BierTalk Spezial 32 – Interview mit Sam Smith, Inhaber von Samuel Smith’s Brewery in Tadcaster, Großbritannien

Sam Smith trägt einen großen Namen. Schon seit 1758 existiert die Brauerei seiner Vorfahren in der englischen Kleinstadt Tadcaster in Nordengland. Der Ort gilt neben Burton upon Trent als zweites Bier-Mekka der Insel und so nimmt es nicht Wunder, dass die Biere von Sam Smith in der gesamten Welt einen hervorragenden Ruf genießen. Dank einer früheren Kooperation mit der bayerischen Ayinger Brauerei spricht er fließend deutsch und ist schon seit längerem ein guter Freund der BierAkademie und Gastdozent in den Biersommelierkursen. Im BierTalk verkostet er mit Markus und Holger sechs Biere seiner Brauerei, darunter auch einen Cider und das Organic Lager. Ein echter BierTalk der Superlative, wir wünschen viel Spaß beim Zuhören…

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Holger: Hallo Freunde des BierTalks! Wir haben wieder mal ein Special, und zwar die Nummer 32, und gehen nach Great Britain. Unser Gast ist der Sam Smith. Ich sag nur: The Old Brewery. Sam, es ist uns eine große Ehre, dass du bei uns bist. Vielleicht stellst du dich selbst den Hörern vor und sagst auch schon was zu deiner altehrwürdigen Brauerei.

Sam Smith: Danke schön, Holger! Ja, es ist eine große Freude, eine große Ehre, auf dem Podcast eingeladen zu werden. Mein Name ist Sam Smith, ich arbeite bei der Brauerei Samuel Smith. Wir sind eine der ältesten Brauereien Großbritanniens. Wir sitzen ungefähr 250 oder 300 Kilometer nördlich von London entfernt in der Grafschaft Yorkshire. Und wir sind eine ganz alte Brauerei. Die Brauerei wurde im Jahr 1758 gegründet, wurde 90 Jahre später von meiner Familie übernommen. Und ich habe das Glück, die fünfte Generation meiner Familie zu sein, in der Brauerei tätig sein. Wir brauen ein ganz interessantes traditionelles Sortiment an Bieren, die die klassischen englischen Bierstile sind, die durch die neuen Flaschen zur Verfügung stehen oder exportiert werden. Wir freuen uns, dass in der Mitte dieser Craftbier-Bewegung unsere klassischen Biere eigentlich noch relevant und interessanter als vorher sind, weil sie halt die Ursprünge waren, wo die ganze Craftbier-Bewegung herkommt, lang bevor das modisch war.

Holger: Ihr habt schon Craft gemacht, da gab‘s noch gar keine Craft, ne?

Sam Smith: Genau, das stimmt! Das Wort, genau, besteht gar nicht oder bestand gar nicht. Und das war einfach mal ein gutes Bier, normales Bier, das wir sehr gut brauen wollten, lange, lange bevor das ein Wort war.

Holger: Sehr schön! Und Markus, wie geht es dir damit, wenn du Samuel Smith, da läuft einem doch das Wasser im Mund zusammen, oder nicht?

Markus: Ja, auf jeden Fall. Und auf jeden Fall auch Gänsehautfeeling, weil ich sehr gerne in England bin, sehr gerne in London zum Beispiel in den Pubs und großer Fan auch bin von Real Ale. Und dort gibt es natürlich auch einige Sam Smith Pubs. Da bin ich dann auch immer sehr, sehr gerne und habe auch so meine Lieblingsbiere. Also gerade das Porter finde ich ganz, ganz toll, aber auch das Pale Ale und das IPA sind tolle Biere. Und es ist vor allem eine der ganz wenigen Möglichkeiten, diese Bierstile mal so kennenzulernen, wie sie ursprünglich waren. Weil das sonst bei den meisten mittlerweile schon Interpretationen sind und dann viel mit modernen Hopfen oder mit anderen Produktionsmethoden gearbeitet wird. Und das sind auch gute Biere, aber mir macht das auch oft Spaß, mal auf den Ursprung zurückzukommen. Dann noch dazu muss ich sagen: Ich habe die Biere schon lange gekannt und auch lange gerne getrunken und habe dann das Glück gehabt, in Hamburg den Sam zu treffen und dann eben festgestellt, dass er auch noch so gut Deutsch spricht. Das ist natürlich faszinierend und fantastisch und dann haben wir uns auch unterhalten und seitdem bin ich noch mehr Fan davon. Also insofern sehr toll! Ich freue mich sehr auf und über diesen BierTalk.

Holger: Ganz toll! Aber es wird vielleicht auch ein kleines bisschen ein Mix Englisch und Deutsch werden, zum Beispiel Campaign vor Real Ale, das wäre zum Beispiel erklärungsbedürftig. Was ist ein Real Ale?

Sam Smith: Das ist eine gute Frage. Das ist ein Ale, also ein Ale ist ein obergäriges Bier. Das heißt, wird mit einer obergärigen Hefe vergoren und zu höheren Temperaturen als ein untergäriges Bier wie ein Pils. Und normalerweise hat ein Ale so ein obergäriges Bier. Das hat weniger Kohlensäure und das ist vollmündiger als ein untergäriges Bier, als ein Pils, ein Helles. Also das ist Ale. Und dann ein Real Ale ist eine ganz besondere Art Bier, Ale. Das heißt, das ist im Fass vergoren. Also das Bier wird in der Brauerei vergoren wie ein normales Bier. Das ist ein ganz schnelles Verfahren, dauert nur eine Woche, also normale Vergärung dauert, das ist einfach mal, eine normale Vergärung dauert ungefähr eine Woche. Normalerweise wird ein Bier dann gelagert in der Brauerei in einem Tank, aber bei einem Real Ale, da wird gar nichts in der Brauerei gelagert, in einem Tank gelagert, sondern direkt nach der Vergärung wird das in Fässer abgefüllt und ein bisschen die Hefe, es wird auch nicht filtriert. Das heißt, die Hefe ist noch da im Bier. Und es wird gar nicht gekühlt. Das heißt, die Vergärung findet noch statt im Fass und eine zweite Vergärung findet eigentlich im Fass statt. Und dann kommt das in die Gastronomie, in die Kneipe, und das wird gezapft. Und wenn es gezapft wird, dann hört die Vergärung auf und wird gezapft und getrunken. Aber Real Ale heißt, wie gesagt, ein obergäriges Bier, das eine zweite Vergärung ebenfalls hat.

Holger: Jetzt, wenn man so darüber sich unterhält, Real Ale, dann ist es natürlich auch so, dass wir jetzt mal Real Ale auch praktisch erleben müssen. Und dazu müssten wir mal eine Reihenfolge festlegen. Wir haben noch gar nicht so richtig besprochen, wie wir das jetzt hier mit der Reihenfolge machen mit den tollen Bieren, die vor uns stehen. Markus, du darfst dir das Erste aussuchen.

Markus: Ja, das ist wirklich spannend und eine tolle Aufgabe. Vielleicht, um es mal kurz zu sagen, was wir hier haben: Wir haben einmal ein Organic Lager, also ein untergäriges Bier. Da bin ich auch gleich mal gespannt, was der Sam dazu sagt, wie ihm das in die Flasche gekommen ist. Dann haben wir ein Imperial Stout, also ein durchaus kräftiges, dunkles Bier. Da bin ich auch gespannt. Dann ein Nut Brown Ale, was ein sehr schönes Trinkbier sozusagen ist, mag ich sehr, sehr gerne, hat leicht nussige Noten, wie der Name schon sagt, ein Braunbier. Dann gibt’s einen Organic Cider mit Apples, wie es sich gehört, sehr spannend. Und dann haben wir ein Organic Chocolate Stout. Da haben wir dann wirklich richtig Schokolade und Kakao. Das ist vielleicht fast so ein bisschen der Nachtisch. Und dann haben wir noch das IPA. Also insofern gar nicht so einfach. Ich würde mal sagen, ich würde mit dem Brown Ale anfangen. Da fühle ich mich jetzt, glaube ich, gerade am wohlsten. Es sei denn…

Holger: Das ist ja wieder klar, als Franke suchst du dir High Drinkability aus. Aber warum nicht mit dem Cider beginnen?

Markus: Naja, wenn du das möchtest, können wir auch mit Cider anfangen.

Sam Smith: Passt auch!

Holger: Nein, ich meine, das ist ja das, was ich immer sage, ich bin glücklich, wenn du glücklich bist. Also auf jeden Fall! Aber Nut Brown Ale, und ich gebe dir recht, also absolut, kann man immer gut trinken, ist wahnsinnig lecker.

Markus: Wir können ja mal den Sam fragen: Würde der Engländer eher mit dem Cider anfangen oder eher mit dem Brown Ale?

Sam Smith: Ha-ha-ha! Gute Frage! Es ist schwierig, mit wem ich einverstanden bin. Ich muss eigentlich, den Holger wahrscheinlich würde ich wählen, und zwar den Cider am Anfang zu haben.

Markus: Also gut! Dann bin ich überstimmt. Nun machen wir den Cider auf, ist ja auch die größte Flasche. Insofern alles gut! Ich mach mal auf. So! Ist auch ein bisschen Premiere, weil ich glaube, wir hatten noch nie einen Cider im BierTalk, oder Holger?

Holger: Nein, wir hatten noch nie einen Cider im BierTalk. Absolut richtig!

Markus: Faszinierend! Na dann! Wer möchte mal beschreiben? Möchtest du, Holger, soll ich?

Holger: Nein, ich denke, du hattest es nicht haben wollen und wir haben dich jetzt dazu überredet, da darfst du es auch gleich beschreiben.

Markus: Na super! Wunderbar! Ich mache das jetzt mal so ähnlich, wie ich es bei Bier machen würde. Wir haben auf jeden Fall eine ganz, ganz schöne, so hellgoldene Farbe. Und was ich toll finde, ist, dass da so ganz feine Kohlensäurebläschen in Fäden nach oben aufsteigen, so ähnlich wie in einem Champagner. Das ist schon mal ganz schön. Und wenn man reinriecht, dann ist es in der Tat auch ein Aroma, was einen so an einen Champagner oder Sekt erinnert. Hat aber auch natürlich Apfelnoten dabei. Ist ja auch aus Äpfeln gemacht. Ah! Ein bisschen laktische Noten auch und ein bisschen so Gewürz.

Holger: Wenn du vielleicht für die Hörer kurz erklären würdest, was sind laktische Noten? Es kann durchaus Menschen geben außerhalb von Franken, die das nicht wissen.

Markus: Das stimmt! Das hat so ein bisschen milchige Noten, die da so ein bisschen ins Spiel kommen. Das hat was mit der Vergärung zu tun. Jetzt probiere ich mal einen Schluck. Oh ja, da ist ein sehr schönes, aber auch gefährliches Aromenspiel. Also es fängt sehr süß an, geht dann über in so eine leichte Säure und klingt dann sehr harmonisch aus. Dazwischen prickelt es schön auf den Mund. Und ist eigentlich so, dass man gar nicht merkt, dass da überhaupt Alkohol drin ist, geschweige denn die 5 %. Also kann ich mir gut vorstellen, dass da schon manche Leute da sich etwas überschätzt haben. Aber es ist ein tolles Getränk, also macht mir Spaß und ist tatsächlich, muss ich euch recht geben, ein guter Start in so einen BierTalk hineinzugehen. Also in dem Sinne nochmal „Prost!“. Und Holger, vielleicht magst du was ergänzen?

Holger: Ja, also für mich ist es so, wenn ich jetzt hier rausschaue, dann ist es schon irgendwie November. Und dieses Bier erinnert mich einfach noch mal an eine ganz andere Jahreszeit. Das ist, als würde man über so eine blühende Apfelbaumwiese wandern und diese herrlichen Düfte einatmen. Und dann denkt man schon darüber nach, wie das dann irgendwann im Herbst ist, wenn die Äpfel reif werden und man da reinbeißt und es knackt, wenn man den Apfel anbeißt und die Fruchtexplosion dann auf dem Gaumen stattfindet. Und dieses Leichtfüßige habe ich jetzt auch im Mund. Und das erinnert mich ganz furchtbar an Frühling. Und was kann es Besseres geben im November als an Frühling zu denken. Weil ihr müsst euch mal vorstellen, ihr wärt jetzt als Vögelchen geboren irgendwann im Mai und ihr würdet jetzt merken, wie sich die Natur verändert. Und da macht man sich doch Sorgen. Und wenn man dann aber weiß, es kommt wieder Frühling, dann wird alles sofort viel leichter. Aber so ein neugeborenes Vögelchen weiß das gar nicht. Und da denke ich darüber nach, wenn ich dieses Bier trinke oder vielmehr diesen Cider trinke.

Markus: Ich bin mir gar nicht so sicher, ob du sie nicht aus Versehen schon ausgetrunken hast, wenn man dir so zuhört. Aber interessant ist, wenn man bei uns jetzt in Bamberg zu einer Brauerei gehen würde und sagen würde, „Komm! Mach doch mal ein Apfelwein, einen Cider“, dann würde der mir wahrscheinlich den Vogel zeigen und würde sagen „Du spinnst! Ich mache Bier und fertig.“. Sam, wie ist das denn, warum macht ihr Cider? Macht ihr das schon lange? Ist das neu? Und ist das normal in England?

Sam Smith: Zuerst, Holger, möchte ich mich bei dir bedanken für die lebendige Beschreibung. Ich fühle mich also wirklich, das ist sehr schön beschrieben, ich fühle mich, als ob ich jetzt in einem Frühling unter den Bäumen sitze mit der Sonne über uns. Danke! Das war sehr schön. Ja, ist das normal? Ich würde sagen, normalerweise nicht. Die meisten englischen Brauereien brauen keinen Cider, genau, wie du sagst, das ist kein Bier. Und Bierbrauer, Brauereien wollen normalerweise nur Bier brauen. Aber für uns ist das ganz normal, ganz natürlich, dass wir auch gerne Cider möchten. Das Verfahren, einen Cider zu machen, ist nicht ganz anders als ein Bier zu machen. Es ist eigentlich ein bisschen einfacher. Es gibt wenige verschiedene Prozesse und nur in einem Tank vergoren wird das. Und deswegen sind es ähnliche Tanks und bruchsicher und ähnliche Tätigkeiten wie ein Bier zu brauen. Und haben wir gedacht, möchten wir auch ganz gern machen. Cider ist ein relativ, man trinkt, also ich weiß es nicht genau, aber ich schätze, dass vielleicht 5 oder 10 % Cider wird getrunken im Vergleich zu Bier, also schon relativ große Mengen. Und wir wollen einen richtig hochwertigen Cider brauen, das so hochwertig ist und qualitativ hochwertig ist wie unsere Spezialitäten-Biere. Es gibt viele Ciders, die sehr süß sind, die sehr künstlich sind und ganz wenige Äpfel drin haben. Die sind so die Massen-Merkmale Cider, die in sehr, sehr großen Mengen in England getrunken werden, die billigen Ciders. Und es gibt auch einige Ciders, die oft von Bauern in Südwest-England in der Nähe von Bristol gemacht werden. Und die sind oft wolkig und die sind auch relativ sauer und nicht leicht zugänglich für jemand, der Cider nicht so gut trinkt. Also wir wollten nicht richtig süß sein wie die Massenmarkt-Ciders, aber wir wollen genug Süße darin haben, dass es lecker ist und dass normale Profi-Cider-Trinker das schön gut kennenlernen können. Aber wir wollen auch ein bisschen Säure darin haben, so richtig Apfelsäure darin haben. Und das Bier jetzt mit, also das heißt nicht süß, nicht sauer, in der Mitte, schön saftig und lecker und aber ein bisschen Trockenheit dazu auch. Und es wird mit nur biologischen Äpfeln, normale Äpfel enthalten ganz viele künstliche Pestizide und Dünger, und wir sind stolz, dass hier diese Äpfel gar nicht, gar nichts Künstliches reinkommt, die sind aus biologischem Anbau. Und genau wie du sagst, es schmeckt ein bisschen wie die Säure, erinnert ein bisschen vielleicht an Champagner. Und das ist ganz richtig, es wird mit einer Champagner-Hefe vergoren, damit diese feinen Spitzen dastehen.

Markus: Da kommt für mich alles zusammen, muss ich sagen. Also wenn du von dieser Ausgewogenheit sprichst, das ist quasi wie bei einem Kellerbier, nur eben mit Äpfeln. Also insofern sind wir doch wieder ein bisschen zu Hause. Okay, war jetzt vielleicht ein bisschen schwierig der Weg, aber ich finde es ganz witzig. Aber ich finde es überhaupt interessant, dass ihr dieses Thema Biologisch ganz viel in der Brauerei habt. Vielleicht nochmal ganz kurz zu dem Cider: Seit wann gibt es den und ist das für euch ein wachsendes Segment?

Sam Smith: Ja, ich glaube, wir machen diesen Cider seit vielleicht schon seit 15 Jahren, und Cider, der biologische Cider und in den Flaschen. Und ich würde sagen, dass unser, wir machen Cider insgesamt also in Fässer, die wir in den Pubs in England verkaufen, schon seit mehreren Jahren, schon seit 13 Jahren oder so. Aber wir wollen zehn Jahre, genau, wie du sagst, viele von unseren Bieren und unseren Produkten sind mit biologischen Produkten, biologischen Zutaten, nur mit biologischen Zutaten gemacht, wie dieses Cider. Nicht alle, aber es ist ungefähr die Hälfte. Und für uns ist das ganz wichtig. Wie gesagt, besonders bei den Äpfeln ist das ganz, ganz wichtig, weil die so viele künstliche Stoffe, Pestizide und Dünger enthalten, gar nicht bei uns. Auch für Malz und die Hopfen, für die biologischen Biere, das ist ganz wichtig. Und es ist viel, viel besser für die Erde, dass nichts Künstliches drin kommt. Die Wissenschaftler sagen, dass diese Erde viel länger dauern wird. Es hat natürlich Fertility, ich weiß das nicht, wie man das auf Deutsch sagt.

Markus: Fruchtbarkeit, denke ich mir.

Sam Smith: Fruchtbarkeit, genau! Erde hat eine natürliche Fruchtbarkeit, weil es im biologischen Anbau ist, wo das angebaut wird. Und anstatt die normale Erde, wo die Fruchtbarkeit ausstirbt, langsam ausstirbt, das passiert nicht, wenn das Land im biologischen Anbau ist. Deswegen ist das für uns ganz wichtig.

Holger: Und es ist auch noch vegan.

Sam Smith: Es ist auf vegan. Genau!

Holger: Sehr gut! So! Jetzt haben wir genug über Cider gesprochen, jetzt müssen wir zum nächsten Real Ale.

Markus: Darf ich noch eine kleine Sache anmerken?

Holger: Natürlich!

Markus: Nur der Vollständigkeit halber und eben für unsere Hörer noch. Es gibt natürlich den Cider aus den Äpfeln, es gibt aber auch einen Perry, was ich persönlich auch sehr, sehr gut finde. Da wird eben statt Apfel Birne genommen und ich bin ein sehr großer Freund der Birne. Und der Perry hat einen ganz tollen schönen Birnengeschmack. Deswegen, also den mag ich auch sehr gern. Kann ich nur empfehlen. Und es gibt noch andere Fruchtbiere, die dann mit Kirschen, mit Erdbeeren, mit Himbeeren oder mit Aprikosen gemacht sind. Also ein spannender Teil des Portfolios, wenn man sich mit Sam Smith beschäftigt. Klar, sind die Biere im Vordergrund, aber diese fruchtige Ecke sollte man nicht vergessen. So! Jetzt bin ich aber auch schon ruhig.

Holger: Unbedingt! Ganz tolle Ergänzung. Danke dafür! Genau, richtig! Einen Perry finde ich auch super übrigens. Und was man auch vielleicht noch sagen muss, die Etiketten, also das muss man auch noch mal sagen, also nicht nur bei den Fruchtbieren, sondern insgesamt gibt es so unglaublich schöne Etiketten. Und die alleine schon sind es wert, sich einen Samuel Smith zu kaufen oder zu bestellen und dann auch noch mal sich am Etikett zu erfreuen. Also das muss ich auch noch mal sagen. So, jetzt aber! Also du hast jetzt Nut Brown Ale so in den Ring geworfen. Und wenn ich jetzt da richtig, weiß nicht, ich wäre dann doch noch davor bei dem Organic Lager, ehrlich gesagt.

Markus: Naja, gut! Dann müssen wir deiner Münchner Zunge ein bisschen etwas Gutes tun, die auch ein bisschen Ruhrgebietszunge ist. Und deswegen vielleicht lieber auf das Lagerbier. Ist ja auch okay. Und das kenne ich auch noch nicht. Insofern bin ich auch sehr, sehr gespannt drauf. Also von mir aus sehr, sehr gerne. Pure Brewed Organic Lager. Ich mach’s mal auf.

Holger: Mach mal auf! Und Sam, das ist wirklich ein Novum. Wir reden jetzt die ganze Zeit über Real Ale und jetzt kommt auf einmal so ein untergäriges Lagerbier durch die Tür. Also Lager und untergärig, ist das nicht irgendwie böse, also in der Welt der Real Ales? Oder ist das nicht so?

Sam Smith: Ha-ha! Nein, ein gutes Bier ist egal, ob es übergärig ist oder untergärig ist, egal, ob es im Fass ist, in der Flasche ist, in der Dose ist, alle Biere können, kein Bier ist unbedingt böse, nur weil es so eine Sorte ist, so ein Stil ist. Also es handelt sich, böses Bier ist meiner Meinung nach nur das, was mit künstlichen Stoffen gebraut wird und keine gute Qualität hat. Aber nur, dass es untergärig ist, das trinke ich ganz gerne und wir brauen ganz gerne sehr, sehr gutes untergäriges Bier. Aber ja, wie du sagst, das ist kein traditioneller englischer Bierstil, weil es untergärig ist. Aber wir haben die Idee, wir wollen untergäriges Bier auch brauen. In England ist das eigentlich, das ist das meiste Bier, solche Lagerbiere. Aber wir wollen das richtig gut brauen, wir wollen nichts Künstliches brauen, wir wollten das authentisch machen, so wie die beste Brauer in Deutschland und der Tschechei und die besten traditionellen Pils und Helles brauen. So ein richtiges, authentisches untergäriges Bier wollen wir brauen. Das heißt, vor 14 Jahren oder so hat eigentlich dieses Bier, könnte man sagen, seinen Ursprung in Deutschland eigentlich, weil wir eine Verbindung mit der Brauerei Aying bei München hatten. Und wir haben so ihre Biere und Genehmigungen bei unserer Brauerei gebraucht, und wir ließen uns von der Universität Weihenstephan beraten, um ein richtiges untergäriges Bier zu brauen. Und die Genehmigung, die Verbindung mit der Brauerei Aying ist ganz freundlich zu Ende gekommen. Aber seine Ursprünge und wie das Bier, die Prozesse, die Methoden, die wir von ihnen gelernt haben, benutzten wir immer noch, um dieses Bier zu brauen. Und das heißt, nach dem Reinheitsgebot, nur diese vier Rohstoffe. Und das heißt, mit einer untergärigen Hefe vergoren zu ganz niedrigen Temperaturen. Und das heißt, eine sehr lange Lagerung, die in der Regel ungefähr fünf Wochen dauert, bei -1 bis 1 Grad gelagert, damit es ein richtig hochwertiges Lager am Ende kommt. Und das ist eher so, ich würde sagen, es ist, obwohl das Bier, das wir in Bayern gelernt haben, ich würde sagen, dass unser Organic Lager eher in die Richtung Pils ist als Helles. Und das wird auch mit nur biologischem Malz und biologischem Hopfen gebraut. Und das Bier kommt sehr, sehr gut an. Ein seltenes Beispiel von einem sehr, sehr hochwertigen englischen untergärigen Bier.

Holger: Ja, super! Ich habe mir erlaubt, während dem du das so schön erklärt hast, schon einen Schluck zu nehmen und ein bisschen, also ein ganz kleines bisschen bin ich jetzt schon wieder bei der Wiese. Weil es ist einfach so hellgolden im Glas und so eine trockene Gerste ist in der Nase. Und der Antrunk ist auch ein herber, herber als ein typisches bayerisches Helles, also kann an ein Pils erinnern. Und dann so kleine, kleine Säurearomen und dann aber auch Limette und schon wieder ein bisschen Apfel auch habe ich dabei. Aber es ist sehr, sehr schön ausbalanciert, also diese Säure und der Hopfen wirkt total schön ausbalanciert. Und in meinen Augen schmeckt das richtig frisch und blumig und eben nach frischgemähter Wiese. Und da bin ich jetzt dann schon wieder in so einer anderen Jahreszeit, also das wäre jetzt so ein richtig tolles schönes Sommerbier. Aber die goldene Farbe, die passt dann wiederum auch zum Herbst. Und dann muss man auch noch mal sagen, so Authentic Pure Brewed Organic Lager, das ist doch geil. Und auch wieder vegan übrigens. So, Markus! Jetzt bist du dran und darfst mich gerne noch ergänzen.

Markus: Ja, das mache ich natürlich sehr, sehr gerne. Und ich muss auch wirklich sagen, ich bin echt begeistert. Also ein sehr schönes Bier, was sich auch sehr schön trinkt. Ich muss sagen, aus fränkischer Sicht könnte man auch sagen, es ist vielleicht ein bisschen Pils, wobei wahrscheinlich es im Endeffekt doch eher ein Helles ist. Also mir schmeckt das total gut, das ist total weich, es ist total rund. Ich glaube, so ein bisschen das Geheimnis ist das Wasser, weil es wirklich unglaublich weich ist. Ich habe, glaube ich, jetzt in Deutschland, ja, also klingt vielleicht doof, aber ich glaube, ich habe noch nie ein Helles getrunken oder ein helles Lager, wie auch immer, was so schön weich auf der Zunge ist, was sich so schön trinkt. Also das ist ganz, ganz angenehm. Ja, das ist gefährlich auch wieder, weil dadurch trinkt man es natürlich sehr gerne. Und mir hat auch übrigens das Etikett wieder sehr gut gefallen, das macht richtig Lust, macht auch ein bisschen neugierig. Ja, also wirklich sensorisch ganz toll. Ich habe auch noch ein paar Fragen an den Sam, aber vielleicht willst du vorher zu mir noch was ergänzen?

Holger: Nein, ich weiß gar nicht, Sam, wie ist das eigentlich mit den Gläsern? Jetzt könnte ich mir vorstellen, bei diesem schönen Lager, da ist jetzt so ein normales Pint-Glas irgendwie nicht richtig, also meine ich zu mindestens. Wie ist das, wie geht ihr dann mit dem Thema Glaskultur da an der Ecke um?

Sam Smith: Was wir empfehlen, das Glas, unser markiertes Glas für dieses Bier ist eigentlich eher wie ein deutsches Weizenbierglas, so ein engeres und größeres Glas. Das empfehlen wir ganz gerne. Und wenn man das auch in kleinen Mengen genießt und probiert, so ein Weinglas passt eigentlich ganz gut. Aber genau, wie du sagst, ein normales Pint-Glas würde dazu nicht perfekt passen.

Holger: Markus, du hast noch Fragen?

Markus: Ja. Ich meine, einerseits würde mich einfach interessieren, wie das denn überhaupt funktioniert? Also wir wissen ja, eine untergärige Hefe, die man für so ein Lager braucht, tut sich schwer in einer Brauerei, wo viel obergärige Hefe ist, weil die obergärige sich dann meistens durchsetzt. Also wie kriegt ihr das hin, diese beiden Biere parallel zu brauen? Und ja, vielleicht auch so die Idee, was war so euer Vorbild? Also wenn du jetzt gesagt hast, Aying, also hattest du da so ein Pils oder Helles aus Bayern im Kopf? Oder wolltet ihr einfach ein schönes International Lager machen? Oder was war so die Idee?

Sam Smith: Um die erste Frage zu beantworten, wie wir die zwei Hefen beieinander, wie das alles passiert? Also ganz einfach gesagt: Weil unsere Brauer sehr, sehr gut sind und durch ihre Tätigkeiten. Wir haben besondere Tanks, die wir nur für dieses Bier und diese Hefe benutzen. Wir haben unsere ganz traditionellen Schieferbottiche wie unsere Yorkshire Squares, wo wir unsere Ales, unsere obergärigen Biere in diesen einzigartigen Bottichen werden die vergoren. Aber ganz anders in einem anderen Gebäude in der Brauerei sind unsere Stahltanks und nur da wird diese Hefe und dieses Bier gebraut, damit es anders behandelt wird und bei den niedrigeren Temperaturen gebraut und gelagert werden kann. Es gibt einige englische Brauereien, die so ein Lager brauen, aber es wird eigentlich mit ihrer ganz normalen obergärigen Hefe gebraut. Wir sagen, nein, wir wollen das richtig machen, das authentisch machen mit genau der richtigen Hefe. Das Leben für unsere Brauer ist nicht einfacher, ist schwieriger deswegen, aber wir wollen das richtig machen mit der richtigen untergärigen Hefe. Und das schmeckt man, da schmeckt man die Qualität, diese leicht spritzigen Noten, die man in so einem untergärigen Bier erwarten sollte. Warum so dieser Stil? Ja, also wir wollten, das ist ganz viele Jahre her, vor 40 Jahren oder so, wollten wir richtig gutes untergäriges Bier brauen. Die meisten anderen englische Brauereien haben nur billige europäische, ganz große Marken eingekauft oder unter Lizenz dann eingekauft, um in England zu vertreiben. Aber nein, wir wollten unser eigenes brauen und richtig qualitativ hochwertig das brauen. Und haben dann die, also mein Vater ist eigentlich und ein Kollege von ihm sind nach München geflogen, weil die wussten, dass da sehr gutes Bier gebraut wird. Und die haben dann so eine Kneipe in München gefunden, wo das sehr beliebt war, und Aying in großen Mengen gefunden wurde. Und die haben gesagt „Wow! Dieses Bier ist ja super. Und wir wollen diese Brauerei besuchen.“. Die haben dann am nächsten Tag die Brauerei besucht. Haben dann die Besitzer kennengelernt, den Besitzer kennengelernt. Und irgendwie, ich weiß nicht genau, mein Vater konnte kaum Deutsch, der Herr Inselkammer in der Brauerei konnte kaum Englisch, aber irgendwie haben die so ein gutes Gespräch gehabt und eine schöne Beziehung ist zustande gekommen. Wir waren von ihren Bieren sehr beeindruckt und wollten etwas Ähnliches bei uns brauen. Und deswegen ließen wir uns von der Universität Weihenstephan beraten, um das richtig zu machen. Und in ihrer Brauerei, in der Brauerei Aying wird ein Helles, ein sehr, sehr gutes Helles und Jahrhundert-Bier gebraut, so ein Exportbier. Und es wird auch ein Pilsbier getrunken, das sehr herb ist. Und ich würde sagen, dass unser Bier, unser Pure Brewed Organic Lager, das ist ungefähr in der Mitte zwischen diesem ganz herben Pils und diesem sehr malzigem Helles.

Holger: Wer jetzt keine Lust bekommt, mehr Biere von Samuel Smith zu probieren, der ist selbst dran schuld. So! Jetzt, Markus, jetzt kommt die Stunde der Wahrheit.

Markus: Moment, Moment, Moment, Moment!

Holger: Ah!

Markus: Oh! Eine winzige Frage habe ich noch.

Holger: Ah!

Markus: Eine ganz kurze Frage.

Holger: Er lässt uns wieder nicht trinken. Wahnsinn, Wahnsinn!

Markus: Ja, ja, ja, na gut! Du musst halt etwas haushalten. Du hast ja noch ein paar Bier. Nein, ich habe nur noch eine ganz kurze Frage. Und zwar lag ich denn richtig mit dem Wasser? Also verwendet ihr ein besonderes Wasser in Tadcaster und hat das vielleicht auch einen Einfluss auf dieses Bier?

Sam Smith: Das ist eine sehr gute Frage. Wasser ist ja so eine wichtige Zutat. Also bei uns, unser Bier, wir haben unsere eigene Quelle, die vor mehr als 250 Jahren gegraben wurde. Und aus dieser Quelle kommt ein sehr hartes Wasser, das für obergärige Biere sehr perfekt geeignet ist. Und das werden wir schmecken, wenn wir unsere obergärigen Biere probieren. Aber um so ein Lager, so ein untegäriges Bier zu brauen, braucht man ein sehr zartes Wasser. Das heißt, wir verändern unser Wasser, um ein zartes Wasser zu machen, um dieses Bier zu brauen. Und genau, also wir haben uns viel darum gekümmert, das richtige Wasser, um dieses Bier richtig zu brauen, und das behandeln wir, um das herbeizubringen.

Markus: Faszinierend! Danke schön! Und eine allerletzte Frage, damit wir den Holger noch auf die Folter spannen. Ich habe bei euch gesehen, ihr habt auch noch ein Wheat Beer im Portfolio, also ein Weizen. Da hätte ich nur einmal die Frage: Ist das auch so aus dieser deutschen Zeit übernommen? Und vielleicht die Frage: Warum heißt das denn Bier und nicht Ale?

Sam Smith: Wir sind mit der Brauerei Aying in Verbindung gekommen, weil wir Pils brauen oder untergäriges Bier brauen wollten. Und da haben wir auch entdeckt, dass in Deutschland oder in Bayern auch diesen leckeren Bierstil Weizenbier auch ganz gern braut und ganz gern trinkt. Und haben gedacht: Okay! Dann haben wir Lust mal, das auch zu brauen. Und das ist dann zustande gekommen. Wir glauben, was wir brauen, was ganz Gutes gibt. Fast keine englischen Brauereien, die ein Weizenbier brauen, es ist jetzt unser eigenes Rezept nach dem Ende der deutschen Genehmigung. Aber das ist schon ähnlich wie die deutschen, wie die Brauer bayerischen Weizen, ist ganz lecker, kommt sehr, sehr gut an. Es heißt Wheat Beer, nicht Wheat Ale, weil in England, man ist daran gewöhnt, man hat eine Idee im Kopf, was ein Ale ist, das ist so ein bisschen wärmeres Bier, ein bisschen dunkler, ein bisschen vollmundiger. Und ich glaube, während ein Weizenbier ganz anders ist. Das ist nicht so vollmundig wie ein normales Ale und mit diesem Bananengeschmack ist etwas ganz anderes, das ist eine ganz andere Richtung. Und ich glaube, das würden die englischen Trinker verwirren, wenn das sich Ale nennen würde.

Holger: Soll ich noch mal versuchen, wir könnten, also wenn du nicht wieder den Frageonkel machst, jetzt zum nächsten Bier kommen. Und das wäre dann sogar dein Bier. Also was du dir die ganze Zeit schon wünschst. Und jetzt wäre es soweit. Also bist du bereit?

Markus: Ich bin absolut bereit, keine Frage. Aber man muss doch die Gelegenheit nutzen, wenn man den Sam jetzt schon mal am Rohr hat, diese Dinge zu fragen, weil das einfach sehr spannend ist. Also gut, aber jetzt mache ich hier das Nut Brown Ale auf. Ich freue mich schon total. Und …

Holger: Ich auch.

Markus: Ja! Das ist jetzt wieder zu Hause. Ein wunderschönes rotbraunes rostbraunes Bier, klar filtriert, aber sehr schön leuchtend. Es strahlt mich richtig an mit diesem roten Stich im Braun. Oben der Schaum sehr kompakt, auch braun, schön haselnussbraun würde ich sagen, steht auch ganz fest. Jetzt rieche ich mal dran.

Holger: Man müsste noch mal zählen, wie oft du jetzt braun gesagt hast.

Markus: Mache ich selten, aber weil wir jetzt diese ganze Zeit eben was Helles hatten jetzt. Jedenfalls, heißt ja auch Nut Brown Ale. Und es riecht auch noch so. Das heißt, wir haben also ganz schöne Karamellnoten, natürlich nussige Noten in der Nase, ein bisschen rote Beeren, ein bisschen Toffee auch. Ja, richtig schön weich. Das macht richtig Lust, da jetzt auch ein Schlückchen zu nehmen. Mache ich jetzt auch gleich mal. Und das ist auch wieder ganz schön vom Spiel her. Also es fängt an, ist so süß, karamellig, dann ist die Kohlensäure da und die ist so ganz kompakt und moussierend. Also so richtig schön, als würde man praktisch Schaum trinken, so ein bisschen vom Gefühl her. Das macht das auch ein bisschen fluffig. Und dann kommt so eine leichte, bittere Note auch dazu, die überwiegt dann am Schluss immer mehr. Und es bleiben auch so nussige Töne schön im Mund, so wie eine schöne geröstete Haselnuss, wie man das so kennt. Moment! Ich muss noch mal probieren. Jetzt ist das Glas auch schon gleich leer. Aber es trinkt sich total schön, also sehr weich, sehr rund. Und es ist vor allem ein richtig volles Aroma, also ein ganz, ganz dicht, ein schöner, voller Körper. Und dadurch, dass wir diesen schönen karamelligen und cremigen moussierenden Charakter von dem Bier haben, ist das auch so ein richtiges Erlebnis mit jedem Schluck. Also ich bin begeistert, es erfüllt genau meine Erwartungen und deswegen kann ich nur sagen „Prost auf dieses wunderbare Bier!“.

Holger: Ich kann da fast nichts ergänzen, nur dass ich sagen kann, es ist auch seit langer, langer Zeit ein wirkliches Lieblingsbier von mir. Aber das harmoniert mit der fränkischen Zunge fast wie kein anderes Bier. Das sag ich euch. Das ist so harmonisch, malzaromatisch und man glaubt, man lutscht ein Toffee-Bonbon. Auch da, Sam, herzlichen Glückwunsch! Das ist Wahnsinn. Immer noch besser und besser und besser, also das ist einfach schön. Ich kann nur noch mal sagen, wenn man jetzt über Bierkulturen auch spricht und dann natürlich in das tolle Nachbarland Belgien blickt, dann hat man natürlich eine unglaublich spannende Welt. Aber die britische Bierkultur, die ist auch sehr beachtlich und man muss fast hinfahren. Also man muss fast hinfahren und eine britische Bierreise machen. Also das wäre toll. Da wäre dann Tadcaster auf jeden Fall auch ein Halt, wo man durchaus mal zwei Tage verweilen kann. Du kannst vielleicht ein bisschen erzählen, wie sieht‘s bei euch aus? Wie ist es da, wo du lebst? Hat das viele Berge oder ist es gar nicht bergig oder ist das Wetter immer schön wie in Somerset, oder? Wie ist es da bei euch?

Sam Smith: Danke, ich freue mich, dass das Bier so gut ankommt. Genau, wie du sagst, das ist ganz wichtig, ist dieses Thema so Bierkultur. Und wo wir sitzen, im Norden Englands, das, so ein Brown Ale ist ein ganz typischer oder ganz traditioneller Bierstil aus dieser Gegend, aus diesem Gebiet aus dem Norden Englands. Die berühmteste heißt Newcastle Brown Ale. Newcastle ist eine große Stadt im Norden Englands. Aber das Bier ist wahrscheinlich ein bisschen süßer, weil dieses Bier auch so ein richtiges Brown Ale ist, aber ein bisschen trockener ist und diese richtig vollmundige, nussige Geschmacksnoten haben. Ich würde allen empfehlen, so eine britische Bierreise zu machen. Und unsere Heimatstadt Tadcaster sollte auf jeden Fall ein Halt sein. Das ist nur eine ganz kleine Stadt mit 6000 oder 7000 Einwohnern. Das ist fast, also es ist eigentlich ein Dorf, würde man sagen. In dieser Stadt, in dieser ganz kleinen Stadt gibt es drei Brauereien. Das ist fast die Brauerei-Hauptstadt Englands. Es gibt zwei, die sehr, sehr große Brauereien sind. Einmal gehört dem Heineken und einmal gehört dem Molson Coors. Und die sind zwei von den größten Brauereien Großbritanniens, Millionen Hektoliter werden gebraut. Und dann ihr Nachbar sind wir, der ganz kleine Nachbar, der immer noch unabhängig ist und immer noch nicht von den großen Nachbarn ausgetötet worden ist. Und davor haben wir Stolz, dass wir, wenn wir noch überleben in dem Schatten von den Riesen-Brauereien, riesigen Brauereien. Und das ist eine ganz alte Stadt, die wurde von den Römern gegründet. Es gibt keine Berge da, es gibt ganz schöne Flüsse dadurch fließt. Und wir haben Stolz, dass fünf Tage in der Woche wird von uns unser Bier mit unseren Pferden ausgeliefert. Wir haben drei kaltblütige weiße Pferde, die fünf Tage in der Woche Bier auf dem Kutscher da die Fässer ausliefern an die Pubs in der Stadt. Und das ist schon eine ganz schöne Sicht, das jeden Tag zu sehen. Und natürlich gibt es wie bei allen Brauereien diesen ganz schönen Geruch in der Luft, wenn eingemaischt wird.

Holger: Jetzt kriegt man noch mehr Lust. Also Wahnsinn! Jetzt kommen wir vielleicht zu einem Lieblingsbier von mir, nämlich dem Chocolate Stout oder Organic Chocolate Stout. Wir haben jetzt schon gelernt, dass es immer Zutaten sind aus biologischem Anbau und die dann auch mit exzellentem Geschmack begeistern. Ich weiß nicht, seid ihr bereit für dieses tolle Organic Chocolate Stout?

Markus: Na ja, da muss ich mal umdrehen und sagen, ich bin glücklich, wenn du glücklich bist. Und wenn du das jetzt brauchst, dann sollst du es haben. Ich trinke es immer sehr gerne, muss ich sagen. Insofern freue ich mich schon drauf und mach‘s gleich mal auf.

Holger: Sehr gut!

Markus: Was erzählt es dir denn, dieses Bier?

Holger: Ich kann nur sagen, man möchte es gar nicht trinken, sondern man möchte es wegriechen. Das ist unglaublich. Es ist, das ist wirklich wie Schokolade und Kaffee in einem. Man denkt irgendwie an einen warmen Kakao. Was natürlich jetzt wieder wunderbar zur Jahreszeit gehört. Und denkt an Sahne und Zimtkuchen und frisch gebrühtem Kaffee und geröstetem Malz. Ich trinke jetzt mal einen Schluck. Also auch da wieder diese samtige Mundgefühl, was wir heute schon hatten, und diese intensiven Aromen, und dann natürlich auch dieser unglaubliche Mahagoni-Ton im Glas. Da kann man sehen, was Bier sein kann. Oder, Markus?

Markus: Ja, absolut! Ein ganz faszinierendes Bier. Ich stimme dir hundertprozentig zu, alleine schon die Farbe, dieses schöne Mahagoni, dunkle Braun, auch wieder mit einem leichten Rotstich obendrauf, ein schöner dunkelbrauner Schaum. Und dann hat man eben dieses wunderbare schokoladige Aroma. Zumindest für alle, die Schokolade lieben, aber das sind glaube ich 95 % aller Menschen, ist das wirklich ein ganz, ganz großer Genuss. Ich glaube auch für viele eher unbekannt. Also man kennt schon Biere, die leicht schokoladig sind, aber so schokoladig, das ist wirklich selten. Das ist wirklich sehr, sehr schön und erlebe ich auch immer wieder, wenn ich das mit Leuten verkoste, dass die erst mal völlig geflasht sind und eigentlich fast schon denken, wie du schon gesagt hast, man trinkt fast einen Kakao. Und das Ganze dann eben noch als Bier mit der Erfrischung, mit dem Mundgefühl ist ganz faszinierend. Was ich auch noch kennengelernt habe dabei, es gibt zum Beispiel auch dieses Sherry Beer von Sam Smith. Was wir schon probiert haben, ist, dass man dann dieses Chocolate Stout mit dem Sherry Beer mischen kann. Am Ende kommt dann ein Schwarzwälder Kirschkuchen dabei raus, von der Aromatik her. Das ist auch ganz toll, mit Leuten einfach mal zu spielen, weil wir in Deutschland völlig vergessen haben, dass man Biere mischen kann. In anderen Bierkulturen ist es völlig üblich, aber bei uns ist das ganz vergessen. Und mit diesen beiden Bieren zum Beispiel kann man das ganz augenfällig mal demonstrieren. Sam, ich bin dir sehr dankbar für dieses Bier, muss ich wirklich sagen.

Holger: Hier spielt natürlich auch das harte Wasser eine gute Rolle. Das ist für so ein Bier, denke ich, ideal. Und auch dieses samtige Mundgefühl, da kommt dann wieder diese eigene Quelle mit, ich weiß nicht, was ihr habt, wie viel Grad deutsche Härte, aber du hast gerade gesagt, das ist sehr, sehr hart. Das stelle ich mir hier auch ganz besonders optimal vor.

Sam Smith: Das stimmt, das stimmt auf jeden Fall! Das Wasser hat eine sehr große Rolle zu spielen bei diesem Bier und eigentlich bei allen unseren Ales. Das Wasser besitzt über Kalkstein in unserer Stadt und wegen dieses Kalksteins kommt diese Mineralität und das ist perfekt für das Mundgefühl. Genau, wie du sagst. Alle unsere Biere, aller unsere Ales, die sind vollmundig, sie sind malzig und das kommt durch dieses Wasser aus unserer eigenen Quelle, das den Charakter an den Bieren gibt. Was auch passiert, ist, wir haben unsere eigenen einzigartigen Vergärungsbottiche, die heißen Yorkshire Squares. Yorkshire ist unsere Grafschaft und Square ist Vierecken. Und die bestehen aus Schiefer und die sind offene Bottiche. Und durch die Vergärung in diesen Bottichen, die ungefähr eine Woche dauert, entsteht, ist das Bier am Ende so schon vollmundig und hat diesen fast kräftigen Charakter durch diese Vergärungsmethode und auch wegen des Wassers. Und deswegen passt dieses vollmundige Bier sehr, sehr gut zu dem Schokoladengeschmack. Alle beide sind schon balanciert miteinander. Man würde nicht ein dünneres Bier haben wollen mit Schokolade, dünneres Bier vielleicht beim untergärigen Bier perfekt, aber nicht bei so einem kräftigen dunklen Bier will man ein bisschen dieses Mundgefühl haben. Das kommt, diese malzige Mundgefühl, was wegen des Wassers kommt und durch diese Vergärungsmethode. Genau, wie du sagst.

Holger: Wir haben jetzt schon oft so Querverweise auf andere Biere aus eurem Sortiment gemacht, und in dem Zusammenhang möchte ich unbedingt noch hinweisen aufs Oatmeal Stout, auch mit einem unglaublichen Mundgefühl. Und das Taddy Porter, also das ist auch ein Bier, das diesem Bierstil wirklich alle Ehre macht. Markus, kennst du das?

Markus: Ja, absolut! Habe ich vorhin schon gesagt, gerade das Taddy Porter ist eins meiner Lieblingsbiere, das ich wirklich eigentlich immer, wenn ich in London bin, mindestens einmal trinke, meistens öfters, oder mehrere Abende, je nachdem, wie man das sehen mag. Also auf jeden Fall ganz, ganz faszinierend. Und gerade diese dunklen Biere, ich bin sowieso ein Freund der dunklen Biere und der malzbetonten Biere, und das macht mir richtig viel Spaß, weil man das tatsächlich gerade in England nicht immer in der Qualität bekommt. Das gefällt mir wirklich richtig gut. Und auch wieder ein bisschen so der Verweis auf die Geschichte. Auch dieses Porter führt zurück zu den Ursprüngen von dem Bierstil. Da hätte ich jetzt allerdings eine Frage bei diesem Chocolate Stout, das ist wahrscheinlich jetzt kein historisches Bier, oder? Seit wann gibt es das oder wie kamt ihr auf die Idee, da mit Kakaobohnen zu spielen?

Sam Smith: Stout ist bei uns ganz historisch, ganz traditionell, also wir brauen schon Stout und Porter seit 200 Jahren. In unserer ganzen Geschichte haben wir immer Stout gebraut und sehr gutes Stout, richtig gut, weil unser Wasser so gut dafür geeignet ist. Ein gutes Stout hat immer so ein bisschen Geschmack an Schokolade, an trockene Schokolade. Und deswegen kamen wir auf die Idee vor 15 Jahren oder so ein Bier, das eigentlich Kakao benutzen würde, um diesen trockenen Schokoladengeschmack ein bisschen zu verstärken. Genau, also Kakao, biologischer Kakao, was wir hier benutzen, ist kein traditioneller Rohstoff in Bier. Natürlich, ich glaube nicht nach dem Reinheitsgebot. Aber wir haben das Gefühl, wir sollten uns nicht nur auf die vier normalen Zutaten vom Bier, wir sollten uns nicht nur darauf einschränken. Wir haben das Gefühl, das ist so wie ein guter Koch, der möchte ganz interessante verschiedene natürliche hochqualitativ hochwertige Rohstoffe benutzen, um interessantes gutes Bier zu brauen, das zu uns passt, das zu unserem Wasser passt, das zu unserer Gärmethode passt und das zu unserer Geschichte passt, weil wir seit vielen Jahren uns so gut auskennen mit Stout zu brauen.

Holger: Tja! Und jetzt glaubt man gar nicht, dass man jetzt zu einem Finale kommt, was ein wahres Finale ist und seinem Begriff auch alle Ehre macht. Jetzt kommen wir doch dann zum Imperial Stout. Imperial würde man übersetzen als kaiserlich. Und Markus, das obliegt dir jetzt wieder die Ehre, dann das Imperial Stout als Finale ins Glas zu schenken und uns zu berichten, was du erlebst.

Markus: Ja, grundsätzlich sehr gerne, die nehme ich auch total gerne an diese Ehre.

Holger: Aber du hast jetzt noch wieder eine Frage, oder?

Markus: Nein. Oder Jein, je nachdem. Aber haben wir nicht das IPA vergessen?

Holger: Ja, können wir auch machen.

Markus: Wenn du vom Finale sprichst, müssen wir …

Holger: Du möchtest jetzt das India Ale noch mal in die Runde werfen?

Markus: Genau, das kannst ja du machen und dann übernehme ich wieder mit dem Imperial Stout. Das wäre doch eine …

Holger: Ja, du bist so frech, machst du jetzt das India Ale und ich mache das Imperial Stout.

Markus: Das ist unglaublich! Aber gut, dann machen wir das so und dann machen wir das mal auf. Moment! Da muss ich auch sagen, ich trinke es meistens nicht alleine, also nicht nur, dass ich es gerne mit anderen Menschen trinke, sondern ich habe gerne das Pale Ale und das India Ale nebeneinander. Weil ich das so spannend finde, weil es diese beiden klassischen englischen Bierstile sind, die, glaube ich, mehr oder weniger ein gleiches Grundrezept haben, aber das India Ale wesentlich mehr Hopfen hat. Das merkt man hier schon, also wenn man es anschaut, erstmal diese wunderschöne goldene Farbe, die mich schon so ein bisschen anstrahlt, und der schöne weiße Schaum obendrauf. Und dann, wenn man eben reinriecht, dann hat man so diese klassischen, hopfigen Aromen, grasig grün, ein bisschen Zitrus, und sehr intensiv, was einen so richtig auch ein bisschen packt. Und wenn man dann einen Schluck nimmt, Moment!, dann hat man wieder dieses cremige Mundgefühl. Das fängt auch erstmal so ein bisschen malzig an und dann übernimmt aber der Hopfen und übernimmt die Bittere und ist dann richtig intensiv, richtig präsent, nicht zu präsent, und sorgt aber dafür, dass dann, wenn man getrunken hat, so richtig der Mund trocken wird und man dann so nach und nach dieses Bedürfnis hat einfach den nächsten Schluck wieder zu nehmen. Das ist sehr, sehr rund, sehr, sehr schön, sehr angenehm. Und ich finde, man kann, wenn man das dann mit dem Pale Ale zusammen vergleicht, sehr schön diese Evolution von diesem Bierstil mitbekommen, wie man eben merkt, okay, wie funktioniert das, wenn ich mit dem Hopfen mal anders arbeite, aber trotzdem dieser schöne Körper mit dem schönen Malz da ist. Und das gefällt mir richtig gut und deswegen trinke ich das auch gerne und kann nur sagen „Prost!“ und freue mich auch, dass das so ein ursprüngliches India Ale ist, wo ich jetzt nicht sieben, acht Prozent habe und nicht durch Hopfenstopfen ganz viele tropische Früchte oder irgend sowas. Das ist auch toll, aber so wie dieses India Ale sind halt die Biere, die man auch in den Pubs bekommt. Und da merkt man auch, dass das eigentlich auch ein Bier ist, was die Leute einfach gerne mal am Abend trinken, wo es gar nicht um Extreme geht, sondern einfach um ein schönes Bier, was man trinkt. Und Holger, wie geht’s dir?

Holger: Ich stelle mir jetzt einfach einen schönen Burger dazu vor, weil dazu würde es exzellent passen. Aber im Prinzip hast du es getroffen, also ich habe eigentlich nichts zu ergänzen. Sehr schön, sehr schön!

