kurz vermälztes Getreide, wodurch dann eben der Schaumanteil wesentlich besser war und es jetzt eben so ein schön spritziges Getränk ist. Können wir vielleicht auch gleich nochmal drüber sprechen. Aber gut, vorher eine Verkostungsnotiz. Also wie bereits gesagt, eine wunderschöne rote Farbe, die mir da entgegen leuchtet. Der Schaum auch leicht rot getönt. Ich bin da völlig hin und weg, völlig begeistert, weil es auch so ein schönes Rubinrot ist. Also nicht so wie ein Ampelrot, sondern eben ein kleines bisschen dunkler, damit auch ein bisschen geheimnisvoll und sehr, sehr spannend. Und das Geheimnisvolle wird auch unterstützt dadurch, dass es so leicht trüb ist. Also so einen ganz leichten Schimmer hat es, wo man dann eben so ein bisschen den Blick verliert und dann so sich richtig auf das Bier freut. Wenn man da jetzt reinriecht, dann hat man sehr schön so eine leichte Sauerkirschnote und drunter liegen dann so Aromen, die man vom Sekt her kennt oder vielleicht auch, der Holger hat vorhin von Cidre gesprochen, von solchen Getränken. Das ist halt die Berliner Weisse, die da drunter liegt, so ein bisschen apfelig. Und dann kommt auch so ein bisschen der Steinton aus der Kirsche. Also insgesamt ein sehr dezentes, aber deutlich wahrnehmbares Kirscharoma und sehr spritzig. Also sehr angenehm so, dass man sagt: „Okay, das ist jetzt bestimmt ein spannender Punkt“, deswegen probiere ich es auch gleich.

Holger: Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe in der Nase echt krass Marzipan.

Markus: Ja, das ist der Steinton, der Bittermandelton, der aus den Kirschen kommt. Da können wir auch gleich noch drüber sprechen, inwieweit die Steine da mit drin sind oder nicht. Und im Mund habe ich dann dieses moussierende von der Kohlensäure sehr schön auf der Zunge. Klingt dann in so einer schönen angenehmen Fruchtsäure aus und dann bleibt wieder so die Kirsche und freut sich, dass sie da gewesen ist und sagt: „Trink mich doch nochmal.“ Also wirklich ein ganz, ganz schönes erfrischendes tolles Bier, wo ich mir auch gut vorstellen kann, dass das Leute einfach so statt Sekt zum Beispiel bei einem Sektempfang trinken und da richtig Spaß haben. Und auch nochmal anders als diese belgischen Kriek-Biere, die dann oft auch schwerer sind und noch so viel mehr Aromatiefe jetzt haben. Also das ist sehr viel fordernder. Hier habe ich einfach einen schönen leichten erfrischenden Trunk, der ja vielleicht auch für so Sommerangelegenheit, wo man die Weisse am liebsten vielleicht trinkt, am besten ist. Basti, vielleicht an dich die Frage, weil wir schon dabei waren, mit den Steinen. Wie macht ihr das mit den Kirschsteinen, sind die da dabei, kommen die eine Zeit rein oder wie macht ihr das?

Basti Oberwalder: Es sind ein paar mit drin, aber die bleiben auch die ganze Zeit mit drin, also solange eben das Bier zwischen Lagern und Abfüllen drauf liegt.

Markus: Für die Hörer als Info, da ist eben der Bittermandelton mit drin. Also eigentlich kommt das von Blausäure. Aber jetzt keine Angst, da müsste man auch sehr, sehr, sehr, sehr viel da reintun und trinken, um ein Problem damit zu haben. Aber das wandelt sich dann eben um in das, was wir als Bittermandelton empfinden und ist eigentlich ein sehr angenehmes marzipaniges Aroma. Kennt man vielleicht, wenn man schon mal einen Zwetschengenbrand oder sowas getrunken hat aus der Spirituosenecke, da wird das auch sehr gerne als Aroma eingesetzt.

Holger: Der Mann ist einfach unglaublich. Er erklärt das Thema Waldmeister, aber sagt nicht im ersten Stepp, was Steinton ist. Erst wenn ich sage Marzipan, dann kommt es raus. Naja, also auf jeden Fall sehr ausgewogen und ausbalanciert hinten raus auch nochmal. Also ist nicht zu süß und dann noch so ein schönes herbes Finale. Also, ich könnte mir das auch gut vorstellen, wie Markus grade gesagt hat, also ein Prosecco-Glas und dann glauben alle, dass das wirklich ein Prosecco ist. Also wäre ein tolles Aperitif-Bier auf einer Hochzeit zum Beispiel.

Basti Oberwalder: Wir nehmen auch, quasi um diese süß-sauren Kriek-Kirschen, möglichst nah ranzukommen, nehmen wir auch Sauer- und Süßkirschen und haben dann insgesamt 200 Gramm pro Liter da drin.

Markus: Sind die bei euch aus der Umgebung dann?

Basti Oberwalder: Im Moment noch nicht. Wir wollen auch, dass sie wirklich aus Werder immer kommen. Das Problem ist aber, da muss man quasi schon vorplanen, weil man ja seinen ganzen Jahresbedarf dann bei der Ernte braucht. Und so groß war es bis jetzt noch nicht. Wir haben ja die jetzt erst wieder seit einem Monat bei uns.

Markus: Stimmt.

Basti Oberwalder: Genau, dann haben wir die Hälfte Sauer-, Hälfte Süßkirschen da drin und ich glaube, das ist ganz gut. Und viele haben auch gesagt: „Das schmeckt gar nicht so doll nach Kirsche.“ Aber das liegt auch einfach, glaube ich, daran, das einfach nur dieses Aroma kennen, der Kirsche, was in ganz vielen Lebensmitteln drin ist auch oder in diesen aromatisierten Wassern. Das ist halt viel intensiver und auch anders als so ein richtiges Kirscharoma. Und ich finde es eigentlich ganz schön. Und was uns noch aufgefallen ist jetzt bei diesen ganz alten Weissen ist, dass das Kirscharoma komischerweise mit der Zeit, also in der Flasche, es immer wieder deutlicher wird. War auch bei der allerersten Charge so, dass es bei der Abfüllung gar nicht so stark nach Kirsche geschmeckt hat. Aber dann nach einem Jahr oder nach diesen zwei Jahren jetzt halt, war das unglaublich deutlich und richtig intensiv nach Kirsche. Wo wir auch nicht wussten, woran es liegt jetzt am Ende.

Holger: Also kommt eine Kirsch-Weisse in den Jahrgangskeller, neben die Eiche, Markus, oder?

Markus: Mindestens eine, also ich muss da schon ordentlich nachbestellen. Da steht ja schon die Eiche- und die Waldmeister-Weisse und die Himbeer-Weisse und dann muss da jetzt natürlich auch noch eine Kiste Kirsche dazu.

Holger: Also, Himbeer-Weisse ist doch ein gutes Stichwort. Basti, jetzt kommst du voll zur Geltung, du kannst jetzt das Thema Himbeer-Weisse erklären und gleichzeitig auch die Verkostung machen.

 

Die Himbeer Weisse

Basti Oberwalder: Gerne. Dann machen wir mal auf.

Markus: Ist immer ein schönes Geräusch, oder?

Holger: Ja.

Basti Oberwalder: Absolut, ich probiere es auch mal. Ah.

Markus: Besser als jedes Plopp.

Holger: Wir können ja einen BierTalk mal zusammenschneiden, 30 Minuten nur Kronkorken-, Bügelverschlüsse- oder Dosenlaschenziehen. Das wäre doch auch ein schönes Speziell.

Markus: Absolut, BierTalk ohne Talk.

Basti Oberwalder: Habt ihr schon eingeschenkt?

Holger: Ja.

Basti Oberwalder: Die Himbeer-Weisse kommt natürlich viel, viel heller als die Kirsch-Weisse im Glas. Eher so ein dunkles rosa anstatt ein rot, für mich. Der Schaum ist auch nicht ganz so rot bei der Kirsch-Weissen. Der hat nur eine ganz leichte Färbung. Bei der Kirsche fand ich ihn schon sehr rosa quasi, also hat eine richtig rötliche Färbung gehabt. Hier ist er nahezu weiß und eine ganz leichte rötliche Färbung. Natürlich hat man dann den Kirschenduft total vorne dran, äh die Himbeeren meine ich. Riecht auch wie so einer frischer Himbeerkorb. Wir haben da 150 Gramm Himbeeren auf einem Liter. Ja, wenn man dann probiert, es ist halt erstens viel saurer als die Kirsch-Weisse. Liegt aber daran, dass eben diese Frucht auch viel, viel mehr Säure mitbringt. War auch so, dass wir halt am Schluss auch nicht ganz wussten. Die Erste war auch ein bisschen sehr sauer geworden, was wir gemacht haben. Einfach, weil man das einfach nicht abschätzen konnte am Anfang, wie krass die Säure da von den Himbeeren auch ist. Liegt auch an der Sorte, die man bestellt. Natürlich gibt es auch ganz viele Himbeeruntersorten wieder, die auch unterschiedlich sauer und unterschiedlich süß sind. Haben jetzt aber eine richtig gute gefunden, die ganz gut zu unserer quasi Budike passt, um sie draufzulegen. Wir geben die dann auch wieder beim Schlauchen dazu. Das heißt, die Himbeeren gären auch mit. Das heißt, sie bringen auch keine Süße mit, sondern der Zucker der Frucht wird noch komplett mit vergoren, von der Hefe. Ja, ist sie halt auch sehr trocken und auch wieder sehr, sehr sektartig.

Markus: Ja, absolut.

Basti Oberwalder: Kann ich mir auch sehr gut quasi so als Zwischengetränk vorstellen und auch als Aperitif. Oder quasi auch wenn es heiß ist einfach draußen, weil, ist einfach angenehm mit den 3,5 Prozent, das ist halt nicht so stark. Es ist sauer, dadurch ist es auch sehr erfrischend. Es hat nicht so eine Malzschwere drin, weil es doch alles, wie gesagt, recht trocken ist. Das heißt, man trinkt es auch einfach. Und es ist so ein Geschmack, der dann im Mund kurz verweilt, aber man trinkt sehr schnell den nächsten Schluck einfach, weil man diesen Geschmack sofort wieder haben will.

Markus: Also was ich auch sehr schön finde ist, dass die Himbeere so in ihrer ganzen Komplexität rüberkommt. Also einmal das klassische Himbeerduftaroma, was man so kennt, aber dann eben auch, Himbeeren haben ja so ein bisschen kräutigen, minzigen Charakter mit drin. Und dadurch, dass das ja eigentlich gar keine Beere ist sondern eine Sammelsteinfrucht, hat eben jeder kleine Teil dieser Beere einen kleinen Kern, und der hat so einen nussiges Aroma. Und das, finde ich, kommt auch total schön rüber und dadurch ist das insgesamt eine sehr, sehr, komplexe Geschichte also, die zwar von der Himbeernote getragen wird, aber sehr viel abwechslungsreicher nochmal im Geschmack ist und damit auch so richtig Spaß macht, immer mehrt sich da ein bisschen rein zutrinken. Also ein ganz tolles Produkt. Und da, finde ich zum Beispiel, ist mir die Berliner Weisse lieber als die Framboise-Variante aus Belgien, weil die dann oft so einen überreifen Charakter bekommt und was mir nicht so gut schmeckt, und die Säure dann auch schnell in so einen Essigcharakter umschlägt. Und hier bleibt es einfach bei diesem frischen, fruchtigen, schön Angenehmen. Also wirklich tolles Bier, mag ich total gern. Kann ich verstehen, warum wir damals den Beer Star verliehen haben.

Holger: Also, was ich ja auch nochmal spannend finde zu erzählen, ist eben, dass die Grundlage ja die Budike-Weisse ist. Und dass das eben wirklich von Butik herkommt. Also dass das eben ein Begriff für die Schankstätten in Berlin war zu der Zeit, wo Napoleon eben auch da war. Und das finde ich auch nochmal toll, also dass ihr das auch irgendwie auch alles mit einbezieht. Also das man auch diese Bierhistorie, die Stadthistorie und so dieses ganze Thema auch vom Storytelling her, das produziert ja letzten Endes auch Geschmack. Das finde ich sehr schön, dass ihr das irgendwie mit verbindet. Das gefällt mir gut.

Basti Oberwalder: Ja, wir haben ja auch auf den Etiketten, haben wir immer eine Berliner Sehenswürdigkeit mit drauf. Das ist so an die 20er-Jahre gehalten, wo noch die Hochzeit der Berliner Weisse war. Und dann eben im Hintergrund immer noch, zum Beispiel auf der Kirsch-Weisse ist der Berliner Dom, bei der Himbeer-Weisse das Brandenburger Tor. Hier auf der Budike ist die Oberbaumbrücke. Wir haben immer eine Sehenswürdigkeit drauf. Und ich meine, wann hat man das denn so einfach und hat ein so klasse Produkt, was so regional ist und was trotzdem super Spannendes, weil man die Weissen so gut kombinieren kann, auch mit verschiedenen Kräutern. Das ist einfach super, ist eins der besten Produkte, die ich kenne. Und auch einmalig eigentlich auf der Welt.

Holger: Absolut.

Basti Oberwalder: Also quasi historisch gesehen einmalig.

Holger: Was ist denn das Schwerste? Also sind jetzt die beiden Himbeer- oder Kirsch-Weissen schwerer als das mit dem Thema Waldmeister oder würdest du sagen, nee, also für den Brauer ist doch die Waldmeister-Weisse die größte Herausforderung?

Basti Oberwalder: Ich würde sagen, die Budike ist die größte Herausforderung. Zwischen einem guten Sauerbier und dem Kotze-Geschmack ist es echt nicht groß, die Spanne. Man muss es genau treffen. Weil, wenn die Säure zu stark ist, ist es unangenehm. Man muss die richtigen Mikroorganismen finden. Grad auch bei uns, was viele immer sagen, dieses Apfelige. Das kommt bei uns auch vor allem durch die Brettanomyces -Hefe. Und man braucht einfach den richtigen Lacto, der das nicht zu sauer macht. Weil, dann ist es irgendwann nicht mehr angenehm zum Trinken. Vor allem, wenn es dann trocken wird, weil dann die Säure einfach so durchsticht, dass es, ich sage mal, den Zahnschmelz von den Zähnen wegschmilzt. Und da ist aber die größte Krux, einfach ein schön saures, wo auch diese süße Säure ausbalanciert ist, mit einer Brett, die bei uns eher in den Fruchtcharakter geht und nicht so in dieses Ziegenaroma. Das macht sie bei uns erst, wenn sie länger als ein halbes Jahr in der Flasche ist, dass sie das wirklich so wahrnehmbar produziert. Und die Auswahl der Mikroorganismen und auch die Pitching Rate, also in welchem Verhältnis man sie dazu gibt und wann, zu welchem Zeitpunkt. Das ist quasi wirklich das Schwierige, finde ich.

 

Der Geschmack der Wilden Hefen

Holger: Ja, okay. Also ich habe ja vorhin gesagt, mich erinnert das so ein bisschen an Cidre oder Apfelmost. Und wenn man sich jetzt vorstellt auch nochmal so Apfelsorten, dann haben ja die Apfelsorten auch so völlig verschiedene Säuren, die man wahrnehmen kann. Und so ein Boskoop-Apfel oder so, so in die Richtung geht das für mich irgendwie. Also da kann man auch nochmal so drauf abheben, an welche Apfelsorte erinnert das eigentlich? Und es ist dann nicht so ein Granny sondern eher so ein Boskoop, meine ich, also. Aber das ist jetzt vielleicht zu viel Sommelier-Geschwafel.

Basti Oberwalder: Da kann ich auch noch was zur Himbeer Weisse sagen, wir haben ja ein lebendes Produkt in der Flasche. Also wir pasteurisieren die ja nicht, sondern die Brett arbeitet ja weiter, wenn wir abgefüllt haben. Und auch bei der Himbeer-Weisse zum Beispiel ist es auch sehr speziell, also wenn sie frisch abgefüllt ist, dann hat sie noch diesen richtig krassen Fruchtcharakter und die Himbeer kommt viel, viel, weil da auch ein bisschen mehr Süße auch da ist, viel, viel fruchtiger rüber. Und je älter diese Himbeer-Weisse wird, umso mehr geht sie auch in diesen Weincharakter oder Sekt, Prosecco passt eigentlich ganz gut, dieses trockene, spritzige. Wo aber dann durch die Brett auch noch eben dann irgendwann auch diese Ziegenaromatik oder diese Pferdedecke kommt, die aber gar nicht so wahrnehmbar ist, sondern, weil sie sich in dieses Himbeeraroma noch so mit rein wirkt, aber die Himbeere viel, viel trockener wird. Aber, ich sage mal, sie wird komplexer, aber weniger intensiv da mit der Zeit.

 

Export in die USA

Markus: Also was mich noch interessiert ist, ihr habt ja, also das war praktisch der erste Schritt, überhaupt mal die Weisse zu entwickeln und zu kreieren. Was ja an sich schon ein jahrelanger Prozess war. Dann jetzt diese Weiterentwicklung mit den verschiedenen Früchten beziehungsweise Kräutern beziehungsweise dem Holzfass, was ja auch spannend war. Und jetzt habt ihr ja noch so einen dritten Schritt gemacht, denn ihr exportiert die Weisse ja auch. Und das ist, glaube ich, gar nicht so einfach. Also so ein lebendiges, mit Kohlensäure vollgeladenes Produkt über den Atlantik zu schippern. Wie funktioniert das denn? Wie kriegt man das hin, dass man das wirklich nach Amerika bekommt, sodass die auch Spaß dran haben?

Basti Oberwalder: Wir haben da einen Partner drüben, der das dann auf Dosen füllt, also das gibt es in Amerika nur in der Dose. Und wir behandeln die quasi einfach nur ein bisschen anders. Das wir quasi davon ausgehen können, dass in der Dose das nicht mehr unkontrolliert nachgärt. Und wir pasteurisieren die auch nicht, die ist trotzdem lebend. Wir spunden die anders und so weiter, dass sie quasi in der Dose auch dann, wenn sie drüben ist, genau die richtige Menge Kohlensäure und so hat. Da kommt dann ein Container, wie ein Schiffcontainer. Der ist dann quasi nur das Gestell, der Rahmen und innen drin liegt dann ein Tank, mit Kühlaggregat und allem. Und der wird dann quasi befüllt. Und der füllt dann drüben aus diesem Tank, füllt er dann die Dosen bei sich in Amerika erst. Aber das Bier ist dann kalt. Das heißt, das macht auch nix während der Fahrt, das ist quasi eingefroren. Und in der Dose dann quasi geht es dann erst weiter. Quasi wie, wenn wir es hier füllen würden.

Holger: Ja, das ist wirklich spannend. Also da kann man dann auch mal sehen, dass dann so ein Bier auch verständlicher maßen da drüben treuer ist als hier, weil es einfach auch viel, viel Aufwand bedeutet, dass in der Qualität dann eben in anderen Märkten auch zu präsentieren. Ja, Wahnsinn. Mensch, das war doch ein ganz toller, spannender BierTalk und nur über die Berliner Weisse. Aber jetzt so ganz zum Schluss über das Bier hinaus, gibt es bei Lemke noch andere Neuigkeiten, die wir unserer Gemeinde unbedingt erzählen müssen?

 

Das Brauhaus Lemke in neuem Gewand

Basti Oberwalder: Ja, wir sind grad in so einem kleinen Umbruch auch mit unseren Gaststätten. Wir haben ja hier das Lemke am Hackeschen Markt, was ja das Ursprungs-Lemke war. Dann am Alexanderplatz dann das große Brauhaus und am Schloss nochmal das alte Luisenbräu, was jetzt von uns betrieben wird seit 2003. Und haben wir jetzt so gedacht, dass wir auch das Konzept einfach vom Essen ändern. Dass wir quasi das Brauhaus am Hackescher Markt dann so ein Wirtshaus machen. Also wo wirklich dann, wenn man reinkommt, diese klassischen Wirtshausessen, also Haxe, Gulasch und so weiter. Das am Alex einfach moderner machen. Das ist ja eh schon, wenn jemand schon mal da war, unten sehr, sehr nach einer Craftbier-Bar auch ummodelliert worden, 2017. hat aber trotzdem noch dieses, sagen wir mal, eher klassische Speisenangebot. Und da wollen wir einfach auch ein bisschen mit moderner Küche dann auch kommen. Oben soll noch ein Coworking-Space kommen, dass man quasi dort auch arbeiten kann in Ruhe. Oben ist ja auch den ganzen Tag über eher ruhig, bis die Gäste, wenn überhaupt, abends dann kommen. Und am Schloss eben dann auch so eine Schankhalle machen wollen. Dieses Schloss ist ja sehr, sehr, sage ich mal, auch Altberlinerisch eingerichtet, mit langen Holzbänken, Vertäfelungen an den Wänden und mit dem alten Kupfersudhaus. Und da kommt dann auch nochmal mit den Gästen, die dort kommen, angepasste Speisekarten.

Holger: Toll, dass ihr immer wieder euch neu erfindet und aus dem Alex, dann aus dem Brauhaus, das Bierhaus macht. Also, Wahnsinn.

Basti Oberwalder: Ja.

Holger: Mensch, Markus, wir waren schon zu lange nicht mehr in Berlin, wir müssen da wieder hin.

Markus: Auf jeden Fall, die Sehnsucht wächst. Und das Schöne ist ja immer, wenn ich vorbeikomme, hat der Basti irgendein besonderes Fläschchen aus seinem Keller, was er mir dann gibt oder wir zusammen probieren. Und da freue ich mich am allermeisten drauf, weil, das war bisher immer ein absoluter Hochgenuss. Ziemlich egal, was er mir gegeben hat. Wobei, am meisten in Erinnerung ist mir eine Lemke Empirial Stout aus dem Rumfass geblieben, was wirklich immer noch bei mir so ein bisschen geschmacklich verankert ist. Also da schon mal im Voraus und im Nachhinein, wie auch immer, vielen Dank. Und ich freue mich, dass wir uns dann möglichst bald wiedersehen, vielleicht dann einfach auch mal zu dritt deine Schätzchen erkunden. Da freue ich mich schon sehr drauf. Und, ja, vielen Dank heute für die Zeit.

Basti Oberwalder: Bitte, bitte. Ich habe auch ein Haufen Neues nochmal da. Wenn man am Ball bleibt, man kann sich bestimmt innerhalb des nächsten Jahres ganz schön viel freuen, dass wir noch im Bereich Berliner Weisse auch was Neues rausbringen.

Holger: Also, das ist doch ein super Schlusswort und macht Lust, den dritten Lemke-BierTalk irgendwie auch noch in Angriff zu nehmen.

Markus: Das machen wir, sehr coole Sache. Also, euch alles Gute, bis dahin. Vielen, vielen Dank, danke für die Zeit und war ein schöner BierTalk wieder mal.

Basti Oberwalder: Fand ich auch, war schön.

Holger: Ja, tschüss,

Basti Oberwalder: Servus.

Markus: Tschau.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 38 – Interview mit Dr. Marc Rauschmann, Geschäftsführer „Internationale Brau-Manufacturen GmbH“, aus Frankfurt

Ein BierTalk als Geburtstagsgeschenk – immerhin feiert das „Baby“ von Marc Rauschmann, Braufactum, 2020 seinen zehnten Geburtstag! Mit Leib und Seele Brauer und Brauingenieur, zählt der Frankfurter zu den Protagonisten der „Craft-Bier-Szene“, auch wenn sein Projekt nicht ganz unumstritten war. Schließlich gehört sein Label zur Radeberger Gruppe, der größten Brauereigruppe des Landes mit Marken wie Jever, Tucher und Schöfferhofer. Was vielen Bier-Geeks als kleiner Fluch anmutete, war für Marc Rauschmann eher ein Segen, denn so konnte er sein Projekt von Beginn an professionell durchziehen, inklusive Design, Gläsern und den berühmten Kühlschränken, die in ganz Deutschland zu finden sind. Doch nach zehn Jahren stellte sich auch eine gewisse Ernüchterung ein, und deutliche Restrukturierungen stehen an. Im BierTalk schauen wir mit fünf Bieren zurück in die Braufactum-Geschichte und lernen den Menschen Marc Rauschmann richtig gut kennen…

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Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum 38. BierTalk! Und wieder, schon wieder etwas ganz Besonderes, unser Gast Dr. Marc Rauschmann von Braufactum. Braufactum steht für brillante Meisterwerke deutscher Braukunst, und es ist ein riesiges Sortiment individueller Craftbiere. Ihr kennt die Kühlschränke, aber ihr kennt sicher auch die Produkte. Am Mikrofon ist der Holger und wie immer …

Markus: … der Markus.

Holger: So, lieber Marc, schön, dass du da bist. Zu Anfang machen wir es eigentlich immer so, dass der Gast sich vorstellt. Sag doch mal, wer bist du, was macht dich aus?

Dr. Marc Rauschmann: Ja, Marc Rauschmann, ich bin Geschäftsführer, Mitgründer mit meinen Kollegen von Braufactum. Wir sind ja zehn Jahre jetzt im Markt, Wahnsinn, wie die Zeit dahinrennt. Es ist fast noch, als wäre es gestern gewesen, als wir losgelaufen sind, uns das Thema Craftbier in mehreren Ländern angeschaut haben. Wenn man so zurückblickt jetzt nach zehn Jahren, was alles passiert ist, ist das schon irre. Jetzt, wie gesagt, sind wir zehn Jahre im Markt, haben viel erlebt, gucken nach vorne. Und ich selber, ich habe selber Heimbrauen angefangen, Jahre her, mit der Hobbythek mit Jean Pütz, erste Brauanleitung, so ging’s los. Und so hatte ich dann den Spaß an diesem tollen am Ende Beruf bekommen.

Holger: Bei Braufactum, du sagst es ja, zehn Jahre, jetzt habt ihr schon auch eigene Gastronomie in Berlin zum Beispiel. Ihr habt, ich weiß, kenne gar nicht die Zahl, ich habe mal gehört, 600 Kühlschränke in verschiedenen Supermärkten über die ganze Bundesrepublik verteilt. Wo steht Braufactum nach den zehn Jahren und ist es so, wie ihr euch das vorgestellt habt, oder sogar noch besser? Wie ist die Lage?

Dr. Marc Rauschmann: Gut, allein darüber könnte man jetzt den halben Tag reden. Im Prinzip ja, du sagtest, unsere Gastronomie-Objekte, die beiden in Berlin, die wir zusammen mit einem Gastronomie-Partner mit guten Freunden betreiben, natürlich auch durch Corona gekennzeichnet, aber jetzt wieder mit wachsenden Zahlen. Und ja, ich sagte es, Corona betrifft uns natürlich alle, und von daher hat Corona vieles, was sich vielleicht vorher auch abgezeichnet hat, sicherlich so teilweise auch wie ein Brennglas beschleunigt. Da komme ich vielleicht später noch mal drauf. Ansonsten, wo wir auch gerne hinschauen, ist Exportmarkt, auch dort haben wir gute Absätze in Russland, Italien, USA vornedran. Insgesamt verkaufen wir in 20 Ländern. Aber auch da, ich sagte ja, die Länder, kann man sich vorstellen, dass auch das Thema Corona davor nicht Halt macht und wir natürlich hoffen, dass das Geschäft möglichst schnell auch dort wieder in ähnliche Regionen kommt. In Deutschland wiederum neben unseren eigenen Objekten die Gastronomie, die wir seit einigen Jahren nicht nur mit Flaschen, sondern auch mit Fassbieren bedienen, auch spannend. Und zwar gar nicht mal so sehr nur in Richtung der Craftbier-Konzepte, die ist natürlich wichtig, da gibt’s zum Glück auch immer mehr, die neue Konsumenten zum Bier bringen. Viel spannender ist eigentlich noch, dass wir mehr und mehr Objekte gewinnen, ich sag mal, klassische, moderne Gastronomie, in der nicht mehr wie früher zwei, drei Hähne, sondern vielleicht jetzt fünf, sechs Hähne sind. Davon sind nicht fünf Craftbier, aber einer, zwei. Und so bringen wir den, sage ich mal, klassischen Bierkonsumenten, der aufgeschlossen ist, mehr und mehr zum Thema Craftbier. Und das ist eigentlich das, was die spannendste Entwicklung ist, weil wir seit langer Zeit jetzt schon versuchen, gesamt eigentlich Craftbier mit anderen Brauern aus dieser Nische zu bringen, nicht mehr nur für die Bier- oder Craftbier-Liebhaber, die langsam wachsen, aber natürlich auch immer so eine Nische bleiben, sondern Craftbier mehr und mehr für den klassischen Bierkonsumenten spannend zu machen mit auch nicht zu komplizierten Sorten, damit wir ihn auch mitnehmen und nicht erschrecken. Und dann ist natürlich wichtig, dass er die Biere, die er in der Gastronomie trinkt, auch im Handel kaufen kann beziehungsweise umgekehrt, die eher im Handel kaufen kann, in der Gastronomie sieht. Und diese Vernetzung, die gab es in der Vergangenheit ja nur bedingt, weil erst war der Handel sehr stark, jetzt kam die Gastronomie stärker dazu. Der Handel hatte vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch übers Ziel hinausgeschossen, Meter um Meter Craftbier-Regale gebaut, baut jetzt wieder zurück und wird sich auf ein vernünftiges Maß einpendeln. Und dann, wie gesagt, parallel Gastronomie, Handel, auf einem niedrigeren Niveau. Das ist aber gut, weniger ist da mehr, weil der Konsument ist sicherlich zum Teil auch überfordert gewesen. Und so stehen wir, denke ich, mal, nach zehn Jahren an einem realistischen Punkt. Man hat jetzt praktisch so die Linie gefunden, wo man ausreichende Vielfalt hat, Konsumenten auch im klassischen Bierbereich gewinnen kann. Und ich glaube, so gucken wir ganz zuversichtlich in die Zukunft. Und ich glaube, diese Vernetzung, Gastronomie und Handel, ist das, was uns jetzt mehr noch beschäftigen wird und was einfach extrem wichtig ist für die nächsten zehn Jahre.

Holger: Vielen Dank, Marc! Also weniger ist mehr ist ein gutes Stichwort. Es stehen fünf Biere vor mir mit unglaublichen Namen, wie Progusta oder Yakeros oder Barrel 1, und auch noch andere. Wir würden natürlich auch gerne mit dir einen halben Tag diskutieren, aber wir haben uns für dieses Format einfach vorgenommen, so um 30 Minuten zu bleiben. Wenn wir jetzt fünf Biere noch besprechen wollen, dann sollten wir langsam das erste öffnen. Markus, was sagst du denn dazu? Was wäre dir das liebste für den Anfang?

Markus: Das ist gar nicht so leicht, weil ich sie fast alle zumindest kenne und zu vielen auch wirklich eine persönliche Beziehung habe. Aber ich glaube so, um des lieben Trinkens willen sozusagen müsste man vielleicht mit dem Pale Ale anfangen, weil es einfach eine schöne Basis ist und vielleicht auch ein guter Einstieg in unseren Talk.

Holger: Das mache ich jetzt sofort, also die Dose.

Markus: Das kriege ich auch hin. Moment!

Dr. Marc Rauschmann: Das klingt doch schon mal gut.

Markus: Wunderbar, wie das so im Glas steht. Ein herrlicher Anblick, oder Holger?

Holger: Unbedingt! Bei mir ist es auch ein herrlicher Anblick. Ein sehr schöner feinporiger Schaum und so eine leichte Trübung und so eine schöne Farbe auch. Und wenn man da so reinriecht, dann ist das fruchtige Potenzial des schönen Hopfens, der da drinsteckt, auf jeden Fall wunderbar wahrzunehmen. Ich würde jetzt mal einen kleinen Schluck trinken. Und das ist eben ein ganz tolles Pale Ale, was seinem Bierstil alle Ehre macht. Also so in der Nase haben wir halt die süßen Früchte, so ein bisschen die Mandarine sticht bei mir heraus. Aber im Trunk dann doch eher schlank, so süßlich fruchtig, aber eben dann doch diese ausgewogenen Bitternoten, die dann auch im Nachtrunk so ein ganz trockenes Mundgefühl machen, um den zweiten Schluck eben zu sich zu nehmen. Das werde ich jetzt auch tun. Prost!

Markus: Also Prost! Genau. Ich habe auch so ein bisschen diese harzigen Noten in der Nase und da im Geschmack stimme ich dir voll zu, also dieses Fruchtige geht für mich auch so in Richtung Mandarine, also sehr, sehr schön, der Callista Hopfen, also tolles Pale Ale auf jeden Fall. Vielleicht an der Stelle, das ist ja jetzt eher ein moderneres Produkt aus eurer Range und auch von der Dose her jetzt eher modern. Bevor wir dazu kommen, würde ich vielleicht noch mal ganz kurz an den Anfang gucken. Also wenn wir denken, vor zehn Jahren, in Deutschland gab‘s 99 das erste Craftbier, 2007 war die Hopfenweisse am Start und dann kommt ihr. Wie ist das denn so? Also von vielen wirst du auch so ein bisschen als einer der Protagonisten der ganzen Szene ein bisschen gefeiert. Wie war das damals vor zehn Jahren, und ist das eher ein Rucksack oder eher eine Ehre, die man so mit sich trägt?

