BierTalk Spezial 39 – Interview mit Thomas Ötinger, Biersommelier und Hobbygastronom aus Ebern bei Bamberg

Thomas Ötinger ist seit vielen Jahren erfolgreicher Unternehmer in der Bamberger Region, vor allem rund um die Themen Marke und Marketing. 2020 entdeckte er eine neue Leidenschaft für sich: Das Bier. Als frisch gebackener Biersommelier nutzte er seine Erfahrungen und Kompetenzen, um schnell eine spannende und vielfältige eigene Welt rund um das Erlebnis Gerstensaft aufzubauen. Dazu gehörten – pandemiebedingt – Online-Verkostungen genauso wie eine eigene Gastronomie mit Blick auf den Gottesgarten und riesigem Biergarten, so dass er Bier aus allen Facetten ganz intensiv kennenlernen konnte. Und das wohlgemerkt im Nebenberuf, auch wenn das Bier bereits in seine Firma Einzug gehalten hat. Schließlich gibt es schon zum zweiten Mal ein eigenes Firmen-Weihnachtsbier, von dem wir im Podcast die letzten Flaschen verkosten und dabei ganz viel über Bier, Marketing und die Werte dahinter sprechen…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute haben wir mal wieder ein Spezial angesagt, natürlich weil wir einen speziellen Gast haben. Und, wie gesagt, die Spezials sind ja immer dann, wenn wir jetzt nicht direkt in die deutsche Brauerei- und Bierszene gehen, sondern eben ein bisschen in das drum rum. Ja und heute haben wir eine ganz spannende Person zu Gast, man könnte sagen, einen Spätberufenen oder einen Quereinsteiger oder, ja, da gibt es viele Möglichkeiten, aber vielleicht stellst du dich am besten selber mal kurz vor, willkommen, Thomas Ötinger.

Thomas Ötinger: Hallo Markus. Ja, danke schön, dass ich bei dir heute im Podcast sein darf. Also Spätberufener, hat mich noch keiner bezeichnet, das ist auch sehr, sehr spannend, aber wahrscheinlich für die Bierwelt tatsächlich spät berufen. Ja, ich stelle mich mal ganz kurz selbst vor, mein Name ist Thomas Ötinger, ich bin aktuell noch 45 Jahre alt, verheiratet seit 2000, kenne meine Frau, seitdem ich 13 bin. Habe drei Kinder, die schon 21, 20 und 17 sind, das heißt also, die sind schon aus dem Gröbsten raus oder jetzt kommen sie grade ins Gröbste. Bin aufgewachsen in der Nähe von Heidelberg im Kraichgau. Dort habe ich die meiste Zeit nicht mit Bier verbracht, sondern auf dem Fußballplatz und habe dort beim SV Sandhausen Fußball gespielt und war dann ab und zu in der Schule. Und bin dann tatsächlich 1996 in die wunderbare Region Bamberg gekommen zum studieren, als Diplom Wirtschaftsinformatiker und habe dort die Liebe zum Bier kennengelernt. Ja und, ja, was meint Markus mit spätberufen? Tatsächlich bin ich erst Biersommelier seit 2020 und das hat also eine Weile gedauert, bis ich vom Biertrinker zum Biersommelier geworden bin. Und beruflich vielleicht zwei, drei Sätze, bin ich geschäftsführender Gesellschafter einer großen Marketing-Agentur, der marcapo GmbH mit 175 Mitarbeitern, die sich, ja, sagen wir mal, um die Vermarktung von unterschiedlichen Produkten von großen Firmen kümmert. Und zwischendurch führe ich dann ach noch zehn weitere Firmen, eine Holding und auch tatsächlich eine Gastro, die wir Anfang letzten Jahres gekauft haben und die jetzt auch jetzt wieder eröffnet, also im Sommergeschäft und wo wir grade so ein paar Sachen auch grade umbauen wollen im Herbst diesen Jahres. Und das neuste Kind in dieser ganzen Holding-Struktur ist tatsächlich eine Tiny-Haus-Siedlung, wo wir Ferienwohnungen vermieten. So, vielleicht das zum Thema spätberufen oder vielleicht bunter Hund. Ich bin gespannt, was du noch alles zu mir sagst, Markus.

Markus: Also bunter Hund finde ich auf jeden Fall auch eine sehr, sehr schöne Bezeichnung. Aber, ja, das ist halt so, also ich denke mal, wenn man rührig ist, wenn man rege ist, wenn man sich für Dinge interessiert, wenn man auch sich für Sachen begeistern kann, dann geht das wahrscheinlich relativ schnell, dass man in alle möglichen Richtungen so seine Finger ein bisschen ausstreckt und sich dann halt auch überall entwickelt. Und das ist ja auch gut. Weil, ich glaube, wenn man so viele verschiedene Eindrücke hat, dann profitiert ja jeder einzelne Geschäftsbereich davon, oder?

Thomas Ötinger: Absolut. Ja, also natürlich bringe ich meine Kompetenzen aus dem Vermarktungs- und Marketingbereich in die unterschiedlichen Firmen auch mit ein und natürlich auch das mit dem Thema Biersommeliertum. Ich würde eher sagen, ich bin der Bier-Entertainer als der Bierspezialist, brauen kann ich nämlich nicht, sondern ich begeistere für mich das, was die Brauer sozusagen, ja, in die Flasche bringen oder ins Fass bringen und das vermarkte ich. Und, ja, vermarkten in dem Sinn, dass ich da halt meine Bierseminare da drüber gebe, mit viel Entertainment und viel Spaß, genau.

Markus: Ja, wobei es trotzdem Bier von dir gibt. Also wir haben heute auch im BierTalk zwei wunderschöne Flaschen, die du mir geschickt hast. Auf der einen steht Frankenliebe, auf der anderen steht Frankenmagie. Also da bin ich auch schon ganz gespannt, die werden wir natürlich verkosten. Und man darf auch nicht vergessen, gestern, also wir zeichnen jetzt hier grade Mitte Februar auf, hatten wir den Hobbywettbewerb von der Maisel Brauerei, von Maisel & Friends, den Hobbybrauerwettbewerb. Und da haben wir zusammen 125 verschiedene American Brown Ales verkostet und bewertet, schon zum zweiten Mal in Folge, das war wirklich ein sehr, sehr schöner Tag. Und das heißt also, das Bier kommt schon nicht zu kurz bei dir, oder?

Thomas Ötinger: Absolut, also es waren tatsächlich einige Braune und das waren Wet Ales, Markus, die wir verkostet haben.

Markus: Stimmt, offiziell waren es Wet Ales, ja.

Thomas Ötinger: Genau, aber es waren auch einige sehr, sehr braun, da gebe ich dir Recht. Ja, das war ein wunderschöner Tag. Also tatsächlich, das Bier kommt nicht zu kurz. Tatsächlich ist es so, dass ich fast jeden Abend eine Online-Bierverkostung mache mit Kunden von mir oder mit Kunden von Kunden oder auch dann im privaten Umfeld ab und zu mal. Das heißt also, ich habe genug von der Hopfenliebe, habe ich am Abend da. Und solche Tage wie gestern mit diesen Hobbybrauverkostungen, mit anderen Biersommeliers sich auszutauschen und dann zu fachsimpeln über Fehlaromen und so weiter, das sind dann schon die Kirschen auf der Torte im Jahr, absolut.

Markus: Ja, absolut, würde ich auch so sehen. Und, ja, wenn wir vielleicht ganz am Anfang, einige Leute haben vielleicht so ein bisschen aufgeschreckt, als sie gehört haben, Thomas Ötinger. Ötinger, das klingt ja so ein bisschen wie ein ziemlich bekanntes Bier, aber man muss sagen, du schreibst dich ja mit einem richtigen ö, mit Doppelpunkt und nur mit einem t. Sagt man das dann auch eher so Ötinger oder trotzdem Oettinger, wie ist das denn richtig?

Thomas Ötinger: Das Erste war richtig, also Ötinger, genau.

Markus: Ah, okay, perfekt. Also, wunderbar, dann haben wir das auch.

Thomas Ötinger: Lieber nicht so.

Markus: Okay, also bitte nicht verwechseln und du hast natürlich nichts mit der großen Brauerei zu tun sonst, dann hättest du was anderes zu tun, im wahrsten Sinne des Wortes.

Thomas Ötinger: Wohl wahr, ja. Allerdings bin ich tatsächlich bei jeder Bierverkostung, ist das dann tatsächlich auch der Witz, ja, ob ich denn auch von dieser Brauerei Biere dabei hätte, genau.

Markus: Ist ja irgendwie auch naheliegend und ich finde es ja auch schön, wenn man so einen einfachen Running Gag hat, den man irgendwie immer bringen kann. Weil, das ist ja so eine Lehre auch bei diesen ganzen Testings, man muss die Leute alle paar Minuten auf jeden Fall zum Lachen bringen, damit die auch dann mit Spaß bei dem Abend dabei sind, ne?

Thomas Ötinger: Ja, du weißt ja, Emotion und Information, das bleibt am besten im Hirn hängen, genau.

Markus: Ja, ich habe auch ein bisschen mal nachgeschaut so in deinem Lebenslauf und was ich ganz spannend finde, ist, du warst von 96 bis 2001 an der Bamberger Uni. Das ist, deckt sich ziemlich mit meiner Zeit, also ich habe ein bisschen früher angefangen und bin, ja, ungefähr auch bis 2001 geblieben, aber ich habe dann mal überlegt, ob wir uns da mal über den Weg gelaufen sind. Wahrscheinlich nicht, oder?

Thomas Ötinger: Wahrscheinlich waren wir an unterschiedlichen Fakultäten. Ich habe als Diplomer Wirtschaftsinformatik studiert und da war ich oben an der unv. #00:06:31-0# genau.

Markus: Ah, genau. Aber das war ja ein ganz neuer Studiengang damals, Wirtschaftsinformatik, da warst du wahrscheinlich einer der Ersten.

Thomas Ötinger: Ja, tatsächlich, also nicht der Erste, gab es schon ein paar Jahre vorher, aber wir waren tatsächlich nur 40 Leute im Jahrgang. Und jetzt, naja, mein Sohn studiert jetzt auch Diplom-Wirtschaftsinformatik, ah ne, das heißt jetzt ja Bachelor und Master, also Wirtschaftsinformatik auf der ERBA-Insel und die haben jetzt ja eine komplett eigene Fakultät bekommen. Also da ist eine riesige Entwicklung passiert in den letzten, ja, 20 Jahren, seitdem ich dort nicht mehr bin, ja.

Markus: Ja, war aber auch eine spannende Zeit, wenn ich mich erinnere, da hatten wir Studentenstreiks und eben den Widerstand gegen diese Umbenennung in Bachelor und Master.

Thomas Ötinger: Oh ja.

Markus: Also eine durchaus turbulente Zeit an der Uni. Und da wurde ja auch das ein oder andere Bierchen getrunken, ne?

Thomas Ötinger: Oh ja, genau. Also da habe ich tatsächlich die Liebe zum Bier gefunden, weil, ich komme ursprünglich ja mit Heidelberg aus eher ein Weingegend, also ich war eher dem Wein zugeneigt. Und würde tatsächlich sagen, dass die Auswahl des Studienortes hatte damit dann auch was zu tun, nachdem wir, ja, in den ersten Tagen, wo ich mir die Stadt angeschaut habe, hat mir das doch schon sehr gefallen, was die fränkischen Brauer da auf den Tisch gebracht haben, ja.

Markus: Ja, also das können wir gleich mal an alle Hörer sagen, die jetzt nicht zufällig da in Bamberg wohnen, also es lohnt sich immer, hier in diese Gegend zu kommen oder sogar zu ziehen. Ja, bevor wir weiter zu deinen Themen kommen, würde ich tatsächlich mal das erste Bierchen aufmachen.

Thomas Ötinger: Unbedingt.

Markus: Wollen wir mit der Frankenliebe oder mit der Frankenmagie anfangen?

Thomas Ötinger: Also wir fangen mit der Liebe an, mit dem Hellen, oder?

Markus: Okay, wunderbar. Also, tolle Flasche, da steht Pale Ale drauf. Machen wir mal auf. So.

Thomas Ötinger: Jetzt bin ich mal gespannt, ob das bei mir auch so gut klingt. Weil, bei dir ist es immer so toll, wenn du eine Falsche aufmachst.

Markus: Ja, das war schon gut.

Thomas Ötinger: Ja, wunderschön.

Markus: Okay. Es war auf jeden Fall vernehmbar, also, wunderbar. Ja, also wir werden gleich noch dazu kommen, warum und wieso es dieses Bier gibt und was da so alles draufsteht. Wir können es ja vorher mal verkosten. Ich weiß nicht, magst du das Erste und ich das Zweite oder andersrum?

Thomas Ötinger: Ach du, du bist der erfahrene Sommelier, ich bin natürlich sehr, sehr gespannt auf deine Meinung.

Markus: Okay, also gut. Also weil, ich muss ja immer sagen, das ist ja alles relativ, also wir alle beschäftigen uns ja viel damit. Und grade, wenn man wie du jetzt fast jeden Abend irgendwie Testings machst, dann holt man ganz schnell ganz viel Erfahrung nach. Aber ich fange gerne mal an. Also wir haben hier ein, ja, ein erst mal sehr schönes Bier mit einer Trübung, es ist aber sehr geheimnisvoll, also es schimmert mich so ein bisschen an, leuchtet mich ein bisschen an. Oben drauf steht ein sehr feinporiger, dichter weißer Schaum und, ja, dann rieche ich mal da so rein. Mhm, also wir haben ganz viel so Citrusaromen, das geht so in Orange- Grapefruit-Richtung, vielleicht ein bisschen Pfirsich, ein bisschen Aprikose auch. Und dann haben wir aber auch im Hintergrund so ein bisschen was Kräutriges und auch so, ja, so Getreidenoten. Also man merkt tatsächlich da auch eine gewissen Malzkörper und auch so eine Frische, finde ich, also eine schöne frische Note von der Hefe. Jetzt nehme ich mal ein Schlückchen.

Thomas Ötinger: Ja, das mache ich parallel natürlich auch.

Markus: Mhm, also schon mal ganz toll. Was mir bei diesen Bieren auch immer wichtig ist, ist das Mundgefühl und das ist wunderschön cremig. Also der Trunk fängt an, hat eine leichte Süße, dann umschmeichelt er so die Zunge, es ist cremig, es prickelt, es ist richtig angenehm. Und dann entfalten sich noch mehr von diesen fruchtigen Aromen und dann kommt so ein bisschen auch die malzige Komponente, leichter Honig. Und wenn man dann so runterschluckt, dann tatsächlich sagt der Hopfen nochmal hallo mit so einer bitteren und nach dem Trunk kommt dann auch ein bisschen was von dem Citrus, von dem Pfirsich wieder und klingt dann wirklich in so einem kleinen angenehmen Obstsalat aus. Spannend, sehr schön. Also, wie geht es dir?

Thomas Ötinger: Ja, du, Markus, eben wie deine Leute in den Episoden davor auch immer sagen, man hätte es nicht besser beschreiben können. Ein paar Sachen spüre ich tatsächlich so nicht, da ist deine Zunge ein bisschen geübter, würde ich sagen. Allerdings alles, was du gesagt hast, das sehe ich genauso. Ich würde vielleicht noch so Brombeere, also eine beerige Note rieche ich noch zum Start sozusagen in der Nase und das andere, das hast du wunderbar beschrieben, würde ich sagen.

Markus: Danke. Ja, aber das stimmt, also diese Brombeere, Brombeere hat ja auch immer so ein bisschen so kräutrige Komponenten dabei und das ist tatsächlich auch am Anfang, sehr schön. Also, vor allem, das ist ja auch so ein Thema, das Bier ist ja eigentlich eher so hell und eine Brombeere assoziiert man ja eher mit dunkel, und da ist dann meistens im Kopf das schon mal so ein bisschen ausgeschlossen. Und, also das kann man auch nur allen Hörern mal sagen, trinkt mal so ein Bier mit verschlossenen Augen oder nehmt euch einfach ein Gefäß, wo man nicht reingucken kann, welche Farbe das hat. Und dann werdet ihr sehen, dass man das nochmal ganz anders erfasst, weil man einfach diese Voreingenommenheit, die man durch die Optik hat, so ein bisschen ausschalten kann.

Thomas Ötinger: Ja, absolut.

Markus: Also, die Frankenliebe, von Bier von marcapo, ein Weihnachtsbier. Wie kommt es dazu, war das deine Idee und wie habt ihr das gemacht?

Thomas Ötinger: Ja, wie kommt es dazu? Tatsächlich ist das jetzt schon das zweite Jahr, wo wir unser eigenes Bier mit einem professionellen Bierbrauer kreieren für unsere Kunden und für unsere Interessenten. Also die in dem marcapo-Universum sozusagen was zu tun haben, die kriegen einmal im Jahr, also an Weihnachten, ein Bier geschenkt. Also ist das zweite Jahr und wenn man das zweimal macht, dann ist es Tradition, und daher kam das. Also unser erstes Weihnachtsbier haben wir damals beim SONNEN-BRÄU in Mürsbach mit dem Daniel Schmitt gebraut. Das war so eine, ja, Fränkische Nacht haben wir es genannt, ein dunkles Bier, auch kaltgehopft, fruchtig und herb, kam auch sehr, sehr gut an, in einer Literflasche. Und dieses Jahr beziehungsweise im letzten Jahr, als wir unser Weihnachtsbier gemacht haben, sind wir zum Staffelberg-Bräu nach Loffeld gegangen zum Karl-Heinz Wehrfritz. Wir haben dort zwei Biere kreiert, weil wir was Besonderes haben wollten, also hell und dunkel wollten wir mal ausprobieren. Und, ja, das kam dieses Jahr auch wieder hervorragend an. Und das liegt so ein bisschen natürlich, natürlich so ein bisschen Biersommeliertum, weil natürlich auch, sehr, sehr viele Kunden und Interessenten bei mir in meinen Online-Verkostungen, und so haben wir jetzt unsere Marke marcapo mit dem Thema Bier aufgeladen. Und dann musste natürlich sowas dann auch zu Weihnachten auch dann raus, genau.

Markus: Ja, das ist auch ein kleines Bocklet mit dabei mit Fotos. Also da sieht man auch das Team mit beim Brauen und sieht auch, dass die da wirklich richtig Spaß bei der ganzen Geschichte hatten und auch Spaß hatten, die Rohstoffe so zu erkunden, sich mit dem Hopfen mal zu beschäftigen und so. Und man sieht auch eine Foodpairing-Empfehlung. Finde ich sehr schön. Also, kann man ja auch gleich mal für die Hörer zum notieren, zu so einem schönen Pale Ale einen Tomatensalat mit einem weißen Baguette, dann einen saftigen Burger mit Pommes und dann fruchtige Muffins. Also kann ich mir auch sehr gut vorstellen. Und hast du da Feedback bekommen auch auf diese Geschichte?

Thomas Ötinger: Ein Wahnsinn, also dieses Jahr war das Feedback grandios. Im letzten Jahr, also mit der Fränkischen Nacht, da war das zweigeteilt und zwar, wie Deutschland zweigeteilt ist sozusagen, nicht Ost-West, sondern Nord-Süd, weil es ein bisschen herber war. Der Süden war ein bisschen, naja, das ist aber schon sehr herb im Abgang. Hier war so eher, naja, ihr müsst mal wieder was machen, was nicht so herb ist. Und der Norden, der war also super, der Norden ist also wirklich so Frankfurt aufwärts, die waren hin und weg, weil da ja auch eher das Pils getrunken wird. Das wäre genau richtig und so ein dunkles Bier mit so einer herben Note, also auch einer Hopfenherbe und nicht nur diese Röstherbe, das hätten sie ja noch nie getrunken. Das war also im vorletzten Jahr sehr, sehr interessant. Und in diesem Jahr war tatsächlich, weil wir da gesagt: „Okay, mit den hopfigen herben Noten im Abgang, da bleiben wir ein bisschen im Hintergrund, dass wir vielleicht ein bisschen mainstreamiger werden.“ Ja, da gab es durchweg positives Feedback. Der eine hat natürlich gesagt: „Mensch, also das Helle hat mir besser geschmeckt“ und der andere sagt: „Okay, das Dunkle ist eher.“ Aber das liegt dann einfach da dran, was die persönlichen Vorlieben, aber war sehr, sehr gutes Feedback. Das hat mich natürlich auch beflügelt, dass wir an der Stelle weitermachen. Wir werden jetzt wahrscheinlich im Sommer nochmal einen auflegen.

Markus: Auch wieder beim Karl-Heinz?

Thomas Ötinger: Auch wieder beim Karl-Heinz. Weil, ja, das liegt so ein bisschen da dran, dass der Karl-Heinz, dem seine Brauerei, das ist so zwei Kilometer von der Gastronomie, die wir betreiben seit dem letzten Jahr und wir natürlich auch seine Biere bei uns im Ausschank haben. Und auch die Zusammenarbeit mit dem Karl-Heinz ist einfach ein Traum, ja. Er ist richtig erfahrener fränkischer Brauer, der auch weiß, was er tut und auch sagt, was halt auch nicht geht. Und das ist immer ganz gut, wenn so Leute aus dem Marketing dann ihre Ideen sprühen lassen, das ich auch mal sage: „Okay, das ist jetzt nett, was ihr gemacht habt, aber das geht nicht, ja.“ Und die Zusammenarbeit ist auch ganz, ganz hervorragend mit dem Karl-Heinz.

Markus: Ja, das stimmt. Also das kann man auch wieder, also heute sind ganz viele Empfehlungen für die Hörer dabei, aber ist auch gut so, also die Staffelberg-Bräu kann man da auch in jeder Hinsicht empfehlen. Hat auch schon so manchen Beer Star gewonnen, vor allem auch für die stärkeren Biere. Sie machen zum Beispiel einen ganz tollen hellen Bock oder Doppelbock ist es, glaube ich, sogar, was ja gar nicht so häufig eigentlich stattfindet in der Bierwelt, und den eben auch hochdekoriert. Und auch ein schöner Laden, ganz toller alter historischer Saal also. Weil, die ganze Gegend um den Staffelberg ist toll, Staffelstein, mit seinen zehn oder zwölf Brauereien, was es mittlerweile sind, das ist schon einfach eine ganz tolle Ecke in Franken, also die kann man auch einfach bedingungslos, sage ich mal so, empfehlen.

Thomas Ötinger: Ja, da haben wir grade besonders, da würde ich gerne einhaken beim Staffelberg-Bräu, also was mir tatsächlich sehr, sehr gut gefällt, ist sein alkoholfreies Dunkles. Und als ich den Karl-Heinz kennengelernt habe, da hat er erst mal gesagt: „Ja und du bist so ein Biersommelier“, also so, wie halt fränkische Brauer dann auch sind. Und dann hat er mir erst mal ein Bier hingegeben so und sage mal, was meinst du denn zu dem Bier? Und da hat er sein alkoholfreies Dunkles drin gehabt. Und, ja, dann habe ich, ja dunkles Bier, schöne Röstaromen und kein Alkohol drin und du hast die und die Hefe verwendet, weil also diese neue Hefe oder unv. #00:16:44-8# er verwendet hat. Und da hat er gesagt: „Echt, das hast du raus geschmeckt?“ Und dann haben wir tatsächlich drei Stunden in seiner Brauerei verbracht und seitdem verstehen wir uns auch ganz gut. Also das Bier ist für mich ein absoluter Geheimtipp noch und auch sein Dunkles. Und auch, wie du eben erwähnt hast, den Doppelbock, den es ja im Herbst gibt. Den haben wir auch bei uns im Bockbierausschank gehabt im letzten Jahr, kam hervorragend. Ein wunderschönes cremiges Bier, was nicht so mastig ist, obwohl es tatsächlich sehr, sehr viel Alkohol hat, ja, ein Doppelbock. Ja, das ist einfach ein Genussbier am Ende des Tages, ja.

Markus: Ja, also ein ganz tolles Tröpfchen, das man auch schön lagern kann. Also wirklich eine absolut spannende Geschichte. Und sie haben auch ein Wiener-Lager, das ich auch sehr gerne mag. Also, ja, jetzt sind wir schon mitten im Bier. Was mich noch interessieren würde, du hast ja grad gesagt, Marketing ist so eher dein erstes Steckenpferd, sagen wir mal so und da geht es ja auch immer so um Marke und Marketing. Was ist denn da so für dich der Unterschied und was bedeutet es für die Bierwelt, also sowohl für die Biersommeliers als auch für die Brauereien?

Thomas Ötinger: Du meinst mit Marke ein Marketing, oder?

Markus: Ja, genau. Also so, wie kann ich mich da, also wie schaffe ich eine Marke, wie schaffe ich Marketing, inwiefern hängt Marketing von einer Marke ab? Und was ist das für eine Aufgabe, dann eben grade auch für Leute wie uns, dass für sich zu nutzen, beides, also erst mal eine Marke zu werden und daraus dann auch ein gutes Marketing zu machen?