Sam Smith: Dieses Bier ist wie der Markus sagt, das ist so ein ursprüngliches IPA, bevor in den USA dieser Stil da beliebt wurde. Der Stil wurde am Ende des 19. Jahrhunderts erst gebraut, um nach Indien von England nach Indien gebracht zu werden über die Meere. Und es wurde mit mehr Hopfen gebraut, weil der Hopfen dem Bier eine längere Haltbarkeit gegeben hat während der langen Reise, das sehr heiß war. Dieser Stil wurde dann sehr gut angenommen in den USA und da wird das mit amerikanischen Hopfen gebraut. Deswegen haben wir die amerikanische IPA das sehr gut angekommen ist, das oft nach viel Zitrus schmeckte und viele oft nach Pampelmuse und oft manchmal relativ süß ist mit dem New England IPAs und sehr, sehr fruchtig. Aber dieses ist wie es ursprünglich war. Wir glauben ganz ähnlich wie diese ersten IPAs, die in England gebraut wurden für Indien, für die indische Kolonie. Und das war dann nur mit englischen Hopfen gebraut. Das ist mit diesen klassischen Hopfensorten, die heißen Fuggles und Goldings. Und statt Zitrus und Pampelmuse schmecken die nach, die sind schon erdig und fast würzig, würde ich sagen. Wenn die hohen Mengen benutzt werden, so wie in diesem Bier, aber nicht extrem bitter und diese Erdigkeit und diese fast Würzigkeit ist ganz interessant. Das man nur hat, wenn man in großen Mengen englische Hopfen hat. Das ist erst ein interessantes Beispiel davon, das eigentlich ganz selten ist und es passt sehr gut zu dem guten Malzkörper und ist balanciert und nicht extrem oder aggressiv.

Holger: Da kann man nichts mehr sagen, oder Markus?

Markus: Nein, absolut! Ich kann nur unseren Hörern wirklich empfehlen, also einerseits, ihr müsst mal nach England fahren und in den Pubs als Real Ale eben Pale Ales und IPAs und Porters und Stouts verkosten, um einfach mal eine Erdung zu bekommen, einen Eindruck zu bekommen, wie diese Bierstile ursprünglich mal gedacht waren und wie sie schmecken. Dann versteht man auch sehr viel besser, wie die modernen kreativen Bierstile daraus entstanden sind. Und andererseits kann man ihnen auch nur empfehlen, bestellt euch mal dieses Paar aus Pale Ale und India Ale, um auch da den Unterschied mal für sich so ein bisschen zu erfassen und zu memorieren und zu sagen, okay, so ist das gedacht und so ist das gedacht und das ist die Basis. Das ist für mich immer wieder gut und verwende ich auch gerne in unseren Kursen, um den Leuten da so eine Basis auch zu geben, um sich dann später diesem Thema Pale Ale und IPA auf die moderne Art und Weise mit all den Vielfältigkeiten und verschiedenen Stilen, die es da heute gibt, zu nähern. Oh je! Langer Satz. Ich habe noch nicht genug Bier getrunken, aber mache ich jetzt. Prost! Und jetzt kannst du zum Finale.

Holger: Du hast mir die Moderation, quasi die Anmoderation, komplett versaut. Deshalb weiß ich gar nicht mehr, was ich sagen soll. Jetzt kommt halt das Imperial Stout.

Markus: Du hattest glaube ich über Imperial und kaiserlich und sowas gesprochen.

Holger: Ja, ja, genau! Das hatte ich alles gemacht, aber das ist jetzt verpufft. Deshalb, jetzt mach’s halt auf.

Markus: Ach, na gut! Dann versuche ich es noch etwas glorios zu machen, was ja auch schön ist. Also unser Finale für heute ist jetzt unser Imperial Stout. Das kommt schon in einer besonderen Flasche daher, das ist vielleicht auch was, dass diese Flaschen von Samuel Smith sind sehr elegant, also sehr hoch im Verhältnis, und man hat dann oben so eine schöne Gold, wie sagt man, Stanniolpapier, wie auch immer, jedenfalls ein schönes goldenes Papier oben drüber, was das Ganze so ein bisschen krönt wie eine kleine Krone.

Holger: Halsbanderole nennt man das.

Markus: Ja, ja, schon, aber das Material?

Holger: Goldpapier.

Markus: Na gut! So hätte ich es dann auch sagen können. Auf jeden Fall eine goldene Krone oben auf dem Bier und dann versteht man auch, warum das Ding da obendrauf Kronkorken heißt. He-he! Und hier haben wir auch ein ganz, ganz schönes Etikett, was wirklich auch richtig so den Eindruck vermittelt, dass es sich hier um ein ganz edles Bier handelt. Wir sehen da auch ein paar Medaillen drauf zum Beispiel. Und dann steht richtig schön Imperial Stout. Jetzt bin ich mal sehr gespannt, ich mache das mal auf. Ha! Da ist es. Wir haben schon ein bisschen übers Thema Stout gesprochen bei dem Chocolate Stout und jetzt haben wir eine Farbe, die noch intensiver, noch dunkler ist und sehr schön trotzdem diesen leichten orangegoldenen Schimmer hat, rötlich, was so aus dem Glasboden hochleuchtet. Und obendrauf jetzt wirklich ein sehr schöner dunkler und sehr kompakter Schaum. Wenn man das riecht, dann erinnert das einen so ein bisschen an des Chocolate Stout. Also wir haben auch ein bisschen schokoladige Aromen, aber natürlich auch so Kaffee, ein bisschen trockene Beeren, ein bisschen Rosinen, Karamell, Toffee kommt auch wieder rüber, Röstaromen allgemein, ein bisschen Lakritz vielleicht sogar. Ich probiere mal. Hmm! Da merkt man schon, das ist jetzt ein sehr selbstbewusstes Bier. Also das sagt uns richtig viel, erzählt uns so eine richtige Geschichte. Es fängt richtig intensiv an mit diesen Karamellaromen, mit den Röstaromen. Dann übernimmt die Schokolade, dann hat man so ein bisschen wie Malzkaffee fast und dann kommt ein bisschen Lakritz vielleicht dazu, und hintenraus wird’s dann leicht bittersüß, so ein Spiel zwischen beiden Geschmäckern und klingt dann mit diesem cremigen Mundgefühl fast ein bisschen sahnig aus. Also ganz, ganz interessant, ganz, ganz spannend. Und ist dann aber auch dafür, dass es eigentlich mit seinen 7 % gar nicht so schwach ist, trotzdem ein leichter Trunk. Also sehr selbstbewusst, sehr voll, sehr intensiv, aber trotzdem gut zu trinken. Und das ist wirklich ein ganz tolles Bier. Es ist auch mittlerweile, nachdem wir doch schon eine Stunde hier am Reden sind, ein bisschen wärmer geworden. Das tut ihm auch gut, also ein Bier, was durchaus ein bisschen Temperatur vertragen kann. Und wirklich ein grandioses Finale ist, also es schmeckt mir richtig gut. Oder was sagst du, Holger?

Holger: Sage ich ja, Finale. Und ich glaube, das wird in diesen Yorkshire Squares fermentiert, oder nicht, Sam?

Sam Smith: Ja. Da hast du absolut recht. Da wird das auch vergoren, fermentiert und hat immer den gleichen Charakter wie die zwei vorherigen Biere dieses Mundgefühl, diese Malzige, fast Mineralische, Vollmundigkeit, das aus dem Wasser kommt, aus den Yorkshire Squares kommt. Dieses Bier ist ein bisschen stärker, 7 %, aber das heißt, es ist noch vollmundiger als die zwei vorherigen. Aber das ist nicht zu kräftig, nicht zu dick oder es ist immer noch leicht zu trinken, immer noch, man will immer noch einen Schluck nehmen. Und nicht oder sowas wir ein stärkeres Bier sein kann. Und genau, dieser Lakritzengeschmack, ein bisschen bittere Schokolade, ein bisschen …

Markus: Rauchig.

Sam Smith: … rauchig, genau, danke, ein bisschen rauchigen Geschmack, alles schon sehr balanciert, auch intensiv.

Holger: Ich glaube, es ist auch wahnsinnig komplex, oder?

Sam Smith: Mhm (bejahend).

Holger: Das ist so ein richtig komplexes Geschmacksbild. Mir fällt dazu ein, Affogato, wisst ihr, was ein Affogato ist?

Markus: Der Espresso?

Sam Smith: Ich weiß nicht, was das ist.

Holger: Nein, das ist ne Vanilleeiskugel und da wird dann einfach ein Espresso drüber geschüttet, ein heißer Espresso. Und ich könnte mir jetzt vorstellen, das würde mit dem Bier auch gut funktionieren. Also man nimmt eine Vanilleeiskugel und schüttet einfach ein bisschen von diesem Imperial Stout über diese schöne cremige Vanilleeiskugel und löffelt es dann aus. Und dann wird wahrscheinlich an einem Sonntagnachmittag die Schwiegermutter dich anhimmeln und sagen, oh, so einen schönen Eiskaffee habe ich nicht mal in Italien verkosten dürfen. Was gibt es Schöneres als die Schwiegermütter glücklich zu machen, oder?

Sam Smith: Das stimmt, das stimmt! Das kann man gut. Das ähnelt sich schon ein bisschen wie ein Espresso, das man zu einem Affogato gut nutzen könnte. Das ist dieser intensive Kaffeegeschmack. Ich finde, es ist mindestens ganz interessant, wenn ich darüber nachdenke. Also wir sagen, dieses Bier schmeckt ein bisschen nach Kaffee oder Espresso. Solche Biere mit geröstetem Malz würden in Europa, zu mindestens in England, ich glaube auch in Deutschland, schon seit mehreren Jahrhunderten gebraut, schon lang, bevor Kaffee nach Europa gebracht wurde und in großen Mengen getrunken wurde und normal wurde. Das heißt, wir sagen, dieses Bier schmeckt ein bisschen nach Kaffee oder Espresso, aber vor 200 Jahren, als die Europäer Kaffee getrunken, entdeckt haben, hätten sie gesagt, dieses Getränk, dieser Kaffee schmeckt wie mein Bier. Das heißt, Bier ist, solche Bierstände sind ja traditionell, so eine lange Geschichte wie unser Imperial Stout.

Holger: Markus, dir gebührt das Schlusswort, würde ich sagen.

Markus: Ich bin immer noch ganz glücklich und ganz erwärmt von diesem Bier, das mir echt sehr viel Freude macht und das wirklich ein sehr schönes krönendes Finale für unseren BierTalk ist. Und dann sage ich, Sam vielen, vielen Dank! Also das hat uns wirklich richtig viel Freude gemacht, auch mal einen Einblick in die englische Bierwelt mit dir zu bekommen. Und ich hoffe, dass unsere lieben Hörerinnen und Hörer das auch zu schätzen wissen und kann euch nur einladen. Also wohlgemerkt, unser Podcast ist völlig werbefrei, also wir sagen einfach nur unsere Meinung, aber natürlich reden wir auch in der Regel mit Leuten, wo wir wissen erstens, sie wissen was sie tun, und zweitens macht es uns Spaß, mit ihnen ihre Biere zu trinken. Deswegen also hier wirklich ein ganz großes BierTalk-Fest, das wir mit euch zusammen erleben dürfen und ich jetzt mit Holger und Sam zusammen erleben durfte. Also von meiner Seite aus vielen Dank und heute noch einen schönen Abend!

Holger: Dem kann ich mich nur anschließen. Sam, 1000 Dank! Es war wunderbar.

Sam Smith: Danke schön, Holger! Danke schön, Markus! Das war ein großes Vergnügen. Hat mich sehr gefreut und viel Spaß gemacht, die Biere allen vorzustellen.

Markus: Auf jeden Fall!

Holger: Macht’s gut! Ciao!

Markus: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 31 – Interview mit Conrad Seidl, dem Bierpapst aus Wien, Österreich

Conrad Seidl ist der Bierpapst. Punkt. Der clevere österreichische Journalist erkannte schon zu Beginn seiner Nebenjob-Karriere in der Bierwelt, welche Bedeutung eine starke Marke hat. Als gläubigem Katholiken und echtem Genussmenschen war ihm die Idee des persönlichen Gerstensaft-Pontifikates nicht fern und so sicherte er sich die Marke und tritt seitdem als Bierpapst auf dem internationalen Parkett auf. Passend dazu verfasste er auch einen Bier-Katechismus sowie über 20 weitere Bücher rund um das Thema Bier, als bekanntestes wohl den „Bier Guide“ für Österreich. Inzwischen gibt es zudem noch einen Youtube-Kanal und eine eigene Bierreportagereihe für eine Fernsehproduktionsfirma. Ganz grundsätzlich ist Conrad außerdem ein feiner, scharfsinniger und humoriger Bierfreund, der nicht zuletzt aufgrund seiner vielen Reisen in die Welt auch viel zu erzählen hat. Freut Euch auf einen spannenden Biertalk mit dem Heiligen Vater des Bieres…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute ein Special aus unserem lieben Nachbarland Österreich entlang der Austrian Beer Challenge, wo wir zum Bier-Verkosten da sind. Ich bin heute mit einem ganz besonderen Gast verabredet, mit dem ich heute auch schon zusammen Biere verkosten und auch schon Staatsmeister küren durfte, nämlich seiner Hoheit oder Eminenz, wie auch immer man das richtig sagt, dem Bierpapst Conrad Seidl. Conrad, stelle dich doch unseren Hörern mal kurz selber vor, damit sie sich ein Bild machen können, mit wem sie es jetzt zu tun haben.

Conrad Seidl: Ich bin der Conrad, ich habe in meiner Jugend begonnen, Bier zu trinken, dies auf einer sehr unprofessionellen Art. Denn ich habe Bier getrunken einfach, weil es mir geschmeckt hat. Später bin ich draufgekommen, es schmeckt viel, viel besser, wenn man über das Bier auch mehr weiß. Ich bin in meinem Hauptberuf, den ich jetzt auch schon an die 40 Jahre ausübe, Redakteur, politischer Redakteur einer Tageszeitung. Wenn du den ganzen Tag über Politik schreibst, brauchst du nachher ein Bier. Ein ist jetzt kein Zahlenwort, es sind mehrere. Und beim Bier lösen sich auch bei vielen Leuten die Zunge. Wenn du mit einem Politiker auf ein Bier gehst, nach dem zweiten Bier erzählt er dir, wie die Dinge wirklich sind. Und daher habe ich auch durchs Bier viel über Politik gelernt. Und durch die Politik das eine oder andere über Bier.

Markus: Vielen Dank! Also zwei Dinge, die wirklich auch ein bisschen zusammengehören. Hast du noch andere Parallelen vielleicht gefunden zwischen Bier und Politik?

Conrad Seidl: Ja. Ein Ding ist, dass natürlich auf dem Markt politische Gesetze herrschen und dass wir gerade in den letzten drei Jahrzehnten, in denen ich mich wirklich sehr intensiv, auch journalistisch mit Bier auseinandergesetzt habe, würde ich eine hohe Konzentration auf dem Markt festgestellt haben. Und dass wir sehen, dass sehr große Bierkonzerne, die drei größten haben ungefähr die Hälfte des Weltbiermarkts, das ist schon ganz ordentlich. Und es ist spannend zu sehen, was die tun gegeneinander, miteinander auf manchen Märkten. Und natürlich ist auch interessant, was da für Biere herauskommen, weil entgegen den allgemeinen Vorurteilen gibt es sehr, sehr viele Biere aus großen Konzernen, die sehr gut trinkbar sind, und einige, die ich aber jetzt nicht erwähne, die ich eher nicht trinken würde.

Markus: Aber das finde ich schon mal eine ganz wichtige Botschaft, wo wir auch als BierAkademie immer versuchen, den Leuten das näher zu bringen, dass eben dieses alte Paradigma groß gegen klein, gut, schlecht, wie auch immer, dass das so einfach nicht stimmt. Sondern dass es einfach Vielfalt gibt und eben auch unterschiedliche Zwecke und Philosophien und eben Anwendungsgebiete.

Conrad Seidl: Und das ist natürlich eine Frage eines politischen Urteils. Es gibt viele Leute, die sehen, dass ihr Konsum, das haben wir so aus der 68er Bewegung übernommen, da war ich noch recht klein, da war ich erst zehn Jahre alt, aber das Prinzip, naja, dein Handeln ist stets ein politisches Handeln. Es gibt Leute, die sind von ihrer Grundhaltung her antikapitalistisch und sagen, ja, von den Großen darfst du nichts kaufen. Die werden dann aber oft sehr demütig, wenn sie von einer Krankheit befallen sind, die sie nur wegbringen durch die Leistungen der großen auf Kapitalismus aufbauenden Pharmakonzerne. Sie sagen dann zwar, ja, in einer sozialistischen Welt wäre das viel besser. Nur in der sozialistischen Welt, wissen wir, gibt es keine wirksamen Medikamente. Es gibt dort meistens nicht einmal gutes Bier.

Markus: Und da können wir, glaube ich, froh sein, wir sind beide viel unterwegs, dass wir schon überall auf der Welt spannende Biere trinken durften. Vielleicht …

Conrad Seidl: Nicht überall auf der Welt. Meine Ausflüge nach Saudi-Arabien, das waren sehr trockene Sachen. In der Wüste und kein Bier, das ist furchtbar.

Markus: Das stimmt! Wobei mir mal ein Braumeister erzählt hat, dass sich so ein saudi-arabischer Prinz einen Anhänger hat bauen lassen, wo er in den Anhänger eine Brauerei nebst Kühlanlage hineingebaut hat. Und wenn die dann ihre Kamelrennen hatten, dann stand dieser Anhänger immer so ein bisschen nebenbei und dann sind die so heimlich währenddessen dahin und haben sich dann ihr Bier geholt. Also ist da vielleicht der Weg des Mannes zum Bier …

Conrad Seidl: Es gibt auch viele Saudis, die zum Beispiel nach Kuwait oder in andere Länder oder Abu Dhabi fahren, wo man dann sagen kann, da kriegt man dann legaler Weise Bier. In Dubai habe ich ein Hofbräuhaus München gesehen, die haben dort einen Brew Pub und da sieht man halt diese Herren im weißen Abendkleid, die halt dort aufs Bier hinkommen. Die kommen aus Saudi-Arabien.

Markus: Interessant finde ich auch, dass es da auf jeden Fall immer auch eine sehr emotionale Bindung zum Thema Bier gibt. Vielleicht jetzt nicht unbedingt in Saudi-Arabien, aber ich erinnere mich an eine Sache, wo ich in China war, und sie mir dann ganz stolz zum Abendessen eine Flasche Tsingtao Bier serviert haben. Allerdings brühwarm und in einem sehr schlecht gespülten Glas. Aber ich musste das und wollte das natürlich auch überspielen, weil für die war das fast schon so ein heiliger Akt zu sagen, wir haben hier jemand aus Deutschland und haben hier von dieser Brauerei ein Bier für dich, und haben das extra für mich geholt. Und da merkt man schon, wie da auch eine Beziehung zum Thema Bier da ist, nicht nur in den klassischen Bierländern, oder?

Conrad Seidl: Es gibt großen Stolz fast überall aufs Bier. Ich habe wahrscheinlich zu einer ähnlichen Zeit wie du das erlebt hast, war ich einmal in Rumänien, da haben wir so kurz nach der Wende eine Zahnklinik hingebracht mit dem Roten Kreuz. Und da hat dann der Bürgermeister ein Essen ausgerichtet, bei dem gab’s lokalen Wein. Und ich habe unhöflicherweise gefragt, ob es nicht ein Bier gäbe. Da hat der Bürgermeister irgendwie verfallen im Gesicht, hat dann aber jemanden beauftragt, im Krankenhaus anzurufen, weil die haben meistens für die Ärzte so zwei, drei Flaschen, zwei, drei Flaschen Bier gehabt, weil dort war die Versorgungslage damals 1990 noch sehr, sehr schlecht. Dann ist tatsächlich mit einer Ambulanz mit Blaulicht das Bier für mich gebracht worden. Das war mir schon sehr peinlich.

Markus: Wobei, da sind wir jetzt bei der anderen Frage, die sich vielleicht der ein oder andere Hörer auch stellt. Wie wird man denn zu einem Bierpapst? Also wie funktioniert das? Hast du irgendwann eine Eingebung gehabt, hat man dich ernannt oder hast du dir irgendwann überlegt? Wie kommst du dazu?

Conrad Seidl: Die Marke Bierpapst habe ich mir schützen lassen. Das ist ein geschützter Markenname, auch um sicherzugehen, dass nicht jemand mit einem Bierpapst-Lokal oder einem Bierpapst-Produkt anderer Qualität auf den Markt kommt. Das ist ein Ding, wo ich sage, ja, ich nütze die Marke, ich bin nicht geneigt, da sehr viel zu lizenzieren, schon gar nicht in Bier, weil da würde meine Neutralität darunter leiden. Aber vielleicht in (unv. #00:07:39.3# Käse?)?

Markus: Das klingt allerdings sehr spannend. Gibt’s denn Attribute rund um dieses Thema Papst, wo du sagst, das findest du spannend? Also man sagt zum Beispiel, der Papst ist unfehlbar oder hat eine gewisse Weisungsbefugnis. Also sind das so Sachen, wo man auch gerne mit diesem Image ein bisschen spielt? Kann ich mir vorstellen …

Conrad Seidl: Selbstverständlich! Nur, wenn man sich mit der Theologie ein bisschen näher beschäftigt, dann weiß man natürlich, es gibt das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes auch erst seit dem späten 19 Jahrhundert. Aber diese Unfehlbarkeit ist ja keine absolute. Auch der Heilige Vater in Rom ist so weit fehlbar, dass er sagt, in einer Streitfrage kann er letztgültig entscheiden, bis ihn möglicherweise ein Konzil in der gesamten Weisheit der Kirche richtigstellt. Es ist kein Mensch völlig unfehlbar, aber das Unfehlbarkeitsdogma in der katholischen Kirche hat ja den Sinn, dass man sagt, man schafft zunächst einmal Frieden, Roma locuta causa finita. Jetzt ist mal Ruhe. Und es ist oft sehr wichtig, dass man in Streitfragen sagt, zumindest auf eine Zeit ist einmal Ruhe, dann nachher kann ein Parteitag, wir sind wieder bei der Politik, oder eine Generalversammlung oder was immer, ein Aktionärskonvent, vielleicht in eine andere Richtung vorgehen. Aber es ist schon richtig, dass man ab und zu Frieden schafft, um zu sagen, jetzt reden wir mal über was anderes.

Markus: Und das merken wir auch zum Beispiel an einem Jurytisch, wo ab irgendeinem Zeitpunkt man auch mal sagen muss: Wir einigen uns jetzt und dann ist auch mal gut. Und wir können uns auf die nächsten Dinge praktisch so ein bisschen weiterbewegen.

Conrad Seidl: Da habe ich mal eine Jurysitzung gehabt, das war beim (unv. #00:09:37.6#) Festival, was schon vom Namen her sehr interessant ist, in Monk’s Café in Seattle. Und dort hatten wir so lauter sehr, sehr starke Biere, Barry Wines. Und das war eine Jurysitzung, in der sich alles blockiert hat. Also es war ganz klar, welche 15 oder 20 dieser Starkbiere will man jetzt nicht in weitere Betrachtung ziehen, aber es waren alle einig von den Juroren, welche die drei besten Biere sind. Aber es war so, dass es sechs Juroren waren und jeweils zwei haben eines als das Beste gehabt, und es war unglaublich schwierig, wir mussten diese sehr guten Biere, muss man sagen, glaube ich, fünfmal neu codieren lassen, bis sich dann irgendjemand geschlagen gegeben hat. Das war nicht (unv. #00:10:38.6# ich), aber es hat sich dann jemand geschlagen gegeben, hat gesagt: Okay! Um des lieben Friedens willen haben wir jetzt hier diese Reihung gehabt. Und dann war es gut.

Markus: Vielleicht noch kurz, weil wir gerade da waren, würdest du sagen, du bist ein religiöser Mensch? Ist das auch ein Teil deines Lebens?

Conrad Seidl: Ja, selbstverständlich! Ich glaube, es wäre absurd zu sagen, der Papst ist kein Katholik. Tatsächlich, also auch da muss man sagen, ich habe das Vergnügen, die Ehre, die Auszeichnung, dass ich Mitglied der Bruderschaft Santa Maria dell‘Anima in Rom bin. Das ist einer der letzten rechtlichen Überreste des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Als dieses im Jahr 1806, nach den Historikern ist der Begriff Reichsdeputationshauptschluss vielleicht noch in Erinnerung, als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation aufgelöst worden ist, hat man festgestellt, da gibt es einige Institutionen, die nicht nur dem Kaiser unterstehen, sondern in diesem Fall dem Kaiser und dem Heiligen Vater in Rom. Und das ist die Bruderschaft Santa Maria dell’Anima, eigentlich eingerichtet worden im Mittelalter als eine Betreuung von, damals hat man gesagt, sächsischen Pilgern, also von deutschsprachigen Pilgern, die nach Rom gekommen sind. Und da gibt’s eine Kirche und eine Priester-Bildungsanstalt. Und dann gibt es eben diese Bruderschaft, die direkt dem Heiligen Vater untersteht. Und da habe ich die Ehre, Mitglied zu sein.

Markus: Ja, habe ich auch gelesen, finde ich sehr spannend. Und habe mir dann auch überlegt, da kommt man vielleicht ab und zu auch natürlich wieder zum Bier, aber auch zur Politik, weil zum Beispiel sind Leute Mitglied wie Reiner Haseloff oder auch wie der Bischof Tebartz-van Elst, wo man dann auch immer mal wieder so politische Themen hat. Wird sowas dann in der Bruderschaft auch diskutiert oder muss man da …?

Conrad Seidl: Nein, nein. Nein, das ist eine rein spirituelle Frage. Hier geht es darum, dass man sich darum sorgt, was Seelsorge ist. Dass man sagt, was hat uns Gott zu geben, was hat uns die heilige Maria von den Seelen zu geben. Sie sollte unsere Seelen beflügeln und manchmal tut sie es, manchmal vielleicht nicht ganz so, aber da geht es nicht um irgendwelche kirchenpolitischen oder sonstigen Themen, da geht es um das Wichtigste, was es auf der Welt überhaupt gibt, das ist Seelenheil. Und wir haben als Biertrinker das Glück, dass wir uns zumindest eine Vorstellung vom Seelenheil machen können, wenn wir in der Situation sind, dass wir ein gutes Bier trinken und dann sagen, der Herrgott meint es gut mit uns.

Markus: So! Wie ihr hört, sind wir natürlich auch bei einem Bier, bei einem ganz besonderen Bier. Das bringt uns jetzt wieder zurück zu dem Thema. Vielleicht beschreibst du mal kurz, was wir für ein Bier haben. Das ist ja auch eines, das du mehr oder weniger mit ausgesucht hast, dass es jetzt hier überhaupt da ist. Und ich finde das auf jeden Fall ein ganz spannendes Beispiel für eben ein innovatives, modernes Bier. Aber wie würdest du das beschreiben?

Conrad Seidl: Also ein Bier, das ihr in Deutschland nicht machen dürft, weil das ist kein Reinheitsgebotsbier. Der Name sagt ja schon, Champagne Isabella Sour Ale. Also Sour Ale dürft ihr machen, ihr dürft die Würzesäuren, ihr könnt allem möglichen Tricks mit Milchsäure machen. Aber hier in diesem Fall, man sieht das auch sehr schön, weil die Farbe so ins Orangerosa hineinwirkt. Also für dich im Bamberg muss das eine vertraute Farbe sein. Es dort ein paar schöne Fassaden gibt, die diese Farbe haben.

Markus: Ja.

Conrad Seidl: Und das kommt daher, dass in diesem Sour Ale Traubensaft von der Isabella-Rebe zugesetzt wird. Das ist eine alte Rebe, also eine Rebe aus der Zeit vor dem schrecklichen Einfall der Rebläuse im 19. Jahrhundert. Und das ist ein Direktträger, eine Rebe, die im Ruf steht, dass der daraus gewonnene Wein ziemlich aggressiv macht. Hier also natürlich nur in geringen Mengen dabei. Weil es wird etwas von diesem Traubensaft, dem nachgärenden Bier zugesetzt. Dadurch kommt dann noch einmal Zucker, Fruchtzucker hinein. Und dieser wird dann noch einmal mit einer Champagnerhefe vergoren. Champagnerhefen für so sehr widrige Umstände, höhere Alkoholgehalte, höhere Drücke aushalten. Damit bekommen wir ein sehr stark, englischen Namen, Highly Atannuated Beer. Bei uns würde man sagen, man nennt sie auch fruchtvergorenes Bier. Wenn man hineinriecht, riecht man das, also die Älteren werden sich vielleicht erinnern, in den 1970er Jahren war es eigentlich typisch für den (unv. #00:16:05.2#) Champagner, dass der einen Hefeduft gehabt hat. Wir haben also hier einen leichten Hefeduft. Wir bekommen einen Duft nach Früchten, das ist natürlich von der Isabella-Traube. Da kommt auch sowas, fast eine Erinnerung an Erdbeeren hinein. Und wenn man dann antrinkt, stellt man fest, ein sehr gut eingebautes CO2, eingebaute Säure. Der Hopfen macht hier was, aber er macht‘s nicht bitter, sondern er gibt dem einen leicht adstringierenden Effekt auf dem Obergaumen. Und viele Leute, die das trinken, speziell, wenn man das so in einem normalen Bierglas trinkt, dann schüttest du das hinein und denkst, leichtes Summer Ale. Nein, das ist ein Bier mit 6,8 % Alkohol. Ich habe dasselbe Bier dann einmal aus einem Bordeaux-Glas getrunken. Da trinke ich mit weniger als der halben Geschwindigkeit, weil man es da wirklich dann tröpfchenweise genießt. Und ich bin durchaus ein Mensch, der Starkbiere liebt, aber man muss sie ja nicht im Übermaß genießen, sondern man muss sie genießen.

Markus: Auf jeden Fall! Ich finde es ein ganz, ganz faszinierendes Bier, auch durch dieses schöne Spiel mit der Säure, mit der Fruchtigkeit. Es hat für mich eben auch Elemente von Bierstilen, die gerade so ein bisschen en vogue sind, also diese Italian Red Ales oder auch das brasilianische Catharina Sour, was ja mit diesem Thema spielt. Und lustigerweise heißt die Brauerei, die es macht, auch noch 1516, was der gemeine Bayer vielleicht per se als Affront empfinden würde.

Conrad Seidl: Das war also so gedacht, also ursprünglich hat die Brauerei, die in der Mitte von Wien, die 1516 Brewing Company, als ich mit denen das erste Mal drüber gesprochen: Ja, sie haben vor, eine Gasthausbrauerei zu machen. Und ob ich ihnen einen Tipp geben kann? Erster Tipp: Macht keine Gasthausbrauerei. Es gibt im deutschen Sprachraum leider wirklich viele schlechte Gasthausbrauereien. Ich persönlich bin nicht überzeugt, dass eine Gasthausbrauerei an sich schon ein Magnet ist. Sie muss auch gutes Bier haben. Und das wird halt leider in manchen Gasthausbrauereien unterschätzt, dass es unglaublich viel Technologie und unglaublich viel Fachwissen braucht, um wirklich gute Biere zu brauen. Habe ich gesagt, was wir in Wien brauchen würden, wenn ich mir wünschen dürfte, was für ein Lokal ich gerne in Wien hätte, weil das haben wir nicht, ein American Style Brew Pub. Ja, was ist denn das? Und dann haben wir mal geschaut, erstens einmal, schau, dass du ein paar schöne, damals vor 22, 23 Jahren war das ja noch bei uns in Österreich ziemlich unbekannt, was da in den USA an neuen Bieren geschaffen worden ist mit modernen Hopfensorten. Es waren alle gezüchtet vom Österreicher, Al Arnold, aber bis heute wissen das die meisten Braumeister nicht. Und da gibt’s viele, viele Dinge, die man da hereinnehmen, viele Elemente, die das Amerikanische betonen, von der Speisekarte bis natürlich hin zur Bierkarte. Und die haben das auch tatsächlich gemacht. Und dann habe ich gesagt, wichtig ist, damit das auch glaubwürdig ist, glaubst du einem Italiener, der Pizza macht, aber türkischer Sprache ist? Nein. Ich glaube auch keinem Italiener, der Kebab macht. Nein, Kebab soll der Türke machen, und das ist halt so unsere Vorstellung, und der Italiener soll die Pizza machen. Und genauso ist es, musst du schauen, dass du amerikanische oder zumindest englischsprachige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter findest, die das Bier brauen, die dieses Bier servieren, die das Bier auch den Leuten nahebringen. Weil ich sage mal, dasselbe gilt eigentlich auch für Irish Pubs, in Österreich mehr als in Deutschland, in den meisten deutschen Irish Pubs wirst du auf Deutsch begrüßt. (unv. #00:20:22.8#) Na, so gehst du doch nicht in einen Irish Pub, da willst du englisch angesprochen werden und möchtest auf ein, zwei Stunden einen Irlandurlaub haben. Und ich habe gesagt, macht’s das so, dass die Leute auf ein, zwei Stunden einen Amerikaurlaub haben. Und da brauchst du natürlich das entsprechende Ambiente, du brauchst das entsprechende Personal, und vor allem das entsprechende Bier. Hat nicht funktioniert, muss man sagen. Das erste Jahr war das in ganz schlechter, (unv. #00:20:52.5#) was habe ich denen für einen Rat gegeben? Ich sitze da und zwei, drei andere Gäste sitzen auch noch da in einem Lokal, das sehr viel mehr Leute fassen würde. Und habe das dann auch einmal dem Vater des Besitzers gesagt, der die Finanzierung aufgestellt hatte. Und gesagt „Vielleicht habe ich ja keinen falschen Rat gegeben?“. Sagt er „Ja, wieso denn?“. „Weil ich sehe doch, dass ihr kaum Gäste habt.“. Sagt er „Herr Redakteur, schmeckt dir das Bier bei uns?“. „Na sicher, es schmeckt nach super Bier.“. „Ja, dann machen wir doch alles richtig. Und um mein Geld machst du dir keine Sorgen, gell.“. „Okay, dann werde ich das machen, was man tut, nämlich euer Bier anderen Leuten halt nahebringen.“. Hat er gesagt „Ja, das ist natürlich super, wenn du das tust. Komm gern mit wem immer vorbei.“. Und ich bin mit Politikern und mit Journalisten hingekommen und heute rennt der Laden, das ist fast eine Lizenz zum Gelddrucken.

Markus: Faszinierend, wenn man dir da so zuhört. Und ich glaube, da merkt man auch so ein bisschen deinen zweiten Bierbereich, den du hast, nämlich dieses Thema Biermarketing. Da bist du ja einerseits jemand, der sich selber auch als Marke inszeniert, aber eben auch jemand, der andere berät und ihnen eben Möglichkeiten aufzeigt. Wie bist du da hingekommen und was waren da so prägende Erlebnisse?

Conrad Seidl: Na, prägend ist immer das, was man in den USA erlebt. Also ich habe speziell in den 1990er Jahren immer wieder phasenweise mich in den USA umgeschaut und dann oft monatelang von Kleinbrauerei zu Kleinbrauerei gefahren, geschaut, was die machen. Manche haben es gut gemacht, manche nicht ganz so gut, aber immer mit einem Engagement, das man in Europa beim Bier damals nicht so gekannt hat. Damals haben die Leute in Europa gesagt „Ich mach eh ein gutes Bier. Die Leute, wenn sie ein gutes Bier wollen, sollen sie zu mir kommen und dann kriegen sie ein gutes Bier.“ Ja, das ist ganz nett, aber das ist halt nicht das, wie Menschen tatsächlich reagieren. Denen muss man sagen, was man hat, und man muss es ihnen erklären. Und ich habe damals dann auch viele, in England waren die Leute schon weit, ich bin noch Mitglied der British Guild of Beer Writers geworden, Mitglied von Cameron Life Time Member. Also ich habe gesehen, es gibt viele Leute, die sich darum bemühen, dass über Bier geredet wird. So wie du das tust, ganz, ganz wichtig, den Leuten Gesprächsstoff zu liefern. Selbst wenn sie vielleicht mit nicht allem einverstanden sind, was sie an Gesprächsstoff geliefert bekommen, ist es doch so, dass wenn, stell dir vor, auf einem Bieretikett von einer Bierflasche steht hinten drauf der Herr Braumeister, der dann unten auch mit seinem Namen unterschreibt, hat sich entschlossen, für dieses Bier eine Gerste zu nehmen von der und der Gerstensorte, die dort und dort wächst, und die er da und da vermälzen hat lassen. Einen Hopfen, der von mir aus wächst im Yakima Tal oder auch in der Hallertau oder in Tettnang, es ist diese und diese Sorte. Und damit hat er ein spezielles Rezept, bei dem er jetzt das und das macht, und eine Hefe aus ich weiß nicht woher. Wenn man das den deutschen Brauern vor 30 Jahren gesagt hat: „Interessiert doch kein Schwein. Versteht doch auch keiner.“. Stimmt! Das interessiert nicht alle, und verstehen tun es noch weniger. Aber ich habe dann gesagt „Habt ihr schon einmal einem GTI-Treffen beigewohnt, über was für Details von Ventilen eines Motors die Leute philosophieren und sich wirklich interessieren, obwohl das sind auch nur Autos, die fahren und dann bist du mit dem um nichts schneller bei der Arbeit, aber die Leute haben eine Liebe dazu, wenn sie sich bemühen, ein Wissen um vielleicht auch triviale Dinge zu kümmern und dann sagen „Aber die Zündkerzen von dem sind besser.“. Oder was immer es an Details gibt. Der Genuss wird dadurch erhöht, dass man etwas weiß. Und es gibt Leute, die viel Geld ausgeben zum Beispiel für Weinseminare, unglaubliche Ausbildungen. In meinem Wirtschaftswissenschaftsstudium habe ich gelernt, dass die ökonomische Theorie letztlich darauf aufbaut, dass auf perfekten Märkten es eine vollständige Information gibt und daher zum günstigsten Preis gekauft wird. Nachdem müsste Oettinger natürlich ausschließlich den Markt beherrschen. Tatsache ist aber: Wir sehen das beim Wein, dass Leute sich über Wochen und Monate mit Weinen beschäftigen, nicht, um zum besten Preis einen optimalen Genuss zu bekommen, sondern um sich auch einmal einen noch teureren Wein zu leisten. Und letztlich wirst du von dem einen wie vom anderen betrunken. Nur der Genuss ist halt auch unter anderem damit zu rechtfertigen, dass man sagt, ich habe dafür auch eine Menge Geld bezahlt, dass ich einmal diese spezielle Flasche aus diesem speziellen Weingut gekostet habe. In ähnlicher Weise funktioniert‘s ja auch inzwischen am Biermarkt. Nur ich sag immer: Freunde, schaut’s euch an, um wie viel Geld bei großen Auktionen die Spitzengewächse der Weinwirtschaft versteigert werden. Nicht weil das getrunken wird, aber im Supermarkt, wenn da die Flaschen oder Kisten, die nebenan stehen, dann verstehen die Leute das: Wenn es ein Bier gibt, das 10.000 Euro kostet, dann schaut dann der Preisunterschied und der Sprung von einer Flasche, die irgendwo 60 Cent kostet, zu einer Flasche, die 6 Euro kostet, im Vergleich, dass das ja auch 6000 sein könnte, relativ moderat aus. Und der greift vielleicht gelegentlich zu der 6 Euro Flasche, wo er ein Wow-Geschmackserlebnis bekommt.

Markus: Dem kann ich auch nur zupflichten, dadurch was mir immer so begegnet. Ich habe das Gefühl, es hat oft mit Storytelling zu tun, dass man also wirklich versucht, seinen Biersorten, seiner Brauerei, sich selber Geschichten zu geben, oft an wahren Dingen aufgehängt, manchmal vielleicht auch an kreativen Ideen. Aber am Ende geht es ja auch um Kundenbindung, um Begeisterung, um Multiplikatoren zu schaffen, die dann eben für mich, für meine Marke Botschafter werden und mich dann auch sichtbar machen vielleicht woanders. Und da finde ich, bin ich dir zum Beispiel begegnet zum ersten Mal, als ich ein Buch von dir hatte, das hieß Bier-Katechismus. Da sind wir fast schon wieder ein bisschen zurück beim religiösen Thema. Aber das fand ich ganz toll. Und mittlerweile machst du auch einen Bier-Guide, wo du praktisch die Leute auch so ein bisschen einlädst in die Restaurantszene und eben sagst, hier bekommst du das und da bekommst du das, und kriegst da auch ein sehr positives Feedback von den Gastronomen.

Conrad Seidl: Nicht von allen.

Markus: Nicht von allen, das ist klar, das kenne ich auch. Aber das finde ich auch eine interessante Geschichte. Wie hat sich denn das entwickelt und wie schaust du da jetzt nach den Jahren der Erfahrung auf dieses Projekt auch ein bisschen zurück?

Conrad Seidl: Ja, also der Katechismus gehörte mal neu geschrieben, weil da sind einige Daten drinnen, die jetzt nach inzwischen 23 Jahren veraltet sind, weil sich die Bierszene verändert hat, und glücklicherweise zum Positiven weiter verändert hat. Was du auch angesprochen hast, ist, es gibt natürlich eine Reihe von Geschichterln, die heute so im Umlauf sind. Man weiß, das hat irgendeine Brauerei mal aus Marketinggründen in die Welt gesetzt und die Leute plappern immer noch diese Marketinggeschichten nach. Das ist schon auch störend, weil eine gutklingende, aber falsche Geschichte ganz, ganz schwer aus der Welt zu räumen ist. Wenn ich jetzt wieder darauf hinweise, dass ich politischer Journalist bin und da amerikanische Präsidenten beobachtet habe oder so, dann brauche ich jetzt nicht Namen zu nennen. Aber das sind, ich glaube, die Geschichten, die man verbreitet, sollten wahr sein. Und gute, wahre Geschichten sind auch gute Selbstläufer. Und sie haben das, dass sie den Menschen, die sie gelesen haben und diese weitererzählen können, etwas gegeben, was auch vielen fehlt: Selbstbewusstsein. Wenn du über etwas kompetent reden kannst, dann stärkt das dein Selbstbewusstsein und dann stärkt das das, dass du von dir selber ein besseres Bild bekommst. Wenn du sagst, ich trinke jetzt von 5 Halbe, ist das ganz gut. Aber wenn man sagt, ich trinke 5 halbe Helles und das Helle ist eigentlich das am schwersten zu brauende Bier, und der Braumeister, der hat mir das mal erklärt, weil da brauchst du nämlich, das verzeiht dir keine Fehler beim Brauen. Und dann weiß ich noch, dass das aus einer fränkischen Braugerste und so einem Hopfen von ich weiß nicht Hersbruck gemacht wird, dann hat der doch eine andere Geschichte zu erzählen und dann ist das nicht mehr sein einfaches Helles, wo die Frau sagt „Sauf nicht so viel“, sondern ich genieße es.

Markus: Ja. Dann wird Bier eben auch zur Bierkultur. Und vielleicht, wenn wir zum Abschluss noch ein bisschen schauen, wie Leute dich erleben können, also einmal mit deinen Büchern, mit deinen Veranstaltungen, aber zum Beispiel auch mit deinem quasi Fernsehkanal, oder?

Conrad Seidl: Ja, also ich habe lange Zeit YouTube Videos gemacht, die werden jetzt auch alle wieder neu ausgespielt. Aber das, was ich momentan als das größte Projekt habe, das ist Biertastic. Das ist eine Fernsehserie, die haben wir in englischer Sprache aufgenommen. Für die erste Staffel sind wir nach Shanghai und nach Portland, Oregon und nach Kapstadt, also wo es halt ein gescheites Bier gibt, hingeflogen und haben das eine oder andere gekostet und kommentiert. Und ich geschaut, dass mir der Vogel Strauß nicht den Hut vom Kopf zieht und solche Sachen. Da sind sehr lustige Szenen entstanden. Aber es geht halt ums Bier. Und das gibt’s jetzt zum Abruf auf Vimeo. Das ist kostenpflichtig, weil irgendwie muss man das Projekt ja auch finanzieren. Und ich weiß nicht, wann das dann irgendwann und in manchen Ländern wird das auch, weil ja der englische Markt sehr groß ist, wird das auch im Pay TV oder vielleicht auch Free TV sein. Aber die zweite Staffel kommt jetzt vor Weihnachten heraus, da waren wir in Peru und in Finnland und in New York, und Ägypten, ich bin auf einem Kamel geritten. Glücklicherweise haben sie es nicht aufgenommen, wie ich auf dieses Kamel hinauf bin, weil ich bin nicht schwindelfrei. Und dann sitzt du auf diesem Wüstenschiff und wirst seekrank, dabei hast du gar kein Bier getrunken. Das darfst du ja dort auch nicht, bei den Pyramiden darfst du nicht mal ein Bier trinken, ein schwieriges Land. Aber sie haben halt in der Bierkultur vor Jahrtausenden was geleistet und da geht man halt hin und sagt, ja, gehört auch dazu, dass man das gesehen hat, und dass man dieser Kultur eine Referenz erweist. Wären sie gescheiter gewesen, wären sie vielleicht in der Bierkultur dort, wo Deutschland heute ist. Wenn du mit einem Amerikaner oder einem Chinesen redest und fragst „Wo gibt’s eine Bierkultur?“, sagen alle: Deutschland. Deutschland hat da unglaublich viel gemacht, um sich zu etablieren. Und das darf Deutschland nicht verlieren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn man sagt, es gibt Millionen Menschen, die davon träumen, dass sie einmal einen Bierurlaub in Franken bei euch machen können, wo du von Brauerei zu Brauerei kurze Wege hast. Ich bin selber da öfter wandern gewesen und das war herrlich, von Brauerei zu Brauerei zu wandern.

Markus: Und das finde ich auch ein ganz wichtiges Ergebnis, glaube ich, aus den ganzen Reisen, die auch ich gemacht habe, dass man einerseits selber Horizonte erweitert, neue Perspektiven bekommt, aber auch diese Wertschätzung erlebt, die eben andere wiederum für unsere Herkunft aus Mitteleuropa haben und auch für das Bier und die Bierkultur. Wir hatten es ja heute schon mal mit anderen Juroren, diese Geschichte, wer eine Reise tut, der hat was zu erzählen. Und du hast auf jeden Fall was zu erzählen, was du heute auch getan hast. Vielen, vielen Dank dafür! Vielen, vielen Dank für deine Zeit! Und vielleicht hören wir uns oder sehen wir uns ja mal wieder im Podcast. Für heute auf jeden Fall nochmal Dankeschön.

Conrad Seidl: Darauf ein Bier!

Markus: Prost!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 30 – Interview mit Martin Seidl, dem Bierobelix vom Brauhaus Haselbach in Braunau am Inn, Österreich

Martin Seidl ist ein echtes Bierurgestein unseres Nachbarlandes Österreich. Als Self-Made-Brauer hat er es bis zum Verantwortlichen erst der Tölzer Mühlfeldbräu und dann vom Brauhaus Haselbach in seiner Heimatstadt Braunau gebracht. Außerdem engagierte sich der gelernte Mechaniker und Sozialpädagoge von Anfang an in der österreichischen Bierkonsumenten-Vereinigung BierIG, mit der er der Alpenrepublik die Lust auf gutes, handwerklich gebrautes Bier zurückbrachte – und auch einen eigenen Bierwettbewerb ins Leben rief, die „Austrian Beer Challenge“, bei der mittlerweile die Staatsmeister des Bierbrauens ermittelt werden. Also ein echtes Bier-Multitalent, noch dazu supersympathisch und Brauer-Hansdampf in allen Kesseln – freut Euch auf einen spannenden BierTalk mit einem guten Einblick in die österreichische Bierseele…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal wieder ein richtiges Spezial. Wir sind am Rande der Austrian Beer Challenge, sitzen in Baden bei Wien und haben einen ganz besonderen Gast, der auch etwas mit dem Wettbewerb zu tun hat, bei dem wir jetzt hier sind. Er ist so etwas wie ein Grenzgänger zwischen vielleicht Deutschland, vielleicht Bayern, vielleicht Österreich, vielleicht auch Frankreich. Schließlich sagen viele zu ihm, und er selber auch, er ist der Bier-Obelix. Also lieber Martin, schön, dass du bei uns bist. Stell dich doch bitte mal kurz selbst unseren Hörern vor.

Martin Seidl: Hallo! Ich bin der Martin Seidl aus dem schönen Innviertel, dem bayerischen Teil Österreichs. Ich bin wirklich Grenzgänger, fahre fast jeden Tag nach Simbach am Inn. Das ist ein Stadtteil von Braunau am Inn, das in Oberösterreich liegt. Und Simbach am Inn ist eine Stadt in Bayern, war aber bis 1779 bayerisch. Und meine Freundin hat dort drüben ein Haus und ich bin eigentlich fast jeden Tag drüben nach der Arbeit und arbeite jetzt als Braumeister im Brauhaus Haselbach, das ist auch direkt in Braunau. Und ich bin neun Jahre bis heuer im Frühling Präsident der BierIG, die die Austrian Beer Challenge veranstaltet, gewesen. Ich bin jetzt zwar noch im Vorstand, aber so ein bisschen als graue Eminenz im Hintergrund. Die Austrian Beer Challenge war mal eine Schnapsidee 2003 von mir und ist irgendwie gewachsen. Ich habe davor schon mehrere Jahre hobbygebraut und bin dann durch das irgendwie in die Bierszene reingeschlittert durch Axel Kiesbye halt auch und die BierIG. Und jetzt bin ich halt leidenschaftlicher Bierbrauer.

Markus: Genau! Also eine spannende Geschichte. Für alle, die noch nicht so ganz in diesem Kosmos drin sind, was muss ich mir unter der Austrian Beer Challenge vorstellen? Es ist ein Wettbewerb, ein Wettbewerb, wo sowohl Hobbybiere als auch professionelle Biere eingereicht werden können. Und dann gibt es eine Schar von um die 70 Juroren, die dann dafür da sind, diese Biere entsprechend zu benoten und zu beurteilen, und am Ende werden natürlich Medaillen vergeben. Wer ist die BierIG? Das vielleicht auch noch wichtig, werden wir sowieso noch drüber sprechen, aber so als Kurzinfo: Es gibt Vereinigungen der Bierkonsumenten in ganz Europa in jedem Land, auch in Deutschland, aber eben auch in Österreich, und dort heißt sie eben Bier.IG. Eine sehr spannende Geschichte, werden wir auch gleich noch drüber sprechen. Aber vielleicht vorher noch, ich hatte es ja schon erwähnt, dieser Name Bierobelix, also wo kommt das her und warum nicht vielleicht auch Biermiraculix oder, du heißt ja eigentlich Seidl, das ist ja auch sehr naheliegend für jemand, der mit Bier zu tun hat. Also wie kamst du zu dieser Namensfindung?

Martin Seidl: Eigentlich hat der Axel früher eine Facebook Seite gehabt mit Bierakulix. Und irgendwo hat mich dann immer wieder so ein bisschen, ja, der Axel ist der Bierakulix und mit deiner Körperstatur müsstest du der Bierobelix sein. Und irgendwie ist mir dieser Name hängengeblieben. Ich finde den auch nicht unnett, also ich kann mich sehr gut identifizieren damit, trage halt meistens Bierfässer statt Hinkelsteine.

Markus: Das ist ja auch sehr vernünftig und du bist auch wirklich ein, sage ich mal im positiven Sinne, ein absolutes Schwergewicht in der Bierszene, nicht zuletzt auch in Österreich. Wie müssen wir uns das überhaupt vorstellen? Ich denke, die meisten Hörer von uns sitzen in Deutschland. Wie würdest du die österreichische Bierszene beschreiben? Was ist da anders und was ist ähnlich? Und was geht da so ab?

Martin Seidl: Die Bierszene in Österreich unterscheidet sich wenig von der deutschen, weil wir eigentlich so ein Stammland des Bieres sind, genauso wie Deutschland. Natürlich das Hauptbier bei uns heißt, das ist ein Märzen, aber das ist eigentlich, unser Märzen ist sehr ähnlich dem bayerischen Hellen, weil ein bayerisches Märzen noch mal stärker und dunkler ist. Die Szene ist sehr ähnlich und natürlich die deutsche und österreichische Bierszene ist natürlich sehr vernetzt untereinander. Und das einzige, was halt ein Unterschied ist, der Deutsche geht gerne in den Getränkemarkt, um das Bier zu kaufen, und Getränkemärkte in diesem Sinn gibt es bei uns nicht, sondern bei uns ist das immer bei den Supermärkten angeschlossen. Und da wird halt das nicht so zelebriert wie in Deutschland, dass einfach der Papa am Samstagvormittag noch kurz in den Getränkemarkt fährt und einfach da die Getränke für die ganze Familie für die Woche einkauft. Und bei uns wird nebenbei einfach beim Einkaufen das Bier mitgenommen. Und das ist eigentlich so der gravierende Unterschied eigentlich. Biermäßig sind wir eigentlich sehr ähnlich.

Markus: Ihr habt aber auch kein Reinheitsgebot, oder?

Martin Seidl: Nein, wir haben den Codex Alimentaris Austriaticus. Das ist eigentlich das härteste Lebensmittelgesetz, weil bei uns nichts Künstliches zugelassen ist. Wir dürfen halt auch mit (unv. #00:04:56.9#), man dürfte auch (unv. #00:04:59.0#) nehmen, was bei uns keiner mehr macht. Bis vor ein paar Jahren hat das noch eine größere Brauerei gemacht, aber die machen das auch nicht mehr. Und wir dürfen auch mit Früchten oder Kräutern brauen, das muss alles natürlich sein.

Markus: Genau! Apropos, wenn ihr euch jetzt wundert, normalerweise trinken wir im BierTalk immer mindestens ein Bier, aber nachdem wir im Bierwettbewerb sind, hatten wir heute schon um die 40 und haben noch ungefähr 40 vor uns, und machen deswegen jetzt mal getränkemäßig etwas Pause während wir reden. Ist aber auch vielleicht gar nicht so schlecht. Vielleicht vorneweg: Wie kamst du denn überhaupt zum Thema Bier? Oder war das klar, als du aus dem Muttermund gefallen bist, bist du gleich in den Maßkrug gefallen? Wie muss man sich das vorstellen?