Dr. Marc Rauschmann: Sicherlich beides. Ich meine, 2010 auch, man muss ja sagen, auch wenn der eine oder andere im Markt war, war das natürlich so der Startschuss, zu dem dann die Biere plötzlich auch mit den Kühlschränken im Handel zu sehen waren. Da kommen wir nachher noch auf das Progusta als IPA. Das Verrückte war ja damals, dass nicht nur Craftbier als Begriff nicht bekannt war, kann man ja darüber streiten, wie man es nennt, aber die ganzen Stile, dass man IPA, Pale Ale, Scotch Ale, wie die alle heißen, dass man die in Deutschland nicht kannte, war damals schon sehr ungewöhnlich. Und es war natürlich eine extreme Spannung zu sagen, wir bringen in den klassischen deutschen Biermarkt etwas, was Deutschland als Bierland nicht kennt, und gleich so viele auf einmal. Das war natürlich spannend, ist natürlich gleichzeitig eine Belastung, nein, würde ich nicht sagen, es ist eigentlich Freude, ein solches Thema in den deutschen Markt gebracht zu haben, und am Ende auch viele Einflüsse, die man heute sieht, mit den anderen der Branche in den klassischen Biermarkt gebracht zu haben. Nicht alles findet sich im Craftbier-Markt wieder, sondern man sieht ja auch, dass es den klassischen Biermarkt und die Art und Weise, wie Bier inzwischen auch gelebt wird, wie wir so einen Podcast machen über Bier, all das war vor zehn Jahren in der Form auch nicht da.

Holger: So ist es. Da hat sich viel getan. Und trotzdem sind wir auch in so einer Konsolidierungsphase. Du hast es ja vorhin schon beschrieben, also die Regale wurden voll und voller, es war schon fast unübersichtlich, und jetzt trennt sich auch so ein bisschen die Spreu vom Weizen. Das muss man ganz klar sagen. Und da ist dann auch die Frage, wie es dazu, so ein Blick in die Zukunft, Marc, also wie erwartest du, wie sich der deutsche Craftbier-Markt jetzt weiterentwickelt?

Dr. Marc Rauschmann: Im Prinzip konsolidiert sich der in zwei Richtungen. Wenn ich jetzt noch mal zurückblicke, dann würden wir heute eins anders machen, das haben wir gelernt. Und zwar würden wir die Konsumenten etwas behutsamer mitnehmen. Wir waren so begeistert von Sauerbieren, von Double IPAs, von den Fassgelagerten, dass wir das gleich alles auf einmal bei uns in den Kühlschrank gestellt haben und andere ja auch mit den Bieren gewonnen haben. Und man muss ja sagen so rückblickend, wenn ich mir andere Länder anschaue, nehmen wir USA, auch wenn ich die nicht immer zitieren möchte, weil vieles anders ist, aber dort war Sierra Nevada Pale Ale oder Anchor Steam, so zwei Beispiele, das waren Biere, die weg waren von dem, was der Amerikaner als Bier kannte, aber er hat keinen vor den Kopf gestoßen. Die extremeren Biere haben sich ja später entwickelt. Und da hat der Konsument sich mitentwickelt. Und wir haben den Konsumenten gleich damit vor den Kopf gestoßen. Das ist schön für die Bier-Nerds, aber für den klassischen Konsumenten, wenn der dann gleich eine Geuze gegriffen hat, dann war er dem Craftbier auch schon wieder verloren. Und von daher geht der Trend einmal sicherlich zu etwas leichter trinkbaren, aber immer noch natürlich spannenden Craftbieren und hopfenaromatischen Bieren. Und das Zweite ist, dass jemand, der jetzt gerade mal sein IPA gefunden hat und Spaß dran hatte, weil es ein gutes war, der vielleicht eine Marke jetzt mal kennt oder eine zweite, der braucht im Handel nicht jede Woche eine andere Marke, wo er dann, wenn er Pech hat, noch auf eins trifft, das vielleicht nicht ganz so den Ansprüchen genügt. Da gibt’s ja auch genug. Also man konnte ihn doppelt vor den Kopf stoßen, qualitativ oder aber auch von Bierstilen, die ihn überfordert haben. Und so wird sich das im Handel auch konsolidieren, weil natürlich das Angebot an Marken, an Sorten, viel stärker gewachsen ist als die Menge, die dann auch verkauft wurde. Und so viele Anbieter dürfen mit den Absätzen eigentlich nicht unbedingt glücklich sein und das wird zurückgebaut. Und von daher werden wir ähnlich wie es in den USA ja auch nach der ersten kleineren Welle war, mit weniger Brauereien und Marken und Sorten unterwegs sein im Handel. Und das ist auch gesund so. Und dann wird sich das weiter positiv entwickeln, und dann kommen wieder neue dazu. Aber es wird dieser Hype und dass jeder meint, jetzt auch Craftbier machen zu müssen, das ist zum Glück ein bisschen nicht mehr so schlimm.

Holger: Aber auf jeden Fall hat es dazu geführt, dass man insgesamt, also egal wer jetzt welche Produkte im Biermarkt anbietet, ganz anders eben über das Bier sprechen kann. Und das, glaube ich, hat die Craftbier-Bewegung schon nachhaltig verändert. So, jetzt gehen wir zum nächsten Bier. Was nehmen wir denn da? Also Progusta oder Yakeros? Marc, jetzt darfst du mal entscheiden.

Dr. Marc Rauschmann: Progusta ist jetzt auf jeden Fall das wichtige.

Holger: Also den Protagonisten Progusta.

Dr. Marc Rauschmann: Genau. Ich gehe mal an den Zapfhahn, ihr macht mal die Flasche auf.

Holger: Ah, so dekadent, so dekadent.

Markus: Das möchte ich auch mal haben, zu Hause meinen eigenen Zapfhahn. Wahnsinn!

Holger: Deshalb, wenn man innerhalb eines Konzerns in einer Teilstreitkraft Geschäftsführer ist, Markus, dann sind solche Dinge selbstverständlicher. Also wir kleines Fußvolk.

Markus: Naja, wenn wir mal in 50 Jahren auch so einen Konzern haben, dann schauen wir mal. Die Farbe finde ich ja wunderschön. Das ist ja, ach, so ein, wie soll man sagen, so ein Mahagoni ist es nicht, eichenbraun, rotbraun.

Holger: Versuch’s mit Bernstein, das passt immer.

Markus: Ja, Bernstein ist ja immer richtig.

Holger: Das passt immer.

Markus: Waldhonig vielleicht. Naja, wie auch immer, also auf jeden Fall ein wunderschöner verführerischer Rotbraun-Ton, der mir total gut gefällt. Der Schaum ist auch leicht beige. Das sind halt so richtig schöne, hopfige harzige Töne. Also auch jetzt nicht so überbordend fruchtig, wie das oft bei den Hazy IPAs jetzt mittlerweile so ist, sondern einfach wirklich klassisch schön harzig, ein bisschen Citrus, ein bisschen Aprikose, aber sehr erfrischend. Probieren wir mal. Mmh, ja, also das setzt sich fort. Auch wieder sehr erfrischend, geht sehr schöner Antrunk, dann kommt so ein bisschen der Körper des Bieres, ein bisschen Honig und dann kommt der Hopfen, vor allem mit seiner Bittere. Das schleicht sich so von rechts und links in die Zunge hinein und dann füllt es die ganze Zunge aus und klingt dann aber wieder schön aus. Also ganz schön. Und das ist ja überhaupt so ein bisschen für mich der Punkt, eure Biere sind halt so eine Bank. Also wenn ich weiß, ich mache eine Verkostung und ich muss irgendwas mitnehmen, da weiß ich einfach, die sind sauber, die entsprechen den Stilen, das kann man präsentieren. Und das hat man hier auch wieder, ein ganz tolles IPA. Und wie der Holger schon gesagt hat, euer Vorzeige-Bier.

Holger: Absolut! Es ist auf jeden Fall ein sehr ausgezeichnetes Bier. Also es hat auch viele Auszeichnungen. Man kann das doppeldeutig sehen. Ich finde halt auch wirklich unglaublich toll, diese sanfte Süße und die ausgewogene Bitterkeit, die da ist. Und so ein bisschen Aprikose, aber dann hinten raus eben so richtig Gewürze. Ich weiß nicht so genau, welche Gewürze, aber das produziert auch noch mal so einen unglaublich spannenden komplexen Nachtrunk. Das finde ich wirklich gut. Und da könnte ich mir jetzt wahnsinnig gut orientalische Gerichte vorstellen, so was Indisches vielleicht schwebt mir da vor. Also so in die Richtung geht das. Progusta ist doch eine Bank, oder Marc? Das ist schon so, oder?

Dr. Marc Rauschmann: Gut, ist ja mit Abstand unser wichtigstes Produkt, was wir auch im Export sehr stark haben. In Deutschland die stärkste Sorte, aber auch gerade im Export. Und das Spannende ist ja, dass wir es zum Beispiel auch gerade in den USA sehr stark verkaufen, wo man denkt, wieso IPA nach USA? Aber die Erklärung ist eigentlich, dass es diese Ausgewogenheit hat und viele Amerikaner, die sagen, ah, nur kein IPA, die sagen, oh, das ist aber lecker. Weil das nicht so übertrieben ist, weil es so ein bisschen The German Way of Craft, also praktisch so die deutsche Art, Bierqualität, die Ausgewogenheit. Und das, was ihr beschrieben habt, war ja vor, 2010 haben wir das erste Mal gebraut, so die Art, wie wir auch IPA in den USA verstanden haben. Also praktisch so einen süßen Körper, etwas Vollmundigkeit, ein bisschen malzige Noten, um das ausgewogen zu machen. Und interessanterweise, wenn man heute nach USA geht, heute vielleicht nicht mit Corona, aber noch letztes Jahr, dann ist es so, dass sich der Stil dort ja komplett verändert hat. Also dort findet man fast kein IPA mehr mit diesem Körper und der malzigen Note, die sind alle viel heller geworden, die Bittere ist auch runter. Also die sind praktisch mit dem Stil eigentlich jetzt auch in so eine leichtere Trinkbarkeit gegangen. Und im Prinzip haben wir das mit Progusta fast schon vorweggenommen, aber immer noch diese malzige Note. Und das Spannende weiterhin ist, dass man damit eigentlich alle aufgeschlossenen Konsumenten und Konsumentinnen vor allem erwischt. Also Leute, die eigentlich kein Bier trinken, viele Frauen sagen, oh, das ist aber lecker, spannend, diese fruchtigen Noten, die Herren der Schöpfung genauso. Es ist nicht zu weit weg vom Pils, von der Bittere was erkennt. Also dunkle Biere sind manchmal eher schon so ein bisschen in so einer Spezialitäten-Nische. Mit dem Bier erwischt man sowohl die klassischen Biertrinker in Deutschland als auch neue Konsumenten. Und das passt natürlich auch zu supervielen Speisen, muss man sagen. Also ob man jetzt ein Barbecue macht oder ob man irgendwie ein Thunfisch-Carpaccio hat oder einfach vorneweg zum Aperitif, ein sehr, sehr vielfältig einsetzbares Bier.

Holger: Ja, sehr gut. Du hast recht, also mit diesem Malzkörper. Wir hatten gestern Abend noch beim Online-Biersommelier-Kus das Sierra Nevada Torpedo. Und das hat ja auch noch immer diesen wirklich ausgeprägten Malzkörper, also so die IPAs der ersten Stunde in der amerikanischen Craftbier-Szene. Da hat sich jetzt einiges verändert, auf jeden Fall. Was uns fast schon zum Yakeros führt. Es sei denn Markus, du hast noch weitere Fragen an den Marc?

Markus: Ja. Ja, ja. An dieser Stelle würde ich schon noch …

Holger: Ich hab’s mir ja gedacht. Ich hab’s mir ja gedacht. Das ist ja immer so, also auf der einen Seite macht er mich dann rund, wenn wir mit der Zeit nicht klarkommen und auf der anderen Seite fragt der Typ die Menschen immer Löcher in den Bauch. Aber bitte, bitte, bitte, ich habe ja noch Bier. Also …

Markus: Eben, wir haben genügend Bier, wir haben Zeit. Nein, aber was ich wichtig finde, als ich das kennengelernt habe, ist jetzt auch gut zehn Jahre her, da war das ja noch in so einer großen 0,75er Flasche, und jetzt haben wir hier die kleine Flasche und wir hatten vorhin beim Pale Ale die Dose. Das würde mich auch interessieren, also wie habt ihr am Anfang überlegt, in welches Gebinde ihr eure Biere packt und wie hat sich das so entwickelt über die kleine Flasche bis zur Dose?

Dr. Marc Rauschmann: Gute Frage. Als wir angefangen haben, wir hatten ja in Italien diese schönen großen Flaschen gesehen, aus Italien kamen ja auch unsere großen, wir haben in USA auch damals die großen 0,65 gesehen, in Belgien, und es war vor zehn Jahren in vielen Ländern auch so, dass das Thema Craftbier ja gerne mehr zelebriert und auch in großen Flaschen verkauft wurde. Und das war für uns der Anlass zu sagen, ja, das machen wir auch so. Wir konnten uns jetzt keine Mehrwegflasche am Anfang vorstellen und wollten auch eher im Handel dort sein, wo man Wein-Fachverkäufer, Spezialisten hat, die dann nicht nur Wein, sondern auch andere Getränke verkaufen können und den Menschen einfach etwas über diese Biere erzählen, die die Leute ja gar nicht kennen. Also wir wollten dorthin, wo man Beratung hat. Und das hat auch gut funktioniert in den ersten Jahren. Es hat sich dann rausgestellt, wir dachten ja, auch gerade die große Flasche schön für die Gastronomie, man kann es teilen, aber die Konsumenten, die ja das Bier gar nicht kannten, wollten lieber kleinere Flaschen, um mal zu probieren und nicht gleich eine große nehmen von etwas, was sie gar nicht kannten. Von daher hat das in der Gastronomie leider nicht funktioniert. So sind wir dann auf die kleinen Flaschen gekommen. Zudem war das natürlich sehr aufwendig, die großen Flaschen haben wir in einer Sektmanufaktur abgefüllt, und das war auf Dauer dann auch viel zu aufwendig. Und wir haben dann sehr viel Freude und Gefallen an den amerikanischen kleinen und auch großen Flaschen, also 0,355 und 0,65 gefunden, sodass das die nächste Stufe war. Und die hatten wir dann die nächsten Jahre im Einsatz, mussten jetzt aber erkennen, dass letztendlich Einwegflaschen in Deutschland am Ende nicht mehr zu verkaufen sind. Und dass auch der ganze Weg der Rücknahme und des Reinverkaufens mit dem Einwegpfand, die Bereitschaft, das noch zu machen, war im Handel nicht mehr da. Und von daher sind wir mit allen Themen, also sowohl mit den Flaschen als auch mit den Distributionswegen mehr und mehr jetzt in Richtung der klassischen bekannten Wege und auch Gebinde gegangen, weil das sonst einfach für alle in dieser Stufe zu kompliziert ist und sie, wenn sie schon neue Produkte verkaufen, aber keine Lust haben, alles anders zu haben. Das muss jetzt ein bisschen einfacher sein. Und wir haben dann jetzt deswegen gesagt, wir gehen auf Mehrweg, und ich muss sagen, mit der ganzen Ausstattung sind wir auch sehr glücklich. Also wir haben uns wirklich schwergetan, von der 0,355 wegzukommen, aber wenn wir jetzt auch mit dem Halsetikett das sehen und wir freuen uns richtig, wie die Flaschen aussehen, und das ist natürlich um Längen einfacher und für die ganzen Partner einfacher das dann zu händeln. Und deswegen sind wir jetzt bei der Mehrwegflasche gelandet. Und der Markt hat sich aber in zehn Jahren auch verändert. Also das wäre damals schwer möglich gewesen, weil es keiner verstanden hätte, und nachdem aber jetzt Craftbier auch diese zehn Jahre gegangen ist und man schon diese Spezialitäten, die Bekanntheit erreicht hat, finden die Konsumenten das jetzt auch in den klassischen Bierregalen und kommen damit zurecht. Also ich glaube, das war gut, so gestartet zu haben, und ist richtig jetzt, dort in den klassischen Mehrweggebinden und in dem Regal zu stehen.

Markus: Aber ist dann die Dose jetzt auch noch so ein Zukunftsmodell? Also es wird ja immer mehr jetzt auch wieder.

Dr. Marc Rauschmann: Ja, die Dose war natürlich ein spezielles Projekt, die Dose einfach das beste Gebinde, weil es ein kleines Fass ist. Das wisst ihr ja, es kommt kein Sauerstoff rein, qualitativ unschlagbar, und deswegen haben wir vor, ich glaube, drei Jahren jetzt mal gesagt, oder zwei Jahren, wir machen jetzt zwei in der Dose. Das ist auf jeden Fall ein Zukunftsgebinde. Wir werden jetzt nächstes Jahr eine kleine Pause machen in Deutschland damit, weil wir das German Pale Ale in die Flasche bringen, das wird eines unserer drei Fokus-Produkte sein, und dann in der Flasche an den Start gehen ab Anfang des Jahres. Sodass wir in Deutschland jetzt erst mal mit der Dose aussetzen, nicht weil wir nicht überzeugt wären davon, sondern weil wir uns jetzt grad, was ich vorhin sagte, auch mehr fokussieren und lieber in mehr Märkten mit den Fokus-Sorten am Start sind, als uns in wenigen mit zu viel zu verzetteln. Progusta Dose beispielsweise, die wir in Deutschland nicht hatten, ist aber eine unserer stärksten Artikel, den wir zum Beispiel als Hauptartikel in Russland sehr gut verkaufen, aber auch in anderen Ländern.

Markus: So! Holger, jetzt darfst du das nächste Bier.

Holger: Ach, keine Fragen mehr? Das ist ja …

Markus: Ja doch, aber wir haben ja noch ein paar Bierchen, da kann man immer noch fragen.

Holger: Also dann Yakeros. Yakeros, das Yakima Valley die Inspiration zu dem Bier, West Coast India Pale Ale als Stil. Das machen wir jetzt mal auf.

Markus: Yo! Auf geht’s. Das ist ja ein Bier, zu dem ich eine sehr enge Beziehung habe, weil wir ja gemeinsam im Yakima Valley waren, Marc, als ihr das dann auch kreiert habt oder als es in euren Köpfen vielleicht so nach und nach entstanden ist. Und ich muss sagen, das hat mich damals sehr beeindruckt, einfach die Dimension dieser Hopfenbauern dort und auch die Professionalität, mit der sie arbeiten. Und letzten Endes auch einfach diese Bierqualität, weil das was ist, was ich wirklich aus Deutschland so nicht gekannt habe. Also diese IPAs, die praktisch frisch von der Farm gebraut in meinem Glas gelandet sind, sowas, glaube ich, gibt’s in ganz Europa zumindest noch nicht. Und das war wirklich eine ganz eindrucksvolle Sache. Und vielleicht war auch das ein bisschen was, was euch zu diesem Bier inspiriert hat. Aber vielleicht lassen wir den Holger vorher das Bier kurz verkosten, sonst dauert’s ihm wieder zu lang.

Holger: Du bist wieder sehr lustig. Zunächst einmal Prost!

Markus: Ja, Prost!

Holger: Es kann ja sein, dass Hörer das einfach mitmachen und sich denken, um Gottes willen, um Gottes willen, also ich möchte so gern, ich möchte so gern. Ihr dürft jetzt, ich erlöse euch. Prost!

Markus: Willst du zu deiner Erlösung noch was sagen, Holger, oder wollen wir …

Dr. Marc Rauschmann: Er hat einen großen Schluck genommen.

Holger: Naja, ich meine, mir bleibt ja nicht anderes über bei euch beiden. Also das ist ja der Wahnsinn. Hier habe ich jetzt den Eindruck, dass schon eben so diese typischen Citrusnoten da sind, aber eben auch ganz deutlich der Malzcharakter stärker da ist als beim Progusta. Ich weiß es nicht, ob das so ist, weil das West Coast IPA sollte es eigentlich nicht haben. Aber ich habe das so im Glas. Da können wir vielleicht mal drüber diskutieren, vielleicht mache ich irgendwas falsch? Ich habe unser Bierakademie-Verkostungsglas, aber mir hat es für ein West Coast IPA ziemlich viel Malzcharakter. Oder ist das bei euch nicht so?

Dr. Marc Rauschmann: Das ist ja wieder ein West Coast IPA mit unserer Handschrift, mehr Malzcharakter als sicherlich eins, was man dort in den USA trinkt. Aber für mich deutlich weniger als Progusta, auch weniger Restsüße und Körper. Und für mich kommt auf jeden Fall die auch etwas höhere Bittere gradliniger durch. Ist jetzt nicht so in dieser ein bisschen malzigen Süße gefangen, sondern kommt eigentlich viel schneller durch als beim Progusta.

Holger: Ah ja, okay. Also das ist so heller Bernstein, das ist die Farbe, ist eine ziemlich schöne Schaumbildung bei mir im Glas. Und dann, wie gesagt, gibt’s ein bisschen Ananas vielleicht. Aber die harzigen Noten sind auch da, so diese Waldhonig-Themen auch. Deshalb ist das vielleicht bei mir so.

Markus: Vielleicht ist es ja so der Gesamteindruck. Für mich ist es insgesamt, ehrlich gesagt, das rundere Bier im Verhältnis zum Progusta, wobei ich das auch schon sehr gut fand. Aber was mir jetzt sehr gut gefällt, ich habe in der Nase auch wieder diese harzigen Aromen, aber da kommt eben auch schon, was du gerade gesagt hast, so Waldhonig, Citrus, aber sowas Rundes, Weiches auch schön rüber. Und wenn ich das dann trinke, dann, glaube ich, hängt so diese gerochene Süße sozusagen auch noch ein bisschen mit rein. Und dann ist es eben ein sehr weicher runder Trunk, wo man die Bittere, die stärkere Bittere eigentlich erst im Nachhinein spürt, aber während des Trinkens ist es sehr harmonisch für mich. Und dieses Honig- und Orangen-Citrus-Thema ist da sehr, sehr intensiv. Ich glaube, deswegen überdeckt das dann vielleicht auch so diese anfängliche Bittere sehr stark, bis die dann so hintenraus sich so richtig zeigt. Also mir gefällt das sehr, sehr gut. Ich kann mir gut vorstellen, wie du auf den Gedanken kommst, dass es mehr Körper hat, einfach durch das Zusammenspiel aus den Hopfenaromen und den Honigaromen, die da einfach im Körper sind. Aber insgesamt also wirklich ein sehr schönes Bier. Und man sieht‘s auch wieder in der Farbe, das mag ich halt gern, ich mag auch gern diese klassischen englischen Bierstile. Und wenn das zu hell ist und wenn man zu sehr einfach nur Hopfen hat, dann geht das fast in so eine Richtung Hopfenwasser mit Alkohol, und das ist mir dann zu wenig. Und so finde ich, ist es wirklich eine runde Geschichte, die man super auch zu so vielen Sachen kombinieren kann, weil der Malzkörper da ist und da überall andockt. Ja, für mich so ein bisschen mein Lieblingsprodukt, muss ich sagen. Nicht zuletzt auch wegen der Geschichte. Marc, sag doch mal, wie kamt ihr darauf, welche Verbindung habt ihr zu dem Yakima Valley?

Dr. Marc Rauschmann: Du warst ja mit dabei, du hast uns ja auch mit so, da habe ich die noch mal anders kennengelernt, mit zusätzlichen Qualitäten, mit deinen tollen Bildern da beglückt, die ich immer noch gerne anschaue, weil die so eine ganz andere Handschrift haben als andere Fotos und die Emotionen so rüberbringen. Und so ist diese Reise auch gewesen, die war so schön. Und wir hatten ja gemeinsam dann die Hopfenpflanze besucht, die auf den Riesenfarmen, und dieser HBC 431, ich glaube, der hat immer noch keinen Namen, der hat uns damals fasziniert von diesem Charakter, und wir haben den dann in einer kleinen Menge bekommen und haben den praktisch dort mit eingebaut und wieder, wie beim Progusta auch, mit einem deutschen Hopfen, den Taurus auch in der Kalthopfung, aber auch mit dem Mosaic, den wir einfach lieben, den wir auch im The Brale drin haben, kombiniert. Und wir haben ja das Etikett, ihr habt’s ja auch vor euch, da mit dieser Reise und mit der ganzen Geschichte, mit den indianischen Zeichen der Ureinwohner kombiniert, der in dieser Anmutung dargestellt, wo wir die Weltkugel haben, wo wir den Hut des Farmarbeiters haben, die Hopfenfelder, den Hopfen, dann die Wildpferde, die wir wirklich damals gesehen haben im Bus. Und dann mit dem Schiff der Hopfen hier rübergebracht wird und hier verbraut wird. Und am Ende den Zapfhahn. Was uns ja auch damals da drüben so fasziniert hat, ist einfach diese Riesenauswahl an Bieren vom Hahn und dem ganzen Probieren. Und das ist alles auf dem Etikett drauf. Und wenn ich das Etikett anschaue, das ist einfach die ganze Story und die Emotion, die dahintersteht. Und jeder, der dabei war, der kann sich genau, wenn er das sieht, das Bier trinkt, so wie du auch, genau an diese Reise erinnern. Und deswegen ist dieses Produkt so emotional und da der Hopfen eh so emotional. Also alles, was so besonders hopfenaromatisch ist und man den Hopfen auf dem Feld gerochen, gefunden hat, dann riecht man rein und hat diese ganze Reise vor sich, weil die Geruchssinne einen einfach so wahnsinnig emotionalisieren für das, was man erlebt hat.

Holger: Was ja auch eine sehr seltene Sorte ist, zumindest ist mir die nicht so geläufig, ist HBC 431 als Hopfensorte. Und dann auch die Kombination mit Taurus und Mosaic, ist schon toll auch.

Dr. Marc Rauschmann: HBC steht ja für Hop Breeding Company. Also das ist praktisch noch die Versuchsnummer. Und ich glaube, der hat nie einen richtigen Namen bekommen. Es kommen ja so viel Hopfensorten raus und das war so eine Kleinstsorte, da haben wir einfach die Versuchsnummer genommen, weil die noch keinen Namen hatte.

Holger: So! Männer, ich muss jetzt einfach wieder treiben zum nächsten Bier. Was machen wir denn?

Markus: Klein oder groß?

Holger: Klein oder groß?

Dr. Marc Rauschmann: Ich denke, wir nehmen jetzt das Barrel 1. Ich meine, die haben beide über 10 % oder eins 10 %, eins knapp drüber. Aber ich glaube, das ist schön mit dem Anniversary, unserem Geburtstagsbier zu enden.

Holger: Gute Idee. Und die Kooperation zwischen Brenner und Brauer, ich darf das vorab verraten, ohne dass wir es geöffnet und verkostet haben, das ist wirklich mein absolutes Braufactum Lieblingsbier.

Markus: Dann machen wir es mal auf.

Holger: Ja, absolut. Ich sag mal, der Schliersee ist ja auch nicht weit weg von mir. Jetzt Markus, bist du natürlich als Oberfranke direkt wieder total versöhnt, keine Bittere oder wenig.

Markus: Aber eine unglaubliche Intensität.

Holger: Absolut!

Markus: Allein schon die Farbe, das ist ja pechschwarz. Wahnsinn!

Holger: Wunderbar! Und dann eben diese Süße, diese Malzsüße, diese Whiskyaromen, Karamell, Rosinen. Also mein Gott, das ist doch großartig. Also da fällt einem doch sofort ein, jetzt dann, wenn der Herbst beginnt, die karamellisierten Maronen und Lebkuchen und Vanilleeis.

Markus: Da hat jemand Weihnachtssehnsucht offensichtlich.

Holger: Aber jetzt hört doch mal, das ist doch nicht abwegig, oder? Das ist doch so.

Markus: Ja, ja. Auf jeden Fall. Sehr fein. Gerade auch dieses intensive Whiskeyaroma finde ich sehr, sehr schön. Und überhaupt, die Holzfassaromen zusammen mit dem Karamell und mit den Früchten, also ein Wahnsinns-Bier. Das ja auch eine besondere Geschichte hat. Wenn ich mich richtig erinnere, habt ihr da ja so eine Art Wettbewerb gemacht mit zwei verschiedenen Bieren, oder Marc?

Dr. Marc Rauschmann: Du bist gut im Thema, ja, hast ja alles mitbekommen.

Holger: Das war doch auf der Braukunst Live!, oder nicht?

Dr. Marc Rauschmann: Genau, beiden, der Finest Spirits und der Braukunst Live!, wir sind ja auf beiden Veranstaltungen immer gewesen und haben dort die Kollegen von Slyrs kennengelernt, vor allem den Hans Kemenater, und haben dann praktisch zwei Biere uns überlegt und gebraut, und diese zwei Biere in jeweils ein Fass gelegt. Auf der Braukunst Live! und der Finest Spirits haben wir das dann verkosten lassen. Und das Barrel 1 hat ganz knapp vor dem Barrel 2 gewonnen, und das haben wir dann praktisch permanent gebraut. Wobei permanent heißt ja, in ganz kleiner Menge. Das geht ja auch nicht im Handel, das füllen wir in wenigen Flaschen ab und haben das bei uns in Berlin am Hahn. Aber das sind kleine Mengen, aber die haben wir regelmäßig vom Barrel 1.

Markus: Ja, eine tolle Geschichte. Und gerade eben diese Kombination, ich glaube, das ist ja vielleicht vor zehn Jahren auch noch mal anders gewesen. Ich meine, am Anfang hat man ja sogar gesagt, ob in ein Holzfass das Bier zu legen, überhaupt reinheitsgebotskonform ist. Und eben auch die große Frage: Was macht das in Sachen Hygiene und wie funktioniert das? Und das hat sich ja auch wahnsinnig entwickelt. Nun bist du ja übrigens auch Dr. Marc Rauschmann. Willst du uns noch erklären, was da so dahintersteckt? Ist das ein Doktor im Bierbrauen oder was ist das?

Dr. Marc Rauschmann: Ich wollte noch, genau, mache ich gleich. Ich habe noch zwei Ergänzungen zum Barrel 1. Also einmal hygienisch, ja, wobei, wenn vorher Whisky drin war, musste man sich da nicht so viele Sorgen machen. Im Prinzip sind zwei Sachen eigentlich bei den fassgelagerten Bieren wichtig, die man hier noch mal merkt. Zum einen, was uns wichtig war, es haben ja dann manche angefangen, weil man es so in den USA macht, Bourbon-Fässer nach Deutschland zu holen. Und da dachten wir, das ist ja wirklich völlig unsinnig, in den USA fallen die ja an. Weil der nur einmal drin liegt, der Bourbon, haben die ohne Ende Bourbon-Fässer und verwenden die. Macht ja Sinn. Aber in Deutschland haben wir so tollen Whisky, wie beispielweise von Slyrs. Und wir wollen ja immer persönlich was machen mit den Menschen, und Whisky mögen wir auch von Slyrs, und so lag das nahe, eine Kooperation zu machen und dann deutsche Whisky-Fässer zu nehmen und nicht amerikanische. Und das zweite, und das haben wir bei Firestone gelernt, ist, dass wir die Fässer auch in einem Kühlraum haben, also die liegen bei, ich sag mal, 10 +/- 10 bis 12 Grad, und halt nicht mal irgendwo, wo Platz ist. Und es ist ein megagroßer Unterschied, ob ich jetzt Fässer irgendwo im Sommer bei 30 Grad habe, die Poren aufmachen und es mehr oxidiert, oder ob ich die, wie ja auch in Schottland, den Whisky moderat bei 10, 12 maximal 14 Grad lagere. Firestone macht das so, in den USA machen es viele andere auch nicht so, aber das ist ein Riesenunterschied, ob die Biere gut gelagert sind oder gut gereift sind oder nicht. Und im Endeffekt ist es, je intensiver Aromen sind, desto schwieriger ist es, umso mehr muss man sich da auch Gedanken machen, wie man das sinnvoll macht, damit es auch qualitativ passt. Und von daher ist das eine große Anstrengung und viele Überlegungen, damit das Bier nachher dann so in der Flasche ist, wie es jetzt ist. Ja Doktor, im Endeffekt habe ich fünf Jahre studiert und dann fünf Jahre promoviert auf einer Filtrationsthematik. Und während dieser fünf Jahre in Berlin jetzt nicht nur an meinem Thema promoviert, sondern Vorlesung gemacht, Praktika gemacht und viele, viele andere Arbeiten, Seminararbeiten betreut. Also viele derjenigen, die jetzt so im Markt sind als Craftbrauer, waren auch mal bei mir in Berlin, haben bei mir die Diplomarbeit, Seminararbeit gemacht. Das ist ja eine kleine Branche, es gibt ja Weihenstephan und Berlin, viele, die in Berlin waren, waren dann in meiner Zeit auch da und kenne ich dann darüber auch über die Zeit.

Markus: Da sprichst du noch was Interessantes an. Ich denke, das hast du auch miterlebt, Holger, es gibt ja einfach auch ein großes Netzwerk. Weil die Branche nicht so groß ist und weil man sich gut kennt, ist das auch was, was euch da vor zehn Jahren geholfen hat, euch da entsprechend auszubreiten?