Thomas Ötinger: Ja, also das ist tatsächlich eine Abfolge dessen. Also um eine Marke zu kreieren, braucht es eine Positionierung, also eine Position im Markt und vor allem die Position im Kopf des, ja, ich sage mal, des Kunden, ob das der Endverbraucher ist oder im B2B-Bereich. Also beim Bier ist es ja eher sozusagen der Endverbraucher. Und welchen Platz finde ich mit meiner Marke, mit meinen Bieren im Kopf des Endverbrauchers? Das ist also der Prozess der sozusagen eigentlich Positionierung, den ich auch immer sehr, sehr gerne begleite und natürlich auch bei Spirituosen sehr, sehr gerne begleite. Weil, dort ist es ganz wichtig, wenn ich an etwas denke, komme ich tatsächlich mit meiner Marke als erstes, also kriege ich den ersten Platz im Kopf des Endverbrauchers. Und das schaffen natürlich auch sehr, sehr viele Biermarken auch, genau diesen Platz zu finden. Deshalb gibt es ja auch tatsächlich Biertrinker, die auch immer wieder von derselben Marke trinken und sagen, das ist ihr Lieblingsbier und so weiter. Und dann weiß man genau, man hat dort eine große, eine tolle, gute Positionierung geschaffen. Wenn diese Positionierung klar ist mit der Ausrichtung, also wir waren ja gestern bei Maisel & Friends und die haben eine hervorragende Position mit Maisel & Friends, mit diesem ganzen Areal und handwerklich gebraute Biere und so weiter. Da merkt man, die sind sehr, sehr gut, also die Vorarbeit der Positionierung ist sehr gut gelaufen und haben dann sozusagen die Marke dann drauf gesetzt. Und mit dieser Marke, das ist natürlich, hat was mit Farben zu tun, hat was mit Aussagen zu tun, aber vor allem mit der Philosophie, die dahintersteht. Und dann da drauf basierend, kann man dann Vermarktungsmaßnahmen machen, die dann, ja, entweder jetzt, was jetzt auch Maisel & Friends sehr, sehr gut macht, in den sozialen Medien oder mit gewissen Craft-Beer-Festen oder, oder, oder und da kann man dann diese Maßnahmen so rum ansetzen. Und wichtig ist, dass diese Maßnahmen nicht die Marke kaputtmachen oder Irritation in der Marke beziehungsweise im Kopf vom Endverbraucher gehen. Und das ist grade in der Bierwelt, och, da würde es noch so, so viel aufzurollen geben. Grade so hier bei uns in der Gegend gibt es so viele tolle fränkische Brauereien mit tollen Bieren, die aber halt ihren, ja, jetzt sage ich mal, ihren Vermarktungsstil seit mehreren Jahrzehnten gleich durchziehen. Und der Verbraucher ändert sich, der Endverbraucher und bräuchte vielleicht mal das eine oder andere Event oder auf eine Auffrischung der Marke. Und damit meine ich nicht, dass man die Tradition wegschmeißen soll, sondern im Prinzip mit der Zeit zu gehen, das meine ich damit.

Markus: Ja, da sprichst du was ganz Wichtiges an auch, diesen Punkt Irritationen auslösen. Also grade in letzter Zeit bin ich jetzt wieder mehrmals von verschiedenen Zeitungen oder Medien kontaktiert worden, dass es wieder eine große Diskussion um den Bierpreis gibt und dass das doch so ein ganz wichtiger Punkt wäre und da müsste man doch jetzt mit der Bevölkerung mal sprechen und aufklären und was weiß ich was. Und da frage ich mich dann auch immer, das ist ja bei uns grade so ein Thema, das Bier, in Anführungsstrichen, billig sein muss. Wobei ich mir immer denke, die, die das wollen, das ist doch eine absolute Minderheit, die anderen wollen doch einfach nur ein gutes Bier und sind auch bereit, ein bisschen mehr dafür zu bezahlen. Also ist der Preis auch ein Teil von dieser Positionierung?

Thomas Ötinger: Ja, das ist natürlich ein ganz, ganz großer, ja, Preis, aber vor allen Dingen ein ganz großer Punkt, das Thema, wo will ich preislich auch hin, also was brauche ich an Geld? Es gibt ja auch Biere, die durchaus, ja, haben wir jetzt ja grade ganz viele in Berlin von den Craft-Beer-Brauern, wo dann die Dose 0,5 dann irgendwie 6,50 kostet. Wenn ich das hier einem fränkischen Brauer sage, da lächelt der müde und sagt: „Also wie soll das denn gehen?“ Und das hat natürlich auch was mit der Positionierung zu tun, auch mit Preisposition. Ich glaube aber, in diese Richtung müssen wir gar nicht gehen. Allerdings muss der Endverbraucher auch durchaus verstehen, das, ja, wenn er, ich sage mal, für die Kiste Bier, die er im Lebensmitteleinzelhandel kauft, im Getränkemarkt kauft, wenn er da drei Euro mehr bezahlt, sind das halt praktisch irgendwie zehn Cent pro Flasche mehr oder 15 Cent. Das ist jetzt nicht irgendwie, also jetzt ein Wucherpreis gezahlt. Aber der Brauer und grade, wenn ich viele schöne regionale Brauereien haben möchte, dem hilft das natürlich schon, weil das natürlich, ja, auch seinen Geldbeutel an der Stelle füllt. Und reich werden die damit trotzdem nicht, ja.

Markus: Absolut. Und vor allem, wenn man überlegt, der Prokopfverbrauch sinkt ja, also wir sind jetzt ungefähr so bei 88 Litern. Und selbst, wenn man in Franken mal annimmt, das sind vielleicht 100, dann ist da aufs Jahr gerechnet, wenn die Flasche 15 Cent mehr kostet, dann sind das 30 Euro oder so. Also, davon wird, glaube ich, keiner arm. Also ich mag auch diese Preisdiskussion gar nicht wirklich, aber ich wollte mal schauen, was du dazu sagst, aus einer Marketingspeziallistenecke.

Thomas Ötinger: Und tatsächlich mit diesem Preis, also wie ich erzählt habe, wir haben ja eine eigene Gastronomie, also unseren marcapo-Platz, wo wir versuchen auch, diese fränkische, ja, ich sage mal, Genusskultur auch zu leben. Und da habe ich tatsächlich grade in den Anfängen, als es da losging, bei kostet das halbe Bier, die halbe Seidla, also Seidla selbst, drei Euro. Und wo ich sage: „Mensch, für die Qualität, was wir da im Glas haben, ist es eigentlich zu wenig.“ Aber ich habe regelmäßig Diskussion, warum denn das Seidla nicht 2,80 kostet oder 2,70 kostet? Das ist so im Rest von Deutschland, da schlagen sie sich die Hände übern Kopf, aber bei uns in Franken, das weißt du selbst, Markus, gibt es genau diese Diskussion über den Bierpreis. Und dann stelle ich immer so die Frage: „Ja, wo warst du das letzte Mal im Urlaub?“ Und dann sagt er: „Ja, in Garmisch.“ Und dann sage ich: „Was hat da wahrscheinlich dein Bier auf der Hütte gekostet?“ Ja, 6,50, das Weißbier von Paulaner. Und dann sage ich: „Ja, gut. Warum sagst du, das war da in Ordnung und bei dir hier in der Region, im Fränkischen mit wirklicher Genusskultur, wo es die Hälfte des Preises, also weit als die Hälfte des Preises, da findest du es zu viel?“ Da kommt die Antwort, ja, hier trinke ich täglich, im Urlaub, da bin ich nur einmal im Jahr. Und dann, dann wird natürlich schon ein bisschen krumm dann das Ganze.

Markus: Auf jeden Fall, ja. Ja, also die Diskussion ist ja dann wirklich immer sehr, sehr augenfällig. Also auch zum Beispiel, dass die Leute dann auf der anderen Seite bereit sind, wenn sie dann für den Hund ein Hundefutter kaufen, da kaufen sie dann die Dose für vier oder fünf Euro. Oder ihr Öl, was sie für das Auto kaufen, da wird dann natürlich auch das teuerste Öl genommen, damit es dem Auto auch gut geht, aber für sich selber muss es dann das billigste Bier und das billigste Schnitzel sein. Aber, wie gesagt, wir wollen gar nicht so viel Bashing betreiben.

Thomas Ötinger: Um Gottes Willen, darum ging es auch gar nicht.

Markus: Nee, klar.

Thomas Ötinger: Hier geht es um eine Bewusstseins

Markus: Absolut, absolut, es ist ein Bewusstseinsthema. Und man muss auch sagen, ich meine, die Schwierigkeit, glaube ich, für viele, grad diese Familienbrauer in Franken, ist ja, das sie einerseits diese Aufgabe in ihrer Komplexität nie gelernt haben, weil sie ja einfach rein geboren werden in so ein Unternehmen. Und wenn sie Glück haben, studieren sie vielleicht noch Brauwesen oder so, aber die ganze Komponente drum rum mit Betriebswirtschaft, mit Marketing und was alles sonst noch dazu gehört, das ist ja was, was sie mehr oder weniger Learning by doing irgendwie sich aneignen und sind am Ende ja dann für alles verantwortlich. Das heißt, die machen, was weiß ich, die Etikettengestaltung wird von ihnen abgesegnet und eben das Bierrezept und der Preis und der neue ELKW und was weiß ich was, und das überfordert natürlich schnell. Also ist wie ist das jetzt, wenn wir mal von deiner Seite, vom Marketing aus sieht, hast du auch Leute aus der Bierwelt als Kunden und denkst du, dass man da was bewegen kann, wenn ein bisschen einen professionellen Stups gibt?

Thomas Ötinger: Ja, du kannst auf jeden Fall was bewegen. Tatsächlich habe ich keine Bierkunden, sondern unserer Kunden, die haben eher die Struktur große Marke und verkaufen über Vertriebspartner ihre Produkte, wie zum Beispiel Still, wie die Ergo-Gruppe, wie, ja, Hans Grohe, da haben wir also 65 große Kunden, die wir da betreuen. Also da haben wir so eine Spezialnische, deshalb haben wir auch keine Brauereien als Kunden aktuell. Aber natürlich aus, ich sage mal, aus professioneller Sicht und aus Leidenschaftssicht kann ich da sagen, da ist natürlich unheimlich viel zu machen. Und, ja, da könnten wir schon sehr, sehr viel bewegen für diese einzelnen Brauereien, wenn das gewollt wird sozusagen.

Markus: Ja, das ist natürlich, zum Tun gehört dann irgendwie auch das Wollen.

Thomas Ötinger: So ist es.

Markus: Und das ist oft auch so ein gewisses Thema, das viele einfach sagen: „Das haben wir schon immer so gemacht und das machen wir halt weiter so“, was auch nicht immer so einfach ist. Ja, jetzt vielleicht mal kurz zu deinem persönlichen Einstieg, also jetzt nicht … obwohl, da können wir auch, dann reden wir erst da drüber, finde ich auch spannend. Finde ich auch gut, ja. Wie kommst du überhaupt dann zu dem Thema zu sagen, ich steige jetzt um von der Seite hinter dem Tresen, dahin, erst mal Biersommelier zu machen und dann sogar eine eigene Gastro?

Thomas Ötinger: Ja, das ist tatsächlich ein sehr, sehr spannender Weg. Und zwar, ich glaube, 2015, also wir machen relativ viele Kunden-Events, wo wir also unsere Kunden mit Inhalten versorgen und natürlich gehört dann immer was Eventiges dazu, dass auch Kunden deutschlandweit zu uns kommen und auch da einen Event macht, Und wir haben Events gemacht bei der Firma Weyermann in Bamberg. Großer Spezialmälzer, die haben ein schönes, schönes Kundenzentrum dort, wo man auch mieten kann und auch dort Kunden-Events zu machen mit Mälzereiführung und mit Bierverkostung. Und als meine Frau damals mir das vorgeschlagen hat, da habe ich gesagt: „Also echt jetzt, also ich meine, Bierverkostung, jeder weiß, wie ein Pils schmeckt, jeder weiß, wie ein Weißbier schmeckt, jeder weiß, wie ein Keller schmeckt, was soll das?“ Also, da war ich wirklich, das weiß ich wie heute noch, wie ich da entsetzt war über so einen Vorschlag überhaupt. Und mir war klar, Wein schmeckt unterschiedlich, aber Bier, also Bier, das weiß jeder. Und dann haben wir tatsächlich, hat sie sich durchgesetzt, wie sie das öfter auch mal tut, meine Frau und dann haben wir diesen Event gemacht. Und als ich diesen Event gemacht habe und diese Bierverkostung anfing, da ging so eine Tür auf, wo ich gesagt: „Wow, das kann alles Bier sein!“ Und genau diesen Effekt möchte ich auch in meinen Online-Bierverkostungen, dass Leute deutschlandweit mitkriegen, wow, das kann alles Bier sein! Und so breit sind die Aromen und so breit ist der Geschmack, der in Bier drin ist. Und dann ging bei mir immer, wenn mich was interessiert, dann muss ich mich tief ein fuchsen und dann ging das los, dass ich dann beim Michael in Bayreuth war bei Bierverkostung. Der Gregor, der beim Weyermann zu dem Zeitpunkt war, der jetzt den HopDog in München führt, bei dem war ich. Also ich glaube, einmal in der Woche war ich in irgendeiner Verkostung, weil mich das Thema so dermaßen, ja, ich sage mal, geritten hat einfach und mit Foodpairing und allem drum und dran. Und dann war das irgendwie dann so weit, da habe ich gesagt: „Okay, jetzt muss ich meinen Biersommelier machen, weil, das ist der nächste Schritt.“ Und das habe ich dann auch getan, das habe ich beim unv. #00:28:39-6# in Österreich gemacht. Und dann war auch gut für mich, also es war einfach so, Thema interessiert und dann war auch tatsächlich gut. Jetzt habe ich Informationen und jetzt fühle ich mich auch in dem Thema wohl. Und dann hat tatsächlich ein, ja, ein Marketingleiter, also ein Kunde von mir, Mirko Faust, der auch selbst Hobbybrauer ist von der BCA AG, er hat gesagt: „Du, Thomas, ich habe gesehen, du hast gepostet auf Facebook, du bist jetzt Biersommelier. Uns fällt die Messeveranstaltung aus, weil Corona, könntest du denn für meine Kunden, für meine speziellen Kunden eine Online-Bierverkostung machen?“ Und da halte ich es immer wie Pippi Langstrumpf, das habe ich ja noch nicht gemacht, also wird es funktionieren. Und dann habe ich sozusagen meine erste, ja, Online-Bierverkostung, war im Herbst 2020, noch gar nicht so lange her, gemacht. Und das war grandios, hat riesen Spaß gemacht und er hat damit auch einen riesen Erfolg gehabt. Und da habe ich gesagt: „Gut, ej, super, wenn das funktioniert, wir können ja grade keine Veranstaltungen machen, dann lade ich jetzt meine Kunden zu mir an meinen Monitor ein und meine Interessenten und mache denselben Spaß. Scheinbar geht das und scheinbar kann ich das.“ Ja und dann ging sozusagen die Reise los. Und das heißt also, mit Kundenveranstaltung, mit Kunden und Kundenveranstaltung, wo dann Kunden, die bei mir in der Verkostung waren, sagten: „Mensch, das war super und lass uns das mal für meinen Vertrieb machen, für mein Marketingteam, für das, für das.“ Und dadurch, dass ich natürlich auch ein großes Netzwerk hab, hat sich das ohne große Vermarktung sozusagen verbreitet. Ja, bis heute habe ich, glaube ich, 4.000 Leute in den Verkostungen gehabt, also innerhalb von, ja, Herbst 2020 bis jetzt. Und, ja, dadurch kommt auch fast jeden Abend sozusagen eine Verkostung wie heute Abend natürlich auch dann dazu. Genau, so war mein Weg.

Markus: Ja, also ein sehr, sehr spannender. Und, ja, also ich glaube, ich muss wirklich auch sagen, das ist auch was, wenn man das dann einfach auch regelmäßig macht und das ist auch was, was jetzt diese Online-Welt so ein bisschen beschert hat, dass es ja auch einfacher ist. Also bei uns ging es sogar noch ein bisschen eher los mit diesen Online-Verkostungen. Aber der Vorteil ist halt einfach, in Anführungsstrichen, wenn du alles gut vorbereitest, dann setzt du dich halt Nachmittags oder abends hin, schaltest deinen Monitor an, holst deine sechs Bierchen raus und verkostest dann mit den Leuten. Aber du hast nicht diesen riesen, riesen Aufwand, den man so normalerweise hat, dass man irgendwo hinfährt und dann muss man noch ganz viele Dinge tun und kann dann halt auch nur eine Verkostung alle zwei, drei Tage machen oder so. Sondern, das geht dann schon auch in der Frequenz schneller und mehr. Und damit hat man natürlich unglaublich viel Kontakt zu Leuten, unheimlich viel Feedback, unheimlich viel, ja, wo man einfach mitbekommt, wie die so ticken. Und ich glaube, das ist auch wirklich was, dass man so einfach noch viel mehr Leute begeistern kann und sich auch viel mehr drauf einstellen kann. Also mir hat das auch ganz viel Spaß gemacht. Ich konnte es mir vorher, ehrlich gesagt, gar nicht so recht vorstellen …

Thomas Ötinger: Ich auch nicht.

Markus: … musste da auch irgendwie erst so rein. Ich muss auch sagen, ich bin ja wirklich auch sonst eher einer, der jeden technischen Scheiß ab der ersten Minute haben muss, weil mich die Dinge interessieren. Aber eine Webcam zum Beispiel, die habe ich mir bis zur Pandemie nicht gekauft, weil ich einfach überhaupt gar keinen Sinn drin gesehen habe, so ein Ding zu besitzen, ehrlich gesagt. Wer will mich denn bitte schön Online sehen, ne? Und dann war das ein Thema, dann kam das auf. Und dann wollte ich eine Webcam haben und dann gab es keine, weil, die waren ja überall ausverkauft.

Thomas Ötinger: Ausverkauft, Wahnsinn.

Markus: Also in allen Läden, die überhaupt noch offen hatten. Am Anfang vom Lockdown waren ja dann auch ganz viele Läden zu. Und Online nur Wartezeiten ohne Ende. Also da habe ich erst mal da alle Winkelzüge gezogen und auch drei, vier Verschiedene ausprobiert, weil, da gibt es halt leider ganz viel Mist aber. Und das ist wirklich ein ganz neuer Bereich. Ja, wie war das für dich, du bist da auch eher so ein Technik-Freak, würde ich so sagen, also du warst bestimmt auch technisch gut aufgestellt? Warst du da vorher schon in dem Thema ein bisschen drin?

Thomas Ötinger: Ja, wir haben natürlich auch viele Sachen auch schon Online gemacht. Also grade weil, unsere Kunden sind ja, ich sage mal, dachweit und da fährst du natürlich nicht für jede Besprechung dann nach Wien oder nach Hamburg, sondern da haben wir schon auch einiges Online gemacht. Wobei jetzt natürlich alles Online ist und ich hoffe natürlich jetzt auch, dass wir wieder mal, wenn wir aus dieser Phase raus können, dann auch mal wieder präsent Leute sieht. Aber du hast einen ganz einen wichtigen Punkt angesprochen, du kannst natürlich auch diese Taktfrequenz, also das heißt, grade so vor Weihnachten, wenn es um Weihnachtsfeiern geht, ich habe oftmals zwei Verkostungen am Abend gehabt. Das war dann auch schon eine sehr, sehr lustige Sache. Das geht natürlich in der realen Welt nicht, weil, da musst du die Gläser und wo ist das Bier und so weiter, das ging natürlich nicht. Und zweiten Punkt, den ich gerne ansprechen würde, ist das Thema Bewertung. Weil, wenn du in Präsenz bist, also du hast dann 20, 30 Leute in der Verkostung, um dann zu sagen: „Ach, würden Sie mich denn bewerten für eine Online-Bewertung, dass man auch draußen sieht, dass das gut war oder dass das toll war“, das kriegt man präsent oftmals ein bisschen schwieriger hin. Nur wenn die alle vorm Rechner sind, dann kannst du sagen: „Hej, Mensch, ich schicke dir jetzt mal ProvenExport-Link. Wenn es dir gefallen hat, würde mich freuen, wenn du mich bewerten würdest.“ Bin immer per Du dann am Monitor, weil, an der Bar bist du auch per Du, dann kann ich auch Online per Du sein an meiner Bar. Und tatsächlich bin ich jetzt zwei Jahre hintereinander zur Top 3 der Event und Entertainer gewählt worden von dieser Bewertungsplattform von ProvenExport: Da hat man aber gesehen, was auch dann möglich ist. Und ich mache das ja nicht im Hauptberuf, sondern das ist ein Hobby von mir. Und da kommst du mit den ganzen Profis, die tagtäglich nix anders machen, bist du unter den Top 3, nur weil du diese Bewertung einfacher einsammeln kannst, als wenn du halt vor Ort bist sozusagen. Und das hat natürlich auch was mit Vermarktung auch zu tun.

Markus: Ich wollte grad sagen, also da schließt sich auch so ein bisschen ein Kreis, weil, ich glaube, das ist für dich auch ein Teil für den Aufbau deiner Marke, oder, dass du sagst, du hast hier diese hohe positive Feedback von Kunden über das Portal und kannst eben damit auch von Vorneherein sagen, das ist Qualität, ne?

Thomas Ötinger: Genau, richtig, absolut. Und das würdetatsächlich auch den Brauern auch sehr, sehr gut stehen, wenn im Prinzip auch die Endverbraucher auch da, wenn sie da Bewertungen einholen würden. Da gibt es natürlich auch ein paar Ideen, wie sie das machen können. Aber wie ist das denn, wenn du jetzt aktuell einen Urlaub auswählst oder du willst irgendwie ein Produkt kaufen, du schaust immer auf die Bewertung. Und es ist für dich als Endverbraucher auch nicht schlimm, wenn da eine schlechte Bewertung mal dabei ist. Weil, da guckst du dann an, okay, ein Stern hat er gegeben und beschwert sich, dass es keinen Kaviar beim Frühstück gibt oder beschwert sich, dass es keine zwei Bäder im Hotelzimmer gibt. Dann kannst du für dich sagen, ja, gut, was für einer, interessiert mich nicht. Die Bewertung kann ich raus nehmen aus meiner Bewertungsriege, weil, ist nicht mein Thema. Und man sollte eigentlich vor diesem Thema gar nicht so viel Angst haben, sondern einfach raus, um zu gucken was passiert. Weil, man kriegt ja auch wichtiges Kunden-Feedback. Also wenn jemand sagt: „Mensch, Online gefällt mir nicht so gut, in Präsenz würde mir besser gefallen. Okay, geht halt nicht grade, grade Pandemie.“ Oder wenn der eine dann sagt: „Mensch, ich hätte gerne das und das Bier oder ich hätte gern noch ein paar Informationen, da war zu wenig Zeit“, dann kann ich das aufnehmen und kann sozusagen mein Produkt auch verbessern an der ein oder anderen Stelle. Und da muss man sich auch nicht ärgern, sondern kann offen auch mit umgehen und sagt: „Okay, danke schön für das Feedback, werde ich bei der nächsten Verkostung berücksichtigen.“

Markus: Ja und ich glaube, da hat sich auch insgesamt im Verbraucherverhalten was verändert und zwar in beide Richtungen. Also man gibt, glaube ich, schneller mal einfach auch ein Feedback. Und auch grade, wenn es mal was Negatives gibt, ist man dann schnell auch mal dabei zu sagen: „Okay, dem haue ich jetzt mal eine rein“ sozusagen. Und dementsprechend und es ist auch so, dass man ganz unterbewusst gar nicht sich dagegen wehren kann. Also selbst, wenn ich jetzt jemand wäre, der sagt: „Mir sind so Bewertungen eigentlich egal,“ dann kriege ich ja trotzdem, wenn ich auf irgendwelchen Online-Plattformen bin, immer irgendwelche Sternchen angezeigt und unterbewusst beeinflussen die mich natürlich. Und sie beeinflussen natürlich auch, was mir überhaupt angezeigt wird, weil natürlich auch so ein Portal wie Amazon oder andere, dann entsprechend ja auch sortieren und die schlechten Bewertungen tauchen dann gar nicht auf. Also insofern ist es, glaube ich, was, mit dem man sich schon auseinandersetzen muss, grade auch als Gastro und grade auch als Brauer, ne.

Thomas Ötinger: Muss, muss, es geht gar nicht anders. Also ich meine, wie wählst du denn eine Gastro mittlerweile aus, wenn du neu bist? Du bist irgendwo unterwegs, willst Sightseeing machen und sagst: „Ach, wollen wir heute Abend Essen gehen“ und dann gehst du auf TripAdvisor oder suchst auf Google, es wird da kaum noch jemand gefragt, ja, nach, was ist denn jetzt die beste Gastronomie für das und das? Und da sind natürlich die Sterne ausschlaggebend, bin ich oben, bin ich unten, interessiert mich das oder interessiert mich das nicht, also. Und das ist beim Bier genauso. Ich meine, grade bei den Beerbirds, die dann auf den ganzen Apps gucken, wie viel Bewertungen hat welches Bier gekriegt? Habe ich es schon getrunken, ja, nein? Also wir haben das ja überall, dieses Thema Bewertung.

Markus: Ja. Ja und vor allem ist eben, so eine schlechte Bewertung kann auch ganz schnell Gift sein. Also merke ich bei mir immer zum Beispiel, wenn ich mir bei Audible meine neuen Hörbücher raussuche, dann ist es oft so, dass so ein Hörbuch, weiß ich, 50, 60 super Bewertungen hat und zwei, drei Leute schreiben irgendwie, ja, Sprecher ist langweilig oder sonst wie. Und das sind dann so Sachen, die bleiben dann bei mir trotzdem hängen und ich suche mir dann vielleicht was anderes raus. Also man muss wirklich da gucken. Ja, wir wollten ja noch über deine Gastro sprechen, das finde ich auch spannend. Vielleicht sprechen wir es erst mal so ein bisschen an, wie sich das entwickelt hat und dann machen wir unser nächstes Bierchen auf. Aber erst mal, wie kommt es dazu, wie bist du in diese Rolle geschlüpft und wie fühlst du dich damit?

Thomas Ötinger: Ja, das ist eine sehr lustige Geschichte, Markus. Ja, also tatsächlich haben wir jetzt im März letzten Jahres eine Gastronomie gekauft, das ist der Dornig, ja, bei Ebensfeld, das ist bei Staffelstein, also mitten im Naturschutzgebiet. Die Gastronomie ist uns angeboten worden und da habe ich gesagt: „Ja, mit Gastronomie haben wir ja eigentlich gar nichts zu tun.“ Und dann waren wir einmal da oben in diesem Naturschutzgebiet und da habe ich gesagt: „Ich brauche diese Location!“ Weil, die ist sensationell, mitten in diesem Naturschutzgebiet, in dieser Natur. Du schaust in den sogenannten Gottesgarten dort runter und natürlich ein Biergarten dabei mit 180 Plätzen. Und da habe ich gesagt: „Komm, wir brauchen sowieso einen Platz für unsere marcapo, für unsere Leute, wo wir auch Seminare zukünftig machen können, wo wir im Prinzip auch Freizeit verbringen können.“ Und das hat diese Gastronomie auch dort hergegeben, weil es zwei Gebäude sind, wo wir jetzt in diesem Herbst jetzt auch umbauen werden, um noch mehr Übernachtungsplätze zu schaffen, um auch den Seminarraum dort zu schaffen. Und dann habe ich gesagt: „Komm, wir machen das jetzt.“ Und, ja, wie die Jungfrau zum Kind, man hat ja ein paar einfache Vorstellungen und vielleicht auch ein paar romantische Vorstellungen, wie Gastronomie funktioniert. Und ich habe im letzten Jahr sehr, sehr viel gelernt, wie Gastronomie funktioniert, auf was man achten muss, was Wege sind, was im Prinzip, wie man mit dem Gast umgehen muss, was er auch braucht. Wir haben also dann was kreiert, eine Marke, wo es um das Thema fränkische Genusskultur geht. Das heißt also, wir haben dann erst mal ausgewählt, welche Zutaten soll es denn überhaupt geben, welche Destillate. Da hast du ja wunderbar geholfen, danke schön, als Edelbrandsommelier …

Markus: Gerne.