Martin Seidl: Nein, nein! Ich habe immer gerne Bier getrunken. Mit 16 war ich damals von der Jugendfeuerwehr zur aktiven Feuerwehr eingerückt oder übergegangen, und da hat man einfach Bier getrunken. Das war schon immer sowas, was ich einfach gerne getan habe. Das ist jetzt nicht, dass ich mich immer nur betrunken habe, sondern man hat einfach gerne Bier zelebriert und gelebt. Ich lebe auch im Inn-Viertel, was ja bis 1779 bayerisch war. Und bei uns im Bezirk, wo ich wohne, also in Deutschland heißt es ja Landkreis, haben wir noch zehn Brauereien. Natürlich ist man bei uns schon sehr bierlastig. Und da man direkt an der deutschen Grenze wohnt, hat man sowieso mehr Bierbezug. Aber bei mir hat das eigentlich begonnen, meine Ex-Schwiegermutter war bei so einem Buchclub und dann konnte man mitmachen und dann musste man Bücher bestellen. Da war immer relativ schlechte Ware dabei, und irgendwo war mal ein Buch, ein sehr schlechtes Buch, muss ich auch sagen, über Heimbrauen dabei. Und ich habe mir dann einen großen Kochtopf besorgt und habe Bierbrauen begonnen. In diesem Buch stand ein bis zwei Teelöffel Hopfen ohne Alphasäure-Gehalt oder irgendetwas. Ich habe dann mal gedacht, das ist viel zu wenig, dann mal dreimal so viel reingegeben. Die Flaschen sind dann explodiert, weil ich es (unv. #00:06:55.8# falsch?) abgefüllt habe. Und ich bin eigentlich ein relativ ungeduldiger Mensch, dass mir das geblieben ist, wundert mich. Aber es hat mir doch so gefallen, dass ich dann immer wieder mehr Bier produziert habe, weil am Anfang habe ich 20 Liter gebraut 1996, und meine Freunde haben mir zugesehen und haben gesagt „Puh! Das glauben wir nicht, dass der das zuhause macht.“ und haben mehr Bier getrunken als ich gebraut habe. Jetzt habe ich dann mal einen 60-Liter-Kessel gebaut, dann habe ich einen 120er gebaut. Und dann bin ich irgendwie über die Jahre in diese Szene reingeschlittert und konnte nicht mehr raus. Und das ist gut so.

Markus: Allerdings! Da kann man auch nur froh sein. Und was waren so dann Brauereien auf deinem Weg bis da, wo du jetzt bist?

Martin Seidl: Brauereien, das war dann eigentlich, ich habe dann relativ schnell begonnen, eine Eigenmarke, die (unv. #00:07:40.4# Trachiner?) zu gründen und habe dann von zu Hause aus einen Grund bekommen, also zwei Hektar, wo ich Braugerste anbauen konnte. Also jetzt bin ich rausgekommen.

Markus: Die Frage war: Welche Stationen für dich so auf dem Weg …

Martin Seidl: Auf dem Weg, ja, ja. Durch diese Eigenmarke haben wir dann schon immer Bierfestivals, auch auf Bierfestivals ausgeschenkt in (unv. #00:08:09.6#) und so weiter bei den ersten Bierfestivals in Mitteleuropa, die der Axel veranstaltet hat. Und durch das bin ich immer mehr in die Bierszene gekommen. Und irgendwann hat mich Frank Böer angerufen, hat gesagt „Ich brauche dich auf der Baukunst Live!“. Und dann habe ich gesagt: Ich mache 100 Hektoliter im Jahr, also das ist zu klein. „Nein“, er hat gesagt „Genau dich brauche ich, das ist super.“. Und dann bin ich dorthin gefahren mit einem Biertisch und einem Durchlaufkühler und einem Plakat, das selbstgemacht war, und habe dort ausgeschenkt. Und dann ist die Kirsten reingekommen und hat gesagt, die war damals bei der Tölzer Brauerei „Wir machen eine Collabs“. Da habe ich gesagt „Okay, machen wir“. Und irgendwie hatten wir da die schwarze Tinte, die ich schon in Kleinstmengen zu Hause gebraut habe bei uns, haben die Leute das schwarze Bier nicht gemocht. Also dieses Stout, das kannten die nicht. Und dann ist das aber explodiert, weil das Bier gut war, wir haben das miteinander gemacht und Sebastian Heuschneider, der war damals Braumeister, ist dann ausgeschieden aus der Brauerei, weil er nicht mehr wollte, und hat mich als Nachfolger eingestellt. Ich bin eigentlich kein Braumeister, sondern ich bin Mechaniker und Maschinenbaumeister und habe ein Bachelor Studium in Sozialpädagogik. Und bin aber irgendwie durch die Erfahrungen, ich habe über 600 Bierbücher zu Hause, die ich alle gelesen habe, und natürlich auch Kunz und Narziß. Und Freunde wie den Georg Tscheuschner oder den Axel Kiesbye, den Jens Luckert oder den Hubert Hanghofer, wenn die geredet haben, habe ich so Ohren wie ein Elefant bekommen und habe einfach mir das autodidaktisch selbst erlernt. Und bin dann eben in Tölz gewesen als Braumeister, habe dann einfach wieder aufgehört, weil 175 Kilometer jede Woche fahren war für mich zu weit. Und da ich zu Hause die Landwirtschaft noch im Kleinsten betreibe und auch mein Haus noch habe, konnte ich jetzt nicht meine Wurzeln in Tölz festlegen. Und bin ich eben dann über Tölz, dann haben wir, mit dem Hopfenkopf habe ich mich dann zusammengetan, da habe ich sehr viel im Bruckberg bei Landshut gebraut bei der Brauerei Wimmer. Und irgendwie habe ich dann zu Hause auch wieder, und das ist halt so mein Werdegang, und dann im Juni hat mich ein Headhunter angerufen, ob ich, bei uns in der Heimatstadt, da wurde die Brauerei verkauft, der Vorgänger war eigentlich nicht bekannt für gutes Bier, also eigentlich sogar für sehr schlechtes Bier, das darf ich wirklich so sagen, das kann mir auch die Szene so bezeugen, und habe jetzt begonnen, diese Brauerei wieder aufzubauen. Wir sind jetzt so an die knapp 1000 Hektoliter und haben 12 Hekto-Sude. Und da bin ich jetzt halt gelandet. Und schauen wir mal, was die Zukunft bringt. Und ich glaube, dass das noch sehr viel Bier bringen wird.

Markus: Oh ja! Das klingt auf jeden Fall sehr spannend und ist ja jetzt dann auch so eine kleine Lebensaufgabe vielleicht auch, wo du dich auch einbringen kannst. Und du hast gerade noch Landwirtschaft gesagt, das heißt, baust du auch Braurohstoffe an selber?

Martin Seidl: Ja, ja, ich baue Braugerste an. Was aber die letzten zwei Jahr sehr schwierig war. Letztes Jahr ist das noch gegangen, heuer war zuerst Hagel, dann die nächste (unv. #00:11:39.6#). Also heuer musste ich die Ernte, also fünf Tonnen von zwei Hektar Bioanbau, also bin nicht direkt Bier…, sondern biologisch nachhaltig, aber ich habe kein Biozertifikat wegen der Größe, musste ich leider wegwerfen. Weil das am Feld ausgewachsen ist und rote Körner und ich konnte sie nicht vermälzen lassen.

Markus: Schade! Also gar nicht so einfach dann letzten Endes im landwirtschaftlichen Bereich. Kommen wir vielleicht noch mal zurück auf dieses Thema BierIG. Also vielleicht auch, weil sich die Hörer da gar nicht so viel drunter vorstellen können. Was heißt denn für dich eine Bierkonsumenten-Vereinigung? Also wie kommt man da dazu und was treibt diese Menschen um?

Martin Seidl: Eine Bierkonsumenten-Vereinigung geht um das, dass man weg vom Einheitsbier geht, dass man wieder Biervielfalt schafft. Wir hatten so um das Jahr 2000 in Österreich eine Verödung Bierlandschaft. Es wurden viele Brauereien zugeschlossen, es ist dann eine Übernahme des größten Braukonzerns, also der größten Brauerei-Aktiengesellschaft durch einen holländischen Konzern geschehen. Und dann wurde die BierIG gegründet, um diese Wüste wieder blühend zu machen. Und es ist so weit gegangen, dass wir wirklich dann mit Bierfestivals die Leute wieder an gestartet haben, die BierIG hatte am Anfang so um die 100 Mitglieder, jetzt sind wir knapp unter 800. Und dieser Verein ist eben da, um diese Biervielfalt zu stützen. Also am Anfang haben wir es geschafft, die Biervielfalt wiederherzustellen, weil auch dieser Konzern gesehen hat, man kann eigentlich mit Biervielfalt und hat wieder alte Brauereien aufgemacht, alte Biermarken wieder aufleben lassen, alte Bierstile. Und auch die anderen Brauereien haben sich dann bemüht, mehr als nur Helles oder Weizen oder Pils zu brauen. Obwohl das Weizenbier bei uns sich eher auf Oberösterreich bezieht, in der Bayernnähe, und in Wien eher wenig Weizenbier getrunken wird. Aber so auf diese hellen Biere oder Pils, sie haben dann auch wieder Dunkles gemacht. Sie haben wieder begonnen, Wiener Lager zu machen und so weiter. Und das haben wir die ersten 10 Jahre des Vereinsbestehens ja geschafft. Und anfangs war die Austrian Beer Challenge eigentlich nur ein Hobbybrau-Wettbewerb, die ersten fünf Jahre. Und dann wurde das immer weiter ausgeweitet, bis dass alle Brauereien mitmachen durften. Weil wir gesagt haben: Wir haben jetzt die Biervielfalt geschaffen, jetzt müssen wir sie unterstützen, dass sie auch Qualität liefern können. Und dann musst du ihnen eine Bühne bitten und eine Möglichkeit bieten, das professionell von professionellen Juroren bewerten zu lassen. Nicht, dass ich irgendwo ein paar Promis zusammenhole und sage, ja, da, und die machen irgendwie so einen lustigen oberflächlichen Bewerb, sondern hier darf man ja nur als Juror mitarbeiten, wenn man entweder Diplom-Biersommelier ist als gelernte Brauer und Biersommelier oder Bierbotschafter oder Braumeister. Also man muss, oder da jahrelange Erfahrung auch als Juror hat. Also es gibt auch eine Bewerbungsliste. Es kommen natürlich internationale Juroren, die auch bei den größeren Bewerben wir European Beer Star, Brussels Beer Challenge und diese ganzen zertifizierten Bewerbe, wo wir auch, wir sind auch ein zertifizierter Bewerb, wo einfach die schon bewertet haben und die große Erfahrung haben. Und damit die Brauerei, die ihr Bier einreicht, auch wirklich von Spezialisten verkostet wird und nicht einfach mal einer sagt, Mann, ich will jetzt keine Marke nicht, aber sage mal, das (unv. #00:15:29.2# Überdrüber?) Märzen von der und der Brauerei sagt er, das ist das beste und das schmeckt und das bewerte ich, sondern da geht’s wirklich um Sorten typisch, um Qualität, um Bierfehler und so weiter. Und das sind natürlich dann sehr schwieriger Bewerbe natürlich für Brauereien. Und durch diese Juroren auch wissen, wo Bierfehler liegen können und auch feinste Nuancen davon schmecken können. Und dann hat man halt wirklich aber die objektivste Bewertung. Und diese Bühne braucht die Braulandschaft in Österreich, um zu wissen, wo stehe ich mit meinem Bier. Und das macht die BierIG, das ist unsere Verantwortung, dass wir nicht nur schauen, dass Biervielfalt geschaffen wird, wir klären auch Laien auf, wie man Bier verkostet, wie man bewusst Bier trinkt. Und wenn man einfach Bier auch wieder einen Stellenwert gibt, wie man es früher mal hatte, bevor es so industrialisiert wurde.

Markus: Also auf jeden Fall eine sehr, sehr spannende und interessante Geschichte, die auch dahintersteckt. Nochmal kurz als Informationen für die Hörer: Die Hintergrundgeräusche sind, weil wir hier in einem Raum sind, der vorbereitet wird für ein großes Bierkulinarium, was wir heute Abend genießen dürfen. Auch eine schöne Nebenerscheinung dieser ganzen Geschichte, freue ich mich schon drauf. Also deswegen stört euch nicht, wenn es zwischendurch mal klappert und klimpert. Wir waren gerade bei der BierIG und beim Bierwettbewerb. Wenn du so über diese Jahre schaust, kann man sagen, dass diese Medaillen, die vergeben werden, Brauereien oder Brauern dann auch geholfen haben? Also ist das was, was dann einen Effekt hat, wenn man gewinnt, zum Beispiel?

Martin Seidl: Ja schon, weil man sieht ja, dass die in die Medien gehen, wenn die einen Preis machen. Oder wenn man eine Brauerei, ich will jetzt hier auch wieder keine Namen und keine Werbung machen, aber vorbeifährt, man sieht dann schon, dass am Zaun der Brauerei steht „Wir sind Staatsmeister“, es sind ja die Staatsmeisterschaften in Österreich, „Wir sind Staatsmeister“ und das wirklich bewerben, sieht man schon, dass die Brauereien das wollen und dass die natürlich das auch in die Öffentlichkeit tragen, damit sie etwas erreicht haben. Was eigentlich außergewöhnlich ist, weil wir haben 660 Biere eingereicht. Und es wird nicht jeden wie bei anderen, es gibt ja Wettbewerbe, wo halt jeder dann, du bekommst Gold, du bekommst Silber oder irgendwas, sondern es bekommen wirklich nur die ersten drei pro Kategorie einen Preis. Und das bei so vielen Bieren ist das schon eine große Leistung. Und die sind dann auch stolz darauf und die tragen das auch nach außen. Und das finde ich auch gut so, weil der Konsument dann auch sieht: Aha, da gibt es was. Ich kann mich auch bei der BierIG dann informieren, bei was es um Bier überhaupt geht. Nicht nur, dass es einfach ein Dosengetränk ist, dass ich irgendwo beim Pornoschauen trinke und etwas so Schmuddel-Niveau hat, sondern dass Bier auch ein sehr hohes Niveau haben kann. Und eigentlich sehr hohes Niveau hat, nur ob die Bevölkerung das nicht weiß, und das ist auch unsere Aufgabe, das weiterzugeben.

Markus: Ich finde, das merkt man auch. Also ich habe ja jetzt auch schon einige Biere verkosten dürfen beim Wettbewerb, und das Spannende ist tatsächlich, dass man so eine große Bandbreite hat. Dass es natürlich auch ein, in Anführungsstrichen, „normales“ Helles oder Wiener Lager gibt, aber eben auch ein Fruchtbier, ein Kräuterbier, ein holzfassgelagertes Bier, irgendwelche Experimente mit Kräutern oder allen möglichen Dingen, wo man einfach merkt, da passiert auch ganz viel im Kopf, da leben sich Leute aus, die haben Ideen und versuchen dieses Medium Bier auch zu nutzen, um sich so ein bisschen zu verwirklichen und Menschen vielleicht auch ein bisschen eine Freude zu machen. Also das ist vielleicht auch so ein Teil dieser Philosophie, dass Bier auch diese Chance hat, viel mehr zu transportieren als einfach nur Durst zu löschen, sondern da geht’s eben um Kreativität, da geht’s um Geschmack, sich wohlfühlen, Überraschungen, eben interessante Momente, wo man sich auch daran erinnert, wo ich jetzt vielleicht noch weiß, was ich vor fünf Jahren in einer bestimmten Situation getrunken habe, weil das eben so was Besonderes war. Ich glaube, sowas ist schon mit Bier für viele noch was Neues, aber mittlerweile, glaube ich, kommen immer mehr Leute in diesen Genuss. Was mich noch interessieren würde, du hast gesagt, ihr habt das damals ins Leben gerufen. Wie muss ich mir das vorstellen? Sind dann irgendwann mal drei Leute vorm Fernseher beim Fußballgucken und sagen „Jetzt machen wir einen Wettbewerb“ oder wie läuft das?

Martin Seidl: Nein, das war so, bei uns im Dorf gibt es seit Menschengedenken einen Wettbewerb für Most, also den österreichischen Cider. Und da ich schon Bier gebraut hatte und mich immer mit Genuss beschäftigt habe, wurde ich da immer eingeladen als Juror. Und da sitzen dann zehn Männer aus dem Dorf und vielleicht ab und zu eine Frau, und die verkosten dann diesen hausgemachten Most oder wie man in Franken, nicht in Franken sagt, in Frankfurt sagen würden Äppelwoi, wenn ich es richtig sage.

Markus: Ja, Äppelwoi oder so ähnlich.

Martin Seidl: Und dann sage ich zu meinem Freund „Ich kenne jetzt nur zwei Hobbybrauer und man müsste eigentlich, wenn man zehn zusammenbringt, könnten wir einen Wettbewerb machen“. Und irgendwie bin ich dann über einen Arbeitskollegen auf die Homepage vom Dr. Höglinger, vom Herbert Höglinger, gekommen, der alle Kleinbrauer in Österreich besucht. Und den habe ich angeschrieben, und er hat mir dann den Kontakt zum Axel hergestellt. Und irgendwie hatten wir auf einmal auf den Schlag 47 Heimbrauer. Dann haben wir gesagt „Okay, das sind zu viele, machen wir eine Staatsmeisterschaft draus.“. Das war eigentlich eine Schnapsidee. Und dann hat aber der Axel gesagt „Martin, das ist toll, was du da machst. Komm bitte zu uns in die BierIG. Wir haben nächstes Jahr ein Festival, magst du nicht an diesem Festival die Staatsmeisterschaft dieser Haus- und Kleinbrauer ausrichten?“. Dann hatten wir dann gleich im nächsten Jahr Jörg (unv. #00:21:17.9# Drehauser?) ist dann auch noch dazugekommen, und wir hatten nächstes Jahr gleich 97. Und hat sich immer gesteigert. Und dann haben wir gesagt, wir müssen auch den Großen die Möglichkeit geben. Das hat sich eigentlich entwickelt, aber das war eigentlich eine Schnapsidee bei der Mostkost.

Markus: Also von der Schnapsidee zur Staatsmeisterschaft. Das vielleicht noch als Frage: Kann man das einfach so? Also kann man einfach sagen, wir machen jetzt hier einen nationalen Wettbewerb? Oder musste man da bei irgendeiner Autorität nachfragen, ob man da auch eine Medaille österreich-weit draufkleben darf?

Martin Seidl: Nein, also da gibt es eigentlich kein Gesetz dafür. Nur wir haben dann gesagt eben, durch das, dass Axel uns das auch angeboten hat, der ja damals die BierIG gegründet hat, hatten wir dann einen Verband dahinter. Und das ist schon etwas anderes, wenn du einen Verband dahinter hast, also den Verband, die Interessensgemeinschaft der Bierkonsumenten, ist das schon etwas anderes. Und durch das kannst du dich legitimieren, dass du das machst. Und irgendwann (unv. #00:22:19.6#) Brewer oder auch (unv. #00:22:20.6#) und sehr viele internationale Gäste waren da auch schon auf diesem Festival bei uns, und die haben natürlich dort schon als Juroren mitgewirkt. Und irgendwann haben wir dann diese Zertifizierung der (unv. #00:22:30.3#) bekommen und dann ist das eigentlich ein zertifizierter Bewerb von wenigen. Also das sind nur, glaube ich, jetzt Brussels Beer Challenge, Birra dell’anno, European Beer Star und der World Beer Cup zertifiziert. Und irgendein brasilianischer Bierbewerb glaube ich noch, aber ich weiß jetzt nicht genau. Und das ist halt schon, du hast dann schon eine Legitimation. Und jetzt natürlich haben wir auch das Bierland Österreich, also den Verband der österreichischen Brauereien hinter uns, der sagt, das unterstützen wir, wir sind dafür, dass das die Staatsmeisterschaft ist. Und natürlich ist das für mich dann genug Legitimation, dass ich das machen kann.

Markus: Ja, das ist ein gutes Stichwort. Wenn wir vielleicht zum Abschluss noch mal so ein bisschen in die Zukunft blicken, also du hast ja gesagt, das war eine Zeit, wo es schwierig war, wo viele Brauereien zugemacht haben, wo man wirklich Angst haben musste, dass das in so einem mehr oder weniger Einheitsbier endet. Dann habt ihr es geschafft, dieses Ruder praktisch rumzureißen und eben Leute wieder zu motivieren, eine Heimbrauer-Szene auch zu aktivieren und auch für Qualität so ein bisschen zu sorgen über den Wettbewerb. Und jetzt sind wir vielleicht an so einer Schwelle, wo das ja auch geschafft ist, also wo es eine rege Szene an kleinen Brauereien und Heimbrauern gibt. Wie siehst du denn die Entwicklung für die Zukunft? Was sind da für Chancen? Was glaubst du, wenn wir in zehn Jahren nochmal so eine Podcast-Folge machen, worüber sprechen wir dann?

Martin Seidl: Wir haben jetzt durch das, dass ich ja heuer nach neun Jahren einfach ein bisschen in den Hintergrund gerückt bin, in der BierIG ist der Harry Mittermaier, hat das übernommen. Und der ist irrsinnig (unv. #00:24:05.5#), wir haben die letzten Jahre ein irrsinnig tolles Team aufgebaut. Jetzt sind wir auch viel breiter aufgestellt. Und natürlich durch das, dass wir auch ein großes Netzwerk sind, können die Brauer sich vernetzen und damit einfach miteinander viel mehr schaffen und sich einfach austauschen und vielleicht auch eine leichte Konkurrenz sich zu machen, wo der eine sagt, der spricht mit (unv. #00:24:33.4#) beim Fest von uns oder bei einer Veranstaltung, der sagt „Das möchte ich auch machen“, ich mache jetzt auch ein Kräuterbier oder sowas. Ein blödes Beispiel, aber dass sie sich gegenseitig anspornen. Und das ist natürlich, ich glaube, dass das schon noch wächst. Und ich glaube, dass das schon extrem Zukunft hat und auch ein gut organisierter Bierwettbewerb mit tollen Juroren, natürlich auch mit dir und so weiter, und dieser internationalen Jury, kann man schon noch sehr viel machen. Und wir werden sicher noch sehr viele interessante Sachen im Bier sehen aufgrund dieser Bewerbe, die es auch gibt.

Markus: Ja. Also das glaube ich auch. Und ich muss wirklich sagen, das ist toll, was ihr hier auf die Beine stellt, auch wie viele ehrenamtliche Leute einfach da dabei sind und auf welchem wirklich professionellen Niveau das Ganze stattfindet. Und natürlich auch, dass man merkt, dass das, was ihr tut, tatsächlich in die Branche was hineingetragen hat und da auch was bewegt und ja auch die Großen davon überzeugt hat, dass es eine gute Idee ist, eine Biervielfalt auch zu haben, weil es letzten Endes allen nützt. Also insofern vielen, vielen Dank heute für deine Zeit, für dieses Gespräch, das mir sehr viel Spaß gemacht hat. Und jetzt freue mich auf die nächste Runde mit wieder 40 Bieren. Du dich hoffentlich auch.

Martin Seidl: Ja.

Markus: Und gerne bis zum nächsten Mal. Vielleicht müssen wir nicht zehn Jahre warten, mal schauen.

Martin Seidl: Ja, gerne. Danke für das, dass ich die Ehre hatte, mit einer Biergröße in deinem BierTalk zu sein. Da bedanke ich mich.

Markus: Danke auch!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 73 – Interview mit Oliver Klamminger aus Salzburg, Biersommelier und Gründer von Bier OK

Oliver Klamminger verbindet die beiden Lieblingswelten vieler seiner Geschlechtsgenossen: Bier und Sport. Dabei war für den gelernten Sportjournalisten das Bier anfangs noch die schönste Nebensache, hat sich aber immer mehr in den Vordergrund gedrängt und schließlich die Führung in seinem noch jungen Leben übernommen. Nach der Biersommelierausbildung betreute er erst die Braukurse im Obertrumer Bierkulturhaus, bis mit der Selbständigkeit als Biersommelier mit einer eigenen Veranstaltungsfirma der nächste Schritt auf der Evolutionsleiter folgte. Jetzt führt Oliver mit seinem Partner Bierinteressierte durch Salzburg und begeistert sie in den unterschiedlichsten Locations von der sprudelnden Bierkultur der Festspielstadt. Im BierTalk enthüllt er auch das Lieblingsgetränk seiner Frau und geht mit Markus und Holger der Frage nach, was Großereignisse im Sport und beim Bier gemeinsam haben…

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Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Holger: Herzlich willkommen zum BierTalk Nummer 73. Jetzt haben wir schon wieder einiges an Superlativen. Also nicht nur, dass wir einen österreichischen Gast haben und wir uns schon Gedanken gemacht haben, also machen wir jetzt ein Spezial oder nicht? Aber dann haben wir gedacht: Komm! Das ist ja so nah, da machen wir jetzt kein Spezial. Und dann müsst ihr euch vorstellen: Man ist ein männliches Wesen, interessiert sich für Fußball und Bier, wird dann Sportredakteur und Biersommelier. Also kann man sich das vorstellen? Und genau so einen Typen haben wir jetzt an der anderen Seite des Mikrofons, der heißt Oliver Klamminger und ist all das. Also Olli, wie schafft man das im Leben? Erzähl doch mal!

Oliver Klamminger: Erstmal herzlich Dank fürs Dabeisein, dass ich dabei sein darf. Keine Ahnung, wie man schafft, also ganz ehrlich, das ist, einen Fuß vor den anderen setzen und das machen, was man kann, was man will, was man mag. Ich glaube, Leidenschaft treibt einen am besten voran. Wenn man da die Zielsetzung richtig setzt, dann schafft man das auch. Alles, was man gerne macht, das macht man auch gut. Und dementsprechend war ich einfach lange Sportreporter und bin ein halbwegs erfolgreicher Biersommelier, sage ich jetzt mal.

Holger: Sehr gut! Dann gib doch mal so einen Überblick über deine Person. Was macht dich aus, wie alt, wie viele Frauen, wie viele Kinder? All sowas halt.

Oliver Klamminger: Einfache Zahlen, also sehr männlich, Daten, Zahlen, Fakten. Das geht, jugendliche 37, nur eine Frau und nur eine Tochter. Aber die fordern mich ganz gut. Ich wohne in Salzburg, obwohl ich eigentlich in der Steiermark, also vielleicht kennen das einige, da wo Arnold Schwarzenegger herkommt, das ist eigentlich mein Ursprung. Und ich bin 2004 fürs Kommunikationswissenschaftsstudium nach Salzburg gekommen und habe das auch sehr lang und unerfolgreich gemacht. Und wie alle unerfolgreichen Studenten, die mit der Theorie nichts anfangen konnten, habe ich schnell Fuß gefasst in der Praxis und war gleich beim Onlineportal und bei einem lokalen Radiosender. Ich bin dort untergekommen, habe dann dort die Live-Übertragungen gemacht für den Radiosender aus der Red Bull Arena, also Red Bull Salzburg kannte man in Deutschland damals noch nicht, mittlerweile durchaus bekannt, glaube ich, und wurde parallel zum Sportchef beim Onlineportal. Radio habe ich geskippt, blieb beim Onlineportal, habe das, glaube ich, auch ganz erfolgreich gemacht, denn es kam dann die größte Tageszeitung Österreichs und hat mir einen Job angeboten. Wo ich gesagt habe „Okay! Ich tue es für euch.“. Ich habe das so eineinhalb Jahre, gut eineinhalb Jahre gemacht, aber das Thema Bier war parallel immer schon sehr präsent. Und ich sehe mich da ein bisschen als Jäger und Sammler. Ich bin damals nach Salzburg gekommen mit Bayern in der Nähe, wo die Biervielfalt doch größer war als bei uns. Und das Thema Craftbier ist damals ein bisschen aufgepoppt. Ich habe dann weiter recherchiert, ging auf kleinere Bierfeste, sei es beim Gusswerk hier in Salzburg oder Stiegl, man hat eigentlich immer tolle Sachen gefunden, auch im Internet. Und dann bin ich irgendwann über dieses Thema Biersommelier gestolpert, habe mir eine Woche Urlaub genommen und habe mich zum Biersommelier ausbilden lassen. Wobei ich auch sagen muss, in Österreich teilt man das ja auf in Biersommelier und Diplom-Biersommelier, also das wäre dann quasi so das Upgrade. Und ich habe den Biersommelier gemacht im Bierkulturhaus in Obertrum beim Axel Kiesbye unter der tollen Leitung vom Jens Luckart. Und da habe ich sofort gemerkt, also diese Leidenschaft, das bin genau ich. Also das Thema Bier, das passt zu mir. Und ich war dann noch weiter bei der Zeitung und na ja, nicht mehr so glücklich, und beim Axel wurde ein Job frei. Und ich habe mir gedacht, damals war ich jugendliche (unv. #00:04:24.1#) 32: Wenn ich es jetzt nicht mache, dann machst du es nicht mehr. Dann habe ich mich da beworben und lustigerweise haben sie mich auch genommen. Weil da waren deutlich bessere Bewerber jetzt vom Fachlichen, da waren Brauer, Braumeister, die alle nicht drangekommen sind. Das war sehr spannend. Im Nachhinein ist mir klargeworden, die haben einen Entertainer gesucht für die Braukurse. Ich habe das dann vier Jahre lang gemacht, die Braukurse geleitet, war dann auch tätig in der Biersommelier-Fortbildung als Referent. Und ich bin auch Prüfer gewesen in der Mittelstufe bei den Biersommeliers in Österreich, was ich nach wie vor mache. Ich freue mich schon, am Freitag bin ich wieder im Bierkulturhaus für eine Prüfung. Und letztes Jahr war dann Ende, da war so irgendwie Endstation, irgendwie bin ich angekommen, es musste weitergehen. Und ich habe mit einem Kollegen, mit dem Klaus Bernkopf, eine Firma gegründet, die nennt sich BIER-OK. Da kann man jetzt sagen, ja, das ist irgendwie egoistisch, weil ich habe da meine Initialen hineingepflanzt, aber na ja, man könnte auch sagen, ich bin der Oliver und er ist der Klaus, also alles ist gut, doch nicht so egoistisch. Und seit einem Jahr machen wir sehr, sehr hochwertige und gute Bierverkostungen, Bierevents aller Art für Gruppen, für Firmen. Wir haben die erste Faistenauer BergBierWanderung vor wenigen Wochen veranstaltet, also wir sind da sehr motiviert, das Thema Bier in unserer Gegend, das schon sehr, sehr gut situiert ist, aber noch auf ein besseres Niveau zu setzen. Und mittlerweile ist das Feedback sehr, sehr gut. Wir sind eben ganz gut eingeteilt mit ein bis zwei Tastings momentan und hatten die erste Faistenauer BergBierWanderung auch vor kurzem, ein tolles Event, veranstaltet. Wo einfach, der Weg ist das Ziel, also da kommen zwei tolle Sachen zusammen, dem Markus brauche ich da nichts sagen als Bamberger, ihr macht’s ja da sowas ähnliches. Habe da jetzt momentan gut zu tun mit 30 Stunden wieder in meiner alten Online-Redaktion, plus Familie, plus die Firma BIER-Okay. Und macht aber durchaus Spaß und dementsprechend ist das alles auch stemmbar.

Holger: Mensch, super! Das hört sich wirklich spannend an. Jetzt würde ich sagen, Markus, du bist ja auch noch da, also melde dich mal kurz, damit die Leute überhaupt wissen, dass du auch an diesem BierTalk teilnimmst.

Markus: Ja, Bamberg ist da.

Holger: Wunderbar! Und dann sollten wir eigentlich schon zum ersten Bierchen kommen. Da hat der Gast natürlich ganz klar Vortritt. Olli, was hast du dir ausgesucht, und warum?

Oliver Klamminger: Warum? Ich habe bei mir das Stiegl Herbstgold, das ist ein saisonales Bier der Stiegl Brauerei hier direkt aus Salzburg. Du hast ja am Anfang gesagt, du willst kein Spezial machen, jetzt mache ich zumindest ein Spezial auf. Also 12,5 Stammwürze haben wir hier und 5,5 %, 5,2 %, 12,6 Stammwürde – Ei-ei-ei! Jetzt wird es, labere ich einen Blödsinn – und 5,2 % Alkohol. Das gibt’s eben nur im Herbst und ich habe es sehr gern in letzter Zeit. Und ich war ja vor, keine Ahnung, einer halben Stunde noch in der Stiegl Brauerei, und das war das letzte Bier, das ich da getrunken habe. Und ich habe mir gedacht: Ich mache jetzt einfach weiter, weil es ein sehr süffiges Bier ist, es ist kein süßes Herbstbier, sondern es ist gut gehopft, es ist schon würzig, es ist kräutrig und schön ausbalanciert. Und später haben wir ja noch Champions League und vielleicht einfach eine gute Einstimmung, habe ich mir gedacht.

Holger: Das ist wirklich unglaublich, weil ich war letzte Woche auch noch in der Stiegl Brauerei und habe es mir tatsächlich auch mitgenommen, es wäre hier in München vorhanden. Und habe mich auch für ein Salzburger Bier entschieden, aber das will ich jetzt noch gar nicht verraten. Aber das ist ein sehr schönes Bier, das finde ich auch ganz, ganz toll. Ganz toll ausgewogen und ist so ein richtig schönes herbstliches Bier. Und jetzt gerade so in dieser Stimmung wie jetzt die Natur auch gerade ist, passt das ganz hervorragend dazu. Markus, kennst du das auch, das Herbstgold?

Markus: Ich glaube, dass nicht, also zumindest nicht bewusst. Also ich war auch schon öfters bei Stiegl und habe auch diverseste Biere schon probiert und getrunken, aber nachdem grundsätzlich so die hellen Biere nicht so meine absoluten Favoriten sind, nehme ich mal an, ich hab‘s noch nicht probiert.

Holger: Nein, nein, also man kann wirklich sagen, so schmeckt der Herbst. Und es hat auch eine ganz tolle Farbe, finde ich. Also Olli, du kannst vielleicht auch nochmal was dazu sagen und auch zum Bierstil. Das muss man mal vorstellen hier so den BierTalk-Hörern, weil das ist wirklich ein ungewöhnliches Bier. Ich denke, das kennen nicht so viele Leute.

Oliver Klamminger: In Deutschland wahrscheinlich weniger, auch in Salzburg vielleicht gar nicht so viel. Es ist, wie gesagt, sehr limitiert und nur saisonal im Herbst erhältlich, und meistens gar nicht so lang. Und deshalb, so lange trinken, solange es da ist. Es ist auf jeden Fall oder sollte ein Spezial sein. Also Spezial kennen die Deutschen wahrscheinlich weniger, das ist ähnlich wie euer Export, mindestens eine Stammwürze von 12,5, in dem Fall haben wir eben die 12,6. Und es ist für diesen Bauernherbst, der in Salzburg ganz, ganz groß ist, eigentlich eingebraut. Da gibt’s in allen Dörfern immer wieder Veranstaltungen, wo einfach das bäuerliche oder traditionelle Leben hochgelebt wird. Und da wird das dann hauptsächlich ausgeschenkt. Und ganz wichtig, Holger, wie du sagst, die Farbe passt in den Herbst. Also man muss sich vorstellen, wie die Blätter vom Baum fallen in einem schönen Gold, ein leichter Rotton. Ich sage jetzt nicht das Biersommelier Bullshit-Bingo und sage Bernstein. Denn wir wissen ja, das kann alles sein. Aber es würde da hineinpassen. Es ist ganz fein, es hat einen ganz feinen Schaum, einfach ungetrübt, und lädt auf jeden Fall zum Trinken ein. Das ist das Schöne an dem Bier, da kann man durchaus auch das zweite oder dritte trinken und man wird nicht satt. Also es hat nicht diese Süße, die man oft von Herbstbieren kennt vielleicht, sondern es ist schön würzig ausgewogen.

Holger: Es hat auch so einen schlanken Charakter und macht eben aufgrund dieser angenehmen Trockenheit dann auch immer wieder Lust auf einen zweiten Schluck. Also das ist wirklich so. Das ist jetzt gar nicht so ein geschwängertes herbstlich orientiertes, weiß ich nicht, schon in Richtung Bockbier gehend, also von der Farbe her könnte man es vermuten, aber es ist schlanker. Das wäre jetzt wirklich sehr spannend, der Markus, weißt du, der ist ja so diese schwangeren Biere da gewohnt in Oberfranken. Ja, das würde ihm vielleicht sogar schmecken. Was meinst du, Markus?

Markus: Ach, das kann gut sein, dass es mir schmeckt, natürlich. Ich mag auch gerne mal sowas in diese Richtung. Und vor allem, wenn es eben dann nicht so ein klassisches, Richtung Export, sehr helles Bier ist, sondern eben auch ein bisschen so einen Braunrot-Ton hat. Das schmeckt man dann natürlich auch mit so ein bisschen vielleicht leichtem Karamell-Toffee, irgend so einen Hauch von Röst- und Vanille irgendwie sowas. Das kann so ein Bier natürlich dann extrem spannend machen. Und insofern, klar, also Farbe stelle ich mir ganz schön vor. Ich setze es auf jeden Fall mal auf meine Liste.

Holger: Unbedingt! Und das, was wir jetzt hier machen, ist ja so ein bieriges Infotainment. Man müsste jetzt eigentlich dann auch über die Speiseempfehlungen sprechen. Also Olli, was würdest du empfehlen zum Herbstgold von Stiegl?

Oliver Klamminger: Zum Herbst…, also was ich jetzt in der Brauerei gegessen habe, war ein Tafelspitz mit, ja, fast herbstlichem Gemüse. Das hat eigentlich sehr gut harmoniert, eben weil es doch durch die Hopfung sehr, sehr ausgewogen ist und nichts süß wird. Also der Klassiker ist natürlich, wenn man da sagt, man isst Wild dazu, weil es ja jetzt in die Saison passt. Aber da geht’s wahrscheinlich sogar unter, also da muss man aufpassen. Da darf man nichts zu Extremes, keine Eintöpfe und so, würde ich nicht empfehlen, eher nicht. Persönlich bin ich Fan von diesen Kastanien, von diesen Maroni, die man bei uns auch im Supermarkt kaufen kann. Die sind irgendwie so komisch glasiert und die passen da super dazu. Ich bin ein großer Fan von einfachem Food Pairing, ohne dass man seit zwei Stunden in der Küche steht, sondern einfach mal in die Schublade greifen und schauen, was so drinnen ist und was dazu passt. Und da passen die Maroni eben sehr, sehr gut dazu, finde ich.

Holger: Ja, also das kann ich mir auch sehr gut vorstellen, oder vielleicht ein herbstliches Kürbisgericht wäre auch eine Alternative. Mensch! Also das macht ja jetzt richtig Appetit, zum nächsten Bier zu wandern. Also Markus, was hast du dir denn ausgesucht?

Markus: Ich bin, glaube ich, gar nicht so weit weg vom Olli, muss ich sagen. Also zu meiner Schande quasi, aber im positiven Sinne. Ich habe mir auch ein ganz besonderes Bier ausgesucht, das hat mich erst vor ein paar Tagen erreicht, und da hatte ich einfach Glück, weil die Brauerei mir einfach mal zum Testen so die ersten paar Flaschen zugeschickt hat, die sie produziert haben. Und muss ich dazu sagen, natürlich unentgeltlich und so. Also das ist jetzt keine bezahlte Werbung, sondern einfach, passiert ja immer wieder mal, dass mir befreundete Brauereien was schicken und ich probiere das und ich sage auch, wenn ich es nicht so toll finde. Aber das fand ich sehr, sehr spannend und da habe mich heute schon drauf gefreut, weil ich musste heute schon sechs Biere trinken. Ich hatte nämlich schon ein Oktoberfest Bier Tasting und habe mich durch die Oktoberfest-Biere getrunken sozusagen und habe mich jetzt den ganzen Abend schon darauf gefreut. Ich mach‘s mal auf.

Holger: Wahrscheinlich mit der bayerischen Bierkönigin auf dem Schoß. Du hast wirklich ein hartes Leben. Absolut! Also das ist ja (unv. #00:14:00.2#)

Markus: Absolut, absolut! Ja, die Königin hat ein bisschen gefehlt, aber es war insgesamt natürlich eine nette Veranstaltung. Wir hatten übrigens auch gebrannte Mandeln, die könnte ich mir zum Herbstgold vielleicht auch ganz gut vorstellen. Aber jetzt legen wir hier mal los. So! Ich glaube, man hört schon ein bisschen, wie das so schön ins Glas hineinfließt. Und wir haben jetzt also so eine richtig schöne, wie soll man sagen, orangebraune Farbe, also relativ dunkel. Das ist ein klarfiltriertes Bier, der Schaum ist richtig schön fest und kompakt, ist so leicht getönt. Und wenn man dann so dran riecht, dann hat man so rote Beeren, dann ein bisschen, wie soll man sagen, na ja, so leichte Karamell-, Vanille-Töne, ein bisschen auch so Toffee-Noten. Also ganz spannend, aber auch eben was schönes Fruchtiges, wirklich so Richtung Erdbeere, Blaubeere. Ich probiere mal. Das ist ganz weich, ganz cremig und hat dann noch mehr von diesen beerigen Tönen. Und wenn man dann so runterschluckt, dann ist es richtig schön erfrischend und räumt dann auch so ein bisschen den Mund auf mit einer ordentlichen Bittere, sodass man dann auch wieder zugreifen möchte. Also wirklich ein sehr, sehr schönes Bier. Und was ist es für eins? In Bamberg ist es ja so, also da muss ich vielleicht auch noch sagen, ich bin richtig stolz eigentlich, weil, als ich die Homepage von BIER-OK mir angeschaut habe, dann sehe ich praktisch schon, wenn man ein kleines bisschen runterscrollt, ist schon ein Schlenkerla Bierdeckel zu sehen. Also das sieht man, Bamberg ist ja irgendwie überall. Und bei uns ist es so: Wenn wir unsere jährliche Kirchweih feiern, die Sandkerwa, das ist immer Ende August, dann sagen wir: Wenn die vorbei ist, dann ist eigentlich Weihnachten. Und was ich jetzt hier habe, ist das neue Christkindlesmarkt Bier aus Nürnberg von der Tucher Brauerei. Was eigentlich ein recht großer Laden ist, aber die machen seit einigen Jahren in ihrem alten Sudhaus so ein ganz spezielles Rotbier. Und dieses Jahr haben sie zum ersten Mal das Christkindlesmarkt auch in diesem kleinen alten Sudhaus gemacht. Und das Spannende ist eben, dass wir jetzt hier als Basis ein Rotbier haben, allerdings ein bisschen kräftiger mit 12,5 Stammwürze. Deswegen so ein bisschen auch in Richtung von dem Spezial, was der Olli hat. Und was sie gemacht haben, ist, sie haben im Whirlpool noch ein bisschen Cascade und Monroe Hopfen gegeben. Und das gibt dem diese schöne fruchtige Note und macht das zum ersten Mal, finde ich, ein richtig schönes Weihnachtsbier. Also ich hatte jetzt schon öfters welche und ich war immer enttäuscht, weil das eigentlich immer so eine Art helles Festbier ist und nicht wirklich was in Richtung Weihnachten zu sagen hat. Aber hier mit dieser Hopfung und mit dem Rotbier komme ich wirklich in weihnachtliche Stimmung. Das macht richtig Spaß und ist wirklich ein schönes Bier. Kann ich euch nur empfehlen, solltet ihr auch mal probieren. Prost!

Holger: Ich kann das auch wirklich nur als absoluten Tipp weitergeben. Ich finde das auch mega das Bier, und vor allen Dingen, wenn man den Prozess sich dahinter auch nochmal vor Augen führt, ist es ein Preis-Leistungs-Verhältnis, das darf man vielleicht auch nochmal an der Stelle erwähnen, das ist fast unschlagbar. Jetzt hast du gesagt, deine beiden Frauen fordern dich ganz schön. Trinkt denn deine bessere Hälfte auch gerne Bier?

Oliver Klamminger: Sehr gern sogar eigentlich. Und ihr Lieblingsbier, das immer vorweg, das Lieblingsbier ist die Duchesse de Bourgogne, ein Oud Bruin, also ein Sauerbier und gar nicht so einfach und jedermanns Sache. Da würden viele, viele männliche Biertrinker schon sagen, das ist eigentlich gar kein Bier und damit kann er nichts anfangen. Aber sie ist da doch schon ein, zwei Levels drüber und trinkt sehr gern. Das Schöne war, was diese Corona-Pandemie mitgebracht hat, waren diese Lockdown-Abende. Und wir haben irgendwann begonnen, jeden Freitag Käse- und Bierabende zu machen. Wo wir begannen, also meine Frau hat am Markt von einer lokalen Käserei, wo wir eigentlich durchgehend immer einkaufen, tolle Käsen gekauft. Und ich habe versucht, unseren Bierkeller endlich mal zu entrümpeln und alte Schätze auszupacken. Dann haben wir so vier, fünf sehr, sehr gute, starke, spannende Biere verkostet und die verschiedenen Käse dazu. Das war eigentlich, ja, das hat sie so durchgezogen und das ist mittlerweile schon Tradition bei uns.

Holger: Wenn ihr jetzt erlaubt, dann würde ich auch mal mein Bierchen aufmachen, weil sonst muss ich so lange dursten.

Markus: Hau rein!

Holger: Ich bin jetzt aber wirklich, also zu mindestens geografisch so nah am Olli dran, also da kann man fast nicht näher dran sein. Und zwar, und das muss ich jetzt einfach, ich glaube, das ist wirklich der erste BierTalk, wo ich es wirklich aufmache und ich oute mich jetzt absolut total, dass ich also Ruhrgebietler bin, weiß mittlerweile jeder, dass mein Bierstil einfach Pils ist, weiß auch jeder, aber ich glaube, ich habe noch gar nicht verraten, was wirklich mein absolutes Lieblingspils ist. Das steht jetzt hier vor mir und das kommt auch aus der Nähe von Salzburg, so ungefähr 20 Minuten mit dem Auto weg. Da gibt’s einen kleinen Ort, der heißt Obertrum. Und es handelt sich einfach um das Trumer Pils. Und das genieße ich jetzt.

Oliver Klamminger: Da kann man ja wenig falschmachen. Hoffentlich in der schlanken Stange.

Holger: Aber selbstverständlich. Aber drücke jetzt nicht den Knopf des Glasfetischisten, weil sonst reicht die Sendezeit dann nicht aus. Was habe ich im Glas? Das ist einfach ein Bier mit einem stabilen, schönen weißen Schaum, richtig schön goldgelb, klar. Es ist so unglaublich ausgewogen in diesen Aromen. Das ist alles, das ist reifes Gerstenfeld, das sind heuige Noten, das sind herbe Noten, das hat eine schöne Hopfennote. Also das ist alles einfach. Ich trinke das wirklich schon, also nicht mein ganzes Leben lang, weil ich habe ja mal mit Köpi angefangen damals da in Duisburg, wo es eben dann auch noch wirklich Köpi war, aber das hier trinke ich auch schon unglaublich lange. Ich möchte jetzt behaupten, auf jeden Fall 15 Jahre. Das ist outstanding. Das ist wirklich outstanding. Wenn irgendeiner mal ein perfekt gemachtes Pils trinken will, der soll bitte auf die Suche gehen, irgendwo wird es Trumer Pils geben. Und man kann es sogar auch noch online bestellen. Also das ist ein charaktervolles richtig gutes, unglaublich schönes Pils mit einem schönen Körper. Ich weiß gar nicht, ich kann gar nicht mehr aufhören, deshalb trinke ich jetzt lieber weiter.

Markus: Dann frag ich mal ganz kurz Olli: Neben diesem schönen Schlenkerla Bierdeckel sieht man auf eurer Homepage auch euer Verkostungsglas. Das finde ich ganz interessant, also wirkt jetzt auf mich ein bisschen kleiner, eher wie vielleicht ein Rumglas zum Beispiel oder so. Wie kamt ihr da dazu? Was ist das für ein Glas und was habt ihr euch dabei gedacht?

Oliver Klamminger: Da muss ich vorher auf die Glasfetischisten-Taste drücken oder irgendwie so war das, glaube ich.

Markus: Das hast du ja indirekt schon gemacht.

Oliver Klamminger: Das habe ich gemacht.

Markus: Wir nehmen uns da nichts.

Oliver Klamminger: Wir haben im Bierkulturhaus, (unv. #00:20:56.7# weiß) welche Glaskompetenz da auch war, also das ist ein großes Thema, das mir Spaß macht. Deshalb hat die Suche nach dem richtigen Glas auch ein bisschen gedauert. Von der Größe her jetzt vielleicht von dem Glas ist es so, dass knapp 0,3 hineinpasst. Also es wirkt nur klein auf dem Bild, aber es passt 0,3 hinein. Super für 0,2, aber funktioniert auch perfekt für 0,1. Das heißt, wenn du eine Verkostung machst und wir schenken so gut 0,1 ein, was eine perfekte Verkostungsmenge ist, dann wirkt das Glas nicht leer und es kommt gut rüber das Bier. Das ist ganz wichtig, dass das Bier auch, dass fast jeder Bierstil da gut wegkommt in diesem Glas. Und was mir persönlich wichtig ist, dass man aus dem Gas nicht nur nippen kann, sondern auch wirklich trinken. Ich habe es persönlich gerne auf der Couch zum guten Film, ich schenke da auch ein IPA ein, genauso wie ein Imperial Stout oder einem Bali-Wein. Pils nicht, da bin ich auch bei der schlanken Stange wieder, aber sonst ist es einfach sehr, sehr vielseitig und es macht mir Spaß. Ich bin kein Fan von den Stilgläsern, die sind mir etwas zu kompliziert. Also Dekopokal und so weiter funktionieren hervorragend, es stimmt alles, aber es passt nicht immer. Und ein Bier darf auch oder soll auch gemütlich sein und deshalb eher da der kürzere Stil und gemütlich vom Handling. Das war mir persönlich sehr, sehr wichtig. Ich hoffe, ich habe das jetzt richtig beantwortet und du verstehst meine Intention, warum wir da so lange gesucht haben und dann uns schlussendlich für dieses Glas auch entschieden haben.

Markus: Absolut! Kann ich völlig nachvollziehen. Und wir haben als BierAkademie da auch schon eine gewisse Reise hinter uns. Wir haben da mal angefangen mit einem großen (unv. #00:22:50.7#)-Pokal, wo ein halber Liter auch gut reinpasst. Der aber tatsächlich auch ganz gut mit 0,1 funktioniert hat. Und da haben wir eben damals gedacht: Wir brauchen ein Verkostungsglas, wenn wir schon in Franken sind, was die Leute mitnehmen, wo sie eben auch einen halben Liter reinkriegen. Da haben wir dann nach einiger Zeit festgestellt, das ist vielleicht dann doch ein bisschen too much und haben dann für uns das Barrel Aged Glas von Spiegelau entdeckt eigentlich als schönes Allround-Verkostungsglas. Und das ist relativ ähnlich. Ich glaube, das ist ein bisschen größer als eures, aber so von der Idee her ein kürzerer Stil, ein schönes Allround-Glas. Und das soll eben noch als Trinkglas auch funktionieren und es soll auch mit 0,1 gut funktionieren. Das sind ähnliche Gedanken. Nein, also mir gefällt es optisch sehr gut euer Glas. Ich freue mich drauf, das irgendwann mal auszuprobieren. Holger, hast du deins jetzt schon leer?

Holger: Ich wollte es gerade sagen, also wirklich, ich wollte es gerade sagen, es ist einfach weg. Und wisst ihr, was ich jetzt mache? Ich gehe jetzt nochmal an den Kühlschrank und hole mir jetzt nochmal ein Stiegl Bier, und zwar die Gmahde Wiesn. Ich bin sofort wieder da.

Markus: Bis gleich, wunderbar! Sehr witzig! Olli, dann nochmal ganz kurz vielleicht auf das Thema Sportreporter. Du hast gerade gesagt, die Champions League naht. Bist du da jetzt beruflich involviert oder bist du eher privat heute Abend involviert? Bist du Fan von irgendeinem Verein? Welches Sportherz schlägt in dir?

Oliver Klamminger: In mir schlägt eigentlich ein Basketballer-Herz. Das ist mal das erste. Ich komme eigentlich vom Basketball und bin irgendwie so in den Fußball hinein. Ich komme aus so einem Ort, wo Fußball einfach alles ist. Und irgendwie bin ich aus dem Ganzen entflohen, aber irgendwie hat es mich dann wieder eingeholt und ich finde Fußball auch sehr spannend. Und ich habe momentan nichts mit Fußball zu tun beruflich. Mein Kollege, sozusagen mein Nachfolger, mit dem wir jetzt wieder zusammenarbeiten, der will mir immer wieder einbauen irgendwo, aber ich habe eigentlich keine Lust mehr, das beruflich zu machen, sondern habe einfach den größten Spaß, Fußball gemütlich mit einem Bier auf der Couch oder gern auch wie neulich wieder im Stadion anzuschauen. Und das macht mir mehr Spaß so nebenbei, weil beim Arbeiten im Stadion kriegt man eh nichts mit, da geht’s dann wie beim Bier meistens eh nur um Politik die meiste Zeit. Und ich möchte mich dann gerne auch mal begeistern lassen und das nebenbei schauen oder dann doch wieder mal wegschalten. Mein Heiligtum ist eigentlich samstags um 15:30 Uhr, wenn in Deutschland die Bundesliga angepfiffen wird und ich mir gemütlich auf der Couch die Konferenz anschauen kann. Das ist so, diese zwei Stunden, die lasse ich mir eigentlich nicht nehmen. Das ist wie Urlaub unter der Woche, kann man sagen. Das ist so mein Ding.