Dr. Marc Rauschmann: Ja, in Deutschland haben wir natürlich ein großes Netzwerk, international damals nicht. Aber das Beeindruckende war, als wir die Reisen geplant haben, dass man uns überall die Türen aufgemacht hat. Also wir waren bei Brooklyn Brewery, Firestone, bei Sierra Nevada, und wo immer man hinwollte, haben Brauer, auch in Belgien, in Japan, überall, habe die kontaktiert, auch die, die ich vorher nicht kannte, die meisten, und man war extrem offen und hat uns willkommen geheißen und vieles gezeigt und wir konnten vieles lernen. Also grundsätzlich die Brauer sehr offen, machen die Türen auf, wenn ein anderer Brauer kommt, und sind sehr gastfreundlich. In Deutschland ist es natürlich eine kleine Branche, man kennt viele und klar, hilft das. Ich meine, da freut man sich ja auch, wenn man gemeinsam, und das ist ja Wichtige, dass man gemeinsam und gar nicht mal nur unter Craftbrauern oder Brauern die Themen, die uns gerade alle beschäftigen, es sind ja nicht, wie vielleicht manch einer immer noch denkt, ich sag mal, die Themen schwarzweiß, groß gegen klein, sondern die Themen, die die Branche beschäftigen, gehen ja darüber hinaus. Und ich hoffe, oder wir müssen gemeinsam lernen und gemeinsam vor allem die Themen angehen, die die Branche beschäftigen. Das ist heute Corona, das Thema Gastronomie, wie kommen die durch, wie kommen die übern Winter jetzt nach dieser Zeit? Und das sind viele andere Themen, die die ganze Branche beschäftigen und wo man dann über sein Netzwerk und auch darüber hinaus gemeinsam an den Themen arbeiten muss.

Holger: Ich glaube einfach, Marc, dass die aktuelle Thematik auf jeden Fall was verändern wird, was wir auch nicht wieder zurückdrehen werden. Das glaube ich einfach. Ich glaube, dass die Gastronomie sich verändert. Ich glaube, dass es ein Sterben auf Raten ist, was wir gerade erleben. Und da muss man als großer Brauereikonzern, wie jetzt zum Beispiel die Radeberger Gruppe, die hinter euch steht, muss man auch Konzepte und Ideen haben. Ich mache mir Sorgen ein Stück weit, aber freue mich natürlich auch auf die Veränderungen und auf das Neue. Vielleicht ist es noch mal eine zusätzliche Chance, auch wirklich noch mehr Qualität und noch mehr Besonderheit, und in der Verbindung vielleicht auch besserer Preis. Vielleicht kriegt man das hin. Ich weiß es nicht.

Dr. Marc Rauschmann: Ich bin da sehr guter Dinge, weil die Themen, die wir alle gemeinsam, und das Thema Craftbier ist ja gerade nicht nur der Brauer wie ich jetzt, sondern das sind insbesondere Menschen wie ihr beide, die Sachen, die angestoßen wurden, wo so viele Menschen sich in so viel Ebenen für das Thema Biervielfalt engagieren, das ist da. Und das Thema Bier steht ja nicht alleine da, das ist ja in vielen Bereichen, Lebensmittel, da gibt’s ja immer mehr Verbraucher, die einfach mehr wissen wollen, die bereit sind, auch für Qualität was zu bezahlen. Die aber dann auch wissen wollen: Wer ist das? Was macht der? Und das ist beim Thema Bier jetzt seit den zehn Jahren auch angekommen. Und da vielen Dank an euch, ihr tragt auch euern Beitrag dazu bei, und das wird bleiben. Und das Thema Wertigkeit, ich fand‘s damals ganz schlimm vor zehn Jahren, wie über Bier geschrieben wurde. Weil es gab keine bieraffine Presse, das hat man, heute der eine, morgen der andere geschrieben, da war kein Wissen da. Und heute hat man redaktionell da gute Leute, die wir ja alle gut kennen, und die schreiben qualitativ ganz anders über Bier. Und wir haben heute wieder ganz andere Themen, wir reden über Bier und wir reden nicht über, ich weiß nicht, was für Themen da alle mit dem Bier in Zusammenhang gebracht werden, sondern über das Produkt. Und das ist superschön, das macht einfach Spaß. Und das wird auch bleiben, da bin ich auch sicher.

Markus: Was ich auch interessant finde, wie ist das denn, wenn man so zum Gesicht für eine Marke wird? Das macht ja vielleicht auch was mit einem. Wenn man jetzt in Berlin in die Läden geht zum Beispiel, da strahlst du einem gleich entgegen und das sind sehr schöne Bilder übrigens. Bist du da irgendwann mal mit deinen Eltern rein und hast gesagt, schau mal, euer Marc, da oben ist er jetzt? Was macht das mit einem?

Dr. Marc Rauschmann: In Berlin warst du lange nicht mehr, da habe ich mich in Überlebensgröße, da haben wir jetzt schwarz drüber gemalt und da hängen jetzt die Bierthekenschilder mit den Sorten. Aber Spaß beiseite, unabhängig davon, wo ich hänge, das ist schon, ja, man steht für die Qualität gerade. Und es ärgert mich dann insbesondere, wenn einer sagt, ihr schreibt ja nicht drauf, wo ihr braut. Es ist aber egal, weil Gypsy Brauer haben in verschiedensten Brauereien jetzt gebraut, aber das Entscheidende ist ja, auf jeder Flasche steht mein Name, beziehungsweise der von Markus. Und in Facebook schreiben wir und wir sind ja das Gesicht und der Name. Und wenn irgendwo die Qualität nicht passt, die Leute haben einen Namen dahinter. Und von daher nimmt man natürlich die Themen, die einem zugetragen werden oder die man dann liest, sehr persönlich, weil man persönlich einfach so viel Zeit reinsteckt. Viele Sachen haben wir gemeinsam gemacht, ihr wisst, wie viel ich jetzt und mein Team unterwegs ist. Und von daher ist es automatisch etwas sehr Persönliches, egal was über die Marke geschrieben wird.

Markus: Wo man auch mal durchaus angefasst ist, vielleicht. Es gab ja durchaus auch mal kritische Töne zwischendurch, aber ich glaube, mittlerweile ist es schon auch einfach anerkannt, was ihr geleistet habt und wie ihr die Branche vorangebracht habt. Und ich kann mir gut vorstellen, dass der Holger jetzt so richtig Lust auf das große Ding hat, oder?

Holger: Ich habe Lust aufs Finale, das stimmt. Und das holen wir jetzt zu uns.

Markus: Also groß … ach, du musst das jetzt noch holen?

Dr. Marc Rauschmann: Ich hoffe, es ist auch alles leer, was ihr aufgemacht habt jetzt?

Markus: Jetzt nicht sofort, sonst könnten wir das Ende vom Podcast, glaube ich, nicht miterleben, aber der Tag wird das noch mit sich bringen. Ja, auf jeden Fall.

Dr. Marc Rauschmann: Und bevor ihr das Bier beschreibt, guckt euch doch bitte mal das Etikett an.

Markus: Okay! Dann schauen wir uns erst mal das Etikett an. Der Holger holt ja sowieso noch. Dann kann ich mal beschreiben. Wir haben so ein bisschen eine Comic-Zeichnung darauf. Ich sehe so kleine Tierchen mit Hüten und 10 drauf. Also da geht’s natürlich um die Jahreszahl 10, denke ich mal, 10 Jahre, das zieht sich ja durch, als Jubiläumsbier. Dann haben wir einen Braukessel, in den wird Hopfen und Malz gegeben, von eben einer Hopfen- und einer Malzfigur. Ich glaube, das Gelbe, da ist eine gelbe Hefe zu sehen, die glaube ich da gerade den Zucker frisst, wenn ich das richtig interpretiere. Und dann haben wir links ein Huhn. Das musst du vielleicht noch erklären, warum da ein Huhn ist. Und insgesamt steht dann da noch Hoppy Strong Saison. Also das verspricht schon mal ganz viel, weil Saison an sich schon ein sehr interessanter, sehr aromatischer, sehr vielfältiger Bierstil ist. Und Strong Saison heißt natürlich, noch mal mehr davon. Und Hoppy würde dann ja noch mal bedeuten, okay, dann hat man das Ganze noch mit Hopfen angereichert, abgerundet. Also sicherlich ein ganz spannender Trunk. Ohne es jetzt zu trinken, würde ich mir da ganz viel Frucht erwarten und hinten raus auf jeden Fall so ein bisschen würzige pfeffrige Noten von einem Saison und relativ viel Kohlensäure. Ja, so würde ich das sagen. Habe ich was vergessen auf dem Etikett?

Dr. Marc Rauschmann: Ja, lass mich mal kurz erklären. Also der Hahn ist der galizische Hahn, den wir auf dem Soleya haben.

Markus: Ah!

Dr. Marc Rauschmann: Der hat den Handbiegeschwinger in der Hand oder im Flügel. Den siehst du vielleicht da.

Markus: Ja, jetzt sehe ich ihn. Mhm (bejahend).

Dr. Marc Rauschmann: Dann haben wir in der Tat die Hefe, so ein bisschen wie Pac-Man, kennt ihr ja noch. Die immer auf der Suche, also ganz rechts außen neben „ANNY 10“ und zwischen den „10 Jahre“ ist der Zucker, der Malzzucker praktisch. Die Hefe ist immer auf der Suche nach diesem Malzzucker, die wirft sich da immer kleine Würfel rein. Daneben ist der Hopfen, alle mit dem Geburtstagshütchen drauf. Den Kessel hast du erkannt, der Hopfen schmeißt da grad Hopfen rein. Und hinten rechts ist noch mal eine Hefezelle vor den Barrel 1 Fässern. Und diese ganze Zeichnung hat der gleiche Künstler gemacht, der uns in Berlin am Alexanderplatz dort die Graffitis gemacht hat.

Markus: Ah!

Dr. Marc Rauschmann: Und diese Motive, die ziehen sich dann durch. Also die Protagonisten, der Hopfen, die Hefezelle und je nach Bild dann die Figuren, die wir auf den Etiketten haben, die ziehen sich über diese Grafik immer durch. Und den haben wir dann gebeten, unser Etikett für das Jubiläumsbier auch entsprechend zu machen.

Markus: Wow! Also sehr, sehr schönes, spannendes Etikett. Das wird den Holger bestimmt auch wieder freuen. Ich glaube, Holger, das Bier könnten wir doch den Marc mal verkosten lassen, wo es doch das Jubiläumsbier ist, oder?

Holger: Das ist eine gute Idee.

Markus: Mach’s auf jeden Fall mal auf.

Holger: Aber es ist auf jeden Fall total beeindruckend, also die Flasche und alles. Und es ist auch was Besonderes, 10 Jahre sich da festzusetzen in dem ja doch sehr umkämpften und schwierigen Markt. Und vor 10 Jahren hat auch noch keiner sagen können, wie wird‘s eigentlich. Und da eine Entscheidung zu treffen und auch so lange daran zu glauben, auch als Konzern so lange daran zu glauben, finde ich, hat viel Lob verdient und Dankbarkeit. Und das muss auch mal gesagt werden. So! Jetzt Marc, bist du dran.

Dr. Marc Rauschmann: Also nebenbei, mach dann noch mal Anhänger auf, da ist noch ein bisschen was über die 10 Jahre beschrieben. Das Bier ist ja praktisch so ausgehend vom Soleya. Das hatten wir damals gebraut und uns irgendwie völlig vertan, was diese Hefe alles vergärt. Also diese Hefe, die wir für das Saison verwenden, vergärt alles, was irgendwie nach Zucker aussieht und macht unglaublich viel Alkohol. Der erste Versuch für Soleya hatte dann sage und schreibe 9 % Alkohol. Unsere italienischen Freunde haben gesagt, ist doch super, lasst das so. Aber wir haben auf der Braukunst Live! es das erst Mal gehabt und feststellt, ja, du trinkst ein Bier und hast eigentlich schon zwei getrunken. Das ist sehr anstrengend über so einen Abend und wir haben das deswegen dann runtergebracht. Aber jetzt zu den 10 Jahren haben wir dann gesagt, okay, wir brauen das gleiche wie damals, aber noch etwas intensiver, also dass wir 10 % haben. Die Aromen sind ähnlich wie beim Soleya, nur intensiver. Also wir beschreiben das ja mit tropischen Früchten, grüne Banane und pfeffrige Noten. Es sind insgesamt die grünen Früchte, so ein bisschen vom Wein kommend, würde ich sagen, so ein bisschen wie ein Sauvignon Blanc. Also hat auch Mirabelle, die Richtung, aber auch gerade diese, so ein bisschen weißer Pfeffer, diese würzigen Noten. Und das Bier ist ja super-super-hochvergoren durch die Saison-Hefe. Trotzdem, und das ist vielleicht ein bisschen ähnlich beim Yakeros, aber trotzdem die Flasche hat hohen Alkohol, wir wissen gar nicht so, warum, wirkt es etwas süßlich und hat auch Körper, der eigentlich gar nicht da ist. Macht es insgesamt sehr erfrischend und keiner, dem man das gibt, denkt, hat 10 %. Man käme nie auf 10 %. Und wenn man manches deutsches Bockbier nimmt, was vielleicht 7 % hat, wo man so diese Mastigkeit hat, das ist genau das Gegenteil, weil das sehr hohen Alkohol hat, aber sehr erfrischend leicht und superspannendes Bier, meiner Meinung nach.

Holger: Hoppy Beers Day.

Dr. Marc Rauschmann: Ja.

Markus: Auf den Geburtstag! Da können wir grad mal anstoßen.

Holger: Hier kann ich mir jetzt ein schönes Fischgericht oder auch Käse dazu vorstellen. So dieser weiße Pfeffer, den finde ich wirklich ganz spannend. Jetzt, wo du das gesagt hast, ist der jetzt noch mehr in den Vordergrund getreten bei mir. Das hat ja auch ein bisschen was mit Psychologie zu tun, Sensorik. Also sehr, sehr spannend, wirklich sehr spannend.

Markus: Ich habe auch noch so viele so florale Noten mit dabei. Und die Aprikose ist auch ziemlich intensiv. Das Schöne ist ja, das kennt man ja vom Soleya auch oder von anderen Saisons, dass es eben so eine Reise durch ganz viele Aromen ist. Und das finde ich so spannend, also du hast das im Mund und es ploppt hier mal was auf, da mal was auf. Und dann trinkst du einen Schluck, dann verändert sich es wieder. Dann trinkst du es ganz, dann kommt dieser Pfeffer, dann kommt das wieder ein bisschen zurück, dann kommt die Bittere. Und am Ende bleibt dann doch wieder ein bisschen was von diesen Steinfrüchten. Also das finde ich Wahnsinn, wie viel Aroma das hat, wie komplex das ist. Und du hast natürlich völlig recht, das ist ein saugefährliches Bier, weil das merkt kein Mensch, dass das 10 % hat. Außer er hat es dann getrunken, dann merkt er es schon. Also das ist auch ein tolles, ganz tolles Bier. Und habt ihr euch ein schönes Geburtstagsgeschenk gemacht. Das muss man auf jeden Fall sagen.

Dr. Marc Rauschmann: Ja, danke.

Markus: Wie viel gibt’s denn davon überhaupt?

Dr. Marc Rauschmann: Du, wir haben davon, lass überlegen, etwa 45 Hektoliter gebraut.

Markus: Also ist noch ein bisschen was da, auch für unsere Hörer, falls jemand drauf Lust hat.

Dr. Marc Rauschmann: Von den Flaschen haben wir etwa 1000 abgefüllt, füllen nochmal ein paar ab, die wir dann für unsere Jahresendveranstaltung für Talk & Taste nutzen. Und ein paar Fässer in Deutschland, unter anderem bei uns in den Objekten. Und der Großteil der Fässer geht, ich deutete es schon an, nach Italien, die lieben ja höheralkoholhaltige Biere. Und unsere Kollegen in Italien, die haben die größte Menge Fassbier geordert.

Markus: Ja, das wird bestimmt ein rauschendes Fest. Das stimmt, das ist erstaunlich, wie die Italiener wirklich auch beim Bier es fast schon als normal empfinden, wenn das 8, 9 oder 10 % hat, weil sie ja eher wirklich vom Wein herkommen, und da ist es ja auch so. Also insofern merkt man da auch gar nicht so eine gewisse Berührungsangst, die man bei uns vielleicht hat, sobald mal irgendwie mehr als 5 % irgendwo draufsteht. Vielleicht noch von mir als Frage, du bist ja sehr viel in der Welt rumgekommen: Was waren denn so die skurrilsten Erlebnisse, die du so hattest in Japan oder sonst wo auf der Welt?

Dr. Marc Rauschmann: Eine Sache, an die wir wirklich nicht denken, weil wir ja auch grad, du sagtest es Markus, über die großen Flaschen und eher so Bier Tastings, wir hatten ja erst gar nicht die Becher, sondern nur in den Flaschen und mit den Pokalen und immer kleine Schlucke, IPA, und jeder sagt in Deutschland, das kannst du nicht in großen Mengen trinken. Und die 0,3er Becher, die man dann vollmacht, waren schon die erste ungewöhnliche Veränderung. Und dann haben wir bei uns am Alexanderplatz jetzt und am Hausvogteiplatz ja 0,5er Becher, wo dann mancher sagt, boah, 0,5 IPA geht gar nicht. Und wenn man in die USA kommt und da verkaufen wir ja das IPA sehr, sehr gut, und kommt in große Bierobjekte, da wird das, jetzt nicht, dass ich den Stil jetzt in Deutschland unbedingt referieren würde, aber da trinkt man ein IPA im Litergefäß. Und denkst du: Okay! Jetzt nicht, dass die dann zwei, drei Liter trinken, sondern die kommen in den Biergarten, in die Beer Hall, haben teilweise ihren Krug im Schrank und trinken dann ein Progusta, ein Liter, und gehen dann nach Hause. Wo du in Deutschland denkst oder die Leute sagen, kannst nicht mehr trinken, kann ich ja eh nicht bestätigen, weil ich kann auch mehr davon trinken, weil es einfach lecker schmeckt. Und dann gehst du nach USA und die trinken das in großer Menge. Das war auf jeden Fall ein interessantes Erlebnis, und regelmäßig, sage ich mal. Da wird man auch keinen von abhalten, weil da freut man sich ja, ist ja das Fass auch schnell leer.

Holger: Marc, ihr könnt ja am Alexanderplatz mal ein 3-Liter-Pitcher einführen.

Dr. Marc Rauschmann: Ja, der Pitcher an sich, genau, gutes Thema, wir haben ja den 1,5 Liter Pitcher, auch das ist für Deutschland ungewöhnlich, weil jeder sagt, oh, Pitcher ist ja qualitativ, wie geht denn das mit Qualität und Bier? Und es ist die perfekte Qualität, weil die Frage ist ja nicht, Pitcher, ja oder nein, sondern die Frage ist ja, wie kommt das Bier in den Pitcher? Und wenn du eine supereingestellte Zapfanlage hast mit Begleitkühlung, wir fahren mit Mischgas, das Bier läuft raus, ohne dass es schäumt, einfach schwarz in den Pitcher, dann kann sich jeder am Tisch die Menge nehmen, die er will. Und das ist qualitativ viel besser, als wenn der eine mit 0,3 den ganzen Abend dasitzt, dann nimmt er doch lieber nur einen ganz kleinen Schluck, und der andere, der Durst hat, kann sich nachschenken. Das ist qualitativ zehnmal besser, als wenn jeder die gleiche Größe bekommt. Und das sind so Schubladen in Deutschland beim Thema Bier, die wir ja so ein bisschen abbauen, aber die immer noch da sind.

Holger: Markus, was sagst du jetzt dazu? Also ein Hoch auf den Pitcher.

Markus: Ein Hoch auf den Pitcher. Ach! Also ich muss sagen, ich finde das immer lustig. Weil wir haben ja auch bei euch in Berlin schon Verkostungen gemacht, und da ist es ja so, dass der Verkostungsraum in einem Nachbargebäude ist. Das heißt, man holt sich mit dem Pitcher eben das Bier aus dem Hauptraum sozusagen und geht dann rüber und schenkt ein. Ich finde das sehr praktisch. Und solange man das dann immer schön frisch genießt, ist das wunderbar. Ich habe nur einmal im Leben eine schlechte Erfahrung damit gemacht, das war in Finnland. Da hatte es, in Finnland wohlgemerkt, morgens schon 28 Grad, und wir hatten da einen Bierwettbewerb, und da war es so, dass alle Biere zum Verkosten in Pitchern von den Brauereien geholt wurden von den Zapfhähnen. Und die sind dann, während sie ausgezapft wurden und dann im Pitcher zu uns gebracht worden und dann ins Glas geschenkt worden sind, sind die total oxidiert, weil einfach durch die Temperatur, durch die Wärme, durch das Licht, das hat die Biere umgebracht. Aber so in unserem normalen Fall ist doch so ein Pitcher eine wunderbare Geschichte. Und finde ich auch gut, dass ihr sowas macht. Und vielleicht als letzte Frage von mir noch. Ihr habt ja sogar ein eigenes Glas entwickelt. Wie kam es denn da eigentlich dazu?

Dr. Marc Rauschmann: Gut, wir hatten, als wir angefangen haben, einen Teku Pokal genommen und eingeführt hier in Deutschland, weil wir den gut fanden. War damals auch State of the Art. Und wir wollten ja damit, dass wir das Glas nicht vollmachen, die Konsumenten motivieren, praktisch in das Glas noch mal reinzuriechen und sich stärker mit dem Bier zu beschäftigen, als er es bisher gemacht hat, nämlich auch mal mit dem Geruchssinn. Über die Zeit haben wir dann festgestellt, dass es ein paar Nachteile bei dem Glas gibt, es einfach zu breit ist, was den Schaum kaputtmacht, ein Konus fehlt, um einfach den letzten Schluck nicht gleich so warmwerden zu lassen. Und haben dann gesagt: Okay! Wir entwickeln den Pokal neu mit den Erfahrungen, die wir über die Jahre damals gemacht hatten. Und gleichzeitig haben wir gesagt: Okay! Wir wollen mit Fassbier starten. Und für Fassbier passt aus unserer Sicht jetzt ein Pokal mit Stil nur bedingt. Und deswegen haben wir praktisch parallel zum Pokal das gleiche Glas nochmal als Becher entwickelt, der heute auch mit Abstand in Deutschland unser Haupttrinkgefäß ist.

Markus: Was dem Holger, glaube ich, sehr entgegenkommt, oder? Du trinkst doch Bier gerne aus solchen Gefäßen.

Holger: Unbedingt! Ich finde das Glas wirklich gut und würde mir auch wünschen, dass das Thema Glas auch in der Gastronomie noch eine größere Rolle spielt, als es das eigentlich tut. Also jetzt nicht nur bei den speziellen, innovativen Bieren, über die wir heute gesprochen haben, sondern auch bei den normalen Bieren. Und dass das also wirklich richtig zelebriert wird und dass eben ein frischgezapftes Bier auch anzuschauen ist, und dass die Gläser optimal gespült sind. Auch überhaupt die ganze Gastronomiekultur, die dazugehört zu der Bierkultur, dass das noch mehr in den Vordergrund kommt, dafür stehe ich und da möchte ich auch einiges dafür tun. Und da begrüße ich das immer, wenn solche Projekte wie eine eigene Glasentwicklung dann auch umgesetzt werden. Das ist eine gute Sache. So, Freunde der Nacht! Wir haben etwas überzogen und müssen einfach zum Ende kommen. Marc, dir vielen, vielen Dank! Es war eine tolle, tolle Reise durch Qualität und Innovation und die Bereitschaft Neues auszuprobieren, und das jetzt schon seit zehn Jahren. Sehr beeindruckend. Ich würde jetzt mal behaupten, ist nicht unser letzter BierTalk. Vielen Dank!

Markus: J, vielen Dank, lieber Marc! Großartig! Fand ich auch sehr spannend. Und ich freue mich auch, wenn wir das fortsetzen und dann, was weiß ich, auf die nächsten 11, 12, 13, 14 Jahre, je nachdem, und unterhalten.

Dr. Marc Rauschmann: Vielen Dank! Hat mir viel Freude gemacht. Zumal ihr beiden ja wirklich, ihr habt’s ja gesagt, Begleiter der fast ersten Stunde seid. Wir haben schon uns ganz am Anfang kennengelernt, kennen uns schon sehr lange, seid Freunde von uns, habt viel dazu beigetragen, und seid Teil der Branche und ein Bestandteil des Ganzen. Hat mir viel Spaß gemacht, zumal ihr uns kennt, und wir uns so lange kennen. Also vielen Dank dafür! Und würde mich auch freuen, wenn wir das fortsetzen.

Markus: Danke schön für dieses Lob! Das geht runter wie ein Barrel 1.

Holger: Sehr gut! Tschüss!

Dr. Marc Rauschmann: Also tschüss!

Markus: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 37 – Interview mit Thomas Raiser, Verkaufsleiter von BarthHaas in Nürnberg

Thomas Raiser wurde quasi in den Hopfenhandel hineingeboren und schlüpfte nach einer Ausbildung auf dem gesamten Globus mit der väterlichen Firma unter die Fittiche des heutigen Branchenprimus BarthHaas aus Nürnberg. Dort ist er heute Verkaufsleiter und Mitglied der Geschäftsführung – und verantwortlich für viele spannende Entwicklungen des Global Players. Dazu gehören neue Hopfensorten genauso wie der Aufbau der Hops Academy und die Analyse der jährlichen Hopfenernte. Deswegen war es genau der richtige Zeitpunkt, kurz nach Ernteabschluss im BierTalk über seine Geschichte und die aktuellen Entwicklungen der Branche zu sprechen – und das Geheimnis des spanischen Hopfenanbaus zu lüften…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum BierTalk Nummer 37! Ein BierTalk der Superlative, weil in Wirklichkeit ist es unser 50. BierTalk. Ihr wisst ja, wir haben unsere Specials und eben 37 BierTalks. Und nicht nur das ist ein Superlativ, nein, fast wäre es Rio Reiser geworden, so ist es Thomas Raiser von BarthHaas. Und am Mikrofon ist der Holger und der …

Markus: Markus.

Holger: So, Thomas, das wäre doch toll, wenn du mal was zu dir sagst.

Thomas Raiser: Ja, Markus und Holger, erst mal vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dabei zu sein und über Bier mit euch zu reden. Mein Name ist Thomas Raiser, ich bin seit 20 Jahren für Vertrieb und Marketing bei BarthHaas verantwortlich. Wir beschäftigen uns mit der Züchtung, Anbau, Verarbeitung und Vermarktung von Hopfen an die Brauwirtschaft.

Holger: Du bist jetzt gerade in Nürnberg, in Amerika, in Spanien oder sonst wo auf der Welt?

Thomas Raiser: Ich bin üblicherweise sehr viel unterwegs, natürlich in letzter Zeit überwiegend in Nürnberg im Büro. Aber zufälligerweise bin ich heute mal in Mainburg in unserem Mainburger Büro, im Hopfenanbaugebiet Hallertau, weil ich mir einfach auch mal ein paar Hopfensorten dieser Ernte anschauen wollte, ein paar Muster, um einen persönlichen Eindruck zu bekommen.

Holger: Jetzt ist ja gerade die Erntehochzeit, also fast schon zu Ende, aber ich bin gestern auch noch mal durch die Hallertau gefahren im Gebiet von Pfaffenhofen, und es wird immer noch geerntet. Wie war die Ernte denn? Also wie war die 2020er Ernte, seid ihr zufrieden, sind die Bauern glücklich, wie ist das Ergebnis, die Qualität, wie war die Ernte?

Thomas Raiser: Ja, du hast es schon ganz gut zusammengefasst, Holger, wir nähern uns dem Ende. Ich rechne damit, dass diese Woche die meisten Betriebe mit der Ernte fertig werden. Und man kann schon sehr gut eine erste Bilanz ziehen, die Ernte ist sehr anständig geworden. Wir hatten dieses Jahr günstige Bedingungen, nicht zu große Hitzetage, nicht zu viele Hitzetage, genügend Niederschläge, und insoweit ist die Ernte, stellt sich sehr gut dar mit einem guten Ergebnis mit guten Inhaltsstoffen. Die warmen Temperaturen jetzt im September haben dazu geführt, dass der Hopfen sehr schnell gereift ist und die Bestände, die jetzt geerntet werden, die müssen jetzt dringend eingefahren werden, damit keine äußeren Schäden mehr entstehen durch anfängliche Welke und zu starke Wärmebelastung.

Holger: Wir haben ja mehrere Anbaugebiete in Deutschland, und das, was du jetzt gesagt hast, gilt eben für alle Anbaugebiete oder vorrangig nur für die Hallertau? Ist das in Tettnang oder in Hersbruck anders oder kann man sagen, nein, das gilt so für Deutschland?

Thomas Raiser: Das kann man eigentlich für ganz Deutschland gelten lassen. Die Anbaugebiete im Elbe-Saale-Gebiet haben tendenziell etwas weniger Niederschläge bekommen als die in Bayern, aber das ist üblich für diese Region, und die guten Erwartungen treffen für alle Anbaugebiete in Deutschland zu.

Holger: Gibt es neue Hopfenarten, spannende Sorten, wo du sagst, Mensch, da kann sich die Bierwelt schon darauf freuen?

Thomas Raiser: Aus Deutschland gibt’s dieses Jahr keine neue Sorte im Markt. Vor zwei Jahren wurden die Sorten Callista und Ariana in den Markt gebracht, die jetzt sozusagen das erste Mal in einem Vollertrag stehen und die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Was es Neues gibt, kommt aus Übersee, aus Amerika, eine Sorte namens Talus.

Holger: Und was zeichnet diese Sorte aus?

Thomas Raiser: Geht auch wieder in die Richtung fruchtige Aromen mit tendenziell Noten von Ananas und etwas Grapefruit.

Holger: Ah ja, sehr interessant, sehr interessant. Markus, du warst ja heute oder heuer sozusagen in Hüll, dem Forschungszentrum, und hast da dich ja auch schon mit der Ernte und mit diesem Jahr und mit dem Hopfen beschäftigt. Was waren deine Eindrücke?

Markus: Ich war fasziniert mal wieder, wie die ganze Region eigentlich von dem Thema Hopfen erfüllt ist. Also man kommt an, selbst auf der Autobahn schon, wenn man das Fenster aufmacht, es riecht alles nach Hopfen. Im Hotel eben auch, wenn man dann früh am Morgen aufmacht, das ist ein einziger Hopfenrausch, könnte man fast sagen. Man hört überall die Pflückmaschinen und die Erntemaschinen und es ist also wirklich alles am Arbeiten. Sehr, sehr spannend. Und wenn man dann in den Betrieben ist, sieht man natürlich, wie auch da noch sehr viel Handarbeit ist und wie einfach wirklich die Pflanzen dieses Jahr tatsächlich richtig gut gediehen sind. Also richtig schöne große Dolden und wir haben sehr, sehr viele eben auch bonitiert. Und da sieht man, dass noch richtig viel Inhalt drin ist, der auch intensiv vom Geruch und so weiter ist. Und wir haben da auch viele relativ neue Sorten bonitieren können, auch so ein paar, die halt aktuell nur eine Nummer sind. Dauert ja dann, bis die dann richtig einen schönen Namen bekommen. Wo jetzt vielleicht sogar Brauversuche an der einen oder anderen Stelle laufen, um zu sehen, ob das irgendwie geht. Ich bin da jedes Mal fasziniert. Also weil das einfach eine der letzten Bereiche, glaube ich, ist, wo man wirklich lernt, mindestens mittel- bis langfristig zu denken. Weil doch bei vielen Sachen ist es ja so, dass wir mittlerweile total kurzfristig sind. Und wenn man überlegt, dass dieses Institut damals gegründet wurde und die ersten 20, 30 Jahre hat es überhaupt kein Ergebnis gebracht. Heutzutage würde man das sofort zumachen und weg damit. Und jetzt profitieren wir halt alle davon, dass, solange das weiterfinanziert wurde und dass man einfach jetzt interessante, spannende, neue Hopfensorten kreieren kann. Und das basiert eben auf so einer langen Forschungsarbeit. Ich glaube, das wissen auch viele draußen nicht, dass es eben bis zu 20, 30 Jahre dauern kann, bis so eine Hopfensorte wirklich vom ersten Versuch bis zur großen Einführung am Markt greifen kann. Und das ist einfach ein langer, langer, langer Prozess, wo man viel Durchhaltevermögen braucht und wo es auch toll ist, dass es Firmen in der Privatwirtschaft gibt wie euch, die das dann eben machen und die dann total kreativ sind. Und vielleicht kannst du uns nachher noch ein bisschen was erzählen, es gibt ja jetzt sogar Hopfen, die eben Aromen, die sonst über die Hefe kommen, machen. Oder Hopfen, die Aromen, die man sonst mit Fasslagerung erreicht, bringen, sodass man wirklich über Hopfen ganz, ganz viel spannende Gerüche und Geschmäcker ins Bier bringen kann. Das begeistert mich immer.

Holger: Aber Bier ist ein gutes Stichwort. Thomas, was hast du dir denn für ein Bier für heute ausgesucht?