Thomas Ötinger: … die richtigen Destillate auszuwählen. Und die wir dann auch jetzt von der Edelobstbrennerei Singer auch dann ausgewählt haben nach deinen Empfehlungen sozusagen. Und das die Wurst auch aus der Region kommt und dass das ein anständiges Fleisch ist da. Aber, nur zu der Metzgerei Reichert, ja, vom Metzgerbräu vielleicht bekannt. Also das Bier haben wir nicht vom Metzgerbräu, aber seinen Schinken, den Kochschinken, den Zwetschgenbames und den Landschinken, und die Metzgerei Strauß. Also das sind alles Familienunternehmen und genau um das ging es uns aber auch, diese Familienunternehmen auch so ein bisschen zu feiern. Weil, die machen anständige Sachen, aber die haben keine Plattform, um ihre Produkte also so richtig auch gut zu vermarkten. Und da war auch so dieser Vermarktungsgedanke auch wieder dahinter. Oder den Käse, wo wir dann sagen: „Okay, bei der Hofkäserei Schmitt holen wir den“ oder den Brot, der kommt halt vom Schauer, von der Hofbäckerei. Also solche Themen, die wir dann spielen wollten, um auch denen, ja, wie gesagt, diese Plattform zu geben. Und der zweite Schritt war zu sagen, okay, wie schaffen wir eigentlich, da geht es auch um das Thema Natur, wie schaffen wir es, ein Beispiel zu geben, wie auch fränkische Gastronomie, die ja sehr, sehr fleischlastig ist und deftig ist und, ja und oftmals auch mit Zusatzstoffen gekocht wird, weil es einfach günstig sein muss, wie kriegen wir da einen Wandel hin und ein Beispiel vor allem? Deshalb habe wir auch sehr viele vegetarische und vegane Gerichte gleich von Anfang an mit auf die Karte gegeben. Ich muss allerdings sagen, ich habe mich nicht getraut, noch mehr davon drauf zu nehmen. Aber siehe da, am Ende eines Sommers ist es so, dass tatsächlich 30 Prozent des kompletten Umsatzes, also im Essenbereich, vegan oder vegetarisch war. Und dadurch haben wir natürlich auch eine andere Zielgruppe auch da oben, die auch so ein bisschen auch bewusster auch dann isst. Und, genau, das war also so die Idee, wie feiern wir diese fränkische Genusskultur, weil wir bei marcapo tatsächlich in der Geschäftsleitung, wir haben einen Franken und zwei Badener da drin, die aber ihre Heimat hier gefunden haben. Und da wollten wir im Prinzip einen Teil auch zurückgeben, um diese Genusskultur auch aufrechtzuerhalten, weil, grade stirbt auch sehr, sehr viel. Ja, so kamen wir dann wie die Jungfrau zum Kind hin. Und so haben wir da jetzt auch eine Gastronomin oben angestellt, eine wunderbare Köchin, ein junge Köchin, die sich da auch austoben kann, und auch die Leute, die das operativ betreiben. Und wir bleiben aktuell im Hintergrund, führen strategisch mit, mit unseren Ideen und Gedanken. Und, ja, vor allen Dingen, jetzt steht halt der große Umbau an, jetzt im Herbst diesen Jahres, wenn die Behörden alles, ja, ich sage mal, bestätigt haben. Die Naturschützer haben auch schon, ich sage mal, das fast Go gegeben, dass wir dürfen, der Bürgermeister auch. Und jetzt geht es dann da drum, dass zu unserem Ort zu machen und so dieses, auch das Architektonische, was wir gerne hätten und, ja, ich sage mal, die eigenen Ideen auch umzusetzen, genau.

Markus: Warst du dann auch schon mal selber hinterm Zapfhahn und was war das für eine Erfahrung für dich?

Thomas Ötinger: Tatsächlich! Den Bockbieranstich lasse ich mir natürlich nicht nehmen, da war ich dieses Jahr auch hinter dem Zapfhahn. Und ich glaube, wenn jetzt umgebaut ist, werde ich öfter mal auch hinterm Zapfhahn stehen und will natürlich dort oben dann auch Biersommelier-Verkostungen auch dann anbieten. Das ist natürlich auch so eine Idee und auch den Genuss auch da voranzuschreiben. Und zum Thema Erfahrung, wow, das ist ein harter, harter Job, muss man wirklich auch sagen, mit viel Spaß. Also ich kann diese Faszination Gastronomie, also hinter der Theke zu stehen, sehr, sehr gut nachvollziehen, die macht durchaus süchtig, aber man merkt am Ende des Abends, was hat man auch alles getan, ja.

Markus: Ja, man ist ja wirklich mit Leib und Seele dabei. Ich habe das auch viele, viele, viele Jahre gemacht als Nebenjob im Studium und später auch noch und so. Weil, du bist ja, entweder redest du mit Leuten oder du machst irgendwelche Biere oder du rennst in den Keller, schließt neue Fässer an oder musst die anderen koordinieren oder bist am Telefon. Also ist eigentlich immer irgendwas los und du kriegst das gar nicht so mit, weil du die ganze Zeit in Action bist und abends fällst du dann so in dich zusammen. Und das ist schon immer eine krasse Geschichte, da habe ich auch immer ganz viel Hochachtung, muss ich sagen, vor dem Personal in der Gastronomie.

Thomas Ötinger: Absolut, absolut.

Markus: Eine Frage noch, der Laden heißt Der Dornig, Das Dornig, was hat es damit eigentlich auf sich?

Thomas Ötinger: Der Laden heißt dein Dornig, ja, also auch die Adresse ist www.dein-dornig.de. Dornig ist tatsächlich der Berg, auf dem die Gastronomie steht, so heißt der. Also ist zwischen Staffelberg und Veitsberg, das ist also der Berg dazwischen sozusagen. Und Dein, weil wir im Prinzip dieser Region diesen Platz wieder zurückgeben wollten, das war, also deshalb dieses Dein davor. Und weil wir tatsächlich in der Vorbereitung des Ganzen mit ganz vielen Leuten, natürlich mit den Brauern und mit den Lieferanten für die Lebensmittel gesprochen haben und jeder hatte so seine eigene Geschichte zu dieser Gastronomie. Viele sind am Sonntag dort hochgewandert, als sie kleine Mädchen oder kleiner Junge waren. Die haben dort viele, ja, ich sage mal, auch Feste dort oben gefeiert, also weil, das war vorher ein Naturfreundehaus, wie die dann das Johannifeuer gemacht haben und so weiter, jeder hatte da aus der Region eine Erinnerung, wo er da oben war. Und es war halt totale Unterstützung auch, ja, das wäre schön, wenn das richtig wieder belebt wird und eine anständige Gastronomie da drauf kommt und so weiter. Und dann war relativ klar, dass wir diesen Ort, einfach sagen: „Okay, der heißt Dein.“ Also weil, das ist nicht unser, sondern das ist, wenn du kommst, ist das dein Ort, weil, du hast ja auch damit eine große, große Geschichte. Und das fanden wir sehr, sehr faszinierend auch immer.

Markus: Ja, ist ja auch ein sehr emotionsgeladener Ort, grade auch für die Franken. Also man darf ja nicht vergessen, Staffelberg als einer der beiden heiligen Berge sozusagen für die Franken, neben dem Walberla und auch der Veitsberg mit der Kapelle oben, ganz, ganz toller Ort auch. Und wenn man so ein bisschen dahinter dann guckt, der Veit ist ja eigentlich der Vitus, einer der 14 Nothelfer und dann hat man ja …

Thomas Ötinger: Genau.

Markus: … die Nothelfer, 14 Heilige wieder, die die Walfahrtsbasilika und auch eine ganz tolle Brauerei prunkt da oben, die den Nothelfertrunk macht. Was ich auch nach wie vor marketingmäßig sensationell finde, wenn man so heißt als Familie und das dann dementsprechend umsetzt. Also wirklich eine ganz spannende Geschichte. Apropos, jetzt ist es, glaube ich, noch Zeit für die Frankenmagie würde …

Thomas Ötinger: Unbedingt!

Markus: … sagen.

Thomas Ötinger: Jawohl.

Markus: Magst du die mal verkosten?

Thomas Ötinger: Die mag ich mal verkosten.

Markus: Jetzt musst du dich mal beeilen.

Thomas Ötinger: unv. #00:46:12-6#

Markus: Es drängt sich hier so auf.

Thomas Ötinger: Das drängt sich auf, sehr gut. Ja, wunderschön, ah, Mensch! Ja, wenn ich hier in das Glas so reinschaue, da haben wir eine schöne, schöne, ja, schöne dunkelbraune Farbe. Also tatsächlich nicht schwarz, sondern eher so dunkelbraun mit schönen Einschüssen, mit so roten Einschüssen, schöne Farbe im Glas. Auch klar, also bei mir ist keine Trübheit drin.

Markus: Da könnte man ganz kurz in Klammern sagen, das hätte gestern dem ein oder anderen Bier auch gut gestanden, diese Farbe.

Thomas Ötinger: Da hast du wohl Recht, ja, das stimmt. Ja, also wenn man es jetzt mit einem Wet Ale vergleicht, ist es zu dunkel geraten sozusagen, mit dem Wet Ale, genau. Wir haben einen schönen festen Schaum drauf, schön feinporig, tatsächlich nicht gefärbt. Also es ist, ja, ja, gefärbt schon, also eine dunklere Farbe, ist nicht ganz porentief weiß. Und jetzt nehme ich mal eine Nase voll, was wir da haben. Ja, also wir haben auf jeden Fall schöne, schöne Rostaromen, die wir in der Nase haben. Ja, auch ein bisschen Kaffee, ein bisschen dunkle Schokolade, so wie es sich für ein dunkles Bier auch gehört. Und tatsächlich auch ein bisschen eine fruchtige Note, die wir in der Nase haben, das kommt durch die Hopfung. Ja, das habe ich in der Nase. Hast du noch was anderes, Markus?

Markus: Nee, ich muss zugeben, ich habe schon getrunken.

Thomas Ötinger: Okay, da warst du ein bisschen schneller.

Markus: Ich konnte nicht, ich konnte einfach nicht.

Thomas Ötinger: Ja, ich weiß, du magst ja auch gerne die dunklen Biere.

Markus: Ich bin ein großer Liebhaber dieser Art von Bier. Also vielleicht, wenn ich nochmal rein reiche, also, ja, klar, Röstaromen, Karamell, vielleicht so ein bisschen Kirsche vielleicht, so dunkle süße Kirsche.

Thomas Ötinger: Dunkel, ja, ja.

Markus: Aber ganz, ganz schönes Bier, also das macht richtig Lust.

Thomas Ötinger: Ja, dann nehmen wir mal den ersten Schluck.

Markus: Oder den Zweiten, ja.

Thomas Ötinger: Ja und im Prinzip, genau, das ist ein sehr, sehr schönen Malzkörper durch das, ja, viele Malz, was da auch hier verwendet wird. Auch die dunklen Malzaromen, die kommen. Ja, eigentlich das, was in der Nase ist, hat man auch tatsächlich auf der Zunge, die schönen Röstnoten, Kaffee, Espresso, dunkle Schokolade. Auch eine leichte, ich sage mal, dunkle Fruchtnote haben wir mit dabei und im Abgang tatsächlich nur leichte Bittere von den Rösten, also vom Röstmalz, wenig vom Hopfen, nur ein kleinbisschen davon, sodass das tatsächlich ein Bier ist, was man auch sehr, sehr schön über den Abend hinweg trinken auch und auch davon ein bisschen mehr trinken kann. Allerdings hat es auch 6,6 Prozent. Und das heißt also, da muss man ein bisschen aufpassen, dass man nicht so viel davon erwischt, genau.

Markus: Ja. Nee, ich finde auch, es hat zum Beispiel ein bisschen Lakritznoten auch. Also wirklich ein tolles Bier. Auch so hinten raus ist es vom Nachgang, Abgang her so, dass es schön wieder erfrischt, also man ist wirklich dann immer gleich wieder bereit für den nächsten Schluck. Viele dunkle Biere sind ja so, dass sie einen eher sattmachen.

Thomas Ötinger: Ja.

Markus: Das ist hier nicht so der Fall. Und, ja, es heißt ja, Frankenmagie und hinter Magie steckt natürlich auch immer was Geheimnisvolles und vielleicht auch was Verbotenes irgendwie dabei. Und wenn ich jetzt so den langläufigen Franken fragen würde, was geht beim Bier gar nicht, dann würden ganz viele sagen: „Also gar nicht geht mischen!“ Aber, dieses Bier ist ein gemischtes Bier. Wie kommt es denn da dazu?

Thomas Ötinger: Ja, das war auch eine sehr, sehr spannende Story. Ich habe dann mit Karl-Heinz besprochen, ich will ein dunkles Bier und gerne so ein bisschen mit einer Kalthopfung, wo wir vielleicht also diese dunklen, ja, beerigen Aromen noch mit reinkriegen, sodass es interessanter wird als ein normales Dunkles. Und da hat der Karl-Heinz gesagt: „Das geht nicht, das machen wir nicht, das ist Quatsch.“ Und da habe ich gesagt: „Ja, aber warum? Also wir können wir es denn machen, dass wir was Besonderes hinkriegen?“ Da sagt er: „Naja, also was ich schon immer mal ausprobieren wollte, das darf man zwar nicht, aber ich würde gern das einfach mal mischen und dann noch mit einer Hopfung veredeln.“ Und da sage ich: „Ja, mischen?“ Und er sagt: „Das darf man nicht sagen, das macht man nicht! So wie du es eben gesagt hast, also mischen tun wir gar nix.“ Und ich sage: „Welches, was würdest du denn mischen?“ Und er sagt: „Ja, das Dunkle und unseren Mega-Doppelbock.“ Und sind beide ganz hervorragende Biere. Und da hat er gesagt: „Und dann nochmal ein bisschen vergären und dann nochmal mit Hopfen?“ Ja, genau, sodass es nochmal eine andere Note kriegt. Und da habe ich gesagt: „Gut, also jetzt vermarktungstechnisch schreiben wir nicht drauf, dass es zusammengemischt ist vom Dunklen mit einem Doppelbock, sondern es ist ein Cuvée.“ Weil, das ist auch was ganz Normales, was man auch in der Weinwelt macht. Und ich finde, es ist eine sehr, sehr schöne Sache, die da draus geworden ist, also das leichtere Dunkel mit dem sehr, sehr Heftigen vom Alkohol her, mit dem Doppelbock hier zusammenzubringen und es gibt irgendwie ein ganz neues Getränk. Und, ja und er war dann auch einverstanden, dass wir es Cuvée nennen und nicht Zusammengemischtes, der Karl-Heinz.

Markus: Ja, das war sicherlich sinnvoll, weil, sonst hätten einige Leute echt Angst bekommen. Aber, man muss ja sagen, also Erstens, man schmeckt es nicht. Also es schmeckt unheimlich rund, unheimlich schön harmonisch, als wäre es schon immer so gewesen.

Thomas Ötinger: Absolut.

Markus: Und Zweitens, muss ich sagen, dass ja andere Bierkulturen, für die ist das ja völlig normal. Also wenn du nach Tschechien gehst zum Beispiel, da ist es ganz normal, da gibt es ein Dunkles und ein helles und es gibt halt die Mischung. Oder wenn man nach Belgien geht, die ganzen Sauerbiere, das sind alles Blends oder Cuvées, weil man ja in der Regel eben für eine Geuze verschiedene Lambics, teilweise gar verschiedener Jahrgänge, verschneidet, …

Thomas Ötinger: So ist das, ja.

Markus: … um dann eben da am Ende zu seinem Ergebnis zu kommen. Also insofern ist das ganz unv. #00:51:48-5#

Thomas Ötinger: Und gelinde gesagt, in Deutschland wird es ja auch gemacht. Also wenn mehrere Sude gebraut werden und gelagert werden, um dann ein Grant, wenn man was Besonderes haben will. Grade bei fassgereiften Bieren wird das ja auch durchaus gemacht, ja.

Markus: Ja und früher in den Zeiten, so als die Kellerbiere so noch normal waren, vor dem ganz modernen Brauen, war es ja auch so, dass jeder Sud normalerweise immer etwas anders war als der Nächste. Und da haben die sich immer dieser Methode bedient, dass eben, wenn der eine Sud kurz vorm Ende war, dann hat man so ein spezielles Teil in der Brauerei gehabt, einen sogenannten Verschneidbock. Und den hat man dann zwischen den alten und den neuen Sud gesteckt und hat dann so ab dem Ende des alten Sudes, nach und nach immer ein bisschen mehr vom neuen Sud dazu gemischt. Sodass dann die Leute, die am Tresen saßen und praktisch so eine Halbe nach der anderen in sich hinein gekippt haben, dass die so diesen sanften Übergang überhaupt nicht mitbekommen haben. Und dann weben nach, was weiß ich, 20, 30 Litern oder 40, war dann der Übergang geschafft und dann hat man halt den neuen Sud getrunken und keiner hat gemerkt, dass das ein anderes Bier ist quasi. Also insofern, eigentlich eine ganz alte Geschichte, aber hier natürlich ganz schön. Ja und Frankenmagie, gibt es einen Grund, warum du das Magie genannt hast?

Thomas Ötinger: Also Magie also hat ja auch tatsächlich was mit diesem Verschneiden zu tun gehabt. Dass man es halt nicht tun darf und manchmal darf man ja Magie auch nicht tun und deshalb halt kam diese Frankenmagie als Name auf. Und, ja, das Dunkle hat ja auch immer was mit diesem Thema magisch auch zu tun, genau.

Markus: Ja. Na gut, da habe ich es ja sogar richtig assoziiert.

Thomas Ötinger: Absolut, absolut, genau.

Markus: Also und dann muss man hier natürlich auch wieder unseren Hörern nicht das Foodpairing vorenthalten. Da gibt es hier als Vorspeise das Rindercarpaccio, dann gibt es als Hauptspeise gegrilltes Geflügel mit aromatischem Gemüse. Und als Nachspeise ein Stück schwere Torte oder dunkle Schokolade.

Thomas Ötinger: Genau.

Markus: Habt ihr das auch mal ausprobiert, diese Foodpairings?

Thomas Ötinger: Also nicht alle davon, aber natürlich die dunkle Schokolade und das haben wir natürlich ausprobiert. Grade den Nachtisch und die Hauptspeise habe ich auch ausprobiert, genau.

Markus: Was ist denn eine schwere Torte?

Thomas Ötinger: Schwere Torte wäre also so eine Schokoladentorte, also die so richtig schokoladige Aromen, Röstaromen hat. Also nach einem Stückchen du richtig satt bist, das wäre für mich eine schwere Torte. Also jetzt keine Sahnetorte.

Markus: Ja, das stimmt. Aber das passt auf jeden Fall sehr, sehr gut zu diesem Bier, wunderbar. Ich habe noch eine Sache, die mir aufgefallen ist, die ich gerne mal ausprobieren würde. Und zwar habe ich auf deiner marcapo-Seite gesehen, ihr habt so sechs Werte, für die ihr steht.

Thomas Ötinger: Ja.

Markus: Und ich habe mir gedacht, wir könnten doch mal versuchen, kurz diese sechs Werte anzusprechen und zu überlegen, was könnte man da in die Bierwelt übertragen oder auch in die Biersommelierwelt, je nachdem, kann natürlich beide sein. Fände ich mal ganz interessant, also wir können ja mit dem Ersten anfangen, das steht Pioniergeist. Was kann sich die Brauwelt, die Bierwelt, die Sommelierwelt daraus her ableiten?

Thomas Ötinger: Also Pioniergeist heißt uns bei marcapo und natürlich auch für die Brauwelt, offen zu sein für neue Dinge, ja. Also auch die Chancen im Leben zu nutzen und die auch vor allen Dingen anzugehen. Also nicht nur zu sehen, sondern auch umzusetzen, anzugehen, um es dann ich die, ja, in die Realität zu bringen. Das ist für mich Pioniergeist, auch wenn der Weg noch nicht beschritten ist, ja, sowas wie ein Cuvée von einem Dunklen oder einem Doppelbock zu machen.

Markus: Da gehört auch ein bisschen Mut dazu und ein bisschen sich einlassen können, oder?

Thomas Ötinger: Genau, richtig und die Offenheit auch, ja.

Markus: Und das ist doch was, was es in der Brauwelt mittlerweile, glaube ich, gibt. Also das war lange Zeit …

Thomas Ötinger: Absolut.

Markus: … nicht so, aber da hat sich viel getan. Ja, der zweite Punkt ist dann Verbindlichkeit. Was ist da für einen Brauer oder Biersommelier wichtig?

Thomas Ötinger: Ja, Verbindlichkeit steht in meiner Welt tatsächlich da drum, das, wenn ich was sage, dass es auch so gemacht wird. Und das ist ja mittlerweile, ich glaube auch, dass dieser Wert dieses Land auch nach vorne gebracht hat und mittlerweile bröckelt dieser Wert auch in unserer Gesellschaft. Und man kann ja jetzt mittlerweile alles absagen, weil man, ich sage mal, ein bisschen Schnupfen und ein bisschen das und ein bisschen hier. Also das heißt, diese Verbindlichkeit, wenn ich was sage, das auch dann tun. Und wenn ich es nicht schaffe, dass ich frühzeitig Bescheid gebe, dass ich vielleicht noch zwei oder drei Tage länger dafür brauche. Also das heißt, diese Verbindlichkeit, wo Menschen miteinander auch dann, ja, zusammen sind. Ja, es nutzt mir nix, wenn ich was brauche am Montag und ich kriege es Montag in 14 Tagen, da ist es vielleicht nicht mehr, ja, nicht mehr zeitgerecht. Und Verbindlichkeit in der Brauwelt ist tatsächlich auch, dass das, was ich verspreche, auch im Bier drin ist, ja. Also dass ich verbindlich auch einen anständigen Brauprozess habe, das die Geschmäcker, die beschrieben sind, auch da drin sind. Und dass ich auch weiß, dass dieser Brauer auch nächste Woche noch da ist, das ist für mich verbindlich.

Markus: Das stimmt, ja. Na, da schwingen überhaupt viele alte Werte für mich mit. Und ich …

Thomas Ötinger: Ganz viele alte Werte, ja.

Markus: … muss sagen, ja und mich berührt es auch ein bisschen, muss ich sagen. Weil, wenn ich überlege, ich bin jetzt seit 1997 selbstständig und ich habe in dieser ganzen Zeit, glaube ich, drei- oder viermal für irgendwas einen Vertrag gemacht und ansonsten waren das eigentlich immer, in Franken würde man sagen, Handschlaggeschäfte und es hat auch bisher immer funktioniert. Und war jetzt auch zum Beispiel während dieser ganzen Online-Testing-Geschichte, das ist ja durchaus so eine Nummer, irgendeine Firma schickt eine E-Mail, wir würden gern ein Testing machen. Dann kriegst du, was weiß ich, 50, 100 Adressen, schickst irgendwelche Bierpakete dahin, gehst also doch erheblich in Vorleistung, bereitest dich da vor, irgendwann schreibst du mal eine Rechnung, irgendwann kommt dann mal Geld. Da hat es auch ganz viel mit Vertrauen und Zuverlässigkeit zu tun. Wie hast du das erlebt, gehst du da anders damit um, machst du da mehr Verträge?

Thomas Ötinger: Nee, ich mache gar keinen Vertrag. Also für Biersommelier-Verkostung ist genau derselbe Ablauf, den du auch sagst. Ich bin verbindlich, da gehe ich davon aus, dass der andere verbindlich ist. Und ohne Vertrauen geht es ja sowieso nicht.

Markus: Ja.

Thomas Ötinger: Und genauso tue ich das auch, ja.

Markus: Aber es ist schon spannend, also ich habe mir da schon ein paar Mal Gedanken gemacht. Also da geht es ja manchmal doch auch um ordentliche vierstellige Beträge und …

Thomas Ötinger: Ja.

Markus: … wenn man sagt, okay, man hat ja sich noch nie im Leben gesehen, man hatte irgendwie per E-Mail Kontakt, drei-, viermal, aber da darauf dann doch sowas basieren kann, finde ich irgendwie auch wieder ganz schön. Also selbst über Ländergrenzen hinweg, wo dann …

Thomas Ötinger: Absolut.

Markus: … ich jetzt zum Beispiel auch mit englischen Firmen ein paar Mal so ein Thema hatte, dass das dann mit dem Überweisen nicht so geklappt hat und trotzdem haben die sich da bemüht. Die hätten ja auch irgendwann sagen können, du kannst mich mal. Insofern, das ist schon, muss ich wirklich sagen, da, ja, also Verbindlichkeit ist schon auch ein wichtiger Punkt. Der Nächste ist Offenheit.

Thomas Ötinger: Ja, also offen, was wir auch vorhin schon hatten, also offen sein mit den Dingen, die da passieren. Die Chancen zu sehen und nicht zu sagen, das haben wir schon immer so gemacht, sondern sich auch erst mal anzuhören, was denn besser gemacht werden könnte oder die Ideen auch, ja, also mal auch offen anzugehen und nicht schon die Scheuklappen aufzuhaben, das heißt für mich Offenheit. Und das hat auch natürlich sehr, sehr viel mit der Brauwelt zu tun. Und ich sage mal so, Anfang 2000 hätte ich gesagt, die sind nicht offen, aber mittlerweile, auch hier bei uns in der fränkischen Region, sind sehr, sehr viele offen für Dinge auszuprobieren, mal einen anderen Weg zu gehen sozusagen.