Markus: Das hast du schön gesagt. Das freut mich auch sehr. Also die Basketballgeschichte, muss ich sagen, das ist für uns Bamberger schon auch ein Thema.

Oliver Klamminger: Natürlich!

Markus: Natürlich, ne! Leider sind wir jetzt gerade so ein bisschen auf dem absteigenden Ast, aber zehn Jahre lang hat Bamberg schon die Bundesliga ganz schön dominiert. Und das war eine coole Zeit, muss ich sagen. Ich war da auch immer hautnah dabei, weil ich eigentlich auch aus dem Journalismus komme und ein Online-Magazin habe beziehungsweise hatte und wir waren da natürlich dann immer, ich auch als Fotograf immer in der ersten Reihe. Das war wirklich spannend. Und Basketball ist eine tolle Sportart, die halt sehr schnell ist, wo ganz viel passiert, wo viele Emotionen sind und wo sich natürlich tolle Bilder machen lassen. Und das kann ich völlig nachvollziehen. Auch für mich ist es so, ich bin samstags sehr gerne bei der Konferenz dabei. Allerdings muss ich sagen, ich höre es mir fast lieber im Radio an, weil ich das so spannend finde, wie gute Radioreporter es schaffen, dieses Spiel im Kopf laufen zu lassen, auch wenn man die Bilder nicht sieht. Das ist wirklich für mich ganz großes Kino in Sachen Journalismus. Deswegen versuche ich, das eigentlich so oft wie möglich auf die Art und Weise zu machen.

Holger: Manni Breuckmann, Manni Breuckmann, kennt ihr den?

Markus: Ja!

Oliver Klamminger: Nö!

Holger: Nein? Also Olli, bitte. Dann gib das ein in Google und hör dir diese Reportagen an. Also vor allen Dingen, wenn er das Revierderby im Radio, meistens dann auf WDR 2 kommentiert hat.

Oliver Klamminger: Ja, aber das dauert ja wieder Monate oder Jahre bis das wieder stattfinden wird.

Holger: Ja. Es wird sowieso nie mehr so sein, weil Manni Breuckmann ist einzigartig gewesen. Es wird niemanden mehr geben, der im Radio so Fußball kommentieren kann. Das gibt’s einfach nicht mehr. Da bist du dann einfach zu jung, das ist also schade.

Oliver Klamminger: Ja, das kann sein.

Holger: Da hast du dann noch Hemd und Hose an einem Stück gehabt, wo das damals eben so gut war. Aber gut, jetzt der Markus hat ja keine Ahnung von Fußball. Also gehen wir wieder zurück zum Bier.

Markus: Ja, ja, ja, ja! Wir sind ja ein BierTalk und ich muss sagen, aber der Olli hat sich sehr clever darum gedrückt zu sagen, ob sein Herz für einen Verein schlägt. Hast du es absichtlich gemacht oder hast du einfach keinen Favoriten?

Oliver Klamminger: Ich sag’s ganz ehrlich, ich habe nicht wirklich so einen Herzensverein. Ich hätte ihn gerne. Also ich habe einen Freund und wir reden jedes Mal, wenn wir uns auf ein Bier treffen, und wir treffen uns öfter auf ein Bier, dass mir das total Spaß machen würde, ich liebe es, wenn ich in Deutschland bin, ob Hamburg, München, egal wo, und du weißt, es ist heute noch ein Fußballspiel und du merkst, in der Stadt passiert was, es brodelt, die Leute laufen im Schal herum, mit Kindern, sind unterwegs, im Lokal trifft man sich aufs erste Bier und geht dann ins Stadion. Und dieses Feeling, wo die ganze Stadt mitfiebert, das liebe ich. Also bei mir ist Bier und Fußball sehr ähnlich beieinander, nämlich es lebt über Emotionen. Und das muss mich dann auch irgendwie fesseln. Ich hatte damals ein bisschen einen Verein, da war ich aber noch im Journalismus tätig, der war mal kurz in der Bundesliga, der große SV Grödig. Adi Hütter war da übrigens mal Trainer, der jetzt bei Gladbach ist, mit dem ich viel zu tun hatte damals. Ein sehr, sehr cooler Typ, muss man sagen. Aber ich habe diesen Verein nicht, also ich finde keine Bindung, alle deutschen oder Barcelona oder Paris, das ist nett das mal anzuschauen und so weiter, aber diese Emotion ist nicht da. Ich würde gerne in Stadien gehen wollen, ich finde das in Salzburg nicht. Ich finde das Konzept gut von Salzburg wie die arbeiten und was da rauskommt und wie das alles funktioniert und wie die spielen, alles super. Ich kenne mich vielleicht da zu gut aus in dem Verein, um das wirklich sexy zu finden oder emotional zu finden. Ich habe nicht wirklich diesen Verein. Das ist fast wie beim Basketball, ich freue mich immer über enge Spiele, über gute Spieler, egal wer spielt. Und bin da eher Fan des Sports. So wie ich sage, ich habe keine eine Brauerei, wo ich sage, das ist die beste, sondern ich finde einfach Bier cool.

Holger: Als Duisburger kann ich das einfach nicht nachvollziehen, weil es ist auch so ein bisschen so, du suchst dir nicht den Verein, sondern der Verein sucht dich. Das ist ja wirklich traurig, dass noch kein Verein dich gefunden hat. Aber ich meine, Manni Breuckmann, der hat so tolle Sprüche rausgehauen wie zum Beispiel „Holt die Antidepressiva raus! Fortuna Düsseldorf spielt.“. Das ist doch ein großartiger Satz. Ich habe jetzt auch ein großartiges Bier hier vor mir stehen, das habe ich ja schon verraten: Wildshuter Gmahde Wiesn. Weil ihr ja euch beide 0,5er bezogen habt und ich hier nur bescheiden mit 0,33 mich zufriedengegeben habe, mache ich es jetzt auch auf. Und das ist jetzt also, ich weiß gar nicht, das ist, glaube ich, 0,7, sogar 0,75.

Markus: Ich wollte grad sagen, das ist jetzt ein großes.

Holger: Das ist jetzt richtig großes Kino. In meinen Augen passt das jetzt auch so in der Reihenfolge ganz toll, weil da kann man jetzt auch ganz viel dazu sagen, aber mehr an Kräuter und Zitrus in Verbindung mit Getreide geht in kein Bier rein. Ich weiß nicht, ihr kennt ja beide das Bier, oder?

Oliver Klamminger: Ja.

Holger: Ich trinke. Prost!

Markus: Jo!

Holger: Das ist eigentlich ein Wildshuter Klassiker. Man muss vielleicht dann auch noch mal erklären, also die Stiegl Brauerei hat das Stiegl-Gut Wildshut und das ist ein Ort, wo eben Biolandwirtschaft betrieben wird, wo eigenes Getreide angebaut wird, wo selbst vermälzt wird und selbst geröstet wird. Da kann dann der Kreativbrauer Markus Trinker, also der heißt mit Nachnamen wirklich so, dann unglaubliche Kreationen produzieren. Und ein anderes Bier aus dieser wunderbaren Bierwelt dort ist die Männerschokolade. Die hätte ich auch noch zu bieten, aber wir müssen dann irgendwann auch aufhören. Aber die Gmahde Wiesn ist auch für mich so ein tolles Feierabendbier, um den Abend perfekt einzuleiten. Aber Trumer Pils ist halt Trumer Pils. Also das ist ja auch noch mal klar. Was ist denn euer Lieblingsbier vielleicht aus dem Salzburger Land? Was hast du für Tipps, Olli? Und Markus, du genauso. Also du kennst ja da auch einiges.

Oliver Klamminger: Ich lasse mal dem Markus den Vortritt. Ich bin gespannt.

Markus: Oh! Das ist jetzt wirklich gar nicht so einfach. Ich überleg gerade. Sagen wir mal so, wenn man das Salzburger Land ein bisschen größer interpretiert, dann gehört natürlich auch Schönram dazu. Und da muss ich sagen, sind wirklich viele Biere ganz, ganz toll. Vor allem auch das Imperial Stout mag ich da sehr gerne, natürlich auch das Pils. Also da ist jetzt noch der Eric Toft, da bin ich mal gespannt, wie das wird, wenn er nicht mehr da ist, wie sich da die Brauerei verändert. Aber das ist auf jeden Fall eine, wo ich sehr, sehr gerne bin und wo ich auch die Biere wirklich gerne mag. Und bei Stiegl muss ich sagen, das Wildshut, die haben ja auch dieses Urbier gemacht. Das, muss ich sagen, das finde ich auch toll. Das hatte ich schon öfters in Verkostungen, auch gerade so in Bierkulinarien oder so. Das ist ja wirklich, also erstens in der Produktion abgefahren, mit allen möglichen Kräutern und Sachen gemacht. Das ist aber auch von der Sensorik her einfach ein ganz tolles Erlebnis. Und das verändert sich auch, wenn man es aufhebt. Also ich hab’s auch ganz bewusst ein bisschen älter. Also finde ich eine tolle Idee, so alte Biere wieder zu beleben, so nahe wie möglich an den Ursprung ranzugehen und den Leuten so ein bisschen die Augen zu öffnen, was Bier alles sein kann, wo Bier herkommt, was man da alles drunter verstehen kann und was für Aromen da auch so drinstecken können. Also insofern, ja, würde ich das damit so ein bisschen bewenden lassen, weil sonst muss ich sagen habe ich jetzt einfach gerade aktuell nicht mehr so viele im Kopf. Beziehungsweise es kommt drauf an, wie groß man den Kreis zieht. Man kommt natürlich dann irgendwann noch zur Camba an dem Chiemsee zum Beispiel, aber das ist vielleicht schon ein bisschen weit von Salzburg. Ich weiß es nicht. Wie definiert ihr das eigentlich, Olli? Kannst ja kurz in deiner Antwort noch sagen, wo hört Salzburg auf für dich?

Oliver Klamminger: In Salzburg auf jeden Fall Landesgrenze, also die Bayern würden da schon sagen, dass das kein Salzburger Land mehr ist. Von dem her will ich da jetzt keinen Streit anzetteln. Wobei du natürlich recht hast, dass alles, was aus der Schönramer Brauerei kommt, sensationell ist. Aber jetzt Salzburg hat biertechnisch sehr, sehr viel zu bieten. Auch die Stadt Salzburg hat eine eigene Arbeitsgemeinschaft, eine Arbeitsgruppe, wo alle Salzburger Brauereien zusammenarbeiten und auch die Bierkultur hochleben lassen. Also das ist sehr spannend. Auch ins Land hinein findet man da und dort sehr, sehr feine Brauereien, kleinere. Aber da muss man, wie jetzt in Franken oder so, wirklich da sein, um die auch dann zu kennen. Wobei ich jetzt sage, eines der unterschätztesten Biere, und ich habe geglaubt, der Holger packt da jetzt wirklich das Bier an, nach dem Trumer Pils. Das ist für mich auch so ein Go-To-Bier, das eigentlich immer geht und ein Modern Classic ist. Noch dazu auch das Hopfenspiel von Trumer, das leichte Pils, hopfengestopft.

Holger: Absolut! Und dann mit 2,9 % Alkohol und so viel Aromatik in so wenig Alkohol zu verpacken, ist auch absolute Braukunst. Gebe ich dir absolut recht.

Oliver Klamminger: Genau! Das auf jeden Fall. Aber eines der unterschätztesten Biere, weil es einfach nicht vermarktet wird, ist das Pils von Stiegl. Das ist wirklich richtig norddeutsch interpretiert und eigentlich immer so der Aperitif, wenn ich in der Brauerei bin oder so. Und das frisch gezapft macht richtig Spaß. Also das kennt kaum jemand, die Brauerei macht auch keine Werbung damit, weil sie natürlich für das österreichische Märzen, das Goldbräu stehen, und das würde einfach nicht zusammenpassen. Aber einfach ein Top-Bier. Und was es wirklich sonst noch gibt, sind ganz kleine Brauereien bei uns, so Gipsy Brewer. Eine davon braut sogar bei der Camba ihr Pale Ale und das ist die Brauerei, zwei Jungs, die nennen sich Brauton aus der Stadt Salzburg, der Peter und der Phil. Die brauen ein wunderbares West Coast Pale Ale, also wirklich, wie man es sich vorstellt, wunderbar gehopft, Mango, Maracuja, viel Grapefruit, schön trocken. Ein Top-Bier. Und das Schöne ist bei denen, die heißen nicht nur Brauton, sondern die brauen Bier mit Musikgeschmack. Was ist das? Sie lassen es beim Gären beschallen mit Musik von Vinyl, also von Platte. So wie ich das zu Hause auch mache beim Biertrinken, ich lasse mich selbst beschallen. Das ist recht witzig. Und wie kommen die auf die Idee, ein Bier zu brauen? Sie sind beide Musiker und trinken gern Bier und brauen gern Bier, und bevor sie ein Bier brauen, überlegen sie sich oder hören sie Musik und überlegen sich, wie könnte diese Musik schmecken, wenn es ein Bier wäre? Das ist mal absolut kurios und irgendwie lustig. Das trifft so ein bisschen meine dritte Emotion auch oder meine dritte Leidenschaft, das ist Musik. Und ist total cool. Und das Bier ist total gut gelungen. Und das vom Fass in Salzburg zu trinken, ist sehr, sehr cool. Die machen auch ein Milk Stout, das sie nicht bei der Camba brauen dürfen, sondern das brauen sie bei Loncium in Kärnten. Das ist auch sehr, sehr cool. Und da haben wir sonst noch verschiedenste kleine Brauereien, zum Beispiel im Pinzgau unten. Wo ist der Pinzgau? Zell am See oder Kaprun kennen die Deutschen vielleicht noch vom Urlaub machen. Da gibt’s das Pinzgau Bräu, die machen ein herrliches Rauchbier. Schöne Grüße nach Bamberg! Ist eher moderat und eher torfig unterwegs. Da kann der Markus vielleicht mehr dazu sagen dann später. Aber wir haben schon ganz coole Sachen da. Man muss einmal da sein und man kann durchaus eine Woche hier verbringen. Und da habe ich Gußwerk noch gar nicht genannt, die Biobrauerei, Craftbier und so weiter. Also wir haben viel zu bieten, es ist spannend. Kommt’s einmal vorbei!

Holger: Was ich auch so besonders toll finde, ist, und das muss ich jetzt auch einfach mal loswerden: Ich sitze ja jetzt hier gerade in München und hier darf man sich natürlich auch was auf seine Bierkultur einbilden, aber die Salzburger Bierkultur, auch wie die vermarktet wird vom Salzburg Tourismus, ist wirklich unglaublich toll. Die haben eben auch einen Führer über die Salzburger Brauereien und empfehlen auch ausgesuchte Bierlokale innerhalb der Stadt. Und auch da kann man gastronomisch eben doch auch einiges erleben und auch so typische Wirtshäuser noch kennenlernen. Also das ist wirklich auch ein Tipp. Man kann eintauchen in die belgische Bierwelt bei Alchimiste Belge zum Beispiel, aber eben dann auch ganz typisch dann beispielsweise im Braugasthof Sigl dann wiederum in Obertrum oder eben auch im Hofbräu Kaltenhausen. Also es gibt so viel Bierwelt da zu entdecken, dass ich das nur jedem empfehlen kann. Und das ist auch ein Ziel eigentlich für die ganze Familie. Die Stadt ist ja auch so schön und Genuss wird da wirklich großgeschrieben. Ich komme schon wieder so ins Schwärmen wie jetzt gerade bei dem Trumer Pils. Ihr müsst mich jetzt fast stoppen. Also weiß ich eigentlich gar nicht, wieviel Uhr haben wir jetzt eigentlich? Also wie lange sind wir jetzt schon dran? Ich trinke lieber am besten nochmal einen Schluck Bier. Prost!

Markus: Prost! Wir rauschen schon langsam Richtung Ende, aber ich habe mein Bier noch gar nicht ausgetrunken. Also wir können schon noch ein paar Minütchen reden.

Holger: Ja, ja, wenn du jetzt schon sechs Oktoberfest-Biere verkostet hast, …

Markus: Ja.

Holger: … das ist ja auch schon was. Was hat dir denn am besten geschmeckt, was ist denn dein Oktoberfest-Highlight-Bier 2021? Darf ich das fragen?

Markus: Also fragen darfst du das auf jeden Fall. Ich muss noch mal kurz drüber nachdenken, das ist gar nicht so einfach. Ich glaube, am rundesten fand ich das Löwenbräu, interessanterweise. Und am stimmigsten irgendwie das Spaten, auch interessanterweise.

Oliver Klamminger: Das habe ich schon probiert. Ja.

Markus: Genau! Am Besondersten ist tatsächlich das Hacker-Pschorr, weil das mal wieder noch ein bisschen dunkler ist und eher so in Richtung braunes Kellerbier, Märzen geht. Das heißt ja auch noch Oktoberfest-Märzen. Also Paulaner war nicht schlecht, aber war für mich nicht ganz rund. Und tja, Augustiner hat also einen typischen Augustiner-Geschmack, das mag man nicht immer. Also insofern, sie waren alle ganz gut. Ich meine, das ist halt auch wieder nicht mein Favorite Beer Style, muss ich sagen, aber grundsätzlich, sie tun das, was sie sollen. Das ist vielleicht auch was, was der Olli vorhin gesagt hat, wenn man an den Sport denkt und diese Stimmung, wenn die ganze Stadt brodelt und man auf dieses Spiel am Abend sich freut, so ist es natürlich auch zum Beispiel in München, wenn man ist, am Tag, wo das Oktoberfest losgeht. Also wo dann auch die ganze Stadt brodelt und sich alle freuen auf diesen Umzug und dass die Wiesn los geht. Oder ich kenne das auch bei uns in Franken, eben wenn bei uns in Bamberg unsere Sandkerwa ist oder in Erlangen die Bergkerwa oder in Forchheim das Annafest, wo man einfach weiß, okay, da ist jetzt wirklich, alle sind da dran und freuen sich und haben den Abend schon geplant, alle Freunde eingeladen und man geht da zusammen hin und freut sich auf dieses Bierfest. Da hat das vielleicht sogar was gemeinsam, diese Bierkultur und auch diese Begeisterung für Sport kann vielleicht auch was ähnliches haben, denke ich mal.

Oliver Klamminger: Ich muss dem Markus nicht widersprechen, Bierstile sind ja subjektiv, aber ich liebe Oktoberfestbiere und Festbiere und freue mich schon immer, wenn die Saison losgeht und decke mich auch jedes Jahr ein mit so vielen, wie ich nur irgendwie bekommen kann, immer zwei Stück, also zwei Flaschen pro Sorte. Weil zur Not kann man dann ein Maß einschenken zu Hause. Und ich liebe die absolut und ich liebe es auch, die immer durchzukosten und habe ungefähr eine ähnliche Einschätzung. Ich habe noch nicht alle durch, muss ich sagen, aber ich habe ganz andere noch, also nicht nur die klassischen Oktoberfestbiere von den Münchner Brauereien, sondern eben anderen bayerischen Brauereien. Und mein Favorite, muss ich sagen, ist das Festbier von der Karmeliten Brauerei aus Straubing. Das habe ich vom Fass kosten dürfen beim Oktoberfest vom Karl Zuser in Ried im Innkreis. Und habe das Glück gehabt, dass der Sepp von der Brauerei zufällig da war und wir uns natürlich gut verstehen. Und der hat mir im Vorbeifahren mal in Salzburg einen Karton mitgebracht. Also das ist sensationell und das erinnert mich auch ein bisschen an die fränkischen Biere, die einfach vom Malzprofil ein bisschen spannender sind als viele da bei uns. Und deshalb finde ich das, glaube ich, so lustig, das ist mit 5,5 % Alkohol absolut süffig, schön hell, aber trotzdem spannender und ein bisschen mehr als die meisten bieten können. Ich finde das absolut cool und auch das mit dem Brodeln, das verstehe ich, was der Markus gesagt hat, dass sich da was tut. Also immer gut, wir haben jetzt in Salzburg den Landes-(unv. #00:42:25.5#) gefeiert am Freitag und da gibt’s immer den großen Rupertikirtag für fünf Tage lang und da war das auch so. Also da tut sich was, die Menschen sind in Tracht unterwegs in der (unv. #00:42:37.1#), wer mag, und es macht auf jeden Fall Spaß und da tut sich was. Und da merkt man doch, dass Bier ein soziales Gleitmittel ist und dass da Leute doch zusammenkommen über diese schöne Thema Bier.

Holger: Absolut! Bier ist „Come together“ und jetzt gebe ich auch noch meinen Senf dazu zu den Oktoberfestbieren. Ich muss dir da vollkommen recht geben, Olli, ich mag sie auch sehr gern. Und vor allen Dingen, wenn man weiß, dass wirklich jeder Braumeister hier auch aus den großen Münchner Brauereien sich unglaublich viel Mühe gibt eben mit diesen Festbieren.

Oliver Klamminger: Das ist ein Prestige-Thema, oder?

Holger: Das ist so dann der umfassende Bierstil Lagerbiere, und da sind dann diese Biere in meinen Augen absolut sauber, erstklassig gebraut. Und mein Favorite dieses Jahr ist tatsächlich auch das Spaten. Im Übrigen auch mag ich dieses Retro-Design an Etikett und so, das mag ich einfach. Und da vielleicht jetzt auch noch mal ein bisschen abschweifend: Du bist jetzt quasi nach Niederbayern gegangen, nach Straubing, und ich gehe jetzt noch mal nach Oberbayern in die Stadt Rosenheim. Also mein Festbier-Tipp wäre das Wies’n-Märzen vom Flötzinger.

Oliver Klamminger: Auch sehr gut, auch sehr gut! Hatte ich schon, ja.

Holger: Das finde ich halt unglaublich gut, weil es so schön malzaromatisch ist und dann aber trotzdem eine interessante Hopfennote besitzt und mit seinen 5,8 % eben auch wirklich ein schönes Wiesn Bier ist. Es ist fast ein Schlusswort, also es ist fast ein Schlusswort. Aber das möchte ich gar nicht führen, sondern kann einer von euch machen. Also mir hat es wieder unglaublich Spaß gemacht. Vielen Dank, euch beiden! Mit meiner Gmahden Wiesn gehe ich weiter in den Abend.

Markus: Na gut, dann nehme ich mal über sozusagen und lass uns doch die Gmahde Wiesn ein bisschen für den Olli ausrollen. Und nutze doch die Gelegenheit, bei deinem Schlusswort ein bisschen Werbung zu machen, weil ihr ja viele schöne Veranstaltungen macht von BIER-OK. Und wir können allen nur empfehlen, wenn ihr mal nach Salzburg kommt, dann macht das natürlich besonders viel Spaß, dort die Bierwelt mit jemand zu entdecken, der sie kennt. Und das bist du. Vielleicht sagst du noch ganz kurz ein bisschen was, was man alles mit dir erleben kann oder mit euch und wie das funktioniert.

Oliver Klamminger: Das ist sehr nett. Danke, Markus! Also falls jemand mal in Salzburg unterwegs ist, schaut‘s vorher vorbei auf www.bier-ok.at, klickt euch durch, schreibt uns eine E-Mail. Wir führen euch gerne durch die Salzburger Bierwelt, machen exklusive Verkostungen mit euch. Oder ihr habt’s Lust, mit eurer Firma mal eine Bierverkostung zu machen, egal wo ihr seid. Wir hatten schon Firmen, die in Bamberg und gleichzeitig in Südtirol gesessen sind. Und die können wir mit den Online-Verkostungen alle gut bedienen. Wir haben da einen tollen Partner mit der Firma Kalea, die vielleicht viele kennen von dem Bieradventskalender. Bier ist vielschichtig und so ist auch BIER-OK. Wir richten uns gern nach den Kunden. Es gibt viele Leute, die setzen sich selbst gern in den Vordergrund, bei uns ist das Bier und der Kunde immer im Vordergrund, das ist uns das Wichtigste. Das Ganze lebt über Emotion, über Spaß. Und das Wort Infotainment wurde ja schon in den Mund genommen, das ist eigentlich genau mein Ansatz. Bier soll immer Spaß machen, wenn man ein bisschen was mitnehmen kann an Informationen für später mit allem, was man bei uns auch so hört, kann man durchaus einmal eine Runde Bier gewinnen am Stammtisch und sich erfreuen dann dabei. Also würde mich freuen, wenn der eine oder andere mal durchklickt, auf die Homepage schaut. Wo ich ein Bild aus Bamberg City übrigens selbst geknipst habe, die sind nicht aus dem Internet gestohlen, Markus, sondern war mein Foto, als wir damals da waren. Und der nächste Besuch sollte im Frühjahr spätestens sein. Also ich freue mich, ich bedanke mich, dass ich dabei sind durfte beim BierTalk. War sehr, sehr spannend, mal wieder über Fußball, Bier und alles, was es so gibt und vor allem über Salzburger Biere zu quatschen. Das mache ich ja sonst nie, sonst quatsche ich immer über andere Biere. Das finde ich sehr, sehr cool. Vielen Dank für die Einladung! Und Holger, was gibt’s noch zu sagen?

Holger: Ich würde jetzt einfach mit einem Zitat von Manni Breuckmann abschließen, der einmal gesagt hat: Wenn irgendwann die Eckfahne Nutellafahne heißt, höre ich auf. Jawoll!

Markus: Okay! Einen wunderschönen weiteren Abend euch beiden. Ciao!

Oliver Klamminger: Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 71 – Interview mit Dominik Eichhorn, Inhaber der Schlossbrauerei Reckendorf

In Reckendorf wird schon seit dem 16. Jahrhundert Bier gebraut, das Aushängeschild war dabei immer die Schlossbrauerei. Dort arbeitet seit drei Generationen die Familie von Dominik Eichhorn, der als Brauingenieur und Biersommelier Pate für viele klassische und innovative Biersorten steht. Seinen persönlichen Weg zum heimischen Sudkessel fand er unter anderem über ein Engagement im fernen Japan, wo er neben der Liebe zum Bier auch dieselbige seines Lebens fand. In Eichhorns Brauerei entstehen auch so genannte „Gypsy“-Biere – und dort steht auch eines der modernsten Sudhäuser der Welt. Im Podcast verkostet er mit Markus und Holger fünf der Schlossbräu-Biere und lüftet nebenbei das ein oder andere Geheimnis. Wir wünschen viel Spaß beim 100. BierTalk, ein echtes Erlebnis, ungeschminkt und ungeschnitten…

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Holger: Herzlich willkommen! Also ihr werdet das kaum glauben, aber es ist der 100. BierTalk. Wie kommt der zustande? Also natürlich, 100 ist eine natürliche Zahl zwischen 99 und 101, und sie ist gerade, ist eine Quadratzahl, und ist natürlich was ganz Besonderes. Deshalb haben wir natürlich auch einen ganz, ganz besonderen Gast. Dominik, ich grüße dich! Und es ist uns eine Ehre, dass du dabei bist.

Dominik Eichhorn: Hallo, Holger und Markus! Es ist fast schon zu viel Ehre, ist mein erster Podcast überhaupt und dann gleich auch noch ein Jubiläums-Podcast, also der 100.. Danke, dass ich dabei sein darf.

Holger: Wir fühlen uns auf jeden Fall geehrt, dass du dabei bist. Markus, du bist auch dabei wie immer.

Markus: Jo!

Holger: Wie setzt sich die 100 zustande? Das muss ich vielleicht noch ganz kurz erklären. Wir haben ja Specials und wir haben die normalen BierTalks, und wenn man jetzt alles zusammennimmt, dann ist es wirklich der 100. BierTalk. Wenn man jetzt nur die BierTalks ohne die Specials nimmt, dann ist es der 71.. Jetzt starten wir aber. Dominik, magst du dich vielleicht kurz vorstellen den Hörern? Wer bist du …

Dominik Eichhorn: Wer bin ich.

Holger: … und was zeichnet dich aus?

Dominik Eichhorn: Gut! Meinen Namen hast du genannt, Dominik, und der Nachname ist Eichhorn. Ich habe eine kleine oder mittelständische sagen wir Brauerei in Reckendorf, das ist ein Dorf mit 2000 Einwohnern hier im Landkreis Bamberg, also in Oberfranken, da, wo es die meisten Brauereien gibt. Die Brauerei heißt Schlossbrauerei (unv. #00:01:52.0# Reckners?). Ich bin selbst Braumeister und Eigentümer dieser Brauerei und fungiere aber eigentlich als Geschäftsführer und Mädchen für alles eigentlich. Wir sind eine Sortimentsbrauerei, klassische Sorten, typisch fränkisch handwerklich geprägt, würde ich mal sagen. Über 50 bin ich auch schon, ein bisschen drüber, und sonst freue ich mich jetzt auf den weiteren Podcast.

Holger: Sehr gut! Wir müssen natürlich die Reihenfolge festlegen, weil ihr habt einiges im Sortiment. Jetzt ist es wieder so, dass ich mit zwei Oberfranken in einem Podcast stecke, schon wie so oft. Und der Markus wird sich natürlich aufs Kellerbier freuen. Aber vielleicht starten wir auch mit was anderem. Also Dominik, ich denke, du bist der beste Mann zu sagen, was ist jetzt unser Starter-Bier?

Dominik Eichhorn: Ich habe euch oder uns fünf Biere mitgebracht von unseren über zehn, die wir brauen. Wir fangen mit dem Hellen an, mit dem klassischen hellen Bier. Die anderen Biere verrate ich jetzt noch nicht, die kommen dann so nach und nach. Also es sind klassische Biere dabei, es ist aber auch die eine oder andere Besonderheit vielleicht dabei. Aber alles trotzdem typische fränkische Handwerksbiere. Unser Helles hat auch einen besonderen Namen, also das ist die „Helle Freude“. Das haben wir mal vor ein paar Jahren so genannt. Und jetzt unterscheidet es sich vielleicht ein bisschen von den normalen Hellen, bayerisch Hellen, dadurch, dass es nicht ein Plato 11 Bier ist, also nicht 11,x Stammwürze hat, sondern dass es schon knapp über 12 % Stammwürze hat. Das kann man auch schmecken, meine ich.

Holger: Dann sollten wir das tun. Auf jeden Fall! Markus, du musst dich leider noch ein bisschen gedulden, Kellerbier ist noch nicht dran. Aber es ist das absolute Trendbier eigentlich in der ganzen Bundesrepublik fast schon, Helles ist in aller Munde. Wir haben den frühen Feierabend und der Dominik konnte es jetzt im Vorgespräch sowieso nicht abwarten, endlich Bier zu trinken, und ich denke, da sollten wir jetzt auch Gas geben. Also machen wir alle uns mal das Helle auf.

Markus: Absolut! Dann machen wir es auf.

Holger: Ich schütte es mal ein, vielleicht hört man es sogar. Jawohl! Genau! So kommt‘s rein hier, goldgelb ist die Farbe. Man riecht schon so eine leichte Honignote und natürlich Malz kommt darüber. Aber ich will vielleicht gar nicht so viel erzählen, Dominik, also mach weiter. Du hast gerade so schön angefangen und „Helle Freude“ ist auch ein genialer Name. Blaues Etikett.

Dominik Eichhorn: Ein blaues Etikett, war schon immer blau. Es ist von der Stammwürze eben ein Exportbier, ist aber vielleicht nicht ganz so malzlastig voll wie manch andere Exportbiere, sondern ist ein bisschen schlanker und ist für mich so vielleicht ein Mittelding, würde ich mal sagen, zwischen einem Bayerisch Hell und einem Exportbier. Ist deswegen auch noch sehr leicht zu trinken, also hat eine hohe Drinkability, finde ich. Wie du schon gesagt hast, die Honignote schmecke ich auch immer raus. Die Malznoten sind da. Ist aber nicht zu mastig, finde ich. Also es ist sehr schön zu trinken.

Holger: Sehr schön! Dann steht sogar Exportbier drauf, und dann gibt es da noch so einen Kollegen, der unglaublich glücklich ist, dieses Bierglas vor sich zu haben. Wer ist das denn?

Dominik Eichhorn: Den Kollegen, den kenne ich selbst nicht. Den haben wir mal ausgesucht, mir hat das Bild so gut gefallen. Mir ist der Name einfach mal eingefallen und dann habe ich einfach ein Motiv sehr lange gesucht, bis ich das passende Motiv gefunden habe. Ich habe den Mann gesehen, wie er so einfach verträumt und glücklich irgendwie sein Glas anschaut, mit dem hellen Bier drin und der schönen Schaumkrone. Und dann habe ich gewusst, das ist das richtige Motiv einfach zu diesem Bier. So ist der aufs Etikett gekommen der Mann, der gute.

Holger: Markus, was sagst du denn zu dem Bierchen und auch zu dem Kollegen, der sich so sehr über das Bier freut? Freust du dich auch so sehr?

Markus: Ich freue mich absolut über dieses Bier. Ich muss auch den Hörern sagen, alles, was ihr jetzt so ein bisschen gehört habt, das ist ganz viel typisch klassisches oberfränkisches Understatement. Weil wir sind total nett und wir prahlen auch nicht und wir erzählen nicht, was wir alles können, was wir alles machen, was wir tun. Aber natürlich suchen wir uns zum 100. Podcast nicht irgendeinen Brauer aus, sondern das ist schon wirklich was Besonderes, und so sind eben auch die Biere. Ich persönlich bin gar kein so großer Freund des Hellen, das hast du schon gesagt, aber dieses ist wirklich eines, das mir richtig gut schmeckt. Weil es eben einen vollen Körper hat, weil es richtig schön harmonisch ist, weil es mir viel mehr erzählt als so manches klassisches typisch bayerisches helles Bier. Und das ist auch was, was ich sehr, sehr gerne zum Beispiel auch zum Essen, zur Brotzeit irgendwie oder auch mal an einem Grillabend oder sowas, das kann man immer schön trinken. Es ist absolut sauber, es ist ein wunderbarer Anblick auch schon, wenn man das so sieht mit diesem strahlenden Gelbgold, mit dem schönen weißen Schaum, der da so obendrauf thront. Und das ist einfach wirklich ein sehr, sehr gelungenes richtig gutes Bier. Und für mich auch wirklich so ein Benchmark in dem Thema, also wie mache ich ein Helles ein bisschen interessant. Das ist echt toll gelungen und da freue ich mich auch sehr und wir können gerne damit anfangen. Gar kein Thema!

Holger: Das ist jetzt wirklich spannend, weil ich bin jetzt hier in der bayerischen Hauptstadt und wenn jetzt schon die Oberbayern da so ins Spiel gebracht werden, so die mit ihren langweiligen Hellen und so, ich würde sie jetzt einfach mal verteidigen und würde sagen, na ja, lasst uns doch mal drüber streiten, ist das überhaupt ein Helles oder ist das wirklich ein schlankes Exportbier? Dann ist natürlich klar, dass dir das gut schmeckt.

Markus: Ja, ich meine, klar, den Streit kann man führen. Aber das ist sowieso so, dass sowohl in Bayern als auch in Franken Brauer einfach gerne was auf ihr Bier draufschreiben, ohne jetzt das ganz genau abzugleichen, wie das jetzt mit dem Bierstil ausschaut. Und die Grenze zwischen Hellen und Export ist ja auch fließend. Ich bin mir gar nicht sicher, ob es da wirklich jetzt so eine Art Bußgeldkatalog gibt für diese beiden Biere, wo man das eine oder das andere draufschreiben muss. Das weißt du wahrscheinlich besser, Dominik, oder gibt’s da irgendwie eine genaue Vorgabe, wo das eine aufhört und das andere anfängt?

Dominik Eichhorn: Eigentlich sind sie nur über die Stammwürze definiert beziehungsweise Hell ist ja keine, ist vielleicht eine Sortenbeschreibung, aber es ist jetzt nicht biersteuerrelevant sozusagen. Wohingegen der Begriff Export eine Klasse beschreibt, die einfach über 12 % haben muss. Und das ist ja das Schöne, dass wir Brauer das dann interpretieren können und da einen Spielraum haben. Jede Brauerei oder jeder Braumeister versucht natürlich, da auch einen eigenen Stil ein bisschen noch reinzubringen. Also es ist ein Riesling auch nicht gleich ein Riesling. Das ist das Schöne irgendwie, dass wir da einen Spielraum haben, auch für den Verbraucher ist das schön, dass er da wählen kann.

Markus: Vielleicht ist das auch eine Philosophiefrage. Ich kann mir vorstellen, das Helle an und für sich ist in Bayern erfunden worden zur Zeit der Industrialisierung, als es eben darum ging, diesem mehr oder weniger Pils-Pendant möglichst nahe zu kommen. In Franken gab‘s das erst mal überhaupt nicht, sondern da gab’s halt Kellerbiere und die waren eben eher dunkler oder eher hell. Und auf diesem hellen Kellerbier hat man dann eine Zeit lang Pils draufgeschrieben, weil das halt besser lief, und dann irgendwann wurden die einfach helles Kellerbier oder Helles. Halt unfiltriert logischerweise und dann erst sehr viel später kamen dann eben diese modernen Varianten auf. Ich kann mir vorstellen, dass da wirklich vielleicht auch im Kopf des Brauers in Bayern vielleicht tatsächlich eher die Idee ist: Ich muss diesem, im positiven Sinne, Mainstream möglichst nahekommen. Und im Kopf des fränkischen Brauers vielleicht eher ist: Na ja gut! Ich mache jetzt halt in meiner Range mit meiner Idee, mit meiner Bierphilosophie, auch mal so ein Bier. Und dann hat das vielleicht ein bisschen mehr noch dieses Persönliche aus der Brauerei als vielleicht viele von den bayerischen. Ist jetzt aber nur eine Theorie. Kann auch sein, dass es nicht stimmt.

Dominik Eichhorn: Ja gut, ich weiß nicht, also das ist mit dem Pils, denke ich, also im Pils ist schon noch einfach hier deutlich mehr Hopfen drin …

Markus: Ja!

Dominik Eichhorn: … als im Hellen oder Exportbier natürlich. Wobei, ich glaube, bei uns sind vielleicht auch sogar ein bisschen, ein paar Bittereinheiten mehr drin als im durchschnittlichen Hellen, weil natürlich das Prozent mehr Stammwürze auch ein bisschen mehr Bittere verträgt und die dann auch auffängt und einbettet sozusagen in dem Ganzen, dass es eben harmonisch wird der ganze Geschmack. Es ist natürlich auch, ich weiß nicht, ich könnte jetzt mal die Nachkriegsgeschichte unserer Brauerei, nach dem Dünnbier irgendwie, das im Krieg und kurz nach dem Krieg gebraut werden durfte, waren die Leute natürlich erstmal begierig auf stärkere Biere und mastigere Biere. Und das erste, das stärkste Bier vom Volumen her, also was wir verkauft haben nach dem Krieg dann, das waren Märzenbiere. Da wurden hier nur Märzenbiere getrunken, weil die Leute endlich mal starke Biere trinken wollten oder stärkere Biere trinken wollten. Und irgendwann ist dann der Trend gekommen zu den ein bisschen schlankeren Bieren, und dann war unser Exportbier auf einmal Nummer 1, vorher war es das Märzenbier. Das wurde dann Ende der 70er Jahre, Anfang der 80er Jahre abgelöst vom Pilsbier. Da kam aber der Trend so aus Nord- und Westdeutschland irgendwie, da war Pils einfach Mode und ein Benchmark irgendwie auch schon ein bisschen. Und dann war es das Kellerbier bei uns zum Beispiel, und mittlerweile ist wieder das helle Exportbier unsere Nummer 1. Also so ändern sich irgendwie auch die Moden und die Geschmäcker irgendwie.

Holger: Der sogenannte Kollektiv-Geschmack. Aber vielleicht gehen wir wirklich mal ein bisschen in die Geschichte zurück. Du sagst, nach dem Krieg und die Brauerei hat schon eine längere Tradition und du bist dann auch irgendwie aus der Familie, oder? Also so ist das (unv. #00:12:54.2#)

Dominik Eichhorn: Ja, ja, ich bin aus der Familie. Okay, wenn du nach der Brauerei fragst, ist es ja eine Schlossbrauerei, heißt das ja, …

Holger: Du hast die Prinzessin geheiratet?

Dominik Eichhorn: … ich habe die Prinzessin nicht geheiratet, ich habe eine andere Prinzessin geheiratet, aber nicht die von der Brauerei.

Holger: Oh, da hast du aber noch mal die Kurve gekriegt.

Dominik Eichhorn: Die Brauerei existiert seit 1597, also vielleicht auch schon, wahrscheinlich auch schon länger, aber da gibt’s halt eine Erwähnung in der Urkunde im Staatsarchiv Bamberg hier. Dann war das ein adliger Besitz, ein kleines Schlösslein da in Reckendorf, und der ging dann durch verschiedene Hände. Und irgendwann ist von den Gebäuden her durch einen Brand nur noch die Brauerei übriggeblieben, das Schloss und alles andere ist abgebrannt. So um die Jahrhundertwende vom 19. und 20. Jahrhundert ging diese Brauerei dann in den Besitz der katholischen Kirche über, also das Bistum Würzburg war dann Besitzer. Dem Bistum wurde die Brauerei vererbt. Das war eine kleine Landbrauerei dann so in den 20er Jahren, 1920er Jahren, mit 400 Hektoliter Ausstoß. Es wurde eigentlich nur für die eigene Gaststätte gebraut und für die Dorfbewohner, die Hausbrauer, die da gekommen sind, wie wir sagen. War eine sehr unrentable Geschichte eigentlich für die Kirche, diese Brauerei aufrechtzuerhalten. Es kam da einmal die Woche oder alle 14 Tage ein Pater aus Kreuzberg Rhön von diesem Kloster, von dieser Klosterbrauerei, nach Reckendorf runter und hat ein Sudbier gemacht, um da den Schornstein weiterrauchen zu lassen. Und dann gab‘s ein paar Brauburschen in Reckendorf, die dann die restliche Arbeit gemacht haben. Es wollte die Kirche das Ganze auch loswerden mehr oder weniger und mein Großvater war ein Reckendorfer, hat Brauer gelernt bei einer Reckendorfer Brauerei, die es nicht mehr gibt, Brauerei (unv. #00:15:08.9# Zeck?), und hat einen Braumeister gemacht und hat dann 1930 die Brauerei gepachtet. Anfang der 50er Jahre konnte er sie dann kaufen von der Kirche und so ist es Familienbesitz geworden. Später hat meine Mutter dann die Brauerei geheiratet, äh geführt, und ich bin dann jetzt hier die dritte Generation im Familienbesitz.

Holger: Ist auch toll! Ich finde auch, das ist auch so typisch oberfränkisch, eben diese unglaubliche Tradition. Da gibt’s so viele Betriebe, so viele Familienbetriebe, die eben schon in mehreren Generationen dann die Betriebe führen. Und das ist immer beeindruckend auch, absolut. Wie ich den Markus kenne, hat der natürlich schon wieder unglaublich Durst. Und jetzt sollten wir langsam unser zweites Bierchen festlegen.

Markus: Ja, machbar!

Dominik Eichhorn: Ich habe jetzt mal schnell ausgetrunken. Das zweite Bier, was ich jetzt vorschlage, ich habe es jetzt kurz erwähnt auch irgendwie in einem Nebensatz, ich habe gesagt, dass in den 20er Jahren in dieser Brauerei, also nur für die eigene Wirtschaft und für die Hausbrauer von Reckendorf gebraut wurde. Ich habe ein Bier mitgebracht, das ist unser Alt-Hausbrauerbier. Und zu dieser Sorte, ich weiß gar nicht, ob man es Sorte nennen kann, zu diesem Bier, da steckt schon ein bisschen Geschichte dahinter. Und das will ich mal erzählen, weil viele kennen das wahrscheinlich nicht. Ich weiß nicht, wie es bei euch ausschaut, Holger und Markus, ob ihr wisst, was ein Hausbrauerbier sozusagen ist.

Markus: Ich muss zugeben, ich weiß es, aber ich würde trotzdem die Geschichte natürlich lieber von dir hören. Ich weiß nicht, Holger, wie ist es bei dir?

Holger: Auf jeden Fall, Dominik! Du musst das erzählen, das ist doch klar.

Dominik Eichhorn: Ja, ich erzähle das jetzt auch. Ich wollte halt mal so rückfragen. Gut, ihr seid Experten, ihr kennt das, aber viele Leute kennen das nicht. Es war eben so früher, dass mehr oder weniger jeder Hof, jeder Bauernhof sein Bier zu Hause selbst gebraut hat. Die Leute waren mehr oder weniger Selbstversorger, auch beim Bier, und da wurde eben dann in den früheren Zeiten das Bier zu Hause gebraut. Diese Höfe, Bauernhöfe, Gutshöfe, die hatten eben ein von der Obrigkeit verliehenes Recht, zu Hause Bier zu brauen. Weil normalerweise durfte nicht jeder eine Brauerei aufmachen oder eigenes Bier brauen, auch früher wollte der Staat schon da seine Steuer haben. Dieses Braurecht wurde aber dann im Laufe der Zeit von den Leuten an die Brauerei abgegeben, weil es einfach immer schwieriger wurde oder komplizierter wurde, zu Hause das Bier zu brauen, oder die wollten das nicht mehr. Dafür mussten die Leute aber Gerste und Hopfen bei der Brauerei abgeben für dieses Bier. Und dieses Bier war biersteuerrechtlich begünstigt, also die Biersteuer auf dieses Bier war nicht so hoch. Es musste aber auch ein bisschen schwächer sein von der Stammwürze. Und das war dieses Hausbrauerrecht, das die Bevölkerung, die Landbevölkerung eben bei der hiesigen, bei der örtlichen Brauerei ausgeübt hat und dass die Brauerei für die Leute eben das Bier gebraut hat. Die Leute haben dann das Bier bei der Brauerei abgeholt in ihren eigenen Fässern, man sagt dazu, die fassen das Bier, die haben das Bier gefasst. So alle vier Wochen war Hausbrauertag, da kamen dann die Bauern mit ihren Traktoren, Anhängern und hatten ihre Fässer drauf und haben das Bier geholt. Es war aber kein ganz fertiges Bier, sondern es war Bottich-Bier, wie man gesagt hat, also es war aus dem Gärkeller, ein Jungbier, das sie in die Fässer gefüllt haben. Das Jungbier wurde dann bei den Bauern gelagert in Felsenkellern, die sie hatten, und wurde dann immer abends ein Krug Bier geholt zum Abendessen oder wie die Leute das eben gemacht haben. Und das ist so dieser Hausbrauer-Gedanke. Irgendwann ist der Hopfen weggefallen, weil keiner mehr Hopfen angebaut hat, aber die Gerste wurde noch bei der Brauerei abgeliefert. Und auch bei uns, wir haben früher selbst noch gemälzt, also Malz gemacht, und da haben die Bauern ein Kontingent an Gerste abgegeben und für diese Gerste haben sie dann ein Bier äquivalent übers Jahr bekommen. Das wurde dann immer abgeschrieben oder abgerechnet jedes Mal, wenn sie gekommen sind, und da haben die immer 100, 200 Liter auf einmal geholt und haben es nach Hause gebracht in ihre Felsenkeller. Dieses Braurecht oder diese Vergünstigung, diese steuerliche, wurde dann Anfang oder Mitte der 80er Jahre, glaube ich, aufgehoben vom Staat, also das war nicht mehr steuerlich begünstigt. Aber wir haben dieses Bier nach diesem Rezept immer weiter gebraut und haben das aber dann, um das zu vereinfachen für die Leute, filtriert, also selbst gelagert in Lagertanks, filtriert und abgefüllt wie ein normales Bier auch. Weil die meisten Leute keine Felsenkeller mehr hatten und das Bier nicht zu Hause lagern konnten. Der Vorteil war aber jetzt, dass jeder dieses Bier holen konnte, früher nur die Leute, die ein Braurecht auf dem Hof hatten. Das war jetzt natürlich weg. Und mittlerweile können die Leute das Bier, wir haben das Bier immer da, aber nur ab Hof, wir haben das Bier nicht im Handel. Und das werden wir auch nach wie vor weiterhin so machen, weil das einfach auch ein bisschen günstiger ist und die Leute kommen zu uns in die Brauerei, die holen fünf Kästen, die holen zehn Kästen, manche holen 20 Kästen auf einmal, die geben es ihren Nachbarn dann. Und das ist schon ein bisschen so eine ganz alte Tradition noch bei uns.

Markus: Das sind noch Kunden, Holger, oder, die 20 Kästen Bier kaufen. Wahnsinn!

Holger: Ja, also da hat sich einfach viel verändert in dem Thema Hektoliter pro Kopf. Aber damit müssen wir halt leben. Aber trotzdem ist es ja toll, so eine alte Tradition so auf diese Weise wieder aufleben zu lassen. Aber jetzt müssen wir auch wirklich mal aufmachen, oder?

Dominik Eichhorn: Ja, macht’s mal auf und probiert mal. Ich bin auf euer Urteil auch gespannt irgendwie. Vor allen Dingen, wie ihr das einordnen würdet. Wie gesagt, das ist keine Sortenbezeichnung, Alt-Hausbrauerbier oder Hausbrauerbier. Das ist ganz witzig, ich wollte mir den Namen, kann ich euch hier erzählen, mal schützen lassen. Und hatte dann einen recht lustigen, muss man fast sagen, Wortwechsel, Briefwechsel mit dem Patentamt in München oder dem Patent- & Markenamt. Weil sie haben gesagt, das können Sie nicht schützen, weil Altbier auch schon einfach eine Bierbezeichnung ist. Dann habe ich versucht, denen das zu erklären, dass das kein Altbier ist, das Altbier gibt’s in Düsseldorf. Aber das haben sie irgendwie nie begriffen, also sie haben das mir nicht geschützt, den Markennamen.

Markus: Lustig! Also na gut, ich kann mal anfangen, oder Holger? Oder möchtest du?

Holger: Nein, also wunderbar, bitte, also unbedingt.

Markus: Sagen wir so, mich begeistert auf jeden Fall schon mal die Farbe, weil das wirklich so einen Kupferton irgendwie hat, also so einen leichten Rotstich, und auch der Schaum so eine leichte bräunliche Färbung hat. Das ist trotzdem, bei mir zumindest, ganz klar. Ich weiß nicht, filtriert ihr das, Dominik?

Dominik Eichhorn: Wir filtrieren es. Ja.

Markus: Okay! Also das leuchtet richtig, strahlt richtig. In der Nase habe ich dann tatsächlich auch eine schöne hopfige Note. Darunter liegen dann so ein bisschen Röstaromen, ein bisschen brotig, ein bisschen Toffee, so in diese Richtung. Und wenn man es dann trinkt, das ist ein unglaublich cremiges Mundgefühl, ganz rund, ausgewogen. Es hat einen schönen Körper, also obwohl es „nur“ 4,4, in Anführungsstrichen, hat, trotzdem ein schönes volles Bier. Es ist sehr erfrischend, trinkt sich schön und ist dann hinten raus auch sehr ausgewogen. Ich würde mir schwertun, das jetzt wirklich genau einzuordnen in der deutschen Bierwelt. Aber mir fällt ein, wenn du jetzt in England in einem Pub bist und bestellst dort so ein klassisches Best Bitter, …

Dominik Eichhorn: Geht das in die Richtung?

Markus: Genau! Das ist (unv. #00:23:55.3#) obergärig, aber …

Dominik Eichhorn: Ich weiß nicht, wie stark die sind, diese Bitterbiere.

Markus: Auch so. Die haben ungefähr denselben Alkohol, so zwischen 4 und 4,5.

Dominik Eichhorn: Die sind obergärig, aber die sind jetzt nicht (unv. #00:24:05.5#) obergärig.

Markus: Nein.

Dominik Eichhorn: Genau!

Markus: Meistens zumindest nicht. Und Ziel ist halt auch da, einfach ein genial trinkbares Bier zu haben, was vom Alkohol eben nicht so overpaste ist. Da kann man also wirklich 3, 4, 5, 6, 7, 8 davon trinken in der Kneipe. Man sitzt dann ganz lange an Tischen, trifft Gott und die Welt, lernt neue Leute kennen, redet über alles Mögliche und hat einfach einen wunderschönen Abend und hat einen Begleiter für alles, was man da essen kann. Und so kommt mir das auch ein bisschen vor. Ich wüsste jetzt gar nicht, im deutschen Bierstil-Wesen würde man es wahrscheinlich im weitesten Sinne als ein bernsteinfarbenes Kellerbier irgendwie einordnen vielleicht.

Dominik Eichhorn: Sowas, ja!

Markus: Aber so von der Idee her finde ich, kommt‘s wirklich diesen britischen Pub-Bieren sehr nahe. Ich weiß nicht, Holger, wie siehst du das denn?

Holger: Absolut! So sehe ich es auch. Absolut! Das ist so ein Get-Together-Bier, würde jetzt vielleicht jemand sagen, der in England im Pub sitzt. Das ist so ein Bier, wo die Leute zusammensitzen. Es ist nicht schwierig, sondern einfach, geht so über die Zunge und fördert die Geselligkeit. Absolut! So sehe ich es auch. Also ein richtiges Pub-Bier oder ein Kneipenbier halt.

Dominik Eichhorn: Ich glaube auch. Ich finde es ganz interessant, was man auch mit so Nischen ein bisschen machen kann. Was heißt Nischen, also es ist ja eigentlich ein P10 Bier, wir machen ein P10 Bier eigentlich, also mit Plato 10,7 ungefähr, 10,6, 10,7, 10,8 manchmal, so genau ist es nicht. Aber man kann dann schon auch interessante Biere machen aus der normalen eingefahrenen Range raus. Und für ein Bier, das „nur“, in Anführungszeichen, 10 Plato hat, finde ich, ist das trotzdem ein volles, nicht schweres, aber ein schönes volles harmonisches Bier. Wie ihr sagt, eins, das man gut trinken kann. Und das macht auch vielleicht ein bisschen den Erfolg aus. Also viele Leute sagen zu uns, das Bier ist klasse irgendwie, da kann ich nachmittags, wenn ich meinen Garten umgrabe, schon zwei trinken irgendwie, auch im Sommer, und falle nicht gleich um, so ungefähr. Das ist ein bisschen das Geheimnis des Erfolgs. Also wir haben da einen richtig tollen Erfolg mit dem Bier.