Thomas Raiser: Ich habe mir heute ein Bier mitgebracht, das ein Kollege von mir braut, der Mark Zunkel. Der unter einem kleinen Label namens NBG firmiert, für New Beer Generation, oder auch eine Anspielung auf Nürnberg ist, die Stadt, in der er lebt und arbeitet. Und zwar habe ich mir von NBG das Crazy Lazy Hazy mitgebracht. Er bezeichnet das selber als Right Coast Pale Ale, gehört aber in die Kategorie der New England IPAs. Und das ist ein Bierstil, der mir wirklich sehr entspricht und zusagt. Natürlich wird es nicht wundern, dass ich hopfenaffin bin. Was mir bei dem Bierstil besonders gefällt, ist die hohe Drinkability, die trotz der hohen Hopfengaben erhalten bleibt, weil der Hopfen eben überwiegend durch seine Aromen und ätherischen Öle zur Geltung kommt und nicht so sehr durch die Bitterstoffe. Und ich finde dieses Bier einen besonders guten Vertreter seiner Zunft, mit einer ausgewogenen Balance aus Hopfenaromen und den Getreidearomen aus dem Hafer und dem Gerstenmalz.

Holger: Wunderbar! Dann öffne es doch mal, schütte es dir ein und berichte uns, wie es dir mundet.

Thomas Raiser: Danke, gerne. Bevor ich es probiere, kurz eine visuelle Beschreibung. Ist ein trübes Bier, wie es natürlich typisch ist für ein New England IPA. Schöner, etwas großporiger Schaum und hohe Rezenz mit starken Blasenbildungen, die schön emporsteigen und eben die Schaumkrone halten. Jetzt gehen wir mal an die Sensorik. In der Nase kommen natürlich sofort die fruchtigen Aromen des Hopfens hervor. Erinnert mich stark an Pfirsich, Maracuja, und auch im Trunk hopfenbetont, fruchtbetont, aber ganz samtig weich auf der Zunge, ohne jegliche unangenehme Bittere im Abgang. Einfach ein für mich sehr schön ausbalanciertes IPA und durch die Version New England Style eben auch sehr weich und samtig im Gaumen. Wunderbares Produkt.

Holger: Sehr schön, das hört sich gut an. Das ist ja klar, dass so eine Firma wie deine Firma und du natürlich im Besonderen als Vertriebsleiter dann Brauereien sehr gut findet, die natürlich richtig Hopfen verwenden, also Menge verwenden. Soviel ich weiß, der Mark Zunkel ist ja eigentlich ein Amerikaner sogar, oder?

Thomas Raiser: Ja richtig, Holger, der ist Amerikaner. Der ist aber in den frühen 2000er Jahren nach Deutschland gekommen und hat in Weihenstephan seinen Diplom-Brauingenieur absolviert. Wir wurden damals auf ihn aufmerksam, als er in Weihenstephan studiert hat und sind mit ihm ins Gespräch gekommen. Und er hat uns eigentlich damals gesagt, er würde gerne in Deutschland bleiben, leben und arbeiten. War auch damals schon mit seiner heutigen Frau befreundet. So haben wir zueinander gefunden und der Mark arbeitet heute bei uns in der technischen Beratung und Produktneuentwicklung. So als Hobby nebenher macht er Bier ab und zu unter diesem Etikett NBG, wie gesagt.

Holger: Klassischer Gypsy Brewer, könnte man sagen, ne?

Thomas Raiser: Richtig.

Holger: Wo wir uns gerade begrüßt haben, bevor wir den BierTalk angegangen sind, da haben wir dich ja gesehen im Bildschirm und du hattest einen ganz tollen Hopfengarten als Hintergrund. Und dann hast du gesagt, das ist eben ein spanischer Hopfen. Und der Markus hat dann noch gesagt, er hätte es sofort erkannt, eben weil überall die Sombreros an den Dolden hängen. Und dann habe ich gefragt, Mensch, also soviel ich weiß, ist ja Hopfen nicht überall anzubauen. Also es gibt auf der Nordhalbkugel so ein Hopfenfenster und auf der Südhalbkugel ein Hopfenfenster. Also grob gesagt, so zwischen dem 35. und 55. Breitengrad. Und dann hat mich das schon sehr gewundert, wie das sein kann in Spanien. Und erklär doch noch mal bitte, warum gibt’s in Spanien Hopfen? Also spanischer Hopfen, das habe ich wirklich noch nie gehört.

Thomas Raiser: Ja, das dürfte viele überraschen. Spanien ist natürlich als Weinland bekannt und auch berühmt, aber in Spanien wird doch auch eine ganze Menge an Bier getrunken, insbesondere in Südspanien. Als damals Franco das Land geführt hat und international unter Druck kam, gab‘s eine Politik, sich von Importen unabhängig zu machen. Was den Franco dazu bewegt hat, seine Brauer zu ermuntern, einen einheimischen Hopfenanbau zu fördern. Es wurde dann damals eine Firma gegründet unter dem Namen Fomento del Lúpulo, was so viel heißt wie, Firma zur Förderung des Hopfens. Und so entstand erst ganz im nordwestlichen Galizien und später etwas südlicher in der Nähe von Leon ein Hopfenanbaugebiet mit ungefähr 500 Hektar Hopfen. Und Spanien, Nordspanien, ist so ungefähr der südlichste Breitengrad, du hast es genau richtig gesagt, 35 Grad Breite ist ungefähr die südliche Grenze, wo Hopfenbau noch möglich ist. Und wir beziehen auch aus Spanien etwas Hopfen.

Holger: Ah ja, sehr spannend. Die Kontrakte, laufen die dann so wie mit den deutschen Hopfenbauern, dass ihr euch das schon sichert, oder wird das ganz individuell vereinbart, weil man da eben schaut, wie ist das dann da mit der Trockenheit? Oder ist es genauso im Einkaufs-Prozedere, wie man es hier in Deutschland auch kennt, dass die Kontrakte eigentlich relativ lange vorher schon gemacht sind und man große Sicherheit hat auf beiden Seiten?

Thomas Raiser: Ja, das System ist vergleichbar mit dem deutschen System. Das heißt, es werden langfristige Verträge abgeschlossen. Das bedingt natürlich, dass man sich einigt auf die Laufzeit und den Preis, aber vom Prinzip her ist es dasselbe. Was in Spanien allerdings stärker ausgeprägt ist als in Deutschland, ist eine Vermarktung über eine gemeinsame Erzeugergemeinschaft, und insofern verhandeln wir überwiegend mit der Erzeugergemeinschaft und weniger mit dem einzelnen Hopfenbaubetrieb, wie das in Deutschland normalerweise der Fall ist.

Holger: Ah ja, sehr interessant. Markus, was hast du uns denn mitgebracht für den BierTalk?

Markus: Ich habe mir natürlich auch gedacht, wenn es um den Hopfen geht, dann braucht man natürlich ein hopfenbetontes Bier. Habe allerdings mir gedacht, man muss ja nicht unbedingt in der englischen Ecke bleiben, also von den Bierstilen her, deswegen könnt ihr jetzt mal vielleicht am Aufmachen erraten, was es vielleicht ist.

Thomas Raiser: Ein Bügelverschluss.

Markus: Nein, ein normaler Kronkorken.

Holger: Nein, ich glaube, ein Kronkorken-Verschluss.

Thomas Raiser: Okay!

Holger: Und dann, was ist dann passiert? Viel Schaum höre ich da, viel Schaum? Markus, du musst uns schon ein bisschen helfen.

Markus: Ja, ja, ich versuche gerade, das Bier so nahe wie möglich ans Mikrofon zu halten, weil es tatsächlich sehr viel Schaum hat, sehr viel Kohlensäure, ordentlich prickelt und brummt und macht und tut. Im Glas selber habe ich eine goldgelbe, hellgoldgelbe Farbe. Es ist fast klar, der Schaum steht immer noch wie eine Eins, also ein sehr, sehr lange, beständiger Schaum. Wenn man rein …

Thomas Raiser: Ein norddeutsches Pils?

Markus: Nein, also in Deutschland sind wir auch nicht.

Holger: Das würde der Markus auch niemals auswählen, …

Markus: Nein!

Holger: … als Oberfranke ein norddeutsches Pils. Um Gottes Willen!

Markus: Wenn wir jemals einen letzten BierTalk machen, dann werde ich das tun, aber ansonsten nicht. Also von der Nase her habe ich so Limette, Zitrone, Melone, Ananas. Geht aber auch ein bisschen so in Kokosnuss-Ecke. Also ganz spannender Hopfen, ein bisschen Banane kommt dann auch durch.

Holger: Auf jeden Fall ein obergäriger Bierstil, der mit viel Hopfen versehen ist. Es könnte sich vielleicht um ein Maisel‘s handeln irgendwie?

Markus: Nein. Also wir sind nicht in Deutschland, auch nicht vom Bierstil her. Eine Chance gebe ich euch noch. Also es gibt ja noch eine dritte Bierkultur auf der Welt.

Holger: Ah ja, Belgien natürlich.

Thomas Raiser: Belgien. Ja.

Holger: Dann ist es natürlich ein, oh ja, dann könnte es, was könnte es denn sein? Es könnte alles Mögliche sein.

Markus: Es gibt jedes Jahr ein belgisches Bier, was ganz besonders von einem Hopfen geprägt worden ist. Vom Bierstil her ist es ein Strong Blond.

Thomas Raiser: Okay!

Holger: Ja.

Markus: Ich löse es auf. Es ist von Duvel, das Tripel Hop.

Thomas Raiser: Duvel, jawoll.

Holger: Genau!

Markus: Da gibt’s ja eben seit vielen Jahren schon jedes Jahr ein Tripel Hop, das jeweils mit irgendeinem speziellen Hopfen dann nochmal gestopft worden ist. Und in dem Fall ist es der Cashmere Hopfen. Da kommen die Aromen wirklich sehr schön, sehr intensiv. Jetzt muss ich aber mal einen Schluck nehmen. Ganz trocken hier. Also im Mund auch noch mal sehr, sehr fruchtig, sehr intensiv, besonders Ananas und Kokosnuss kommen da sehr schön rüber. Und am Ende auch die 9,5 %, und deswegen ist es ganz gut, dass der Holger heute moderiert, weil ich nicht weiß, wie ich das sonst hier so durchgehalten hätte. Aber ein fantastisches Bier. Also ich finde das ganz toll diese Sache von Duvel, weil die da ja wirklich immer so wie eine Leinwand bieten praktisch, wo dann immer ein spezieller Hopfen draufkommt und sich präsentieren darf. Und das eben mal nicht in diesem klassischen IPA-Umfeld oder im Pils, sondern eben in dem Tripel. Und das dann einfach noch mal durch den hohen Alkoholgehalt wirklich die Aromen richtig schön rausbringt. Also das macht echt Spaß, tolles Bier, kann man nur empfehlen. Aber auch gefährlich, weil auch ganz schlank. Also die Leute merken dann immer gar nicht, ich habe das ab und zu auch in Tastings, da merken die die 9,5 % nicht, die trinken das so wie ein 5 % Bier. Und ungefähr eine halbe Stunde später merkt man es dann. Also das ist dann schon immer sehr, sehr spaßig.

Holger: Da freut sich der Markus. Ja, ja.

Markus: Auf jeden Fall, ja. Ich habe noch eine Frage an dich, Thomas. Ich habe mich auch ein bisschen informiert und wir kennen uns ja auch schon länger und ich weiß, dass du ja sogar mal auf Hawaii warst. Vielleicht, um dich noch ein bisschen näher kennen zu lernen, wie hat es dich denn so in die Bier- und in die Hopfenwelt verschlagen? Und vielleicht auch ein bisschen, wenn du noch zwei, drei Sachen zu BarthHaas sagst, wie sind die mittlerweile aufgestellt? Das war ja eigentlich mal ein kleiner Nürnberger Laden, der viel Konkurrenz in Deutschland hatte, und mittlerweile ist es der weltgrößte Hopfenhändler. Also das wäre spannend, wenn du uns da noch ein bisschen erzählen würdest.

Thomas Raiser: Gerne, Markus. Da kann ich ganz schön weit ausholen. Aber ich bin ehrlich gesagt sehr überrascht, dass du weißt, dass ich mal etwas Zeit auf Hawaii verbracht habe. Das sind schon Details meines Lebens. Aber ich fang mal am Anfang an. Also ich komme auch aus einer Hopfenhandels-Familie. Nürnberg war eigentlich zum Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts Dreh- und Angelpunkt des europäischen Hopfenhandels, ein wichtiger Marktplatz, geografisch günstig gelegen zwischen den Anbaugebieten in Böhmen, den Anbaugebieten rund um Nürnberg, Hersbruck und Spalt, und dann auch zu Hallertau. Und damals gab‘s sehr viele kleine Hopfenhandels-Unternehmen im Nürnberger Raum, unter anderem das meiner Vorfahren, aber auch die Firma Barth kommt aus der Zeit und aus dem Nürnberger Umland. Durch den Zweiten Weltkrieg hat sich die Zahl stark reduziert, aber es gab immer noch eine Reihe von Hopfenhandelsfirmen, die in Nürnberg beheimatet waren. Die dann aber nach und nach verschwunden sind, als sich vor allem die Braubranche in den 80er und 90er Jahren sehr stark konsolidiert hat und immer mehr Großkonzerne entstanden sind, die auch die kleineren Hopfenhändler aus dem Markt gedrängt haben. Meine eigene Familie hat im Jahr 2000 ihr Unternehmen an die Familie Barth verkauft und so bin ich nach zehn Jahren im Unternehmen meines Vaters zur Firma BarthHaas gekommen.

Markus: Wurdest du mitgekauft sozusagen?

Thomas Raiser: Ich wurde sozusagen mitgekauft oder mitverkauft. Ja, das war eine günstige Fügung. Die Firma Barth war damals auf der Suche nach einem neuen Vertriebsleiter und war der Meinung, dass ich da eventuell dazu passen könnte zu dieser Aufgabe. Und so bin ich dazu gekommen. Wie bin ich nach Hawaii gekommen? Das war zur Zeit meiner Ausbildung. Mein Vater hat eigentlich aufgrund seiner Erfahrungen im Hopfenhandel, der schon immer sehr international ausgerichtet war, sehr darauf gedrängt, dass ich eine möglichst breite Ausbildung bekomme, breit im Sinn von, verschiedene Länder und Kulturen kennenlerne und auch Sprachen lerne. Und der hat eigentlich mich dazu animiert, meine Schulausbildung und Universitätsausbildung nicht nur in Deutschland zu absolvieren, sondern etwas internationaler auszurichten. Ich habe in den USA studiert nach meinem Abitur und wollte dann eigentlich noch eine Erfahrung in Asien sammeln. Und da bin ich auf einen Studiengang gestoßen, der von der Universität von Hawaii angeboten wurde, und zwar ein halbjähriges Vorbereitungsstudium auf Hawaii und dann ein halbjähriges Praktikum in Japan. Hawaii war damals und ist immer noch ein Treffpunkt der asiatischen und der westlichen Kultur, sehr stark von Japan geprägt. Das war eigentlich eine optimale Vorbereitung, um dann nach Japan zu gehen und die japanische Kultur und auch Sprache etwas mitzubekommen. Das war also der Hintergrund meines Aufenthaltes auf Hawaii. Und ja, das hat mich auch ganz gut vorbereitet für das Hopfengeschäft, das wirklich sehr international agiert. Aus den zwei großen Anbauländern Deutschland und USA wird Hopfen eigentlich weltweit geliefert, verkauft. Und wir haben es wirklich mit allen Ländern zu tun, in denen Bier hergestellt wird.

Markus: Spannend! Das fand ich jetzt wirklich recht interessant. Und auch wirklich interessant, dass der japanische Einfluss da ja auch immer noch ziemlich stark zu sein scheint. Ich habe noch eine andere Frage, und zwar haben wir vor genau fünf Monaten mit dem Florian Perschel gesprochen und da ging‘s ja gerade los mit dem Thema eben Lockdown und so weiter. Und da habt ihr ja diese tolle Aktion ins Leben gerufen, dass ihr praktisch Hilfe für die Hopfenpflanzer gesucht habt an Leuten, die dann eben helfen, den Hopfen anzuleiten und auf den Feldern eben alles richtig einzurichten. Kannst du da vielleicht kurz ein bisschen erzählen: Wie hat das denn funktioniert? Haben die euch wirklich geholfen? Und ist da jetzt ein Ergebnis zu sehen?

Thomas Raiser: Ja, danke für die Frage. Also wir waren wirklich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft, die hier den Hopfenbaubetrieben gezeigt wurde. Wir waren damals wirklich vor der Frage gestanden, wie können die Hopfenbauern, die Arbeitsspitze, die im April entsteht, wenn der Hopfen angeleitet werden muss. Das ist die Phase, wo die ersten Triebe aus dem Boden kommen und man diesen Trieben zeigen muss, wo sie hinwachsen sollen. Man muss die also zwei-, dreimal um den Draht, der bereits aufgehängt ist an dem Gerüst im Uhrzeigersinn herumwickeln, damit dieser Trieb dann weiter diesen Draht hochwächst. Und die schwächeren Triebe müssen abgeschnitten werden. Das ist Handarbeit, da gibt’s noch keine mechanische Lösung dafür. Und nachdem die ganzen Arbeitskräfte, die meist aus Polen kommen, nicht einreisen durften oder auch nicht wollten, aus Angst, in Quarantäne zu kommen, haben wir diesen Aufruf an die Allgemeinheit gerichtet und gesagt: Studenten, Schüler dieser Welt oder Deutschlands, helft uns bitte, helft unseren Betrieben, unseren Lieferanten, diese wichtigen Arbeiten im Frühjahr zu bewerkstelligen. Und die Rückmeldung war phänomenal. Wir haben neben diesen typischen Zielgruppen Studenten auch zum Beispiel viel Zuspruch von Brauereien bekommen, die uns mit ihrem Personal, mit ihren Auszubildenden unter die Arme gegriffen haben. Und wir haben dann letztendlich die Vermittlung übernommen zwischen den Interessenten und den Anbaubetrieben. Und das hat ausgezeichnet funktioniert. Das ist keine ganz einfache Arbeit, das muss man auch erst mal lernen. Sicherlich war die Produktivität vielleicht nicht so groß wie bei einer Kraft, die das schon vier, fünf Jahre gemacht hat, aber die Arbeiten wurden im richtigen Zeitfenster abgeschlossen und das gute Ernteergebnis, das wir jetzt einfahren können, ist dank dieser Hilfsaktion zustande gekommen. Also das war wirklich toll, wie viel Personen, Leute hier Solidarität und Hilfe angeboten haben und gezeigt haben.

Markus: Da nutzen wir doch die Gelegenheit, denen mal gleich auf diesem Wege ein herzliches Dankeschön zu sagen. Wunderbar! Ja Holger, was hast du denn für ein Bierchen?

Holger: Unbedingt! Also bevor ich mein Bierchen verrate, noch auch von mir eine Frage. Ich kann mich entsinnen, du hattest, glaube ich, mal in der Süddeutschen oder so gesagt, 2019, letztes Jahr: Mensch! Wenn jetzt nochmal so eine schlechte Ernte kommt, dann wird es wirklich knapp mit der Menge. Und die Ernte ist jetzt so gut, dass das alles wieder ausgeglichen wird? Oder gibt es immer noch die Herausforderung, dass es so nachhängt, weil eben die Jahre zu 2018 und 2019 nicht so ertragreich waren?

Thomas Raiser: Wir hatten tatsächlich in den letzten fünf Jahren, wenn ich jetzt mal den Zeitraum 2015 bis 2019 betrachte, sehr schwierige Anbaubedingungen. Es war tendenziell immer zu heiß und zu trocken. Und das ist gar nicht gut für den Hopfen. Das ist zwar ganz gut für den Bierkonsum, aber für das Hopfenwachstum eher schädlich. Und die Hopfenwirtschaft ist eigentlich in den letzten Jahren der Nachfrageentwicklung hinterhergelaufen. Man hat immer wieder Flächen ausgeweitet, aber die teilweise schwierigen Bedingungen haben zu unterdurchschnittlichen Ernten geführt. Wir waren tatsächlich immer in einer strukturellen Unterversorgung. Das hat sich mit der Ernte 2020 jetzt komplett gewendet. Auf der einen Seite haben wir dieses Jahr günstige Anbaubedingungen gehabt und wir erwarten eine leicht überdurchschnittliche Ernte. Und haben natürlich jetzt auch das Problem der Auswirkungen der Lockdown-Maßnahmen, die vor allem die Gastronomie und Eventbranche sehr stark getroffen haben, auch Sportveranstaltungen, die ausfallen. Wir rechnen intern in unseren Modellen mit einem weltweiten Rückgang der Bierproduktion von irgendwo zwischen 8 bis 12 % bei einer gleichzeitig sehr guten Ernte. Wir gehen im Moment davon aus, dass der Markt dieses Jahr überversorgt ist.

Holger: Oh, sehr spannend. Mein Gott, also das ist ja wirklich ein Auf und Ab. Und da muss man sich als Handelsunternehmen ja auch irgendwie drauf einstellen. Sehr schwierig. Was habe ich mir für ein Bier ausgesucht? Naja, im Prinzip ganz einfach. Ich lebe ja in München und hier wäre ja das größte Volksfest der Welt, aber es ist ja auch abgesagt. Und aus dem Grund habe ich mir einfach ein Oktoberfest-Bier herausgesucht, um das ein bisschen zu feiern, dass es doch irgendwie hier in der Stadt so viele Orte gibt, wo das Oktoberfest eine große Rolle spielt. Wir haben hier eine Gastronomie-Wiesn, also jeder hat sich irgendwas überlegt und alle sind trotzdem in Tracht da und so. Also irgendwie ist es doch so, dass man in der Stadt merken kann, alle vermissen dieses Fest. Ich mach‘s mal auf. Ihr dürft dann raten, was es für eins ist.

Markus: Eins von sechs.

Holger: Eins von sechs. So! Das ist natürlich kein total hopfenbetontes Bier, hat aber durchaus, ich trinke es mal, ja, also sehr schön, also einen ganz vollen, schönen Körper, und es hat ein sattes Goldgelb. Ist eigentlich ein ausgewogener Geschmack zwischen Malz und Hopfen. Es sind so leichte Aromanoten zu erahnen, so Hopfen-Aromanoten. Aber natürlich ist der Malzkörper voll im Vordergrund. Es ist einfach ein süffiges Oktoberfest-Bier. Und jetzt seid ihr dran.

Thomas Raiser: Oh, du willst es noch genauer.

Markus: Wenn es eher dunkler ist, dann würde ich mal aufs Augustiner tippen.

Holger: Nein! Das ist in dem Fall falsch.

Markus: Okay! Dann bist du dran, Thomas.

Thomas Raiser: Ist es denn ein Vertreter der typischen Wiesn-Festbiere? Oder es gibt ja auch andere Brauereien, die in dieser Zeit Festbiere machen.

Holger: Nein! Es gibt ein sehr großes Festzelt und es ist eine Brauerei, die nicht mehr typisch münchnerisch ist, aber in jedem Fall aufs Oktoberfest gehört.

Thomas Raiser: Ja, also das Löwenbräu ist nicht dunkel, glaube ich, wenn ich es richtig im Kopf habe.

Holger: Das Löwenbräu ist es auch nicht.

Thomas Raiser: Nein, ist es nicht. Also dann würde ich noch eher auf Paulaner tippen.

Holger: Genau richtig. Genau richtig. Ich habe mich fürs Paulaner Oktoberfest-Bier entschieden, weil mir das dieses Jahr ehrlich gesagt am besten schmeckt. Also bei den Oktoberfest-Bieren liebe ich in der Tat so die süffigen Biere und da ist oft dann auch Spaten so mein Liebling. Aber in dem Jahr finde ich, ist es das Paulaner geworden, das finde ich wirklich ganz großartig. Aber alle Oktoberfest-Biere sind zu empfehlen. Also alle geben sich auch wahnsinnig Mühe. Das kann man wirklich so sagen. Jede Brauerei hier und alle Braumeister, die beteiligt sind, die geben alles, weil das einfach auch eine Frage der Ehre ist. Und ich würde vielleicht sogar behaupten, dass die Oktoberfest-Biere vielleicht sogar die besten Lagerbiere der Welt sind, wenn man sie hier frisch genießt und dann auch noch den Festplatzcharakter dazunehmen darf.

Markus: Da bin ich mal gespannt. Ich habe übermorgen ein Tasting, wo ich die auch alle sechs verkosten darf, und dazu noch so ein paar Spezialitäten wie den Triumphator. Das wird auf jeden Fall ein lustiger Abend. Und dann kann ich dir sagen, ob ich das Paulaner auch am besten finde. Auf jeden Fall ist es das, was am meisten getrunken wird. Das ist ja auch schon mal spannend. Ich habe auch noch eine Frage an den Thomas, angeknüpft an das, was du gerade gesagt hast, nämlich dass wir einerseits mehr Hopfen haben, andererseits weniger Bierkonsum. Dafür kriege ich auf der anderen Seite mit, dass es jetzt neue Getränke gibt. Also einerseits so eine Art Hopfenwasser, also Wasser mit irgendwie Hopfen aromatisiert als Getränk, als Limonade in verschiedenster Form, das scheint zuzunehmen. Und auf der anderen Seite kommt aus Amerika diese ganze Hard Seltzer Geschichte, wo es im Grunde darum geht, auch wieder Wasser mit Alkohol und irgendwelchen Aromastoffen zu versetzen. Ist denn das nicht beides auch ein Feld, wo der Hopfen sich dann ein bisschen austoben kann, wenn er schon beim Bier nicht mehr so nachgefragt wird?

Thomas Raiser: Das ist ein Thema, Markus, das uns unheimlich interessiert und an dem wir arbeiten. Wir wollen auch dieses Jahr auf der BrauBeviale, die ja stattfinden wird nach bestem Wissen und Gewissen und aktuellem Kenntnisstand, sowohl eine Hopinade oder Hopinade (englisch gesprochen) als auch ein Hard Seltzer, das mit Hopfenaromen verfeinert ist, vorstellen. Das ist aber wirklich in den Anfangs- und Kinderschuhen. Die Mengen, die da im Moment in diese Richtung verbraucht werden, sind verschwindend gering und machen im Hopfenmarkt in der Hopfennachfrage noch keinen nennenswerten Unterschied. Aber wir arbeiten da sehr stark dran und halten das für sehr wichtig, dass wir uns neue Märkte für Hopfen erschließen, die über das klassische Bier hinausreichen.

Markus: Da sind wir mal gespannt, wie sich das entwickelt. Ich habe vor, glaube ich, einem Jahr oder anderthalb Jahren in Brasilien mal eine Hopfen-Limonade probiert, die schon wirklich sehr weit war. Also die beste zumindest von der Intensität des Hopfenaromas, die ich bisher probiert habe. Da bin ich mal gespannt, was ihr auf der Messe dann präsentieren werdet. Was mich auch noch interessieren würde, wir haben in unserem Online-Biersommelier-Kurs dieses Jahr auch mit euch zu tun gehabt, weil wir mit den Leuten auch live Hopfenstopfen geübt haben, und kamen dabei auch auf die Hops Academy. Das ist ja ein bisschen so ein neues BarthHaas Baby, wenn ich das richtig sehe. Wie kamt ihr denn auf die Idee und wie hat sich das dann so entwickelt?

Thomas Raiser: Die Hops Academy ist ein BarthHaas Baby, das beschreibt‘s ganz gut. Die Erkenntnis, dass Wissen über Hopfen, wie Hopfensorten entstehen, wie Hopfen behandelt wird, die ganze Wertschöpfungskette, die hinter sozusagen einem fertigen Hopfen-Pellet steckt, dass dieses Wissen relativ dünn gestreut ist in der Braubranche, die kam uns eigentlich schon lange. Und wir haben oft mit Kunden gearbeitet und versucht, etwas Verständnis und Wissen bei unseren Kunden zu wecken. Bis wir gesagt haben, wir müssen das eigentlich institutionalisieren und wirklich ein festes Kursangebot ins Leben rufen. Und das hat zur Gründung der BarthHaas Hops Academy geführt vor neun Jahren. Und das läuft ausgesprochen gut, wir haben unheimlich viel Zuspruch. Denn der Wunsch, mehr über Hopfen zu erfahren und wie man den Hopfen im Brauprozess einsetzt, um eben diese ganzen Geschmacksaromen, die wir heute schon angesprochen haben, zu erzeugen, dieser Wunsch ist unheimlich groß. Und sowohl bei den Biertrinkern als auch bei den Brauern. Unserer Meinung nach kommt das Thema Hopfen in der Ausbildung der Brauer zu kurz und wir versuchen diese Lücke mit der Hops Academy zu schließen.

Markus: Cool! Das hat uns auch auf jeden Fall gut gefallen und viel Freude bereitet. Holger, wie siehst du das denn? Hopfen, Hopfenausbildung, hast du da auch noch was nachzuholen?

Holger: Natürlich, man lernt nie aus. Mich hat der Hopfen immer absolut fasziniert. Und du hast es ja auch schon gesagt, wenn man bei der Erntezeit jetzt gerade eben durch die Gebiete fährt und so, aber auch, wenn man Bauern besucht und eben sieht, wie der Hopfen getrocknet wird und dass das auch alles gar nicht so einfach ist, dass man sehen muss, er darf nicht zu viel Feuchtigkeit haben, er darf auch nicht zu wenig Feuchtigkeit haben, das muss alles ganz genau richtig sein. Und dann kommt BarthHaas wirklich in die Betriebe und spricht eben von Mensch zu Mensch mit den Bauern und schaut sich die Ernte an und schaut sich eben auch die Prozesse danach an und nimmt Proben. Und man ist ständig im Dialog, und Wahnsinn. Du hast es ja auch ganz zu Anfang gesagt, dass dich fasziniert, wie langfristig da auch eine Partnerschaft aufgebaut wird. Ich kenne das noch aus der Forstwirtschaft, also ich habe auch mal im Vertrieb gearbeitet und hatte in England so einen Kurs, und da war dann auch ein anderer Vertriebsleiter aus Deutschland, und wir haben dann über Planung und Budgetierung gesprochen und der hat dann da so erzählt. Und irgendwie habe ich gedacht, der will dich doch verarschen, also der will dich doch verarschen. Und dann sage ich irgendwann: Hör mal zu, pass auf! Ein Quartal sind drei Monate, oder? Und er sagt dann: Nein! Ein Quartal sind 25 Jahre. Und das war der Vertriebsleiter von Faber-Castell. Die machen ja Bleistifte, und der Baum muss ja erst wachsen, wo der Bleistift rauskommt. Wo der dann so erzählt hat, das war also genau in die gleiche Richtung. Die müssen auch sehr langfristig planen, um ihre Rohstoffe zu bekommen, um dann hinterher überhaupt was zu verkaufen zu haben. Und insofern, ich sag mal, Bier ist ja eines der tollsten Themen der Welt und eben so vielseitig, und letzten Endes natürlich auch durch die Rohstoffe, die das Bier beinhaltet. Und da ist der Hopfen natürlich ganz entscheidend, absolut entscheidend. Obwohl ich auch sagen muss, die Hefe ist nach wie vor unterbelichtet. Wenn ich das mal sagen darf so ganz offiziell in so einem BierTalk. Also die Hefe, meines Erachtens, da könnte man auch noch sehr viel entdecken, vielleicht sogar auch so ein bisschen so eine Boomphase auslösen, wie wir das beim Hopfen auch erreicht haben. Also vor zehn Jahren, weiß gar nicht, da gab es, ich weiß es nicht, Thomas, du wirst es besser wissen, aber in jedem Fall ein Bruchteil von den Hopfensorten, die wir jetzt haben. Und das, was sich da entwickelt hat, ist schon sehr beeindruckend.

Thomas Raiser: Ja, da kann ich kurz was beitragen dazu. Du hast vollkommen recht, die Anzahl der Hopfensorten ist stark gewachsen, das Interesse an neuen Sorten ist natürlich auch viel, viel größer als früher. Ich kann’s etwas simplifiziert zusammenfassen. Als ich anfing in der Branche in den 90er Jahren, war die Frage in erster Linie, helft mir, wie es noch ein bisschen günstiger geht, wie kann ich weniger für meinen Hopfen ausgeben oder Hopfen einsparen. Heute dreht sich alles um die Frage: Wie bringe ich durch den Hopfen interessante Geschmacksnoten ins Bier? Und das ist natürlich für jemanden, der sich mit Hopfen beschäftigt und mit Leib und Seele lebt, eine tolle Entwicklung. Ich stimme dir aber zu, in der Hefe ist auch ein enormes Potenzial, und mir wurden da in einem eintägigen Kurs die Augen geöffnet, der gezeigt hat, wie man sozusagen durch eine kleine Nachgärung von fertigen Bieren die Geschmacksrichtung komplett verändern kann von einem Bier. Und das ist beeindruckend und auch ein Thema, das uns in unserer Forschung interessiert, das Zusammenspiel zwischen Hopfenaromen und Hefen. Und da ist sicher noch sehr viel Musik drin.

Markus: Könnte man quasi sagen, Hefestopfen oder so ähnlich.

Holger: In jedem Fall bleibt es wahnsinnig spannend und wir könnten sicher noch länger über alles philosophieren, aber wir haben uns ja ein Zeitlimit gesetzt im BierTalk, und deshalb brauchen wir ein schönes Schlusswort.