Markus: Ja, also ich denke da zum Beispiel auch viel an dieses Generationenübergabethema, wo ich doch erlebt habe, sagen wir mal so Ende der 90er-, Anfang der 00er-Jahre, wo es doch noch so war, dass, wenn die Nachfolger in der Bierwelt da mit ihren Senioren in Diskussionen eingestiegen sind, das es dann wirklich so war, das eigentlich von der älteren Generation eher wenig Offenheit für irgendwelche neuen Ideen oder so. Sondern da waren die Jungen, habe es entweder so übernommen oder gemacht, wie die Alten das gewollt haben oder es gab halt keine Übergabe.

Thomas Ötinger: Ja, klar.

Markus: Und das ist, glaube ich, jetzt auch ein bisschen anders. Also die Jungen werden eher einbezogen, sie kriegen ein bisschen mehr Freiheiten und können, glaube ich, dann auch eher das als Ihres verstehen, was ja irgendwie auch wichtig ist, ne?

Thomas Ötinger: Absolut.

Markus: Ja, dann kommen wir zum Nächsten. Das ist spannend, da steht Erfolg. Also natürlich ist Erfolg ein wichtiger Punkt, aber wie kann man das für sich nutzen als Brauer, als Sommelier?

Thomas Ötinger: Ja, dass du im Prinzip den Erfolg im Blick hast. Also nicht Dinge zu tun, weil man sie grade tun möchte, sondern auch immer zu fragen, bringt es das, wo ich hin möchte? Also ist, diese Schritte, die ich grade tue, zahlt es auf das aus, was ich mir als Ziel gesetzt habe? Das bedeutet für mich also erfolgreich auch handeln, nicht nur zu sagen, Erfolg haben, das ist ja der Schluss da draus. Aber in seinem täglichen Tun, da macht man viele Dinge, die vielleicht gar nicht für den Erfolg einzahlen, sondern weil man sie schon immer gemacht hat. Diese auch zu überprüfen und zu sagen, auch wenn man neue Schritte macht, machen die mir jetzt nur Spaß oder muss das grade gemacht werden oder hilft das, erfolgreich am Ende zu sein? Also erfolgreich heißt ja, das Ziel, was man sich gesteckt hat, dann auch zu erreichen.

Markus: Ja, ich glaube auch, dass es viel zu oft nur mit dem rein finanziellen Aspekt gleichgesetzt wird, sondern, Erfolg kann ja an ganz vielen Ecken und Enden da sein. Also das kann …

Thomas Ötinger: Genau.

Markus: … im Marketing sein, das kann aber auch zum Beispiel in Sachen Nachhaltigkeit sein. Oder auch einfach der persönliche Erfolg, zu sagen, mein Erfolg ist jetzt, ich habe mal einen halben Tag frei oder so. Also wirklich, das auch ein bisschen anders zu definieren und dafür aber sich auch eine Belohnung beschaffen. Also wenn man sich eben kleine Erfolgsschritte vorgibt und sich dann auch freut, wenn man die erreicht hat, dann ist es, glaube ich, was, wo man ein bisschen glücklicher und zufriedener auch durch sein Leben so geht, ne?

Thomas Ötinger: Genau. Also und mir ist ganz wichtig, es hat nicht nur was mit monetären Erfolg zu tun, sondern wirklich auch, also die Ziele, die man tatsächlich hat. Das können natürlich auch monetäre Ziele sein, das können aber vor allen Dingen also Markenziele sein oder, ja, wie du sagst, okay, wir wollen das und das und das Fest feiern, dafür müssen wir aber das und das vorher tun, damit das erreicht werden kann. Oder das vielleicht auch das Bier auch funktioniert oder in die Sachen reinkommen, in den Handel reinkommen. Ja und wenn es dann da ist, hat es erst mal noch gar nix mit dem monetären Erfolg zu tun, sondern erst mal, dass man es geschafft hat, ja und das zu überprüfen. Und das auch die Schritte, die man täglich tut, und das ist oftmals eine ganz große Aufgabe, weil man täglich in seinem operativen Tun ja nicht immer in der Metaposition ist, um drauf zu gucken, hat das denn alles mit den Zielen zu tun, die dann erfolgreich, ja, erlangt werden können?

Markus: Ja und oft bedingt ja auch das eine das andere. Also wenn ich in diesen vielen Schritten irgendwie für mich erfolgreich bin, dann schlägt es sich ja meistens am Ende des Tages auch in einem gewissen wirtschaftlichen Erfolg nieder.

Thomas Ötinger: Absolut, ja.

Markus: Und dann kommen die Dinge ja wieder zusammen.

Thomas Ötinger: ja.

Markus: Ja, das führt uns auch mehr oder weniger zum nächsten Punkt. Den finde ich auch ganz spannend, das sind nämlich die Möglichmacher. Und das erinnert mich total an eine Diskussion, die ich immer in der Gastronomie habe. Also zum Beispiel gibt es in Bamberg, oder gibt es jetzt nicht mehr, deswegen kann ich es jetzt ganz offen ansprechen, gab es eine Gastronomie, die Brudermühle, die Bischofsmühle, Entschuldigung, die Brudermühle gibt es natürlich noch. Also die Bischofsmühle und dort war ich öfters zum Essen und dann wollte ich da Nachtisch haben. Und dann hieß es, ja, wir haben drei Kugeln Vanilleeis. Dann habe ich gesagt: „Naja, das ist mir jetzt zu viel, ich hätte gern eine Kugel.“ Und dann sagen die: „Gibt es nicht“, so in klassischer fränkischer Art. Und dann habe ich gesagt: „Ich zahle Ihnen von mir aus auch die drei Kugeln, aber ich hätte gerne nur eine.“ Machen wir nicht! Und das ist auch so ein Punkt, wo ich einfach sage, grade bei den Gastronomen, die ich auch berate oder bei den Brauern, im Grunde geht es nie darum, ob etwas geht, sondern nur darum, welchen Preis das hat. Ne, weil letzten Endes kann ich es ja da drüber genauso steuern. Wenn ich jetzt in einem thailändischen Restaurant bin und jemand will eine Pizza, dann sage ich: „Naja, kostet halt 200 Euro“, dann regelt sich das auch von alleine, also jetzt mal radikal gesagt. Wie siehst du denn dieses Thema, möglich machen?

Thomas Ötinger: Ja, das hat leider so zwei Seiten der Medaille. Also ich sehe das einmal, was du erzählt hast, zu sagen, okay, was kann ich dem Kunden, ich bin der Möglichmacher, dass ich seine Wünsche auch, ja, befriedige, das ist das eine. Hat aber auch die negative Seite, dass ich mich verbiege, also um alles möglich zu machen. Und für uns ist das Thema möglich machen, wir machen tatsächlich an der Stelle lokale Markenführung überhaupt erst für große Marken möglich. Also das und vor allen Dingen auch das Thema einfach, das es auch benutzt wird und genutzt und erfolgreich auch genutzt wird. Das ist also dieser Möglichmacher auf dieser positiven Seite, Und tatsächlich muss man ein bisschen aufpassen, dass der Möglichmacher nicht dazu genutzt wird, ich kann jeden Scheiß bei dir bekommen. Und da gehört jetzt nicht die eine Kugel Eis dazu, sondern wenn die jetzt anfragen, keine Ahnung, könntest du mir noch Lakritzschnecken da rein machen und könntest du mir das, dann kann man das natürlich über den Preis regeln oder zu sagen: „Hej, hör mal zu, hm, das macht doch gar keinen Sinn.“ Also das heißt auch, nicht alles möglich machen, sondern auch zu beraten, was denn auch Sinn haben kann, was vielleicht auch …

Markus: Ja, da kommt natürlich auch dann die Kommunikation einfach mit ins Spiel. Also …

Thomas Ötinger: Exakt, genau.

Markus: … man muss ja auch nicht sagen, nein!

Thomas Ötinger: Genau, das ist so eine Kommunikation.

Markus: Genau, kann man ja auch …

Thomas Ötinger: Das wäre tatsächlich auch bei uns im Unternehmen, haben wir grade in der Anfangsphase, war das, ich mache alles, was der Kunde will, ich mache ihm das alles möglich. Das ist damit nicht gemeint, sondern, generell ja, aber, es muss auch Sinn machen. Und wenn es nicht Sinn macht, dann muss ich auch mit ihm kommunizieren, dass es richtig möglich gemacht wird, also das, was er will, auch eine richtige Möglichkeit bekommt, ja.

Markus: Gut, dann kommen wir zum letzten Punkt. Da bin ich auch gespannt, aber ich glaube, das ist etwas, was im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend ist, da geht es nämlich um die Nähe.

Thomas Ötinger: Ja, die Nähe. Ja, Menschen und Menschen machen miteinander Geschäfte und Mitarbeiter mit Mitarbeitern oder Leute mit Leuten und genau da ging es um die Nähe. Und die ist natürlich jetzt in den letzten Jahren auch sehr, sehr stark mit den Füßen getreten worden. Deshalb bin ich so froh, dass ich diese Online-Bierverkostung gefunden habe und auch Nähe zu haben zu meinen Kunden, zu meinen Interessenten und dieses, ja, Mensch mit Mensch sozusagen zu haben. Und das ist für uns ein ganz, ganz wichtiger Wert! Wir sind nicht steril, sondern da darf es auch Menschen und genauso muss es auch in der Gastronomie menscheln und da muss es auch irgendwie dieses Gefühl der Gastfreundlichkeit, ich bin willkommen. Dass ist das, was ich für die Gastronomie oder auch für die Bierbrauer sehe, also komme ich nah hin an den Menschen? Also mache ich die Scheuklappen auf und erkenne ich, was ist das denn für ein Brauer? Also ich muss mich nicht hinterm Braukessel, ja, verstecken, sondern auch zu sagen: „Ja, das habe ich mir dabei gedacht, deshalb ist das Bier so geworden“ und so weiter. Also auch sich auch zu zeigen, um auch Nähe zu ermöglichen. Weil, nur wenn ich das Visier aufmache von meiner Rüstung, dann kann ich auch Nähe zulassen sozusagen.

Markus: Ja und beim Bier ist das ja auch irgendwie eingebaut, würde ich sagen, systemimmanent oder so. Also Nähe, …

Thomas Ötinger: Genau.

Markus: … Bier bringt Menschen zusammen. Der Holger sagt immer: „Come togehter.“ Und …

Thomas Ötinger: Absolut.

Markus: … ich muss nur an meinen Postboten denken, der arme Kerl, der mir ja immer diese ganzen Bierpakete bringt. Und dem habe ich dann irgendwann kurz vor Weihnachten einfach das Bierpaket aufgemacht und ihm einfach zwei Flaschen in die Hand gedrückt. Und da hat der gelächelt wie ein Schnitzel oder zwei. Also da merkt man einfach, das ist einfach, Bier ist immer was, was Nähe erzeugen kann und wo Leute sich auch freuen und …

Thomas Ötinger: Ich glaube, deshalb ist auch das Thema Bier bei uns in der marcapo-Marke auch tatsächlich relativ schnell auch angekommen, weil das genau dieses Thema Nähe sehr, sehr gut spielt. Also bei uns ist es jetzt auch so, wir überlegen grade, wie kriegen wir die Leute jetzt auch wieder aus dem Homeoffice zu uns ab und zu rein, ja? Also die sind frei, die dürfen auch weiter im Homeoffice bleiben, aber wir merken, das Thema Nähe wird dadurch sehr mit Füßen getreten. Weil, wenn ich nur Videokonferenzen mache, ich Nähe nur schwieriger aufbauen kann, wie wenn Mensch zu Mensch vor Ort sind und ich mir in die Augen schauen kann. Und da bauen wir halt grade halt Events auf, wo wir sagen: „Komm, also die Abteilung da, die Abteilung da oder das Team da.“ Wo es dann auch mal ein Bier gibt, wo es dann auch was zu essen gibt, wo es dann auch einen fachlichen Vortrag gibt, um wieder Nähe unter den Mitarbeitern auch zu kriegen und auch zu wissen, wo die grade stehen. Aber ich glaube, das ist auch ein Wert, der, ja, vielleicht auch sehr traditionell ist, ja.

Markus: Ja und das ist aber, wie du schon sagst, glaube ich, jetzt wirklich eine Herausforderung, auch für viele Firmen, aber überhaupt für viele Menschen aus dieser Zeit der Isolation, Selbstisolation, des Rückzugs, der Vorsicht, dass man sich nicht mehr umarmt, dass man, wenn überhaupt, nur noch winkt oder so, …

Thomas Ötinger: Ja.

Markus: … da irgendwie wieder zurückzufinden zu mehr Menschlichkeit und zu mehr Nähe. Weil es schon einfach was anderes ist, wenn ich andere Menschen auch erfahren kann im Gegenüber, auch in der Umarmung miteinander, dann habe ich zu denen natürlich eine ganz andere Beziehung. Und das ist natürlich was, wenn dieses Homeoffice irgendwie auch bleibt, dann ändert sich ja auch die Aufgabe von so einer Firma. Dann ist sie vielleicht weniger Arbeitsplatz und mehr Treffpunkt und dann muss sich da ja auch was verändern an dem ganzen Setting sozusagen. Und da sind sicherlich viele, viele Aufgaben, die da in der Zukunft auf die Leute zukommen, ne?

Thomas Ötinger: Genau, also wir bauen jetzt auch Büros um in kleine Eventlocation, wo man sich dann treffen kann, um genau das zu tun, was man jetzt nicht beim Arbeiten jetzt macht, sondern tatsächlich, dass auch Kollegen sich wieder auch sehen können, ja.

Markus: So, jetzt biegen wir so langsam auf die Zielgerade ein, so zwei kleine Themen hätte ich noch, gucken wir mal. Also, das eine ist, du hast ja drei Kinder und du hast ja gesagt, die sind jetzt schon alle 20 und so weiter. Gibt es da jemand, der so ein bisschen auch in die Bierfußstapfen tritt?

Thomas Ötinger: Alle drei lieben Bier, ja, die waren natürlich auch in vielen Verkostungen auch dabei. Also grade meine Tochter, die ist eine Rauchbierliebhaberin vor dem Herrn.

Markus: Haha!

Thomas Ötinger: Klar, mein Sohn, der grade jetzt Wirtschaftsinformatik studiert, der Ältere, klar, in dem Studium, da ist natürlich Bier in Bamberg immer ein Thema, und ist aber eher sozusagen eher breiter aufgestellt. Und der Jüngste, der ist ein ganz klarer Lagerfreund, ja. Also der mag die Kellerbiere. Jetzt nicht Pils, in die Richtung, also so die süffigen Kellersachen, die hier in Franken gebraut werden, ja. In meine Fußstapfen, beruflich, wird tatsächlich mein ältester Sohn möglicherweise treten, aufgrund seines Wirtschaftsinformatikstudiums. In die Bierfußstapfen hat sich noch keiner gezeigt, nein.

Markus: Naja, das kann ja noch werden.

Thomas Ötinger: Genau.

Markus: Ein bisschen spannend finde ich das ja auch mit deiner Frau, wenn man überlegt, ihr kennt euch, hast du gesagt, seit sie 13 ist oder seid ihr 13 …

Thomas Ötinger: Genau.

Markus: … wart, weiß ich gar nicht. Aber, also das heißt also, ihr kennt euch ja wahrscheinlich, bevor ihr so richtig das Thema Alkohol kennengelernt habt. Und dann habt ihr ja wahrscheinlich erst mal so Wein, Heidelberg, da in der Ecke, eher so das kennengelernt und dann irgendwie auch gemeinsam das Thema Bier. Also ist sie da auch mitgegangen, wie hat sich das so entwickelt?

Thomas Ötinger: Ja, war auch eine sehr spannende Sache. Und zwar, beim Michael König hat sie Biertrinken gelernt, bei Maisel & Friends und zwar, als ich meinem Warn Bierverkostung, nach Bierverkostung war, war sie auch tatsächlich immer dabei, weil sie es interessant fand. Und dieses Feeling auch immer toll fand, so wie die Leute da zusammenkommen um diesen Genuss und so weiter. Aber Bier hat sie nicht gewollt, auch nicht verkostet. Und der Micha hat dann bei einer Verkostung, das war, glaube ich, Schokolade und Bier, gesagt: „Kerstin, du musst immer mal probieren, weil, sonst kommst du da nie dahinter.“ Und dann hat sie tatsächlich angefangen, ja, zu probieren und hier mal wieder zu probieren, also immer in kleinen Schlucken. Und tatsächlich, der Micha, der hat meine Frau zum Biertrinken gebracht. Und seitdem, und das ist ziemlich krass, weil viele immer sagen, so ein IPA, das ist jetzt nicht so ein Frauenbier. Also meine Frau, die liebt genau diese ganz herben amerikanischen IPAs, wo richtig der Hopfen dann richtig im Gesicht landet und hinten die Herbe, die ja fast die Fußnägel hochdreht, das ist ihr Bierstil. Und da bin ich eher sanfter unterwegs. Ja und das habe ich dem Micha zu verdanken. Und da sieht man auch wieder, was so Biersommeliers alles möglich machen, wo ich dann auch mit meiner Frau dann zusammen Bier trinken jetzt gehen kann, genau.

Markus: Ja, der Micha ist schon ein großer Verführer, das ist wohl wahr.

Thomas Ötinger: Ja.

Markus: Hat schon so manchen Menschen angefixt, klasse Sache. Ja und zum Schluss vielleicht noch die Frage, du hast am Anfang ja erzählt, Fußball war so ein bisschen deine Leidenschaft und so, Sandhausen. Wie hat sich das denn entwickelt, fängst du heute mit dem Thema noch was an, bist du von irgendeinem Verein Fan? Schaust du ab und zu oder spielst du noch selber und gibt es da auch mal ein Bier?

Thomas Ötinger: Ja, gut, Fußball und Bier, die gehören ja per se zusammen, ja, also die sind ja nicht trennbar. Ich habe tatsächlich aufgehört mit Fußball spielen mit 20, als ich zum Studieren nach Bamberg gekommen bin. Und habe immer gedacht, Mensch, ej, sieht denn keiner, was ich für ein geiler Fußballspieler bin, spricht mich keiner an , ja? Klar, wenn du beim FC Sandhausen gespielt hast, dann war tatsächlich, hat man irgendwie das Gefühl, irgendjemand muss dich doch kennen! Aber das war tatsächlich nicht der Fall. Ich habe dann ein bisschen in der Uni-Fußballmannschaft gespielt. Und habe dann aber mehr damit nix gemacht, weil ich dann auch mit 22 meine erste Firma gegründet habe und dann war natürlich alles andere wichtiger als Fußballspielen. Bin dann tatsächlich, ja, wie hast du gesagt, Spätgefundener, mit 30 habe ich dann wieder angefangen in der Altenherrenmannschaft bei uns im Dorf, beim VfR Kirchlauter, wieder Fußball zu spielen, weil mich tatsächlich ein paar alte Herren angesprochen haben und da habe ich gesagt: „Mit Bällen kenne ich mich aus, das mache mal.“ Habe aber dann beim ersten Spiel gemerkt, uh, mir fehlt aber ganz schön die Kondition, das läuft nicht mehr so wie früher. Und bin dann zur ersten Mannschaft dann ins Training gegangen, um mal wieder konditionell auf die Höhe zu kommen. Und es hat dann nicht lange gedauert, da war ich dann in der ersten Mannschaft und habe dann dort. Ja, ein paar Monate später war ich dann auch dann Kapitän und habe dann tatsächlich, ja, zehn, ach, fast 15 Jahre jetzt, nochmal in der ersten Mannschaft beim VfR Kirchlautern gespielt. Und das ist jetzt durch diese Corona-Phase, ja, 13 Jahre genau, also durch die Corona-Phase habe ich da gesagt: „So, jetzt, du bist immer verletzungsfrei durchgekommen, jetzt hörst du auf, bevor noch irgendwie was passiert.“ Weil natürlich auch das Training durch die vielen Firmen, die vielen Aktivitäten, nicht immer im Vordergrund stand in diesem Sport. Aber ich bin tatsächlich dem Sport sehr zugeneigt, schaue allerdings tatsächlich sehr wenig Fußball.

Markus: Und welche Position hast du gespielt?

Thomas Ötinger: Immer Mittelfeld. Linkes Mittelfeld, die haben ja meistens einen Klatsch, genau, da gehöre ich hin. Und dann habe ich später dann den Sechser und dann ganz später Libero gespielt.

Markus: Ich wollte grad fragen, lieber Lothar Matthäus oder lieber Andy Möller?

Thomas Ötinger: Ja, genau.

Markus: Okay, die Frage lassen wir jetzt einfach mal offen, auch für die Hörer, da haben wir jetzt noch ein bisschen Kopfkino aufgemacht. Ich bedanke mich ganz, ganz herzlich für diesen tollen BierTalk und für die vielen Infos und hoffe mal, dass wir auch den Hörern ein bisschen was zum mitdenken auf den Weg gegeben haben. Danke auch für die beiden Biere, tolle Sache und da freue ich mich schon auf die Edition im nächsten Jahr.

Thomas Ötinger: Ja, nee, jetzt am 01. Mai kommt ja der Frankensommer raus, der wird auch dann am Dornig ausgeschenkt. Den machen wir auch mit Staffelberg-Bräu. Und, Markus, da lade ich dich natürlich zum Anstich auf jeden Fall ein, dass du auch den Neuen sozusagen, dann den neuen Sondersud dann bekommst unv. #01:14:31-4#

Markus: Ja, auf jeden Fall. Entschuldige, natürlich nächstes Jahr, ich bin geistig irgendwie immer noch in 2021.

Thomas Ötinger: Ach so, okay.

Markus: Ja, alles gut. Das ist, ja, wenn man immer nur hier vor irgendwelchen Bildschirmen sitzt, dann gehen so viele Sachen an einem vorbei, Sylvester gibt es ja auch nicht also.

Thomas Ötinger: Das stimmt, ja.

Markus: Aber ja, okay.

Thomas Ötinger: Super.

Markus: Also, nochmal vielen Dank und auf bald.

Thomas Ötinger: Auf bald. Danke schön, Markus, für die schöne Zeit. Bis denn, tschüss.

Markus: Bis dann.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 83 – Interview mit Michael Friedrich von Stonewood aus Chemnitz, Deutscher Meister der Biersommeliers 2021

Michael Friedrich stolperte als 14jähriger DDR-Schüler über einen Ferienjob in einer örtlichen Brauerei und hatte seinen Traumberuf entdeckt. Nach der Lehre und der ersten Berufserfahrung zog er in den turbulenten Nachwendejahren zum Studium nach Berlin an die VLB und kam als Diplom-Braumeister zurück nach Sachsen. Dort war ihm das Angestelltenverhältnis schnell langweilig und er entschloss sich, eine eigene Bierkarriere zu starten. Los ging’s mit der Kneipe „Zum Sudhaus“, deren Küche schon kurz nach der Eröffnung zur Braustätte umfunktioniert wurde. Die 50 Liter seines kleinen Kessels waren regelmäßig an einem Tag ausgetrunken, also erfolgte der Umzug in eine große Gasthausbrauerei mitten in der Stadt. Zehn Jahre später standen die Zeichen wieder auf Veränderung – die Braumanufaktur Stonewood in der ehemaligen Germania-Brauerei nahm Gestalt an. Dort hat Micha heute seine bierige Heimat – und seinen Übungsraum. Schließlich trainiert er als amtierender Deutscher Meister der Biersommeliers fleißig für die Weltmeisterschaft und lässt uns im Podcast an seinem spannenden Lebensweg teilhaben…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute wieder natürlich eine ganz besondere Folge, aber diesmal ist sie richtig besonders, weil wir einerseits in den Osten Deutschlands gehen nach Sachsen und dort jemanden treffen, der ganz viele Titel schon gesammelt hat, unter anderem einen Deutschen Meistertitel und einen dritten Weltmeistertitel, also ein ganz bekannter spannender Mann in der Bierwelt. Und er kommt aus einer Stadt, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Also, eigentlich ja schon, aber, das ist auch ganz spannend. Also herzlich willkommen, lieber Michael Friedrich aus Karl-Marx-Stadt Schrägstrich Chemnitz, stell dich doch unseren Hörern mal kurz selber vor.

Michael Friedrich: Ja, danke, Markus. Also ich bin der Micha, kurz, also ganz einfach Micha, komme aus Chemnitz beziehungsweise, genau genommen, aus Clausnitz bei Chemnitz. Geboren bin ich in Karl-Marx-Stadt. Bin jetzt 52 Jahre jung, alt, wie auch immer und befasse mich praktisch schon seitdem, ja, wenn man so will, 14. Lebensjahr mit dem Thema Bier. Das ist dem geschuldet, dass ich in den Ferienarbeiten gerne in der Brauerei gearbeitet habe und mir dort das ein oder andere Märkchen dazu zuverdienen. Und da habe ich dann als junger Typ einfach Spaß dran gefunden und habe gedacht, okay, das wäre jetzt mal ein schöner Beruf, den du erlernen kannst. Ja, wie gesagt, ich will jetzt noch gar nicht alles vom Lebenslauf erzählen. Mittlerweile besitze ich eine kleine Brauerei in Chemnitz, die Stonewood Braumanufaktur, auf dem Gelände einer alten Brauerei. Das ist die alte Germania Brauerei, die es schon lange nicht mehr gibt, aber die Gebäude sind zum Teil noch erhalten und dort habe ich mich eingemietet und nutze dort zum Teil noch die alten Bier- und Lagerkeller. Und wie gesagt, ich betrachte das eher als Event-Brauerei, weil ich mich ja auch viel mit Braukursen und mit Bier-Testings befasse und nebenbei ganz, ganz viel verschiedenes Bier braue.

Markus: Ja, also ein richtiges Panoptikum, was du da mittlerweile aufgebaut hast. Wir haben uns ja vor Ort auch schon getroffen, ich glaube, das war so ziemlich im Gründungsjahr oder kurz danach. Also auf jeden Fall auch spannende Geschichte, werden wir dann auch noch ein bisschen reinschauen. Jetzt ganz am Anfang, wenn du sagst, du kommst mit 14 da so rein, du bist jetzt 52, das heißt, damals war ja Chemnitz noch Karl-Marx-Stadt, wenn man jetzt so den landläufigen Wessi fragt, dann können wir uns gar nicht vorstellen, wie das ist, dass man sich da mit 14 eine Mark dazu verdienen kann. Wie ging denn das im Sozialismus, hat man das einfach so machen können?