Holger: Was man hier vielleicht auch noch mal erwähnen muss, weil die Hörer haben es ja nicht vor Augen: Das ist auch auf jeden Fall ein Bier, was in der Etiketten-Gestaltung vollkommen aus dem Rahmen fällt. Das ist auch ganz besonders. Also das ist ein völlig anderes Etikett als ihr das sonst habt.

Dominik Eichhorn: Genau! Es ist einfach bewusst viel schlichter gehalten, einfach gehalten, hat auch nur Bauch und Rücken, wo halt die ganzen Angaben drauf sind. Es hat kein Brustetikett. Es sind eigentlich nur zweifarbig, fast keine Farbe drauf. Es war schon immer irgendwie so mehr oder weniger fast kein Etikett drauf auf diesem Bier, weil die Leute haben es als Fassbier geholt, und dann kam es halt in die Flasche, weil die Leute keine ganzen Fässer mehr holen wollten. Aber da kam auch nur ein kleines Etikett mit wenig Infos drauf, wenig Werbung, die Leute haben das Bier gekannt. Die sind in die Brauerei gekommen, die musste man nicht irgendwie mit Farben locken oder mit viel Gold oder irgendwas, sondern die Leute wissen, das ist unser Hausbrauerbier, da braucht‘s nicht mehr. Das ist auch der Grund, wieso hier ein ganz schlichtes Etikett drauf ist. Mittlerweile ist es schon ein bisschen kultig, muss ich sagen, klar. Das ist halt jetzt in unserer Zeit so vielleicht.

Holger: Und das Wappen, seid ihr das oder ist diese …

Dominik Eichhorn: Das ist das Wappen von dem Schloss, von dieser Familie, von diesen Adligen, die früher dieses Schloss besessen haben.

Holger: Ah ja, okay! Aber die gibt’s eigentlich nicht mehr, also …

Dominik Eichhorn: Die gibt’s nicht mehr. Nein, Wiesenthau hießen die. Das ist so ein fränkisches kleines, das weiß der Markus besser als Historiker, Ritteradelsgeschlecht gewesen, also kein hoher Adel. Aber gut, bei uns war alles so kleinteilig in Franken und überall war einer gesessen, ein kleiner Baron oder Ritter und hat da sein eigenes Süppchen gekocht, und so war es da wahrscheinlich auch.

Markus: Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Also diese ganzen kleinen Barone, die haben alle eben ihr Süppchen, in dem Sinne ihr Bier gekocht. Das ist ja auch der Ursprung, weswegen wir so eine Biervielfalt haben, weil einfach überall es was Eigenes gab.

Dominik Eichhorn: Ja, und diese Kleinteiligkeit in Franken eben, also kein großes Staatswesen außen rum wie in Bayern oder in Baden oder irgendwas oder dass da in Württemberg ein König dann da war mit einer (unv. #00:28:42.8#). Das macht eben auch die Vielfalt aus. Und es ist bei uns in der Gegend dann auch vom Konfessionellen völlig durchmischt.

Markus: Richtig! Jeder Herrschaftsbereich, jedes kleine Dörfchen hatte dann eben seine eigene Religion, seine eigene Kirche, sein eigenes Brauhaus, seine Verwaltung, und so ist das eben.

Dominik Eichhorn: Genau! Das macht die Vielfalt aus.

Markus: Ich finde das sehr schön, wenn man so an diese anderen Lagerbier-Kulturen denkt, die so leichte Biere kennen, das ist vor allem Tschechien mit den leichten Bieren, mit 9 %, 10 % Stammwürze. Aber da ist es so, die machen das entweder richtig hell oder richtig dunkel. Und was man dort dann bestellen kann, ist eine Mischung. Das heißt, die haben dann zwei fertige Biere und mischen die dann auf Verlangen. Aber so jetzt hier, diese wunderschöne Bernstein- oder Kupferfarbe, die das hier hat, sowas gibt’s da eigentlich nicht. Deswegen ist das schon wirklich eine ganz besondere einzigartige Geschichte eigentlich.

Dominik Eichhorn: Das muss man einmischen in Tschechien dann wahrscheinlich.

Markus: Ja genau! Da kann man mal mit so einer Flasche hingehen und sagen „Macht mal genau das!“.

Dominik Eichhorn: Aber das ist ganz interessant, ich weiß nicht, da kennst du dich besser aus, in Tschechien waren es dann eher so die Arbeiterbiere, für so Schwerarbeiter, die den ganzen Tag Kraft brauchten. Oder wie war das da?

Markus: Ja, das war auch bei uns mal so. Also die deutsche Bierkultur ist dadurch wirklich etwas anders, weil wir diese Kriege hatten, die Inflationszeit, und das immer so ein großer Reset sozusagen war. Es ist überhaupt erst mal eine Art einheitliche deutsche Bierkultur entstanden mit der Gründung des Deutschen Reiches. Dann war erstmal Jubel, Trubel, Heiterkeit angesagt, da hat man dann sowieso ausprobiert, was ging. Und dann war eben mit dem Ersten Weltkrieg schon mal so eine Phase, wo sie dann wirklich nur noch sehr, sehr leichte Biere überhaupt machen durften oder auch konnten, weil die Rohstoffe einfach nicht verfügbar waren. Weil man hat, das vergessen viele Leute, vor dem Ersten Weltkrieg war das eine sehr globalisierte Gesellschaft. Also all die Herrscherhäuser in Russland, in England, in Deutschland, das waren alles Cousins, Cousinen, Brüder, Schwestern. Die ganze obere Society hat einheitlich französisch gesprochen, egal ob du jetzt in Portugal warst, in Griechenland oder in Russland. Das heißt, sie haben sich alle gekannt, die haben sich alle verstanden. Und da war auch von der Wirtschaft ein riesengroßer Austausch. Da hat man dann zum Beispiel in der deutschen Brauwirtschaft irgendwann gesagt: Na ja! Warum sollen wir groß noch Getreide anbauen, das passiert ja in Russland viel billiger. Da hat man dann Flächen freigegeben wieder für andere Sachen. Und das war dann plötzlich mit dem Ersten Weltkrieg wirklich ein Drama.

Dominik Eichhorn: Ja, war’s weg.

Markus: Weil dann auf einmal die Grenzen eine Bedeutung hatten. Vorher waren die relativ egal, aber …

Dominik Eichhorn: Ja, da konntest du von Moskau bis Lissabon fahren, ohne kontrolliert zu werden.

Markus: Genau! Richtig! Und jetzt mit dem Ersten Weltkrieg war das auf einmal Feindesland und man hat zum Beispiel Russland auch ab dem ersten Tag die Getreidelieferungen natürlich eingestellt, nach Österreich und nach Deutschland, was dann die Brauereien vor ein Riesenproblem gestellt hat. Na ja, und so ging das dann mit den Auswirkungen des Krieges erst mal nach unten. Und dann kamen die Reparationszahlungen nach dem Krieg, und da hat man als Staat versucht, Deutschland, möglichst viel Geld über Biersteuern reinzuholen, weswegen dann die Brauereien wieder die Melkkühe waren. Dann kam die Inflationszeit, was dann auch wieder ein Drama für sehr, sehr viele war. Weil man nicht vergessen darf, eine Brauerei muss die ganze Rohstoffe einkaufen und dann dauert der Prozess, bis das Bier verkaufsfertig ist, Wochen oder Monate, und dann kann man da wieder Geld erlösen. Und wenn dazwischen natürlich das Geld Tausende von Prozent Inflation hat, dann ist das kein Gegenwert mehr. Du musst deine Mitarbeiter jeden Tag bezahlen, weil sie am nächsten Tag schon wieder mehr für ihr Brötchen bezahlen müssen. Also Riesenkatastrophe. Das ist dann fast nahtlos in die Nazizeit übergegangen, die dann so zweigleisig gefahren sind. Offiziell waren die voll gegen Bier und gegen Alkohol, aber inoffiziell haben sie sich natürlich in ihren Bierkellern getroffen und ihre Festchen gefeiert und so. Aber dann kamen die Zerstörungen im Krieg, dann waren die Brauereien erst mal wieder kaputt. Und nach dem Krieg hat man dann erst mal nur ganz leichte Biere brauen dürfen.

Dominik Eichhorn: Genau! Da war dann so die Dünnbierzeit (unv. #00:32:45.7#)

Markus: Und dann hat man halt sofort gefeiert, jetzt geht’s wieder richtig los.

Dominik Eichhorn: Das war dann die Märzenbier-Zeit bei uns gewesen.

Markus: Genau! Dann kamen eben, also bei uns war es Märzenbier, und im Ruhrgebiet war es halt Export. Das waren dann die Biere, die kräftigen Biere, die die Leute wieder haben wollten. Und da hat man halt diese ursprüngliche Kultur, die es eben davor genauso wie in Tschechien oder in England bei uns gegeben hat mit leichteren Bieren, die ist dabei völlig verlorengegangen. Und deswegen fangen sie bei uns halt eigentlich erst mit 5 % an, wo man in anderen Ländern eben eine durchaus bemerkenswerte Range hat, irgendwo zwischen 3,5 und 5, wo natürlich die Leute in den Kneipen oder so viel mehr trinken können und wo das auch während der Arbeit viel normaler war Biere zu trinken. Auch außerhalb von Bayern war das in Deutschland ja völlig verpönt, außer vielleicht im Bauwesen oder so. Aber da war das in anderen Ländern völlig gang und gäbe. Und insofern ist das schon auch in dieser Hinsicht ein Riesenunterschied. Aber ich rede schon wieder viel zu viel, der Holger …

Holger: Ich wollte gerade sagen: Mensch, Männer! Mensch, Männer!

Dominik Eichhorn: Wir schaffen die Biere nicht, ne, Holger?

Holger: Ja, ganz genau! Die Moderation ist ja Nötigung und jetzt muss ich euch einfach, aber Dominik, du hast einfach einen Knopf gedrückt. Also der Satz „Mensch, Markus, du weißt es ja viel besser und du bist ja Historiker“, das ist sozusagen der Hauptknopf beim Markus.

Markus: Ja, ja, ja!

Holger: (unv. #00:34:03.4#)

Dominik Eichhorn: (unv. #00:34:02.9#) ein Überraschungsthema, das ist doch okay. Ich schenke mir jetzt einfach das Kellerbier ein, Markus?

Markus: Ich bitte darum.

Dominik Eichhorn: Und dann machen wir weiter, wir lassen vielleicht eine Sorte weg dann und gehen dann gleich zum Bockbier über.

Markus: Nein, nein, nein! Nix da!

Holger: Also das auf gar keinen Fall!

Dominik Eichhorn: Nein, nein! Dann müssen wir aber schnell trinken.

Markus: Im 100. Podcast, also das Gute ist, ich zeichne auf meinem Computer auf und ich habe ungefähr 4 Terabyte Speicherkapazität.

Dominik Eichhorn: Okay, gut!

Markus: Wir können bis morgen früh weitermachen. Kein Problem!

Dominik Eichhorn: Kellerbier ist bei mir schon im Glas.

Markus: Moment!

Holger: Dominik, dann mach doch direkt weiter und beschreibe es direkt, also die einfach durch.

Dominik Eichhorn: Oh, nein, das beschreiben kann der Markus am besten, ich bin der Brauer. Wir haben jetzt das Kellerbier von der Farbe, es ist, wenn man es beschreiben muss, und ich sitze jetzt hier an einer Schreibtischlampe, es geht Richtung Bernstein, es hat einen schönen cremigen Schaum. Es perlt, wie es bei uns beim Kellerbier in Franken ist. Also das geht so Richtung ungespunden, also es perlt ganz leicht. Die Kohlensäure ist ganz leicht feinverteilt da drin und dann müssen wir einfach mal riechen und dann schmecken. Also macht ihr das auch mal und dann reden wir weiter. Gut, es hat eine schöne leichte Trübung, muss ich auch noch sagen. Also es ist unfiltriert, es ist nicht hefedick oder sowas irgendwie wie ein Hefeweizen, sondern es hat so eine ganz leichte schöne opale Note, finde ich.

Holger: Man kann es nur ergänzen, weil wunderbar beschrieben. Für mich ist es unglaublich gut ausbalanciert, wenn ich das so sagen darf. Also es ist unglaublich toll in der Balance. Ganz typisch dann auch oberfränkisches Kellerbier mit so einer schönen cremigen, wenig kohlensäurehaltigen Rezenz, würde der Sommelier sagen. Dann natürlich, also diese malzigen Aromen, alles ganz geschmeidig so auf der Zunge. Jetzt haben wir den Raupach noch nicht gehört, aber da bin ich fast sicher, dass er jetzt wieder in seinem Oberfranken-Himmel rumschwebt.

Markus: Ja, ich hüpfe gerade von Wolke zu Wolke sozusagen. Nein, also wirklich, natürlich, es ist wunderbar. Ich meine, so muss ein Kellerbier sein. Ich kann ja ganz ehrlich sein, wir zeichnen jetzt abends um sieben Uhr auf und ich habe jetzt heute schon um vier Uhr ein Bier-Tasting gehabt mit acht Gästen aus den USA. Da haben wir sieben Biere verkostet, und unter anderem eben auch so ein schönes Kellerbier. Da sind wir einfach draufgekommen, dass dieses Bier einfach der Grund ist, warum so viele Leute aus der Brauwelt nach Franken kommen. Weil die eine Sache umtreibt: Warum schaffen es hier die Brauer einfach von so einem Bier mehr als eins oder zwei zu verkaufen? Weil wenn die zu Hause ihr Double IPA brauen, dann kriegen die halt eins verkauft und danach wollen die Gäste was anderes haben. Das ist eben genau das Gegenteil hier. Also so ein fränkisches Kellerbier, das ist einfach was zum Reinlegen, zum gemütlich Trinken, so ein Best Buddy sozusagen. Und wenn ich es schaffe, sowas so hinzubekommen, so ausgewogen, so angenehm zu trinken, so weich, so rund, was sich so toll mit den typischen Speisen, die wir hier bei uns auch eben haben, verbindet, dann habe ich einfach nur gewonnen. Das ist eben was, was man nicht an der Uni lernt, sondern das hat was mit Tradition zu tun, mit einem Selbstverständnis, mit Erfahrung. Das ist einfach in der DNA unserer Brauereien hier drin und das müssen andere erst mal lernen beziehungsweise überhaupt die Idee, das Gefühl dazu bekommen, so ein Bier zu machen.

Holger: Ganz klar, Können kommt ja von Üben, nicht von Wissen, und das kann man hier schmecken. Aber jetzt muss ich wirklich sagen, okay, 100. Sendung, Oberfranken-Spezial, können wir auch sagen. Ich möchte hiermit offiziell anmelden, zur 200. Sendung machen wir auf jeden Fall ein absolutes Ruhrgebiets-Spezial. Da lade ich mir dann auch zwei Ruhrgebietler ein. Das ist ja unglaublich mit euch heute.

Dominik Eichhorn: Nein, also ich glaube, wenn wir jetzt nochmal zum Kellerbier kommen, Kellerbier wurde vor ein paar Jahren auch irgendwie Mode. Es hat sich blitzartig von Oberfranken, muss man sagen, auf ganz Deutschland verteilt beziehungsweise erst mal …

Holger: In die ganze Welt.

Dominik Eichhorn: … haben die Münchner angefangen, Kellerbiere zu machen und so weiter. Meiner Meinung nach sind die meisten Kellerbiere, die außerhalb von Oberfranken, oder muss man fast schon sagen, Landkreis Bamberg gebraut werden, sind in unsere Augen als fränkische Brauer oder Bamberger Brauer keine richtigen Kellerbiere. Für uns ist ein Kellerbier doch ein ungespundetes oder ein (unv. #00:38:55.9#)-gespundetes Bier, das heißt, mit sehr wenig Kohlensäure. Wohingegen die nachgemachten Kellerbiere, sage ich jetzt mal, einfach Zwickelbiere, unfiltrierte Biere sind. Das müssen keine schlechten Biere sein deswegen, aber es ist nicht das, was wir unter einem Kellerbier verstehen. Und die Kunst ist es, glaube ich, Biere zu machen, die eben wenig Kohlensäure haben, dadurch sehr angenehm, weich, samtig zu trinken sind, aber trotzdem nicht irgendwie fad oder abgestanden schmecken. Also das ist die Kunst, die hier die Brauer beherrschen, denke ich. Die machen Biere, die weniger Kohlensäure haben, aber trotzdem nicht irgendwie (unv. #00:39:36.6#)

Markus: Das fängt für mich mit dem Verständnis an. Weil auch da muss ich gerade wieder aktuell, wir waren mit unseren Biersommeliers jetzt gerade auf Exkursion in der Hallertau und haben uns dem ganzen Hopfen genähert und waren dann abends im Hotel. Und die hatten dann ein Bier von einer Ingolstädter Brauerei, und da stand Kellerbier drauf. Und gut, ist prinzipiell schon mal eine Herausforderung, aber gut, habe ich gesagt, schauen wir uns das Ganze mal an. Dann versucht man das zu trinken und das schmeckt eigentlich wie ein dunkles Hefeweizen. Da habe ich mich schon sehr gewundert und habe dann auf die Flasche draufgeschaut, und dann tatsächlich gesehen, dass eben zwar Gerstenmalz an erster Stelle, aber dann schon Weizenmalz. Und dann hat man auch wirklich gemerkt, da hat jemand wirklich einfach, sicher obergärig, denke ich mal, weil Weizenmalz drin war …

Dominik Eichhorn: (unv. #00:40:24.2#) Weizenmalz.

Markus: Aber da hat man richtig gemerkt, es fehlt einfach das Verständnis. Wenn ich nicht wirklich begreife, worum es beim Kellerbier eigentlich geht, dann mache ich halt irgend sowas. Das ist vielleicht auch nett und es schmeckt vielleicht auch irgendjemand, aber es wird niemals den Kern treffen, um den es eigentlich geht. Das ist, glaube ich, der Punkt, das kann man auch nur wissen, wenn man es mal vor Ort erlebt hat, wenn man verschiedene dieser Biere probiert hat. Und wenn man eben das, was sich um dieses Kellerbier rankt, nämlich die Bierkellerkultur, wenn man die dann auch mal kennengelernt hat, dann versteht man das Bier, glaube ich, und dann kann man sich auch mal dem nähern. Aber na ja, egal.

Dominik Eichhorn: Ja, wie du sagst, man muss einmal hierherkommen …

Holger: (unv. #00:41:01.6#) sage ich dazu nur. Meine Güte! Also was müssen die Leute jetzt von euch beiden denken?

Dominik Eichhorn: Ach, ja!

Markus: Ah ja! Also was kratzt die Eiche, wenn … nein, okay.

Dominik Eichhorn: Wir sind in der Überzahl, Holger, das ist einfach so.

Holger: Nein, nein, also ihr seid in der Überzahl und das Schlimme ist ja, ihr habt recht. Ihr habt recht. Aber Ingolstadt ist halt Oberbayern, und deren Bierstil von Haus aus ist eben kein Kellerbier. Und da muss man dann auch, das muss man ja auch verzeihen.

Markus: Nein, ist ja okay, aber sie brauchen nicht Kellerbier draufschreiben, wenn keins drin ist.

Holger: Du hast natürlich recht. Du hast vollkommen recht. Ich will dir auch gar nicht widersprechen, ich will nur darauf hinweisen, dass wir auch schon wieder zum nächsten Bier kommen könnten.

Dominik Eichhorn: Kommen könnten.

Markus: Könnten. Ja.

Holger: Wir können natürlich auch weiter noch beim Kellerbier verweilen und man kann auch noch ein bisschen sich abfeiern so. Also quasi …

Markus: Was ich noch ganz interessant finde, wäre vielleicht an dieser Stelle, weil wir grad beim Kellerbier sind und weil das ganz viel mit Tradition zu tun hat, Dominik, dass du vielleicht noch kurz ein kleines bisschen unseren Hörern erzählst, wie du überhaupt dazu gekommen bist? Weil wir haben jetzt die Geschichte der Brauerei ein bisschen gehört und dass du da jetzt drin bist und die dritte Generation bist, aber das ist doch sicher gar nicht so einfach. Wenn ich jetzt da reingeboren, geworfen werde und dann damit konfrontiert bin, da gibt’s irgend so einen Betrieb heimatlich, muss ich das machen, will ich das machen? Wie ist das gekommen, dass du jetzt am Ende (unv. #00:42:25.5#)

Dominik Eichhorn: Wie ich dazu gekommen bin, dann jetzt hier zu sitzen sozusagen, also in meiner …

Markus: Sozusagen!

Dominik Eichhorn: … Vita? Ja gut, ich muss dazusagen, die Brauerei, habe ich vorhin schon erwähnt, habe ich von meiner Mutter übernommen, nicht von meinem Vater, mein Vater war nie in dieser Brauerei tätig oder in keiner, noch nie in der Brauerei tätig. Und ich wurde aber auch nicht irgendwie gedrängt von meiner Mutter oder von meinen Eltern, da in den Betrieb zu gehen, sondern ich habe erst mal was anderes gemacht. Eine andere Ausbildung, sprich, nach dem Abitur und nach der Bundeswehr war ich in Erlangen und habe Verfahrenstechnik, Chemieingenieurwesen studiert und bin ein Diplom-Ingenieur, Diplom-Chemieingenieur. Und habe aber dann schon im Laufe des Studiums gemerkt, dass ich als Verfahrensingenieur, Chemieingenieur nie arbeiten werde, weil dann habe ich schon dazu tendiert, in die Brauerei zu gehen und habe dann deswegen noch eine Ausbildung gemacht als Brauer und Mälzer und habe dann sozusagen im zweiten Bildungsweg dann bei Doemens noch einen Braumeister gemacht. Und bevor ich in die elterliche oder mütterliche Brauerei gegangen bin, war ich dann noch in Japan, habe ein halbes Jahr eine kleine Gasthausbrauerei eingefahren und da gearbeitet als Braumeister. Dort auch meine Frau kennengelernt und dann seit Ende 1999, 2000 bin ich dann in die Brauerei gegangen zu Hause und habe die dann auch übernommen ein paar Jahre später. Das ist so mein Werdegang, also zweiter Bildungsweg-Brauer, und ich habe es aber nie bereut.

Markus: Ja eben, du bist auch ganz glücklich damit sozusagen.

Dominik Eichhorn: Ja klar, man ärgert sich natürlich jeden Tag, wenn man ein Geschäft hat, aber das ist wahrscheinlich wie in jedem Geschäft so. Aber bereut habe ich es noch nicht, nein. Gar nicht!

Markus: Da gibt’s natürlich viele Herausforderungen, zum Beispiel unsere Pandemie, aber vorher sollten wir vielleicht tatsächlich dem Holger jetzt Tribut zollen und ein Lieblingsbier von ihm öffnen, glaube ich. Welches Bier (unv. #00:44:46.1#)

Dominik Eichhorn: (unv. #00:44:46.4#) weiß ich nicht. Holger, kennst du es?

Holger: Ja, Schlössla, oder?

Dominik Eichhorn: Schlössla, ja, Schlössla kommt jetzt. Ja genau!

Markus: He-he, das ist ganz schnell auf beim Holger.

Dominik Eichhorn: Das ist so ein Name, der jetzt keine Sortenbezeichnung ist. Es ist von der Stammwürze …

Holger: Aber auch wieder typisch fränkisch, oder?

Dominik Eichhorn: Von der Stammwürze her ist es …

Holger: (unv. #00:45:05.4#)

Dominik Eichhorn: … ein Märzenbier. Schlössla deswegen, weil das kleine Wasserschloss, das eben von unserer, das zu dem Anwesen gehört hatte, zur Brauerei, und das auch der Brauerei den Namen gegeben hat. Eine alte Federzeichnung war das, eine kolorierte, ist da auf dem Etikett drauf. Und deswegen heißt das Bier Schlössla. Und Schlössla auch deswegen, weil in Reckendorf die Leute, wenn sie zu uns gekommen sind zu uns in die Brauerei oder ins Gasthaus, haben sie gesagt, wir gehen in dein Schlössla. Deswegen steht da Schlössla auf dem Etikett. Und jetzt schenken wir es mal ein. Und dann, wenn das ein Lieblingsbier von dir sein könnte, Holger, dann kannst du ja mal anfangen.

Holger: Nein, unbedingt! Es ist in der Tat so. Aber was ich auf jeden Fall vorwegschicken muss, bevor ich meine Beschreibung folgen lasse: Was ist es auf jeden Fall? Es ist natürlich schon der Name, also alles mit …la ist auch dann so ein bisschen fränkisch. Aber hier, das ist auf jeden Fall auch wiederum ein ganz typisches fränkisches Märzenbier. Man hat sofort die Karamellnote im Vordergrund in der Nase, die ist also so absolut richtig präsent. Es ist so ein, ja, wie soll ich sagen, also so ein helles kastanien-farbenes Bier mit einer unglaublich tollen Farbe. Das haben wir heute schon ein paar Mal gehört, aber es ist auch tatsächlich so, dass alle Biere so richtig tolle schöne Farben haben für ihre jeweilige Ausprägung. Jetzt trinke ich es mal. Ja, da rinnt halt die rotgoldene Farbe die Kehle runter und der samtige Körper und die tollen Karamellnoten lassen mich schon sagen, es ist schon ein Lieblingsbier. Also auf jeden Fall! Das ist auch dann wiederum so ein schönes Mundgefühl, was dann auch wiederum ganz typisch fränkisch ist, eben mit so einer ganz geringen Rezenz. Und der Hopfen, der ist so gar nicht da in meinen Augen, also ist wahrscheinlich da und ist irgendwo versteckt, aber so dieses Karamellige, Samtige, Malzige und dann natürlich auch noch mal mit 13,2 % Stammwürze, das rinnt die Kehle runter und schreit nach mehr. So würde ich es beschreiben. Prost!

Markus: Prost!

Dominik Eichhorn: Prost!

Markus: Das ist ein richtiges Sonntagsbier eigentlich. So der Franke würde sechs Tage lang Kellerbier trinken und am Sonntag gibt’s dann …

Dominik Eichhorn: Genau! Das wäre ein bisschen die Steigerung. Genau, gut ausgedrückt.

Holger: Nein, und da fallen mir dann auch sofort wieder so unendlich viele Speisen dazu ein, die dann richtig passen. Da stelle ich mir jetzt, also gut, jetzt wieder Ruhrgebiet und Sauerland und so, da ist üblich, dann am Sonntag eine Hochzeitssuppe zu kredenzen. Und das wäre zum Beispiel sowas. Da würde ich jetzt beginnen mit der Hochzeitssuppe und danach eben so einen schönen Braten, so einen Sonntagsbraten dazu. Und zum Abschluss vielleicht eine Crème Brûlée, und das Bier passt immer.

Markus: Oder man tut den Pfannkuchen gar nicht erst in die Suppe, sondern macht Kaiserschmarrn draus, das würde hier auch gut dazu passen.

Holger: Nein, nein, aber die Hochzeitssuppe hat gar keinen Pfannkuchen, Markus, sondern die Hochzeitssuppe, die hat einen Eierstich. Und den hoffentlich dann auch selbstgemacht.

Markus: Ja, wie bei den Bieren auch, schreiben die Franken halt gern auch Sachen drauf. Und bei uns kriegt man zum Beispiel Hochzeitssuppe, da ist dann meistens drin Pfannkuchen, ein Leberknödel und ein Grießknödel. Das heißt dann auch Hochzeitssuppe, zum Beispiel.

Dominik Eichhorn: Fränkische Hochzeit. Genau!

Markus: Na ja! Auf jeden Fall nahrhaft. Und eine schöne, also ich mag die auch ganz gern, wenn es die mal gibt. Aber da muss ich eben auch mal die Ruhrpott-Sache probieren. Mal gucken!

Holger: Aber ihr könnt mich auch gerne nochmal ergänzen, also habe ich was Wesentliches vergessen? Jetzt habe ich den Hopfen so versteckt, vielleicht tue ich dem Bier unrecht, keine Ahnung?

Dominik Eichhorn: Du tust dem Bier nicht unrecht, würde ich sagen. Wobei jetzt nicht so wenig Hopfen drin sind, wir sind da, wenn ich es richtig im Kopf habe, so bei 24 EBC sogar, schon 24, 25 sogar schon fast. Aber gut, jedes Prozent Stammwürze bettet den Hopfen weiter ein. Also in einem schwächeren Bier merkst du jedes EBC einfach sehr deutlich. Und bei 13,2 %, 13,3 % Stammwürze, dann ist der natürlich schon, versteckt, möchte ich nicht sagen, aber halt einfach schön eingebunden (unv. #00:50:15.8#).

Markus: Ich finde, eins könnte man noch ergänzen, dass viele Leute, wenn man sagt, das ist ein malzbetontes Bier, dann haben viele Leute eben im Kopf, das ist jetzt ein Dunkles und das hat Schokolade und hat Kaffeearomen oder sowas. Aber es gibt auch eine Malzbetonung ohne Röstaromen. Und das ist das, das möchte ich eigentlich haben, dieses Toffee, Karamell.

Dominik Eichhorn: Genau!

Markus: Da ist Vanille so ein bisschen, das sind einfache schöne Aromen.

Dominik Eichhorn: Da geht nichts in Richtung irgendwie Kaffee oder röstig oder sowas, gar nicht.

Markus: Aber auch so ein bisschen Honig. Und wenn es jetzt ein bisschen wärmer wird, ich habe jetzt noch so ein (unv. #00:50:54.9# Nachla?), würde der Franke sagen, im Glas. Das ist jetzt schon ein bisschen wärmer und dann kriegt das auch so ein bisschen Trockenbeeren-Aromen.

Holger: Was bitte, was? Ein Nachla?

Markus: Ja. Oder ein Nachherla würde man sogar richtig sagen. Weil wir ja alles nochmal verkleinern.

Dominik Eichhorn: (unv. #00:51:08.6#)

Markus: Genau! Den Restschluck sozusagen. Ein Kölner würde Kölsch dazu sagen, aber nein, okay, lassen wir das.

Holger: Also jetzt wird es langsam, also …

Markus: Nein, das war jetzt ein platter Witz, ich gebe es ja zu. Aber jedenfalls, aber dann kommen schon so ein bisschen auch so Rosinen, Trockenbeeren mit rüber, die fast so in Richtung Bockbier gehen. Das finde ich wirklich eine sehr, sehr schöne Aromatik. Also ein tolles Bier.

Holger: Nein, stimmt ganz genau. Jetzt, wo du es sagst, ist das auch ganz präsent bei mir im Nachtrunk. Das ist toll. Also ich sag ja, Lieblingsbier.

Dominik Eichhorn: Hervorragend!

Markus: Vielleicht noch eine Frage von mir ganz kurz. Du hast gesagt, du hast aus Japan deine Frau mitgebracht. Wie macht man das? Ich überlege jetzt gerade, ich habe schon ein …

Dominik Eichhorn: Mitgebracht habe ich sie, nein, nein. Ich bin alleine nach Hause gekommen und …

Holger: Da sind wir wieder beim Thema, Raupach und die Frauen. Alles klar!

Dominik Eichhorn: (unv. #00:52:03.9#)

Markus: Ich habe schon eine Menge Japanerinnen kennengelernt, aber über ein Bier hinaus ging das nie, wegen dieser Sprachbarriere. Und ich stelle mir das echt total schwer vor, und sie dann auch davon zu …

Holger: Vielleicht ist es auch nicht nur die Sprachbarriere. Weißt du, könnte ja sein.

Markus: Wer weiß.

Dominik Eichhorn: Man fängt normalerweise auf Englisch an, wenn man irgendwo sich außerhalb von Deutschland befindet, wo keiner deutschspricht …

Markus: Hm!

Dominik Eichhorn: … und du sprichst die Landessprache nicht, dann fängt man mit Englisch an. Wir sind zwei Jahre oder zweieinhalb Jahre hin und her geflogen und dann haben wir gedacht …

Holger: Oh! Dann ist dein CO2-Footprint dann ganz schlecht.

Dominik Eichhorn: Der war schlecht damals. Aber damals hatte man auch noch nicht so ein schlechtes Gewissen. Man durfte sogar noch im Flieger rauchen, als ich nach Japan geflogen bin das erste Mal. Also das ist schon lange her, wollte ich sagen damit. Und gut, irgendwann hat man sich dann halt entschlossen oder gesagt, gut, jetzt probieren wir es. Und dann ist meine Frau rübergekommen, oder damals meine Lebensgefährtin, und dann haben wir geheiratet. Dann kamen die Kinder. Und jetzt ist das schon 20 Jahre her, über 20 Jahre. Ja, so schnell geht das.

Markus: Wahnsinn! Aber das ist schon ein krasser Kulturunterschied, oder?

Dominik Eichhorn: Ja ist es schon, klar. Also logisch! Wobei man natürlich sagen muss, es ist vielleicht, es ist ein Riesenkultur-Unterschied, aber Japan ist ein modernes westliches Land irgendwie. Das macht es vielleicht dann doch ein bisschen einfacher. Demokratie, westlich ausgerichtet sozusagen, ein ganz modernes Land, also mit einer sehr spezifischen und speziellen Kultur, aber wenn man will, dann geht das.

Holger: Na ja, also ich hatte mal einen Kollegen, der Auslandskundendienst gemacht hat, und der hat immer gesagt: Wenn du auf einen anderen Planeten reisen möchtest, dann ist Japan die kürzeste Entfernung. Hat der immer gesagt.

Dominik Eichhorn: Ja, es ist einfach schon krass der Unterschied. Der Unterschied ist krass und auch der Unterschied in Japan selbst ist auch so krass. Das macht‘s auch interessant irgendwie. Also der Unterschied in Japan zwischen dieser knallharten Moderne und alles das Neueste technologisch und so weiter, und auf der anderen Seite, da gehst du um die Ecke in Tokio und dann hast du ein uraltes Japan, wo du wirklich diese Geschichte, diese Kultur, diese Tradition fühlst und spürst. Das gibt’s nur in, ja, also das habe ich bis jetzt nur in Japan erlebt diesen Gegensatz auch im Land selbst, dieser kulturelle. Aber die schaffen das irgendwie, immer wieder Brücken zu schlagen, das geht.

Markus: Ich meine, dass du mit deiner Frau da klargekommen bist, das ist irgendwie verständlich, da sorgen auch die Hormone so ein bisschen dafür. Aber wie ist das denn, ich überlege, da gibt’s dann immer eine Schwiegermutter, einen Schwiegervater, deine Mutter, das ist doch für die alle auch bestimmt nicht so einfach, oder?

Holger: Ha-ha-ha-ha!

Dominik Eichhorn: Ja, okay!

Holger: (unv. #00:55:24.1#)

Dominik Eichhorn: Sind wir jetzt noch beim Bier, oder? Nein, okay. Ja, natürlich irgendwie sind die schon skeptisch am Anfang. Auch meine Eltern waren jetzt schon ein bisschen skeptisch, glaube ich. Also was macht der jetzt, so ungefähr, der Sohn. Aber ich war schon Ende 20 fast, als das passiert ist, da konnten die und wollten auch nicht mehr reinreden. Genauso bei meiner Frau. Der Opa zum Beispiel damals von meiner Frau hat noch gelebt, wurde schließlich 100 sogar, also die Japaner werden alle alt. Der hat am Anfang auch sehr, sehr skeptisch reagiert. Und auch so ungefähr, wie kannst du jetzt schon nach Deutschland fliegen, du bist ja gar nicht verheiratet, so. Aber eigentlich auch die gleichen Reaktionen, Reflexe wie auch deutsche Eltern, Großeltern haben, würde ich mal sagen. Diese Reflexe sind in Japan nicht anders gewesen als bei uns. Wahrscheinlich sind die auf der ganzen Welt fast gleich, also dass jede Kultur natürlich oder in jeder Kultur Eltern versuchen, ihre Kinder zu schützen oder die bestmögliche Zukunft zu ermöglichen oder den Weg zu zeigen für eine gute Zukunft für ihre Kinder. Also diesen Drang haben alle Eltern, glaube ich, und Großeltern.

Holger: Ich versuch mal, den Bogen wieder zurück zum Thema zu schaffen. Was ist denn ihr Lieblingsbier?

Dominik Eichhorn: Unterschiedlich, aber am liebsten ein Kellerbier ganz frisch vom Fass, bayerisch gezapft.

Holger: Okay! Also das haben wir jetzt schon gehabt, was uns jetzt noch fehlt, ist der Bock.

Dominik Eichhorn: Ist der Bock. Der Bock ist ein Bock, der jetzt schon ein paar Monate auf dem Buckel hat, denn es ist der Frühjahrsbock, den wir brauen. Das ist ein heller Bock. Gambrinus, ganz klassisch genannt nach dem Patron der Brauer. Ob es den gegeben hat, weiß keiner. Wir haben das nämlich ein bisschen falsch getimt, weil die Woche, morgen, nein, Mittwoch, Donnerstag, füllen wir unseren Henrici Bock ab, den Ritterbock, und auch den Weizenbock. Der kommt aber erst übermorgen, wie gesagt. Deswegen habe ich jetzt noch einen Gambrinus euch mitgebracht. Das sind die letzten Flaschen, die es gibt.

Markus: Aber Dominik, ganz kurz, das ist Programm, weil unter uns, es hört ja jetzt keiner zu, der Weizenbock ist ein absolut sensationelles Bier und da möchte ich einfach keine Flasche irgendwohin verlieren, sondern die muss dableiben und das möchte ich gerne haben und für unsere (unv. #00:58:38.2#)

Dominik Eichhorn: Ja, das (unv. #00:58:37.8#) deine Mitarbeiterin einen wegreservieren musste.

Markus: Ja genau!

Dominik Eichhorn: Ob dann für dich einer übrigbleibt, weiß ich nicht, Markus.

Markus: Oh, oh!

Dominik Eichhorn: Nein, nein.

Markus: Nein, aber deswegen reden wir jetzt hier auch gar nicht über diesen fantastischen Weizenbock, sondern wir sprechen über den nicht minder guten Gambrinus.

Dominik Eichhorn: Wir sprechen über den Gambrinus. Es ist ein Frühjahrsbock, also ein heller Bock, der einfach im April auf den Markt kommt, sozusagen manche sagen Maibock, Frühjahrsbock. Einfach ein bisschen leichter zu trinken, keine Ahnung, Imperial „Helle Freude“ oder sowas. Mit natürlich schon bei über 16% Stammwürze. Da wird es dann schon auch ein bisschen esteriger und fruchtiger auch teilweise. Aber probiert mal oder ich weiß nicht, ob ihr schon im Vorfeld mal getestet habt, ob ihr das Bier kennt, weiß ich nicht.

Markus: Nein, also ich mache ihn jetzt grad zum ersten Mal auf, muss ich sagen. Wunderbar!

Holger: Ich habe schon getrunken.

Markus: Na ja, gut! Wenn man dir ein Bier schickt, ist es quasi auf. Wenn der Postbote da über die Schwelle geht, so wie bei den englischen Pubs, wo dann das Bier, wenn das angeliefert wird in Fässern, sobald es über die Schwelle ist, gehört’s dem Besitzer, so ist es bei dir wahrscheinlich dann mit dem Bier, da wird es sofort aufgemacht. Nein, aber ich kann ja mal kurz sagen, wie das bei mir so ausschaut. Ich glaube, so dieser Ausdruck Imperial „Helle Freude“ finde ich eigentlich ganz witzig, weil es wirklich auch von der Farbe her daran erinnert. Das ist wieder richtig klar, schön filtriert, perfekter weißer Schaum, der richtig dick, schön fest sitzt. Und drunter dann dieses Goldgelb mit einem wirklich schönen Schein. Also das geht fast in so ein Rotgold, aber eben nur ganz dezent, also sehr, sehr schöne Farbe auch wieder, die wirklich so richtig animiert und Lust macht. Und wenn man da reinriecht, dann merkt man einerseits diese schöne ausgewogene Hopfen- und Malznote, die man von der „Hellen Freude“ her kennt. Aber drüber liegt dann das, was man auch von einem Bockbier erwartet. Du hast ja grad schon gesagt, der ist ein bisschen jetzt schon älter und dann kommen natürlich auch diese Aromen, eben Trockenbeeren, Rosinen, (unv. #01:00:41.2#)

Dominik Eichhorn: Genau! (unv. #01:00:41.8#) diese fruchtigen Sachen.

Markus: Ja, das kommt richtig schön rüber und lädt einen richtig ein, auch eine richtig schöne Honignote ist jetzt auch ganz schön ausgeprägt. Und wo das vorher vielleicht noch so ein Blütenhonig war, ist es jetzt eher ein Waldhonig. Also der ist schon ein bisschen intensiver, ein bisschen kräftiger. Jetzt probieren wir das mal.

Dominik Eichhorn: Du formulierst treffend, sowas fällt mir nicht ein immer gleich. Das ist, der Vergleich war gut.

Markus: Danke schön! Auch hier wieder dieses schöne cremige wunderschöne Mundgefühl. Das finde ich auch wieder ganz, ganz toll, weil das nämlich auch erfrischend ist. Und damit eben auch einen der Alkohol nicht erschlägt. Also beim Bockbier auch immer so ein Thema: Mache ich dann praktisch schon zu oder schaffe ich es trotzdem so zu bleiben, dass die Leute dann gerne auch noch einen Schluck nehmen? Und das habe ich hier wirklich wunderbar gelöst. Es spielt dann auch dieses schöne Cremige eben mit dem Mund, dann kommen so Toffee-Noten, dann kommt ein bisschen Malz, Karamell, brotige Töne. Und hintenraus dann trotzdem so eine leichte Bittere, die dann wieder ein bisschen stärker wird und den Mund austrocknet. Das ist wirklich ein sehr, sehr angenehmes Bier. Hintenraus dann noch mal ein bisschen diese Trockenbeer-Noten. Und auch schön, wenn man das im Glas hat und das Glas so ein bisschen dreht, dann bildet das Bier so einen richtigen Film am Glas. Da sieht man eben, dass es ein bisschen kräftiger ist, ein bisschen stärker ist und richtig selbstbewusst darauf wartet, dass man da einen Schluck nimmt. Also wunderbar! Tolles Bier! Holger, das müsste dir auch schmecken, oder?

Holger: Unbedingt! Das ist total, absolut klasse. Ich habe jetzt im Nachtrunk so fruchtige Aromen. Also für mich kommt so ein bisschen Apfel durch und sogar fast ein Hauch von Kirsche. Ich weiß nicht.

Markus: Mhm (bejahend). Ja!

Dominik Eichhorn: Bittermandeln im Hintergrund.

Markus: Genau! So ein bisschen, ja genau, so Bittermandel. Genau! (unv. #01:02:33.7#)

Dominik Eichhorn: Ich möchte nur kurz dazwischengehen, ich habe das Bier jetzt seit Mai nicht mehr getrunken, glaube ich, oder seit Juni nicht mehr getrunken. Es ist interessant, es hat sich schon, nicht krass verändert, aber es ist ein bisschen erwachsener geworden, für mich. Ihr kennt das ja nicht frisch. Seid ihr noch da?

Markus: Ja, ja.

Holger: Ja, wir sind noch da. Ja, ja, wir sind, wir denken nach und …

Dominik Eichhorn: Ihr denkt nach und …

Holger: … und …

Dominik Eichhorn: (unv. #01:02:57.0#)

Holger: … voll mit Malz und süßlich und mild und Abgang und Frucht und so. Das muss man erst mal im Kopf sortieren. Deshalb dauert‘s einen Moment, dass wir überhaupt reagieren.

Markus: Aber ich finde diese Metapher sehr schön, zu sagen, dass so ein Bockbier quasi in so einem jugendlichen Tatendrang ausgeschenkt wird. Was auch perfekt passt zu diesem ganzen Bockbieranstich-Thema. Und wenn man es eben dann noch ein bisschen liegenlässt, dann wird es reifer und dann wird es auch ein bisschen weiser und dann wird es ein bisschen abgeklärter und …

Dominik Eichhorn: Genau! (unv. #01:03:29.2#)

Markus: … hat dann eben noch mal eine ganz andere Qualität. Sehr schön!

Dominik Eichhorn: Ich habe zuletzt vor ein paar Wochen habe ich mit einem Freund ein Henrici Bock aufgemacht von 2013 oder 201. War auch gut. Interessant!

Markus: Das kann ich mir vorstellen. Eins der ältesten Biere, die ich mal getrunken habe, war ein amerikanischer Barley Wine. Den habe ich 2014 in Amerika gekauft, und da war er von 1999. Und war an sich schon absolut genial, er hatte ein bisschen so diesen Effekt, du hast ihn aufgemacht und dann war er super. Wenn man dann aber noch so ein paar Minuten gewartet hat, dann hat er ein bisschen verloren, also dann haben einfach die Reaktionen zugeschlagen. Aber ich fand einerseits das Bier toll und andererseits fand ich aber auch toll, dass jemand 1999 schon auf die Idee gekommen ist, …

Dominik Eichhorn: Einen Barley Wine zu machen.

Markus: … einen Barley Wine zu machen, und dass es eine gute Idee ist, was davon aufzuheben. Das ist auch so ein Punkt. Und das im Zusammenspiel war echt toll. Und ich glaube, das ist auch wirklich noch ein Potenzial, was in Deutschland noch nicht viele Brauer entdeckt haben, dass man aus den klassischen Bockbieren, die man so hat, tolle Jahrgangsbiere machen kann, die dann auch wirklich gewinnen über eine längere Zeit und wo man dann auch wirklich damit spielen kann und quer verkosten kann.

Dominik Eichhorn: Man sollte das vielleicht einfach mal von der Hefe nehmen und dann nochmal in andere Tanks und dann einfach bei null Grad nochmal drei Jahre liegenlassen in kleinen Tanks oder so.

Markus: Ja.

Holger: Ich finde, da darf man auf jeden Fall die Schneider Brauerei lobend erwähnen, Thema Aventinus Vintage. Und dann natürlich mein großes Vorbild Hans-Peter Drexler, natürlich auch schon im BierTalk.

Dominik Eichhorn: Der Braumeister dort, ne?

Holger: Ja, ja, absolut! Das muss man an der Stelle lobend erwähnen. Also die machen das.

Dominik Eichhorn: Nein, die waren schon eine der ersten in Deutschland, die da interessante Sachen gebracht haben. Ich weiß noch, ich kann mich erinnern, vor zehn Jahren oder noch länger, als ich die Hopfenweisse das erste Mal getrunken habe, das war ein ganz neues Geschmackserlebnis. Ich war da unten in der Gegend und bin dann bestimmt fünf oder zehn Getränkemärkte abgefahren, um eine Kiste Hopfenweisse zu bekommen, weil fast jeder Getränkemarktleiter gesagt hat: Den Schmarrn haben wir nicht, das wollen wir nicht. Die Leute kaufen das nicht. Das war so ungefähr die Aussage in den Getränkemärkten. Also es war da einfach in der Gegend auch nicht anerkannt.

Holger: Absolut! Also für die Hörer, es ist TAP5, also die Hopfenweisse ist TAP5. Und das muss man einfach betonen, das ist ja auch mutig, solche …

Dominik Eichhorn: Genau! Das wollte ich sagen, die haben das trotzdem gemacht und trotzdem durchgezogen.

Holger: So ist es! Allerdings war das Bier zuerst in den USA nur verfügbar und ist dann erst zu uns gekommen. Und ich weiß, es gab …

Dominik Eichhorn: Weil es doch so eine Zusammenarbeit mit der Brooklyn, oder?

Holger: Ja, mit dem Garrett Oliver. Ja. Absolut! Mit der Brooklyn Brewery. Genau! Aber auch, weißt du, also ich meine auch dann die TAPX, also dann Aventinus Barrique, da haben auch die Leute angerufen und haben gesagt, hey, das ist schlecht das Bier. Na ja, aber das nur am Rande erwähnt. Also, dass das eben schon auch hier Einzug erhält. Und wir haben das auch, glaube ich, im BierTalk immer wieder auch schon angesprochen, dass eben bestimmte lagerfähig sind, großes Potenzial haben und auch beim Altern durchaus noch besser werden. Also das Urbeispiel, um jetzt euch beiden wieder zu huldigen und wieder zurück nach Oberfranken zu gehen, und einen Bierstil haben wir noch nicht erwähnt, das ist ja das Rauchbier. Und da gibt’s dann halt die Schlenkerla Eiche, die der Markus wahrscheinlich in allen Jahrgängen, die es je gegeben hat, irgendwo in seinem Keller hat und die dann durch verkostet und nur dafür eine Verkostungskladde führt. Also das muss man halt auch sagen. Oder, Markus?

Markus: Absolut! Und ich muss eben, um diese patriotische Vollständigkeit auch ein bisschen noch zu haben, sie waren tatsächlich die ersten. Also Schlenkerla war die erste deutsche Brauerei, die wirklich so ein Jahrgangsbier gemacht hatten, noch vor Schneider. Also das war 2010 und der hat 2012 das erste gemacht in diese Richtung. Das ist schon erstaunlich. Und war ja damals auch wirklich eben insgesamt ein Umdenken in der Brauerlandschaft hier. Vorher war es ja so, dass ein Alterungsgeschmack grundsätzlich als Bierfehler gegolten hat und man alles getan hat, um sowas irgendwie zu vermeiden. Genauso wie mit der Hopfenweissen, wo man gesagt hat, ein Hopfen, ein Weißbier ist im Grunde ein Fehler. Das macht man einfach nicht. Das gehört da nicht rein. Und dann ganz bewusst zu sagen, wir verabschieden uns mal davon und schauen mal, wie ist es mit der Aromatik, wie ist es mit der Harmonie, mit all den kreativen Möglichkeiten, die wir haben innerhalb der Rohstoffe, die eben bei uns möglich sind? Das sind eigentlich so …

Holger: Also ich meine, das war so ein bisschen, also die Hopfenweisse ist ein klassischer Collaboration Brew. Und ich stelle mir das so vor, dass der Hans-Peter Drexler und der Garrett Oliver sich getroffen haben und haben einfach gegenseitig sich gefragt: Hey! Was ist das Geilste? Und dann hat natürlich der Hans-Peter Drexler gesagt: Na ja, also das Geilste ist natürlich ein Doppelbock-Weizen. Und der Garrett Oliver hat dann gesagt: Ja, das Geilste ist ein IPA. Und dann haben sie es halt einfach zusammengeschmissen und daraus ist dann die Hopfenweisse entstanden. So stelle ich mir das vor.

Markus: Ich denke, auch. Ja. Aber zurück zum Gambrinus. also wirklich ein ganz, ganz toller heller Bock. Das ist auch sowas, ein Bierstil, der wirklich sehr im Off oft steht. Weil die meisten Leute unter Bockbier eher so die dunklen Bock- und Doppelböcke verstehen, auch in der Tradition von Salvator. Und zugegebener Weise natürlich jetzt ein heller Bock oder Doppelbock auch aromatisch jetzt eben nicht so an die Wand spielt wie so ein dunkler, aber dafür lässt er eben auch Raum. Und das ist schön, weil das ist ein Raum, den man dann in der Gastronomie füllen kann oder den man dann eben auch nutzen kann, um halt nicht nur eins zu trinken. Da muss ich wirklich sagen, ist das echt ein tolles Bier. Also macht echt Spaß!

Dominik Eichhorn: (unv. #01:10:02.1#)

Holger: Jetzt haben wir so viele Hinkelsteine in den oberbayerischen Garten geworfen. Wir haben keine Biere mehr, also wir haben sie alle durch verkostet. Haben natürlich gnadenlos überzogen, aber so ist es. So ist es. Absolut, so ist es. Vielleicht hat der Moderator an der Stelle nicht gut funktioniert, aber ich konnte euch einfach nicht mehr stoppen.

Dominik Eichhorn: Du hast nicht gebremst.

Holger: Ja.

Markus: Wir fangen einfach nochmal von vorne an.

Holger: Auf jeden Fall verzeiht uns das Überziehen. Ich bin schon der Meinung es war ein würdiger 100. BierTalk. Das muss ich schon sagen. Was meinst du, Markus?

Dominik Eichhorn: Ich verspreche euch jetzt, ich fange jetzt mit der Folge 1 an. Ist sie noch online?

Markus: Natürlich!

Holger: Klaro! Überall verfügbar.

Dominik Eichhorn: Und werde sie nacheinander im Auto hören, wenn ich unterwegs bin. Da bin ich sowieso auf der Suche nach Abwechslung, weil Bayern 5 kannst du irgendwie nicht fünf Stunden, mal eine Viertelstunde hören, dann weißt du nicht mehr, was (unv. #01:11:03.5#)

Holger: Außerdem heißt Bayern 5 BR…

Dominik Eichhorn: BR24, Entschuldigung!

Holger: Nein, aber das ist ja, ich meine, Rauchbier gibt’s in Oberfranken nur, weil ihr schon die ganze Zeit so rückständig seid.

Dominik Eichhorn: Genau! Weil wir es nicht geschafft haben, einen anständigen (unv. #01:11:17.0#) zu bauen und einfach nur Holzscheite irgendwo reingeschmissen haben.

Holger: Genau! Genau!

Dominik Eichhorn: Das ist aber manchmal so. Dass die Rückständigkeit auch was Positives hat.