Markus: Ja Holger, also eine kleine Sache würde mich noch interessieren, habe ich am Anfang schon erwähnt. Jetzt wird der Hopfen mittlerweile eben auch sehr kreativ verwendet, auch mit neuen Aromen, neuen Aromakomponenten, und ich habe da von euch von BarthHaas etwas getrunken, ich glaube, letztes oder vorletztes Jahr auf der Messe, wo man eben die Holzfass-Aromatik zusammen mit dem Hopfen hatte. Wie kam das denn an und wie geht’s damit weiter?

Thomas Raiser: Wir haben vor zwei Jahren die Idee entwickelt, dass wir gesagt haben, wir müssen oder lasst uns versuchen, die Hopfenaromen mit denen der Holzfass-Reifung zu kombinieren. Und haben ein Produkt auf den Markt gebracht, wo wir Holzspäne und gemahlenen Hopfen zusammen verarbeitet haben, zu einem Hopfenholz Pellet, unter dem Namen ProvOak, Oak für Eiche, weil es Eichenholz ist. Und dieses Produkt bietet ganz interessante Aspekte, weil du im Prinzip eine Fasslagerung nachahmen kannst ohne die Nachteile der Fasslagerung. Als da zum Beispiel wären mikrobiologische Verunreinigungen oder Verlust von Kohlensäure durch undichte Fässer und so weiter und so fort. Das erlaubt also die Möglichkeit, diese fassgelagerten Aromen ins Bier zu bringen, ohne dass ich ein Holzfass dazu verwenden muss. Und wir haben uns das ehrlich gesagt ein bisschen aus der Weinbranche abgeschaut, wo es ja auch durchaus üblich ist, Wein auf Holzspänen zu lagern. Der Markterfolg ist durchaus gegeben.

Markus: Okay! Also kann man das schon kommerziell irgendwie probieren?

Thomas Raiser: Ja, es gibt, allerdings nicht in Deutschland, weil wir in Deutschland uns mit dem Reinheitsgebot hier ein bisschen schwertun, aber im Ausland das eine oder andere Bier, das mit diesem Produkt hergestellt wird.

Markus: Okay! Da schicken wir doch mal die Hörer auf die Suche, könnt ihr euch mal begeben. Holger, zurück zu dir jetzt aber.

Holger: Naja, also wir brauchen jetzt ein hervorragendes Schlusswort. Und ich kann nur sagen, es war wieder einmal ein unglaublich interessanter BierTalk und es ist einfach toll, wenn man so Fachleute ganz hautnah erleben darf und kann die Fragen stellen, die einem wichtig sind. Und der Markus hat ja heute eben da wirklich Gebrauch davon gemacht. Also ich bedanke mich bei euch beiden für den schönen BierTalk. Mir hat es wirklich sehr viel Spaß gemacht und ich wünsche euch noch einen schönen Tag.

Markus: Danke schön, dir auch!

Thomas Raiser: Auch von meiner Seite, vielen Dank für die Einladung! Hat echt Spaß gemacht mit euch zu plaudern.

Markus: Ja, dann bis bald!

Holger: Tschüss!

Thomas Raiser: Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 15 – Interview mit Prof. Dr. Dorothea Schmidt aus Wien, Autorin von Das Bier in der NS-Zeit

Dorothea Schmidt war lange Zeit als Professorin an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht tätig und erhielt dort den Auftrag, die Geschichte eines der Gebäude der Hochschule zu recherchieren. Dort hatte sich während der Zeit des Nationalsozialismus die „Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft“ befunden, eine der beiden von der Regierung als Ersatz für den aufgelösten Deutschen Brauer-Bund eingesetzten Institutionen. In Ihrer Forschung fand die Professorin viele teils überraschende Fakten rund um das Bier und die Brauwirtschaft in der Zeit des Nationalsozialismus heraus und veröffentlichte mit den Ergebnissen schließlich 2019 ein Buch mit dem Titel „Die Kraft der deutschen Erde“. Im BierTalk – ausnahmsweise ohne Bier – sprechen wir über ihre Ergebnisse und die Rolle der Brauereien und ihrer NS-Vertretungen während dieser 12 Jahre der deutschen Geschichte…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus Raupach: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen BierTalk Spezial. Heute gibt es ein wirkliches Spezial, das heißt, wir werden zum ersten Mal im BierTalk kein Bier trinken. Das geht aber auch nicht, weil wir beschäftigen uns mit der Geschichte des Bieres in den 12 Jahren des Nationalsozialismus. Und dafür haben wir Frau Prof. Dr. Dorothea Schmidt kontaktiert, die zur Zeit in Wien lebt und unter anderem auch ein Buch geschrieben hat mit dem Titel „Die Kraft der deutschen Erde: Das Bier im Nationalsozialismus und die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft“. In ihrem Buch stellt sie sehr viele neue Forschungsergebnisse vor und es wird auch sehr deutlich, wie anders das Thema Bier und Bierwirtschaft in diesen 12 Jahren gelebt wurde als davor und vor allem auch danach. Wir begrüßen jetzt Frau Prof. Dr. Dorothea Schmidt am Mikrofon und freuen uns, wenn Sie sich kurz selbst vorstellen.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ich bin Dorothea Schmidt, ich war ab 1996 Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin und bin auf das Thema Bier dadurch gekommen, dass der Sitz des Präsidiums der Hochschule seit einigen Jahren in einem Gebäude ist, in dem ab 1940 die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft zu Hause war. Und der jetzige Präsident hat mich beauftragt, die Geschichte dieses Gebäudes zu erforschen, und so kam ich zum Bier.

Markus Raupach: Das heißt, selbst trinken Sie eher kein Bier?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Gelegentlich. Ich wohne in Wien und da ist es doch häufiger, dass man Wein trinkt. Aber es gibt auch gutes österreichisches Bier.

Markus Raupach: Wir beschäftigen uns vor allem mit einer sehr schwierigen Zeit auch und ich glaube, wo viele Leute wenig darüber wissen. Wie war das denn überhaupt für Sie, als Sie sich diesem Thema genähert haben? Haben Sie das vorher so erwartet, dass Sie viele Dinge herausfinden, die dann auch schwer zu verstehen sind?

 

Die Sonderrolle des Bieres

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Mich hatte eigentlich vieles überrascht. Ich wusste bis dahin, das ist der allgemeine Stand der Kenntnisse, dass im Nationalsozialismus Konsum sehr niedrig gehalten wurde, dass man versucht hat, alles Geld in die Aufrüstung umzulenken, und die Überraschung war, zu merken, beim Bier war das nicht so.

Markus Raupach: Und das, obwohl die Nationalsozialisten ja auch so eine Ideologie der Alkoholabstinenz und Adolf Hitler hat sich ja selber auch als Abstinenzler dargestellt, hat sich das dann anders gezeigt?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Das Verhältnis der Nationalsozialisten zum Bier und generell zum Alkohol war extrem widersprüchlich. Auf der einen Seite gab es diese Linie, die Sie genannt haben, dass gesagt wurde, im Sinn der Volksgesundheit sollen die Menschen keinen Alkohol trinken. Etwa Hitler hat 1935 beim Parteitag, der eine Rede gehalten hat an die HJ und der dort sagte, wie er sich die deutsche Jugend vorstellt, nämlich die sollten hart wie Kruppstahl sein, flink wie die Windhunde und sollten genau das Gegenbild sein zum deutschen Bierspießer, wie er sagte. Auch sonst gab es häufig solche Äußerungen. Auf der anderen Seite, wenn man sich überlegt, der Beginn der Nationalsozialisten oder der Aufstieg der Bewegung fand in Bierkellern statt, in Münchner Bierkellern, und auch später bei SA und SS gehörte das Biertrinken zu deren Männlichkeitskultur. Sie haben Kontakte zu Lokalen gehabt, die sich dann SA- oder SS-Bierlokal nannten oder -Gastwirtschaft. Es wurde bei vielen Großveranstaltungen sehr viel getrunken, zum Beispiel zumindest am Ende der Reichsparteitage oder bei anderen großen Gelegenheiten, bei großen Festivitäten. Das heißt, das Biertrinken war eigentlich gang und gäbe und entsprach überhaupt nicht diesen Appellen der Partei, sich zu mäßigen.

 

Adolf Hitler als Abstinenzler?

Markus Raupach: Weiß man denn von Adolf Hitler selber, ob er doch Bier getrunken hat?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Er hat sich immer selber als Antialkoholiker dargestellt, und es gibt meines Wissens neuere Forschungen, dass es so eindeutig nicht war.

Markus Raupach: Ich habe zumindest eben gehört, dass wenn man so seine, also er hat, während er in Festungshaft saß, hat er ja Dinge verbraucht und da war eben auch von regelmäßigen Bierlieferungen die Rede. Also irgendwo muss es hingekommen sein, er war ja in Haft, also insofern. Aber gut, wenn wir jetzt dann so die Zeit haben, die Richtung 33 hinführt und dann so dieses entscheidende Jahr der Machtübernahme, sind da denn dann von Seiten des Staates schon Sachen passiert im Hinblick auf Thema Bier und Bierwirtschaft?

 

Die Auflösung des Deutschen Brauer-Bundes

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Naja, so schnell nicht. Es gab ja den Deutschen Brauerbund, der blieb erstmal bestehen, sowie andere Branchenverbände, und der wurde insofern nicht gleich umgestaltet. Der stand damals unter dem Vorsitz von August Pschorr aus München, aber 1934 wurden sämtliche Wirtschaftsverbände aufgelöst und somit auch dieser. Und man setzte die ganze Verbandstruktur neu auf, indem man Reichsgruppen und Wirtschaftsgruppen gegründet hat. Und zu diesen Wirtschaftsgruppen gehörte auch die Wirtschaftsgruppe Brauerei.

Markus Raupach: Und das heißt, die ursprüngliche Funktion des Brauerbundes war dann brachgelegen oder hat die dann auch eine andere Organisation übernommen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Wirtschaftsgruppe Brauerei war insofern eine Nachfolgeorganisation des Deutschen Brauerbundes, als dort die Interessen der Brauer vertreten waren. Das haben die immer gemacht und das Interesse der Brauer als Unternehmer war, es sollten die Umsätze möglichst hochbleiben, also man wollte die Menge des Bieres nicht reduzieren und es sollte die Qualität erhalten bleiben. Allerdings ist ab 1933 eine andere Organisation parallel zu der Wirtschaftsgruppe entwickelt worden und das war die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft. Die war wiederum ein Teil des Reichsnährstandes. Und der Reichsnährstand war eine ganz neue Organisation. Die Nationalsozialisten hatten ja anfangs oder kurze Zeit, muss man sagen, eine Ständestaat-Idee. Der Staat sollte völlig neu aufgebaut werden nach Ständen im mittelalterlichen Sinn, Stände, also Gruppen, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Meister und Gesellen gemeinsam ihre Interessen vertreten würden. Diese Ständestaats-Idee ist ziemlich schnell gestorben und hat sich eigentlich nur beim Reichsnährstand verwirklicht. Und da war die Idee eine sehr romantische Idee, die Landwirtschaft sollte im Mittelpunkt stehen und von der Landwirtschaft her, also vom Bauerntum her, das ja sehr hochgehalten wurde ideologisch, von daher sollte der ganze Bereich neuaufgebaut werden. Das heißt, die Bauernschaft hätte das Sagen über die Produktion der Rohstoffe, aber auch über alle folgenden Etappen der Wertschöpfungskette, das heißt, über die Brauereien, über den Bierhandel, die Gaststätten. Dieses Verhältnis hat sich in Wirklichkeit nicht so durchgesetzt. Die Bauern hatten keineswegs da das Sagen, also in diesem Fall die Hopfenbauern und die Getreidebauern, sondern es waren innerhalb dieser Verwertungskette letztlich dann doch die Brauereien, die die stärkste Stellung hatten.

Markus Raupach: Wie haben denn die Brauereien und Brauereibesitzer darauf reagiert? Es gab ja zum Teil auch jüdische Brauereibesitzer und es gab sicherlich auch welche, die diese Umstrukturierung generell nicht wollten. Gab’s da Diskussionen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Da müsste man noch näher in die Geschichte der Wirtschaftsgruppe einsteigen. Bei den Brauereibesitzern waren Unternehmer aus jüdischen Familien, von jüdischer Herkunft nicht so häufig. Es gab einen sehr bekannten, das war Hermann Schülein, der in München Vorsitz der Löwenbräu AG hatte, der Vorsitzende dort war. Er war ein sehr anerkannter Braufachmann und wurde sehr bald nach 1933 diffamiert und angegriffen von den Nationalsozialisten und ist dann 1935 auch zurückgetreten von seinem Vorstandsposten und in die USA immigriert und war dort wiederum als Braufachmann sehr erfolgreich. Aber sonst ist mir nicht bekannt, dass Brauereien, die in Besitz von Menschen jüdischer Herkunft waren, dass die sich da irgendwie dazu geäußert hätten.

Markus Raupach: Dann kommen wir doch kurz zu der Hauptvereinigung. Da gab’s den Unterschied, dass die Wirtschaftsgruppe dem Wirtschaftsministerium unterstellt war und die Hauptvereinigung dem Landwirtschaftsministerium, was an sich schon ein bisschen schwierig war wahrscheinlich.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja.

Markus Raupach: Und wie hat man dann versucht, diese Ideologie dann durchzusetzen? Also was hat die Hauptvereinigung dann versucht, den Brauern vorzuschreiben und vielleicht auch den Bauern?

 

Marktregulierung und Brauer-Selbstverständnis

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Hauptvereinigung hatte im Rahmen des Reichsnährstandes die Aufgabe, den Markt zu regeln. Das heißt, sie sollten Mengen und Preise regeln, also kein freier Markt mehr, wie er vorher bestand, sondern die Mengen sollten so geregelt werden, dass der Verbrauch an Hopfen und auch an Braugerste mit anderen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion irgendwie in Übereinstimmung zu bringen war. Das heißt, sie sollten im Grunde bremsen und die sollten auch die Preise kontrollieren. Sie haben das ansatzweise versucht, aber es gab die beiden Ministerien, die da im Spiel waren. Und spätestens mit dem Vierjahresplan von 1936 hatte das Landwirtschaftsministerium eigentlich nur noch sehr wenig zu sagen und das Wirtschaftsministerium hatte die Oberhand, und die haben dann die Preise gemacht. Und interessanterweise sind die Preise beim Bier in dieser Zeit bis 1938 nicht gestiegen, sondern sind gesenkt worden. Das heißt, man hat den Bierverbrauch angekurbelt und keineswegs verhindern wollen.

Markus Raupach: Und für diese Preisfestsetzung war dann nicht mehr der Brauereibesitzer zuständig? Das heißt, der musste quasi nachfragen, wie viel kann ich für mein Bier verlangen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Die Preisfestsetzung erfolgte von oben. Wobei zum Beispiel Bayern hat immer eine Sonderrolle gespielt. Bayern hat immer besonders energisch die Interessen der Brauer und auch der Biertrinker und -Trinkerinnen verfolgt und diese waren natürlich nicht hohe Preise, sondern günstige Preise. Die haben da sehr oft ihren eigenen Weg gefunden und interessanterweise ist ihnen das auch gelungen, etwa auch bei der Braugerste. Aus Bayern kamen Äußerungen, ein Bier mit einer Stammwürze von weniger als 9 %, das nennen wir bei uns nicht Bier. Das kann man nicht Bier nennen, von daher sei das völlig unzumutbar. Das war gegen die Bestrebungen der Hauptvereinigung, die immer wieder versucht hat, ein Leichtbier durchzusetzen, was letztlich nie wirklich umfassend gelungen ist.

Markus Raupach: Die Stammwürze natürlich ein spannendes Thema, wo wir auch nochmal drauf eingehen sollten. Vorher würde mich noch interessieren, in diese Zeit fällt eigentlich auch ein Jubiläum, das normalerweise groß gefeiert wird, 125 Jahre Oktoberfest, 1935. Haben Sie dazu was gefunden? Gab es da schon Einflüsse des Staates auf die Art dieses Festes und auf das Bier und die Preise?

 

Das Oktoberfest 1935

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Es gab Einflüsse insofern, also erst mal, dass das Fest stattfinden sollte, und zum anderen, dass man vor allem die Beflaggung verändert hat. Vorher waren dominant die blauweißen bayerischen Flaggen, und das wurde dann alles ersetzt durch Nazi-Flaggen. Es gab die Umzüge wie auch sonst, aber auch dann mit entsprechendem Nazi-Dekor. Und es sind aufmarschiert auch alle NS-Formationen, die man so kennt, von der Hitlerjugend über den BDM bis zu SS-Formationen und anderen. Getrunken wurde meines Wissens genau so viel wie sonst und die Preise wurden festgesetzt, waren aber relativ günstig. Also man wollte auf keinen Fall denen Schwierigkeiten machen oder das boykottieren, im Gegenteil.

Markus Raupach: Das hat ja auch in den Folgejahren dann stattgefunden bis 1939 und ab dann ging es eben kriegsbedingt nicht mehr. War denn überhaupt eine Verzahnung zu sehen? Sie haben grad schon den Vierjahresplan genannt, also wo man dann wirklich gesagt hat, wir müssen innerhalb von vier Jahren praktisch kriegsfähig sein, sowohl die Bevölkerung als auch die Wirtschaft. Hatte das Auswirkungen auf die Brauwirtschaft, und wenn ja, in welcher Art und Weise?

 

Aufschwung durch Kriegspläne

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Auswirkungen für die Brauwirtschaft waren ausgesprochen günstig, denn in der Zeit ab 1936 nahm sowohl die Aufrüstung zu als auch der Ausschuss der Brauereien. Das heißt, sie sind im Gleichschritt vorangegangen. Und da spielt das Bier eben wieder eine Sonderrolle. In vielen anderen Bereichen der Nahrungsmittel hat es ganz starke Qualitätsverschlechterungen gegeben, beim Brot, beim Fleisch, bei anderen Sachen, auch bei Textilien wurde immer weniger Baumwolle verwendet, weil die ja importiert werden musste, und man hat versucht, sich mit Holzersatzstoffen zu behelfen. Man sagte damals über die Anzüge, aus deutschem Wald, die sollen sehr kratzig gewesen sein. Also in vielen Bereichen Einschränkungen des Konsums, aber nicht beim Bier. Der Bierverbrauch nahm weiter zu und wurde eben durch die niedrigen Preise gefördert, übrigens auch der Verbrauch von anderen Alkoholika, auch von Wein und Schnaps. Die Erklärung ist, man wollte die Menschen bei Laune halten, und beim Bier betraf das vor allem die Arbeiter in Rüstungsbetrieben, das waren damals ganz überwiegend Männer, die ja oft Überstunden machen sollten, um die hohen Anforderungen zu erfüllen. Und die bekamen dann auch immer extra Rationen Bier, also gerade da hat dieser Zusammenhang gut funktioniert, denn das ging Hand in Hand.

Markus Raupach: Ich habe sogar gelesen, dass es Streiks gab, dass die Arbeiter wirklich gesagt haben, wir machen keine Überstunden mehr oder wir arbeiten gar nicht, wenn wir nicht unsere Bierrationen bekommen. Das ist schon krass eigentlich.

 

Streiks um Bier

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Das haben die angedroht. Man weiß diese Dinge, weil Streiks waren natürlich offiziell überhaupt nicht möglich und verboten. Aber das Regime hat ja immer versucht rauszukriegen, wie ist die Stimmung in der Bevölkerung. Da sie die freie Presse inzwischen aufgegeben hatten und die es nicht mehr gab, war die einzige Möglichkeit, darüber etwas zu erfahren, Informanten loszuschicken, die monatlich ihre Berichte abgeliefert haben. Das nannte sich „Meldungen aus dem Reich“. Und die haben dann aus einzelnen Orten berichtet, eben zum Beispiel dort, wo es Rüstungsbetriebe gab, es herrscht Unmut bei der Arbeiterschaft und man droht mit Streik und es müssen jetzt also unbedingt die Bierrationen, was die zur Verfügung hatten, das müsste erhöht werden.

Markus Raupach: Gab‘s denn dann noch eine Konkurrenz innerhalb der Brauereien, was normalerweise in Wirtschaftsbetrieben üblich ist? Oder wurden die da auch so ein bisschen, sagen wir mal, gleichgeschalten?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die Konkurrenz war sehr lebhaft, allerdings die Großen hatten sehr viel bessere Chancen als die Kleinen. Solange der Bierverbrauch insgesamt stieg, war das kein Problem, aber ab 1939, wo es dann doch gewisse Einschränkungen gab oder auch die Menschen weniger Geld zur Verfügung hatten und ein großer Teil der Lieferungen, nämlich ungefähr ein Viertel, an die Front ging, ab da war es dann sehr viel schwieriger, und es kam dann auch zu Betriebsstillegungen, die angeordnet wurden. Die betrafen kleine Unternehmen, von den Großen zum Beispiel Schultheiss in Berlin, die galten als Wehrwirtschaftsbetrieb. Das heißt, sie wurden als nötig angesehen, um den Krieg weiterführen zu können.

Markus Raupach: Sie haben es gerade schon gesagt, es ging dann nach und nach auch ein großer Teil der Produktion an die Wehrmacht. Wie ist das wirtschaftlich zu sehen, war dann die Armee ein Abnehmer von Bier, haben die handelt dafür bezahlt, war das dann auch für die Brauereien ein Wirtschaftsfaktor?

 

Die Wehrmacht als Kunde

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ich weiß das nur von Schultheiss, für Schultheiss war das sicher ein Wirtschaftsfaktor. Ja, die Brauereien wurden genau wie all die anderen Lieferbetriebe bezahlt und hatten da einen sicheren Absatz, das war also für die sicher ein gutes Geschäft. Für die Wehrmacht selber war es eine zwiespältige Sache, die Soldaten so gut mit Bier zu versorgen. Denn auf der einen Seite sah man auch hier wieder, so wie bei den Rüstungsarbeitern, die Stimmung sollte gutbleiben, auf der anderen Seite ein Übermaß an Bierkonsum, barg natürlich die Gefahr, dass die militärischen Fähigkeiten des Soldaten auch leiden konnten.

Markus Raupach: Es wurden mehr und mehr Männer aus den Betrieben abgezogen und damit auch aus den Brauereien. Wie sind die denn damit umgegangen? Hat man dann rationalisiert oder hat man mehr Frauen eingestellt, oder kamen dann auch Zwangsarbeiter in die Betriebe?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Man hat Frauen eingestellt und auch Zwangsarbeiter verwendet, aber interessanterweise in sehr viel geringerem Ausmaß als in anderen Industriezweigen. Das heißt, man hat weniger als in anderen Bereichen die Männer eingezogen, sie waren offenbar weniger leicht entbehrlich. Bei den Brauern waren immer die Betriebskenntnisse, die unmittelbaren Erfahrungen, waren so entscheidend, und das war ein Wissen, das nicht ohne weiteres transferierbar war.

Markus Raupach: Kommen wir nochmal zurück zu dem Thema Stammwürze. Also daran misst man eigentlich die Qualität des Bieres, was jetzt den Einsatz an Malz und letzten Endes das Ergebnis dann an Nährstoffen und Alkohol angeht. Es war auch im Ersten Weltkrieg so, dass die Stammwürze immer weiter reduziert wurde, um halt einfach eine Versorgung zu gewährleisten. Wie ist das denn in der Zeit des Dritten Reiches gelaufen? Also teilweise vielleicht schon vor dem Krieg, aber spätestens dann währenddessen?

 

Der Kampf um die Stammwürze

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Die ganze Zeit von 1933 bis 38 bliebt der Verbrauch an Stammwürze im Großen und Ganzen gleich. Das kann man hier jetzt auch wieder sehen im Vergleich zu den Qualitätsverschlechterungen bei anderen Lebensmitteln. Das heißt, da traute man sich nicht dran. Die Einsprüche der Brauereien, die es immer wieder gab oder der Wirtschaftsgruppe Brauerei, waren offenbar erfolgreich, denn die Hauptvereinigung wollte das natürlich ständig, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Und die Stammwürze blieb sogar bis 1941 noch relativ hoch, also sie sank dann schon leicht ab, es gab mehr Trend zu so etwas wie Leichtbier und weniger Starkbiere, aber richtig stark abgesunken ist der Verbrauch eigentlich erst ab 1943/44, also relativ spät.

Markus Raupach: Und welchen Stellenwert hatte die Versorgung der Brauereien mit ihren notwendigen Gütern auch in den Kriegsjahren? Also hat man da auch Ressourcen darauf verwendet, dass auf jeden Fall die Bierproduktion weiterging oder gab’s da dann auch mehr und mehr Schließungen oder auch zum Beispiel zerbombte Brauereien, haben die dann Unterstützungen bekommen?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Das war im Krieg sowieso schwierig. Über Schultheiss habe ich mehrere Sachen gefunden. Die haben nur gemeldet eben, dass bestimmte Betriebsteile nicht mehr verwendbar waren, ausgebombt waren. Aber es war doch, bei denen jedenfalls, die Produktion so dezentral, dass sie immer das noch verlagern konnten und woanders weiterproduzieren.

Markus Raupach: Ein interessantes Beispiel ist ja die Schultheiss Brauerei in Berlin, wo dann noch eine große Jubiläumsfeier stattgefunden hat. Da haben Sie, glaube ich, auch einige interessante Fakten herausgefunden, oder?

 

Ein Brauerei-Jubiläum mitten im Krieg

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Das Jubiläum war geplant für Oktober 1943 und wurde daher bereits ein halbes Jahr vorher geplant. Und man plante ganz große Umzüge und eine große Opernvorstellung in der Deutschen Oper und einen Empfang mit allen möglichen Honoratioren aus der Baubranche und aus der Wehrmacht und Parteigrößen. Ein Teil dieser Veranstaltungen musste abgesagt werden, also etwa die Bierkutscher-Gespanne, die man geplant hatte. Aber die Feier im Opernhaus fand statt und da waren immerhin 2.000 Plätze zu belegen. Und es gab auch eine Vorstellung von Der Freischütz, das aber war in einer Zeit, im Februar war es der Roten Armee in Leningrad bereits gelungen, den Belagerungsring aufzubrechen. Und ganz wichtig, im Februar die sechste Armee unter General Paulus hatte gegen Hitlers Befehl in Stalingrad kapituliert. Alles das war bei den Spitzen des Regimes bekannt und wird auch der Führungsriege der Schultheiss Brauerei bekannt gewesen sein. Goebbels hatte damals die Bevölkerung im Berliner Sportpalast auf den totalen Krieg eingeschworen, und in dieser Situation, man kann nur sagen, sie haben wirklich beide Augen zugemacht und wollten es nicht sehen, hat die Unternehmensführung von Schultheiss beschlossen, wir machen dieses Fest. Das fand auch statt im Oktober, und im November, also nur wenige Wochen nach dieser großen Feier, wurde die Deutsche Oper ausgebombt. Ein merkwürdiges Ereignis, das eine Realitätsverweigerung zeigt, die einen doch sehr erstaunt.

Markus Raupach: Auch vor dem Hintergrund, dass die bei der Planung des Jubiläums gedacht haben, der Krieg wäre dann eigentlich schon beendet.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja.

Markus Raupach: Also so nach dem Motto, wir haben dann schon gewonnen in einem halben Jahr, vor diesem Hintergrund. Also erstaunlich. Vielleicht noch mal zurück zur Hauptvereinigung. Hat die denn ihren, in Anführungsstrichen, „Job“ überhaupt machen können? Also haben die überhaupt jemals wirklich agiert als Vertretung und auch wirklich dann Dinge durchgesetzt? Weil bisher kam es mir jetzt so rüber, als hätten sie hauptsächlich Dinge gefunden, wo die zwar versucht haben was durchzusetzen, aber letzten Endes immer wieder an der Wirtschaft gescheitert sind.

 

Der Bürokratie ging das Papier aus

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Sie haben unendlich viel Papier produziert und es gibt auch Meldungen darüber, dass sie Papiermangel hatten. Sie konnten gar nicht alle Bescheide, die sie ausstellen mussten, wirklich drucken. Was sie machten, war, dass sie den Brauereien Bezugsscheine zugestellt haben für deren Bezug an Hopfen und vor allem an Braugerste. Und insofern war das ein hochkompliziertes bürokratisches System. Nur die Richtlinien dafür, also in welchem Umfang sie diese Scheine ausstellen sollten, kamen eben nicht von der Hauptvereinigung selber, sondern wurden im Grunde aus dem Wirtschaftsministerium vorgegeben. Von daher haben sie viel getan, aber wenig selbst bestimmt.

Markus Raupach: Gilt das dann auch für die Rohstoffe? Also auch so, was ich gelesen habe, war es so, dass man beim Hopfen eher eine Überproduktion hatte, bei der Gerste eher eine Unterversorgung. Hat man da versucht gegenzusteuern von der Hauptvereinigung aus?

 

Die Regulierung der Rohstoffe

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja. Beim Hopfen hat man von Anfang an eine Überproduktion gehabt, das heißt, man wollte Flächen stilllegen, damit die für andere Zwecke freigemacht werden. Das geschah auch in gewissem Maß. Und bei der Braugerste war das umgekehrte Problem, man hatte zu wenig. Man musste auch relativ viel davon importieren, und Importe waren ja die große Schwachstelle des Regimes, denn Importe waren mit der verfolgten Autarkiepolitik wenig vereinbar. Sobald man andere Länder in Europa überfallen hat, hat man dort aus diesen Ländern Rohstoffe abgezogen und sich angeeignet, aber vorher war das eben nicht der Fall. Das heißt, bei der Braugerste musste die Hauptvereinigung immer jonglieren und schauen, wie sie das hinbekommen. Und die Braugerste stand in Konkurrenz zur Gerste für andere Verwendungen, das war das Problem. Das heißt, die Brauer mussten sich hier durchsetzen gegenüber anderen Nahrungsmittelproduzenten, die eben auch Gerste brauchten, was ihnen aber lange Zeit ziemlich gut gelungen ist.

Markus Raupach: Dazu gehört vor allem auch der Kaffeeersatz, den man dann sozusagen produziert hat aus der Gerste.

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Mhm (bejahend).

 

Die Augen verschlossen

Markus Raupach: Und wenn wir dann ans Ende des Krieges oder die Endjahre des Krieges schauen, wie hat es sich denn da verändert? Hat der Verband darauf irgendwie reagiert, seine Mitglieder vorbereitet, und diese Mängel, die dann natürlich entstanden sind, durch weniger mögliche Versorgung, durch zerstörte Transportwege und so, gibt’s da Sachen, die man nachvollziehen kann, wie die da agiert hatten?

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Das Problem ist, dass man über das letzte Kriegsjahr nicht sehr viel weiß, weil die Hauptvereinigung dann aus ihrem Sitz in Berlin Schöneberg ausziehen musste, weil das Gebäude durch eine Bombe getroffen worden ist. Aus der Zeit danach ist nur sehr wenig Schriftgut überliefert. Aber es gibt einige Briefe, Korrespondenzen, die es noch gibt im Bundesarchiv, und die erwecken den Eindruck, dass die Hauptvereinigung ihre Arbeit weitergemacht hat, als wäre nichts. Aus dem März 45 etwa sind Briefe bekannt, wo die Hauptvereinigung sich mit einem Hopfenhändler auseinandersetzt, und es geht um die Frage, wann wird das geliefert, wie wird das bezahlt? Und es ist wohl die Rede davon, ja, die Transporte sind unterbrochen, es ist schwierig, aber ansonsten hört sich das an eigentlich wie „business as usual“. Also auch da hat man den Eindruck, man wollte es eigentlich nicht sehen, wie schwierig und wie aussichtslos inzwischen alles war. Man hat einfach weitergemacht.

Markus Raupach: Haben Sie auch ein bisschen reingeschaut, wie die Zeit dann im Übergang funktioniert hat, als die Alliierten da waren, was dann aus der Hauptvereinigung geworden ist oder überhaupt aus der Brauwirtschaft, aus der Organisation?

 

Nach dem Krieg

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Der Reichsnährstand ist anders als andere nationalsozialistischen Organisationen nicht gleich 1945 aufgelöst worden durch die Alliierten. Man hat den erst mal noch einige Jahre am Leben erhalten, und zwar deshalb, weil man größere Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln befürchtet hat und die gab’s ja auch, der Hungerwinter 1946/47. Das heißt, die Hauptvereinigung blieb erhalten, aber war unter Treuhänderschaft gestellt.

Markus Raupach: Interessant ist überhaupt, wie die Brauwirtschaft dann weitergegangen ist, weil einerseits viele Betriebe zerstört waren, andere wurden dann abmontiert als Entschädigung, als Reparationszahlungen, und damit im Grunde das Ganze erst mal auf den Kopf gestellt. Dann war überhaupt Bierbrauen verboten, wurde dann erst wieder nach und nach erlaubt durch die Alliierten. Also dann auch noch mal eine andere Zeit. Ihnen auf jeden Fall vielen Dank für diesen Einblick in diese 12 Jahre deutscher Geschichte, wo eben auch das Brauwesen komplett umorganisiert werden sollte zumindest und eine gewisse Trägheit bewahrt hat und dadurch vielleicht auch ganz gut überleben konnte, aber trotzdem schon Repressalien ausgesetzt war, die man sich so eigentlich gar nicht vorstellen kann. Vielen, vielen Dank nach Wien! Vielen, vielen Dank für Ihre Zeit!