Michael Friedrich: Ja, es gab also die ganz normale, nannte sich Ferienarbeit. Da konnte man in den Herbstferien oder in den Sommerferien, egal, sich bei Betrieben bewerben, egal ob das jetzt eine Brauerei war oder jemand, der Knöpfe hergestellt hat und konnte dort als Schüler einfache Tätigkeiten machen, wo der Betrieb gesagt hat: „Okay, das können wir denen zutrauen.“ Und für so einen Schüler war das immer nett, sich doch wirklich ein paar Mark einfach dazu zuverdienen. Das war nicht viel, das war in der Stunde vielleicht eine Mark oder 1,50 Mark in der Stunde. Zu damaligen Verhältnissen für uns schon viel Geld! Ja, wir haben da auch anders umgerechnet regelrecht. Und für mich war eigentlich das Entscheidende, dass die Arbeit dort wahnsinnig viel Spaß gemacht hat, weil, es war eine ganz, ganz alte Brauerei, die gibt es schon lange nicht mehr, die Schlossbrauerei Karl-Marx-Stadt war das. Also so mit riesigen alten Lagerkellern, mit stillgelegten Abteilungen und viel mit Kupfer, also wirklich so ein bisschen Abenteuerspielplatz. Und dann waren vor allen Dingen die Bierbrauer, das waren alles so richtige Typen, ja, also es gab wirklich so den einen, der war extrem intelligent, der hat irgendwelche Gedichte rezitiert, der Nächste war Kraftsportler. Ach, da war alles dabei und es waren halt alles wirklich richtige Typen und da hat es halt Spaß gemacht zu arbeiten.

Markus: Und was waren das so für Sachen, die du dann da gemacht hast?

Michael Friedrich: Ja, wir mussten hauptsächlich saubermachen. Also die hatten ja noch oft oder damals fast ausschließlich offene Gärung, also praktisch in einem Gärbottich die Hefe schieben, praktisch die gesamten Bottiche saubermachen damals, mit erst mal Wasser und dann mit Schwefelsäure. Also es war schon sehr, ja, grenzwertig teilweise, weil wir dort mit wenig Schutz gearbeitet haben. Dann also auch in die Tanks rein klettern, die Tanks von innen also schluppen sozusagen, schöpfen. Da gab es halt Stahltanks und gab es auch Betonbetanks, die sogenannten Rostock-Tanks mit einer Auskleidung innen drinne. Also es war schon eine extrem große Brauerei für damalige Verhältnisse, aber eben auch sehr runter gewirtschaftet, ja, wie das bei vielen Brauereien so war. Also da gab es immer, immer Arbeit, also wahnsinnig viel Arbeit, wahnsinnig viel sauberzumachen und es war oder man hat dann sehr schnell den Erfolg gesehen, ja, weil es war schon, wenn man dort hingekommen ist, relativ schmutzig und wenn man den Arbeitsplatz verlassen hat, dann war es schön sauber. Und das hat eben auch Spaß gemacht.

Markus: Also klingt jetzt nicht so wie der große Traum von vielen jungen Männern, die ich so kenne, aber auf jeden Fall natürlich spannend, weil man Hand anlegt und weil man ganz nah dabei ist und so. Und da ist dann eben auch dein Berufswunsch gereift, Brauer zu werden.

Michael Friedrich: Ja, genau, ja.

Markus: Und das hast du dann dort bei der Brauerei dann auch umsetzen können oder wie ging das?

Michael Friedrich: Ja, also ich habe dort angefangen als Lehrling. Und ich habe aber damals schon das große Ganze gesehen, gesagt: „Okay, du kannst dich in dem Beruf sehr gut entwickeln.“ Ich bin ja auch nicht blöd, sage ich jetzt mal so und habe das alles relativ schnell geschnallt. Bin auch in meiner Lehrzeit sehr gut davon gekommen, also Bester im Bezirk, dann habe ich beim DDR-Leistungsvergleich damals der Bierbrauer den zweiten Platz gemacht. Habe vorzeitig ausgelernt, also praktisch die Lehre im Schnelldurchlauf gemacht, ich war, glaube ich, in anderthalb Jahr war ich fertig. Ja, also es ging relativ zügig und habe dann auch schon schnell angefangen zu arbeiten.

Markus: Ja, das heißt, du hattest also damals schon einen gewissen Hang zu solchen Leistungsvergleichen oder Meisterschaften und auch einen Hang, die zu gewinnen, sehr spannend. Das heißt also, du hast dann ausgelernt und hast angefangen zu arbeiten. Das müsste dann ja ziemlich in die Wendezeit gefallen sein, oder?

Michael Friedrich: Ja, genau, genau. Also ich habe dann praktisch 88, etwas eher, 87 habe ich angefangen in der Schlossbrauerei als Brauer. Die hatten allerdings da 1988 die Bierproduktion komplett eingestellt. Und ich habe gesagt: „Okay, ich will jetzt nicht in einer Brauerei arbeiten“, wo nur Limonade hergestellt wird, sondern ich wollte schon in einer richtigen Brauerei arbeiten. Und dann bin ich zu Braustolz gewechselt, also auch damals in Karl-Marx-Stadt, praktisch eine Spezialbierbrauerei, die dann doch schon vom Niveau her, vom Qualitätsanspruch her schon deutlich höher war. Und dann kam noch die Armeezeit dazwischen und dann kam aber schon die Wendezeit. Und als ich dann von der Armee wiederkam, das war ein Vierteljahr, auch wieder relativ kurze Zeit, da hat dann natürlich die Brauerei gesagt: „Moment, du bist eigentlich der Jüngste, du bist zuletzt gekommen und wir haben jetzt andere wirtschaftliche Verhältnisse. Wir können jetzt keinen übernehmen, keine einstellen, du müsstest jetzt an unsere Partnerbrauerei ran treten.“ Das war damals die Mönchshof Brauerei in Kulmbach und dort habe ich dann angefangen, das war 1990, auch wieder im Lagerkeller, da aber schon relativ schnell zum Filtrierer mich entwickelt. Da habe ich dann praktisch die komplette Filterstrecke gemacht mit einem großen Schichtenanschirmfilter, PVPP-Filter, also alles, was es so hatte. Und dann, das hat Spaß gemacht, dort war ich ein Jahr und dann bin ich aber schon ganz schnell zum Studium nach Berlin an die VLB.

Markus: Ja, das ist sicherlich auch eine sehr spannende Zeit gewesen, über die wir auch gleich sprechen. Ich habe noch eine Frage zu diesem Thema des Bieres damals in der DDR-Zeit. Ich habe da auch schon viel drüber gearbeitet und recherchiert und da war es ja wohl am Ende so, dass die Stammwürze ziemlich weit unten war und das man viele Ersatzstoffe für das Bier verwendet hat und das auch das Bier oft qualitativ einfach problematisch war. Wie hast du das denn erlebt, hat sich das Bier in der Zeit, in der du da noch in der Brauerei warst, verändert? Und wie sind die Leute, die da gearbeitet haben, damit umgegangen?

Michael Friedrich: Ja, also das stimmt, also in der Schlossbrauerei, also das war eine Brauerei, die praktisch für den breiten Bevölkerungsbedarf das einfache Bier gemacht hat. Und das war tatsächlich in der Qualität wirklich nicht herausragend. Ich habe auch tatsächlich auch als Lehrling schon angefangen, ein bisschen das Bier zu pimpen, hatte mir dort ein altes Bierfass, so ein Alufass besorgt, habe das in einer Schlosserei umbauen lassen. Habe dann dort klassisches Pils rein gefüllt, habe das nochmal mit einem schönen Hopfen aus dem Südharz, mit dem tschechischen Saazer-Hopfen praktisch gestopft und habe dann im Lagerkeller mein eigenes Bier gehabt, also ein kaltgehopftes schöne Lagerbier. Und dann haben das die anderen Brauer mitbekommen und dann hatte ich das Fass nicht mehr alleine.

Markus: Das war dann praktisch das erste hopfengestopfte Bier der Brauneuzeit sozusagen in Deutschland, oder?

Michael Friedrich: Nein, also nicht ganz. Das Hopfenstopfen war ja tatsächlich auch in der DDR eine alte Tradition. Ich unterhalte mich ja gerne mit alten Braumeistern und die waren damals, wo ich noch sehr jung war, waren die auch schon so um die 50, 60 und die haben auch schon erzählt, das man eben auch schon vor dem Krieg und auch nach dem Krieg die Biere gestopft hat. Also wenn es besonders gut werden sollte, wurden die Biere dann im Keller, im Lagerkeller gestopft, meistens also mit einem handelsüblichen Hopfen, vorzugsweise mit einem Saazer-Hopfen. Und die Qualität der Biere war also in der Hinsicht sehr gut, aber die Qualität der einfachen Biere, die es im Handel gab, also die, ich sage mal, Helle und das einfache Pils, die waren wirklich nicht so herausragend. Die Haltbarkeit war miserabel, nach zwei, drei Tagen wurde das schon trüb, war aber noch trinkbar, aber es war halt nicht mehr ansehnlich. Die Qualitätsbiere, die Exportbiere und Spezialbiere, die von den entsprechenden Brauereien gebraut worden sind, die waren allerdings wieder qualitativ besser, weil die auch andere Rohstoffe zugewiesen bekommen. Ja, da gab es ja damals so, ja, eine Kommission, die das praktisch verteilt hat. Brauereien erster Priorität, angefangen von Wernesgrün, Radeberg, die großen Exportbierbrauereien, die haben natürlich die erste Qualität bekommen. Und dann gab es noch die, also die normalen Spezialbierbrauereien, wie zum Beispiel die Freiberger und die Rauschels Brauerei, die haben dann schon wieder etwas abgeschwächte Qualität bekommen und wirklich den Kehricht, wenn man so will, jetzt mal übertrieben, haben dann die einfachen Brauereien verarbeiten müssen, die wirklich für die einfachen, Konsum und also einfachen Läden, praktisch das Bier gemacht.

Markus: Doch eine krasse Geschichte eigentlich. Und man muss auch sagen, also ich habe da, wie gesagt, ja auch schon viel drüber gearbeitet und fand es trotzdem erstaunlich, mit wie viel Herzblut die Brauer da rangegangen sind, auch wenn es diesen großen Unterschied gab eben mit den Exportbieren, die dann ja auch nach dem Reinheitsgebot gebraut worden sind, während die anderen eben nicht und so. Aber, wir können ja mal diesen DDR-Teil verlassen, wenn gleich das schon spannend ist, aber eigentlich wollen wir ja mehr über dich reden. Und jetzt bist du in Berlin bei der VLB und vielleicht bevor du dazu erzählst, könntest du doch dir schon mal ein Bierchen aufmachen, oder?

Michael Friedrich: Ja, sehr gerne!

Markus: Dann lass uns doch mal teilhaben, was es für eins ist und du kannst ja mal kurz ein bisschen mit uns verkosten, das wir ein bisschen mit genießen können.

Michael Friedrich: So, also, ich erzähle es euch einfach mal, was es ist. Ich habe mir heute einen hellen Hopfenbock rausgesucht. Das ist also ein ganz klassischer heller Bock mit einer schönen Hopfennote, also nochmal etwas mehr Hopfen rein gegeben. Das trifft so ein bisschen meinen persönlichen Geschmack, ich bin jetzt nicht ganz so der große Fan von sehr süßen Bieren, also extrem süßen Bieren. Und meistens gehen einige Bockbiere ja schon die Richtung, dass sie sehr, sehr mastig sind. Das ist natürlich sortentypisch, keine Frage, aber ich, wie gesagt, ich will natürlich auch meine Handschrift hinterlassen bei den Bieren und so habe ich mich eben bei dem hellen Bock entschieden, hier nochmal den Hopfen etwas dominieren zu lassen. Nicht ganz dominieren zu lassen, aber eben schon sehr spürbar werden zu lassen, sodass diese Restsüße etwas erfrischender kommt, ja. Durch den Hopfen, der bringt da noch ein bisschen Pepp rein. Und ich experimentiere da immer mal ein bisschen mit dem Hopfen, weil, das ist ja nicht das erste Mal, dass ich den hellen Hopfenbock mache. Am Anfang habe ich fruchtigen Hopfen genommen, habe aber gemerkt, dass hier eher ein ganz klassischer Hopfen eine bessere Rolle spielt in diesen Bieren, weil das ein bisschen vertrauter ist. Und man geht beim Bockbier ja immer so von den klassischen Noten aus. Und dadurch, dass wir in Sachsen ja wirklich sehr traditionell im Bierkonsum sind, auch in der Sensorik, in der Wahrnehmung, also die breite Masse zu mindestens, da habe ich mich jetzt für einen ganz klassischen Hopfen entschieden. Das ist ein ganz einfacher Bitterhopfen, das ist der, ich glaube, den Nugget habe ich rein gegeben. Der bringt aber auch teilweise manchmal so eine ganz leichte Citrusnote. Kommt wahrscheinlich auch drauf an, was es für eine Ernte ist und woher er kommt. Und das macht die Sache nochmal sehr delikat.

Markus: Ja, dann, nimm doch mal einen Schluck. Sag mal, ob es auch so schmeckt, wie du dir das vorstellst.

Michael Friedrich: So, ja, also hat sich auch sehr schön abgesetzt, also hier in der Flasche schön abgesetzt. Es ist relativ blank, sieht es aus, obwohl alle Biere bei mir unfiltriert sind. Ja, wir haben also einen schönen weißen Schaum, ja, der steht auch rech gut im Glas hier. Ja, der Geruch so feinfruchtig, ganz feine Fruchtnote haben wir drin, aber eben geschmacklich etwas unterschiedlicher. Also, ja, so eine feine, ganz feine Karamellnote. Erinnert mich immer ein bisschen an Waldhonig, ja, also so eine feine Waldhonignote, also nicht so extreme, kräftige Waldhonignote, aber eben so eine ganz feine subtile Waldhonignote.

Markus: Ja, das passt ja auch gut zum Bierstil. Fein, schön.

Michael Friedrich: Ja.

Markus: Dann sage ich schon mal Prost!

Michael Friedrich: Ja, danke.

Markus: So und dann mache ich mir jetzt auch eins auf. Also, die Hörer wissen ja, dass ich einen ziemlich großen Keller habe, wo viele, viele Biere drin sind und ich habe natürlich auch mal geschaut, ob ich ein paar Schätzchen von dir da noch drin stehen habe. Und tatsächlich habe ich zwei gefunden und eins heißt Black Sour und eins heißt Bali Barrique oder Barrique. Und, genau und da werde ich jetzt auch mal eins aufmachen, damit ich auch ein bisschen was zu trinken habe. Und ich denke mal, ich fange mit dem Black Sour an.

Michael Friedrich: Ja, würde ich auch sagen.

Markus: Gucken mal. Also, da steht drauf, Black Sour, obergärig. Also, mache ich hier mal auf, so. Wunderbar! Also hier im Glas ein, ja, wunderschön dunkel, rostbraunes Bier, rotbraunes Bier, würde ich sogar sagen, richtig schönen Farbschimmer. Es ist opak, also man kann nicht durchgucken, aber oben drauf ein ganz schöner, auch sehr dunkelbrauner Schaum, der auch sehr fest ist und sehr stabil. Und wenn man da so reinriecht, dann ist ganz viel, ja, süße Aromen erst mal. Das geht so in Schokolade, nussig, Karamell, aber auch was Fruchtiges. Also da denke ich zum Beispiel so an Weintrauben, so Muskatellertrauben oder so und dann auch so ein bisschen rote Beeren, Kirschen. Spannend! Okay, also probiere ich mal ein Schlückchen. Und ein tolles Wechselspiel, weil man, wie der Name auch schon sagt, eine Säure ja auch hat, aber die ist im schönen Austausch, so im ständigen Dialog mit dem Malz. Also man hat so richtig karamellige Noten, wie man sich das von einem Karamellbonbon vorstellt und da dazwischen kommt dann immer so eine Sauerkirsche, auch ein bisschen diese fruchtigen weinigen Noten, dann kommt wieder was Schokoladiges. Dann kommt auch ein bisschen Bittere dazu, das erinnert einen da ein bisschen an Kaffee. Und, ja, hinten raus ein richtig erfrischender Trunk, der dann am Ende durch dieses hin und her zwischen süß und sauer eigentlich richtig wieder frisch macht, sodass man gerne den nächsten Schluck nimmt. Und ich muss auch sagen, ich habe das ja jetzt relativ lang schon im Keller stehen, also wobei, das MHD steht hier bis Dezember 2025, also alles noch gut. Aber weißt du noch, wann du das eingebraut hast?

Michael Friedrich: Das Bier habe ich eingebraut vor anderthalb Jahr. Und das war ein Experiment, ich habe ja durchaus ab und zu mal Dunkelbiere oder mache ich ab und zu mal, sehr, sehr Dunkelbiere, also ob das jetzt ein Stry Stout ist oder ein Milk Stout oder ein Kaffee Stout. Und da war die Idee, da ich ja parallel dazu auch eine Gose mache, ich mache mal ein Extra-Stout oder Foreign-Extra-Stout, also schon etwas kräftigeres Stout und beimpfe das jetzt mit einem Schluck aus meinem Gose-Fass. Das ist ein Holzfass und da sind ganz viele Mikroorganismen drin, ja, wir haben dort also zig verschiedene Lactobazillen drin, wir haben Brettanomyces-Hefe drin und so weiter, das ist also ein bunter Mix. Und das habe ich beimpft, habe gesagt: „Okay, ich überlasse das jetzt einfach mal dem Bier, wie sich das entwickelt.“ Also ich habe keine Erwartungen gesetzt, wie es geschmacklich werden soll, es war ein reines Experiment. Und es hat, ja, hat funktioniert, sage ich mal.

Markus: Ja, also ist dir absolut gelungen. Und jetzt, wo du es sagst, finde ich, hat man auch so ein bisschen Gose-Charakter. Finde ich interessant. Und das ist dann praktisch so ein bisschen wie deine Haustiere, oder, dass du das so, oder?

Michael Friedrich: Genau, genau, immer gehegt und gepflegt, ja.

Markus: Und hast du da verschiedene, also die Gose-Kultur und vielleicht die Berliner-Weisse-Kultur oder so, oder?

Michael Friedrich: Nein, nein. Also ich habe, das Erstaunliche ist, ich habe drei Fässer, drei Holzfässer a 225 Liter und in zweien ist die Gose und in dem dritten ist das KiwiBerry-Sauer. Und die zwei Gose-Fässer, die schmecken jedes Mal unterschiedlich, also ist auch, jede Charge schmeckt anders. Also die Fässer haben schon auch eigene Kulturen, habe ich den Eindruck. Ja, das ist sehr interessant, die eine Gose ist intensiver und die eine ist ein bisschen milder in der Säure. Also es gibt da tatsächlich bei jedem Fass Unterschiede.

Markus: Na, spannend auf jeden Fall und natürlich auch interessant, damit zu experimentieren. Und insofern, auf jeden Fall Glückwunsch, also ein sehr, sehr gutes spannendes Bier geworden. Und ich denke, man kennt das ja auch so ein bisschen aus Belgien, da ist ja auch so, dass die das Lambic in verschiedenen Holzfässern reifen und man am Ende dann ja da völlig andere Ergebnisse hat und sie dann ganz bewusst verschneidet zur Gösse. Wo man dann eben Leute braucht, die sich auch auskennen mit diesem ganzen Thema Blenden, Verschneiden, um dann eben da einen schönen guten kontinuierlichen Geschmack hinzubekommen.

Michael Friedrich: Ja.

Markus: Ja, aber jetzt, wir sind ja in Berlin, also, du bist da angekommen und hast wahrscheinlich erst mal Party gemacht, oder?

Michael Friedrich: Genau, das war ja die Nachwendezeit, also es war wirklich die spannendste Zeit in Berlin, da waren ja wirklich alle Gesetze ausgehebelt. Ja, also man kann das heute gar nicht mehr so beschreiben, da liefen ja unglaublich viele Partys ab und also so in Abbruchhäusern und so weiter. Das haben wir natürlich alles mitgenommen als Studenten, ja. Und natürlich auch an der VLB, damals von Wackerbauer und Krüger, Schildbach, die alten Professorhasen sozusagen, Professor Stahl. Also, ja, da in der Hinsicht werden sich viele vielleicht auskennen, das waren ja Leute, das waren Koryphäen und das war schon unglaublich gut! Und auch eine sehr starke Klasse, also wir waren, glaube ich, 28 Studenten in dem Semester, das ist schon viel! Da haben dann auch nicht alle durchgehalten bis zum Schluss, einige sind abgesprungen, aber so da, im Wesentlichen sind sie alle bei der Stange geblieben. Und ich treffe ja immer noch regelmäßig meine Studenten, Mitstudenten sozusagen, die irgendwo jetzt bei bestimmten Firmen arbeiten, der Alex Jany zum Beispiel bei Weyermann und, und, und. Also, die sind alle irgendwo gut untergekommen. Aber es war wirklich eine tolle Zeit, ich habe viel gelernt und auch das Studium war sehr schön strukturiert, es hat Spaß gemacht, ich habe viel gelernt. Und ich habe zum ersten Mal Spaß an Chemie gefunden. Ja, in der Schule war Chemie für mich immer so das Grauenfach, also habe ich nie Spaß dran gehabt, aber beim Studium hatten wir wirklich einen guten Dozenten, einen guten Professor, der das so verständlich rübergebracht hat, dass man es wirklich verstanden hat, ja.

Markus: Und die VLB hat ja auch eine eigene Brauerei.

Michael Friedrich: Ja.

Markus: Ich habe da mal lange gesprochen auch mit Kurt Marschall. War der zu deiner Zeit schon da?

Michael Friedrich: Ich glaube, nee, nee, ich glaube nicht. Also der Carsten Zufall war damals, ist vielleicht ein Begriff unter Fontän, Fontän, ja. Und dann hatten wir noch den Carsten Evers, Doktor, damals war es noch Carsten Evers, jetzt ist er Doktor Karsten Evers, die waren alle noch da. Aber mit der Brauerei haben wir nur ein einziges Mal gearbeitet. Also wir haben vermälzt, haben wir und wir haben mit der Brauerei gebraut, aber ansonsten waren wir sehr viel mit Mikrobiologie beschäftigt, wir waren sehr viel in der chemisch technischen Analyse aktiv. Das weiß ich noch, also in der Zeit hatten wir ganz, ganz viel Analytik gemacht und mit dem Bierbrauen an sich, mit der praktischen Übung des Bierbrauens, da hatten wir eigentlich weniger zu tun. Ja, viel, viel Theorie.

Markus: Außer mit der Praxis an der Flasche dann sozusagen.

Michael Friedrich: Ja, das war natürlich, ja, da hatten wir ja die ein oder andere Location in der Nähe, wo man das gut üben konnte oder auch Selbstversuche im Studentenzimmer, haben wir auch schon Bier gebraut. Ja, das hat auch Spaß gemacht.

Markus: Ja, ich habe deswegen den Kurt Marschall erwähnt, weil der ja so ein bisschen einer der ist, die sich da sehr verdient gemacht haben um die Berliner Weisse, die Wiederbelebung der ganzen Geschichte. Und nun habe ich hier ja jetzt noch auch ein saures Bier und du erzählst von Gose und das hätte mich auch interessiert, wie das eben damals an der VLB so war. Weil, eigentlich waren ja die deutschen Ausbildungsinstitute, zumindest im Westen, sehr stark davon geprägt, eben klassisches, sauberes, nach Reinheitsgebot gebrautes Bier zu machen und relativ wenig begeistert von irgendwelchen Mikroorganismen. Wie hast du das erlebt oder gab es da schon so ein bisschen so ein kleines Rebellentum?

Michael Friedrich: Zu der Zeit noch nicht, das kam ja dann, also nachdem ich mein Studium beendet hatte dann, dann ging das so langsam los. Die Bier-, ich komme jetzt nicht auf den Namen, wer das damals gemacht hat. Die hatten das Hanfbier gemacht, das Turn und so weiter. Und da ging es da auch langsam los mit den Pale Ales, also das ging ganz schonend los! Also das war so, ich glaube, so 93, 94, habe ich das erste Mal Wind davon bekommen, mit diesen ganzen anderen Bierstilen. Aber vorneweg war es hauptsächlich Pils, also hauptsächlich Pils, Pils, Pils, Pils. Und die Berliner Weisse haben wir eigentlich nur theoretisch betrachtet. Es gab ganz viele Fans davon, aber selber hatte ich damit nie Berührung gehabt. Ich bin erst ganz, ganz spät zum Sauerbier gekommen, ich persönlich! Dadurch, dass ich eine ganz klassische Ausbildung habe als Bierbrauer, da war Säure immer schlecht, also saures Bier war immer negativ betrachtet worden, ja, das ist halt schwierig. Aber jetzt mittlerweile kommen auch die klassischen Bierbrauer dahinter, dass Sauerbiere ja erst mal prinzipiell der deutlich ältere Bierstil ist und das auch ein Sauerbier extrem viele positive, vom Körper positive Argumente sind, ein Sauerbier zu trinken, ja. Grade wenn es darum geht, Immunsystem, ja, also die feine Milchsäure unterstützt ja unser Immunsystem. Und wenn man noch lebende Kulturen drin hat, unterstützt man damit seine Darmflora und bringt sie vielleicht auf einen positiven Weg. Also das sind schon gewissermaßen, ja, fast schon apothekenpflichtige Getränke.

Markus: Ja, also statt der täglichen kleinen Joghurtimpfung sozusagen, kann man das dann auch mit einem schönen Sauerbierchen machen. Ja, das stimmt schon. Ich denke mal, der Unterschied ist ja doch einfach der, ob ein Bier jetzt unbewusst sauer wird oder ob man eben bewusst mit diesen Aromen umgeht.

Michael Friedrich: Ja.

Markus: Aber gut, wir können ja noch ein bisschen gucken. Also du bist jetzt in der VLB fertig und hast dann gedacht, bleibst du in Berlin, gehst du woanders hin, gehst du in die Welt. Also was hat dich da so bewegt und wie ist es dann weitergegangen?