Markus: Dafür möchte ich auch nur sagen, dass wir auch vor 120 Jahren in unseren Brauereien alle Elektroautos gefahren sind. Also manchmal ist Rückständigkeit ja auch Fortschritt.

Dominik Eichhorn: Ja, gut gesprochen, Markus.

Holger: Nein, also unglaublich gut gesprochen. Zum Glück gehört ihr seit 1806 zu Bayern.

Dominik Eichhorn: Oh, das war (unv. #01:11:47.3#)

Markus: Zum Glück für die Bayern. Ha-ha-ha!

Holger: Ihr könnt jetzt nichts mehr vorwerfen, der Moderator glaube ich, hat alles getan, um doch noch einigermaßen zum Schluss zu kommen. Aber die Protagonisten aus Oberfranken verhindern es einfach.

Markus: Du musst einfach einen schönen Schlusspunkt machen.

Holger: Ja, also ich habe es ja mehrmals schon versucht. Versuch, du es doch mal.

Markus: Na gut, das ist ja ganz einfach. Dann sage ich vielen Dank an euch beide für diesen wunderschönen BierTalk. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Die Biere sind tatsächlich fast alle ausgetrunken, passiert mir relativ selten. Aber das wird heute noch ein schöner Restabend. Und danke, es war toll, hat mir sehr viel Spaß gemacht und wir haben, glaube ich, den 100. echt vernünftig gefeiert.

Holger: Jawoll!

Dominik Eichhorn: (unv. #01:12:29.5#) den Hörern.

Markus: Tschüss da draußen und probiert gerne auch mal unsere feinen Reckendorfer Biere. Ciao!

Holger: Bis die Tage! Ciao!

Dominik Eichhorn: (unv. #01:12:36.7#). Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 70 – Interview mit Erik Schnickers, Gründer von Bier-Deluxe, aus Xanten

Erik Schnickers erfüllte sich mit der Gründung des Online Biershops Bier-Deluxe einen Studientraum und entwickelte sich seitdem kontinuierlich weiter. Mittlerweile ist der sympathische Niederrheiner auch als Hobbybrauer und Biersommelier am Werkeln. Dabei begeistert er nicht nur seine besten Freunde vom Bier, sondern auch täglich neue Bier-Einsteiger, die er in neue Geschmacks- und Genusswelten entführt. Im BierTalk erzählt er von der Gründung von Bier-Deluxe und seinen Erfahrungen, unter anderem als Teilnehmer an einem Online Biersommelierkurs…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute reisen wir mal wieder in den Westen, in den Westen Deutschlands, zu einem Mann wie ein Schokoriegel, könnte man auch sagen. Was das genau bedeutet, werden wir gleich noch hören. Also wir gehen zu Erik Schnickers, der auch vieles schon in der BierWelt getan hat und tut. Er kommt aus Xanten. Erik erstmal danke, dass du da bist. Vielleicht stellst du dich ganz kurz den Hörern mal selber vor.

Erik Schnickers: Ich bin Erik Schnickers, wie du gerade schon gesagt hast, wie der Schokoriegel nur mit „S c h“ aus Xanten, 38 Jahre alt. Und bewege mich nunmehr seit 2012 in der BierWelt, habe da immer irgendwie den Anschluss noch gehabt, aber war da noch nicht so tief drin wie jetzt. Und ich glaube, wir kennen uns mittlerweile seit 2015, wenn ich das richtig in Erinnerung habe?

Markus: Auf jeden Fall! Aber vielleicht vorher noch ein kleines Geheimnis lüften. Vielleicht kann der eine oder die andere gar nichts mit Xanten anfangen. Also für alle, die irgendwann mal Latein in der Schule hatten, klingt der Name natürlich ganz besonders. Aber wenn du vielleicht ein bisschen was sagen könntest: Wo ist das? Was kann man damit verbinden, was erlebt man, wenn man da groß wird?

Erik Schnickers: Xanten ist kurz vor der holländischen Grenze hier am Niederrhein. Xanten ist eine alte Römerstadt, wir sind das zweitgrößte Freilichtmuseum nach Berlin, wenn ich das richtig habe. Also eine historische Stadt mit sehr viel Römerpark, der Archäologische Park Xanten ist hier, vielen Sehenswürdigkeiten. Ich glaube, der Archäologische Park macht mittlerweile ein Viertel der ganzen Stadt aus. Wie ich immer sage, leben, wo andere Urlaub machen. Es lohnt sich, hier hinzukommen.

Markus: Tja, das klingt auf jeden Fall spannend. Wenngleich die Römer selber gar nicht unbedingt so die Bierfans waren, also haben sie wahrscheinlich eher Wein hinterlassen. Wie ist das so, bist du eher groß geworden mit Wein oder auch schon mit Bier?

Erik Schnickers: Nein, tatsächlich mit Bier absolut. Und hier aus der Region damals noch Diebels-Trinker, also Alt-Trinker. Damit sind wir alle groß geworden, so meine Generation. Das hat sich aber leider stark gewandelt.

Markus: Ja, hat sich stark gewandelt. Insgesamt natürlich auch die Bierwelt. Da greifen wir vielleicht schon mal ein bisschen vor. Du hast dann unter anderem Bier-Deluxe gegründet. Wie ist das, wie kommt man auf die Idee zu einer Zeit, wo das Ganze wirklich der Anfang eines möglichen Hypes vielleicht war, sich da so weit aus dem Fenster zu lehnen? Also wie entwickelt sich das, wie kommt man auf die Idee und was ist da so passiert?

Erik Schnickers: Das ist tatsächlich eine sehr interessante Geschichte und eigentlich hat der erste Gedanke schon 2006 angefangen. Ich habe Automobilwirtschaft studiert und habe mit einem Freund von mir an der Theke gesessen, ich habe damals immer eigentlich Weizenbier getrunken. Dann haben wir an der Theke gesessen und haben gesagt, wir müssten irgendwas anderes machen als Autos, irgendwas zusätzlich. Und dieser Gedanke hat uns während des Studiums immer weiter verfolgt. Der Guido ist dann noch nach Nizza und nach Miami gezogen. Wir haben uns trotzdem nicht aus den Augen verloren, haben immer wieder uns ausgetauscht. Und eigentlich ging’s immer, wenn wir da saßen, immer um das Thema, wir müssen irgendwas anderes machen außer Autos. Dann ist der Guido 2012 mit seinem Studium dann auch endlich mal fertig gewesen, kam nach Hause und hat im Prinzip gesagt „Jetzt weiß ich, was wir machen“ und hat mir dann direkt einen Link geschickt von ZDF Zoom, der hieß „Hopfen und Malz verloren“. Damals war eigentlich die Kernaussage, dass wir Deutschen zwar das Bierland Nummer 1 sind und auch sehr gute Biere machen, aber definitiv nicht kreativ sind in unserer Vielfalt. Dann habe ich mir das angeschaut und habe gesagt „Das ist die Idee“. Na ja, man hätte schon früher drauf kommen können. Wenn man die ganze Zeit beim Bier bespricht, dass man was anderes außer Autos machen soll, dann hätte das auch so naheliegen können. So war der Grundstein für Bier-Deluxe gelegt. Und dann ging‘s eigentlich auch sehr schnell. Im Mai hat mir der Guido diesen Link geschickt, im Juli war die Firma gegründet und am 18.10.2012 waren wir online mit 40 Bieren, glaube ich, damals.

Markus: Was damals schon eine ganz schöne Auswahl war. Vielleicht noch ganz kurz, der Guido war ein Studienfreund von dir oder ein Schulfreund, oder?

Erik Schnickers: Genau, Studienfreund. Wir haben beide Automobilwirtschaft studiert. Er kam halt aus der Nähe von Berlin und ich dann hier aus dem anderen Ende der Welt. Ja, da haben wir uns kennengelernt und sind da halt in Kontakt getreten.

Markus: Die Idee, das gleich online zu machen, war auch klar, oder hattet ihr vielleicht auch überlegt, eine Brauerei zu machen oder einen Laden oder irgendwie sowas?

Erik Schnickers: Tatsächlich war der Gedanke gar nicht da, dass wir irgendwie einen Laden oder sonst was machen. Dieses Thema Laden kam natürlich im Nachgang immer wieder mal auf, aber eigentlich war klar, wir machen was online. Irgendwie war die Zeit dafür da, der Guido war technisch auch immer sehr aufgeschlossen und war da auch gut unterwegs und hatte da auch seine Stärke. Von daher hat sich nie die Frage gestellt, ob wir ein Ladenlokal machen und schon gar keine Brauerei. Denn mittlerweile braue ich zwar ein bisschen nebenbei, aber damals war ich ganz weit weg von einem Brauer. Und ich würde auch immer noch nicht sagen, dass ich mich Brauer schimpfe, sondern ich braue hobbymäßig.

Markus: Tja! Apropos, also spätestens jetzt würde der Holger Durst bekommen. Der ist leider aktuell noch im Urlaub, deswegen sind wir zu zweit. Aber wir können trotzdem ein Holger-Gedächtnis-Bierchen aufmachen. Ich habe mir natürlich was ausgesucht und du hast dir bestimmt auch was ausgesucht. Vielleicht magst du mal anfangen, also sagen, was du dir für ein Bier ausgesucht hast, und das gerne auch schon mal aufmachen und mit uns verkosten.

Erik Schnickers: Sehr gerne! Also ein Holger-Gedächtnis-Bier trinke ich selbstverständlich gerne. Schade, dass er nicht mit dabei ist. Ich glaube, es ist ein wirklich schönes Bier, und zwar das Sierra Nevada Pale Ale.

Markus: Ein schönes und ein ikonisches Bier, würde man sagen, wenn man das direkt übersetzt.

Erik Schnickers: Ja, definitiv! Als du mir gesagt hast, bring dir doch ruhig ein Bier mit, eins, womit du was verbindest, da war der Blick eigentlich durch den Kühlschrank – ich meine, es sind genug Biere da -, aber relativ schnell beim Sierra Nevada. Aber letzten Endes ist dieses Pale Ale für mich der Inbegriff von Craftbier, so kann man schon fast sagen. Also war eins der ersten Biere, die ich probiert habe. Und es ist halt immer noch in meinem Kühlschrank. Also nicht das erste natürlich, sondern mittlerweile Charge x hoch n, so würde ich mal fast sagen.

Markus: Okay! Aber nichtsdestotrotz sind wir jetzt mal gespannt, was du dazu sagst, wie du es beschreibst. Lass uns mal ein bisschen teilhaben.

Erik Schnickers: Erstmal macht’s schon Spaß die Dose zu öffnen. Und diese orangene Farbe, fast Kupfer, finde ich super. Der Schaum ist wie immer toll. Ich habe extra dieses Pale Ale Glas, weil das Sierra Nevada schmeckt mir da extrem gut draus. Ist dafür einfach wie gemacht und da schießt dir direkt der Hopfen in die Nase, ohne aber direkt den Fruchtkorb, wie man so schön sagt, bei den ganzen Napas, da zu öffnen, sondern das ist ein Pale Ale, was zwar hopfig riecht, aber nicht so extrem fruchtig. Das finde ich sehr schön. Und man merkt so, ich würde das immer beschreiben, die Mischung aus dem englischen, also der Basis quasi, und dem amerikanischen Pale Ale. Das finde ich gut getroffen. Also das hat eine leichte Fruchtigkeit, aber ohne übers Ziel hinauszuschießen. Ansonsten würde ich jetzt erstmal sagen „Cheers!“.

Markus: Ja, absolut! Prost! Schauen wir mal, was du dann im Mund von diesem Pale Ale hast. Aber ich sage auch immer, das ist auch ein schönes Bier, was man quasi jeden Tag trinken kann, von dem man auch mal zwei oder drei trinken kann. Das überfordert einen nicht, aber es ist eben interessant und spannend und hat immer wieder neue Facetten. Also jedes Mal, wenn ich das trinke, entdecke ich wieder irgendwas, was ich vorher nicht so hatte. Und das finde ich auch sehr, sehr schön an diesem Bier.

Erik Schnickers: Absolut! Kann ich nur wiedergeben. Und auch der Geschmack, es ist einfach immer wieder ein Fest. Du hast wirklich so eine Knackigkeit, eine schöne Bittere. Und auch der Hopfen, der spiegelt sich da sehr gut wider. Aber ohne, wie du es gerade gesagt hast, zu überfordern. Es ist einfach ein rundes Bier. Es gibt eigentlich beim Bier keine wirklichen Allrounder, aber es ist schon fast ein Allrounder, weil du einfach tatsächlich den als Durstlöscher nehmen kannst, aber auch zum Genießen. Es ist wirklich einfach ein schönes Bier, anders kann ich es nicht sagen.

Markus: Wunderbar! Dann wünsche ich dir mal viel, viel Spaß mit deinem Bier und stell dir vielleicht noch eine Frage, bevor ich dann meins auch aufmache. Dann können wir mal virtuell anstoßen. Aber ich habe vorhin, als du so geschildert hast, so Craftbier und du und deine Erlebnisse und du kommst da so rein, da ist mir ins Gedächtnis gerutscht, ihr habt mal einen Werbespot von Bier-Deluxe gemacht. Und das war damals wirklich auch eine Sensation eigentlich, denn ihr habt Leute gezeigt, also mehr oder weniger ganz normale Menschen, die waren nackt, also man hat sie natürlich nur Oberkörper gesehen, und die haben dann jeweils verschiedene Craftbierer probiert. Und es ging darum, wie die reagieren, also den Gesichtsausdruck zu sehen, wie sie überrascht sind, wie sie vielleicht die Mundwinkel zusammenziehen, was da eben so passiert, wenn man neue Aromen, neue Geschmäcker und sowas erlebt. Konntest du das irgendwie nachvollziehen? War das bei dir persönlich vielleicht auch so? Oder wie seid ihr überhaupt auf diese Idee gekommen sowas zu machen?

Erik Schnickers: Als ich die Idee von dem Clip gehört habe, fand ich die total super. Schade, dass ihr mich gerade nicht durchgehend habt schmunzeln sehen können. Ich finde den immer noch mega. Und das beschreibt das Ganze sehr gut. Letzten Endes sind wahrscheinlich die Hörer vom Podcast alle tief in der Craftbier-Szene drin, aber wir dürfen nicht vergessen, dass draußen so viele Menschen noch unterwegs sind, die schon, ich sag mal, in manchen Teilen Deutschlands ein Kellerbier als Craftbier bezeichnen. Also eigentlich für andere Teile Deutschlands ein ganz normales Standardbier. Wenn man die an so ein Pale Ale, auch ein Sauerbier oder ich weiß nicht was ran setzt, oder noch viel schlimmer, dann quasi ein IPA oder ein Napa, wie man heute so schön sagt, und deren Reaktionen sieht, dann spiegelt das das immer noch wider. Man hat ab und zu Begeisterung, man hat Leute, die sich schütteln. Und deswegen, der ist immer noch, auch wenn er schon wirklich alt ist, topaktuell. Ja klar, auf jeden Fall. Ich finde, was der Clip auch ausstrahlt, dieses Oberkörperfreie, ich find‘s einfach immer noch mega. Das ist einfach so beschreibend. Und ein Freund von mir, der behauptet immer noch, ich hätte auch einen Part in diesem Video, und zwar der etwas kräftigere Mann mit dem Bart. Aber ich bin es nicht, nein.

Markus: Aber du könntest es sein. Ich meine, der schüttet sich am Ende das Bier sogar über seinen Kopf. Muss man auch sagen, das ist eine sehr spannende Geschichte. Aber vielleicht an der Stelle mal kurz, das war dann wirklich eine bundesweite Fernsehwerbung. Das finde ich jetzt auch eigentlich eine ganz schön krasse Sache, wenn man überlegt, ihr sitzt da zusammen, überlegt euch, wir gründen mal eine Firma. Dann gründet ihr eine Firma innerhalb von ein paar Monaten und dann auf einmal seid ihr bundesweit im Fernsehen. Wie ist das denn gelaufen? Kann man das einfach so machen oder wie kommt man auf so eine Idee?

Erik Schnickers: Kann man das einfach so machen? Ja und Nein. Natürlich könnte man das einfach so machen, aber das hat natürlich auch a) alles mit Geld zu tun. Da erzähle ich gerade, glaube ich, keine Geheimnisse. Der Anstoß kam von einem unserer Gesellschaft, dem Aaron, der ein sehr, sehr guter Freund von mir war und ansonsten auch das eine oder andere Online-Unternehmen hat. Und der hatte da schon Erfahrungen mit und dann hatten wir die Chance, das zu machen, was über ihn kam. Und dann haben wir gesagt „Die Chance müssen wir nutzen“. So sind wir dann quasi zu dieser Fernsehwerbung gekommen. Am Anfang hatten wir so ein paar andere Clips, die zwar auch nicht schlecht waren, aber man merkte so richtig, zu der Zeit war der Craftbier-Markt noch gar nicht so richtig beschrieben. Dadurch waren die Videos auch schwierig zu drehen, weil du wusstest in der Zeit gar nicht, wen du ansprechen musst. Wir haben welche, die waren auf Fußball ausgelegt, wir haben welche, die waren auf einen gemütlichen Abend, einen Dinner-Abend zwischen Mann und Frau ausgelegt. Und so ganz verschiedene Richtungen, auf Frauen ausgelegt, die sicherlich auch ein absolut wichtiger Markt sind. Also nicht nur ein Markt, sondern einfach ein wichtiges Publikum. Dieser Clip mit den oberkörperfreien Menschen, der hat es einfach auf den Punkt gebracht. Der war nun auch, ich glaube, ein Jahr später, ein oder zwei Jahre später, nachdem wir die anderen Clips alle hatten. Ja, der ist natürlich auch super angekommen. Kommt auch heute noch gut an.

Markus: Wir werden den auch in den Shownotes verlinken. Jetzt habe ich wirklich richtig Durst bekommen, muss ich sagen. Gerade wenn du über Frauen redest, macht der Holger natürlich auch immer gerne, deswegen also auch von mir ein Holger-Gedächtnis-Bier. Ich mach‘s mal auf.

Erik Schnickers: Ist auf jeden Fall eine Dose.

Markus: Auf jeden Fall auch eine Dose. Ja.

Erik Schnickers: Das hört sich ja fernsehreif an.

Markus: Mittlerweile hat man ja Übung. Wir haben fast die 100. Folge BierTalk. Die Leute fragen immer, ob wir da irgendwelche Sounds reinschneiden oder sonst was. Nein, das ist alles wirklich authentisch. Man bemüht sich halt, da dann irgendwie auch akustisch rüberzukommen. Mal kurz zu dem Bier, vielleicht beschreibe ich es erst und sage dann, was ich da habe. Also im Glas habe ich eine richtig schöne ockerbraune Farbe. Es ist relativ trüb, es scheint so ein bisschen durch. Heute scheint auch die Sonne, und die kommt jetzt gerade hier noch so ein bisschen durch mein Fenster und kommt eben genau in das Glas. Dann schaut das ein bisschen so aus, als würde da die Sonne untergehen. Wunderbar! Obendrauf steht ein schöner, richtig fester weißer Schaum. Jetzt rieche ich da mal rein. Wir haben ganz viele fruchtige Noten, also wesentlich mehr sicherlich als bei dem Sierra Nevada Pale Ale. Da sind ganz viele so Papaya, Mango, Ananas, Litschi, also ziemlich viele verschiedene tropische Früchte. Ich probiere das mal. Ja, es geht los, man hat erstmal diesen fruchtigen Eindruck, dann kommt so ein bisschen brotig, karamellig, und das geht dann über in eine ziemlich intensive Bittere, die sehr, sehr lange anhält, aber nicht überbordend ist, also ganz angenehm ist. Also ein schönes Bier. Es handelt sich um ein IPA, und der Name heißt GranIPA. Das spielt so ein bisschen mit dem Namen der Brauerei. Die Brauerei ist nämlich Granizo, die kommt aus Chile. Da war ich vor zwei, drei Jahren mal bei einem Bierwettbewerb und habe dort unter anderem eben auch Biere bewertet. Wir sind ein bisschen rumgefahren, haben dann auch diese Brauerei besucht. Und ich habe sie damals kennengelernt wirklich als Spezialisten für holzfassgereifte Biere, für Sauerbiere. Also die machen ganz viele Biere eben in vorbelegten Fässern. Es gibt ja viel Wein auch in Chile zum Beispiel und Spirituosen. Und sie haben auch ein spannendes Projekt, wo sie mit dem Chicha Bier, das ist dieses einheimische Urbier dort, experimentieren. So waren die mir im Gedächtnis geblieben. Und vor ein paar Tagen hatte ich Besuch von Freunden aus Chile, die mir Biere mitgebracht haben. Da war jetzt eben unter anderem auch ein IPA von denen dabei. Und das hat mich jetzt wirklich sehr interessiert, wie eben Jungs, die eigentlich in einer völlig anderen Ecke unterwegs sind, nämlich bei sehr, sehr starken, sauren und Barrel Aged Bieren, was die machen, wenn man jetzt sagt „Macht doch mal ein IPA“. Das haben sie wirklich gut hinbekommen, also sehr extrem in der Aromatik, aber gut noch trinkbar. Es hat immerhin 7,5 % Alkohol, also da haben sie schon auch zugegriffen, sage ich mal. Aber wirklich eine sehr, sehr schöne angenehme Geschichte, sehr würdig für unseren BierTalk. Und ich sag doch einfach mal „Prost!“.

Erik Schnickers: Prost! Hört sich auf jeden Fall so an, als müsste man das trinken.

Markus: Oh ja! Auf jeden Fall! Wenn man es denn bekommt. Das ist auch nicht so einfach. Da sind wir vielleicht nochmal zurück bei eurem Shop. Also du hast gesagt, ihr habt mit 40 Biersorten angefangen. Das reicht wahrscheinlich nicht. Wenn man dann bundesweit in die Werbung geht, da bestellen dann doch vielleicht drei oder vier Leute und die wollen vielleicht auch mehr als 40 Biere haben. Gab‘s denn da nicht Herausforderungen, wo ihr am Anfang gar nicht damit gerechnet habt, was dann so auf euch zugekommen ist und wie löst man das dann?

Erik Schnickers: Es gab wirklich tausende von Herausforderungen, von anstrengenden bis schönen Geschichten. Als erstes ist natürlich die Frage, wie kriegst du es innerhalb von Deutschland überhaupt in dein Lager, was letzten Endes quasi, ich glaub, die Scheune von Guidos Oma war am Anfang. Und wie kriegst du es dahin? Der Logistiker fragte „Wo ist denn die Rampe, wo wir ranfahren können?“. Die ist natürlich nicht da, die hatten wir natürlich nicht. Du hast Menschen, die fragen, ob sie deine Betriebsstätte besichtigen können, weil sie denken, sie kriegen eine Brauereiführung. Also das sind so mal nur zwei kleinere, aber ganz lustige Sachen. Aber einfach, wie gesagt, der Transport macht das Ganze sehr, sehr kompliziert. Teilweise haben wir die Sachen selber eingesammelt, weil du natürlich Kleinstmengen bestellst bei den Brauereien. Das sind nur so anfängliche Themen, die man dann ganz einfach hat. Wir sind dann auch recht schnell sehr gewachsen, damals war der Markt oder beziehungsweise war die Konkurrenz einfach gar nicht so extrem groß. Es gab einfach gar nicht so viele. Von daher sind wir sehr, sehr schnell gewachsen, auch durch die Fernsehwerbung. Dann musst du einfach nachziehen. Das Schwierigste war, glaube ich, und die größten Fehler haben wir gemacht, weil es einfach gar keinen Markt gab. Aber dann ist die Frage, ist ein Fehler dann überhaupt ein Fehler oder einfach ein Feststellen von Themen, die da sind? Letzten Endes haben wir die einfach gemacht und auch gemeistert. Es gibt ganz viele spannende Themen, die da sind. Da können wir, glaube ich, mehrere Podcasts draus machen.

Markus: Okay! Das können wir durchaus. Vielleicht so dein Highlight-Thema, wo du dich immer dran erinnern wirst, wo du dir heute noch an die Birne fasst, was da so schiefgegangen ist?

Erik Schnickers: Was da schiefgegangen ist, ein Highlight-Thema?

Markus: Na ja, oder eine Erkenntnis oder so. Kann auch was Gutes sein.

Erik Schnickers: Was immer wieder wehtut, ist, wenn man hört, eine Palette ist umgekippt. Das tut immer weh, das zieht komplett durch den Körper und man leidet richtig mit. Das sind so Themen, die man dann halt mal hat. Oder mit der Staplergabel ins Tor reinfahren, weil man da eine Abkürzung kennt, die man eigentlich gar nicht fahren sollte. Das sind so Highlight-Themen. Ich glaube, die schönen Themen sind eher dann sowas wie, dass man einen Anruf kriegt und sagt so „Hey! Habt ihr Stella Artois da?“. Und dann heißt das so „Ja, wie viel denn?“, „Wieviel habt ihr?“, „Ja, 200.“, „Ja, dann alle. Fakt ist nur, die müssen morgen in Nürnberg sein.“, „Okay warum?“, „Wir sind für die und die Band unterwegs und wenn die kein Stella haben, spielen die keinen Ton.“. Das sind so ganz witzige Geschichten. Haben wir halt auch geschafft. Die Band hat heutzutage ein eigenes Bier, aber das sind so Highlights, die man dann halt auch zwischendurch hat und das macht das Ganze auch irgendwie spannend und witzig. Dass wir das damals schon mit zwei Mann geschafft haben, die einfach quer durch Deutschland verteilt sind dann auch noch, das war schon cool. Also das war wirklich schön.

Markus: Klingt super. Ihr habt dann also nicht nur was für die Bierwelt getan, sondern auch für die Musikwelt. Das ist natürlich auch schön.

Erik Schnickers: Wenn die nicht aufgetreten wären, dann hätten wir echt ein Thema gekriegt.

Markus: Das kann ich mir echt gut vorstellen. Das hat natürlich für dich auch bedeutet, denke ich mal, dass du auf einmal ganz, ganz viele Biere probieren musstest, konntest, wolltest, wie auch immer. Also wie erlebt man das denn, wenn man praktisch so einen unendlichen Zugriff hat? Und muss man sich da irgendwann auch mal ein bisschen am Riemen reißen? Wie geht das denn so?

Erik Schnickers: Völlige Überwältigung am Anfang. Ich hatte so ein Schlüsselerlebnis tatsächlich mit einer unserer ersten Brauereien, die auch immer noch eine meiner Lieblingsbrauereien ist, dem Brauhaus Faust. Wir haben damals mit dem Cornelius Faust eine Führung durch seine Brauerei gemacht und dann auch viele Biere verkostet. Und ich war total überwältigt und habe danach zu ihm gesagt „Boah! Cornelius, ihr habt so viele gute Biere und was trinkst du denn am liebsten?“. Dann sagt er so „Mein Pils“. Und ich so „Wie?“. Also passte gar nicht in meine Welt. Ich sage „Wieso?“. Und keine Ahnung, und dann hat er es mir erklärt. Das kann ich mittlerweile sehr gut nachvollziehen. Er sagte „Na ja, wenn du einen Abend hast und du trinkst ein Bier, dann willst du natürlich herumexperimentieren, dann probierst du. Aber wenn du auch auf einer Veranstaltung bist oder sonst wo oder halt auch mal drei, vier, fünf Biere trinkst, dann bist du mit einem Pils einfach besser aufgehoben. Weil ansonsten überwältigt dich irgendwann der Geschmack.“. Das kann ich nur wiedergeben. Dennoch kombiniere ich nach wie vor sehr gerne. Das macht mir immer noch extrem viel Spaß. Deswegen habe ich eigentlich meistens nie mehr als irgendwie vier oder fünf die gleichen Biere auf Lager und probiere einfach immer noch gerne durch. Am Anfang möchte man natürlich noch viel mehr, als man trinken sollte. So sagen wir das mal. Aber nach einer Zeit lässt das auch ein bisschen nach. Also immer noch, (unv. #00:18:56.9#) die Lust am Probieren definitiv nicht, aber man hat da nicht den Druck hinter, weil man weiß irgendwann, es kommt genügend nach, so dass man da keine Verknappung hat. Und deswegen, mir macht‘s immer noch Spaß. Du weißt das, ich glaube, ich bin immer für neue Sachen zu begeistern. Aber ich schätze auch die Tradition, deswegen halt so ein Sierra Nevada Pale Ale, denn das werde ich irgendwie nicht leid.

Markus: Da hat auch deine Umwelt davon profitiert, denke ich mal, oder? Gewinnt man neue Freunde, wenn man so einen Bierladen hat?

Erik Schnickers: Na ja, ob man neue Freunde gewinnt, weiß ich nicht. Aber da erzähle ich auch immer ganz gerne von meinem Freundeskreis. Die waren am Anfang sehr skeptisch, haben mir den Vogel gezeigt und auch gefragt „Wer bestellt denn Bier online?“. Und die größten Kritiker, die bestellen mittlerweile die verrücktesten Sachen und sind da auch immer wieder froh, wenn ich neue Sachen im Kühlschrank habe. Ich habe es aber auch echt durchgezogen und das spiegelt auch so ein Stück weit den Craftbier-Markt wider. Ich habe so einen Getränkekühlschrank, so einen 180 Kühlschrank immer im Wohnzimmer gehabt und habe dann einfach meine Freunde wild durchprobieren lassen, habe sie ein bisschen angeleitet. Aber am Anfang vor allem gar nicht viel, mittlerweile weiß man etwas mehr, was denen schmeckt. Die haben vieles getrunken, was denen nicht geschmeckt hat, was ich dann entweder zu Ende getrunken habe oder weggekippt wurde. Und dadurch haben die aber auch eine gewisse Offenheit gekriegt. Wie gesagt, man weiß mittlerweile, was denen auch gefällt. Der eine trinkt halt super gerne Pale Ale IPA, der nächste geht halt eher so in die malzige Richtung und Richtung Dunkel und Bockbiere. Und den nächsten kann ich wiederum mit Barrel Aged abholen. Das macht dann die Vielfalt aus. Die sind wirklich nicht böse, dass mein Kühlschrank immer noch gut gefüllt ist. Aber es war ein langer Weg.

Markus: Das würden Freunde von mir wahrscheinlich auch sagen. Ja.

Erik Schnickers: Und ein teurer übrigens.

Markus: Und ein teurer, das stimmt. Ohne jetzt zu viel Eigenwerbung machen zu wollen, aber du hast dann dich auch noch entschlossen, ein bisschen mehr Know-how drauf zu setzen und hast die Ausbildung zum Biersommelier gemacht. Wie hat dich das denn so ereilt und wie hast du das erlebt?

Erik Schnickers: Wie hat mich das ereilt? Einerseits, ich habe mich immer ein Stück weit gewehrt, den Biersommelier zu machen, weil man auch nicht immer mit dem einen oder anderen die positivste Begegnung hatte. Ich finde das immer schade, wenn jemand, der einen Biersommelier hat und dann einem Braumeister erzählt, wie sein Bier eigentlich zu schmecken hat. Das finde ich immer schwierig. Deswegen habe ich mich da einerseits ein bisschen gegen gewehrt und andererseits war es natürlich für mich in der Vergangenheit aufgrund meiner beruflichen Laufbahn nicht unbedingt möglich, zwei Wochen am Stück den Biersommelier zu machen. Da kamen mir zwei Sachen zugute, einerseits dann halt das Thema, dass es sehr stark auf online ging, und zweitens, dass ich mit der Deutschen BierAkademie halt letzten Endes auch jemanden gefunden habe, der im Prinzip so einen Großteil meiner Interessen am Biersommelier auch widerspiegelt einfach und nicht zu sehr technisch wird. Weil das ist auch schön, das ist auch schön, das zu wissen, aber ich finde, das ist für mich jetzt persönlich der zweite Step. Ich möchte halt nicht tiefer ins Brauen oder sonst wie reingehen, sondern die Biergeschichte, das interessiert mich sehr und wo es herkommt und wie da eigentlich die Themen sind. Das hat mich halt fasziniert. Dann kam eins zum anderen. Das eine, dass ich beruflich da ein bisschen weiter umgeschwenkt bin und jetzt natürlich auch noch mehr im Thema Bier drin bin. Dann war das für mich ein absolut logischer Schritt und ich habe mich tierisch drauf gefreut. Das ist, glaube ich, kein Geheimnis, dass ich immer noch sehr an der Gruppe hänge, genauso wie, glaube ich, das Miteinander in der Gruppe halt immer noch gegeben ist und ich mich immer tierisch freue, wenn ich die live treffe, so wie letzte Woche in Hamburg. Das hat mir echt viel Spaß gemacht. Ich kann das jedem nur empfehlen, und das war für mich eine tolle Erfahrung und einfach ein super Schritt. Ich fühle mich da total wohl mit und mir macht das echt Spaß und ich verstehe viele Sachen tatsächlich besser. Also ich sag nur Stichwort belgische Biere.

Markus: Wie gesagt, es soll keine große Eigenwerbung sein, aber ich finde es trotzdem ein spannendes Thema und würde die Fragen auch stellen, wenn du das woanders gemacht hättest. Was ich so interessant finde, ist halt auch dieses Erlebnis online. Das war vorher eigentlich gar nicht wirklich auf dem Schirm, glaube ich, und durch die Pandemie wurden wir mehr oder weniger dazu gezwungen, solche Formate zu entwickeln und auch offen zu sein, die wirklich anzugehen. Ich war am Anfang selber auch sehr skeptisch: Funktioniert das? Ist das dann für die Leute so, als würden sie ein Video anschauen? Lernen die sich überhaupt kennen? Oder ist das dann eher so, ja, ich mach da halt irgendwie mit, damit ich irgendwie einen Titel bekomme oder so? Und war dann wirklich auch extrem überrascht, wie intensiv die Beziehung gewachsen ist zwischen den Teilnehmern. Das ist wirklich was, was mich selber eben absolut und auch absolut positiv überrascht hat. Und das würde mich auch interessieren: Wie hast du das erlebt? Ist das was, was mit der Zeit wächst, oder ist das schon am Anfang da? Und wie ist das dann, wenn der Kurs aus ist? Also wie entstehen solche Bindungen, wenn man sich ein halbes Jahr lang trifft, aber nie wirklich gegenübersteht?

Erik Schnickers: Ich habe es mir am Anfang auch etwas schwieriger vorgestellt tatsächlich. Ich glaube, unsere Gruppe hat sehr gut auch schon am Anfang zueinander gefunden, jetzt unabhängig von den einzelnen Beziehungen, die sich natürlich irgendwann noch festigen. Man findet da immer dann irgendwie Leute, die gleicher ticken noch mal als sowieso schon tun. Also wo einfach die Beziehung noch mal ein bisschen intensiver wird. Ich hätte es mir gar nicht so vorgestellt, dass das so möglich ist online. Das ist wirklich gut geworden bei uns in der Gruppe. Wie gesagt, ich habe den Anspruch an mich selber, dann auch noch mal mindestens 90 % der Menschen kennen zu lernen. Ich bin sehr überrascht, dass mein Bild aus den Onlinekursen auch mit dem übereinstimmt, was sich dann tatsächlich im normalen Leben dann halt auch, wenn man die live tritt, auch widerspiegelt. Der eine oder andere ist enttäuscht, das musste ich dann auch schon am eigenen Leib kennenlernen und erfahren, wo die Regine einfach zu ihrem Freund sagt so „Also ich dachte immer, der Erik wäre größer. Die haben doch gesagt, der ist größer. Also das kann doch gar nicht sein.“ Ja, ich bin leider nicht größer als, ich bin keine zwei Meter. Das war halt ganz witzig auch, wir haben darüber gelacht. Aber das sind halt so Sachen, die man vielleicht dann nicht unbedingt so auf dem Schirm hat, die sich dann im Nachhinein rausstellen. Aber generell die Leute, die ich da kennengelernt habe, also online, und wenn ich sie jetzt im wirklichen Leben am Telefon habe oder mit denen spreche oder die halt auch in live treffe, das überschneidet sich. Also man kriegt doch mehr mit von den Menschen als man erwartet. Wenn man mich persönlich fragt „Was ist besser, online oder Präsenz?“, ich glaube, die Wahrheit liegt am Ende des Tages in der Mitte. Ich glaube einfach, dass dieses Online-Thema für viele auch die Chance gibt, überhaupt erst mal einen Biersommelier zu machen. Weil man darf nicht vergessen, zwei Wochen unterwegs zu sein, sich da auch noch eine Unterkunft zu suchen, das ist einerseits natürlich ein finanzielles Thema und andererseits auch ein Thema von Urlaub beziehungsweise, wenn man Familie da mit unterbringen muss. Da denke ich mal, dieser Mittelweg aus Online- und einem Präsenz-Teil, der eine angemessene Zeit hat, das fände ich, glaube ich, da liegt einfach die Zukunft. Das ist meine Meinung dazu.

Markus: Ja, ich finde auch. Also da hat sich einfach wirklich vieles verändert und auch den Blick der Gesellschaft auf so etwas verändert und auch die Akzeptanz vielleicht irgendwie geschaffen. Das ist doch auf jeden Fall cool. Was mich noch interessieren würde, so als letzter Punkt: Du bist auch selber Hobbybrauer, würdest du, glaube ich, sagen. Wobei du schon vom Equipment her fast schon ein bisschen professioneller unterwegs bist, mittlerweile. Wie hat sich das denn entwickelt? Und was hast du da schon so alles zusammengebraut?

Erik Schnickers: Das war tatsächlich auch das Thema Zeit einfach. Ich hätte gar nicht gewusst, wann ich es früher machen soll. Mir war klar, dass das wirklich eine schöne Sache ist, dass Brauen eine schöne Sache ist, man hat mit den Rohstoffen zu tun. Ich finde einfach dieses Riechen, Schmecken, das Erleben und dann halt auch selber was zu machen, finde ich superspannend. Mein allererstes war ein klassisches niederrheinische Alt. Allerdings muss ich dazusagen, ich habe das zusammen mit dem Zapfanlagendoktor gemacht, der auch hier in Xanten sitzt, und der mir das das erste Mal dann auch gezeigt hat. Wir haben den Nachguss vergessen, das heißt, das hatte ordentlich Power das Bier. Also für nicht so Geübte war das schon ein Brett. Aber es war unheimlich lecker. Dann IPAs habe ich gemacht, Roggen Pale Ale habe ich letztes Mal gemacht. Das ist natürlich schon ein bisschen tricky vom Läutern her. Und ansonsten habe ich halt sehr viel Alt da, weil ich das immer noch hier als Niederrheiner gerne sehe, und habe da ein relativ traditionelles gemacht. Das schmeckt den meisten Leuten, darf ich sagen. Ein Weizenbier, also so ein bisschen rumprobiert, aber noch mal mehr Basis. Also ich kann da definitiv noch tiefer rein, aber das war auch schön so bei unserem Onlinekurs, wir haben wirklich zwei, drei Hobbybrauer dabei, wo man schon die Frage stellen muss „Sind das noch Hobbybrauer oder sind das schon eher Brauer?“. Denn die Jungs sind wirklich fit und da kann man sich immer gute Tipps holen. Wie mein Freund Axel immer sagt „Na ja, Bier wird’s immer.“.

Markus: Das stimmt natürlich. Genau! Da schließt sich fast so ein bisschen der Kreis. Also da sind wir wieder in Xanten angekommen. Wie würdest du denn da die örtliche Bierwelt beschreiben? Was trinken Leute da gerne? Wann trinken die Bier? Was ist so das klassische Trinkverhalten? Wie muss man sich das vorstellen?

Erik Schnickers: Es kommen so langsam regionale Brauereien, und die machen ihren Job tatsächlich gut. Was schwierig ist, ist die Akzeptanz, dass es dann einfach nicht zum Preis für einen Kasten von 8,99 angeboten werden kann. Das ist hier noch ein richtiger Kampf. Das sehe ich in anderen Regionen, also bei euch in Franken finde ich das total super, dass die da sagen „Hier, der Kasten kostet 17,50 oder sonst was.“. Hier noch fast undenkbar. Es gibt so ein paar Liebhaber, also da gibt’s noch ganz viel Aufbauarbeit zu leisten. Ich sag das mal ganz ehrlich: Wir dürfen, glaube ich, in Marken sprechen ohne zu werten. Aber wenn man hier am Niederrhein ist, es gibt halt Diebels, was auch nicht mehr das klassische Alt ist, was es früher ist, und dann hat man halt Köpi, Bitburger, Warsteiner. Und wenn man gerne mit Bier rumexperimentiert, dann ist das hier sehr eintönig. Wenn ich da zwischen entscheiden muss, dann ist es einfach keine Vielfalt in dem Sinne. Jetzt unabhängig davon, ob man das vielleicht auch zwischendurch mal gerne trinkt. Da ist man schon froh, wenn anstelle von Erdinger mal ein Benediktiner halt da ist. Also da ist noch viel Arbeit und noch viel Luft nach oben. Aber da können wir dann jetzt mithelfen. Ich bin dabei.

Markus: Das ist doch eine gute Idee. Ich denke, der Holger hätte jetzt wahrscheinlich wieder eine Geschichte erzählt, wie er dann immer einfach rübergefahren ist nach Holland oder nach Belgien, um sich dort zu versorgen. Ist das bei euch auch an der Tagesordnung?

Erik Schnickers: Nach Holland und nach Belgien eher nicht, weil die Leute, wie gesagt, noch bei den Craftbieren, so nenne ich sie jetzt mal, oder bei den belgischen Bieren noch nicht so offen sind. Wer regelmäßig nach Holland rüberfährt und ein IPA kennt, der macht das sicherlich, der holt sich dann schon mal auch gerne mal ein Lagunitas rüber, wo ich auch ein Riesenfan von bin. Oder andere Sachen, die Holländer sind da definitiv ein bisschen weiter. Aber es ist noch sehr vereinzelt. So langsam kommen aber Trinkgut, Trink & Spar, und wie die Getränkemärkte alle heißen, so ein bisschen in die Craftbier-Welt. Das finde ich auch gut so. Dadurch schafft das auch ein bisschen Offenheit. Aber ich finde, wir sind hier noch ganz weit, weit, weit weg von anderen Regionen, wo es einfach schon wirklich viel mehr Vielfalt gibt. Also da müssen wir noch was tun. Und ich arbeite dran.

Markus: Wunderbar! Und der Anfang ist gemacht. Also immerhin, es gibt Bier und Leute, die trinken gerne Bier, und darauf kann man auf jeden Fall aufbauen. Also in diesem Sinne …

Erik Schnickers: Absolut!

Markus: … sage ich ganz, ganz herzlichen Dank für deine Zeit und für den Einblick in eben so die Welt eines Bier-Entrepreneurs, würde man wahrscheinlich heutzutage sagen. Ich wünsche dir noch ganz viel Erfolg natürlich auf deinen Bierwegen. Und wir werden sicherlich weiter in Kontakt bleiben und noch das ein oder andere Bierchen zusammen trinken. Bis dahin! Danke schön! Auf Wiederhören und auf Wiedersehen!

Erik Schnickers: Vielen Dank! Es hat Spaß gemacht. Ich freue mich aufs nächste Mal.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 29 – Interview mit Marcus Braun von Radio Primaton in dessen Sendung „Auf einen Kaffee mit…“

Am 14.8. war Markus Raupach Studiogast in der Sendung „Auf einen Kaffee mit…“ von Radio Primaton aus Schweinfurt. Moderator Marcus Braun entlockte ihm dabei zahlreiche Geheimnisse rund um das Bier, die BierAkademie und seinen Lebensweg. Wir wollen Euch dieses spannende Gespräch in Form eines BierTalk Spezial nicht vorenthalten und wünschen viel Hörvergnügen…

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BierTalk Spezial 28 – Interview mit Alexander Maier von der Bock’s Corner Brewery in Vaasa, Finnland

Alexander Maier fand durch einen glücklichen Zufall zum Thema Bier und vertiefte seine neue Leidenschaft dann auch gleich mit dem Braumeisterstudium in Weihenstephan. Dort lockte nicht nur der Gerstensaft, sondern auch eine holde Maid aus dem hohen Norden, heute seine Ehefrau. Über mehrere Stationen in Deutschland gelang es Alex schließlich, bei einem neuen bzw. wiederbelebten Brauereiprojekt in Finnland anzuheuern und so die Bock’s Brauerei in Vaasa mit aufzubauen. Im BierTalk erzählt er von seinen umfangreichen Erfahrungen im Land des heißen Sauna-Gluthauches und die beste Überlebensstrategie für einen deutschen Einwanderer, Care-Pakete…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal wieder oder nochmal wieder ein Special. Wir sind viel unterwegs und jetzt tatsächlich nochmal in fernen Gefilden, nämlich im hohen Norden. Und haben da auch einen spannenden Gast. Wo wir sind und wer das ist und so, werden wir gleich noch erfahren. Vorher am Mikrofon wie immer der Markus und …

Holger: … der Holger.

Markus: Ganz genau! Unser Gast heißt Alexander Maier. Alex, vielleicht magst du zwei, drei Takte zu dir selber sagen und vielleicht das Geheimnis lüften, wo wir sind.

Alexander Maier: Geheimnisumwobenes Finnland, ich bin in Finnland. Ich selber bin in Vaasa, der Markus sitzt in Helsinki bei einem Bierfestival. Ich kann gerne ein paar Worte zu mir selber sagen. Mein Name ist Alexander Maier, ich bin Diplom-Ingenieur für Brauwesen und Getränketechnologie. Ich habe in Weihenstephan studiert, klassische Ausbildung zum Ingenieur. Habe dann ein bisschen bei Paulaner gearbeitet, meine Diplomarbeit da geschrieben. Danach war ich 3,5 Jahre bei Krombacher als Produktentwickler. Dann, wie es der Zufall so will oder auch nicht Zufall, bin ich nach Finnland gegangen. Aus dem einfachen Grund, weil meine Frau Finnin ist, und die ist hier aus der Gegend, heißt aus Kristinestad, was 100 Kilometer südlich von Vaasa ist. Da braue ich jetzt seit circa sechs Jahren fröhlich vor mich hin in einer kleinen Gasthausbrauerei sozusagen. Das ist eine 10-Hektoliter-Anlage. Ursprünglich aufgewachsen bin ich in Hann. Münden, das ist zwischen Göttingen und Kassel. Das heißt, jeder, der auf der A7 mal langgefahren ist, kennt das bestimmt. Das ist so die kurze Vorstellung meinerseits.

Markus: Ja, eine kurze, aber sehr spannende Vorstellung. Vielleicht nochmal zum Einordnen, Finnland ist ein sehr großes Land und vor allem auch ein sehr weit ausgedehntes Land und Vaasa ist so ungefähr in der Mitte, würde ich sagen, und liegt dann eben an der Küste, so gegenüber von der schwedischen Küste. Da werden wir bestimmt auch gleich noch ein bisschen erfahren, wie das da so ist. Vielleicht eine Frage, bevor wir dann so langsam zum ersten Bier kommen …

Holger: Markus, da muss ich jetzt direkt einschreiten, weil als alter Marinesoldat und Ostseefahrer, also muss doch jeder wissen, also ihr fahrt sozusagen auf die Ostsee und dann seht ihr so Schweden und Norwegen da so runterkommen und rechts ist so das Baltikum und dann kommt Finnland und dann kommt der Bottnische Meerbusen. Und da liegt dann Vaasa. So muss man das erklären.

Markus: Genau! Also am Busen …

Holger: (unv. #00:02:55.8#) so ein komischer Oberfranke, aber Busen ist ja wieder was für dich, wie man dich so kennt.

Markus: Da geht das Kopfkino doch gleich wieder an. Nein. Apropos, aber nichtsdestotrotz hattest du dann deine Freundin quasi vorher schon in Deutschland gefunden oder wie kam das?

Alexander Maier: Ja, ja, die war da schon in Deutschland. Die hat in Freising, wo ich grad noch studiert habe, hat die ihr Sprachpraktikum gemacht. Und wie du sicherlich weißt, gibt’s in Freising den ein oder anderen Dialekt.

Markus: Oh ja!

Alexander Maier: Und inmitten dieser Dialektfülle war ich einer der wenigen, der Hochdeutsch gesprochen hat und mich mit meiner damaligen oder beziehungsweise mit der jetzigen Frau verständigen konnte. Da wurde aus dem Hochdeutsch, einem ganz normalen Gespräch wurde dann eine Beziehung. Dann hat es erst ein bisschen Fernbeziehung gehabt. Sie ist gelernte Deutschlehrerin, arbeitet jetzt aber mit was komplett Anderem. Deswegen war sie dann in Freising bei IHS und hat da ihr Sprachpraktikum gemacht.

Markus: Hast du dann jetzt auch Finnisch gelernt?

Alexander Maier: Finnisch, muss ich sagen, ist eine recht komplizierte Sprache. Meine Frau ist zweisprachig aufgewachsen, das heißt, in Finnland gibt’s eine Minorität, 5 % der Finnen sind schwedisch-sprachig und sie spricht auch schwedisch. Also Schwedisch habe ich schon gelernt und hier in Vaasa gibt’s ungefähr gleich 30 % Schwedisch-Sprachige. Und alles, fast alles geht auch auf Schwedisch. Schwedisch habe ich schnell gelernt, das ist recht nah am Deutschen. Finnisch, muss ich sagen, ist schon sehr kompliziert. Brauche ich in meiner täglichen Arbeit auch nicht unbedingt, weil ich glaube ziemlich jeder Finne kann auch Englisch. Da hat sich das so ein bisschen erübrigt bis jetzt. Mal gucken, ob das noch klappt. Was wir gemacht haben, ist, unsere Tochter auf einen finnisch-sprachigen Kindergarten zu schicken, damit sie das lernt. Aber auch sie hat es noch nicht geschafft, mir das ordentlich beizubringen. Ja, wirklich schwere Sprache, muss ich sagen. Ein bisschen angefangen zu lernen. Wenn man seinen Alltag in Schwedisch und Englisch, teilweise auch Deutsch hier auch verbringen kann, erübrigt sich dann so ein bisschen das Finnische. Ich glaube, wenn ich weiter im Landesinneren wohnen würde, würde es noch viel, viel eher gehen, das zu lernen. In dem Fall bleibe ich erstmal beim Schwedischen.

Markus: Auf jeden Fall lustig, dass deine Tochter dann eine Sprache kann, die ihr beide nicht könnt. Finde ich auch sehr, sehr witzig. Holger, du alter Marinesoldat, bist du denn da schon mal angelegt und hast du da irgendwelche Bordsteinschwalben gefunden?

Holger: Nein, also ich kann sagen, wir waren öfter in Schweden und da habe ich auch nette Damen kennengelernt. Aber ich war auch schon mal in Helsinki, aber dann nicht als Marinesoldat, sondern später als Nutzfahrzeug-Mann. Aber Finnland kenne ich überhaupt nicht gut. Also ich kenne eigentlich nur Helsinki und sonst nichts. Aber den Teil eben dieses Meerbusens kenne ich nur von schwedischer Seite. Und das war immer sehr gut, weil bei uns war das so, wenn dann der Kommandant, wenn wir Landgang hatten, war immer die Frage, wird jetzt erste Geige weiß oder erste Geige blau befohlen? Erste Geige weiß, das war halt so, also da sah man schon ziemlich schnieke aus so. Na ja, und dann lief es halt besser, also wenn ihr versteht, was ich meine. Aber lasst uns da nicht weiter drauf eingehen, es ist auch schon so wahnsinnig lange her. War aber eine tolle Zeit.

Markus: Spannend, spannend, spannend! Vielleicht, Alex, noch eine Frage: Wie kamst du überhaupt zum Thema Bier? Also wenn man da im Norden in Deutschland aufwächst, ist nicht unbedingt sofort Bier die erste Wahl, oder doch? Wie war das bei?

Alexander Maier: Purer Zufall, muss ich sagen. Ich habe damals, wo ich fast fertig war mit dem Abi, man orientiert sich ein bisschen, was will man machen, dann geht man zu etlichen Unis und schaut, was es so alles gibt. Im Endeffekt hat mich dann aber doch nichts so doll angesprochen, dass ich sofort angesprungen bin. Da habe ich durch Zufall in der FAZ einen Artikel über eine Frau gelesen, die hat eine Ausbildung und danach das studieren wollte. Habe ich gesagt „Aha! Das kann man studieren.“. Das weiß ja auch nicht jeder, dass man Brauwesen studieren kann. Und dann habe ich mich da ein bisschen reingelesen. Das hat sich sehr gut angehört, ein bisschen Naturwissenschaften, also im Endeffekt ein bisschen von allem war in diesem Studiengang möglich. Und dann, bevor man anfängt zu studieren in Weihenstephan, muss man natürlich ein Praktikum absolvieren. Und dieses Praktikum habe ich in der Martini-Brauerei Kassel absolviert. Und da hat es mich halt sofort gepackt. So Bier getrunken hatte ich schon vorher gerne, sonst geht man, glaube ich, auch nicht in die Richtung. Aber dieses Praktikum in der Martini-Brauerei Kassel, das hat mich dann so beeindruckt, dass ich gesagt habe „Okay! Das will ich machen.“. Und dann habe ich mein Studium angefangen in Weihenstephan.

Markus: Und apropos anfangen, wir sollten auch mal anfangen, was zu trinken. Vielleicht lassen wir dir mal den Vortritt. Was hast du dir denn von deinen Bieren geholt?