Prof. Dr. Dorothea Schmidt: Ja, sehr gerne.

Markus Raupach: Danke.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 14 – Interview mit Michael Schnürle, Ex-Taproombetreiber aus São Paulo, Brasilien

Michael Schnürle kam im Sommer 2020 mit seiner Ehefrau, seinen beiden Töchtern und seinem Hund nach Deutschland – als gebürtiger Brasilianer mit deutschen Eltern und einer großen Liebe für das Bier. In seiner Heimatstadt São Paulo hatte er vor einigen Jahren einen eigenen Taproom namens „BRETT Bierhaus“ eröffnet und mit viel Glück kurz vor dem Beginn der Covid19-Krise verkaufen können. Die perfekte Gelegenheit, den lange gehegten Traum vor allem seiner Frau zu erfüllen und nach Deutschland zu kommen. Nun baut sich der sympathische Gastro-Profi und Hobbymusiker ein neues Leben in der Mainmetropole Frankfurt auf. Im BierTalk geht es natürlich viel um die brasilianische Bierkultur und beispielsweise den einzigen eigenen Bierstil des Landes, das Catharina Sour, doch hören Sie selbst…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks. Heute mal wieder ein Special. Und wir überqueren auch mal wieder einen Ozean, zumindest prinzipiell. Also das werdet ihr gleich noch mitbekommen, warum einerseits ja und andererseits nein. Mit dabei bin natürlich wie immer ich und …

Holger: … der Holger.

Markus: Genau! Also ich, der Markus, wollte ich natürlich sagen. Unser Gast ist eben so ein bisschen in diesem Spannungsfeld der zwei Welten, denn er kommt quasi so ein bisschen aus Brasilien, ein bisschen aus Deutschland. Ist jetzt allerdings hier bei uns, muss sich aber erst wieder so ein bisschen zurechtfinden, was das Thema Bier angeht, aber wird sich gleich ein bisschen vorstellen. Der Michael Schnürle. Was gibt’s denn über dich von dir zu sagen?

Michael Schnürle: Erstmal vielen Dank! Es macht mir Spaß bei euch mitzumachen. Michael ist made in Germany and assembled in Brasil. Ich bin in Brasilien geboren von deutschen Eltern, also deswegen habe ich auch zuerst Deutsch gelernt und dann Portugiesisch, habe aber mein ganzes Leben lang in Brasilien verbracht und bin erst jetzt vor etwas weniger als drei Monaten nach Frankfurt gezogen mit samt Frau und Kindern und der Hund ist auch dabei. In Brasilien war ich an einer deutschen Schule und habe dann Hotelfachschule gemacht in Brasilien, war auch in der Hotellerie beschäftigt, immer als F&B Manager, also Food & Beverage Manager. Habe ich ein paar Jahre lang gemacht und dann habe ich angefangen für Investoren, also Investoren in der Hotelbranche zu arbeiten als Berater, als Machbarkeitsstudien und so weiter. Und das ist eigentlich das, was ich dann die ganze Zeit gemacht habe als Hauptarbeit. Im Mai 2018 habe ich mit einem Kumpel von mir ein Tap House in São Paulo eröffnet. Und da fing eigentlich mein Craftbier-Leben richtig, also ging das richtig in Schwung. Das haben wir dann auch gut geführt und das war erfolgreich. Und wir haben dann auch noch so viel Glück gehabt, grad noch vor Corona haben wir ein Angebot bekommen und haben es sehr vorteilhaft verkauft. Und dann bin ich halt nach Deutschland gezogen und alles, was Bier angeht oder Craftbier hier in Deutschland angeht, interessiert mich.

Markus: Du sprichst von deinem Craftbier-Leben in Brasilien. Jetzt werden einige Hörer vielleicht so ein bisschen Fragezeichen in den Augen haben. Gibt’s überhaupt Bier in Brasilien und gibt’s da überhaupt Craftbier? Was würdest du so jemandem antworten?

Michael Schnürle: Bier in Brasilien ist eigentlich zu 95 % so American Lager ähnlich. Also viel Mais, viel Reis, viel andere Sachen drin. Ein ganz leichtes und eher süßes Bier, was man dann auch eiskalt trinkt normalerweise. Also umso kälter, umso besser. Ich würde sagen, das ist okay, wenn man am Strand sitzt und 35 Grad Sonne hat auf dem Kopf und dann geht so ein Bier gut. Aber es gibt schon eine Craftbier-Szene, die gut wächst. Die ist jetzt auch schon, ich würde sagen, schon fast zehn Jahre alt. Also vor zehn Jahren hat es angefangen in Brasilien. Alles, was in Brasilien anfängt, fängt normalerweise in São Paulo an. Das ist da, wo ich geboren wurde und wo ich auch aufgewachsen und immer gelebt habe. Das ist eine 20 Millionen Stadt, da sind auch viele Ausländer und halt Leute von ganz Brasilien finden sich da zusammen, wie das in so einer Großstadt üblich ist. Und São Paulo ist auch weltweit bekannt als eine sehr starke Gastronomie-Stadt. Man kann in São Paulo von allem versuchen und finden, jederzeit 24 Stunden am Tag. Das ist so wie Los Angeles ähnlich, also eine sehr lebhafte Stadt. Was Gastronomie und Entertainment angeht, also da ist immer was los. Wir haben in Brasilien über 1200 Craftbier-Brauereien. Und nur im Jahre 2019 wurden 320 neue geöffnet. Also das geht jetzt sehr schnell. Jedes Jahr öffnen mehr Craftbier-Brauereien. Man muss schon sagen, das sind nicht alle Craftbier-Brauereien, die ihre eigene Brauerei haben. Also wir nennen das in Brasilien Zigeuner, ich weiß nicht, ob das hier auch so heißt. Die haben ihre eigenen Rezepte, aber haben keine eigenen Brauerei-Anlagen. Die machen das dann halt bei einem Partner irgendwie und erkaufen sich halt eine Zeit in deren Brauerei, wo sie dann ihre Biere brauen und dann auch selber verkaufen und vermarkten. In 2018 waren es 210. Also das wächst, jetzt jedes Jahr kommen 200, 300 neue Brauereien dazu. 80 % von dem Markt liegt im Süden und Südosten von Brasilien. Brasilien ist ja auch so ein riesiges Land, fast 80 % von der ganzen Wirtschaft von Brasilien ist auch im Süden, Südosten. Deswegen ist das auch sehr verständlich.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Also ich habe ja vor Ort, in Blumenau war ich auch schon zweimal beim Bierwettbewerb dort und habe auch viele dieser Biere probiert. Das letzte Mal war ich 2019 da. Und da waren es locker über 1000 Brauereien. Also Brasilien ist der drittgrößte Biermarkt der Welt, das können sich viele in Deutschland gar nicht vorstellen, also nach China und den USA. Also ein richtiges Bierland. Jetzt natürlich alles ein bisschen schwierig mit dem ganzen Corona-Thema. Können wir vielleicht gleich noch mal drüber sprechen. Ich glaube aber, dass der Holger ziemlich durstig ist. Wie sieht‘s denn bei dir aus an der Ecke, Holger?

Holger: Wie immer hast du natürlich recht. Das ist aber trotzdem sehr interessant, euch zuzuhören. Ich war auch schon mal in meinem Leben in Brasilien und habe da natürlich auch die Craftbier-Szene versucht kennen zu lernen. Ich kann nur sagen, auch bei entsprechend großen Wettbewerben, also zum Beispiel dem World Beer Award, haben brasilianische Biere auch durchaus großartige Erfolge erzielt. Ich kann mich sogar erinnern, dass da ein Rauchbier seinerzeit dabei war. Ich habe mich allerdings heute nicht für ein Rauchbier entschieden. Soll ich das mal verraten, was ich mir heute überlegt habe?

Markus: Kannst du gleich machen. Vorher will ich noch einwerfen, dieses Bier aus Brasilien, was du meinst, kommt lustigerweise von einer Brauerei, die sich den Namen Bamberg gegeben hat. Also Cervejaria Bamberg ist tatsächlich auch in der Nähe von São Paulo. Ich weiß nicht, Michael, ob du die kennst?

Michael Schnürle: Ja, die kenne ich sehr gut.

Markus: Der Alexandre Bazzo ist da der Chef. Genau.

Michael Schnürle: Ja. Wir waren sehr gute Partner, würde ich sagen. Ich nenne die immer Partner, also die Bierbrauereien, die mit uns zusammen beim Tap House gleich von Anfang an zusammen waren. Das ist ja immer so eine Sache, wenn man so eine kleine Bar aufmacht, dass die Biere immer frisch sind und dass man kleine und nicht so große Fässer immer gleich kaufen muss und wann man die bezahlen darf und so weiter. Also da war Bamberg wirklich sehr dabei am Anfang und hat uns auch geholfen. Wir haben oft die Biere von Bamberg in unserer Bar gehabt. Obwohl die sind ja eher auf Lagerbiere und Weißbiere spezialisiert. Ales haben die überhaupt keine, soweit ich verstanden habe.

Markus: Ja, also zumindest deutsche Bierstile ist so das Kernthema und der hat ja auch in Bamberg bei Weyermann Praktikum gemacht und hat da auch einige Partnerbrauereien wiederum, mit denen er in Franken dann Collaboration Sude macht. Und spielt halt diese Karte mit Bamberg sehr stark. Also er hat mich jetzt grad vor ein paar Tagen angeschrieben, dass ich ihm so ein paar Tipps geben sollte, weil er unten eine Präsentation machen will über Bamberg. Also durchaus spannend. Und er kämpft sich jetzt auch gerade so durch die Corona-Zeit, weil viele brasilianische Brauereien hauptsächlich Fassbier machen und dort gab‘s ja, soweit ich weiß, mittlerweile sogar mehrere Lockdowns. Und das ist natürlich dann schon heftig für die Gastronomie.

Michael Schnürle: Es war pure Glückssache, dass wir rechtzeitig verkauft haben. Einen Monat später mussten die dichtmachen. Was ich oft gesehen habe und was auch relativ gut funktioniert hat, ist, dass diese Bierbars dann Growlers umgeschaltet haben. Die Kunden haben das dann auch mitgemacht. Da ist man vorbeigekommen, hat sein Growler abgeholt von dem Bier und hat das dann zu Hause verkostet.

Markus: Jetzt müssen wir langsam ein bisschen aufhören, über so viel Bier zu reden, bevor der Holger …

Holger: Ich wollte jetzt gerade sagen, also ihr seid ja wirklich total nett zu mir. Und sagt dann noch so nach dem Motto, wir müssen mal auf den Holgi aufpassen und dann macht ihr einfach weiter, geht zur Tagesordnung über und so, und ich sitze hier. Darf ich jetzt erzählen?

Markus: Ja, ja. Ich habe doch jetzt gerade gesagt, wir denken an dich.

Holger: Ich habe jetzt mir Folgendes überlegt und hatte mir gedacht: Wir gehen eben in ein fremdes Land, und da ist das Lagerbier absolut beherrschend, aber natürlich ist der Craftbier-Markt auch interessant. Und so habe ich mir einen alten Bierstil herausgesucht, der in der Craftbier-Szene dann auch wiederbelebt wird an der einen oder anderen Stelle. Und in dem Fall habe ich mich entschieden für ein Batzen Vienna. Also Batzenbräu ist eine Brauerei aus Bozen in Südtirol, also Norditalien, und das Vienna ist eben ein Wiener Lager. Ich mach‘s jetzt mal auf und schütte es auch ein. Da kann ich jetzt also einfach nur sagen, das hat so eine schöne leicht rötliche Farbe, ganz leichte Kupfernote, aber nur ganz leicht, ganz hell, und hat so eine opale Optik, also ist unfiltriert. Wenn man jetzt also reinriecht, dann sind ganz reichhaltige Malzaromen im Vordergrund, ein bisschen so Toastartiges, so wie man sich vielleicht ein schönes Oktoberfest-Bier auch vorstellt im Geruch. Jetzt trinke ich mal einen Schluck. Genauso, wie man es sich vorstellt. Die Malz-Komplexität, die ist nicht nur in der Nase im Vordergrund, sondern auch im Geschmack. Man hat so einen schönen karamellartigen Geschmack, einen schönen trockenen Abgang, die Malz- und die Hopfennote ist im Nachgeschmack schön da, man hat auch eine leichte Hopfenbittere, die da ist. Also eigentlich ein sehr, sehr schönes komplexes Bier. Und da ist ja auch eben ganz interessant, die Familie Dreher, da hat ja dann der Anton Dreher damals so im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts umgestellt eben auf die untergärige Brauweise, das haben viele gemacht. Und der war halt der erste, der dann eben diesen Lager-Bierstil oder den Wiener Typ entsprechend erfunden hat. Er hat dann irgendwann gemerkt, dass da entscheidend eben die Kühlung während der Lagerung ist. Und hat dann eben riesige Keller angelegt und die dann mit Eis versehen. Also ist ein ganz interessantes Thema. Und ich habe jetzt halt einfach gedacht, das ist genau richtig jetzt, wenn man über Brasilien spricht und die Craftbier-Szene. Und in dem ganzen Land, du hast es gesagt, der drittgrößte Biermarkt der Welt mit 139 Millionen Hektoliter. Da kann man Lagerbier erleben, so wie du es beschrieben hast, Michael, also Menge und eiskalt getrunken. Aber man kann, glaube ich, auch spannende Biere erleben, weil Brasilien dann auch ein Land ist, was eine Kreativität auch lebt. Und die Brasilianer probieren gerne aus und die Experimentierfreude und auch die lokalen Zutaten habe ich damals erlebt und so. Da habe ich dann gedacht, so ein Wiener Lager, das ist so wunderbar.

Markus: Es schlägt für mich auch eine Brücke nach Brasilien in eine andere Richtung, weil ja das Wiener Lager mit den Exilanten aus Österreich-Ungarn dann eben auch nach Amerika gekommen ist und in den USA und dann natürlich auch in Südamerika eine große Karriere als Bierstil hat. Jetzt sind wir aber gespannt, Michael, du hast dir wahrscheinlich eher ein deutsches Bier ausgesucht oder hast du ein brasilianisches mitgebracht?

Michael Schnürle: Ich habe mir vorgenommen, bevor wir verreisen, also raus aus Brasilien, habe ich den Rest des Lagers der Bar noch ausgetrunken, bevor wir verreist sind. Also ich habe …

Markus: Wie viele Tage warst du da im Delirium?

Michael Schnürle: Ich trinke jetzt ein ganz einfaches Bier, das habe ich hier im Supermarkt gekauft, das ist ein Altenmünster Urig Würzig. Also Flaschbier, so ein süffiges Bier. Sehr wenig Hopfen, würde ich sagen, kann man da wenig durchschmecken, eher malzig, süß, also so ein richtiges Sonntagsbier, würde ich sagen, für den ganzen Nachmittag.

Markus: Ja, passt ja auch. Wir haben ja relativ späten Abend jetzt, und ich glaube, da ist so ein schönes „Ins Bett geh“-Bier vielleicht sogar eine sehr, sehr gute Wahl.

Holger: Und die Bügelflasche, und die Bügel Flasche. Das ist …

Michael Schnürle: Genau! Die Bügelflasche, also das muss ich schon sagen, also das finde ich echt cool. Also das haben wir in Brasilien nicht, diese Bügelflaschen. Also ich finde das irgendwie cool, diese Flaschen aufzupoppen, also das Geräusch, das dann kommt, das ist ein Erlebnis, noch ein neues Erlebnis für mich.

Markus: Gibt’s in Brasilien irgendeine Brauerei, die Bügelflaschen hat?

Michael Schnürle: Nein, das sind dann alles importierte Biere. Ich glaube, die werden überhaupt nicht gemacht diese Bügelflaschen in Brasilien, die bekommt man auch gar nicht. Es sei denn, man hebt sie sich selber auf und wäscht sie und benutzt sie dann wieder.

Holger: Was mich jetzt noch interessieren würde, wenn du sagst, ja, das ist einfach süffig und löscht den Durst, und das stimmt ja auch bei dem Bier ganz genau, aber wenn du dir jetzt brasilianische Speisen vorstellst und jetzt dieses deutsche Bier trinkst, was würdest du jetzt brasilianisches Essen dazu kombinieren? Erzähl doch mal, was würde gut passen?

Michael Schnürle: Eigentlich ist es ja so, also diese ganze Vielfalt an Lagers, die es hier in Deutschland gibt, ich will jetzt nicht unhöflich sein und sagen, dass das alles eins und dasselbe ist, weil das ja natürlich nicht eins und dasselbe ist, aber wenn ich zum Beispiel in den Supermarkt gehe und ich habe da 50 verschiedene Biere nebeneinander stehen, die alle eigentlich Variationen von Weißbier und von Lagerbier sind, bei mir kommt das alles so mehr oder weniger sehr ähnlich an. Lager ist halt das weit und breiteste Bier in Brasilien überhaupt. Also das passt eigentlich zu allem, was in Brasilien losgeht. Die Gastronomie ist auch sehr vielfältig, das ist sehr unterschiedlich, wo man gerade ist. Aber nachdem es in Brasilien meistens heiß ist, also warm, richtig warm, dann passt also gutes Lagerbier oft und meistens dazu. Kommt auch vor, dass man halt diese Speisen hat, die dann schon mehr Pfeffer dranhaben oder halt mehr gewürzt sind. Also dann passen natürlich die ganzen Ales, hauptsächlich die IPAs und die ganzen American Pale Ales, und das passt dann auch gut zusammen. Wobei ich sagen muss, dass heutzutage in der Bierszene die meisten Leute dann in diesem Tap House, normalerweise essen die dann Hamburger. Weil das halt das ist, was es dazu gibt. Also ist relativ einfältig dann das Essen, was es zu dem Craftbier normalerweise gibt. Craftbier ist noch nicht in den richtig guten Restaurants ein verbreitetes Angebot in Brasilien. Leider.

Holger: Aber ich habe so in Erinnerung, das Craftbier wirklich teuer ist in Brasilien. Also so 10 Dollar für ein Pint war keine Hürde.

Michael Schnürle: Das kann sein. Kommt drauf an, wo man ist und welches Bier man trinkt. Man muss bedenken, dass wenn man in so Delirium Café geht oder halt diese ganz traditionellen Tap House, die haben dann auch oft importierte Biere. Und die sind dann halt teuer, weil unsere Währung in Brasilien nichts wert ist. Im Moment ist es ja ganz heftig, also 1 Euro kostet über 6 Reals, also das Sechsfache. Wenn man nach Brasilien geht und sich die Preise anguckt, dann ist man als Deutscher erst mal überwältigt, das ist alles teuer, aber wenn man es dann umrechnet, ist es doch nicht so teuer. Es kommt dann drauf an, wann du da warst und wie der Wechselkurs stand. Ich habe darauf aufgepasst, dass unsere Biere, also die Biere vom Fass nicht mehr als 30 Reals der Pint gekostet haben. Das ist weniger als 5 Euro jetzt. Wenn ich jetzt mir hier überlege, was man hier für ein Pint in Frankfurt für Craftbier nimmt, ist das nicht sehr unterschiedlich, oder?

Markus: Ja, das stimmt. Wobei ich meine Reals, die ich zu Hause auch noch habe, tatsächlich, glaube ich, mit 4 zu 1 oder sowas getauscht habe. Da kommen wir dann schon fast an die 10 Euro hin. Aber das das stimmt natürlich, wenn der Kurs so nach unten gegangen ist, ist das natürlich auch krass. Wobei ich auch sagen muss, ich habe auch Freunde in Argentinien und da ist es ja noch viel krasser, was den Währungsverfall angeht.

Michael Schnürle: Genau!

Markus: Das ist ja ganz schlimm.

Michael Schnürle: Und natürlich ist dann auch da dazu zu sagen, also dass sowohl Hopfen als auch ein guter Teil von Malz in Brasilien noch importiert werden. Also Hopfen sowieso und Malz zum Teil auch. Das hängt dann auch alles vom Wechselkurs ein bisschen ab und das ist halt teuer. Also die Vermarktung von Bier in Brasilien ist teuer wegen der Logistik. Die Entfernungen sind ja so groß. Ich kann mich jetzt nicht daran erinnern genau an meine Geografieunterrichte in der Schule, aber ich glaube, der restliche Teil Europas sollte schon locker in Brasilien reinpassen, oder?

Markus: Ich glaube schon. Ja.

Michael Schnürle: Ja, eben.

Markus: Wenn ich mich richtig erinnern kann, habe ich auch so eine Grafik gesehen, allerdings in Brasilien. Aber man hat wirklich gesehen, dass Europa da tatsächlich reinpasst. Das ist schon gigantisch, merkt man auch, wenn man dahinfliegt, fliegt man ja Stunden über den Regenwald. Also das ist schon durchaus beeindruckend. Gott sei Dank noch. Jetzt würde ich aber schnell noch mein Bierchen aufmachen, wenn ihr erlaubt?

Michael Schnürle: Ja, bitte.

Markus: Weil jetzt habe ich nämlich langsam auch Durst, muss ich sagen. Und ich habe in meinem Kühlschrank mal geguckt, was habe ich denn da noch stehen, was ganz Exotisches. Weil ich mir jetzt gedacht habe, okay, da kann man jetzt mal, wenn man quasi nach Brasilien geht, kann man ja mal schauen. Und ich habe da eine schwarze Dose, da steht drauf Carbon Brews und dann 1 IBU, ein Hazy Pale Ale mit 4,7 % und eben 1 IBU. Also heißt, so gut wie gar nicht bitter. Jetzt bin ich mal gespannt, schauen wir mal. Also wie ihr gehört habt, eine Dose, und zwar ordentlich unter Dampf. Schauen wir mal. Jetzt muss ich hier erst mal ein bisschen warten, bis sich das Ganze gesetzt hat. Ach so ja, und es kommt übrigens aus Hong Kong. Also auch ganz interessant, eine Brauerei, wo man jetzt nicht alle Tage lang vorbeikommt. Und hat mir ein Freund mitgebracht. Und wenn man sich das Ganze anschaut, also zumindest das Thema Hazy Pale Ale, ist komplett getroffen. Also man kann fast, nein, man kann nicht durchgucken, also sehr milchig trüb die ganze Angelegenheit. Obendrüber ein relativ grobporiger, aber dichter Schaum. Und es riecht in der Tat sehr fruchtig, so Pfirsich, Maracuja in die Richtung. Mal gucken. Mhm (bejahend). Schmeckt man auch. Und ich schmecke schon eine gewisse Bittere. Also 1 IBU würde ich jetzt nicht sagen, ich würde es eher so in den 20, 25 einsortieren. Aber es ist schmackhaft. Und wenn jemand mal sowas in die Hand bekommt, Carbon Brews aus Honk Kong, dann gerne mal probieren, ist ein sauberes, schönes, sehr fruchtiges und spannendes und auch seltenes Bier. Prost!

Michael Schnürle: Prost!

Holger: Prost!

Michael Schnürle: Markus, vielleicht kannst du mir ja was beibringen wegen IBU. Wir haben öfters ein Gespräch gehabt in der Bar, dass IBUs so eigentlich relativ wären. Das, was man abmessen kann und das, was man dann abschmecken kann, kann eigentlich ganz verschieden sein. Stimmt das?

Markus: Im Grunde ist es eine rein rechnerische Größe. Also es gibt den Hopfen natürlich als Inhaltsstoff und der hat Bitterstoffe. Und dann kann ich ausrechnen, wie viel Kilo Hopfen gebe ich auf wie viel Liter meines Bieres, und habe dann praktisch ein Verhältnis, wenn ich weiß, soundso viel Prozent in meinem Hopfen, 10 % zum Beispiel sind Bitterstoffe, und ich habe dann eben 500 Gramm auf 100 Liter Bier, dann kann ich ausrechnen, wie viel Bitterstoffe ich in diese 100 Liter Bier gebe. Und da kommt dann rein rechnerisch die Bittereinheit dabei aus. Also das ist der rechnerische Wert, und der ist jetzt zum Beispiel bei einem hellen Bier so um die 20, bei dem Pils so um die 30, 35, und kann dann eben bei einem IPA auf 40, 50 und so weiter steigen, bei einem Weizen haben wir vielleicht 10. Also so in diesem Rahmen bewegt sich das. Und der andere Punkt ist aber, dass der Alkohol im Bier die Bittere, also zumindest in der Wahrnehmung, reduziert. Das heißt also, wenn ich ein sehr alkoholhaltiges Bier habe, dann merke ich die Bittere weniger, das heißt, auch dann schmecke ich, wenn ich zum Beispiel ein Pils mit 5 % und 35 Bittereinheiten habe, und dann habe ich ein Pale Ale mit 7 % und auch 35 Bittereinheiten, dann kommt mir das Pale Ale wesentlich weniger bitter vor, weil es mehr Alkohol hat. Also insofern ist es da oft auch eine Frage der Wahrnehmung und dann hat es auch noch was damit zu tun, wann kommt dieser Hopfen in das Bier? Ich kann den im normalen Brauprozess reingeben, dann überträgt sich eben ein gewisser Teil der Bittere, ungefähr ein Drittel. Oder ich kann den zum Beispiel Hopfenstopfen, Dry Hopping sagt man da auf Englisch. Wenn das Bier eigentlich schon fertig ist, dann überträgt sich noch wesentlich weniger von dieser Bittere, aber mehr von den Hopfenölen, weil das Bier dann eben schon kalt ist und die Hopfenöle im Kalten nicht verdunsten oder verdampfen, was sie normalerweise eben im heißen Bereich des Bieres noch tun. Das ist ein ziemlich komplexer Begriff insgesamt, aber die Bittereinheiten sind eher so ein Richtwert, also jetzt weniger etwas, wo ich genau weiß, was ich erwarten kann. Aber 1 IBU auf diese Dose zu schreiben ist schon ein bisschen mutig, muss ich sagen.

Michael Schnürle: Das ist Marketing, würde ich sagen.

Markus: Das glaube ich auch.

Holger: Die Zielgruppe ist ja hier ein Franke und da sind ja IBUs, ganz viele IBUs ganz furchtbar.

Markus: Allerdings! Ja. Aber habe ich es richtig erklärt, Holger?

Holger: Absolut! Du hast es richtig erklärt. Ja.

Michael Schnürle: Also vielen Dank! Ich hatte so eine Vorstellung, aber so richtig erklärt habe ich das nie bekommen.

Markus: Dann haben wir das doch jetzt mal nachgeholt. Das ist doch sehr schön.

Michael Schnürle: Genau!

Holger: Dazu kommt natürlich, dass die Wahrnehmung vollkommen unterschiedlich ist. Man kann ja ein IBU haben mit 85 Bittereinheiten und du hast halt eine schöne Kalthopfung. Die Bittere wird eben durch die Fruchtigkeit des Hopfens so ein bisschen umarmt, eingebunden. Und dann ist Das Empfinden doch wieder weniger, aber du hast trotzdem 85 IBUs. Das ist auch der Grund, warum ich in Verkostungen eigentlich nicht so gerne mit den Werten arbeite, weil sofort so ein Kopfkino anfängt. Dann sagst du halt, ein deutsches Pils hat so zwischen 25 und 35 IBUs und jetzt kommst du mit einem IPA mit 85. Und dann denkt jeder sofort: Um Gottes Willen! Das ist ja mehr als doppelt so bitter wie jetzt ein Pils. Und kann dann aber doch wieder in der Wahrnehmung ganz anders sein. Also ist ein Feld, aber man kann’s errechnen, man kann‘s auch messen, aber letzten Endes ist ja immer derjenige, der trinkt, entscheidend für den zweiten Schluck. Und davon leben wir ja alle.

Michael Schnürle: Mhm (bejahend).

Markus: Es gibt noch eine lustige Geschichte. Der Mikkeller hat ein Bier gemacht mit 1000 IBU. Da hat er halt einfach Unmengen an Hopfen verwendet, um das Bier herzustellen. Und da hat man dann wirklich mal überlegt: Okay! Ist das überhaupt möglich? Weil der Geschmack des Bieres war natürlich bitter, aber jetzt nicht so bitter im Verhältnis. Und dann hat man untersucht und festgestellt, dass es auch einfach eine Sättigung gibt in dem Brauwasser. Das heißt, es kann nur bis zu einer gewissen Menge Bitterstoffe überhaupt aufnehmen und danach kann ich noch so viel Hopfen und Bittere reingeben, das Wasser wird es einfach nicht mehr aufnehmen können. Das ist so, wie wenn du Zucker in deinen Tee tust und irgendwann kannst du halt noch mehr und noch mehr und noch mehr Zucker reingeben, aber er löst sich nicht mehr auf. Deswegen ist es dann rechnerisch eine sehr hohe Bittere, aber real endet das dann irgendwo so bei 100, 120. Da kann man einfach gar nicht mehr Bittereinheiten überhaupt reinkriegen, weil eben das Wasser das gar nicht mehr schluckt. Also insofern ist da dann auch viel Marketing dabei. Wie habt ihr denn die Biere ausgewählt für eure Bar?

Michael Schnürle: Das haben wir wirklich erlernen müssen, als eigentlich spezifisch ich. Ich war dafür verantwortlich. Ich muss schon sagen, also wir haben die Bar geöffnet, ich war dabei eigentlich nur, weil ich dann einen guten Weg hatte, gutes Craftbier für gute Preise zu trinken selber. Es war wirklich ein Lifestyle-Business. So hat es auch dann gut geklappt in dem Zusammenhang. Ich war als Investor dabei, ich hatte einen Partner, der hat das jeden Tag geschmissen, also der war jeden Tag da und hat aufgemacht. Und wir haben auch wirklich jeden Tag gearbeitet von Montag bis Montag. In Brasilien ist das üblich, da macht man am Sonntag nicht zu, das kommt gar nicht in Frage. Also sonntags sind die Leute auf der Straße und wollen essen, trinken, Party machen und wollen sich amüsieren. Und da muss man arbeiten, muss man offen sein in der Gastronomie. Das haben wir dann auch gemacht. Und ich war dann verantwortlich halt, ich sollte die Biere aussuchen, und ich musste dann auch halt die Preise feststellen, also errechnen und den Price Point finden, der dann auch für uns funktioniert. Es ist in São Paulo eigentlich so, wir sind so weit mit Craftbier gekommen, dass in den, sagen wir, durchschnittlichen, also Nachbarschaften, haben die meisten Nachbarschaften schon mindestens eine Craftbier Bar in der Nachbarschaft. Also man kann schon hinlaufen, was in São Paulo schon sehr viel bedeutet. Man läuft hier sehr wenig und fährt sehr viel und sitzt auch oft im Stau. Und wir haben die Bar glücklicherweise gleich bei uns zu Hause um die Ecke geöffnet, damit wir auch selber dahinlaufen konnten oder mit dem Fahrrad oder so. Und wir haben uns dann halt die Biere so ausgesucht, dass die vom Preis her auch funktioniert haben, hauptsächlich. Also wir haben uns fest vorgenommen, keine Biere zu verkaufen, die mehr als 27 oder 28 Reals kosten würden der Pint. Wobei unsere drei festen Biere, also wir hatten ein IPA, ein Lager oder Pils, und ein Weißbier, hatten wir so fest immer. Also das waren unsere festen Zapfen da. Die haben alle 18 Reals gekostet, nur Lager war etwas billiger, so 15 Reals oder so. Weil wir halt gemerkt haben, dass unsere Kunden aus der Nachbarschaft nicht bereit waren, viel mehr Geld auszugeben an einem Pint als diese 27, 28 Reals. Und dann habe ich eigentlich rückwärts gearbeitet, vom Preis aus dann gesucht, welche Biere funktionieren würden und welche Brauereien die besten Biere in dieser Preis-Marge liefern konnten. Und so haben wir die dann ausgesucht. Also wir hatten 8 Zapfen, 8 Taps, von denen hatten wir immer also die 3 festen Taps, und dann die anderen 5 haben wir dann versucht, so oft wie möglich auszuwechseln, also neue Biere daran zu zapfen. Also so oft wie möglich neue Biere dazuhaben, zu bieten. Aber normalerweise war es so, von den 8 Taps waren mindestens 5 Ales. Also der Brasilianer, der Craftbier trinkt, der hat Lust auf Ales. Sowohl IPAs, APAs, die große Mode sind jetzt die Juicy und New Englad IPAs, also diese ganz saftigen IPAs, und Double IPAs und Imperial IPAs. Dunkle Biere haben wir kaum verkauft, als Porter und Stout und so weiter, das war nicht oft der Fall. Also in São Paulo im Winter haben wir das manchmal gemacht. Das sind aber Biere, die schwerer sind zu verkaufen so in einem Tap House. Und wir hatten auch oft Sour Ales. Vielleicht kann der Markus ja mir auch noch was drüber beibringen, oder der Holger, über diese einzige brasilianische Biervarietät da, diese Catharina Sour, ob das wirklich etwas spezifisches Brasilianisches ist oder eigentlich nur eine Berliner Weisse oder eine neue Art von Berliner Weisse. Das hatten wir auch, das kam auch gut an, hauptsächlich bei den Frauen, also unter unseren Kunden. Wir mussten auch den Leuten noch ein bisschen beibringen, was Craftbier ist. Es war oft der Fall, dass die Leute kamen und haben gesagt: Na, Lust auf ein Bier? Und die Leute haben gesagt: Ja, gib mir mal so ein ganz normales Bier. Da haben wir halt mit Pilsen oder Lager angefangen und haben dann ein bisschen raufgearbeitet, APA und mal vielleicht ein Vienna Lager. Halt versucht, die IBUs ein bisschen raufzuarbeiten. Wir haben dann auch etliche Kunden sozusagen ausgebildet. Die waren uns dann auch treu.