Michael Friedrich: Ja, also ich habe mich dann schon bei einigen also sächsischen Brauereien beworben und letztendlich bin ich dann bei Freiberger gelandet als Betriebskontrolleur, also praktisch Labor. Und dort habe ich dann ein halbes Jahr gearbeitet. War sehr interessant, es war damals noch die alte Brauerei. Also man muss wissen, also der Freiberger hat ja komplett neu gebaut dann in den 90er-Jahren, aber ich war noch in der alten Brauerei. Und das war auch eine schöne Brauerei, nur habe ich eben gemerkt, ich bin jetzt nicht unbedingt der Typ für ein Angestelltenverhältnis, ja, ich wollte schon immer irgendwo mein eigenes Ding machen. Und die Idee war damals, eine kleine Gasthausbrauerei aufzumachen und dort Bier zu brauen. Ja, jetzt war natürlich das Problem als Student und man hat keinen Knopf in der Tasche, dann geht man zur Bank und die haben einen natürlich ausgelacht und haben, was, du willst Geld von haben? Ja, hast du irgendwelche Sicherheiten? Nee, natürlich nicht, also ging das alles nicht. Und so habe ich dann gesagt: „Okay, dann musst du halt anfangen, so die kleine Tippel-Tappel-Tour. Machst du eine kleine Kneipe auf und konzentrierst dich hauptsächlich auf das Bier, also auf den Bierverkauf.“ Und da hatte ich dann so eine kleine Spezialitätenkneipe, hab mir auch damals aus, woher war das, aus Karlsruhe belgische Biere besorgt. Da gab es so einen Laden, die hatten dort ganz, ganz viele belgische Bierstile, habe ich mir belgisches Bier besorgt, dann irisches Bier und, und, und, ganz viel, oder auch die Lindemanns, die Fruchtbier. Ich hatte ungefähr so 20, 25 Bierspezialitäten auf der Karte. Und nach einer Weile, nach ein paar Monaten habe ich mir überlegt, Mensch, du bist ja Brauer, du bist Braumeister, da kannst du doch dein eigenes Bier brauen. Und habe dann 1995 praktisch das angekurbelt, habe mit der Hygiene gesprochen, mit dem Hauptzollamt wegen der Biersteuer. Und dann ab 01.01.1996 habe ich dann meine erste Mini-Brauerei in Betrieb genommen. Das war letztendlich nur ein großer Kochtopf und eine Wäscheschleuder. Das war die Wäscheschleuder als Läuterbottich und den Kochtopf praktisch als Würze- und Maischepfanne. Und das hat aber trotzdem gut funktioniert, da kamen 50 Liter Bier raus. Und die 50 Liter Bier habe ich dann einmal in der Woche an einem speziellen Tag verkauft. Und das hat ungefähr einen Monat gedauert, dann war an dem einen Tag, war die Bude so voll, du hast keinen Platz mehr gefunden. Also habe ich gesagt: „Okay, aus den 50 Litern, da müssen jetzt 100 Liter werden!“ Und dann ging das so weiter und irgendwann war die Kneipe zu klein und dann habe ich mir überlegt, okay, jetzt brauchst du was Größeres und schon eine größere Brauerei. Habe durch Zufall eine Versteigerung einer Brauerei mitbekommen, bin dort hingefahren, habe da ein paar Gefäße ersteigert, also so 1.000-Liter-Gefäße, Edelstahl, eine Pumpe und einen Plattenkühler und das und das. Und dann habe ich mir in einer angemieteten Werkstatt eine kleine Brauerei zusammengebaut. Ein Stammgast von mir, der war Schweißer, der hat mir das Schweißen beigebracht, also Edelstahl schweißen. Und dann habe ich innerhalb von, na, einem halben Jahr, hatte ich dann meine erste kleine Brauerei, die war so 500 Liter und dann ging das los mit dem Friedrich´s Brauhaus. Also das Sudhaus war dann erst mal Geschichte, das war also die erste Kneipe und die zweite, das zweite Projekt hieß dann Friedrich´s Brauhaus. Und das habe ich dann immerhin acht Jahre betrieben, hatte dort regelmäßig immer vier Sorten Bier am Hahn, selbstgebraute Biere und konnte natürlich dann ganz, ganz viel rumexperimentieren. Also da ging das dann schon los mit Pale Ales, mit Stouts, Hanfbier gemacht, Wacholderbier. Also ich habe das ausgerechnet, ich habe bestimmt 100 verschiedene Biere irgendwo gebraut. Hatte den Vorteil, ich konnte es direkt an die Kunden verkaufen und die waren letztendlich meine Versuchskarnickel. Also es hat letztendlich eigentlich fast immer geschmeckt, also fast immer, es gab mal ein paar Ausrutscher, aber im Großen und Ganzen hat es gut funktioniert. Und irgendwann wurde auch das Brauhaus zu klein, man muss dazu sagen, es hatte trotzdem 180 Plätze. Und dann hatte ich eine Idee oder ist der Vermieter auf mich zugekommen, Mensch, wir haben hier ein großes Projekt. Und dann habe ich mich eingemietet in die Chemnitzer Innenstadt mit dem Karls Brauhaus. Man muss wissen, Karl-Marx-Stadt hatte ja diesen oder hat ja immer noch oder Chemnitz hat immer noch diesen großen Kopf, den Nischel und genau gegenüber von dem Nischel war dann das Brauhaus, deswegen habe ich es Karls Brauhaus genannt. Ja und dann hatte ich dort auch noch ein paar mehr Plätze und auch noch eine größere Anlage, auch wieder selber gebaut, damals 1.000-Liter-Anlage und dann ging das dort weiter. Und das habe ich dann zehn Jahre lang gemacht, habe mit dann allerdings mit dem Vermieter etwas überworfen und habe letztendlich nur den Mietvertrag, den zehn-Jahresmietvertrag erfüllt und gleich im Anschluss die Stonewood Brau Manufaktur gegründet, eröffnet, ja.

Markus: So, also da müssen wir jetzt mal einen Punkt machen. Wahnsinn, das war jetzt ein wirklich spannender Ritt durch eine Blitzkarriere von dem Mann, der mit leeren Taschen in die Bank geht und ausgelacht wird, zu dem, der dann eben mitten in der Stadt eine Hausbrauerei hat. Das ist ja wirklich eine tolle Geschichte. Und toll fand ich auch, dass du eben deine erste Kneipe schon Zum Sudhaus genannt hast. Das hat ja dann praktisch schon so ein bisschen die Richtung vorgegeben, in die man da am Ende des Tages auch gehen will. Und das klingt auch toll, also wenn du dann so selber dir das schweißt, du hast ja gesagt, was du da gekauft hast, war so ein 1.000-Liter-Dings. Hast du das da praktisch in der Hälfte auseinandergeschweißt und dann …

Michael Friedrich: Genau, genau.

Markus: Ah, genau.

Michael Friedrich: Richtig, ne, ich habe also praktisch das zerteilt, habe mir einen Edelstahlboden besorgt, habe den da praktisch dran geschweißt, habe ich noch einen Läuterbottich-Senkboden besorgt. Also das eine war dann der Läuterbottich, das andere war dann die Würzepfanne. Hatte noch glücklicherweise von einem alten Bierbrauer eine alte Hefepfanne aus Kupfer bekommen und aus der alten Hefepfanne habe ich mir dann eine Haube selber geschmiedet. Ja, in der Werkstatt, wo ich mich eingemietet hatte, da stand noch ein schöner großer Amboss und ich habe mir so ein paar schöne Hämmer besorgt, so ein paar Rundhämmer, wo man dann auch diese Wölbung schön raus arbeiten kann. Ja, ich muss dazu sagen, ich wollte früher eigentlich Kupferschmied werden, ja, das war mein erster Berufswunsch, daher habe ich eine gewisse Affinität zu Metall und vor allen Dingen zu Kupfer. Und das ging mir relativ leicht von der Hand, also dieses Kupferschmieden hat unglaublich viel Spaß gemacht und hat dann auch die Brauerei so schon interessant gestaltet. Also auch alles mit Transmission angetrieben, so alte Transmissionsscheiben. Also das war schon eine kleine tolle Brauanlage.

Markus: Also fast schon ein museales Brauen irgendwie gewissermaßen.

Michael Friedrich: Genau, genau, das war wirklich so, ja.

Markus: Jetzt hast du ja ganz viel erzählt, hast du vielleicht Durst bekommen und magst du noch ein anderes deiner Biere mit uns verkosten?

Michael Friedrich: Auf jeden Fall, also wir sind ja nicht zum Spaß hier. Ich habe hier ein sehr erfrischendes Bier, würde ich jetzt als zweites Bier hinterher schieben und zwar ist das ein schwarzes Weißbier. Ja, das klingt erst mal, wo man sagt: „Mensch, schwarz, das geht ja gar nicht.“ Doch, natürlich geht das! Ja, also Weißbier ist ja letztendlich ein Weizenbier. Und ich habe das sehr, sehr dunkel gestaltet, also mit ganz viel verschiedenem dunklem Malz. Also Carafa-Malz von eins, zwei, drei, ist dabei und noch Basismalze und so weiter, sodass man hier also einen sehr, sehr komplexen Geschmack hat. Und natürlich für die Hauptgärung eine schöne Weizenbierhefe, das relativ warm angestellt, dass man also hier wirklich auch viele Fruchtester hat. Weil, durch diese starken, die Malzkomponenten, die verschlucken etwas, diese typischen Aromen von Weizenbier, also die Banane und die Nelke und so muss man also auch mit der Temperatur noch ein bisschen Gas geben, das man also hier wirklich noch die Ester richtig schön raus kitzelt. Und rausgekommen ist ein durchaus sehr schwarzes Weizenbier, also wirklich sehr schwarzes Weizenbier, was aber auch einen schönen erfrischenden Charakter hat.

Markus: Da bin ich jetzt richtig neidisch, also weil, dunkles Weizen ist wirklich so ein bisschen mein Lieblingsbierstil und ist auch so ein bisschen im Foodpairing die eierlegende Wollmilchsau, kann man ja zu ganz vielen Dingen verwenden. Und das, ja, stelle ich mir jetzt richtig gut vor, coole Sache.

Michael Friedrich: Ja, ich habe mal in mein Regal gegriffen, habe jetzt ein schönes altes Glas, ein Tennent-Stout-Glas. Das ist so ein ganz Kleines, mit so 0,275 Litern Inhalt, also ein schönes geschmeidiges Glas. Also es muss nicht immer das Weizenbierglas sein, jetzt grade für das schwarze Weizen geht auch ein anderes Glas. Für mein helles Weizen würde ich natürlich ein Weizenbierglas nehmen, weil das ganz klassisch gebraut ist, aber das ist jetzt mal eher, ja, ein Kompromiss zwischen einem Stout und einem Weizen. Ein sehr angenehmes Bier. Ich nehme es auch immer selber gerne im Testing, ja, da kann man eine schöne Geschichte erzählen, vor allen Dingen, wie es entstanden ist. Also mir fallen ja frische Rezepte nicht einfach so ein, sondern meistens bei simplen Tätigkeiten wie zum Beispiel Staubsaugen oder Rasenmähen, da habe ich immer die besten Ideen. Und das ist mir tatsächlich beim Staubsaugen eingefallen.

Markus: Wahnsinn! Okay, also schon mal ein Kompliment, dass du Staub saugst und dann, dass dir noch Sachen dabei einfallen, fantastisch!

Michael Friedrich: Ja, der Schaum ist hier wirklich schön, also Cappuccino-farbener Schaum ist das hier, also sehr fest, sehr schön stabil, steht im Glas. Und die Farbe, also es ist nicht extrem schwarz wie zum Beispiel ein Imperial Stout, aber man kann hier, gegen das Licht, auf jeden Fall durchschauen, aber deutlich dunkler als ein klassisches dunkles Weizen. Ja, der Geruch schön fruchtig. Es erinnert mich immer so an so eine Gelee-Banane, also es gibt ja diese süßen Bananen in Gelee mit einem Bitterschokoladenmantel und an diesen Geruch erinnert mich das sehr, sehr stark. Also diese schönen Schokoladennoten, ein ganz leichter Hauch von Kaffee, aber eben hauptsächlich hier Bitterschokolade schon im Geruch. Also trotzdem schlank, also schön hochvergoren, man hat also eine schöne Spritzigkeit drin. Und der Hopfen ist ganz weit zurückgenommen, also der Hopfen spielt hier wirklich überhaupt keine Rolle. Ich habe hier wirklich eine ganz, ganz minimale Kleinsthopfung gemacht, damit hier wirklich diese Komponenten Malz und Hefe, also diese zwei wichtigen, also für ein Hefeweizen ganz wichtigen Bestandteile und grade für ein dunkles Weizen, haben wir auch das Malz. Und hier, wie gesagt, den Geschmack durch die Hefe, um das noch ein bisschen nach vorne zu bringen, deswegen eben hier eine ganz geringe Hopfengabe. Und ein sehr mildes Bier letztendlich, ist sehr schön zu trinken. Auch für den Sommer, also wenn es wirklich sehr heiß ist, hat das eine schöne erfrischende Wirkung. Und ich empfehle das immer auch wirklich mit Schokolade zu verkosten. Allerdings, hier muss man wirklich aufpassen, dass der Kakaogehalt genau passt, nicht, das hier irgendjemand verwirrt, bei dem Spiel. Also ich tippe dann immer so auf die 50 Prozent. Hier macht man da bei der Stärke nix falsch. Wenn ich jetzt ein Imperial Stout hätte, würde ich jetzt wahrscheinlich 80 Prozent empfehlen vom Kakaoanteil für die Schokolade, aber hier in dem Falle ist es ja etwas leichter als so ein starkes Stout und somit würde das hier eine schöne Kombination ergeben.

Markus: Ja, also jetzt grenzt das an Folter, muss ich sagen. Also, ja, das heißt, ich muss unbedingt mal wieder bei dir vorbeikommen und vielleicht ist ja dann noch ein Fläschchen davon da, schauen wir mal.

Michael Friedrich: Ja.

Markus: Ja, cool! Also auf jeden Fall viel Spaß mit deinem tollen Weizen. Wir können ja ein bisschen weiter durch deine Geschichte reisen sozusagen. Also du bist dann ja dazugekommen, diese Stonewood Schrägstrich Germania Brauerei zu machen. Da haben wir uns ja auch getroffen und das, muss ich sagen, hat mich total beeindruckt, also einerseits diese alten Anlagen, wo ja wirklich das ja eigentlich so ein Vulkangestein ist und wo das eben doch eine sehr alte Brauerei war, die ganz lange dort bestanden hat, noch dazu mit diesem Namen, und, ja, auch in Teilen eben noch den Räumlichkeiten da ist. Und wie du dann deine Sache da rein gebaut hast, das fand ich total faszinierend. Also ist ja so eine Mischung aus Brauerei und Museum und Verkaufsraum und Event-Raum und überall mit ganz vielen persönlichen Noten von dir, Bilder, Flaschen, Gläser, wie auch immer. Also total heimelig, man fühlt sich sofort ein bisschen Zuhause und das hat mich damals schon absolut begeistert. Und wie war das, also wie kam man überhaupt da drauf oder wie kamst du überhaupt da drauf, diese Räumlichkeiten auszusuchen? Und wie haben die Leute da drauf reagiert und wie ist das so gelaufen?

Michael Friedrich: Ja, das war letztendlich wie immer Zufall., Also ein Schulfreund von mir, der kam auf mich zu, der wusste, das ich mit meinem Vermieter von meiner letzteren Gasthausbrauerei etwas im Clinch lag und hat gesagt: „Du, ich habe hier eine Brauerei gekauft, im Gelände der Brauerei“ und das war eben die Germania Brauerei, „hast du nicht Lust, dort irgendwie ein Projekt mitzumachen?“ Und ich habe mir das so ausgerechnet, okay, also Gastronomie ist eh schwierig, und ich sage mal, das war tatsächlich auch die richtige Entscheidung zu dem Zeitpunkt und habe gesagt, okay, du bist ja eigentlich Braumeister, du bist Bierbrauer, Braumeister und befasst dich eigentlich hier fast nur mit Gastronomie, ich will aber eigentlich nur Bier machen. Und da habe ich gesagt: „Okay, machen wir das, ich gucke mir die Räume an.“ Die waren für mich absolut geeignet, waren zwar teilweise etwas groß, aber es weiß immer, es ist besser so, wenn es ein bisschen größer ist, weil, meistens bin ich immer irgendwann an meine Grenze gestoßen. Und wie gesagt, mein Lagerkeller ist Gott sei Dank riesig. Also ich habe einen riesen großen Lagerkeller und da brauche ich aber auch nicht viel Energie, um den Kühl zu halten, weil er eben schon unten im Keller ist und schon sehr, sehr dicke Wände hat, also ich brauche relativ wenig Energie dafür. Habe auch übrigens eine Energierückgewinnung, also die Wärme, die da entsteht, wird Warmwasser erzeugt. Ja und wie gesagt, damals ist das Projekt einfach so entstanden, dass ich sage, ich habe jetzt von der Gastronomie erst mal die Nase voll, ich mache jetzt nur noch Bier. Und ich hatte ja die Erfahrung aus der Gastronomie. Also ich konnte das ja kombinieren. Zum einen habe ich die ganze Zeit trotzdem Bier gebraut, auf der anderen Seite konnte ich aber auch mit Kunden sehr gut umgehen, oder kann nach wie vor, und mache ja auch meine Veranstaltungen wie früher. Also meine Braukurse, meine Bier-Testings oder mal eine Geburtsfeier, eine Brauereiführung, also alles Querbeet, was geht, was irgendwo Event-mäßig ist, was aber planbar ist. Also ich mache jetzt keine, wie früher, a-la-Carte-Geschichten, wo man guckt, wer kommt denn so jetzt mal um die Ecke, sondern ich habe konkrete Zahlen, es kommen 20 Leute oder, ich habe jetzt eine Anfrage für 100 Leute, ja, jetzt mal übertrieben und das ist alles realisierbar, ja. Also das macht schon Spaß, also macht mehr Spaß als damals diese extrem stressige Gasthausbrauerei, das war schon sehr, sehr stressig. Der Name Stonewood, das hat sich einfach nur ergeben, weil, wir haben ja in Chemnitz zwei ganz, ganz, ganz bekannte Sachen. Also einmal der Nischel, also der Karl-Marx-Kopf, der Nischel und ich wollte meine Brauerei jetzt nicht unbedingt Nischel-Bräu nennen oder so oder Nischel-Brauerei, das klingt immer etwas nach Kopfschmerzen, sondern irgendwie ein anderer Name. Und da fiel mir der versteinerte Wald ein, also der versteinerte Wald von Chemnitz. Ja, wer sich jetzt mit Chemnitz nicht auskennt, kann ich auch erklären. Also wir haben vor, ja, 293 Millionen Jahren auf dem Gelände, wo jetzt Chemnitz ist, einen riesen Urwald gehabt und dort war auch ein riesen großer Vulkan und der ist wirklich explodiert vor 293 Millionen Jahren. Hat dort jede Menge Tuff in die Atmosphäre gestoßen, also so Haufen Geröll und Staub und so weiter. Und durch die riesen Druckwelle hat es die riesen Bäume dort umgehauen und du wurden dann unter meterdicken Gestein begraben und im Laufe der Zeit versteinerten diese Bäume und wurden dann irgendwann mal, hat man angefangen im 17., 18. Jahrhundert, hier auf dem Gelände dann den ein oder anderen Baum, versteinerten Baum, auszugraben. Und das ist ein Highlight, weil es eben ganz bestimmte Fossilien sind mit einer ganz tollen Färbung. Wir habe da auch ein ganz großes Museum und da sind riesen Bäume, die sind 20 Meter hoch teilweise, die sind ausgestellt. Das war für mich ein Highlight, wo man sagt, okay, versteinerter Waldbrauerei, aber das klang eben irgendwie komisch. Und dann habe ich gedacht, okay, Stonewood, klingt doch einfach besser. Ja, also versteinertes Holz, Stonewood, das klingt cool, das klingt auch ein bisschen nach Craft Beer, so ein bisschen in die Richtung, wie du gehen willst, belassen wir es dabei. Und habe auch relativ zeitig schon den Namen patentrechtlich gesichert, weil ich mit solchen Sachen auch mal schlechte Erfahrungen gemacht habe. Da habe ich also ganz, ganz zeitig mir schon gesichert, den Namen und habe den erst mal in die Schublade gelegt, habe gewartet, was passiert. Ist nix passiert und dann habe ich den Namen einfach genutzt und nutze ihn nach wie vor, ja.

Markus: Ja, also das ist auch eine faszinierende Geschichte. Und ich muss auch sagen, wenn man so versteinerte Baumstämme sieht, das ist wirklich sehr, sehr eindrucksvoll, welche Farben sich da bilden und das beeindruckt mich wirklich auch jedes Mal. Und ist eine schöne Idee, sowas zum Namen von seiner Brauerei zu machen. Ja, nun bist du ja auch Biersommelier geworden. Hat sich das dann am Anfang von dieser Stonewood-Zeit ergeben oder wann kamst du auf diese Idee?

Michael Friedrich: Ja, genau, das war noch in meiner Zeit im Karls Brauhaus, in meiner letzten Gasthausbrauerei, da hatte mich irgendwann mal ein Vertreter angesprochen, also hier, der hatte mit Reinigungsmittel zu tun, Mensch, hier gibt es Biersommelier. Ich so, was, Biersommelier? Das war dann, ich glaube, 2013. Ich sage: „Mensch, okay, da muss ich mich jetzt mal drum kümmern, das klingt spannend.“ Weil ich ja schon immer viel mit Aromen zu tun hatte, egal ob das jetzt in der Zeit als Betriebskontrolleur war, aber auch bei mir beim Bier verkosten, da guckt man immer so auf die feinen Noten. Und da habe ich gesagt: „Okay, das wäre was für dich, das könntest du machen.“ Habe ich dann irgendwann mal, ging es dann erst 2014, weil alles schon voll war, ging es dann 2014 erst mit dem Biersommelier. Und dann hatte ich die Ausbildung auch schon absolviert und habe dann auch schon gleich auch Veranstaltungen gemacht, also Bier-Testings. Und dann, ein paar Jahre später habe ich mir überlegt, Mensch, du kannst doch auch mal zu so einer Deutschen Meisterschaft gehen. Und dann, meine erste Deutsche Meisterschaft, an der ich teilgenommen habe, ich weiß es gar nicht mehr, welches Jahr das war, aber es war erst mal Erfahrung sammeln, ich wusste ja gar nicht, was passiert. Hatte allerdings auch den Nachteil, ich war leicht erkältet und da hat man dann wirklich auch gar keine Chance. Also wenn man wirklich ein bisschen erkältet ist, dann kann man es eigentlich auch ganz sein lassen. Ich habe trotzdem mitgemacht, weil, ich wollte eigentlich das Grundprinzip erst mal erkennen, was geht da überhaupt ab. Und da habe ich, wie gesagt, überhaupt keinen Platz belegt. Und beim nächsten Mal habe ich gedacht, okay, jetzt gibst du mal richtig Gas! Und da bin ich ja dann ins Finale mit gekommen und stand dann in Nürnberg mit auf der Bühne, habe dann, ich glaube, den vierten Platz gemacht, ja, also da war ich auch noch nicht so weit vorne. Aber, wie gesagt, ich habe ja viel gelernt und vor allen Dingen, was ich gelernt habe, war eben dann mehr oder weniger die Rhetorik. Ja, damit hatte ich mich ja zuvor gar nicht befasst, ich habe immer nur auf das Technische geschaut, auf die Erkennung von Bierstilen, auf die Erkennung von Fehlaromen und so weiter, immer mehr oder weniger diese Aspekte. Aber die reine Rhetorik, das habe ich dann konsequent geübt bei mir, bei meinen Testings. Auch von der Sprachgeschwindigkeit, weil ich meistens eher zu schnell gesprochen habe, um ganz viel Information in einer kurzen Zeit unterzubringen. Und dann habe ich mir Zeit gelassen, habe Pausen gesetzt und die Stimme laut, leise und so weiter und das hat gut funktioniert. Und, ja und dann hat es eben dann irgendwann Mal gereicht und dann war ich dritter bei der Weltmeisterschaft.

Markus: Ja, also krasse Geschichte, ne, das muss man schon sagen. Und ich meine, auch für die Hörer, die sich da, vielleicht nicht so auskennen, es ist ja auch nicht so, dass es nur einen Biersommelier gibt, sondern das sind ungefähr 1.000 gewesen, glaube ich, zu dem Zeitpunkt, wo du da bei der WM dritter geworden bist. Und jetzt sind es, glaube ich, mittlerweile schon 1.500. Es gibt allein in Deutschland drei Institutionen, die Biersommeliers ausbilden, also ein riesen Ding mittlerweile geworden. Und da dann entsprechend abzuschneiden, da muss man schon wirklich sagen, Hut ab, auf jeden Fall! Und habe mich damals auch sehr für dich gefreut, ich habe das ja damals auch mitbekommen in unv. #00:46:44-1# und das ist ja schon, also ich habe auch mal eine Zeitlang die, in Anführungsstrichen, Nationalmannschaft trainiert. Das war, glaube ich, 2015, 16, 17, irgendwie so in dem Dreh, und haben wir auch sehr viel vorbereitet, gerade mit der Rhetorik. Und das stimmt schon, das ist halt bei den Biersommeliers immer so, jeder kann halt das, was er mitbringt. Und der eine macht die Ausbildung und ist zum Beispiel, wie du, schon Brauer und kennt sich eben super gut aus, was die Produktion angeht, was die Bierstile angeht und all das und hat dann eben seine Schwächen an anderer Stellen. Und andere, die kommen jetzt wirklich zum Beispiel aus dem Journalismus und haben erst mal keine Ahnung vom Bierbrauen und dann hat man eben da große Defizit, die man erst nach und nach so ein bisschen aufholen muss. Und das ist es eigentlich, was es auch so spannend macht, weil, am Ende ist es doch eine Gemeinschaft von lauter lieben Leuten, die sich alle gegenseitig auch helfen und unterstützen. Und das ist auch was, was ich sehr schätze! Also ich hoffe mal, du hast das auch so erlebt, das, egal wo man so hinkommt, wenn da irgendeiner ist, der auch Biersommelier oder Biersommeliär ist, dann ist man füreinander da und geht mal ein Bier miteinander trinken und stellt Sachen vor und öffnet Türen. Das ist doch einfach eine schöne Geschichte, oder?