Alexander Maier: Ich habe mir etwas geholt, was auf der einen Seite sehr bayerisch ist, aber auf der anderen Seite auch sehr finnisch. In Finnland gibt’s das sogenannte Sahti. Das Sahti ist im Endeffekt ein mit Brothefe, also mit Bäckereihefe vergorenes Getränk. Auf Englisch sage ich immer Finnish Super Drink. Ich dachte mir, Sahti ist immer relativ schwer zu trinken. Das heißt, ich habe sowas wie einen Wacholder-Weizenbock gebraut, also im Endeffekt einen klassischen Weizenbock, aber mit Wacholder-Einfluss, der dann im Sahti normalerweise zum Zuge kommt. Dadurch, dass die Weißbierhefe und die (unv. #00:08:36.9# Brei?)-Hefe aromatechnisch sehr nah beieinander sind, kommen wir da ein bisschen in die Sahti-Richtung. Aber vielleicht ein bisschen mehr trinkbar, auf Finnisch wird es dann (unv. #00:08:46.6# Katajan Vehna Boki?) heißen. Auf Deutsch würde ich es dann einfach als Wacholder-Weißbierbock nennen.

Markus: Das gibt’s so am Hahn bei euch in der Brauerei, oder wie?

Alexander Maier: Das gibt’s bei uns in der Brauerei am Hahn. Auch im Alko, im finnischen (unv. #00:09:03.0# Monopol?) erhältlich. Und seit zwei, drei Jahren dürfen wir das tatsächlich aus der Brauerei heraus verkaufen. Was früher nicht erlaubt war für Biere über 4,7. Von daher bei uns im Shop am Hahn und im Alko findet man das.

Markus: Okay! Vielleicht magst du uns kurz ein kleines bisschen beschreiben, wie du das jetzt im Glas hast, wie das riecht und wie das schmeckt. Weil vielleicht nicht jeder sich das so vorstellen kann. Vielleicht, solange du das einschenkst, ganz kurz dazu gesagt, du hast es schon erwähnt: Das Sahti ist praktisch so ein Urbier, was sich eben in der Ecke Finnland, Estland, Schweden so erhalten hat und was im Grunde eben, wie du schon sagst, mit Bäckerhefe gemacht wird und dann über Wacholderzweigen abgeläutert wird. Also im Grunde schon ein Bier, aber eben ein besonderes, kriegt einen ziemlich starken Bananengeschmack normalerweise durch die Bäckerhefe und kann vom Alkohol her auch mal deutlich zweistellig werden. Also schon ein durchaus kräftiges Gebräu. Wie ist es denn bei dir?

Alexander Maier: Ich wollte etwas machen, was vielleicht ein bisschen mehr Drinkability hat. Im Endeffekt ist es 7 %, das ist jetzt nicht das schwächste, aber wir sind hier noch nicht im richtigen Hardcore-Sahti-Bereich, wo du sagst, es können 9, 10, 11 % werden. Ich wollte aber diesen Geschmack haben, indem ich den vom Wacholder mit reinkriege und von der Banane und von der Nelke. Das wollte ich kombinieren mit einem schönen Körper. Also hier habe ich im Endeffekt nur ein bisschen (unv. #00:10:28.2# Cara Weed?) genommen, um das ein bisschen süßer zu machen. Ganz klassisch 50-50-Aufteilung, gehst du hoch auf 17 Plato, da ist ein bisschen Restkörper noch drin. Das ist, wenn man dran riecht, kommt natürlich erstmal ein bisschen das Weißbier in den Vordergrund. Und wenn man dann erstmal einen Schluck nimmt, das mache ich jetzt einfach mal, ist der Wacholder auch sofort da. Der Wachholder, in dem Fall habe ich Beeren, also Beeren habe ich zum Beispiel hier vor meiner Haustür gepflückt, ich habe einen Wacholderstrauch vor der Tür und die Äste, die man natürlich verwendet. Und die haben natürlich ätherische Öle immer drin und diesen Wacholdergeschmack. Wenn man zum Beispiel Wacholder zum Kochen benutzt, kennt man den vielleicht. Es gibt auch eine gewisse Schärfe. Also es ist ein leicht scharfes, aber dennoch süßliches hintenraus wärmendes, sehr leckeres Bier, würde ich sagen.

Markus: Holger, jetzt bekommst du bestimmt auch langsam Durst. Kannst du da mithalten mit diesem schönen 7 % Gebräu?

Holger: Unbedingt bekomme ich Lust und hört sich wahnsinnig gut an. Aber wir müssten vielleicht auch noch was auflösen, weil ihr zwei, ihr seid da in Finnland, also der eine in Vaasa und der andere in Helsinki. Und ich selbst bin gerade in Crailsheim. Also für die Leute, die das nicht wissen, das ist das hohenlohische Franken. Es kann immer noch sein, dass es bestimmte Leute nicht wissen. Also Crailsheim liegt so ganz im nordöstlichen Teil von Baden-Württemberg und ist zwischen Heilbronn und Nürnberg, also wenn man das so verorten darf. Und hier gibt es eben auch Brauereien und ich habe mich heute eben dann auch wirklich für ein Crailsheimer Bier entschieden, und zwar von der Engel Braumanufaktur. Das ist ein Kellerbier, und zwar ein dunkles naturtrübes Kellerbier. Das ist sehr schön.

Markus: Wunderbar! Da bin ich fast ein bisschen neidisch. Weil das gibt’s natürlich jetzt hier in Finnland nur bedingt. Wobei wir heute im Wettbewerb tatsächlich auch ein Kellerbier hatten, und das war gar nicht schlecht.

Holger: Auf jeden Fall, also kann ich euch natürlich, das ist jetzt schon im Glas, und das ist so ein richtig schönes opakes, wie soll ich sagen, so ein Kastanienbraun mit so einem ganz leicht beigen Schaum, wunderbare Schaumkrone, ganz toller fester Schaum. Und hat eben so eine ganz, ganz tolle Röstnote und auch eine Karamellnote und hat einen, wartet, lasst mich einen Moment trinken … ja, also ist genauso, also alles, was man sich erwartet, wenn man also die Flasche sieht, übrigens mit Schraubverschluss, auch noch mal was Besonderes, also weder ein Kronkorken noch ein Bügelverschluss, sondern ein Schraubverschluss. Aber die Etikettengestaltung und alles und wie man jetzt das Bier hier im Glas hat, dann erwartet man auch dieses Mundgefühl. Und das Mundgefühl ist in der Tat richtig cremig und so samtweich. Also diese malzigen Röstaromen umspielen diese karamellige Süße. Und jetzt, wenn ich es mir jetzt dann erlauben darf, würde ich dazu mir wahrscheinlich so einen schönen Eintopf bestellen und danach noch einen Nussbecher bestellen, also so ein Eis-Nussbecher. Das werde ich wahrscheinlich auch machen. Also unglaublich schönes rundes naturtrübes dunkles Kellerbier. Kann ich nur jedem empfehlen. Hat übrigens 5,3 % Alkohol und hat auch eine Vollmundigkeit, also macht was her. Also Engel Brauerei, wenn da noch nie einer was von gehört hat, dann sollte man sich zumindest mit dem Bier, das kann ich empfehlen, da kann man sich schon drin verlieben. Das Motto der Engel Brauerei ist übrigens „Prost, mein Engel!“.

Markus: Ja, kann ich auch nur zustimmen. Von der Engel Brauerei habe ich schon viele gute Bier getrunken. Kann man auf jeden Fall tun. Vielleicht an der Stelle, Alex, kriegst du da so ein bisschen Heimatgefühle? Gibt’s Dinge, die dir mal abgehen, wenn du da immer so in Vaasa rumhängst? Oder hast du dich da schon ganz akklimatisiert?

Alexander Maier: Natürlich gibt’s immer gewisse Sachen, die einem fehlen. Ich glaube, vor allem Wurstwaren, da können die Finnen nicht mithalten. Biermäßig, sage ich mal, mache ich mir einfach das, was mir fehlt. Das braue ich mir dann einfach, das funktioniert ganz gut. Aber auf der Essensseite würde ich sagen, ist vor allem alles, was mit Wurst zu tun hat, da haben wir schon in Deutschland eine Riesenauswahl. Das Gleiche mit Brot oder Brötchen. Aber inzwischen gibt’s hier auch eine schöne Bäckerei, die macht ein schönes Sauerteigbrot. Sozusagen wir haben schon was gefunden, was das so ein bisschen ersetzen kann. Aber Brezen zum Beispiel, die man immer in Bayern hat, die fehlen mir auch hier ein bisschen. Also da kann so eine Lidl-Brezel, die es auch hier gibt, nicht mit einer gescheiten Brezel mithalten. Aber ansonsten bin ich recht zufrieden hier, kann mich nicht beklagen. Und zur Not fragt mal halt zu Hause nach, dass man mal ein Carepaket zugeschickt bekommt.

Markus: Genau! Auch eine schöne Idee. Ich kann auch nur allen sagen, ich bin jetzt, glaube ich, zum dritten oder vierten Mal in Finnland auch bei dem Bierwettbewerb hier und bin auch schon ein bisschen rumgereist und kann das eigentlich auch nur empfehlen. Das ist ein wunderschönes Land mit sehr, sehr lieben Menschen. Der einzige Punkt ist: Man fühlt sich ein bisschen wie in China, weil man wirklich kein Schild lesen kann. Und es sind sehr viele Buchstaben drauf mit sehr vielen Punkten, aber man weiß wirklich selten, was man sich so drunter vorstellt. Ich habe mir auch ein Bierchen geholt und natürlich durfte ich jetzt auf dem Wettbewerb keines mitnehmen, weil wir da ja nicht wissen, was wir trinken. Aber ich bin jetzt mal eben schnell noch in den Laden um die Ecke vorbeigegangen und habe einfach mal geguckt, was da so rumsteht, und fand was ganz Spannendes. Das mache ich jetzt mal auf. Aber ihr habt schon gehört, das ist in einer Dose und fließt da raus, wunderschönes Glas, also eine ganz tolle, richtig schöne Bernsteinfarbe, oben drüber ein Schaum, der ist auch leicht getönt, sehr stabil. Und dem Ganzen entströmt eine ganz angenehme, so fruchtige Note, auch ein bisschen Heu, ein bisschen Gras. Und wenn man dann trinkt, ist es ein sehr weiches Mundgefühl, sehr rund und sehr hochvergoren, sehr angenehm zu trinken und eine ordentliche Bittere hintenraus. Also ein schönes Bier, es steckt in einer goldenen Dose mit einem grünen Etikett. Und die Brauerei heißt Olvi. Die kennst du bestimmt, Alex.

Alexander Maier: Ja.

Markus: Das ist die älteste noch existierende traditionelle finnische Brauerei. Also da gab‘s früher mal viele Brauereien, dann sind die natürlich auch ziemlich eingegangen, und dann blieb eben Olvi sozusagen übrig. Und mittlerweile gibt’s wieder viele Neugründungen, und so, dass es über 100 Brauereien sind, glaube ich, mittlerweile wieder in Finnland.

Alexander Maier: Mhm (bejahend). Wir sind bei circa 130 Kleinbrauereien inzwischen, plus die Großen. Olvi ist, glaube ich, die drittgrößte. Was natürlich in Finnland war, auch die Prohibition, die sehr, sehr, sehr viel Brauereien in die Knie gezwungen hat. Das hat, glaube ich, quasi die Bierkultur hier ein bisschen vernichtet. Wer überlebt hat nach der Prohibition, hat danach einfach ein Lager gemacht. War auch sehr oft begrenzt, was man brauen durfte, zwei Biere maximal. Man musste eine Extralizenz beantragen, wenn man ein drittes, stärkeres Bier brauen wollte. Also es war alles nicht so einfach. Es ist inzwischen natürlich etwas einfacher, aber immer noch kein Vergleich zu Deutschland.

Markus: Ja, da kommen wir bestimmt gleich noch dazu, weil das wirklich interessant ist, wie da so die Regelungen sind. Genau wie du sagst, Olvi war so eine von den Brauereien wie in den USA auch, die sich in der Prohibitionszeit dann mit Limonaden und sowas über Wasser gehalten haben. Ich habe die Dose vor allem deswegen genommen, weil ich den Bierstil auch spannend fand. Sie haben nämlich ein American Cream Ale gemacht. Das finde ich eigentlich ganz spannend, weil es ist, als das Pils-Bier aufkam in Mitteleuropa, haben alle Bierkulturen eine Antwort drauf gefunden. Also in Köln hat man das Kölsch gemacht, in England hat man das Golden Ale gemacht, und in den USA kam dann eben das Cream Ale auf. Das heißt, man hat die obergärige Hefe genommen, sie aber kalt vergoren beziehungsweise das Bier sehr lange gelagert, so dass dann sowas ähnliches wie ein Pils oder ein Helles am Ende dabei rausgekommen ist. Also superspannend und auch sehr, sehr schön umgesetzt. Das ist auch was, was mir heute bei dem Wettbewerb aufgefallen ist, dass gerade hopfenbetonte Biere hier in Finnland sehr, sehr gut sind, sehr klar in der Aromatik, obwohl es bestimmt gar nicht so einfach ist, frische Hopfen hier zu bekommen. Also insofern kann ich da nur ein Kompliment aussprechen. Ist mir auch bei deinen Bieren schon aufgefallen. Wie ist das, Alex, mit der Rohstoffversorgung? Kommt ihr da zurecht?

Alexander Maier: Ja, ja. Also es dauert halt einfach ein bisschen länger, bis alles hier ist, aber im Endeffekt funktioniert das schon ganz gut. Man muss halt einfach nur Geduld mitbringen und früh genug bestellen, dann klappt das auch mit den Zutaten. Hopfen vielleicht nicht so gut verfügbar, aber die Malze hier sind auch hervorragend. Es gibt Viking Malt, das ist, glaube ich, Nummer 7 in der Welt, Nummer 3 in Europa, und die haben hervorragende Malze. Hopfentechnisch, klar, wenn man das schön kalt angeliefert kriegt, funktioniert das auch schön verpackt.

Markus: Und kalt ist ja.

Alexander Maier: Kalt ist es ja. Einfach im Winter bestellen, dann funktioniert’s auch. Bei minus 20, das gefällt jedem Hopfen dort. Einfach in die Kühltruhe rein danach und dann ist gut.

Markus: Das ist wahrscheinlich das Geheimnis. Genau! Aber wir waren vorhin so ein bisschen stehengeblieben bei diesen ganzen Regelungen. Vielleicht, bevor wir da drauf eingehen, wie war das denn, als du da angekommen bist? Also war die Brauerei schon da und du bist dazugestoßen oder hast du die mit aufgebaut oder hast du dir erst eine gesucht? Wie war das?

Alexander Maier: Nein. Also die Brauerei hat noch nicht als Brauerei jetzt existiert. Aber wir sind an eine Stelle, wo es früher auch eine Brauerei gab, also die Original Bock-Brauerei. Die wurde 1892 gegründet und die hat bis 1986 existiert, wurde dann aufgelöst, war Teil des Hartwall Konzerns. Was ich ganz interessant finde, der letzte Braumeister, der zuständig war, war auch Weihenstephaner, aber ein Finne, (unv. #00:21:07.4# Johanni Valenius?). Und so schließt sich wieder der Kreis, dass der erste Baumeister dann nach 30 Jahren Trockenzeit in Vaasa auch wieder aus Weihenstephan kommt. Nein, wir haben 2015 komplett neu angefangen. Das war viel größer. Die Brauerei, die vorher dastand, war irgendwann mal, der Hartwall hat da sehr viel Limonade auch gemacht und Aura und ganz viele andere Produkte. Und die Produktion haben die dann irgendwann verlagert und dann wurde halt die dichtgemacht die Brauerei komplett. Die Anlagen wurden verkauft überall in die Welt hin. Und wir haben dann 2015 wieder komplett mit einer 10-Hektoliter-Anlage komplett von Grund auf wieder angefangen,

Markus: Heißt, wenn du von wir sprichst, bist du auch Teil der Inhabergruppe oder wie kam das? Wem gehört der Laden eigentlich?

Alexander Maier: Ich bin kein Teil der Inhabergruppe. Auch das war wieder ein Zufall, dass ich überhaupt rausgefunden habe, dass hier eine Brauerei aufmacht. Und zwar hat die Mutter von meiner Frau mir immer Artikel über Bier in Schwedisch geschickt, damit ich mein Schwedisch ein bisschen verbessere. Und einer dieser Artikel war dann, dass da eine Brauerei aufmacht in Vaasa. Wir waren sowieso ein bisschen auf dem Sprung nach Finnland und ich habe einfach mal hingeschrieben und gefragt „Hey! Habt ihr schon einen Braumeister?“. Haben gesagt „Nein. Schick mal deinen Lebenslauf.“. Lebenslauf geschickt, ein, zwei Stunden in Skype ein bisschen gequatscht, bin mal hier rüber geflogen, habe mir das Ganze mal angeguckt. Ja, da habe ich quasi den Job bekommen. Ich muss auch ehrlich dazu sagen, so viele Braumeister gibt’s in Finnland nicht. Es gibt einfach keine Ausbildung in dem Bereich in Finnland. Also die meisten, die dann in Finnland Braumeister sind, sind entweder aus Kopenhagen oder haben irgendwo in Schweden an einer Hochschule oder sowas mal ein bisschen was gelernt, aber so eine richtig klassische Braumeister-Ausbildung gibt’s nicht. Habe den Job dann bekommen, bin hierhergekommen, und ich bin angestellt, aber von Anfang an dabei. Brauerei war dann jedoch schon bestellt, war aber okay. Ist Flecks Brauhaus-Technik, ist ein kleiner Produzent aus Österreich. Ich kann mich nicht beschweren, das funktioniert gut. Aber ich war schon da, als die Brauerei aufgebaut wurde, so dass man jede Leitung kennt und jeden Winkel und alles so. Das war ganz nett. Ich weiß nicht, wie oft man da als Braumeister die Möglichkeit hat, von Anfang an dabei zu sein. Ich war dabei, konnte jeden Prozess aufbauen. Im Endeffekt musst du alles vom Wischmopp bis zur Automation irgendwie alles mitkriegen, wie das funktioniert, und alles bestellen. Das war ganz nett, das mal mit aufzubauen.

Markus: Und Ehefrau und Schwiegermutter glücklich. Das ist natürlich selten. Gell, Holger, das ist ja immer ein wichtiger Punkt mit den Schwiegermüttern.

Holger: (unv. #00:23:47.2#) das ist ja das Thema „happy wife happy life“. Aber da ist natürlich jetzt auch wirklich, ich meine, ihr habt ja ein sehr schönes Portfolio. Was ist denn euer Topseller und was mögen denn deine beiden Damen da besonders gern?

Alexander Maier: Topseller ist das Kultapukki, da wie ein klassisches finnisches Lager ist, hat 4,5 %, golden, (unv. #00:24:07.9#) ein bisschen malzig, nicht zu bitter. Das läuft am besten. Meine Frau ist da mehr so auf der hopfigen Seite, aber auch erst, seitdem sie mich kennengelernt hat. In Bayern hat sie ein bisschen gelernt Bier zu trinken, und danach ist sie auf ein IPA und inzwischen auf Session IPA, das ist, glaube ich, der Favorit im Moment. Das geht dann so ein bisschen Pale Ale, ein bisschen (unv. #00:24:29.8#), was ich habe, das ist das, was sie gerne trinkt. Ansonsten, die Mutter trinkt nicht so viel Alkohol, von daher, da nicht so viel biermäßig in der Richtung. Aber ich habe jetzt mit Limonade angefangen, da ist sie jetzt umso glücklicher, kann sie die trinken.

Holger: Wunderbar! Du gibst wirklich alles für die Frauen. Ich kann mich entsinnen, wo ich in Finnland war und wo wir dann auch immer wieder mal Kontakte hatten, nutzfahrzeugtechnisch, da haben die dann immer mir Lapin Kulta in der Dose gebracht. Das war halt so ein klassisches Lager und ganz eisgekühlt war das auch gut gegen Durst löschen.

Alexander Maier: Ja, ja. Du musst dir vorstellen, Sauna ist, glaube ich, …

Holger: Absolut, absolut! Da habe ich auch eine Erfahrung, also da habe ich auch eine Erfahrung. Das war hart. Also (unv. #00:25:17.3#), das war sehr hart.

Alexander Maier: Da brauchst du auf jeden Fall eiskaltes Bier.

Holger: Ja, unbedingt!

Alexander Maier: Was es dann im Endeffekt ist, in der Sauna funktionieren, glaube ich, am besten eiskalte Lager. Absolut! Sogar vielleicht Lapin Kulta. Aber ich persönlich bestimmt seit fünf Jahren kein Lapin Kulta mehr getrunken habe, weil ich davon doch nicht so überzeugt bin.

Markus: Das ist so ein bisschen das Gegenstück zu unseren Mainstream-Bieren sozusagen, die es eben bei uns ja auch gibt. Aber ich finde auch, also Sauna und Bier, habe ich ja auch meine Erlebnisse in Finnland schon gemacht, unter anderem mit der Rauch-Sauna. Das habe ich, glaube ich, in irgendeiner Podcast-Folge schon mal erzählt. Aber das Spannendste überhaupt fand ich, dass zum Beispiel, wenn man da am Frühstückstisch im Hotel sitzt und sowas, wenn dann nur finnische Familien sind, dann spricht da eigentlich niemand. Man sitzt da und die essen so in sich hinein, aber es gibt jetzt keine große Unterhaltung. Und das zieht sich so ein bisschen durch. Aber wenn die dann in der Sauna sitzen und ihr Bier haben, dann wird losgequatscht, und zwar die ganze Zeit, wo man bei uns normalerweise in der Sauna eher still ist. Also finde ich ganz interessant, dass das sich so komplett umdreht. Wie war denn das für dich, Alex, mit der Mentalität? Bist du da gleich zurechtgekommen oder hat dich deine Frau da entsprechend eingeführt? Wie war das?

Alexander Maier: Nein, ich finde das ganz angenehm. Ich muss sagen, ich bin persönlich auch nicht so, also man ist sehr viel am Labern im Beruf, auch gerade Biere erklären und sehr sozial und alles schön und gut. Wenn man dann mal ein bisschen Ruhe hat, ist das auch schön, mal ein bisschen ruhig zu sein. Ich habe mich da eigentlich recht sofort eingefühlt, ich habe auch kein Problem, da am Frühstückstisch mal still zu sein. Sauna ist natürlich ein sehr sozialer Punkt in Finnland sozusagen. Jeder hat im Endeffekt eine Sauna in Finnland, entweder in der Wohnung eine Gemeinschaftssauna, die man sich dann buchen kann. Oder wenn man ein Haus hat, hat man natürlich auch die Sauna normalerweise mit drin. Also ich habe mich da eigentlich recht sofort wohlgefühlt. Also kein unnötiges Gequatsche sozusagen, ein bisschen norddeutsch, wobei ich selber aus Mitteldeutschland bin. Aber nein, hatte ich überhaupt keine Probleme mich einzufügen.

Markus: Und die Häuschen, die man so in der Seenplatte hat, die heißen dann Mökki. Finde ich auch sehr süß. Da hat man dann eben so eine Art kleines Ferienhaus, auch wieder mit Sauna. Also wirklich eine ganz spannende und ganz liebenswerte Kultur auch. Also finde ich …

Alexander Maier: Absolut!

Markus: Auch, absolut! Was auch noch spannend ist in der Sauna, man lässt die Badebekleidung an, also zumindest bei den öffentlichen Saunen.

Alexander Maier: Ja.

Markus: Also bei uns ja immer alle alle Hüllen fallen lassen, ist das hier ganz anders. Auch spannend!

Alexander Maier: Ich finde das immer lustig, wenn man in Deutschland ist, und da gibt’s irgendwelche Saunaregeln. Das ist völliger Schmarrn. Kein Finne hat irgendwelche Saunaregeln. Das ist halt, du gehst da rein, wenn dir warm ist, gehst du wieder raus. Wenn du ein bisschen mehr Dampf brauchst, schmeißt du es drauf. Da gibt’s auch kein Handtuch-Rumgewedel und den ganzen Kram, den man in Deutschland hat. Ich weiß nicht, wo das herkommt. Anscheinend braucht man in Deutschland ein bisschen mehr Regeln, und wie auch immer. Hier ist das alles recht entspannt mit der Sauna.

Markus: Alles wild zelebriert, sagen wir mal so. Holger, was sagst du zum Handtuch-Wedeln und zum Löyly? Das ist dann der Aufguss, der Nachguss, wenn es heiß wird.

Holger: Das war das ja, ich sag mal, wir kennen nur Aufguss aus der Schöpfkelle und dann ein bisschen aromatisiert oder so. Aber ich weiß nicht, wie viel Mengen die da reingeschüttet haben bei dem Aufguss und es war eine Bullenhitze. Ich sag ja, es war hart, es war hart. Aber es war lustig und auch die finnische Mentalität, finde ich irgendwie, also habe ich sehr genossen. Es waren unglaublich lustige Leute, ich weiß nicht, vielleicht ist das nur in Helsinki so und im Norden des Landes wieder anders, keine Ahnung. Ich sag ja, ich kenne das gar nicht so gut. Aber mit denen ich da zu tun hatte, das war mega. Also das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht damals. Ja, würde ich gerne auch wieder hin, also ehrlich gesagt. Muss man mal machen.

Alexander Maier: Auf jeden Fall, kommt vorbei, sobald wieder ein bisschen Reisefreiheit herrscht oder (unv. #00:29:23.1#), kommt auf jeden Fall rüber und schaut euch das Land mal an.

Markus: Genau! Ich packe dich nächstes Jahr dann einfach mit ein, wenn es wieder hier zum Bierwettbewerb geht. Weil das ist auch so ein Thema, ich schaue schon immer, zu welchen Wettbewerben ich wieder hinfahre, weil bei manchen ist es ja okay, dass man einmal da war. Aber das ist eben hier in Finnland wirklich so nett und so schön und so liebevoll auch, dass man es wirklich nicht missen mag. Das ist auch so, dass eben von den, es gibt ja nicht so fürchterlich viele Finnen, sagen wir mal so, das heißt, die kennen sich natürlich dann auch alle irgendwie und man ist dann ganz schnell auch so ein bisschen Teil der Familie. Und auch das finde ich total nett, diese Offenheit, diese Herzlichkeit und dieses wirklich füreinander da sein. Und insofern, kann ich auch allen Hörern nur empfehlen. Aber bevor wir hier endlos weiter über das Finnische an und für sich sprechen, müssen wir wieder ein bisschen zurück zum Bier. Der Holger hat schon gefragt, was so eure Lieblingssorten sind. Nur habe ich eure Biere auch auf dem Wettbewerb kennengelernt in den letzten Jahren und du hast auch schon mal den Wettbewerb gewonnen zum Beispiel mit deinem Doppelbock. Und andere Biere waren auch oft im Finale. Wie ist das denn, also gibt’s da dann auch so Leute, die dann stolz auf dich sind oder kommen dann Leute zur Brauerei und wollen diese Biere probieren? Wie ist das?

Alexander Maier: Also eine Medaille ist ganz nett, aber im Endeffekt geht’s darum, dass man die Kunden, die hier vor Ort sind, erreicht auch. Die Leute haben das Bier auch vorher getrunken und werden es auch hinterher trinken. Eine Medaille ist nur ein schöner Beweis dafür, dass das Bier eine gewisse Qualität hat. Im Endeffekt geht’s darum, was die Leute hier vor Ort mögen, und dann passt man sich auch ein bisschen an. Die Medaillen, die hängen da irgendwie an der Wand oder die Auszeichnungen. Das ist schön, mal gewonnen zu haben. Im Endeffekt geht’s mir darum, dass ich die Leute in Vaasa erreiche und dass die halt die Biere mögen. Wie gesagt, unser meistverkauftes Bier hat keine Medaille gewonnen und trotzdem mögen das die Leute. So ein schöner Doppelbock, mit dem ich 2019 den ersten Preis im „Dunklen Bier“-Bereich gewonnen habe, der läuft auch gut, klar, aber im Endeffekt geht’s mir persönlich darum, dann die Kunden hier vor Ort zu erreichen. Ob man dann eine Medaille gewinnt oder nicht, ist einfach nur eine Bestätigung der eigenen Arbeit, würde ich mal sagen so.

Markus: Ja, das stimmt! Aber vielleicht als Abschluss von diesem Themenblock vielleicht noch ganz kurz auf die Empfehlungen an unsere bieraffinen Hörer. Also man kann natürlich zu dem Wettbewerb kommen, aber das ist gar nicht so einfach, weil man da erstmal in die Jury muss. Aber damit verbunden ist ein Festival, und dieses Festival findet an sechs verschiedenen Wochenenden oder zu etwas längeren Zeiträumen in sechs verschiedenen Orten in Finnland statt. Da sind dann immer so um die 30, 40 Brauereien in einem abgesperrten Bereich und die haben dann eben die absolut bunteste und verrückteste Auswahl an Bieren von dem schon angesprochenen Sahti bis eben zu den verschiedenen Bieren, die auch der Alex zum Beispiel macht. Und das lohnt sich auf jeden Fall, dafür vielleicht dann auch mal herzufahren. Das findet man auch, wenn man nach „Bierfestival Finnland“ sucht, findet man das im Internet ganz einfach. Wir haben gerade schon vorhin das angesprochen, das wollte ich noch kurz mit dir besprechen. Diese Regelungen für den Bierverkauf, also was man darf und was man nicht darf, als ich das erste Mal hier war, war das noch in Kraft, da durften dann Biere bis 4,5 % glaube ich überhaupt nur außerhalb der Brauerei verkauft werden. Und dann gab‘s ganz viele verschiedene Regelungen. Wie hat sich das denn im Laufe der Zeit entwickelt und wie ist das momentan?

Alexander Maier: In der Zeit, da haben die auch schon angefangen, sechs Jahre her, war es noch so, dass man alles, was unter 4,7 war, im normalen Laden verkaufen durfte, aber nicht in der Brauerei. Heutzutage sind wir schon bei 5,5 im normalen Laden. Und kleine Brauereien unter 500.000 Liter dürfen malzbasierte Getränke, also Biere bis 12 % aus der Brauerei direkt rausverkaufen. Ich glaube, das hat auch sehr viele Brauereien während der Corona-Zeit gerettet. Die Regeländerung war jetzt um die 3 Jahre her, und das macht mir natürlich auch Spaß, weil ich dann auch Spezialchargen wie Eisböcke oder sonst was auch direkt aus dem eigenen Laden heraus verkaufen kann. Man braucht nicht unbedingt eine Bar zu haben, wo die dann auch natürlich eine Schnapslizenz und sowas hat, sondern man kann das direkt dann aus der Brauerei bis 12 % verkaufen. Wenn man alles andere zwischen 5,5 und höher, wenn man das irgendwo anders verkaufen will, geht’s eigentlich nur durch den Alko. Das ist ein Alkohol-Monopol, das dem Staat gehört. Der ballert dann relativ viel Gebühren obendrauf, sodass im Endeffekt der Staat zwar Gewinn macht, aber die Brauerei nicht so viel. Ja, das System funktioniert irgendwie, man kriegt da auch einen Service im Endeffekt und die Auswahl ist auch okay, aber man ist dann doch schon ein bisschen begrenzt, wie man denn sein Bier distribuieren kann. Gerade in der Zeit jetzt, wo die ganzen Bars geschlossen waren, haben viele Brauereien Probleme gehabt, irgendwie überhaupt ihre Biere loszuwerden. Weil wenn keiner dein (unv. #00:34:26.4#) bestellt und du hast keine Abfüllanlage, dann hast du wirklich richtig Probleme gehabt.

Markus: Was kostet denn so ein normales Bier bei euch, wenn man da einen trinken will?

Alexander Maier: Wenn du zu uns in die Brauerei kommst, haben wir vom klassischen Lager, das heißt, so um die 7 Euro für ein 0,4. Wenn du natürlich mit dem Alkohol ein bisschen höher gehst, ist es natürlich teurer. Und wir sind da noch relativ günstig. Ich glaube, wenn du in Helsinki ausgehst, bist du bei 8, 9 Euro locker.

Markus: Insofern auch ein bisschen was für die Genießer, dafür sind die Biere ja auch alle recht fein. Und als letzter Punkt, Holger, hast du schon mal so im Norden erlebt, was ich auch sehr faszinierend finde, ist so dieser Wechsel im Sommer im Winter, dass man praktisch zum Beispiel jetzt hier in der Sommerzeit, da kann man bis morgens um zwei, um drei draußen sitzen und es ist noch hell. Und ein paar Stunden später wird es schon wieder hell. Im Winter ist es andersrum, da ist es quasi den ganzen Tag und Nacht dunkel. Hast du das schon erlebt und was hat das so mit dir gemacht?

Holger: Ich habe das auch schon erlebt, und im Sommer ist das super, aber im Winter ist das natürlich auch schwierig. Für Leute, die dann so ein bisschen vielleicht sogar eine depressive Stimmung haben und so, das macht was. Ich habe das damals so erlebt, dass das für mich, also ich habe das gespürt. Das war nicht angenehm. Das kennt man von uns gar nicht. Also es wird manchmal dann auch gar nicht so richtig hell. Ja, das fand ich unangenehm, also absolut unangenehm.

Markus: Hm! Okay! Alex, wie ist das für dich? Hast du dich da schnell dran gewöhnt?

Alexander Maier: Ja. Dafür gibt’s auch sehr viel guten Kaffee hier. Ich glaube, wir haben den höchsten Kaffeeverbrauch. Also Kaffeeverbrauch pro Kopf in Finnland, ich habe da eigentlich nicht so die Probleme mit. Vor allem, im Winter hast du hier auch viel mehr Schnee als in Deutschland und das macht das Ganze dann ein bisschen heller. Ich glaube, wenn man noch ein bisschen weiter nördlich geht, also ungefähr nochmal drei, vier Stunden, ich glaube, dann ist es ein bisschen mehr dunkel. Aber bei uns ist es nicht so schlimm. Also ich habe es selber nicht als so schlimm bemerkt. Vielleicht verstecke ich mich auch zu viel im Sudhaus, wer weiß. Ich habe es selber als nicht so belastend empfunden, muss ich sagen. Aber den Sommer genieße ich natürlich sehr. Jetzt, wo es so schön lange hell ist, man kann draußen sitzenbleiben, ist schon sehr angenehm.

Holger: Mein Erlebnis war auch gar nicht in Finnland, sondern war wirklich im Norden von Schweden. Aber das ist dann schon so Polarkreis-Region. Und da ist es wirklich, also eigentlich gar nicht mehr richtig hell geworden.

Alexander Maier: Ja, das kann ich mir vorstellen. Wenn da komplett gar nicht mehr die Sonne rauskommt, kann ich mir schon vorstellen, dass es ein bisschen belastend sein könnte. Hier, wo ich jetzt noch bin, ist es zwar schon relativ hoch im Norden, aber im Endeffekt sieht man schon noch Licht.

Markus: Und deine Familie hat dich schon mal besucht, deine Eltern oder so?

Alexander Maier: Ja, ja, sicher! Also vor Corona waren die regelmäßig hier. Klar! Meine Schwester, Bruder, sind alle mal hier. Die waren mal im Winter hier auch, fanden die den Schnee super, und im Sommer natürlich, wenn es so schön lange hell ist, dann genießt man das, glaube ich, auch.

Markus: Du hast gerade noch ein letztes Stichwort gebracht und auch schon kurz darüber gesprochen, die Corona-Zeit. Wie war das für euch in Finnland? Gab‘s da auch so eine Art Lockdown und wie habt ihr das jetzt überstanden? Läuft’s jetzt wieder einigermaßen normal?

Alexander Maier: Letztes Jahr war der Lockdown ein bisschen länger, da haben wir zwei, zweieinhalb Monate komplett dicht gehabt, zumindest die Bar, die Brauerei lief ein bisschen weiter. Alles abgefüllt, was ging, auf Flasche und das dann raus in die Läden. So hat man halt einigermaßen überlebt. Dieses Jahr war es ein bisschen kürzer, da war die Bar sechs Wochen dicht. Aber jetzt im Sommer läuft‘s einigermaßen. Die inländischen Touristen, die kommen vorbei, die trinken, die kaufen. Und das gibt uns Hoffnung.

Markus: Gut! Das ist ja schön. Also insofern nochmal der Appell an alle, die jetzt zugehört haben und noch nicht in Finnland waren: Tut das bei Gelegenheit und schaut dann vor allem natürlich beim Alex in Vaasa vorbei. Vielen, vielen Dank für deine Zeit, für die spannenden Infos, für den Einblick in dein Leben und deine Brauerei. Und dann sehen wir uns hoffentlich bald wieder persönlich.

Alexander Maier: Ich bedanke mich auch. Ich hoffe, es war einigermaßen interessant. Und ich hoffe, man sieht sich mal wieder in Deutschland.

Holger: Super! Mach’s gut, Alex! Vielen Dank! Tschüss!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 27 – Interview mit Jonas Kohberger von der Nevada Cervecería aus Kolumbien

Oberhalb der ersten kolonialen Stadt Südamerikas, Santa Marta. Die Hafenstadt an der Karibik ist ein beliebtes Ausflugsziel für Kolumbianer und Touristen. Auf einer Anhöhe im Hinterland liegt Kolumbiens älteste Kaffeeplantage, wo im November 2014 der gebürtige Teisendorfer Jonas Kohberger ankam, um eine Brauerei aufzubauen. Als gelernter Brauer und Mälzer hatte der heute 32jährige damals schon einige Erfahrung in Kanada und Indien sammeln können, lebte sich schnell ein, lernte eine Frau kennen und beschloss, dass er auch nach den ursprünglich geplanten vier Monaten hier bleiben würde. Mittlerweile ist er Teilhaber der Brauerei und baut sich selbst mit einem nachhaltigen Konzept eine eigene Landwirtschaft auf. Aktuell braut er vier Biere, Happy Nebbi, Happy Tukán, Happy Coca und Happy Colibrí. Im BierTalk erzählt er seine Geschichte und verkostet eines seiner Biere mit uns. Leider war die Verbindungsqualität ins kolumbianische Hochland eher schlecht, deswegen müsst Ihr vielleicht bei manchen Sätzen zweimal hinhören, aber es lohnt sich…

Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750

Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal wieder mit einer weiten Reise, quasi fast um die halbe Welt, Richtung Südamerika. Und dort haben wir den Jonas Kohberger, der in letzter Zeit auch schon in der Zeitung ein paar Mal war hier in Deutschland, weil er eben in Kolumbien bei einer Brauerei arbeitet. Heute haben wir ihn hier bei uns. Erstmal hallo, lieber Jonas! Vielleicht stellst du dich noch mal kurz den Hörern vor, damit sie besser wissen, mit wem sie es zu tun haben.

Jonas Kohberger: Guten Morgen, Markus! Ja, ich bin der Jonas Kohberger, ich komme aus Teisendorf, gelernter Brauer und Mälzer. Ich bin seit 2014 hier in Kolumbien, habe die Nevada Cerveceria aufgebaut und bin hier quasi der Braumeister, Mitbesitzer von der Brauerei.

Markus: Quasi eben schon so eine kleine Karriere hingelegt. Vielleicht mal ganz kurz vorneweg: Wie kamst du überhaupt zum Thema Bier? Hast du schon als kleiner Junge gesagt, ich will das machen, oder wie ging das?

Jonas Kohberger: Mit 14 in der Schule habe ich ein Praktikum gemacht. Das habe ich bei Paulaner in München gemacht. Und dann war für mich klar, dass ich Brauer werde, weil ein Brauer macht halt viel, das ist ein sehr facettenreicher Beruf. Man hat Mechanik mit dabei, Mikrobiologie, die Physik, die Chemie, Elektrik, alles ist da mit dabei.

Markus: Das heißt, das hast du dann irgendwann deinen Eltern erzählt „Mein Beruf ist jetzt Brauer“ und hast dann losgelegt?

Jonas Kohberger: Meine Familie von der Mutter, die kommen von der Mosel, die Großeltern. Und die Großeltern, die hatten Weinberge und eine Winzerei, also war das kein Thema.

Markus: Ja, spannend! Dann hast du die Ausbildung gemacht und nach der Ausbildung ging’s dann gleich in eine Brauerei oder bist du dann schon in Richtung Ausland gegangen? Wie waren da so deine Gedanken?

Jonas Kohberger: Nach der Ausbildung habe ich bei Doemens die Braumeisterschule angefangen und nach drei Monaten, vier Monaten habe ich mir gesagt „Du bist noch jung, breche das ab und gehe ins Ausland, sehe die Welt, habe Spaß.“ und da bin ich nach Kanada und habe da in einer Brauerei gearbeitet, Craft-Brauerei mit 10.000 Hektoliter im Jahr Ausstoß. Haben wir eine Produktionsbrauerei gehabt und ein Sud-(unv. #00:02:16.0#), also (unv. #00:02:18.1#) in der Gasthausbrauerei zu brauen und dann auch in der Produktionsbrauerei brauen und abfüllen und alles. In Kanada war ich vier Jahre und dann habe ich eine E-Mail bekommen aus Indien, ob ich nicht interessiert wäre, in Indien auch eine Gasthausbrauerei aufzubauen.

Markus: Und der Ruf war da sehr verlockend, oder? Allein schon wegen des Klimas.

Jonas Kohberger: Genau. Und dann habe ich in Kanada gekündigt und bin nach Indien.

Markus: Und wie muss man sich das vorstellen, eine Brauerei in Indien? Also ja, vom Klima und von den Leuten und so? Da gibt’s ja auch noch Bundesstaaten mit Prohibition. Wie war das dort?

Jonas Kohberger: Die Brauerei war in Bangalore im Staat Karnataka. Und das war eine der ersten Provinzen, die Braulizenzen ausgegeben haben. Das war 2013. In Mumbai gab’s Lizenzen, dann in Goa gab‘s Lizenzen, in Karnataka und in einem anderen Bundesstaat noch. Also sehr limitiert. Und jetzt ist auch der Bierhub und Indien in Bangalore, weil 2013 gab’s mindestens 7 Gasthausbrauereien allein in Bangalore.

Markus: Und wie war das dort mit der Rohstoffversorgung und so? Musste man alles importieren, oder?

Jonas Kohberger: Musste man alles importieren, haben wir Weyermann Malze importiert und auch dann (unv. #00:03:38.5#) haben wir den Hopfen gekauft, das geht ja auch über Weyermann. Wir haben dann containerweise Malz gekauft.

Markus: Und dann kam irgendwann der Ruf, noch weiter weg, oder?

Jonas Kohberger: Ja. Über einen Bekannten wollte ich dann eigentlich auch nach China zu (unv. #00:03:55.0#). Und da hätte ich einen Job gehabt, aber in China, wenn die jedes Jahr die Sachen ändern. Ein Jahr braucht man das Papier, das andere Jahr braucht man das nicht, braucht man was anderes. Und das war halt sehr kompliziert, um ein Arbeitsvisum zu bekommen. Dann habe ich die Chance gehabt, hier nach (unv. #00:04:14.6#) zu gehen für vier Monate und diese Brauerei einzufahren, weil ich immer noch auf das Visum für China gewartet habe. Aber nach den vier Monaten bin ich einfach geblieben, bin als (unv. #00:04:25.9#) in die Brauerei eingestiegen und seitdem bin ich immer noch hier.

Markus: Und wie lange ist das jetzt her, dass du in Kolumbien angekommen bist?

Jonas Kohberger: Im November 2014.

Markus: Also doch schon eine ganz schön lange Zeit. Und hast mittlerweile dort auch eine Familie gegründet, oder?

Jonas Kohberger: Ja, ich habe eine Frau, habe mir jetzt auch ein kleines Stück Land gekauft, zehn Hektar, wo ich jetzt auch ein bisschen Landwirtschaft betreiben werde.

Markus: Wie müssen wir uns das vorstellen jetzt aus einer deutschen Sicht, was ist in Kolumbien anders, was sind da für Herausforderungen im Unterschied jetzt zu dem, was wir hier so kennen?

Jonas Kohberger: Das ist alles ein bisschen lockerer vom Leben her, aber vom Thema Getränkeproduktion ist es ein bisschen schwieriger. Das Gesundheitsamt (unv. #00:05:06.1#) und die wissen halt überhaupt nichts über Bier. Und die tun halt Vorschriften machen wie, eine Brauerei muss (unv. #00:05:13.5#)-Betrieb sein, (unv. #00:05:16.6#) und seit 2018 oder 2019 müssen wir, das heißt auf Spanisch, buenas practicas de manufactura haben. Ach, wie heißt denn das auf Deutsch?

Markus: Sag’s nochmal auf Spanisch, vielleicht verstehe ich es dann?

Jonas Kohberger: Buenas practicas de manufactura.

Markus: Ach so, einfach gute Handwerksverfahren oder so, würde ich sagen.

Jonas Kohberger: Ja genau, genau! So kann man das übersetzen. Und es ist halt eigentlich sehr viel passiert (unv. #00:05:42.8#), macht, aber die schreiben das halt vor, auch wie die Installation sein muss. Das muss alles leicht zu reinigen sein. Holz sollte man nicht benutzen, zum Beispiel für den Dachstuhl, was auch total absurd ist. Wo wir angefangen haben die Straße zu uns, das war quasi eine Schotterpiste und wurde das erste Mal (unv. #00:06:01.8#) 2015 meinten die „Ach, das geht nicht, ihr könnt doch hier die Brauerei nicht haben, weil die Straße ist doch nicht geteert.“. Und da wollten die, dass wir quasi sieben Kilometer die Straße teeren.

Markus: Das ist ja Wahnsinn! Das ist ja auch ein sehr, sehr großes Land. Ich glaube, so vier-, fünfmal so groß wie Deutschland. Wo bist du da so ungefähr, damit wir uns das vorstellen können?

Jonas Kohberger: An der Karibikküste, 20 Kilometer von Santa Marta ist die älteste Stadt von Südamerika, also die erste gegründete Stadt von Südamerika. Christoph Kolumbus ist quasi hier angekommen, weil wir sind hier in der Sierra Nevada de Santa Marta, das höchste Gebirge in der Nähe vom Meer.

Markus: Bist du auf den Spuren von Christoph Kolumbus ein bisschen unterwegs sozusagen. Als du da angekommen bist, war die Brauerei schon da oder hast du die komplett mit neu aufgebaut?

Jonas Kohberger: Komplett aufgebaut. Als ich gekommen bin, war noch nicht mal das (unv. #00:06:55.8#) und das Sudhaus da. Die Brauerei ist eine (unv. #00:06:58.0#) Kapelle. Also habe ich mitgeholfen quasi alles zu renovieren, dann alles zu installieren, Rezepte gemacht, Sude gemacht. Mein erster Flaschenfüller quasi mit (unv. #00:07:09.3#) Gegendruckfüllern auf einem Holzgestell gebaut.

Markus: Kann man von der Kapelle noch was erkennen, dass es mal eine Kapelle war?

Jonas Kohberger: Ja, wir haben immer noch den kleinen Glockenturm mit der Glocke und sogar noch die Jungfrau, Carmen heißt die hier, die Jungfrau Maria oder die Jungfrau Carmen, in der Brauerei.

Markus: Aber du steigst jetzt nicht auf die Kanzel, um das neue Rezept zu verkünden, oder so?

Jonas Kohberger: Nein. Also hier auch im Dorf, das war sehr umstritten, eine Brauerei in einer Kapelle. Und dann, wo man das den Leuten erklärt hat, nein, das hat Tradition, die Mönche haben Bier gemacht, Wein gemacht in der Fastenzeit. Die haben ja auch nur Bier getrunken und (unv. #00:07:49.2#). Und dann, wo man das ihnen erklärt hat, haben sie es dann schon verstanden.

Markus: Und wer war so die Zielgruppe? Also gibt’s da einfach viel Bevölkerung, wo du da jetzt bist, oder gibt’s da viel Tourismus? Oder für wen hat man dieses Bier erstmal, habt ihr dieses Bier überlegt?

Jonas Kohberger: Wir sind hier in einer sehr touristischen Zone, Touristen und auch Kolumbianer. Und vorm Coronavirus, unser Maß war 90 % Touristen, durch den Coronavirus haben wir das umgestellt, haben mehr an die Kolumbianer-Zielgruppe gedacht. Und jetzt verkaufen wir dasselbe, was wir nur den Touristen verkauft haben, (unv. #00:08:23.5#) Kolumbianer. Und der Tourismus, der ist langsam wieder am Kommen. Also erwarten wir da mindestens einen Sprung von 50 %. Haben auch schon während der Pandemie angebaut, um mindestens 10 neue Tanks zu installieren. Vor 2 Monaten haben wir endlich einen halbautomatischen Flaschenfüller bekommen. Ja, es läuft.

Markus: Apropos es läuft, ihr macht Bier und das wäre eigentlich auch ganz cool mal zu wissen, was ihr für Biere macht und vielleicht magst du mal eins mit uns aufmachen und uns ein bisschen beschreiben, was wir da haben?

Jonas Kohberger: Lass mich mal kurz, ich hoffe mal, dass das Internet bis dahin geht. (unv. #00:09:03.2#). Unsere Biere haben Namen von Vögeln und Tieren in der Region, haben eins, das heißt Happy Tukán. Das ist ein Tukan, der Vogel mit dem großen Schnabel. Das ist eigentlich (unv. #00:09:27.9# Red?) Ale, 12 % Plato, 25 Bittereinheiten, schön (unv. #00:09:33.2#) Farbe, schön karamellartig, aber auch sehr trocken. Weil ich habe diese Biere ein bisschen angepasst ans Klima. Weil rauchige Biere am Stand zu trinken bei 35 Grad ist halt nicht so toll. Alle Biere haben den Namen Happy, weil Bier macht dich ja glücklich.

Markus: Auf jeden Fall! In Deutschland dürfte man damit wahrscheinlich nicht werben, aber in Kolumbien geht das bestimmt.

Jonas Kohberger: Haben wir ein (unv. #00:09:58.1#) Pils, das heißt Happy Nebbi. Nebbi ist in der Sprache von den (unv. #00:10:03.3#), von den Eingeborenen hier, Jaguar, also wie die Katze Jaguar. Alle Biere sind unfiltriert, (unv. #00:10:11.3#) eine schöne gelbe Farbe, toller Schaum, aromagehopft mit (unv. #00:10:14.8#) und Spalt, also sehr klassisch.

Markus: Das hast du jetzt gerade im Glas das Pils, oder wie?

Jonas Kohberger: Nein, ich habe unser Pale Ale im Glas. Das ist ein Pale auch hopfengestopft mit (unv. #00:10:25.7#). Und in der (unv. #00:10:28.1#)

Markus: Also erstmal ganz spannend, dass wir zum ersten Mal akustisch live verfolgen konnten, wie so ein Bier aus dem Tank gezwickelt wird. Und das hast du jetzt, ist denn so ein Kokablatt, also das hat bestimmt so die klassischen Ingredienzen, die man so kennt, hat das Auswirkungen, wenn das im Bier drin ist?

Jonas Kohberger: Nein. Weil die Kokapflanze ist ein Tee, das ist wie ein Grüner Tee oder Schwarzer Tee. Das hat auch eigentlich gar nichts mit Kokain zu tun. Das ist zwar der Grundstoff, um Kokain herzustellen, aber die Pflanze an sich ist sehr, sehr weit entfernt von der Droge.

Markus: Und gibt’s in Kolumbien sowas ähnliches wie ein Reinheitsgebot?

Jonas Kohberger: Jain. (unv. #00:11:06.6#) die Gesundheitsbehörde schreibt vor, dass Gerstenmalz genommen werden muss, aber man kann auch verschiedene Additionen machen. Quasi mit Mais oder mit Reis, aber es soll mindestens 50 % Gerstenmalz enthalten sein.

Markus: Ich war schon in Brasilien und in Chile, und dort habe ich auch erlebt, wie gerade mit Früchten oder Kräutern oder sowas sehr viel experimentiert wird. Und es gibt dort auch dieses Chicha-Bier, dieses Urbier sozusagen. Wie ist das in Kolumbien, gab’s da eine Biertradition? Oder war die zwischendurch mal weg oder haben die Spanier eher den Wein dagelassen? Wie war das?

Jonas Kohberger: Die Chicha-Tradition in Kolumbien gibt’s immer noch, Chichas kannst du an jeder Ecke kaufen. 1890, um 1900, sagen wir mal so, hat die Familie Koch die Bavaria Brauerei hier in Kolumbien gegründet. Und die hatten eine ganz große Marketingaktion mit Plakaten und alles „Chicha macht dich krank. Es ist besser, ein gutes Bier zu trinken.“.

Markus: Das ist ja ganz schön krass. Aber wenn wir nochmal kurz bei dem Thema Chicha sind, da gibt’s die unterschiedlichsten Mythen, Sagen, Legenden, wie das hergestellt wird. Davon, dass es Leute eben kauen reihum und dann wieder ausspucken und sowas. Wie ist das in Kolumbien? Wird das auch noch so hergestellt?

Jonas Kohberger: Mit Reinspucken nicht, aber es wird halt einfach, da macht man einen Saft aus verschiedenen Früchten oder auch aus Mais, also nur gemahlener Mais, den tut man (unv. #00:12:27.8#) und dann hat man das Chicha.

Markus: Also auch alkoholisch durchaus eine ordentliche Portion?

Jonas Kohberger: Genau!

Markus: Wie kommen die Leute mit euren Bieren zurecht? Gibt’s da jetzt dann schon richtig Bierfans, die regelmäßig zu euch kommen?

Jonas Kohberger: Ja, seit 2014 hat der Craft-Boom hier in Kolumbien angefangen. Es gibt auch fast in jeder Stadt mindestens eine spezialisierte Craftbier-Bar. (unv. #00:12:49.7#) Leute, die suchen schon unsere Craftbiere oder auch andere Craftbiere, weil das kolumbianische Bier, es gibt eine große Brauerei, die Bavaria, die macht halt quasi alle Biersorten. Das heißt (unv. #00:13:02.9#), das ist sehr vertreten hier an der Küste, der Rest ist auch normal Lager, Lagerbier, 4,5 %. Ein bisschen wässrig und die Leute sind halt einfach gelangweilt von dem Einheitsbrei und die suchen schon was noch anderes.