Markus: Ja, das klingt doch faszinierend. Holger, soll ich kurz noch was zum Catharina Sour sagen oder magst du?

Holger: Unbedingt! Mach mal!

Markus: Ja, also kann ich gerne machen. Das ist ein Bierstil, und du hast schon zu Recht gesagt, die Basis ist die Berliner Weisse. Das Spannende ist allerdings, dass man die Berliner Weisse genommen hat, wie man sie, ich sag mal, vor 20 Jahren ungefähr in Deutschland bekommen hat. Das ist ein rein kesselsaures Bier, also mit Milchsäure gesäuertes Bier, was in Berlin dafür gemacht worden ist, mit Sirup getrunken zu werden, also mit Waldmeister oder mit Himbeersirup, und gar nicht pur als Getränk. Und da haben dann damals schlaue Köpfe in Brasilien bei den Brauereien gedacht, weil ja auch viele deutsche Wurzeln haben oder zumindest gerne sich an deutsche Bierstile anlehnen wollten, dass sie diese Berliner Weisse nehmen. Aber eben statt Waldmeister und Himbeere, was typische Früchte beziehungsweise Aromen hier in Deutschland sind, haben sie dann eben Früchte aus dem Regenwald genommen, alle möglichen, die da so in Brasilien wachsen, und haben das dann zugegeben nicht als Sirup, sondern als frische Frucht, und dann daraus eben einen neuen Bierstil kreiert in dem Bundesstaat Santa Catarina. Deswegen eben auch der Name Catharina Sour. So seit zwei, drei, vier Jahren sagen die Brasilianer auch, das ist unser eigener Bierstil. Ich hatte da durchaus kleine Diskussionen mit den Leuten unten, als ich bei einem Wettbewerb war. Weil, was ich sehr schade finde, ist, dass eben das, was bei uns bei der Berliner Weisse passiert, dass man die alten Stile wiederentdeckt, und da geht es eben nicht um reine Milchsäureregulierung, sondern da geht’s eben um wilde Hefen, um Aromen, die eben weit darüber hinausgehen. Das haben die in Brasilien gar nicht zugelassen im Wettbewerb für ein Catharina Sour. Und das ist natürlich schade, weil das ja eigentlich der Urbierstil ist. Aber auf jeden Fall eine ganz spannende Geschichte. Und dadurch, dass es eben so viele schöne Früchte und frische Früchte und aromatische Früchte gibt im Regenwald oder überhaupt in Brasilien, gibt’s da ganz, ganz tolle Variationen. Und ich habe eigentlich kaum eins bekommen, was mir nicht geschmeckt hat. Und habe auch die teilweise mit nach Deutschland genommen und hier auch in Veranstaltungen verwendet, und die Leute waren da auch immer total begeistert. Also auf jeden Fall eine coole Sache. Ich glaube, Holger, wir hatten uns auch schon mal drüber unterhalten über überhaupt diese Natur in Brasilien, die halt ganz anders ist als bei uns in Deutschland, wo eben alles am Leben und am Blühen und am Wachsen ist, und eben die Menschen da auch so drauf sind, oder? Hast du doch auch so erlebt.

Holger: So ist es. Also absolut! Das schwappt über auf die Mentalität. Ich bin total begeistert. Ich war da wahnsinnig gern und man muss vielleicht auch noch mal jetzt zum Schluss die wirklichen, also ich weiß gar nicht, ob ich das so sagen darf, die Klassiker. Aber für mich zum Beispiel ist halt so eine Brauerei wie Eisenbahn, das ist so typisch für mich irgendwie. Das hast du ja auch gerade vorhin schon angesprochen, da sind dann halt einfach Auswanderer nach Brasilien gegangen und haben die Bierkultur dann auch mitgenommen. Und dann heißt halt so eine Brauerei Eisenbahn. Und da war ich auch. Also das ist unbeschreiblich. Es ist schon toll, wenn man andere Kulturen auch so kennenlernen kann und sich dann doch sofort verbinden kann, weil eben das Bier dann der gemeinsame Nenner ist, der dann alles wieder verbindet. Das fasziniert mich halt immer wieder.

Markus: Jetzt würde mich zum Schluss noch interessieren, Michael, du bist ja rübergekommen jetzt mit deiner ganzen Familie, mit deiner Frau, mit deinen Kindern. Vielleicht, wenn du uns da noch mal einen kurzen Überblick gibst, wie groß ist denn deine Familie und wie sind jetzt eure Pläne? Oder seid ihr wegen der Corona-Geschichte gekommen? Oder wolltest du allgemein eher dich nach Deutschland orientieren? Oder wie kam das überhaupt?

Michael Schnürle: Ich bin jetzt, ich glaube, 15 Jahre verheiratet und meine frau ist Brasilianerin. Die hat sich eigentlich wahrscheinlich irgendwann vor 15 Jahren mal eine Hoffnung gemacht, ja, ich verheirate mich jetzt mit dem Schnürle, das geht jetzt bestimmt irgendwann bald ab nach Deutschland. Und das ist auch nicht passiert. Ich habe da sehr lange mich gewehrt, nach Deutschland zu ziehen, obwohl sie das immer vorgeschlagen hat oder öfters vorgeschlagen hat. Wir sind zu viert, eigentlich zu fünft, der Hund ist ja auch mitgekommen. Aber ich habe zwei Töchter, die eine ist neun Jahre, gestern neun Jahre alt geworden, und die älteste ist 13 Jahre alt. Sowohl die beiden Mädchen als auch meine Ehefrau, die sprechen noch kein oder sehr wenig Deutsch. Wir haben zu Hause kein Deutsch gesprochen, das habe ich verpasst mehr oder weniger, sagen wir so. Aber die lernen das jetzt, die müssen das jetzt aufholen. Und was uns nach Deutschland gezogen hat, sagen wir mal, also erst mal, ich war geschäftlich, würde ich sagen, an einem Punkt, wo alles in den letzten Jahren ziemlich gut gelaufen ist und ich konnte es mir auch leisten, sagen wir mal, jetzt ein Jahr lang nicht zu arbeiten oder nicht auf ein Gehalt zu arbeiten, sagen wir mal so. Und dann kam dazu, dass wenn man in São Paulo als Erwachsener oder als Ehepaar ohne Kinder gut verdient, ist São Paulo eine richtig tolle Stadt zum Leben. Also was da einem angeboten wird an Gastronomie, an Entertainment, also alles, alles. Es gibt alles und jederzeit bekommst du alles, was du möchtest. Du musst halt nur die Mittel haben und die Zeit haben. Aber für Kinder ist es nicht so eine freundliche Stadt. Also man hängt sehr viel von dem Auto ab, die Kinder mussten morgens in die Schule gefahren werden und dann mittags abgeholt werden und dann in den Club gefahren und dann nachmittags wieder nach Hause gefahren. Die haben für alles von uns beiden, also von meiner Frau und von mir abgehängt, weil sie halt nichts alleine machen durften. Also wir sind dann zum Schluss gekommen, dass wir den beiden Mädels das geschuldet haben, denen zu zeigen, dass es woanders auf der Welt auch anders sein kann. Uns war es wichtig, dass sie lernen halt, mit der Freiheit umzugehen und die auch selber zu erleben. Und das tun sie jetzt auch ganz gewaltig. Wir leben hier in Frankfurt auf dem Riedberg, das ist so ein neues Viertel, und die Kinder sind frei. Also sie fahren mit einem Roller. Das ist für euch eigentlich so selbstverständlich, aber für uns Brasilianer nicht. Also die fahren frei mit dem Fahrrad oder mit dem Roller und die sagen ganz einfach, ja, wir gehen auf den Spielplatz und ich mache mir keine Sorgen, wo sie sind und mit wem sie sind. Also das passt alles. Und der Hund, der hat auch gleich gelernt auf Deutsch sich zu verständigen und so weiter, also der ist auch ganz froh. Also wir haben uns alle sehr schnell eingelebt hier. Die Mädchen bemühen sich jetzt halt Deutsch zu lernen, wobei ich auch sagen muss, es ist schon erstaunlich, wie gut oder wie sehr die deutschen Schulen, auf jeden Fall hier in Frankfurt, darauf vorbereitet sind, Nicht-Deutschsprachige aufzunehmen und denen Deutsch beizubringen. Also das finde ich ganz toll. Also das wäre ja eigentlich nicht unbedingt so selbstverständlich, aber ist es, so ist es. Und das funktioniert dann auch. Also ich muss schon sagen, wir haben bisher nur die Vorteile gesehen rüber zu ziehen. Wir sind nicht vor Corona geflüchtet. Also ich muss schon sagen, wir haben in São Paulo sehr gut gelebt. Ich habe dort ein eigenes Haus, wo wir gelebt haben, ein großes Haus. Okay, wir hatten halt Quarantäne, wir mussten zu Hause bleiben. Aber ich meine, jeder hatte seinen eigenen Computer, wir hatten einen guten Internetanschluss, wir hatten Platz. Uns ging‘s nicht schlecht zu Hause. Also das war kein Problem. Wir hätten das auch abwarten können. Aber es war halt eine gute Gelegenheit, jetzt rüber zu kommen nach Deutschland. Also ich habe bis vor kurzem noch weiterhin für das Geschäft in Brasilien über Internet, also über Homeoffice gearbeitet. Das ist jetzt auch vorüber. Aber bisher habe ich das dann auch machen können. Die Kinder hatten sowieso schon ihre ganzen Routinen aufgegeben. Ich muss schon sagen, also der Umzug war dann schon viel einfacher als im Normalfall, wenn man sich von allem verabschieden muss und alles auflösen muss.

Markus: Klingt zumindest, als würden die Zeichen ja auf gut stehen. Als insofern vielen Dank, dass du uns diesen Einblick gegeben hast in dein Vorleben sozusagen. Und ich denke mal, wenn jemand Interesse hat, mehr über Brasilien oder Kontakte vielleicht auch zu haben oder sowas, der kann sich ja bei dir melden, du hast eine Facebook-Seite und eine Instagram-Seite.

Michael Schnürle: Genau!

Markus: Und die werden wir auch in den Shownotes verlinken vom Podcast, sodass ihr dahinkommt. Und insofern wie gesagt, vielen, vielen Dank für diese schöne halbe, dreiviertel Stunde mit dir und für die vielen Geschichten und Informationen, und auch dafür, dass wir diese Biere zusammen gemeinsam genießen konnten.

Holger: Auch von meiner Seite aus, also war ein spannendes Gespräch, ein spannender BierTalk. Da kann man mal wieder sehen, also wie das Schicksal mit uns allen spielt, oder? Also was verbindet uns? Eben das Thema Bier. Das ist doch großartig.

Michael Schnürle: Genau! Prost!

Markus: Perfektes Schlusswort. Prost! Vielen Dank! Und Tschüss an unsere Hörer.

Michael Schnürle: Vielen Dank! Tschüss!

Holger: Tschüss!

Markus: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 36 – Interview mit Thomas A. Vilgis, Professor für Physik an der Universität Mainz und Autor von BeerPairing

Als kochender Physiker arbeitete sich Thomas A. Vilgis in den letzten zehn Jahren intensiv in die Welt der Aromen und deren physikalische Aspekte ein. Dieser zweite Bildungsweg bescherte uns unter anderem das geniale Buch „BeerPairing“, in dem Vilgis die Aromen des Bieres in verschiedene Klassen einteilt und dabei unter anderem auch die „Bierlücke“ entdeckte. Im BierTalk mit Markus Raupach und Holger Hahn schaut er auf seine persönliche kulinarische Entwicklung zurück und gibt spannende Einblicke in seine aktuelle Forschung. Am besten gefiel den beiden Gastgebern das Fazit des Physikers: „Bier ist Superfood!“

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres BierTalks. Wir sind jetzt schon bei der Nummer 36 angelangt und haben uns natürlich wieder einen besonderen Gast eingeladen. Vorher natürlich am Mikrofon wie immer ich, der Markus, und …

Holger: … der Holger.

Markus: Genau! Und unser Gast ist diesmal eine ganz spannende Person. Man könnte sagen, ein kochender Physiker oder ein Sensoriker oder ein Mensch, der einfach Neuland auch im ganzen Gebiet rund um die Ernährung betritt. Das ist der Thomas Vilgis, seines Zeichens Professor, und wird sich jetzt gleich selber mal ganz kurz vorstellen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Guten Tag! Es freut mich, hier zu sein, und es freut mich auch, an so einem BierTalk einmal teilzunehmen. Wie es Markus auch gerade schon eingeführt hat, ich bin also jetzt nicht der große Bierpapst und auch schon gar nicht der große Bierenner, sondern ich gehe das einfach ein bisschen von meinem Fachgebiet her an und das ist eben die Physik, das ist die Chemie, das sind im weitesten Sinne die Naturwissenschaften, da gehört nun ja auch das Bier dazu, das ich sehr gerne trinke, und mein molekularer Verstand. Das ist für mich immer wichtig, dass man dort einfach die Zusammenhänge erkennt. Und das ist so eigentlich auch mein Leben. Deswegen, auch wenn ich koche, wie es gerade so schön von Markus gesagt worden ist, im Grunde Physiker, auch da ist natürlich das Ziel, immer etwas zu verstehen, was molekülbasiert ist. Also ich tauche ganz tief ein in die Soßen und somit auch in das Bier und schwimme dann drin rum und schaue um mich herum, was sind denn da für Moleküle und was machen die überhaupt mit mir? Also ich bin wie so ein kleines Uboot, das da in allen möglichen Lebensmitteln eintaucht und versuche eben, dieses Molekulare eben besser zu verstehen.

Markus: Das war jetzt schon ganz tolles Kopfkino. Ich habe mir grad schon vorgestellt, wie das Molekül so rumfährt. Aber ein bisschen Understatement ist es doch, denn immerhin gehörst du zu den Personen, die ein Buch zum Thema Bier geschrieben haben, nämlich das Buch BeerPairing, wo du auch die Biere nach ihren Aromen und verschiedenen Kategorien eben ein bisschen aufgeschlüsselt hast und Empfehlungen gibst, was man dann dazu eben kombinieren kann. Und das ist schon ein bisschen Standardliteratur auch für alle Leute, die sich mit dem Thema Bier beschäftigen. Also insofern könnte man vielleicht noch grundsätzlich sagen: Du trinkst schon auch Bier gerne, oder nicht?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ich trinke jeden Tag ein Bier, das ist also für mich immer abends eigentlich der perfekte Einstieg zum Essen. Jetzt trinke ich da nicht gleich eine ganze Flasche, sondern ich teile das Bier mit meiner Frau. Das heißt, das nimmt dann eben den Aperitif ein. Das heißt, da wird eben dann tatsächlich eben der Magen präpariert. Da ist man ein bisschen Nüsse dazu, vielleicht auch mal das eine oder andere, eine Wurstscheibe. Also so wie das sind Frankreich eigentlich auch üblich ist, das haben wir dort immer sehr schön gesehen, weil natürlich immer das Getränk hat auch eine bestimmte Funktion. Also das Bier ist mit Sicherheit auch ein guter Durstlöscher, das gebe ich auch zu. Und grad in Sommertagen und so warmen Herbsttagen, wie wir das jetzt haben, ist das also ein idealer Aperitif. Weil Bier hat natürlich eine großartige Funktion, es ist bitter, es ist leicht süßlich, es dominiert aber doch bitter und es ist natürlich etwas ganz Großartiges, das als Aperitif zu verwenden.

Markus: Holger, jetzt habt ihr was gemeinsam, er trinkt auch jeden Tag ein Bier, oder?

Holger: Ja. Nee, absolut. Also ich sage das ja immer, dass das gesund ist, dass das der Beweis ist, dass Gott uns liebt und so. Und ich bin schon ganz gespannt, weil jeden Tag habe ich ja Glücksgefühle für Gaumen, Auge und Nase. Und jetzt einfach mal molekulare Eigenschaften damit zu verbinden, ja, hört sich spannend an. Mal sehen, was sich da mir noch Neues aufschließt.

Markus: Jeder hat ja ein Bier mitgebracht. Vielleicht magst du anfangen, uns deines vorzustellen?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ich fang mal an mit dem regionalen Bier, das ich hier aus Mainz mitgebracht habe. Das ist also eine kleine Mainzer Brauerei, das ist das Eulchenbier, das ist die Eulchen GmbH. Mit dem Bier hat es eine ganz besondere Bewandtnis, also das ist eigentlich eher nicht so molekular, sondern eigentlich eher emotional, weil einer der Brauer, also der Herr Vogel, das ist jemand, der aus meinem Heimatort kommt, nämlich von der Schwäbischen Alb aus Oberkochen. Und das war eigentlich unser alter Nachbar, also der Vater war unser alter Nachbar, und der war auch dann Förster und Forstbeauftragte in dem Ort. Und sein Sohn hat sich aufgemacht und braut Bier in Mainz. Also ihn verschlug es ähnlich wie mich nach Mainz. Und deswegen ist da auch eine besondere emotionale Bindung da. Und die machen eigentlich ganz ausgezeichnete Biere. Die machen jetzt nicht die ganz absurdesten, verrücktesten Biere mit den wildesten Hopfen und den wildesten IPAs und den bittersten Bitterbieren, sondern das sind eigentlich sehr süffige Biere. Die folgen eigentlich schon ein wenig dem klassischen Bierstilen, wenn auch natürlich mit Abweichungen, dass ein Weizen mehr gehopft ist und all solche Sachen. Zu Anfang der Corona-Krise haben sie sich etwas überlegt, sie machen Rettungsbier. Das ist also ein Kellerbier gewesen, naturtrübes Kellerbier, und da diente der Erlös, als da kostete der Kasten Bier so mit 0,3 Fläschchen kostete 65 Euro. Das ist also ein stolzer Preis. Aber der Erlös ging natürlich zur Rettung der Mainzer Gastronomie, also alle möglichen Gastro-Betriebe haben dann eben einen Zuschuss bekommen, also Wirtschaften und Gaststätten und Restaurants. Und deswegen habe ich das heute mitgebracht. Das ist sozusagen die letzte Flasche aus diesem Kasten. Und ich mache das gerade mal auf.

Holger: Was ja auch sehr schön ist, wenn man Vogel heißt und dann ein Eulenbier macht. Also das finde ich sehr lustig.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das ist mit Sicherheit Zufall gewesen. Und ich schenke das mal ein. Das hat also eine wunderbare Schaumbildung. Das ist also eine große Klasse. Der Schaum, der riecht schon sehr angenehm. Man riecht also tolle, fruchtige Aromen. Also da sieht man schon, dass mit dem Hopfen ein bisschen gespielt wird. Da sind so citrus-artige Aromen. Es ist auch das Bitterhopfige dabei, also eher das Waldige und das Harzige. Wenn man das riecht, dann hat man schon richtig Durst. Und der Schaum ist also kleinporig, fast schon cremig. Das heißt, da ist noch viel eigentlich an grenzflächenaktiven Substanzen vorhanden. Jetzt sind wir schon mitten in der molekularen Welt des Bieres. Der Schaum ist oben großporig, also wenn man von oben ins Glas schaut, dann ist es aber auch dann eher so schon cremiger Schaum, kleinporig. Und insofern bleibt der lange bestehen. Und wenn ich da jetzt ein Schlückchen nehme, dann ist da ein bisschen Restsüße vorhanden. Es ist ein toller Bittergeschmack, das macht sehr viel Freude auf der Zunge. Es hat ein tolles Mundgefühl. Es ist also auch von der Mundfülle sehr angenehm. Und es wirkt, der Bittergeschmack bleibt nicht zu lange auf der Zunge stehen. Man hat also kein zu langes Oral Coating, wie man im Neuhochdeutsch sagt. Also das benetzt die Zunge zwar kurzzeitig, aber nicht zu lange. Also man kann es einfach auch gut zum Essen trinken. Also es ist auch ein perfekter Aperitif. Und man sieht schon, mir läuft immer noch das Wasser im Mund zusammen. Da ist ganz ordentlich was los auf der Zunge.

Markus: Ich weiß nicht, ob du den mal kennengelernt hast, ein Freund von uns, der Dominik Maldoner war eine Zeit lang auch Braumeister beim Eulchen. Da war ich auch mal dort und der hat mir ganz viele Biere gezeigt und also ganz toll. Und ins Weizen habe ich mich am meisten verliebt, muss ich sagen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das ist also auch eines meiner Lieblingsbiere von der Brauerei. Das ist ein bisschen außergewöhnlich, da hat man eben nicht nur diese Banane in der Nase, sondern man hat eben doch noch ein bisschen mehr, auch ein bisschen Citrus, ein bisschen dieses Harzige, ein bisschen auch diese Kräuternoten und all diese Geschichten. Das finde ich immer sehr spannend. Aber trotzdem ist es natürlich ein Weizen geblieben.

Holger: Wenn wir jetzt doch mal quasi in die Physik gehen und noch mal den Schaum betrachten, dann spielt das Glas ja auch eine große Rolle, oder? Wie machst du das denn? Also wie beschäftigt man sich denn dann jetzt mit den Molekülen? Bevor du Biere auswählst, wie geht’s da zu? Ganz normal wie bei mir als normaler Mensch oder doch als Professor der Physik?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Nein, überhaupt nicht. Ich mache das also wie ein ganz normaler Mensch, weil ich bin ja prinzipiell eigentlich schon an Bier interessiert. Das heißt also, wenn es jetzt eine spannende Beschreibung gibt, also ich bin auch ein großer Freund der Craftbiere. Weil das ist natürlich eine total unübersichtliche Lage, so Garagenbiere gibt’s noch und nöcher und man verliert die Übersicht. Aber wenn es da immer etwas Spannendes gibt, ist es natürlich, hat es natürlich etwas, wo man auch nach der Beschreibung geht, wo man natürlich auch nach dem Hopfen geht. Das heißt also, ich schaue mir das Bier einfach an, und es ist natürlich so, dass ich immer das Bier also wie jeder andere Biertrinker oder wie jede andere Biertrinkerin auch auswähle und dann einfach da nachgeht, einfach zu sagen: Was rieche ich da, was sehe ich da in dem Bier? Was schmecke ich da überhaupt? Wie ist die Schaumstabilität? Und all solche Sachen. Das heißt also, diese physikalischen Eigenschaften, die kommen eigentlich immer erst später. Auch wenn man den ersten Schluck genommen hat, dann spürt man einfach auch die Karbonisierung. Das heißt also, man spürt so ein bisschen die Viskosität. Dann spürt man auch so ein bisschen an der Viskosität, also wieviel Restzucker, wieviel Dextrine sind da noch übriggeblieben und solche Dinge. Also wie lange bleiben die auf der Zunge. Das kann man so ein bisschen auch erkennen, also wie langkettig sind, also diese Stärkereste noch, die da übriggeblieben sind. Also die erhöhen ein bisschen die Viskosität, also da zusammen mit der Karbonisierung. Also dann geht’s dann so ein bisschen ab im Kopf, aber das alles fügt sich wieder zusammen zu einem Genussbild. Also wie gesagt, also auch, wenn die Physik da ab und zu mal mit mir durchgeht, bleibt das natürlich immer noch Genussmittel.

Holger: Was würdest du jetzt für ein FoodPairing dazu empfehlen zu deinem Bier? Also was wäre da passend für dich?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Für mich ist da passend eigentlich tatsächlich eben auch eine Wurstplatte. Ich würde dazu, weil das eben auch ein bisschen diese Restsüße hat, würde ich da zum Beispiel auch tatsächlich Münchner Weißwürste dazu nehmen, weil also abgesehen vom Weizen und solche Dinge, weil es eben diese Restsüße hat und mit dem süßen Senf könnte ich mir das gut vorstellen. Aber es geht natürlich auch zu einem Schmorgericht, das eben mit Weißwein oder vielleicht sogar auch mit Bier geschmort ist, wenn es nicht zu bitter ist und solche Dinge. Da kann ich sehr viele Gerichte eigentlich sehen. Ich nehme es gerne auch zum Aperitif, das muss ich mal sagen, weil der Aperitif bei mir immer begleitet wird mit ein bisschen, also wie gesagt, schon Nüsse, geröstete Nüsse, gesalzene Nüsse. Dann ist da immer natürlich die eine oder andere Salamischeibe dabei, auch vielleicht ein Stück rohes Gemüse, und dann brauche ich einfach so ein Getränk, was sich eben zu all diesen verschiedenen Eindrücken eigentlich einfügt. Da eignet sich dieses Kellerbier eigentlich auch hervorragend dazu, weil eben die Bittere betont ist, weil eben die Süße betont ist, weil es nicht so sauer ist und solche Dinge. Das ist eigentlich ein perfekter Aperitif. Aber wie gesagt, es geht auch zu vielen Gerichten. Also auch zu vegetarischen Gerichten mag ich das sehr gerne. Und immer dann, wenn es beim Wein kritisch wird, das ist immer die Frage, also der Wein streikt ja an vielen Punkten. Also jetzt gerade im Sommer, da ist die Tomate also so ein Weinfeind. Das mag kein Wein. Aber die Biere, die kommen mit der Tomate ganz, ganz, ganz toll zurecht. Und das ist dann immer für mich ein Zeichen, also auch zum Tomatensalat darf da ruhig ein bisschen Schinken drin sein, ein bisschen Raucharomen und solche Dinge, kommt dieses Kellerbier auch wunderbar.

Holger: Bier kann man jetzt nicht nur trinken, sondern mit Bier kann man ja auch kochen. Und wäre das jetzt also ein Kellerbier, weiß ich gar nicht, ist das ein Kochbier oder welche Biere wendest du denn, wenn du kochst?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Generell eigentlich, wenn die Papiere nicht so bitter sind, also wenn die Hopfenaromen nachher sich nicht zu sehr in die Soße transportieren, dann sind die eigentlich immer kochgeeignet. Also ich koche gerne mit dunklen Bieren, mit sehr malzbetonten Bieren, weil sich die eben auch, also vor allem das Malz, das Dunkelmalz, das ist ja stärker geröstet, das heißt, man hat dann viel mehr Röstaromen da drin, die eben sich auch, wenn man zum Beispiel an angebratenes Fleisch denkt, ein Schmorgericht mit Rindfleisch, dann eignet sich einfach dieses malzig süßliche Bier noch gut dazu. Einfach darum, weil wenn man das ja köchemäßig korrekt ablöscht sozusagen, also diesen Ablösch-Vorgang, also dieses Kochen mit Bier durchführt, dann ist es ja nicht so, dass das Bier da auf einmal reingeschüttet wird, sondern das wird dann so in Schlucken reingegeben. Also wenn das Fleisch und das Gemüse angeröstet sind, dann kommen ja dieses Fleisch und das Gemüse dann wieder raus aus dem Topf, dann verbleiben dort eben die Reste, die sich an dem Topfboden angehaftet haben. Es verbleibt das Fett, das natürlich voller Aromen ist, genau diese Röstaromen, die eben durch das Gemüse beigekommen sind. Und das Gemüse hat ja auch viel Pflanzenzucker. Das Fleisch ein bisschen Öko-Protein. Also insofern auch ein bisschen Zucker, aber das ist meistens schon Maillard-reagiert. Und dann kommt eben dieses süßliche Bier dazu mit diesem Restzucker und eben dieser Röstaromen. Die Röstaromen reagieren nicht weiter und wenn man das in kleinen Schlugen dazu gibt, dann kann man eben diese verbliebenen Zucker dort noch karamellisieren. Und die haben von der Aromabildung her eine ganz andere Geschichte als eben diese Maillard-Reaktion. Diese Karamell-Reaktionen aus verschiedenen Zuckern, die geben eben eine ganz bestimmte Aromaklasse eben. Die geben dann so ein bisschen das Karamellige. Wenn man jetzt zum Beispiel an gekochten Sellerie denkt, dann riecht der immer so ein bisschen nach Curry, so ein bisschen diese Sellerie-Aromen, die ja auch Liebstöckel mit sich bringt. Dann sind das eher so curryartige Gerüche. Und die werden also hauptsächlich durch so Reaktionen mit verschiedenen Zuckern, das ist jetzt nicht unbedingt die Karamell-Reaktion, die man von einem Haushaltszucker her kennt, sondern das sind Karamell-Reaktionen von anderen Zuckern, die im Bier verblieben sind, längerkettigen Zuckern, auch Grenzdextrinen, diese Verzweigung noch haben von der Stärke, oder auch Pflanzenzuckern wie es eben bei Pflanzen ist. Und die machen eine ganz andere Aromabildung, und die ergänzen sich perfekt zu den Maillard-Reaktionen. Also die eben aus Zuckern und Aminosäuren kommen. Und das verbreitert eben das Aromaspektrum von so einem Schmorgericht ganz gewaltig, wenn man gerade das richtige Bier dazu nimmt. Wenn man da eben, ich sag mal, ein richtiges Bitterbier nimmt, also so ein bitteres Pils, so ein typisches Jever oder was auch immer, dann haben natürlich diese Alphasäuren und eben diese typischen Hopfenaromen keine Chance da zu reagieren, sich zu Aromen umzubauen. Und dann transportiert sich eben dieser Bittergeschmack in das Gericht hinein und das schmeckt nicht allen Leuten. Insofern ist das etwas sehr Spezielles und da muss man ein bisschen vorsichtig sein mit der Dosierung.

Markus: Vielen Dank! Jetzt weiß ich endlich mal, warum das so ist. Ein bisschen erinnert‘s mich auch an ein Gespräch, das ich vor, ach Gott, 20 Jahren oder sowas mit einem Emotionsforscher geführt habe, der sich ganz viel damit beschäftigt hat, wie das funktioniert, wenn sich Menschen verlieben. Und meine letzte Frage an ihn war dann, wenn er jetzt das alles technisch so aufgeschlüsselt hat und weiß, was wie wann funktioniert, ob er sich denn überhaupt noch so richtig verlieben kann. Und da wäre ja jetzt die Frage an dich: Wenn du jetzt immer so beim Kochen oder auch beim Trinken intern schon so ein bisschen analysierst und schaust, warum, wieso und wer und wie, kann man dann noch genießen? Also kann man das ausschalten und sagen, okay, jetzt bin ich mal nur noch Genussmensch? Oder ist das so ein Prozess, der irgendwie einfach immer abläuft?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Dieses molekulare Kopfkino, das passiert, wenn ich die ganze Zeit am Herd beim Prozessieren, sage ich mal, also beim Kochen. Und sobald ich am Tisch sitze mit meiner Frau, dann tritt das ganz gewaltig in den Hintergrund, dann hat man eben diesen schönen dampfenden Teller vor sich, diese schönen Getränke, und dann wird man da also automatisch zum Genussmenschen. Also dann schwelge ich und träume, und wenn es dann so ist, dass ich es gar nicht mehr machen kann, weil man ein ausgebildeter Koch sein muss und Sternekoch und solche Dinge, kann schon sein, dass man dann in die Nähe der Glückstränen kommt. Emotionsreicher kann man das Leben sich eigentlich gar nicht gestalten. Also diese technischen Seiten, diese physikalischen Seiten, die lösen ja auch Emotionen aus. Wenn man zum ersten Mal was versteht, was man noch nie verstanden hat im Leben, das macht einen richtig glücklich. Und ich meine, das ist das Forscherleben, deswegen hat man ja auch hier im Labor Glücksgefühle bei Dingen, die eigentlich völlig ohne Emotion anfangen. Also insofern, das Leben nutzt eigentlich beide Seiten, sowohl die Emotionen als eben auch diese analytischen Seiten und dieses kühle Denken der Physik und der Chemie. Also insofern ist das eine tolle Bereicherung.