Michael Friedrich: Ja, das ist eine schöne Community. Also das macht unglaublich viel Spaß, man lernt verschiedene Charaktere kennen und auch Sichtweisen. Also es ist wirklich extrem spannend, also wirklich extrem spannend! Und es ist ja nie Ende der Fahnenstange, es tut sich ja immer was, es gibt immer wieder neue Bierstile, neue Art, Bier zu verkosten und so weiter, also es ist ja kein Stillstand drin und deswegen bleibt auch Bier nach wie vor interessant. Es wird auch in einer Million Jahren noch interessant bleiben, wenn es denn so hoffentlich wird. Also wie gesagt, ich lerne ja auch jeden Tag dazu, jeden Tag lerne ich immer was dazu. Und man muss dann, grade auch als Biersommelier oder als Brauer, Braumeister, natürlich trotzdem immer kritisch sein, auch selbstkritisch sein und auch mal Kritik zulassen, sich mal was von jemand anderes anhören oder hier sagt: „Mensch, guck dir das mal an, wie ich das mache und sage mal deine ehrliche Meinung.“ Und nur so kann man dann wirklich konkret nach vorne kommen. Ja, also wenn man jetzt von vielen Leuten so beweihräuchert wird, das ist dann immer schwierig, dann nach vorne zu kommen. Also ich freue mich immer über eine gut angebrachte Kritik, die auch fundiert ist, wo man dann sagen kann: „Okay, hier kann man jetzt an sich noch feilen, arbeiten, um das noch besser zu machen.“ Und das ist ja auch zum Vorteil der anderen, also man bringt ja letztendlich das Bier nach vorne. Ja, also den Gedanken, wir haben hier ein tolles Getränk, wir haben ja eine tolle Braukunst und warum soll ich das verbergen und warum sollen wir uns hier irgendwo verstecken mit unseren schönen Sachen. Wir sollen das den Leuten ja auch schön präsentieren und schmackhaft machen, ja. Und das Ergebnis sehe ich dann immer bei den Testings, wenn die Leute dann rausgehen und sagen: „Ach, weißt du was, ich nehme noch das, das, das, das, das Bier mit, ich kaufe noch Bier.“ Ja, das ist dann auch eine Bestätigung, dass es funktioniert und dass es den Leuten einfach auch Spaß macht.

Markus: Ja und das ist jetzt quasi auch eine Steilvorlage für mich, das nächste Bier aufzumachen, das mache ich jetzt nämlich auch mal. Und zwar, da steht hier Bali Barrique drauf und Oak Aged 2020, limitierte Abfüllung, 1.050 Flaschen. Okay, also ich mache mal auf. So! Aha, also das ist ein bisschen heller als das von eben, also, ja, würde ich sagen, so nussbraun, dunkle Haselnuss vielleicht. Es ist, ja, opal, also man kann zumindest einen Schimmer noch durchsehen. Es hat einen richtig intensiven Rotstich, das hat man schon beim Einschenken gesehen, also sehr schön rötlich. Dann hat man oben auch einen schönen, ja, so nussbraunen Schaum, der schön steht auch. Jetzt rieche ich mal hier rein. Ah, ja, das ist jetzt ein sehr komplexes Aroma, also da spielen ganz viele verschiedene Sachen mit. Also einerseits auf jeden Fall Röstaromen, Schokolade, Kaffee, Cappuccino, sowas. Aber dann sind so Gewürze, kräutige Aromen dabei und Früchte, rote Früchte, so eine Süßkirsche, so eine Schwarzwälder süße Kirsche, würde ich sagen. Dann auch wieder so eine weinige Note. Interessant, also ein bisschen ähnlich wie das andere, aber das geht jetzt eher in so einen Weinrot, wenn ich mir so einen spanischen Rioja vorstelle, was richtig Schweres. Und auch da wieder so ein bisschen Gewürztöne auf jeden Fall mit dabei. Ein bisschen Karamell, ein bisschen Vanille. Jetzt probiere ich mal einen Schluck. Hm, also ein ganz schönes Mundgefühl schon mal. Das begeistert mich total, ganz weich, ganz cremig, ganz rund und es hat ja fast zehn Prozent, ist aber dafür ganz geschmeidig. Auch von der Säure her, sehr angenehm, sehr ausgewogen, nicht zu viel. Und hinten raus eine schöne nette Bitternote, die einfach, ja, kurz da ist, aber sich dann wieder verabschiedet, dann kommt auch der Alkohol so ein bisschen durch. Und, also am Anfang des Trunkes ist es auch nochmal sehr so eine Kirsche-, Johannisbeernote, geht dann kurz in die Schokolade, in den Kaffee und dann klingt es eben so aus. Also ein spannendes Bier, auf jeden Fall, ein tolles holzfassgereiftes Bier. Und ich muss auch sagen, was da ja immer das Thema ist, auch in den Wettbewerben, es muss beides sein, also man muss man das Holzfass gut erkennen, aber man muss eben auch das Bier noch gut erkennen. Und oft ist es ja so, dass man praktisch nur noch Holzfass schmeckt und das ist ja dann eigentlich ein bisschen schade und verfehlt dann auch so ein bisschen den Sinn. Und hier ist das richtig schön gemacht! Also toll, auch hier, Glückwunsch! Ich hätte dir jetzt gerne ein bisschen Feedback gegeben, ein bisschen Kritik, aber mir fällt grad nix ein, vielleicht kommt noch was. Was versteckt sich denn dahinter, von deiner Seite?

Michael Friedrich: Ja, also das ist eigentlich ein traditionell gebrauter Bräuwein und bis Dato habe ich oder, ich probiere ja auch immer wieder alles Mögliche aus, Bali-Wein lasse ich ja bei mir zum Beispiel auf Eichenholz reifen, also auf letztendlich Chips. Also, ich sage mal, so ein Fass ist mir einfach zu teuer, muss ich ehrlich zugeben. Und da nehme ich halt praktisch die, gibt es ja handelsübliche Chips, jetzt Eichenholzchips. Die legt man dann im Lagertank vor und holt dort noch die Aromen raus. Und wie gesagt, ganz normales Whiskyholz … ja, ich will jetzt keinen Namen nennen, ja, es gibt ja einschlägige Anbieter für solche Produkte. Und dann reift der wirklich relativ lange, also normalerweise der Bali-Wein und hier habe ich mir überlegt, ich fülle das jetzt einfach mal in ein Rotweinfass, eine Erstbelegung. Also ein schönes kräftiges, ich glaube, das war sogar spanisch. Wir haben ja hier in der Nähe einen sehr guten Händler, der die Fässer wirklich sehr preiswert verkauft. Und dort habe ich diesen Bali-Wein dort rein gefüllt, habe den ungefähr, ich sage mal, drei, maximal vier Monate drinne gelassen und dann in Flaschen gefüllt, vorneweg nochmal eine kleine Speise gegeben, also ein bisschen nochmal Extrakt wegen der Flaschengärung. Und, ja, dann habe ich das einfach auch wieder sich selbstüberlassen und war dann über den Geschmack wirklich, war ich sehr begeistert. Also ich war sehr begeistert, eben diese Kirschnoten, diese schwarze Johannisbeere, also die sind wirklich, die sind ja sehr dominant für mich, also in der Nase. Also wirklich, die riecht man, die schmeckt man und dann hat man eben diese filigranen Töne im Hintergrund und die sind so vielschichtig. Und das Interessante bei dem Bier ist, wenn man das kalt anfängt zu trinken und dann mit der Zeit, ruhig wirklich Zeit lassen und dann, wenn das immer wärmer wird, dann entdeckt man wieder ganz neue Aromen, die man vorher gar nicht geschmeckt hat. Also wirklich, das ist ein Bier, da kann man an so einer kleiner Flasche, eine 0,33-Flasche ist das, da kann man durchaus zwei Stunden ganz in Ruhe vor sich hin sinnieren und immer mal einen kleinen Schluck nehmen und mit jedem Schluck schmeckt das wieder ein My anders.

Markus: Ja, also kann ich jetzt allein schon in den letzten fünf Minuten bestätigen, es entwickelt sich wirklich ganz, ganz toll und entwickelt immer mehr von diesen fruchtigen Aromen. Also das ist wirklich sehr schön und würde man ja so von einem Bier normalerweise gar nicht erwarten. Das ist dir auch wieder gut gelungen, muss man sagen. Ja, wir biegen so langsam auf die Zielgerade ein, aber vielleicht magst du dir für den Abschluss noch ein Bierchen aufmachen?

Michael Friedrich: Ja, also ich habe jetzt die Auswahl, ich hätte ja sonst gesagt, ich mache mir jetzt mal einen dunklen Bock auf, aber, ich entscheide mich jetzt auch für ein Weizen. Ich bin ja eigentlich immer der Fan von den ganz, ganz leichten Bieren, muss ich ehrlich zugeben. Also bei mir kommt es jetzt nicht immer auf den Alkohol drauf an. Den finde ich manchmal sogar eher hinderlich. Wenn man gerne Bier trinkt, ist er irgendwann mal sehr störend, deswegen habe ich mich mit der Zeit so auf sehr, sehr leichte Biere verlegt, mit aber viel Geschmack. Hier habe ich jetzt allerdings ein Weizenbier, ein Food Garden, nennt sich das, ist also ein kaltgehopftes Weizen, ein klassisches helles Weizen mit einem amerikanischen Hopfen. Ich lege mich da nie fest, am Anfang habe ich hier mich festgelegt, dass ich nur Citra rein gegeben habe zum Stopfen, jetzt mittlerweile probiere ich jetzt. Das ist ja Wahnsinn, was es immer wieder an neuen Hopfensorten gibt und deswegen probiere ich immer was aus. Und jetzt müsste ich mal überlegen, was ich hier gegeben habe, ich glaube, es könnte neuseeländischer Wai-iti oder so, ja, glaube ich. Ja, also ich habe die Namen jetzt nicht alle im Kopf. Auf jeden Fall hat er eine sehr schöne Citruskomponente, also sehr frische Note, der Hopfen hat wenig Alphasäure und hat aber viel Hopfenöl. Das ist ja das, was ich hier erreichen möchte, ich möchte dieses Bier also wirklich hier mit dem Hopfen im Geschmack sehr frisch gestalten. Das ist an und für sich ein schönes Sommerbier, wird aber von mir persönlich sehr gerne mal zwischendrinne getrunken, weil es einem wirklich die Zunge auch ein bisschen schön frisch macht und Spaß macht. Ja, jetzt habe ich es mir eingeschenkt, es ist für ein Weizenbier relativ klar. Ich habe die Flasche jetzt mal nicht unbedingt geschüttelt hier, weil ich grade am Schreibtisch sitze und da kann es durchaus mal zu Überraschungen kommen. Der Schaum ist, ja, feinporig, ist jetzt ein nicht ganz so extrem ausgebauter Schaum. Also die Karbonisierung ist jetzt nicht so extrem ausgebaut, man könnte es theoretisch aus der Flasche trinken. Aber von der Farbe her hat es eine schöne, sehr kräftig goldgelbe Farbe, also sehr einladend. Der Geruch ist ja wirklich schön, also Limette, Limette hier, Litschi, Limette, also die stehen hier sehr deutlich im Vordergrund. Und von den klassischen Weizenbieraromen, also ganz subtil im Hintergrund ein bisschen Banane, aber wirklich, die versteckt sich wirklich hinter diesen sehr dominanten Früchten, also schon erst mal Frische in der Nase. Jetzt nehme ich mal einen schönen Schluck.

Markus: Prost!

Michael Friedrich: Ja, hat trotzdem eine schöne Vollmundigkeit, sehr angenehm. Sehr, sehr angenehm! Und ist nicht bitter, muss man dazu sagen, also den Hopfen merkt man schon, aber eben überhaupt nicht aufdringlich, der Hopfen, eher so ein Hauch, der über die Zunge geht, der in die Nase steigt. Also diese Litschi und, ja, ist auch ein bisschen Mango mit dabei, also sehr erfrischendes Bier. Kann man auch gerne mal eine Mango dazu essen, einfach so portioniert. Einen leichten Käse, also ich würde da hier vielleicht hier so einen ganz leichten Ziegenfrischkäse dazu empfehlen, ja oder einen ganz, ganz sanft geräucherten Fisch. Ja, also das, wunderbare Kombination hier. Also, ja, ich ärgere mich jetzt, dass ich kein Essen hier habe.

Markus: Ja, siehst du, da haben wir was gemeinsam. Nein, wunderbar. Ja, wir waren ja jetzt im letzten Jahr angekommen da, wo du ja dann die Deutsche Meisterschaft gewonnen hast. Und das war auch ein großer Punkt und da würde mich auch nochmal interessieren, wie hast du das so erlebt und was passiert so danach?

Michael Friedrich: Ja, wie habe ich das erlebt? Also die Deutsche Meisterschaft ist ja mehrfach verschoben worden, ja, das war immer so eine Zitterpartie, wann können wir sie denn machen, wann können wir sie denn machen? Und ich habe auch wirklich immer vorneweg richtig, richtig geübt und trainiert und gemacht und getan. Dann kam Corona dazwischen, dann konnten wir keine Veranstaltung machen. Also auch eine relativ lange Trainingspause letztendlich, ich trainiere ja immer gerne mit Kunden, hier mit Gästen und das war eben leider nicht gegeben. Und so habe ich eben erst mal meine Sensorik ein bisschen persönlich trainiert und auch ein bisschen das Geschichtswissen. Also auch Brauereien gebüffelt praktisch, ein bisschen Grundwissen von der ein oder anderen Brauerei, die es so weltweit gibt. Das ist ja auch wichtig, wenn man bei so einer Meisterschaft antritt, dass man da seine Schubladen ordentlich füllt mit Wissen, und habe nochmal ein bisschen ein Coaching gemacht mit einem, ja, einem Stadionsprecher. Das war sehr, sehr interessant, weil die Stadionsprecher, die haben da eine ganz andere Art zu reden. Also so einfach mal so einen Running Gag mit reinzubringen und das auch wieder üben, das man sowas in der Schublade hat, einfach so einen Running Gag in der Schublade. Und wenn es dann passt mit der Biersorte, die man bekommt, ja, dann kann man den bringen und das bleibt auch im Gehirn haften von den, ich sage mal, Kampfrichtern letztendlich, so dem entsprechenden Kollegium, was die Leistung bewerten, ja, also solche Sachen, ne. Letztendlich war es dann soweit, die Deutsche Meisterschaft unter Corona-Bedingungen, ja. Und ich bin eigentlich relativ entspannt an die Sache rangegangen. Also das ich jetzt den ersten Platz unbedingt machen wollte, war eben gar nicht so. Das war vielleicht ganz gut, da ist man wirklich ganz, ganz, ganz entspannt rangegangen. Ich hatte aber auch überhaupt kein Lampenfieber, muss ich ehrlich sagen, das habe ich im Laufe der Zeit verlernt, Lampenfieber. Ich muss dazu sagen, ich habe ja früher sehr viel, also noch vor meiner Selbstständigkeit war ich Tänzer und habe sehr viel vor Leuten getanzt, also richtig vor vielen Leuten getanzt, und da hat man dann auch kein Lampenfieber, wenn man dann vor ein paar 1.000 Leuten auftritt. Und deswegen habe ich dann auf der Bühne auch kein Lampenfieber. Ganz im Gegenteil, ich versuche dann immer die Bühne wirklich zu rocken, also als sogenannte Rampensau und dort einfach, ja, wie wir jetzt zusammen hier, so rede ich dann auch auf der Bühne, also ganz normal, ohne zu stocken, und als ob das alles meine Kumpels sind, die da vor mir sitzen, so muss man dann auch rangehen. Und letztendlich hat das Konzept, ja, funktioniert. Ich hatte auch Glück natürlich mit der Zulosung. Im Halbfinale hatte ich das Aventinus, den Doppelbock, denn, der lässt sich ja sehr leicht erkennen im Geschmack. Und habe dann auch tatsächlich auf der Bühne auch den Namen gesagt, dass es eben ein Aventinus ist von Schneider, Kehlheim. Und dann im Finale, da bekommt man ja das Bier zugelost und da hatte ich auch wieder etwas Glück mit dem Eisbock der Kulmbacher Brauerei. War dadurch, dass ich ja auch in Kulmbach gearbeitet habe, konnte ich natürlich auch ganz, ganz viel aus meinen Schubladen raus kramen und noch ein bisschen was dem Nähkästchen plaudern. Also das hat dann auch die Jury überzeugt, dass es eben ein schöner Vortrag war, das Bier war schön beschrieben, also war überzeugend. Und wie gesagt, hätte ich vielleicht ein anderes Bier bekommen, hätte es auch anders ausgehen können, muss man dazu sagen, also man muss auch immer mal ein bisschen Glück haben. Aber bis man erst mal ins Finale kommt, da muss man auch mit Leistung überzeugen, also sensorischer Leistung überzeugen und Kenntnisse vom Bier haben. Das ist aber auch wichtig zu wissen, also man landet nicht einfach im Finale, wenn man sich mit Bierstilen da auskennt oder mit Aromen da auskennt. Also wenn man ins Finale kommt, dann gehört eine Portion Glück dazu, dass man ein schönes Bier zugelost bekommt. Hätte ich jetzt ein Bier bekommen, wo ich gar nichts gewusst hätte, dann hätte das auch ganz anders ausgehen können.

Markus: Ja, aber in gewisser Weise ist ja das Glück dann auch mit den Tüchtigen. Und trotzdem muss man sagen, der Kulmbacher Eisbock ist ja als Bier gar nicht so ohne, weil er ja kein klassischer Eisbock ist, trotzdem ein richtig toller Doppelbock. Also ein Bier, was ich auch sehr gerne mag, was aber, glaube ich, die Leute jetzt außerhalb des näheren Umkreises von Kulmbach wahrscheinlich gar nicht kennen, weil es ja gar nicht so groß vertrieben wird. Also das finde ich schon spannend und dann ist es auch aller Ehren, dass du dann mit diesem Bier auch entsprechend abgeräumt hast. Ja, wie ging es denn dann weiter? Also im Fernsehen hat man dann ja immer, das sieht man jemand gewinnen und dann regnet es Konfetti von oben und dann passiert ganz viel, und du bringst eine CD raus und bist dann weltberühmt. Aber wie muss man sich das vorstellen?

Michael Friedrich: Ja, natürlich haben dann ganz, ganz viele Medien Schlange gestanden, also erst mal unglaublich viel Gratulation. Also, wie gesagt, ich habe mich dann versucht, 1.000-mal zu bedanken. Also vielleicht ist es hier nochmal, durch diesen Kanal, nochmal ganz, ganz vielen Dank an alle, alle, alle, die mir gratuliert haben und auch alle, die mir den Daumen gedrückt haben. Also, wie gesagt, war eine tolle Sache! Und, ja, also auch wirklich, ich muss großes Lob auch an die Presse, Presseabteilung, den Michael Busemann, der Clemens, der hat das ganz toll gemacht, dass da wirklich hier diese Presseinfo sofort raus geballert, ja. Ich sage mal, eine halbe Stunden später wusste das schon ganz Deutschland, dass ich Deutscher Meister bin, ja, das war wirklich sensationell. Und dann natürlich einen Tag später, dann ging das früh los, Telefon hier, wir hätten gern ein Interview hier und der MDR, also Mitteldeutsche Rundfunk, also MDR-Fernsehen war da und Radio Chemnitz und so weiter, also ist ja alles regional und war unglaublich toll, also es hat Spaß gemacht. Und dann kamen natürlich auch ganz, ganz viele Kunden, die aus Chemnitz kommen und die mich noch gar nicht kannten, da sagten: „Wir haben das gelesen in der Zeitung und wir möchten gern mal Ihr Bier probieren und so weiter.“ Also das hat schon einen guten Umsatz gebracht auch und der Bekanntheitsgrad gestiegen. Also ich bin da echt dankbar, also wirklich, eine ganz, ganz schöne Sache! Ja, jetzt bin ich allerdings, muss ich dazu sagen, ich bin jetzt hier kein so klassischer Blogger, ja, also der jetzt permanent im Internet ist. Dadurch, dass ich natürlich in meiner Brauerei, dass ich die alleine betreibe, bin ich den ganzen Tag wirklich am Bier brauen, das ist wirklich so und dann bleiben immer am Tag so ein paar Minuten, um mal was loszuwerden, ja, im großen weiten Netz. Und das muss ich allerdings, selbstkritisch gesehen, nochmal ein bisschen verbessern, dass man als Deutscher Meister da noch ein bisschen mehr machen muss, um vielleicht nochmal ein Statement da abzugeben. Aber, wie gesagt, letztendlich bin ich ich, ja, ich bin halt der Brauer, Braumeister und freue mich natürlich über den Titel des Deutschen Meisters. Und hoffe auch, dass ich bei der Weltmeisterschaft, die ja im September in München ist, dann auch einen sehr guten Platz belegen werde.

Markus: Ja, also da drücken wir dir natürlich alle ganz fest die Daumen. Und ich muss auch sagen, ich finde das persönlich auch ganz, ganz klasse, weil, also das Ganze hat ja angefangen mit diesen Deutschen Meisterschaften 2013, damals war das noch der Vorentscheid für die Weltmeisterschaft und das haben wir damals ausgerichtet hier bei uns, von der Deutschen BierAkademie in Hallerndorf. Und da kamen wir dann auf die Idee, wenn wir einen deutschen Vorentscheid machen, dann könnten wir das doch auch Deutsche Meisterschaft nennen. Und da war dann damals der Dominik Maldo da, hat das damals gewonnen und war dann auch tatsächlich zum ersten Mal, dass die Presse das wirklich so aufgenommen hat und einen Deutschen Meister der Biersommeliers als etwas Berichtenswertes empfunden hat. Und das fand ich damals auch schon spannend, der war dann auch am nächsten oder übernächsten Tag, war er auf der Titelseite von der Bild-Zeitung und das ist wirklich toll. Und da, muss ich sagen, sieht man eben auch, wie sich das weiterentwickelt hat und wie das mittlerweile eben eine feste Institution ist und wie natürlich auch der Wettbewerb sich ganz anders vergrößert hat. Also damals waren das insgesamt vielleicht so 40, 50 Teilnehmer oder so, maximal und das ist jetzt natürlich alles ein bisschen anders. Also, total spannend, total klasse und freut mich auch, dass es dir natürlich entsprechend hilft und geholfen hat. Vielleicht zum Abschluss noch die Frage, hast du besondere Pläne jetzt für dieses Jahr, besondere Biere oder machst du eine besondere Vorbereitung für die WM oder wie sieht es da bei dir aus?

Michael Friedrich: Ja, also ich habe natürlich jetzt dadurch, dass sich die Lage wieder etwas entspannt hat und die Veranstalter ja schon mit den Hufen scharren, habe ich mich jetzt für relativ viele Veranstaltungen schon angemeldet, also verschiedene Bierveranstaltungen jetzt mit Ausschank und so weiter. Und das ist für mich ja immer auch Trainingseinheit letztendlich, vor Kunden, vor Publikum, dort zu agieren. Und, ja, ansonsten natürlich wieder neue Bierstile zu brauen und mich dann im Sommer oder wenn ich mal etwas eine Muse habe, mich noch mehr mit dem Thema Brauereien weltweit befassen, Bierstile, grade in Richtung Belgien nochmal mehr zu vertiefen. Grade in Hinsicht auf die Weltmeisterschaft, dass man da noch einige Wissenslücken nochmal schließt. Und, ja oder englische Biere vor allen Dingen, ja, die werden ja meistens ein bisschen stiefmütterlich betrachtet, der englische Bierstil teilweise, klassische englische Bierstile. Ja und hier nochmal ein bisschen nachlegen. Also kein Stillstand, also sowohl beim Bierbrauen bei mir, also ganz viele neue Ideen, Sorten, als auch beim Biersommelier, bei der Weiterentwicklung. Vielleicht noch den ein oder anderen Kurs belegen, muss ich mal schauen, ob ich Zeit habe. Das ist immer ein Faktor bei mir, der extrem dünn ist, der Faktor Zeit. Und, ja, das ist aber wahrscheinlich bei vielen so.

Markus: Ja und immerhin, also dein Motto, muss ich sagen, nie stillstehen, immer weiter, das ist auf jeden Fall gut und bringt, also bewegt mich auch letzten Endes und das finde ich auch so spannend. Ich danke dir ganz, ganz herzlich für dieses tolle Gespräch, diesen, ja, Rundumschlag durch deine Geschichte. Und das finde ich auch insgesamt einfach eine ganz, ganz spannende Sache, wie man eben mit 14 Jahren schon über das Thema Bier stolpert und dann da ja wirklich eine ganz, ganz spannende, ja, Karriere oder einen tollen Lebenslauf einfach hinlegt, der allen Freude macht. Und dementsprechend möchte ich auch alle Hörer einladen, also wenn ihr irgendwie könnt, fahrt nach Chemnitz, schaut euch das an, besucht den Micha, es lohnt sich in jeder Hinsicht, also sowohl menschlich als auch bierlich und genießt die tollen Biere. Also und dir alles Gute, ich drücke ganz fest die Daumen auch für die WM natürlich. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja vorher in Belgien oder England oder sonst irgendwo, würde mich freuen.

Michael Friedrich: Das würde mich freuen, oder in Bamberg, oder in Bamberg.

Markus: Oder in Bamberg, du bist natürlich wie immer ganz herzlich willkommen.

Michael Friedrich: Ja, ich bin gerne in Bamberg, ja, ist eine sehr schöne Stadt.

Markus: Okay, na dann, bis dahin, auf jeden Fall noch einen wunderschönen Abend heute dir.