Markus: Und wie ist es von der wirtschaftlichen Situation hier? Also Venezuela geht’s ja nun gar nicht gut und in anderen Ländern ist es in Südamerika auch gerade nicht so toll. Kriegst du da was mit? Wie ist das in Kolumbien, ist das da stabil?

Jonas Kohberger: Ja, das ist hier eigentlich sehr stabil. Das ist eher ein Aufschwung, weil die neue Generation, sagen wir mal die Millenniums, also quasi meine Generation, die haben schon studiert, haben bessere Jobs, verdienen ein bisschen mehr und gönnen sich halt mehr Sachen. Und das Bier kostet zweimal so viel oder fast dreimal so viel wie das normale nationale Bier, und die Leute doch kaufen schon viel.

Markus: Wie hast du dich mit der Sprache zurechtgefunden? Gleich am Anfang Spanisch gelernt oder kam das so mit der Zeit?

Jonas Kohberger: Als ich angekommen bin, wusste ich genau zwei Wörter, cerveza por favor, bitte ein Bier. Das war das Wichtigste. Ich habe mich mit (unv. #00:14:08.0#) ein bisschen verständigt und so Wörter und Sätze gelernt, und entsprechend fließend Spanisch.

Markus: Ihr seid zusammen mit einer Kaffeeplantage oder Kaffee-Finca oder so, ne?

Jonas Kohberger: Genau! Die Brauerei ist auf der Kaffee-Finca „La Victoria“. Das ist die noch älteste funktionierende Kaffeeplantage in Kolumbien. Die wurde gegründet 1892. Die aktuellen Besitzer sind auch Deutsche. Die haben es übernommen 1960 die Finca. Dadurch, dass wir auf einer Kaffeefinca sind, Kaffeeplantage, machen wir auch jedes Jahr den ersten Kaffee von der Ernte ein Coffee Stout. Das geht sehr gut, weil man hat den frischen und besten Kaffee. Und das (unv. #00:14:53.8#) halt Happy Colibrí. Und wurde von Ray Daniels, einer der besten 10 Biere zum Entdecken auf der Welt gekürt.

Markus: Den Ray kenne ich, der hat auch viele Bücher schon geschrieben. Das ist wirklich spannend, also muss ich unbedingt mal probieren. So ein ganz frisches Coffee Stout ist bestimmt eine ganz besonders spannende Angelegenheit. Ihr habt auch zusammen mit der Kaffeeplantage so ein bisschen das Management für die Überbleibsel vom Brauen, vom Treber. Da habe ich gelesen, es gibt eine große Grube mit Würmern, die das fressen. Stimmt das und wie kam das?

Jonas Kohberger: Ja, wir haben die große Wurmgrube, weil wenn man die Kaffeekirschen erntet, die haben eine rote Schale, und das muss man halt separieren von der Kaffeekirsche und die Schale. Und die Schale, da ist ein Kompost, auch wieder was in die Plantage eingetragen wird und die Würmer helfen halt, einen guten Kompost zu machen. Und deshalb tun wir auch den Treber mit rein, um das Volumen noch mal zu steigern. Und der Treber, der hat ja auch immer noch ein bisschen Restzucker, die Würmer, die sind glücklich.

Markus: Das kann ich mir vorstellen. Ich habe hier auch schon mal ein Bier getrunken, das jemand eben aus dem Fruchtfleisch vom Kaffee gebraut hat. Das fand ich auch spannend. Also hat jetzt nicht nach Kaffee geschmeckt, aber hatte einen sehr interessanten eigenen Geschmack. Hast du sowas auch schon probiert?

Jonas Kohberger: Im Bier noch nicht, aber mit der Schale. Zum Beispiel Starbucks hat vor zwei Jahren groß angefangen mit der Kaffeeschale Pils zu machen.

Markus: Ah, spannend! Das habe ich noch nicht probiert.

Jonas Kohberger: Vielleicht noch eine Frage zu deiner eigenen kleinen Landwirtschaft. Da habe ich gelesen, dass ihr da eine besondere Art von Wirtschaften macht, nämlich die Permakultur. Vielleicht kannst du das mal kurz erklären, was ihr da drunter versteht und wie das funktioniert?

Markus: Alles oder gar nicht. Und die Finca produziert für die Finca. Quasi ich baue Mais an, der Mais ist für die Hühner. Dann haben wir natürlich Eier und dann auch Fleisch, Hühnerfleisch. Und dann der Kot von den Hühnern ist natürlich wieder ein natürlicher Dünger, was dann wieder für die Bäume und Pflanzen und verschiedenen Früchte angebracht wird, quasi ein geschlossener Kreislauf.

Markus: Also ein unglaublich nachhaltiges Konzept. Das finde ich echt toll. Sehr, sehr spannend! Kommst du denn ab und zu mal nach Deutschland zurück? Oder war das jetzt wegen Corona überhaupt möglich?

Jonas Kohberger: Das letzte Mal war ich in Deutschland 2018, schon wieder drei Jahre her.

Markus: Wie habt ihr die Corona-Zeit erlebt bei euch?

Jonas Kohberger: Hier war auch, alles wurde dichtgemacht, alles abgeschottet. Man konnte nur raus, mit der letzten Nummer vom Personalausweis konnte man zweimal die Woche einkaufen gehen. Dadurch, dass wir eigentlich auf einem Berg oben sind, wir sind auf 600 Meter Meereshöhe, hatte man ein bisschen mehr Freiheit. Dadurch, dass ich jetzt das Bier mache, quasi unbeschränkte Freiheit, weil Bier ist quasi ein Lebensmittel. Also die Lebensmittelproduzenten konnten ganz normal arbeiten gehen und ausliefern ohne Restriktionen.

Markus: Okay! Und jetzt ist das Leben aber wieder mehr oder weniger normal?

Jonas Kohberger: Mehr oder weniger. Die Impfung auch wie in Deutschland, es wird halt im Moment sehr viel geimpft. Ich warte jetzt immer noch auf nächsten Monat zum Impfen, weil hier wird das mit dem Alter gemacht, zuerst die Älteren und dann die Jüngeren. Und mittlerweile von 35 Jahren und aufwärts wird geimpft, und ich bin 32 Jahre alt, also muss ich noch ein bisschen warten.

Markus: Ja, dann drücken wir dir ganz fest die Daumen, dass das gutgeht und dass es auch mit der Brauerei weiterhin gutgeht. Ich würde mich freuen, wenn wir ein bisschen in Kontakt bleiben und vielleicht, wenn du dann mal nach Deutschland kommst und ein Bierchen mitbringst, dass wir uns mal sehen. Also vielen Dank auf jeden Fall für deine Zeit, für die Infos. Und heute noch einen schönen weiteren Tag. Du bist ja schon um drei Uhr morgens aufgestanden, können wir uns gar nicht vorstellen wahrscheinlich.

Jonas Kohberger: Eine Sache habe ich auch noch. Wir sind auch mittlerweile mit dabei, eine Craft-Destillerie aufzubauen. Das ist auch ein tolles Projekt, weil Kolumbien hat halt sehr viele Früchte. Und da haben wir vor drei Wochen einen Mango-Schnaps gebrannt, haben auch Calvados mit dem (unv. #00:18:52.6#) von hier, der schmeckt fast wie Calvados, ein neues Abenteuer.

Markus: Das klingt auf jeden Fall nach einem alkoholischen, aber auch nach einem sensorischen aromatischen Abenteuer. Spannend!

Jonas Kohberger: Vielen Dank, Markus! Und wir bleiben in Kontakt. Und wenn ich nach Deutschland komme, treffen wir uns auf ein Bier.

Markus: Und auf ein Schnäpschen. Ha-ha-ha!

Jonas Kohberger: Genau!

Markus: Also bis dann! Danke schön! Ciao!

Jonas Kohberger: Okay! Ciao!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 26 – Interview mit Christian Fiedler, Bier-Autor und Bierflaschensammler aus Bamberg

Aufgewachsen in Bamberg hatte Christian Fiedler zwar naturgemäß eine innige Beziehung zum Gerstensaft, widmete sich allerdings erst einmal seinem Geographie-Studium. In Amt und Würden angekommen, meldete sich das Biergewissen wieder – und aus einer Geschenkidee heraus entstand das Standardwerk zur Bamberger Biergeschichte „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“, das heute in der vierten Auflage schon wieder vergriffen ist. Zum Dank für diese Arbeit gab es den Bamberger Bierorden, der jedes Jahr am 23. April Freibier in der Stadt garantiert. 2020 folgte mit den „Bamberger Biergeschichten“ der nächste Klassiker, in dem Christian Fiedler mit allerlei Mythen und Legenden rund um das Bier der Oberfrankenmetropole aufräumt. Außerdem besitzt er noch die größte Sammlung historischer Bamberger Bierflaschen, um die zu bekommen er schon vierstellige Höchstgebote setzen musste. Ein spannender BierTalk mit vielen Geschichten und einem Einblick in ein wahrhaft bierverrücktes Leben…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute ein Special und so ein bisschen ein Special unter Bier Freaks oder Bier Geek oder wie man auch immer sagen will. Wir haben heute zu Gast den Christian Fiedler, der sich auch gleich selber ein bisschen vorstellt. Erstmal Christian, schön, dass du da bist. Erzähl doch mal den Hörern kurz, mit wem haben wir es denn heute zu tun?

Christian Fiedler: Vielen Dank, Markus! Mein Name ist, wie gesagt, Christian Fiedler. Ich bin der Bier-Community vielleicht dadurch bekannt geworden, dass ich zwei Bücher geschrieben habe. Das erste im Jahr 2004 mit dem Titel „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“. Darin habe ich die Geschichte der Bamberger Braustätten, die es seit 1818 in Bamberg gegeben hat, nachgezeichnet. Dieses Buch hat sich, glaube ich, ein bisschen so als historisches Standardwerk für die Brauereien und Brauereibetriebe in Bamberg entwickelt. Und habe dann im letzten Jahr, 2020, noch ein weiteres Buch folgen lassen, „Die Bamberger Biergeschichten“, wo es eben, wie der Titel schon sagt, auch wieder um lokale Bezüge zum Bamberger Bier geht. Verbunden aber auch natürlich schon ein bisschen mit Historie und mit Geschichte und mit Geschichten. Vielleicht zu meinem Hintergrund ist zu sagen: Ich habe, klar, in Bamberg studiert, Geographie. Und dazu ist dann auch so ein bisschen der Bezug und das Interesse gekommen für die historischen Hintergründe mit dem Bier und dem Brauwesen in Bamberg.

Markus: „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“, das streichelt natürlich meine Seele und ich glaube die von vielen anderen auch. Das sind jetzt schon über vier Auflagen, glaube ich, draußen und vergriffen. Fangen wir vorne an. Also du wächst in Bamberg auf und wie kommst du dann überhaupt zum Bier und wie hat dich das dann in deinem Studium so gepackt, dass du irgendwann gesagt hast „Mensch, das ist ein Thema, mit dem möchte ich mich auch beschäftigen“?

Christian Fiedler: Ja, ist ein guter Punkt gewesen. Ich habe mit Bier lange Zeit nicht so viel zu tun gehabt. Mein erster Kellerbesuch, das weiß ich noch ganz genau, war 1987 auf dem Keller der Brauerei Spezial. Damals hat das Bier 1,80 Mark gekostet und ich war dann meistens mit 3,60 Mark schon immer gut bedient und habe mich dann sozusagen dem Bier spielerisch genähert über die vielen Bierkeller-Besuche bei uns in Bamberg. Ich habe dann, wie gesagt, Geographie studiert, bin in Bamberg geblieben nach dem Abitur am Kaiser-Heinrich-Gymnasium und habe dort Diplom-Geographie gewählt. Als unser Professor am Lehrstuhl, der auch mein Doktorvater war, der Herr Professor Becker, 65 geworden ist, da ist die Idee entstanden, wir müssen unseren Doktorvater eine Festschrift oder irgendwie eine Publikation zukommen lassen. Er selber wollte aber keine richtige Festschrift haben, er wollte irgendwas anderes haben. Da haben wir, sozusagen die Dozenten am Lehrstuhl und seine ehemaligen Schüler, uns ausgedacht, wir machen einen Exkursionsführer durch Bamberg und durch das Umland. Da habe ich mich mit zwei Kolleginnen, Astrid Jahreiß und die Tanja Roppelt, die in Bamberg oder vielmehr auch hier in Buttenheim bekannt ist als Leiterin des Levi-Strauss-Museums, haben wir uns zusammengetan und haben einen Artikel geschrieben über den Einfluss des Brauwesens auf die Stadtgeschichte. Da habe ich mich zum ersten Mal historisch intensiver mit dieser Thematik beschäftigt. Und dabei ist einfach deutlich geworden, es gibt zwar viel Literatur über Bamberg, über das Bier und über das Brauwesen, aber es ist vor allem auch viel Unfug, was da geschrieben stand. Da ist dann so der Wunsch entstanden, das alles mal ein bisschen zu sammeln, zu sortieren und vielleicht das Ganze auch ein bisschen mehr auf wissenschaftlich fundierte Beine zu stellen. Und über diesen ersten Aufsatz kam ich dann auf die Idee, 2004 dieses Buch zu schreiben „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“. Wo ich eben ein bisschen aufräumen wollte mit den Sagen und Mythen, die es gibt. Ob mir das gelungen ist, weiß ich nicht genau, vielleicht ein bisschen. Als es dann darum ging, das Buch irgendwie auch zu betiteln, habe ich mich entschieden für den Titel „Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres“. Es gab damals immer noch die große Radiowerbung aus Kulmbach, da wurde Kulmbach als die heimliche Hauptstadt des Bieres bezeichnet. Das war natürlich auch ein bisschen aus lokalpatriotischer Sicht der Anreiz zu sagen „Gut, Kulmbach mag die heimliche Hauptstadt des Bieres sein, aber die wahre Hauptstadt ist natürlich Bamberg. Das war dann der Grund für diesen Titel und für dieses Buch.

Markus: Ja, absolut! Dem kann man natürlich als Mit-Bamberger auch nur zustimmen. Ich finde es aber überhaupt schon interessant, wie das emotionalisiert, also wie überhaupt, wenn man überhaupt von einer Hauptstadt des Bieres spricht, das ist schon mal was, wo man merkt, das muss den Leuten wirklich wichtig sein, das muss ein Thema sein, wo sie sagen, da ist es wert, sich drum zu streiten, ob man eine Hauptstadt ist sozusagen. Und dann eben noch diese Diskussionen zwischen heimlich und wahr und so. Aber ich denke mal, also mir ging es auch so, wenn man in Bamberg aufwächst, dann ist das alles ganz normal. Dann hat man vielleicht sogar zwischendurch mal eine gewisse Distanz zum Thema Bier. Wenn man dann zum Beispiel an der Uni ist und lernt oder erfährt, wie andere Leute da drauf gucken und wie begeistert die sind und wie da die Augen leuchten, wenn man in den Bierkeller geht oder in eine Brauereigaststätte, dann merkt man das, glaube ich, erst wirklich zu schätzen. Das sind so die Momente, wo ich heute immer noch sehr davon zehre und mich freue, wie begeistert die Leute sein können, die man hier einlädt. Aber dich hat es dann letzten Endes weg aus Bamberg verschlagen, oder?

Christian Fiedler: Genauso ist es. Ich bin beruflich bedingt seit 2002 im Rhein-Main-Gebiet ansässig, bin aber, ehrlich gesagt, noch nicht so richtig heimisch geworden hier. Ich fühle mich da noch so ein bisschen als Gastarbeiter, einfach weil ich durch die Familie, durch Freunde und eben auch über die Biergeschichte immer noch sehr, sehr eng mit Bamberg verbunden bin. Ich komme natürlich auch alle drei, vier Wochen in die Heimat. Natürlich nicht dann ohne den Kofferraum mit Bamberger Bier voll zu laden, um hier in der, ja, hessischen Bier-Diaspora entsprechend überleben zu können. Das Gute ist, von Frankfurt nach Bamberg ist man, na gut, je nach Verkehrssituation eigentlich auch in zwei Stunden hin und her gefahren. Das ist eigentlich ganz gut. Aber ich bin tatsächlich hier in Wiesbaden beschäftigt bei einem Forschungsinstitut. Das hat mit Bier jetzt mal gar nichts zu tun, aber das Bier als Leidenschaft und vor allem die Geschichte des Brauwesens hat mich bis heute nicht losgelassen und hat nach wie vor eine große Faszination, die es auf mich ausübt.

Markus: War das vielleicht auch ein bisschen Einstellungskriterium, als du dich um den Job beworben hast, dass die gesagt haben „Mensch, da holen wir uns endlich Bierkompetenz ins Haus“?

Christian Fiedler: Leider nein, damit konnte ich damals noch nicht punkten. Aber es war eine lustige Geschichte: Als nämlich ich 2007 beim jetzigen Arbeitgeber angefangen habe, habe ich gesagt im Vorstellungsgespräch, ich bräuchte in zwei Wochen schon einen Tag Urlaub, denn mir wurde im Jahr 2007 der Bierorden der Stadt Bamberg verliehen. Der wird einmal im Jahr an Leute verliehen, die sich für das Bier verdient gemacht haben. Das hat natürlich dann gleich für Lacher gesorgt, als ich beim Vorstellungsgespräch gesagt habe „ich bekomme den Bierorden der Stadt Bamberg überreicht und muss deswegen in zwei Wochen gleich schon mal den ersten Tag Urlaub nehmen“.

Markus: Das ist auch was, wo die Leute dann schon ein bisschen gucken und andererseits auch, wenn man dann die Umstände so ein bisschen erzählt, dass wir als Bierordensträger an dem Tag quasi Freibier in der Stadt haben, da kommt dann immer schon so ein bisschen der Neid auf.

Christian Fiedler: Absolut!

Markus: Apropos, im BierTalk trinken wir ja auch mal ein Bierchen. Ich habe dich gebeten, dir eins rauszusuchen, was du jetzt, wir haben Morgen, mit uns verkosten möchtest. Was hast du dir für eins ausgesucht? Warum? Und mach’s doch dann auch gerne mal auf.

Christian Fiedler: Dann bin ich jetzt schon mal in der Bredouille natürlich, weil wie gesagt, ich bin auch Bierordensträger der Stadt Bamberg und damit irgendwie auch gegenüber den Brauereien irgendwie zur Neutralität verpflichtet. Deswegen will ich hier keine Partei ergreifen für eine besondere Brauerei. Aber ich habe mich tatsächlich für ein Bamberger Bier natürlich entschieden, und zwar für ein Lagerbier der Brauerei Spezial. Aus verschiedenen Gründen, weil es mir natürlich erstens unglaublich gut schmeckt und weil ich der Meinung bin, dass dieses Rauchbier mit der handwerklich hergestellten Malzfabrikation so ein unglaublich aufwändiges Produkt ist. Wenn man einmal sieht, mit welchem Aufwand hier Malz noch in Handwerksarbeit hergestellt wird, dann weiß man dieses Bier auch noch mal ganz anders zu schätzen. Zumindest geht’s mir so. Und ich finde, dass dieses Bier, dieses Lagerbier der Brauerei Spezial, ja, das klingt fast schon ein bisschen poetisch, aber eine richtig tiefe Seele hat. Ich finde, das ist eines der Biere, die man unbedingt mal genießen sollte, wenn man in Bamberg ist. Und deswegen würde ich sagen, wenn wir hier drüber sprechen, dann machen wir es doch am besten gleich mal auf.

Markus: Ja, mach’s doch mal auf. Da bin ich gespannt, was du dazu sagst. Ich kann auch nur sagen, ich werde immer mal gefragt, welches Bier würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen oder sowas, und da gehört das für mich auch absolut dazu. Und lustigerweise komme ich auch gerade aus der Spezial Brauerei, ich war jetzt da gerade mit ein paar Bekannten aus Italien dort und wir haben uns die Brauerei angeschaut und auch die Mälzerei. Das ist in der Tat absolut faszinierend, dass die quasi immer noch so arbeiten wie eben vor 200, 300, 400 Jahren. Es ist ganz viel Handarbeit immer noch da und überall, wo man da drin ist, da ist einfach dieses Aroma, dieser Rauch gegenwärtig. Und wenn man dann oben steht in diesem Silo, wo das Malz dann auch gelagert wird und dann probieren kann, das ist wirklich ein absoluter Traum. Und natürlich für Bamberger wie uns ein großes Kino sozusagen. Aber ich will dich gar nicht lang unterbrechen: Wie schmeckt‘s dir denn?

Christian Fiedler: Mir schmeckt‘s ausgezeichnet. Wenn du sagst, auf eine einsame Insel einen Kasten Spezial, dann bräuchten wir auch natürlich einen guten Kühlschrank, der das mit kühlt. Aber wenn das so kühl gelagert wird, es ist ein Genuss, es schmeckt einfach kräftig. Also ich bin leider kein Biersommelier, ich kann immer nur sagen, mir schmeckt‘s oder mir schmeckt’s nicht, aber dieses Bier schmeckt mir wirklich ganz, ganz ausgezeichnet.

Markus: Das ist auch das ultimative Kriterium am Ende, am Ende des Tages.

Christian Fiedler: Eigentlich ja!

Markus: Also egal, was man da irgendwie beschreibt oder erzählt, es muss den Leuten schmecken. Und letzten Endes ist es eben so, für alle, die jetzt nicht ganz so tief in der Bamberger Bierkultur drin sind, haben wir diese zwei Brauereien, Schlenkerla und Spezial, die eben beide nach wie vor Rauchbier machen und weltweit die Einzigen sind, die das eben immer gemacht haben, und auch die beiden einzigen sind, die ihr Malz selber herstellen. Beim Spezial kommt eben dazu, dass sie sogar alle Schritte des Malzes komplett selber machen noch, also sich auch die Gerste anliefern lassen und dann wirklich vom Weichen und Keimen bis zum Darren am Ende den Prozess wirklich komplett selber noch machen. Das macht das Ganze so ein bisschen besonders. Und ihr Lagerbier ist von der Intensität, wenn man es jetzt so ein bisschen einordnen würde, vielleicht so die Nummer 3 in Bamberg. Also das Intensivste ist wahrscheinlich das Schlenkerla Märzen, was die klassisch ausschenken. Und dann hat man auch von der Spezial Brauerei ein Märzen, und dann gibt’s eben das Lager, was ein bisschen weniger intensiv ist, aber trotzdem für die Leute immer noch sehr spannend, sehr rauchig, und hat dann eben wunderschön diesen Charakter, diese wunderbare Farbe schon, so ein Braun mit Rotstich und dann eben dieses schöne …

Christian Fiedler: Sieht superschön aus. Ja.

Markus: Ach Gott! Ganz, ganz toll, freut mich sehr. Und schön, dass du dieses Bier ausgewählt hast. Ich mach mir mal meins auch auf, weil dann können wir auch mal virtuell quasi anstoßen. Ich hatte dieselbe Bredouille wie du, ich wollte jetzt auch keine Bamberger Brauerei bevorzugen, und habe mir dann gedacht, na ja, nachdem der Tag heute für mich noch ein bisschen länger dauert und ich noch ein paar Termine habe, nehme ich mal ein alkoholfreies Bier. Da mache ich sehr viel, beschäftige mich auch damit, auch mit neuen Entwicklungen, und habe mir neulich mal so eine gemischte Kiste aus Belgien und Niederlanden kommen lassen mit verschiedenen neuen alkoholfreien Bieren, die ich auch noch nicht kenne. Und habe hier von Hertog Jan das alkoholfreie 0,0. Da steht drauf „(unv. #00:10:58.4# vol van smaak?), also mit vollem Geschmack und „(unv. #00:11:01.3# verfrisen mit en bitterne?)“, also erfrischend mit einer Bittere. Gucken wir mal, was das so zu bieten hat.

Christian Fiedler: Das klingt zumindest schon mal ganz gut.

Markus: Ja, also es fließt auf jeden Fall schon mal schön ins Glas, hat eine wunderbare goldene Farbe, also das ist auf jeden Fall auch sehr einladend. Oben schöner weißer Schaum. Passt! Riechen wir mal rein. Ja schön, so malzig, bisschen brotig, auch ein bisschen so Honigaromen. Probieren wir es mal. Mmh, also einen satten vollen Körper. Dann so ein bisschen eigentlich typische belgische Hefearomen. Und hintenraus kommt dann tatsächlich eine relativ kräftige Bittere, die auch lange bleibt. Es moussiert ein bisschen im Mund. Also ist, ich weiß nicht ganz genau, welchen Bierstil es repräsentieren soll, ich würde mal sagen wahrscheinlich ein Blonde. Also das Gegenstück vielleicht ein bisschen zu dem, was wir als Helles haben. Aber durch diese belgischen Hefearomen ist es eben fruchtiger und ein bisschen voller und ein bisschen frischer. Aber ein schönes Bier für diesen Morgen. Also Prost!

Christian Fiedler: Prost!

Markus: Wir haben darüber gesprochen, du hast die beiden Bücher verfasst. Und bei dem zweiten, neueren geht’s jetzt auch ganz viel so um die Geschichten hinter der Geschichte. Vielleicht können wir da so ein, zwei Highlights mal unseren Hörern erzählen. Ich erinnere mich, zum Beispiel gibt’s diese Geschichte rund um den Bamberger Bierkrieg, also dass es da sogar Soldaten und Hauptmänner und Bierlieferungen, die irgendwo gestoppt und beschlagnahmt wurden. Was weiß ich, was es alles für Geschichten gibt. Vielleicht können wir diesen Mythos mal als erstes aufräumen. Gab’s diesen Bierkrieg überhaupt und was hast du rausgefunden und was hat das für die Stadt bedeutet?

Christian Fiedler: Den Bierkrieg gab es tatsächlich, auch wenn man vielleicht heute mit Abstand sagen muss, das wurde natürlich immer wieder auch ein bisschen überhöht dargestellt, und man muss es immer auch vor dem damaligen Zeitgeist sehen. Dieser Bamberger Bierkrieg ereignete sich im Oktober 1907 und damit eigentlich schon relativ nahe auch am Ersten Weltkrieg orientiert. Ich glaube, das war damals auch ein bisschen so die Grundstimmung, die Bevölkerung war einfach kriegsbereit. Ich glaube, vor diesem Hintergrund, der politisch und auch in größerem Umfang gesehen werden muss, hat sich dann in Bamberg dieser kleine Bierkrieg entwickelt. Hintergrund war der, dass die Bamberger Brauereien, die damals übrigens das Bier zum gleichen Preis ausgeschenkt hatten, also sich abgesprochen hatten, wie teuer das Bier ist, die haben beschlossen, dass das Bier zu günstig ist, denn sie hatten steigende Kosten durch verteuerte Rohstoffe, durch verteuertes Heizmaterial, auch die Lohnkosten sind immer weiter gestiegen und die Preise für Maschineneinrichtungen sind höher geworden. Da haben die Bamberger Brauer sich zusammengetan, das war an sich schon mal schwierig, weil es erstens über 30 waren, die sich eben nicht immer einig waren. Aber sie haben dann beschlossen, den Preis für den halben Liter Bier, also für das Seidler Bier, von 11 auf 12 Pfennige zu erhöhen. Daraus hat sich dann ein Boykott der Bürger entwickelt, der letztendlich dann nach sieben Tagen dazu geführt hat, dass die Brauer ihren Bierpreis wieder zurückgenommen haben und dann wieder für 11 Pfennig das Bier ausgeschenkt haben. Das ist so in etwa die Story, die dahintersteckt. Es gibt aber nicht nur in Bamberg Bierkriege, sondern es gibt viele Städte, in denen es vergleichbare Boykotte oder Bierkrawalle, wie man sie auch genannt hat, gegeben hat. Beim Bamberger Bierkrieg habe ich mich, wie gesagt, ein bisschen eingelesen. Man muss sagen, dass dieser Bierkrieg sich schon Jahre vorher angedeutet hatte, einfach weil die Brauereien das Bier erhöhen wollten. Gleichzeitig haben sie dazu natürlich die Zustimmung der Gastwirte gebraucht, sie haben ja die Restaurants, die Gasthäuser mit Bier beliefert. Diese Gasthäuser wollten aber diese Bierpreiserhöhungen natürlich nicht mittragen, weil sie sonst den Unmut der Gäste zu spüren bekommen hätten. Die Gastwirte wollten viel lieber den Bierbezugspreis senken. Also sie wollten das Bier von der Brauerei billiger bekommen, die Brauereien aber wollten das Bier teurer verkaufen. Dadurch kam es dann sozusagen zum großen Interessenskonflikt zwischen den Brauern auf der einen Seite und den Gasthaus-Betreibern auf der anderen Seite. Dann haben sich einige skurrile Begegnungen ergeben, zum Beispiel die Tatsache, dass dann Bier aus Forchheim und aus Erlangen importiert worden ist, also mit dem Pferdewagen nach Bamberg geliefert ist. Die haben das dann zum alten Preis geliefert. Die Gastwirte haben selbst aufgerufen, verstärkt Apfelwein zu trinken oder eben gar kein Bier mehr zu trinken. Und damit wollte man eben den Widerstand gegen die Brauereien entsprechend größer machen. Was letztlich nach einer Woche dann auch gelungen ist. Es gibt da ein schönes Bild, weil nämlich diese Personen, die das maßgeblich angezettelt haben, das waren unter anderem zwei Gastwirtsbesitzer, die haben dann sogar eine eigene Postkarte von sich machen lassen zur Erinnerung an den Bierkrieg von 1907 und haben sich da entsprechend dann feiern lassen, dass sie die Brauereien mehr oder weniger in die Knie gezwungen haben.

Markus: Faszinierend, und auch wie du schon sagst, dieser Anklang, wo eben schon dieser beginnende Militarismus da so ein bisschen zu hören ist. Das merkt man auch daran, dass dann der Dritte auf der Postkarte eigentlich ein Buchhalter ist, der dann den Titel Feldmarschall bekommen hat, …

Christian Fiedler: Richtig, ja!

Markus: … Karl Panzer, also das finde ich schon auch eine ganz spannende Geschichte. Diese Postkarte geistert auch immer so ein bisschen durch viele Bamberger Bücher und sonst wo im Internet rum. Das ist sehr spannend. Was ich auch interessant finde, man sieht da unten die Erwähnung von dem § 11. Das sieht man auch immer wieder bei alten Speisekarten in Brauereien, wenn man das irgendwo sieht. Ich weiß nicht, weißt du, was es damit auf sich hat?

Christian Fiedler: Das ist ein guter Punkt, Markus, den du ansprichst. Ich hab‘s leider bis heute nicht herausgefunden, ich weiß es nicht. Aber es ist extrem, dass dieser § 11 auftaucht. Wenn es mir jemand sagen könnte, wäre ich sehr dankbar und vielleicht auch ein Stückchen schlauer, (unv. #00:16:39.6#)

Markus: Dann werde ich das Geheimnis lüften. Gut, also ganz so kompliziert ist es auch nicht. Aber was eben interessant ist, dass es diese Verbindung auch zu den Studentenverbindungen, die es damals noch in großer Zahl gab und die da auch ein großes Ansehen hatten. Die haben für ihre Kommerze, wenn die sich treffen, eine Ordnung sozusagen, wie man sich da verhalten hat, wann man aufstehen darf und wann man sich hinsetzen muss und wann man trinkt und so weiter. In dieser Bierordnung, die die da für ihre Veranstaltung haben, da gibt’s eben verschiedene Paragrafen. Der § 11 ist dann der, der heißt: Es wird weiter gesoffen. Also auf lateinisch: porro bibitur. Das ist praktisch so einerseits ein bisschen Trotz, wenn das so in den Gaststätten hängt und auf dieser Postkarte ist, und andererseits eben auch Verpflichtung, dass man eben dem Alkohol entsprechend zuspricht. Kennt man von Studentenverbindungen. Aber deswegen taucht es immer wieder auf und wird eben damit gleichgesetzt, dass man sagt „hier wird auf jeden Fall ordentlich konsumiert“ sozusagen. Daher kommt das.

Christian Fiedler: Sehr spannend! Siehst du. Vielen Dank!

Markus: Ach Gott, kein Thema! Ich bin froh, dass ich auch dir mal was erzählen kann. Es gibt da noch so mehr Dinge. Ich habe auch mal gelesen, dass die Bamberger Feuerwehr was mit Bier zu tun hat. Gibt’s da eine Geschichte dazu?

Christian Fiedler: Auch das ist ein sehr schöner Beleg dafür, wie eng die Entwicklung des Brauwesens mit der Stadtgeschichte verwoben ist. Früher hat man gerade in den Braubetrieben sehr viel mit offenem Feuer hantiert. Man denkt zum Beispiel jetzt nur an das Darren, worüber wir schon gesprochen haben. Das wurde über offenem Holz getrocknet. Das war eine ständige Feuerquelle oder ein Problem, dass eben Brände ausbrechen konnten. Zumal viele Häuser oder auch Dachböden natürlich aus Holz gebaut waren. Auch beim Bierbrauen selbst, beim Sieden, musste natürlich mit offenem Feuer hantiert werden. Oder auch beim Abdichten der Fässer, die hat man früher, um sie möglichst dicht zu halten, mit heißem Pech gepicht, also abgedichtet, damit es zwischen den Dauben wasserdicht oder in dem Fall eher bierdicht bleibt. Das heißt also, mit offenem Feuer wurde bei den Braubetrieben früher sehr, sehr viel hantiert. Es ist leider sehr oft vorgekommen, dass dieses Feuer eben unkontrolliert ausgebrochen ist. So gibt’s eigentlich fast keine Brauerei, in der es nicht irgendwann mal gebrannt hat. Die Leute hatten früher vor Bränden sehr viel mehr als heute natürlich extreme Angst, denn die Häuser waren gerade im Innenstadtbereich dicht bebaut, Haus an Haus. Wenn irgendwo mal in einer Brauerei ein Feuer ausgebrochen ist, dann bestand eben auch die große Gefahr, dass dieses Feuer auch auf andere Häuser übergreift. Damals waren natürlich die Feuerwehren noch nicht so ausgerüstet wie heute. Deswegen hat man versucht, diese Feuergefahr entsprechend zu reduzieren, indem man vorgeschrieben hat, dass die Türen zu den Malzhäusern nicht aus Holz sein dürfen, sondern die mussten aus Metall sein. Manchmal, das sieht man auch in Bamberg immer noch ganz gut, waren die Brauhäuser auch räumlich getrennt von der anderen Bebauung. Also vorne war das Gasthaus, dann kam ein Innenhof und dahinter war dann erst das Brauhaus. Einfach auch, um zu vermeiden, dass das Feuer direkt an die Häuser geht und übergreift. Trotzdem kam es auch immer wieder mal zu großen Feuersbrünsten. Auch in Bamberg sind leider einige Brauhäuser oder auch die Nachbarschaftshäuser in Flammen aufgegangen. Einer der einschneidenden Tage in der Bamberger Stadtgeschichte war sicherlich der 3. Januar 1860. Da ist nämlich auch wieder ein Feuer ausgebrannt oder ausgebrochen, und zwar in der Brauerei Jäck. Das ist für die, die sich in Bamberg ein bisschen auskennen, am Maxplatz gewesen. Innerhalb von wenigen Stunden ist die Brauerei dort komplett abgebrannt. Ein Problem war, und das haben auch die Zeitzeugen damals in den Zeitungen berichtet, es gab zwar viele Menschen, die helfen wollten, die Wasser herbeigebracht haben in Kübeln und versucht haben, irgendwie zu löschen, aber die Löschbemühungen waren einfach unkoordiniert und jeder hat irgendwas gemacht, aber einfach nicht kontrolliert. Man hat dann scheinbar hier mehr Unruhe entwickelt, als dass man den Brand gekämpft hat. Das hat dann in Bamberg die Diskussion befeuert, im wahrsten Sinne des Wortes, dass man doch unbedingt auch eine schlagkräftige Feuerwehrtruppe brauchen würde. So gab letztendlich dann dieser Brand in der Brauerei Jäck den Anlass, dass sich in Bamberg die Freiwillige Feuerwehr gegründet hat. Und zwar schon 13 Tage später am 16. Januar 1860 haben sich in Bamberg mehr als 70 Bürger zusammengetan und haben in der Gaststätte Pelikan, die es auch heute noch gibt, die Gründungsversammlung der Bamberger Feuerwehr abgehalten. Soviel ich weiß, wird auch heute noch einmal im Jahr dieser Tag dort gefeiert mit den Leuten der Freiwilligen Feuerwehr. Das ist eigentlich ein sehr schönes Beispiel, dass die Brauereien und letztlich auch die Biertrinker damit verantwortlich sind, dass sich damals die Feuerwehr gegründet hat, die nicht nur hilft, wenn es in den Brauereien brennt oder in den Mälzereien, sondern eben auch jedem Bürger zugutekommt, wenn irgendwo ein Feuer ausgebrochen ist. Ich glaube, das ist eine schöne Geschichte, wie sich so Brauereihistorie und Stadtgeschichte miteinander verzahnen.

Markus: Ja, auf jeden Fall! Natürlich helfen die Feuerwehrler auch, wenn sie ihren persönlichen Brand mit dem Bier löschen, …

Christian Fiedler: Definitiv!

Markus: … und unterstützen damit dann auch die Brauereien. Ich finde das auch ganz spannend, vor allem eben dieser Zusammenhang mit dem Thema Feuergefahr und Bier. Der bekannteste Brand, den ich so kenne, ist der große damals in Erlangen 1706. Das war zumindest von der Geschichte her wohl so, dass da auch bei einer Brauerei, die hatten auch eine Brennerei und wollten da wohl gerade eine Destillation ansetzen, und da muss wohl das Feuer aus gekommen sein, muss ein Fuhrwerk in Brand gesetzt haben. Das Pferd, was noch drangeschnallt war, ist dann durchgegangen und dann ist dieses brennende Fuhrwerk durch die halbe Stadt gefahren und am Ende ist Erlangen fast komplett abgebrannt. Das ist in der Tat damals natürlich wirklich ein großes Thema gewesen. Jetzt haben wir zwei spannende Geschichten gehört. Wollen wir vielleicht noch eine dritte machen? Hast du noch eine Lieblingsgeschichte?

Christian Fiedler: Ja, eigentlich sind alles Geschichten, meine Lieblingsgeschichten, aber vielleicht eine besondere, und zwar das Thema Flaschenbier. Ich weiß nicht, da denkt man eigentlich meistens nicht so richtig drüber nach, was es bedeutet, Bier aus der Flasche zu trinken, weil es für uns völlig normal ist, dass Bier in Flaschen gelagert und getrunken wird. Aber lange Zeit war es natürlich auch in Bamberg üblich, dass man das Bier in der Gaststätte trinkt. Also man ist in die Brauerei oder ins Gasthaus oder im Sommer eben auf den Bierkeller oder in den Biergarten und hat das Bier dort konsumiert. Eine andere Möglichkeit war natürlich, das war auch noch beliebt lange Zeit und hat, glaube ich, auch während der Corona-Phase noch mal so ein richtiges Revival erfahren, die Gassenschenke, dass man also mit dem offenen Bierkrug in die Brauerei geht, lässt sich das Bier dort einschenken, bezahlt und geht dann wieder. Hat auch meine Mutter noch immer lebhaft erzählt, dass sie von ihrem Großvater oder von ihrem Vater immer zum Bierholen geschickt worden ist in die Brauerei Kaiserwirt oder zum Einhorn und hat dann dort das Bier sich befüllen lassen und nach Hause gebracht. Aber die eigentliche Revolution ist durch dieses Flaschenbier dadurch entstanden, dass man das Bier sozusagen wirklich verschlossen mit nach Hause nehmen konnte. Deswegen war die Erfindung der Bierflasche eine Sache, die mich persönlich sehr interessiert hat und die ich auch in dem Buch unbedingt widerspiegeln wollte. Ich erzähl mal vielleicht so ein bisschen, wie es in Bamberg gewesen ist. Das mag in anderen Städten vielleicht ein bisschen anders, aber in der Tendenz wahrscheinlich ähnlich gewesen sein. Den ersten Hinweis, den ich gefunden habe, dass Bier aus Bamberg in Flaschen abgefüllt worden ist, der findet sich im Jahr 1836, als nämlich ein Brauer aus der Königstraße das Bier in Tonkrüge, also so in Tonflaschen abgefüllt hat. Hat sie dann mit einem Korken verschlossen und um den Druck bändigen zu können, nochmal mit einem Drahtgeflecht verstärkt, so wie wir es auch heute bei Champagnerflaschen kennen, und diese Sendung mit Bamberger Bier in Flaschen hat er dann nach Nordamerika geschickt, also wohlgemerkt 1836. Das waren so die ersten Anfänge, dass Bier in Flaschen abgefüllt worden ist. Hat sich aber bei den Einheimischen Verbrauchern erstmal nicht durchgesetzt und erst so in den 1870er Jahren, als dann auch so die großen Brauereien aus München, aus Erlangen, aus Kulmbach Bier in Flaschen nach Bamberg geschickt haben, haben sich die Bamberger Brauereien allmählich Gedanken gemacht, Bier in Flaschen zu füllen. Und ab 1875 gibt’s dann auch die ersten Bamberger Brauereien, die Bier in Flaschen gefüllt haben. Das wurde natürlich dadurch befeuert, dass damals auch dann sehr viele Menschen in Fabriken gearbeitet haben, auf dem Bau. Da war es natürlich sehr schön und sehr bequem, einfach sich einen Kasten Bier mitzunehmen oder die Flasche einzupacken. Man konnte die mit dem Bügelverschluss auch schön verschließen. Das hat eigentlich auch dann dem Flaschenbier-Verbrauch einen richtigen Schub gegeben, sodass es also nicht mehr notwendig war, zum Trinken in die Gaststätte zu gehen, sondern sozusagen das Bier „to go“, ganz moderner Ansatz, das Bier eben mit nach Hause zu nehmen oder auf Ausflüge mitzunehmen oder auf die Arbeit mitzunehmen. Das fand ich eine sehr schöne Geschichte, wie sich so ein Alltagsgegenstand wie die Bierflasche, was der auch wirklich eigentlich für eine Revolution im Konsumentenverhalten ausgelöst hat. Für mich persönlich hat das noch mal vielleicht eine besondere Bewandtnis: Diese Bierflaschen, die damals hergestellt worden sind, die waren ganz individuell gestaltet. Also nicht wie heute, wo es eine Einheitsbierflasche gibt mit einem Etikett, war es damals viel mehr so, dass jede Brauerei eigene Bierflaschen hergestellt hat, und zwar mit dem Namen der Brauerei, mit dem Schriftzug aufgeprägt auf das Glas. Also bei der Glasherstellung der Flasche hat man auch den Namen der Brauerei mit aufgeprägt. So gibt’s da wunderbare alte Flaschen, so beginnend ab 1880, wo dann eben draufsteht „Brauerei Mahr Bamberg“, „Brauerei Greifenklau Bamberg“. Das sind wunderbare Zeugnisse der Brauhistorie in Bamberg. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich seit vielen Jahren solche alten Bierflaschen sammele, und versuche, möglichst viele verschiedene Varianten von solchen Flaschen zusammen zu bekommen, um sie auch dokumentieren zu können. Dieser Werkstoff Glas hat so eine unheimliche Wirkung, wenn man die schön entsprechend beleuchtet, dann sieht man auch diese Aufschrift sehr schön. Also ich finde es einerseits sehr ästhetisch vom Ansehen, aber auch als Beleg für die lokale Braugeschichte sind das sehr schöne Stücke. Deswegen war es mir wichtig, dieses Thema Flaschenbier hier in dem Buch mit unterzukriegen. Zumal ich auch eine schöne Stelle in der Bamberger Tageszeitung gefunden habe, wie die Bamberger auf dieses Bier in Flaschen reagiert haben. Denn man muss sich, wie gesagt, vorstellen, es wurde jahrhundertelang immer nur aus Bierkrügen getrunken, und als dann diese modernen Flaschen kamen, waren die Bamberger, die eh immer ein bisschen, ja, traditionsbewusst sind in ihrem Umgang, waren sie erstmal ein bisschen skeptisch, ob Bier in Flaschen überhaupt schmeckt. Auch die Brauer haben behauptet, zumindest einige, wenn sie Bier in Flaschen abfüllen, dass das Bier dann sehr schnell schal werden würde. Da habe ich eine schöne Stelle gefunden in den Bamberger Tageszeitungen aus dem Jahr 1897. Da geht’s darum, dass jemand das Bamberger Kellerleben sozusagen beschreibt. Dann kommen sie auf einen Biergarten, das ist am Bundeshof gewesen, da sehen sie, dass Bier aus Flaschen ausgeschenkt wird. Sie wundern sich erstmal, ob natürlich Flaschenbier sich, und so heißt es wörtlich, „würdig erweist eines deutschen Männerdurstes“. Aber sie machen die Flasche auf, trinken das Bier und kommen zum Ergebnis: Der Stoff ist famos. Und so hat sich dann wahrscheinlich erst recht langsam, aber dann doch recht schnell das Bier in Flaschen durchgesetzt. Und schon ab 1900 haben alle Bamberger Brauereien einen Großteil ihres Bierausstoßes über den Flaschenversand verkauft.

Markus: Ja, ein absolut spannendes Thema. Das hat sich dann eben so Stück für Stück fortgesetzt. In Berlin hat man dann ein Kartell gebildet, um dann eben eine Einheitsflasche zu haben und daraus kommt dann unser Pfandsystem. Also sehr, sehr spannende Geschichte. Du hast ganz viele davon, also eine wunderbare Sammlung. Wahrscheinlich die größte, die es so gibt, oder?

Christian Fiedler: Ja. Ich könnte sagen, ich habe weltweit die größte Biersammlung von Bamberger Bierflaschen. Aber es ist natürlich übertrieben, weil ich wahrscheinlich auch der Einzige bin, der es überhaupt sammelt. Der Sammlerkreis ist recht überschaubar. Ich habe, wie gesagt, so 160, 170 verschiedene Flaschen von Bamberger Brauereien. Die unterscheiden sich hinsichtlich des Aufdrucks. Es gab auch lange Zeit bis zum Ersten Weltkrieg Literflaschen, also sehr schöne große Ein-Liter-Flaschen zu den (unv. #00:28:13.9# passenden?) 0,5-Liter-Flaschen. Es gibt die Flaschen in Grün, es gab sie mit braunem Glas, es gab sie aufgeprägt, es gibt sie mit unterschiedlichen Verschlusssystemen. Also ich versuch wirklich, alle Varianten dieser Bamberger Bierflaschen zusammen zu klauben und habe sie auch auf meiner Webseite www.bamberger-bierflaschen.de mal zusammengestellt. Vielleicht mal ganz interessant zu sehen, was es alles für Brauereien gegeben hat und welche Bierflaschen es gegeben hat. Und natürlich sammele ich auch die Flaschen aus dem Landkreis, das gehörte dann doch irgendwie zu Bamberg mit dazu, auch da habe ich dann nochmals ungefähr 130, 140 verschiedene Bierflaschen.

Markus: Falls da jetzt jemand auf deinen Spuren wandeln will und dieses Sammelgebiet für sich erschließen will, wo bekommt man solche Flaschen denn überhaupt her? Das stelle ich mir relativ schwierig vor.

Christian Fiedler: Ja, gar nicht so einfach. Es wird auch immer schwieriger, so Flaschen zu bekommen, muss ich selbst zugestehen. Ein Klassiker ist natürlich im Internet, also bei Ebay oder Ebay Kleinanzeigen einfach mal zu schauen, ob da was angeboten wird. Dankbar sind auch natürlich irgendwelche Flohmärkte, die veranstaltet werden, wo man ab und zu mal sowas findet. Diese Flaschen, das muss man sagen, die wurden früher nie allzu weit um die Brauerei herum verteilt. Also bei Bierdeckeln, bei Bierfilzchen, da kennt man das, das war ein Sammelobjekt, die haben sich sehr schnell weit verstreut. Bierflaschen sind aber meistens sehr lokal begrenzt geblieben. Das lag vor allem auch daran natürlich, dass die Leute die Flaschen, wenn sie leer waren, behalten haben, haben dann Gelee eingekocht und haben es darin aufbewahrt oder haben Saft eingekocht und haben es aufbewahrt. Manche haben auch Öl oder irgendwelche Lacke eingefüllt. Das heißt, man findet solche Flaschen auch tatsächlich öfters mal in alten Scheunen oder wenn Häuser abgerissen werden, irgendwo zwischen den Balken oder im Dachgeschoss. Da taucht sowas immer wieder mal auf. Es gibt natürlich dann auch noch Tauschtage, es gibt richtige Veranstaltungen von Brauereiartikel-Sammlern. Da werden dann Krüge getauscht oder verkauft, es werden Gläser getauscht oder verkauft, und es gibt auch einige Bierflaschen-Sammler, die dann natürlich auch Bierflaschen anbieten zum Verkauf oder zum Tauschen.

Markus: Hm! Unter uns Gebetsschwestern, was war so die teuerste Flasche, die du jemals erstanden hast?

Christian Fiedler: Das bleibt ja unter uns: Es gab in Bamberg die Franziskaner Bräu, das war die letzte Klosterbrauerei im Franziskanerkloster auf dem Jakobsberg, und die hat 1880 zugemacht, die Brauerei. Und zwar nach einem Beschluss des Ordens, dass nämlich in ganz Bayern alle Franziskanerklöster ihre Brauereien dichtmachen sollten, um sich wieder mehr der geistigen Einkehr zu widmen. Deswegen wurden alle Franziskaner Brauereien geschlossen, mit Ausnahme des Franziskaner Klosters in der Rhön, auf dem Kreuzberg, die Brauerei gibt’s ja noch. Aber alle anderen Brauereien wurden geschlossen, und eben auch die Bamberger Franziskaner Brauerei. Ich habe dann bei Ebay tatsächlich mal eine Bierflasche von dieser Franziskaner Bräu Bamberg gefunden. Ich war natürlich total angefixt, weil ich diese Flasche unbedingt haben musste. Und habe deswegen 1111 Euro und 11 Cent als Höchstgebot abgegeben, weil ich die Flasche unbedingt haben wollte. Jetzt wirst du fragen: Habe ich den Zuschlag bekommen?

Markus: Allerdings! Ich hänge gerade in den Seilen. Ich bin gespannt.

Christian Fiedler: Ich habe sie für 22 Euro bekommen. Wenn wir von Preisen sprechen, Bierflaschen sind eigentlich relativ günstig zu bekommen. Bei Bierkrügen werden da ganz andere Preise aufgerufen. Bei Flaschen, wie gesagt, da gibt’s nicht so viele Sammler, deswegen sind die Preise für Bierflaschen mit geprägter Aufschrift, die variieren. Klar, bei denen, die es häufiger gibt, bei 2, 3, 4, 5 Euro und bei den etwas selteneren 10, 15, 20 Euro. Ist selten, dass man wirklich mal eine Flasche für 50 Euro oder irgendwas bezahlen muss. Wie gesagt, diese von mir gebotenen Höchstpreise waren ein Mondpreis, aber ich wollte die Flasche unbedingt haben. Und 22 Euro war dann offensichtlich der Marktpreis, weil der zweithöchst Bietende eben nur 21 Euro geboten hatte.

Markus: Da hattest du dann Glück, dass es nicht auch so einer war wie du, der dann 2222 Euro eingibt oder so.

Christian Fiedler: Da hast du völlig recht. Vor allem, ich habe dann irgendwann mal später einen anderen Sammler kennengelernt, der seine Sammlung aufgelöst hat. Der hatte tatsächlich von genau der gleichen Flasche noch mal fünf Stück an mich abgegeben. Da habe ich sie dann für 3 Euro oder 4 Euro das Stück bekommen. Man muss da als Sammler ein bisschen aufpassen, man wird dann vielleicht oftmals zu schnell ein bisschen emotional und will dann unbedingt irgendwas haben. Das ist aber gar nicht notwendig, wie gesagt, weil solche Flaschen gibt’s dann doch relativ häufig und der Kreis der Sammler ist eher, ja, es ist ein kleiner Kreis. Das sind meistens ältere Männer, da bin ich dann mit meinen (unv. #00:32:34.0#) 50 der Jüngste. Man kommt also immer wieder mal an irgendwelche Flaschen ran, man braucht aber auch das Netzwerk in dieser Sammlerszene, um da ran zu kommen.

Markus: Also jetzt nicht unbedingt die perfekte Geldanlage fürs Alter oder so.

Christian Fiedler: Definitiv nein! Es muss ein Spaß bleiben. Man sollte nie bei sowas hoffen, dass sich die Preise so nach oben entwickeln, dass man dann davon seinen Ruhestand finanzieren kann.

Markus: Okay! Aber immerhin, du wirst auch im Ruhestand immer ein gutes Bier haben. Jetzt sind wir langsam am Ende unserer Zeit angelangt. Dank dir ganz, ganz herzlich für deine Geschichten, für deine Zeit und natürlich auch für das schöne Bier, das wir gemeinsam trinken konnten. Man kann den Hörern eigentlich nur ans Herz legen, es gibt die Bücher von Christian Fiedler, es gibt die Websites und es gibt natürlich auch Veranstaltungen. Das heißt, es wird demnächst eine Lesung in Bamberg geben, wo man dich live erleben kann. Bin ich auch schon sehr gespannt darauf. Wie werden es in den Shownotes verlinken, damit ihr das findet. Dann für heute erstmal vielen Dank, lieber Christian, und dir noch einen wunderschönen weiteren Tag.

Christian Fiedler: Ich danke dir, Markus. Mach‘s gut!

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