Markus: Das ist ja eher sogar eine Verdopplung jetzt sozusagen. Also das macht mich ganz glücklich. Bevor der Holger jetzt auch in seine Glücksgefühle einsteigen darf mit seinem Bier, hätte ich vielleicht noch eine Frage. In deinem Buch sprichst du davon, dass man das Bier in verschiedene Kategorien oder Geschmacks-, Aroma-Kategorien einteilen kann und dass es eine Lücke gibt. Kannst du da ganz kurz einen kleinen Überblick dazu geben?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Die Aromen, die kommen ja irgendwo her, die sind ja nicht gottgegeben und die kommen ja irgendwo her und die kommen immer nur von den Produkten und von den Prozessen. Das heißt also, wenn man jetzt mal ein Bier sieht, ich meine, also das Bier hat eben so drei Standbeine, die eben zum Geschmack und Aroma beitragen. Das ist natürlich zum einen das Malz, das ist natürlich der Hopfen und das ist natürlich die Hefe. Und das ist natürlich gewisser maßen auch das Wasser, aber das Wasser hat ja kein eigenes Aroma. Das trägt also nur über sekundäre Prozesse dann dazu bei. Bei dem Malz hat man einfach den Angelpunkt, also welches Malz nehme ich, nehme ich jetzt Weizen oder nehme ich jetzt Gerste oder was auch immer, oder nehme ich sogar andere Malze, Roggenmalze. Dann habe ich natürlich die Möglichkeit, wie röste ich die. Dann habe ich eine Steuerung, im Prozess eine Steuerungsmethode, wie viele Prozessaromen trage ich da überhaupt rein? Und wenn zu viele Röstaromen hineingetragen sind, das Malz sehr dunkel ist, dann ist die enzymatische Aktivität natürlich nahe bei null. Das heißt, ich muss da noch ein anderes Malz dazugeben, das eben noch eine gewisse Enzymaktivität entfaltet, sozusagen, dass sich diese Schneideprozesse von Stärke und von Proteinen einfach von statten gehen. Und das ist die zweite Schiene, zum einen das Darren und das Rösten gibt die Röstaromen, und eben die Anzahl der Enzyme, die geben eben über das Schneiden von Stärke und von Proteinen natürlich Beiträge für die Aromabildung. Also sprich, eben die Aminosäure aus dem Protein, die sich nachher zum Aroma umbauen, sobald die Hefe ins Spiel kommt. Und die Hefe, die vervespert diese Aminosäuren, baut die zu Aromen um. Das sind dann so prozessorientierte Aromen, die aus der Hefe kommen. Und dann steuert die Hefe natürlich auch sehr viele Fruchtaromen bei, die nicht so lange Bestand haben. Und das andere ist natürlich immer auch der Hopfen. Der Hopfen hat diese ganzen Bitterstoffe zum einen für den Geschmack, aber eben auch die Aromen, die die Hofenblüte mit sich bringt. Das sind dann meistens floralen Aromen, viele Zitrusaromen, dann auch diese harzigen Aromen. Diese Aromen, die habe ich natürlich in diese Klassen eingeteilt, also schon in dem Buch Aroma. Diese Aroma-Klassen, die definieren sich natürlich eben nach diesem Geruchsstoff und wo kommen die her? Also sprich, aus dem Hopfen, aus dem Malz, aus den Prozessen, sprich, Rösten oder Hefen sind solche Dinge. Und da ist also immer genau festgelegt, wo dieses Aroma herkommt. Und da kann eins dieses Bier einfach nicht, das können die wenigsten Getränke eigentlich herstellen, das sind also diese typischen Gewürzaromen, die man eben von Zimt her kennt, von Tonkabohne her kennt, von der Gewürznelke her kennt. Also diese typischen Aromaklassen, die sich eben aus der Struktur-Chemie eigentlich ergeben. Und da hat dieses Bier einfach eine große Lücke in dieser gewürzigen Klasse, also sprich, Zimt, diese Phenylpropanoide, das schafft das Bier einfach nicht. Es sei denn, man legt’s ins getrocknete Eichenfass, oder man räuchert das Bier. Dann hat man einfach diese Aroma-Klasse mit dabei, weil diese Aromaten, diese Phenylpropanoiden natürlich eben aus diesen Hölzern kommen. Die anderen, Getreide, Hopfen und Hefe, die bringen den nicht zustande. Bis auf eine Ausnahme, das ist eben das Schinkenartige, das Rauchschinkenartige, was manchmal diese Weizenbiere haben. Aber das ist nicht nur Gewürzaroma, sondern gehört eigentlich eher zu der Klasse der Aromaten, sprich die Vanille oder das Benzaldehyd bei Mandeln und solche Dinge.

Markus: Also Holger, jetzt kannst du dann mal dein Bier aufmachen und wir gucken mal, ob es auch eine Lücke hat.

Holger: So einfach kann man es jetzt nicht mehr ausdrücken. Du wolltest sagen, ich soll bitte mal mein molekulares und mikrobiologisches Zusammenspiel vorstellen, oder?

Markus: Wenn du das so ausdrücken möchtest?

Holger: Ich mach‘s einfach mal auf. Das ist auch schon ein Prozess aus der Physik, also Hebelwirkung.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Völlig richtig. Gute Bemerkung.

Holger: Absolut und jetzt rein damit. Ich habe natürlich wie immer mir Gedanken darüber gemacht, welches Bier passt natürlich auch zum Talk und zum Gast. Ich habe mich entschieden für was ganz Verrücktes, und zwar für ein Paw Paw Bier. Und das kommt von Batzen Bräu in Bozen. Und Paw Paw ist eine Pflanze, die produziert eine Frucht und die sieht so ein bisschen aus wie eine Mango, wird genannt als indianische oder amerikanische Banane. Ich rieche jetzt mal rein. Wir haben hier so also erst mal natürlich fruchtige Aromen, man hat eine Mango-Note, also die Mango-Note überlagert vielleicht sogar die Bananennote. Es ist so ein richtig schönes, so ein fruchtiges Ale, also ein obergäriges Bier. Hat 5 %. Die Farbe ist so leicht opak-goldgelb, eine Schaumbildung habe ich nicht so eine gute, also kein so fester Schaum. Wenn man es jetzt verkostet, dann sind eben diese fruchtigen Aromen immer noch im Vordergrund, aber man hat auch das Bierige. Es ist so ein cremiges Mundgefühl. Und macht jetzt vielleicht, also weil wir ja auch gerade beim FoodPairing waren, so Lust auf einen schönen frischen Salat. Also das könnte ich mir dazu unheimlich gut vorstellen. Hat eine Bittere auch, die ist auch mit dabei, aber das Fruchtige ist doch sehr im Vordergrund. Sehr zufrieden bin ich damit. Es ist was ganz Besonderes. Muss man mal getrunken haben sowas.

Markus: Ja, auf jeden Fall. Also Batzen Bräu ist sowieso ja immer eine große Empfehlung von uns. Aber der Holger berührt da ja noch einen ganz besonderen Punkt in Bezug auf das Thema Bier, weil natürlich ein Bier mit einer Indianer-Banane nicht unbedingt dem bayerischen Reinheitsgebot entspricht. Hast du dir während deiner Recherchen dazu auch Gedanken machen müssen oder machen wollen oder gemacht?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ja, zum Reinheitsgebot habe ich eine ziemlich ketzerische Einstellung. Mich freut es, dass es das gibt, und mich freut das auch, dass das eigentlich so viel Zuspruch findet. Aber man sollte das nicht zu religiös sehen. Also mich hatte schon mal die Süddeutsche Zeitung gefragt, was ich davon halte. Ich sagte damals, das ist ein Aroma-Verhinderer. Ich war auch immer so ein Freund von Bieren, auch diese Gruit-Biere, ich meine, das finde ich ein großartiges Bier, wo man dann halt durch Kräuter diese Bitterstoffe reinbekommt. Da gab‘s ja noch keinen Hopfen und gar nichts und alles solche Dinge, der Hopfen kam ja erst viel später. Das heißt also, ich bin da sehr experimentierfreudig, wie das so ist. Also ich möchte mich da nicht verschließen, aber wie gesagt, also ich bin da auch kein genereller Ablehner des Reinheitsgebotes. Im Gegenteil, man braucht solche Richtlinien. Aber wie gesagt, wenn man darüber hinausgeht und wenn man da mal auch Zitronenschalen dazugibt oder wenn man da auch mal Koriander dazugibt oder von mir aus auch Röstzwiebeln oder Schinken oder solche Sachen. Als Wahl-Mainzer könnte ich mir auch gut ein Fleischwurstbier mal vorstellen und solche Sachen. Wie gesagt, da bin ich also völlig offen. Das spielt für mich keine große Rolle, ich trinke eigentlich alles. Ich bin also Alles-Trinker und Alles-Esser und insofern schrecke ich auch vor Indianer-Bananen-Bieren nicht zurück.

Markus: Gut, dann seien die dir mal empfohlen. Vielleicht noch an der Stelle, du hast in dem Buch so ungefähr 50, 60 verschiedene Biere dann ja auch wirklich mal aufgeschlüsselt, was ja sehr spannend ist. Wie bist du denn zu der Auswahl dieser Biere gekommen? War das auch ein Prozess oder Zufall, oder?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das Buch, das habe ich mit einem Koch zusammen geschrieben, das ist der Rolf Caviezel aus der Schweiz, den ich schon lange kenne eben aus einer Zusammenarbeit über die Molekularküche. Da haben wir vorher, glaube ich, ein oder zwei oder drei Bücher geschrieben, und dann eben dieses Bierbuch. Und dann haben wir uns einfach überlegt, also was sind spannende Biere. Da sind wir einfach zum Schluss gekommen, also wir sollten Biere möglichst breit auswählen. Es war natürlich auch immer so ein bisschen eine Gratwanderung. Also man macht sich vielleicht keine Freunde, wenn man dann das eine Bier nicht hat und das andere und solche Geschichten. Da haben wir uns dann davon losgelöst, haben dann auch ein paar wirklich sehr spannende Schweizer Biere gehabt. Da fand ich eins besonders spannend, also ich bin ja ein sehr großer Freund von solchen Fichtennadeln- und Harzaromen. Also das schafft der Hopfen natürlich, aber eben nicht in aller Vollendung. Und da gibt’s so kleine Brauerei, also eine Garagenbrauerei, die macht dann einmal im Jahr so ein Radelbier aus Tannennadeln. Und das ist völlig, ich glaube manchmal, da steht man im Wald. Es ist unwahrscheinlich, und solche Dinge haben da natürlich Niederschlag gefunden, auch wenn das wirklich sehr seltene Biere sind, kaum zu bekommen. Aber auch da mal etwas zu kreieren und ein Gericht zu kreieren, aber genauso gut auch die Berliner Weisse und eben auch normale Pils und solche Dinge. Also das war dann Querbeet und dann hatten wir uns einfach überlegt, welche Gerichte kann man da wählen. Weil das ist auch ein bisschen so eine Balance, also die Bierstile sollen variieren, die Gerichte sollen variieren, und da so zwei Welten zusammenzubringen, das war auch so ein bisschen eine kritische Geschichte. Also kritisch im Sinne von Bierauswahl.

Markus: So an sich noch mal die Frage so als Physiker: Wie kommt man denn, wenn man jetzt so Physik studiert, dann zu dem Thema Aromen und Geschmack und Pairing? War das so eine zufällige Entwicklung oder hat es dich schon immer interessiert? Wie ging das?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Geschmack hat mich schon immer interessiert, das muss ich sagen, aber nie von der Wissenschaftsseite, sondern einfach von der Seite des Genussmenschen. Das heißt also, ich habe Zeitlebens eigentlich gerne gekocht. Schon als Kind habe ich damit eigentlich angefangen, bei meiner Mutter zu kiebitzen, sozusagen in die Töpfe zu schauen und sich dafür zu interessieren. Zu dem Europa bin ich eigentlich tatsächlich erst gekommen mit diesem Aroma-Buch. Ich hatte, muss ich auch zugeben, also vor 2009, 2010, als wir mit diesen Aroma-Geschichten anfingen, aufgrund dieses Buchs Aroma hatte ich wirklich null Ahnung. Ich hatte wirklich keine Ahnung von Aroma-Chemie. Ich hatte null, ja wirklich, ich war blank. Das war für mich einfach auch die Gelegenheit, da mal einzusteigen in diese Naturstoffchemie. Mich hatte das zwar immer interessiert, aber ich hatte nie Gelegenheit dazu, auch von der Forschung her nie. Dann hat mich das einfach mal gepackt. Und am Anfang hatte ich mich da wirklich schwergetan. Das heißt, ich habe da wirklich sozusagen im fortgeschrittenen Alter noch mal so ein Selbststudium in diesem Bereich angefangen. Ich habe dann sehr viel Original-Literatur gelesen, also Fachliteratur über diese ganze Aroma-Chemie. Ich habe dann auch ab und zu unsere Chemiker hier im Haus genervt mit dummen Fragen zu diesen Molekülstrukturen und mit dem Aufbau und solche Sachen, zu der Chemie dieser Systeme, dieser molekularen Systeme. Die spielen ja auch in der Polymer-Forschung eine große Rolle. Und insofern musste ich mich da komplett neu einarbeiten, aber seitdem lässt mich das eigentlich nicht mehr los. Weil ich kann da zwar nicht selbst forschen, also aktiv forschen, da fehlen mir einfach die Gerätschaften dazu und die Verfahren und die Analytik. Aber mich interessiert das sehr eben von dem Verständnis her und ich folge da der neuesten Literatur mit großem Interesse und versuche das auch zu übersetzen in die Sensorik, also in dieses Mundgefühl. Und wir machen dann auch ab und zu mal Aroma-Mischungen, also mit diesen Molekülen in Lösungen zu geben, daran zu riechen, solche Dinge zu erfassen. Also insofern lässt mich das Gebiet eigentlich nicht mehr los und ist eine nette Begleitung zur Physik, weil die Physik, die ist ja so multi-skalig, also von Nanometer bis hin zu makroskopischen Welten. Und diese Aromen, die spielen sich eben auf der Nano-Welt ab und dann wird’s eigentlich ganz spannend. Das Bier zeigt das ja auch. Also Bier hat zwar nur immer so zwischen 4, und je nach Stil, 12, manchmal 28 Prozent Alkohol, das heißt, dann können sich die Aromen raussuchen, wo sie da hingehen. Manche Aromen sind eben stark alkoholisch und weniger wasserlöslich und manche Geschmacksstoffe sind natürlich alle wasserlöslich. Das heißt also, hier hat man schon den klaren Unterschied im Bier, wo ist der Geschmack, wo sind eher die Aromen. Das heißt also, welche Rolle spielt eigentlich Alkohol im Bier. Und all diese Fragen kann man dann eigentlich ganz gut eigentlich diskutieren und klären.

Holger: Und dann noch die Temperaturen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Völlig richtig.

Holger: Jetzt ist es so hier bei mir im Raum, der ganze Raum ist voll mit Mango, also unglaublich. Markus, du fehlst, also du musst doch auch noch, was hast du dir mitgebracht?

Markus: Ja, ja. Ich muss natürlich jetzt auch erst mal die Physik walten lassen und die Hebelwirkung anwenden. Und dann mal gucken. Das war jetzt mal die andere Form, nämlich eine Dose. Ich glaube, das habt ihr gehört.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Genau!

Holger: Ja, das haben wir gehört.

Markus: Ich habe mir natürlich auch ein besonderes Bier ausgesucht, allerdings habe ich ein bisschen Rücksicht auf die Uhrzeit genommen und dessen, dass ich heute noch einiges vorhabe. Und habe deswegen ein eher alkoholarmes oder eigentlich sogar alkoholfreies Bier genommen. Das heißt also, leider muss ich jetzt auf die Aromen verzichten, die sich im Alkohol lösen. Aber ich hoffe, es sind noch genügend da, die sich im Wasser gelöst haben. Auf jeden Fall haben wir einen richtig schönen weißen mittel- bis feinporigen Schaum, der auch richtig gut steht. Das Bier selber ist so klassisch sonnengelb, würde ich sagen, fast durchsichtig, also leicht opal. Ich rieche mal rein. Und da haben wir jetzt, ganz interessant, so eine Mischung aus Stachelbeere, Apfel, Banane, ganz, ganz interessant. Ist sehr, sehr schön. So überhaupt auch ein bisschen dunkle Beeren, schwarze Johannisbeere, so dieses Gewürzige auch aus der schwarzen Johannisbeere. Probiere ich mal. Sehr schönes, weiches Mundgefühl. Dann kommen auch diese Früchte wieder und es geht dann über in so eine erst kräftige Bittere, die aber hinten raus sich wieder abschwächt, also gar nicht so lange nachhält. Insgesamt ein schöner weicher runder Trunk. Also toll! Was ist es für ein Bier? Ich war ein bisschen blasphemisch und habe mir gedacht, da muss ich jetzt heute schon irgendwas Besonderes auspacken. Und auf der Dose steht drauf „The King’s Cup“ und es kommt von Mikkeller, und zwar aus Dänemark. Und es ist ein Hoppy Wheat Ale, aber eben alkoholfrei. Das Spannende ist, er hat das speziell und exklusiv gebraut für die Burger King Gruppe. Also das ist praktisch ein Burger King Bier, was es dort auch nur in den Burger King Filialen gibt, und was eben gedacht ist als alkoholfreies Bier zu den jeweiligen Fastfood-Speisen. Also insofern vielleicht für den Molekularkoch ein bisschen blasphemisch, aber auf jeden Fall ein ganz tolles und spannendes Bier. Überhaupt, also ich glaube, dein neuestes Buch, woran du gerade arbeitest oder was jetzt rauskommt, geht ja hauptsächlich ums Thema Ernährung. Spielt da auch sowas wie Fastfood eine Rolle oder worum geht’s da?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Es geht natürlich schon auch um Fastfood. Es wäre kein Buch von mir, wenn es nicht um molekulare Zusammenhänge geht. Und das ist natürlich etwas, was mir am Herzen liegt. Lange Zeit habe ich Ernährung nicht verstanden. Also ich verstehe es auch heute noch nicht. Diese ganzen Studien, die es da gibt, und diese ganzen Ernährungsempfehlungen, die habe ich nie verstanden, wie man da dazu kommt und wie man das eigentlich behaupten kann, dass jetzt das und das gesund ist und das und das nicht gesund ist, und die gesättigten Fettsäuren ungesund und die ungesättigten gesund sein sollen. Und all diese Sachen, das ist natürlich alles in gewisser Weise Meinung. Ich wusste nie, wie man zu dieser Meinung kommt. Und wenn man die Originalarbeiten liest, wie das zustande kommt, dann stehen all diese Meinungen auf sehr schwachen Füßen. Das geht ja zurück auf die 50er, 60er Jahre in den USA und da gab’s nur eine wissenschaftliche Veröffentlichung, die erklärt hat, dass diese gesättigten Fettsäuren eigentlich weder gesund noch ungesund sind, also dass die sich völlig neutral verhalten. Aber das wollte kein Mensch wissen. Wenn man das sich alles anschaut, diese ganzen Ernährungsfragen, dann ist man wieder bei der Physik und Chemie. Denn bevor dieser Stoff, diese gesättigte Fettsäure zum Beispiel, bevor die natürlich, ich sag mal, irgendwo ankommen im Körper, da passiert ja eine ganze Reihe von Dingen. Und dann muss man sich fragen: Wo kommt diese gesättigte Fettsäure auch her? Was hat die für biologische Aufgaben? Also dort, wo sie herkommen, also sprich, in den Pflanzen oder in den Tieren. Und dann kommt man auf ganz andere Ideen. Das ist also in diesem Buch eigentlich gemacht worden, dass man versucht, das molekulare Verständnis dafür zu entwickeln, also was solche gesättigten Fettsäuren eigentlich machen. Weil wir brauchen die natürlich auch in Massen, deswegen stellt sie unser Körper auch en masse her. Wenn wir also nur noch ungesättigte Fettsäuren essen würden, dann wird unser Körper umso mehr herstellen. Das heißt also, er braucht sie einfach auch für die Membranen unserer Zellen, weil dort eben mit diesen Fettsäuren die Biege-Energie eingestellt wird. Und warum haben Pflanzen mehr ungesättigte? Das ist ganz einfach: Weil Pflanzen müssen das aushalten, dass sie manchmal in den Tropen stehen, dass sie manchmal bei uns stehen. Und Pflanzen müssen Temperaturen aushalten von, sage ich mal, -10 Grad im Winter bis hin zu 30, 40 Grad im Sommer, wenn die Sonne draufknallt. Und wir Tiere und Menschen haben es eigentlich sehr bequem, wir haben also immer diese 37 Grad. Also unsere Membranen brauchen eine konstante Flexibilität, während die Pflanzen brauchen eben eine sehr variable Flexibilität, und deswegen wird das eben über die Fettsäuren eingestellt. Das ist der einzige Grund dafür. Deswegen sind da viele Diskussionen einfach so geführt, dass man eben diese Ursprünge vergisst, dass man auch die physikalisch-chemischen Aufgaben dieser Nährstoffe einfach vergisst. Diese ganzen Beobachtungsstudien sind mit solch hohen Fehlern eigentlich behaftet, dass man da eigentlich nichts sagen kann. Weil selbst wir drei, die wir hier sozusagen am virtuellen Tisch sitzen, sind von unserer Physiologie her so unterschiedlich, dass die Empfehlung, die ich mir geben würde für meine Ernährung aufgrund meines schlichten naiven Körpergefühls, würde ich natürlich nicht übertragen wollen auf dich, Markus, oder auf dich, Holger.

Markus: Da sind sicherlich viele spannende Erkenntnisse zu erwarten. Habt ihr euch dann auch mit dem Thema Intervallfasten oder diesen ganzen modernen Superfoods oder sowas beschäftigt?

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ja, das ist alles dort in diesem Buch zusammengefasst. Also das Intervallfasten hat natürlich im Augenblick einen sehr hohen Stellenwert. Da ist auch was dran. Also ob man das jetzt, sagen wir mal, welche Zeit man da sich aussucht, ich glaube, ist völlig egal. Das Intervallfasten hat also immer wieder einen molekularen Hintergrund. Denn das ist ja so, dass unsere Zellen, also wir haben ja aberwitzig viele Zellen in unserem Körper, die also alle physikalische oder physikalisch-chemische Aufgaben haben. So eine Zelle ist ja eigentlich nichts Besonderes, ich meine, basiert auf physikalisch-chemischen Wechselwirkungen. Da wird eigentlich viel zu viel Hype drumherum gemacht und wenn das nicht funktioniert, dann funktioniert‘s halt nicht. Ich bekomme natürlich die jeweiligen Nährstoffe dann zugeführt und die werden dann verstoffwechselt in der Zelle und umgebaut zu diesen Materialien, also diesen Molekülen, die gerade in dieser Zelle notwendig sind. Da bleibt bei diesem Umbau, da ist es wie in einer Chemiefabrik, da fällt auch was ab, also Abfall. Und dieser Abfall, der verbleibt bei den Zellen, und der braucht eben Zeit, bis er aus diesen Zellen hinauswandern kann. Macht die Zelle einfach mit ihrer eigenen Müllabfuhr, das heißt, dann sammelt sie diesen Abfall in sogenannten Bläschen, also in solchen Minimembranen, also ummantelt mit Zellmembranen, erst mit so einer einfachen Schicht, dann mit einer Doppelschicht. Da werden die eingesammelt und nach außen geschleust. Und dieser Prozess braucht einfach Zeit. Und da muss man der Zelle auch Zeit geben, um diesen Prozess ablaufen zu lassen. Das war früher vor dieser Intervall-Fastenzeit einfach die Zeit zwischen den Mahlzeiten. Man hat einfach ein-, zweimal am Tag gegessen, vielleicht ein bisschen was zwischendrin, aber nicht zu viel zwischendrin. Und zwischen zwei Mahlzeiten hatten die Zellen einfach genügend Zeit, diesen Reinigungsprozess und auch über Nacht dann sozusagen ablaufen zu lassen. Wenn wir aber heute sehen, wie gegessen wird, dann wird da gefrühstückt ausgiebig, dann hat man um 11 Hunger, dann kommt da der Power-Riegel und was weiß ich, und dann kommt um 12 das Mittagessen. Dann ist um 3 der Joghurt dran und der Apfel oder was weiß ich, um 4 dann der Nachmittags-Kaffee mit einem Stück Kuchen und dann um 18, 19, 20 Uhr das Abendessen. Das heißt, das sind viel zu kurze Intervalle eigentlich, wie man den Zellen dann eine Chance gibt, einfach da sozusagen diesen Reinigungsprozess durchzuführen, also diesen Aufräumprozess, die Zelle wieder stubenrein zu machen sozusagen. Das ist einfach zu kurz. Und deswegen ist das schon sinnvoll das zu machen. Oder man isst halt nur, wie das eben unsere Vorfahren im Paläolithikum auch gemacht haben, man isst einfach dann, wenn es was gibt, und dann hat man wieder eine lange Zeit Pause. Die Lebensgewohnheiten haben sich verändert, deswegen ist da schon was dran. Das lässt sich auch molekular belegen. Der Begriff Superfood, das ist natürlich Humbug, das ist kompletter Humbug. Also meiner Ansicht nach, um mal wieder zum Thema zurückzukommen, Bier ist ein Superfood.

Holger: Tja! Das sage ich schon immer.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ich muss auch noch mal, also wenn man dann Angst hat vor Alkohol, dann ist auch alkoholfreies Bier ein Superfood. Weil es bietet sehr viel, es ist eigentlich ein isotonisches Getränk. Ein alkoholfreies Bier nach dem Sport oder beim Sport ist also 10-mal besser wie so ein Energy Drink.

Markus: Das ist genau die Erkenntnis, die wir einerseits hören wollen, aber die wir natürlich auch schon mehrmals kommuniziert haben. Und es ist einfach ein großes Thema. Ich habe mit einem Berufskollegen von dir auch mal darüber gesprochen, und der hat gesagt: Das Einzige, was alkoholfreies Bier nicht leisten kann, ist, den Salz-Haushalt wieder in Ordnung zu bringen. Deswegen empfiehlt der dann immer dazu noch so ein paar Salzbrezeln, so kleine getrocknete, zu essen. Und das wäre für ihn nach einem Marathon zum Beispiel das perfekte Regenerationsprogramm, so ein paar Salzbrezeln und ein, zwei alkoholfreie Bierchen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das hat so viele Nährstoffe. Ich meine, das merkt man ja. Warum war das lange Zeit das Fastengetränk? Da konnte man nichts essen, was trinken durfte man. Das hat natürlich Kalorien, es hat natürlich auch ein bisschen Zucker, also ein bisschen Energie, es liefert natürlich auch noch Rest-Aminosäuren, es liefert viele Peptide, die aus dem Getreideprotein kommen. Das sind ja alles wirklich wahnsinnstolle Nährstoffe. Das sind auch Peptide, die bioaktiv sind und all solche Dinge. Das sind auch solche Geschichten, die man nicht vernachlässigen sollte, wenn man da diskutiert. Ich möchte auch noch mal eine Lanze brechen für das alkoholfreie Bier. Ich trinke das auch sehr gern, also besonders dann mittags, wenn ich dann nachmittags viele Termine habe, dann haben wir eigentlich auch immer alkoholfreies Bier zu Hause. Das heißt also, es ist mittlerweile so gut, vor fünf, sechs Jahren war das noch nicht so, dass alkoholfreie Biere so gut sind. Aber mittlerweile gibt’s so tolle alkoholfreie Biere, da vermisst man den Alkohol nicht mehr. Das heißt also, die Aroma-Freigabe ist kaum noch anders als bei Bieren, die ein bisschen Alkohol haben. Also insofern, da hat sich sehr viel getan in der Brauwelt. Und es macht uns eigentlich wirklich froh, dass es die Entwicklungen gibt.

Markus: Da sind wir auch sehr, sehr glücklich, ich habe auch schon lange immer wieder alkoholfreies Bier propagiert. Es gibt eben mittlerweile wirklich tolle Produkte. Leider aktuell vor allem außerhalb von Deutschland, wobei mittlerweile auch viele deutsche Brauereien nachziehen und sich da so ein bisschen anlehnen.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Mhm (bejahend).

Markus: Und so hat man jetzt wirklich selbst ein alkoholfreies Stout oder solche Sachen, die wirklich volle Aromatik haben und es einen manchmal fast vergessen lassen. Ja, Holger, das war doch fast schon ein schönes Schlusswort mit dem Thema „Bier ist ein Superfood“. Hast du noch eine Frage?

Holger: Mich würde jetzt noch mal wirklich in der Tat interessieren, weil es gibt noch so ein Buch zum Thema Material und Genuss, und da spielt ja dann Kupfer eine Rolle. Und viele, viele alte Sudhäuser sind ja aus Kupfer und die katalytischen Eigenschaften und die Langlebigkeit und antibakterielle Wirkung und Wärmeleitfähigkeit und was weiß ich nicht. Aber aktuell baut man ja fast alles dann aus Edelstahl. Das ist ja auch noch mal ganz spannend, dann da genau hinzuschauen, was das wiederum macht. Weil wir haben ja auch schon des Öfteren gehört, dass zum Beispiel auch während der Gärung der Behälter eine ganz, ganz wichtige Rolle spielt, wie dann das Bier dann letzten Endes auch wirklich wird. Da würde ich auch noch gerne drauf eingehen, aber das sprengt vielleicht auch den Rahmen. Ich weiß es nicht.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das Kupfer ist natürlich ein ausgezeichnetes Material, es hat halt zwei Seiten. Zum einen ist Kupfer in großen Mengen toxisch, also für den Menschen auch. Das sieht man daran, dass eben das Kupfer tatsächlich, wie du gerade gesagt hast, eben auch gewisse Mikroorganismen tötet, also es wirkt antibakteriell, es wirkt antiviral und solche Dinge. Das lässt sich auch in Experimenten zeigen. Also ein ganz spannendes Experiment, finde ich, ist tatsächlich in Indien gemacht worden von einer indischen Arbeitsgruppe. Die haben also Wasser, das tatsächlich Keime hatte, schlimme Keime, also Kolibakterien, in verschiedene Gefäße gefüllt und dann über Nacht stehen lassen. Da war eben das Kupfer dabei, Keramik, Stahl, Edelstahl und solche Sachen. Und da war eben Kupfer das einzige, was am anderen Tag das Wasser tatsächlich keimfrei gemacht hat. Man konnte das danach tatsächlich trinken. Das heißt also, das Kupfer hat also tatsächlich diese speziellen Eigenschaften. Das liegt an bestimmten Wechselwirkungen mit diesen Kupferionen, die sich nach und nach aus der Oberfläche lösen und dann eben mit an bestimmte Proteine des Mikroorganismus andocken und dann diese Funktion lähmen und dann dieser Mikroorganismus eben abstirbt. Das passiert natürlich auch mit unseren Zellen, also wir sollten nicht zu viel Kupfer nehmen. Deshalb werden natürlich viele Kochgeschirre heute noch aus Kupfer genommen. Zum einen, weil sie natürlich gut Wärme leiten, zum anderen Teil werden die innen beschichtet, um einfach bei bestimmten, wenn man dann saure Sachen kocht, gerade zum Beispiel so Schmorgerichte mit viel Wein, mit saurem Bier und solche Sachen, dass sich gar nicht so viel löst. Im Brauwesen hat man das früher auch gemacht, und es ist halt auch so, dass also bestimmte Mikroorganismen aus den Hefen dann eben drunter leiden, wenn sie mit der Kupferoberfläche dann in Berührung kommen. Andererseits wurden natürlich Keime, wenn das Wasser nicht so richtig sauber war, also im Mittelalter oder was auch immer wurden natürlich da auch abgetötet. Also wie gesagt, das sind die beiden Seiten des Kupfers. Kupfergeschirr ist nach wie vor eine tolle Geschichte, vor allem, wenn man das vom Herd zieht, insbesondere auch von einem Gasherd, dann hört es eben sofort auf zu kochen. Wenn wir das dann mit einem dicken Edelstahltopf machen, dann kocht die Soße eben noch nach, karamellisiert noch nach. Und beim Kupfer ist es einfach nicht so, weil es reagiert sofort auf Wärmeänderungen. Und das ist der große Vorteil.

Markus: Ich setze einmal im Jahr ein Kupfergeschirr ein, nämlich immer rund um die Weihnachtszeit. Da gibt bei mir nämlich Feuerzangenbowle.

Markus: Und da ist allein aus optischem Grund natürlich ein großer Kupferkessel immer ein schöner Genuss.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ja, selbstverständlich. Bei mir hat das auch eine Funktion. Immer dann, wenn es Marmelade gibt oder wenn ich Marmelade koche beziehungsweise Konfitüre koche, wird das nach wie vor im Kupferkessel gemacht, weil dadurch diese Kupferjode ein bisschen bei der Vernetzung des Pektins helfen. Insofern kriegt die nachher eine bessere Konsistenz, diese Konfitüre. Insofern kann die also alles Mögliche noch, auf Kupfer kann man immer noch nicht so richtig verzichten.

Markus: Das war jetzt aber ein toller Tipp. Das werde ich auch mal machen. Wenn ich wieder Marmelade mache, dann mache ich das in meinem Feuerzangenbowlen-Topf.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ach so. Ja, ja.

Markus: Ich habe auch grad noch mal ein bisschen neues Kopfkino bekommen. Ich könnte mir vorstellen, wir machen vielleicht mal einen Koch-BierTalk, dass wir uns mal irgendwie treffen, wenn Zeit und Gelegenheit ist, und kochen vielleicht mal zusammen mit Bier.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Das wäre super.

Markus: Und ich zeichne das nebenbei auf. Das fände ich eine ganz, ganz witzige Geschichte.

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Wunderbar! Ich bin gern dabei.

Holger: Ich auch. Ich bin auch gerne dabei.

Markus: Da würde ich sagen, vielen, vielen Dank Thomas für deine Zeit, für die vielen Informationen! An die Hörer noch mal die Empfehlung: Schaut in die Shownotes, die Bücher sind wirklich für alle, die sich mit Bier beschäftigen, sehr interessant, und für mich eigentlich Pflichtlektüre. Danke für die Biere auch, war auch toll, an euch beide. Und dann heute noch einen wunderschönen Tag euch beiden!

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis: Ebenso und vielen Dank für die Einladung zum Talk! Danke schön, Große Freude!

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