Michael Friedrich: Danke, dir auch, danke.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 82 – Interview mit Florian Erdel, Biersommelier und hochdekorierter Hobbybrauer aus Bruchsal

Florian Erdel entdeckte als junger Mann nach und nach die Welt der Biere und entschied sich dann, schweren Herzens, sie nicht zum Hauptberuf, sondern zum Hobby zu machen. Doch wie so oft kann so ein Hobby bei uns Männern zur Profession und in gewisser Weise auch zur Obsession werden. Das führte dazu, dass bei Florian mittlerweile eine Brauanlage im Keller steht, nach der sich so mancher gestandene Brauer die Finger lecken würde, inklusiver einer beeindruckenden Hefebank mit mehr als 100 verschiedenen Stämmen. Kein Wunder also, dass der Biersommelier mittlerweile bei zahlreichen Wettbewerben zu den Preisträgern gehört und gerade im Bereich Kreativ- und Sauerbiere zu den absoluten Koryphäen des Landes zählt. Deswegen ist er auch Dozent an der Deutschen BierAkademie und sorgt für die gute Ausbildung der neuen Biersommeliers. Im BierTalk verkosten wir einige seiner Schätze aus dem Bierkeller, darunter ein Solera-Bier, ein Grape Ale und eine Berliner Weisse mit Lavendel und Schwarzen Johannisbeeren…

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Holger: Ja, hallo Freude des BierTalks, wir grüßen euch und haben natürlich wieder einen tollen Gesprächspartner, in dem Fall Florian Erdel und das ist ein ganz berühmter Hobbybrauer mittlerweile, also das kann man wirklich sagen. Der kommt aus Baden-Württemberg, aus Heidelsheim. Wo das ist, wird er gleich sicher noch erklären. Ja, Florian, grüß dich und herzlich willkommen zum BierTalk.

Florian Erdel: Hallo, auch herzlich willkommen von meiner Seite. Vielen Dank, dass ich in eurem tollen Podcast zu Gast sein darf. Genau, wie der Holger schon eingeführt hat, Florian Erdel mein Name, komme aus dem nordbadischen Heidelsheim, aktuell wohnhaft. Das gehört zu Bruchsal, ist die nächstgrößere Stadt, für alle Zuhörer. Wo das weiterhin unbekannt ist, Bruchsal ist eine Stadt zwischen Heidelberg und Karlsruhe und die A5 geht da direkt dran vorbei, daher hat es der ein oder andere vielleicht schon mal auf der Autofahrt gelesen. Und dort bin ich auch aufgewachsen, in dem kleinen Dörfchen hier in der Nähe, das heißt Hambrücken. Das heißt, soweit habe ich es nicht geschafft. Ich bin beruflich Diplomingenieur Maschinenbau und meine Leidenschaft gehört seit circa 2012 beziehungsweise meine Leidenschaft, meine ganze Freizeit, also rund um das Thema Bier. Hobbybrauer bin ich seit 2015, habe auch mittlerweile, ja, so circa 160 Sude auf dem Buckel, vieles ausprobiert. Das ein oder andere werden wir da heute noch vorstellen, von den aktuellen Experimentalgeschichten. Neben dem eigentlichen Hobbybrauen bin ich auch Hobbyhopfenbauer, wenn man es möchte, mit knapp über 20 Hopfenpflanzen. Und der ein oder andere kennt mich vielleicht unter meinem Pseudonym, wenn man so möchte, CHAOS Homebrewing, da blogge ich seit drei Jahren ziemlich regelmäßig bei Instagram und demnächst geht auch noch eine Webseite Online, ob das Ganze dann nochmal ein bisschen detailliert aufgezeigt wird, was so im Braukeller stattfindet. Seit Ende letzten Jahres bin ich International Biersommelier. Das hat einfach sich angeboten, weiter das Bierthema zu vertiefen. Und allgemein, kann man sagen, interessiert mich alles, was mit Sauerbier zu tun hat, Hefe zu tun hat und, ja, je wilder desto besser, würde ich sagen.

Holger: Ja, super, vielen Dank für die Vorstellung und da werden wir gleich auch noch, ja, rein schmecken und uns das mal zu Gemüte führen, was du da in deinem Braukeller alles so zauberst. Und mit dabei ist natürlich auch der Markus. Hallo, Markus.

Markus: Hallihallo, grüß euch! Ich freue mich schon sehr auf diesen BierTalk.

Holger: Sehr gut, also dann haben wir ja jetzt quasi das Muss erfüllt und können jetzt quasi zur Kür kommen. Womit fangen wir denn an? Also, ich sage mal, die sind so verrückt, die Biere und dazugehörigen Bierstile, dass man eigentlich gar keine Reihenfolge so richtig festlegen kann. Also man könnte jetzt nach Alkohol gehen, man kann nach Aussehen gehen, wir können uns entscheiden, ob Glas oder Korken oder Dose oder alles eigentlich.

Florian Erdel: Ja, also, ja, ist tatsächlich schwierig. Ich glaube, die klassischen Regeln, die es da so gibt für, wie man ein Testing machen würde, die ziehen da nicht so wirklich. Meine Empfehlung wäre, oder Vorschlag, dass wir mit dem einzigen Nicht-Sauerbier beginnen, das wäre das Coconut Sunset, ein New England Milkshake Double IPA. Das ist auch tatsächlich die Dose, die ihr vor euch habt. Die ist nicht Daheim gebraut worden, die ist bei BRLO letztes Jahr im April eingebraut worden auf einer 20-Hektoliter-Anlage. Und war dann eben kurze Zeit, bis das eben vergriffen war, dann im Handel verfügbar. Dementsprechend ist es für ein Neipa, hat das Ganze schon ein paar Monate hinter sich. Ist ja jetzt ein Bierstil, dem man eigentlich nachsagt, dass der sich nicht so gut altern lässt. Ich habe grad gestern nochmal, zum letzten Test, nochmal eine Dose probiert, weil ich noch ein paar habe und aus meiner Sicht, das werden wir ja gleich sehen, wie ihr das einschätzt, bietet sich dieses, weil es eben auch double ist und entsprechende Alkoholstärke hat, durchaus ganz gut zum agen an, wie ich das finde, ja.

Holger: Ja, das ist doch eine gute Idee, also dann köpfen wir zunächst mal die Dose. Also du hast es jetzt so ganz flüssig und schnell da durchgerasselt, aber das können wir vielleicht nochmal in Scheiben schneiden. Also Coconut Sunset, New England IPA und dann sprichst du noch von double, wahrscheinlich wegen des Alkoholgehaltes von 7,5 Prozent.

Florian Erdel: Richtig, genau.

Holger: Und was wir gar nicht erwähnt haben, was ich also ausgesprochen wichtig finde zu erwähnen, ist, es war das beste Kreativbier bei der Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer. Also das muss man ja erwähnen, das hast du gar nicht gesagt.

Florian Erdel: Richtig, habe ich unterschlagen, ja, richtig, ja.

Holger: Also, aber, ich habe aufgepasst! Und jetzt mache ich hier die Lasche hoch. Zack und rein damit ins Gläschen. Oh ja, oh ja, oh ja, oh ja, oh ja! Ja, was soll ich sagen? Das riecht schon mal sehr fruchtig, ist richtig schön naturtrüb, hat einen ganz tollen weißen Schaum. Ich weiß gar nicht, also ich fange jetzt schon an mit dem Beschreiben. Soll ich es machen oder will es einer von euch machen, um Gottes Willen?

Florian Erdel: Mach gerne weiter.

Markus: Naja, wenn du schon angefangen hast, bitte schön!

Holger: Genau, also wenn man jetzt reinriecht, dann hat man schon auch so die typischen Noten in der Nase von einem fruchtigen IPA, aber natürlich auch eine Ananasnote, die man auch riecht. Ich nehme mal einen Schluck. Ah ja, Wahnsinn! Also, ja, Pina Colada, würde ich sagen, kommt einem da entgegen.

Florian Erdel: Ja, absolut richtig, das war tatsächlich, wie das Ganze 2019, Anfang 2020, dann bei mir im Braukeller entstanden ist. Die grundlegende Idee war, ein Bier zu kreieren, was, ja, möglichst nahe an dieses Pina-Colada-Erlebnis rankommt. Und deswegen, sage ich mal, war da ein normales New England IPA, sage ich mal, nicht genug, deswegen sind noch geröstete Kokosflocken drin, deswegen auch der Name Coconut Sunset. Und auch noch ein bisschen Milchzucker, deswegen das Thema Milkshake im Namen, um einfach die Textur nochmal ein bisschen, sage ich mal, zu pimpen, weil man ja eben bei einem Pina-Colada-Cocktail eben auch dieses sehr cremige Mundgefühl hat, was man so in einem normalen Bier nicht hat und nicht erreichen kann natürlich in gleichem Maße. Aber durch geringe Mengen Milchzucker, sodass der Restzuckergehalt oder die Süße des Bieres irgendwie nicht störend ist auf einem Niveau, wo es eher mehr eben dieses cremig, smoothe Mundgefühl, was ein New England IPA mitbringt, auf die Spitze treibt.

Holger: Also kann man dann sagen, sozusagen ein Coconut Sunset Imperial Milkshake New England IPA?

Florian Erdel: Ja, das wäre die kürzest mögliche Beschreibung, glaube ich, die es trifft, ja.

Holger: Also, ich kann sagen, wenn ich das jetzt verkoste, zum Glück hast du dann ja sofort übernommen und hast dann auch selbst nochmal erklärt, was dich so getrieben hat und wie so die Gedanken waren, um das Bier zu kreieren, habe ich natürlich weiter genossen. Und ich kann euch sagen, liebe Freunde, also da sind Bilder im Kopf und das Hauptbild ist Sommerparty, also und ohne Maske natürlich, also so eine richtig tolle Sommerparty! Und ich freue mich da schon auf die ganzen Damen, die behaupten, also Bier mögen sie nicht so gerne und trinken sie nicht so gerne und so. Und da würde man jetzt da was in Glas füllen und wenn man da nicht weitererzählt, dass das ein Bier ist, bin ich überzeugt, dass also 100 Prozent alle weiblichen Teilnehmer dieser Sommerparty, und würde wahrscheinlich, ja, wenn ich es mir aussuchen könnte, nur weibliche Teilnehmer einladen und mich vielleicht, und die würden dann alle ganz toll da in das Glas gucken und sich fragen, wow, was ist denn das für ein geiles Zeug, ja? Und dann würde ich sagen, tja, ich habe es heute, ich habe es einfach mal mitgebracht, ja. ja, Prost! Markus, was sagst du?

Markus: Ja, ich bin auch absolut begeistert, muss ich sagen! Also ganz grundsätzlich vom Geschmack alleine her ist das schon eine der besten Pina Coladas, die ich jemals hatte, also. Und das ist einer meiner Lieblingscocktails, also ich habe den schon durchaus öfters getrunken. Und ich muss auch sagen, was natürlich das Bier einfach hat, das ist die Kohlensäure und dass dann noch eben dazu, zu dieser Aromatik, das macht das Ganze wirklich sehr, sehr spannend. Und ich finde, auch grade die Textur, dieses, wo eben die Sahne in der Pina Colada drin ist, das kommt richtig gut rüber, also ganz, ganz angenehm auf der Munde. Und auch die Fruchtigkeit und die Süße, das ist so richtig schön ausgewogen, ausbalanciert. Also, ja, das fängt einfach an, macht Spaß und ist prickelnd und ist es dann bis zum Ende und dann mag man gerne wieder trinken. Also, das ist durchaus eine sehr, sehr gute Version davon! Da kann ich gut verstehen, dass die Leute das gewählt haben. Ja und ich muss auch sagen, ich habe ja auch immer ein Problem beim Cocktail trinken, ich trinke Cocktails eigentlich so wie Bier und das bedeutet, das ist halt manchmal so, dass so ein Cocktail nach zwei Minuten oder sogar weniger, weg ist. Und das geht, ein, zwei, aber danach entfalten die natürlich ihre Wirkung. Und das ist dann immer ein bisschen blöd also. Und deswegen, muss ich sagen, ist das auch nochmal eine tolle Alternative, weil man das Erstens ja wie Bier trinkt und Zweitens ist es dann ja auch nicht ganz so stark und dementsprechend wirklich eine ganz tolle Alternative, spannend.

Holger: Weißt du, das ist natürlich wieder so ganz klar, Raupach, das ganz besondere Tierchen! Verstehst du, da haut er hier einen raus, von wegen zwei, drei Cocktails, entfaltet seine Wirkung und hier auf der Dose, 0, 33, steht 7,5 Prozent Alkohol. Und da so zwei, drei, macht ihm gar nix aus und so. Klar! Klar, klar.

Markus: Klar, na, in der Pina Colada ist ja Rum mit 40 Prozent. Normalerweise sind da vier cl oder sogar sechs cl. Also da ist dann schon auch Dampf im Kessel.

Holger: Nee, klar, so ein richtiger Oberfranke, der kann es natürlich! Tja, so, was machen wir jetzt? Also eigentlich möchte ich bei dem Bier bleiben, ehrlich gesagt, also weil, also es ist wirklich unglaublich. Und auch grade die Kohlensäure, also die Resenz, das hat der Markus grade auch angesprochen, die finde ich auch optimal gewählt. Also die ist, in meinen Augen ist die also genau richtig, also wirklich ganz genau richtig! Also weder zu stark noch zu schwach und überhaupt ist das so ausbalanciert. Und auch der Nachtrunk, der mich jetzt da so beschäftigt, der ist großartig. Also, herzlichen Glückwunsch! Also wirklich herzlichen Glückwunsch! Ich weiß gar nicht, ob es jetzt da noch bessere Kreativbiere auf so einem Hobbybrauerwettbewerb geben kann. Und wenn ich das mal sagen darf, das beste Bier, was ich je in meinem Leben getrunken habe, stammt sowieso von einem Hobbybrauer, aber das Schlechteste natürlich auch.

Florian Erdel: Ja, der Spagat oder die Breite ist da sicherlich größer, ja. Ja, also ich kann nur alle Zuhörer einladen, es gibt ja den ein oder anderen Hobbybrauerwettbewerb glücklicherweise jetzt mittlerweile über Deutschland verteilt, egal ob jetzt, wenn man die großen mal erwähnt, so wie in Bayreuth bei Maisel oder eben bei Störtebeker, die Deutsche Meisterschaft, die ist ja auch, wenn jetzt grade nicht Corona ist, auch Zuschauern oder dem Publikum zugänglich und sich wie bei einem kommerziellen Craft-Beer-Festival, da mal bei den Hobbybrauern durch die Kreativbiere durch zutrinken, das ist schon eine richtig coole Nummer.

Holger: Ja, beschreib uns doch mal vielleicht, wie funktioniert das? Also du überlegst dir das dann da in deinem Keller, dann braust du das Zeug, dann schickst du das dahin. Und muss man da einen Brief schreiben, was man eigentlich gemeint hat oder schickt man das einfach mal nur so dahin oder wie geht das ab? Erklär doch mal, wie nimmt man an einem Hobbybrauerwettbewerb teil, wie bereitet man sich vor? Und wenn man dann auf die Bühne geholt wird, fliegen dann die Schlüpfer oder wie ist das?

Florian Erdel: Also im Prinzip ist es, sage ich mal, zweigeteilt, also es gibt einmal die Kreativbierthematik oder auch Publikumswettbewerb genannt, wo letztendlich jeder Hobbybrauer die Chance hat, sein Lieblingsbier aus dem heimischen Braukeller dem Publikum, also anderen Hobbybrauern und auch anderen Leute zu präsentieren und zu verkosten. Und das Publikum entscheidet dann eben, was an diesem Tag das beste Bier war. Und, dann gibt es natürlich immer, ihr hattet ja auch schon den Martin Tietz in der Runde mit dem Irish Red Ale, auch immer ein, ja, einen ausgeschriebenen definierten Bierstil, den dann alle versuchen, möglichst innerhalb der geltenden Stilrichtlinien, gut zu treffen, um da eben auch nochmal, ja, einen Preis gewinnen zu können. Und wie bereitet man sich auf sowas vor? Ich sage mal, beim Kreativbierwettbewerb hat man da als Hobbybrauer keine Grenzen, man muss sich letztendlich nur überlegen, was eben der Masse gut schmecken könnte. Und da liegt jetzt viel beim Coconut Sunset, denke ich mal, so ein Thema, einen Cocktail nachzuahmen, nahe. Und, ja, bei den anderen Wettbewerben, da muss man natürlich am Rezept feilschen, schleifen, bis man, ja, den Stil möglichst passend trifft und vielleicht trotzdem was Besonderes drin hat, um sich von den anderen abzusetzen.

Holger: Jetzt müssen wir fast weitermachen, oder?

Markus: Ja, wobei ich noch eine kleine Frage an den Flo hätte. Also eins vielleicht noch zu dem Thema Alterung, weil du das ja gesagt hast, ich glaube, das tut dem Bier sogar eher gut, also weil, also man schmeckt es eigentlich noch gar nicht, also wenn überhaupt, dann so ein bisschen im Nachgang. Aber ich finde, je mehr das wird, umso mehr kriegt es erst recht diese cocktailigen Aromen, weil das ja durch den Rum grade in diese, ja, Sherry- und sonst was Richtung eben geht. Also dementsprechend, glaube ich, ist das für das Bier sogar gut. Und ich kenne es auch von anderen Imperial IPAs, das die Alterung sogar richtig vertragen, also insofern hätte ich da gar keine Angst beim dem Alkoholgehalt, das ist super.

Florian Erdel: Ja.

Markus: Aber, ja, meine Frage, die ich hatte, war, nun bist du ja jetzt Hobbybrauer und hast auch die ganze Maschinerie Zuhause stehen, da können wir ja nachher noch drüber sprechen, aber das muss ja irgendwann mal nicht gewesen sein. Also wie kam es dazu, dass du gesagt hast, ich begeistere mich so für Bier und wann ist dann der Hebel so ganz umgeschlagen und du hast dich da voll drauf konzentriert?

Florian Erdel: Ja, da gab es im Prinzip zwei Zeitpunkte, würde ich sagen oder sogar drei oder, es hätten drei sein können. Als ich mein Maschinenbaustudium begonnen habe, stand auch zur Wahl, Brau- und Getränketechnologie zu studieren. Spezial mein Patenonkel, der nutzt das heute natürlich sehr gerne, weil ich mich jetzt so intensiv mit dem Thema beschäftige, ich habe es dir ja damals gesagt! Aber ich habe mich letztendlich für mich damals den vernünftigeren Weg entschieden und habe halt Maschinenbau dann eingeschlagen, das war ein so ein entscheidender Zeitpunkt. Und 2012 war ich in einer Gastronomie, die ist hier bei uns in der Nähe und da gab es sogenanntes belgisches Champagner-Bier, also die bezeichnen das so. Und letztendlich sind es bekannte belgische Biere, damals waren die für mich alle unbekannt. Da waren Frucht-Lambics dabei, da war ein Faro dabei. Da waren sehr typische hopfige belgische Biere dabei und malzige und das Ganze war da eben in der Kombi mit einer, ja, relativ gehobener Gastronomie von Essenseite und auch von der Präsentationstechnik. Da wurden die Flaschen, hieß da Methode Traditionell, ich glaube, korrekt heißt es sabirieren, wurden halt dann eben auch die Champagner-Biere, die belgischen mit abgesäbelten Flaschenköpfen sozusagen serviert. Und ich habe mich da damals eben durch die Sauerbiere durch getrunken und ab dem Zeitpunkt gab es für mich eben nicht mehr nur Pils, Export und Hefeweizen, sondern dann ging die Jagd los, sage ich mal, dass ich auch, das ist von uns nicht weit, mal nach Frankreich rüber gefahren bin. Damals waren da eben, ja, belgische Biere für mich also der einfachste Weg, die zu bekommen. Und da ging diese Liebe zur ganzen Bierwelt so richtig los und hat dann letztendlich darin geendet, dass ich glücklicherweise 2014 von zwei damaligen Arbeitskollegen ein selbstgebrautes IPA auf den Arbeitstisch gestellt bekomme habe. Und da erinnere ich mich noch dran, als wäre es gestern gewesen, das war dann so der letzte Hebel und dann ging es mit dem Hobbybrauen los, das ich sowas selber machen möchte. Und das war dann unaufhaltsam, sage ich jetzt mal, ja.

Markus: Da hast du praktisch immer mehr auch da dann investiert und dich weitergebildet und, ja, so kommt dann eins zum anderen.

Florian Erdel: Richtig, ja, dann ging es immer tiefer in den Kaninchenbau sozusagen, ja.

Holger: Ja und dein Umfeld, Flo, dein Umfeld, also weiß nicht, Freundin, Frau, Eltern, Geschwister, Kumpels, die sind alle begeistert oder wie ist das oder verstehen die das gar nicht? Und dann so Sauerbiere und wie du dich dann mit Hefe beschäftigen und vielleicht, weiß ja gar nicht, wo du die Hefen überall herholst und so. Es gibt ja auch Bart-Biere und du bist ja auch ein Bartträger und da könntest du ja auch einfach mal die Hefe aus deinem Bart nehmen und da draus ein schönes Sauerbierchen machen, das hast du doch bestimmt schon gemacht.

Florian Erdel: Ja, also das Bart-Bier gab es tatsächlich bei meinem Junggesellenabschied 2017, aus dem genannten Grund, weil die, meine Kumpels, mich da schon richtig einschätzen. Habe ich tatsächlich aber noch nicht gemacht, soweit ging es noch nicht. Aber mit einem kleinen Coolchip die, sage ich mal, die Hefe der Umgebung einzufangen und damit versuchen, schmackhafte Biere zu machen, in die Richtung ging es durchaus schon. Und um auf die erste Frage zurückzukommen, ich würde es so formulieren, jeder, der Gelegenheit hatte, in meinem Braukeller mal sein zu dürfen und sich mal einen Abend durch die Sauerbierwelt mit meiner Begleitung durch trinken zu dürfen, ist danach Sauerbierfan geworden, würde ich schon so sagen.

Holger: Also das glaube ich dir, das glaube ich dir auf jeden Fall. Und ich kann nur sagen, also mein absolutes Lieblingsbart-Bier, also aus den Hefen des Bartes des Braumeisters, ist eben wirklich von Rogue, von dem ehemaligen Rogue Braumeister, Mister Meyer, ja, also das ist wirklich großartig. Aber jetzt machen wir weiter! Also jetzt, ich habe ja hier noch Ware vor mir stehen jetzt. Leg mal was fest, was machen wir jetzt?

Florian Erdel: Ich würde sagen, wir würden uns jetzt dem Perpetuum Sauer widmen. Das war der zweite Platz Kreativbier, ebenfalls bei der Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauen, ein Jahr später, also 2021. Das ist eine 0,75-Champagner-Flasche mit Naturkorken und Drahtkäfig und hat ein rotes Etikett. Der Markus hat noch die blaue Variante.

Markus: Ja, sehr schön, aber wir machen jetzt die Rote auf.

Florian Erdel: Ja, ja.

Markus: Das ist sehr spannend, also die Blaue ist dann praktisch ohne die Fruchtzugabe sozusagen, oder?

Florian Erdel: Richtig, genau.

Holger: Naja, gut, also das ist ja jetzt wieder so im Prinzip ganz einfach für die Kenner, das ist jetzt ein Red Wine Barrel Aged Bread Saison Aged on Sour Cherries Single Barrel Solera Style.

Markus: Also wenn du dann mal fertig bist, dann machen wir weiter.

Holger: Also für alle, denen Pils einfach zu schnöde ist, ne, also.

Florian Erdel: Ja, ist …

Holger: Also wir haben ja so eine kleine Tradition, die Bierköniginnen, ja, die wir im BierTalk dann haben, die gehen dann ja immer in solchen Situationen in die Küche und müssen irgendwelche Geräte holen. Und ich glaube, ich muss das jetzt auch machen, ehrlich gesagt. Also, ja, ja, also, Markus, wenn ich dann jetzt in der Küche bin, darfst du dafür erzählen, wie sehr verliebt du dich …

Markus: Genau, wie hübsch du bist.

Holger: Ja, wie sehr du mich liebst, genau. Also mach das Mal, ich hole mir mal ein Handtuch, also mindestens ein Handtuch brauche ich.

Markus: Ich gehe jetzt mal das Risiko ein, muss ich sagen, oder, Flo, so schlimm wird es schon nicht werden?

Florian Erdel: Also, ich glaube nicht, dass ihr da jetzt Angst haben müsstet, dass da irgendwas durch die Gegend schießt.

Markus: Verkorkst du die selber?

Florian Erdel: Ja, ja. Also das ist aus dem Belgischen, also die Korken und die Drahtkäfige und auch die Flaschen, das sind Gösse-Flaschen und das kann man in belgischen, holländischen Hobbybrauer-Shops, gibt es das alles, in deutschen eher nicht. Und der Verkorker ist auch ein Standverkorker, wie man das für Weinflaschen benutzt.

Markus: Okay, also dann mache ich jetzt mal den Korken hier raus, schaue mal, wie sehr es ploppt.

Holger: Ich bin wieder da, ich bin wieder da.

Markus: Pünktlich, bei mir läuft es.

Holger: Also bei mir kommt es so ins Glas, also, wenn man es jetzt nicht besser wüsste, würde man jetzt einfach auch ein normales Kriek tippen, also so von der Farbe her sieht es aus wie ein Kriek. Also, der weiß, was das ist, also so ein Kirschbier da so aus Belgien.

Florian Erdel: Ja.

Markus: Und geht auch durchaus von der Nase so hin, ne, erst mal.

Holger: Ja, also das, ja, genau, also. Aber ich mache jetzt nicht, also jetzt muss mal jemand anders.

Markus: Okay.

Florian Erdel: Also ich habe es leider nicht, von daher.

Holger: Oh! Ja, Markus, dann ist die Sache ja klar.

Markus: Also gut, also dann, schauen wir. Also, völlig richtig beschrieben, von der Farbe her ein schönes sattes Rot. Also sogar eher ein helles Rot, also ich würde so Richtung Erdbeere gehen, also sogar röter eben als so ein normales Kriek. Vielleicht eher so wie ein Framboise oder so, also richtig schönes intensives Rot. Auch der Schaum, voll rot, also ganz klassisch. So wie früher in meiner Jugend, gab es früher so ganz künstliche Erdbeermilch, mit der hat man sein Müsli gemacht. Also da durften Kinder noch irgendwelchen Chemiescheiß essen, und so ungefähr schaut das aus. Aber wirklich ganz verführerisch, ganz tolle Farbe. Und wenn man reinriecht, dann sind es auf jeden Fall, ja, klassische Rotweinnoten und zwar eher leichtere Rotweine, also ein Beaujolais, Bordeaux, irgendwie so eine Richtung. Ein bisschen Johannisbeer, ein bisschen Kirsche, ein bisschen auch Blaubeeren, so ein bisschen Waldbeerenaromen und ein bisschen Karamell, ein bisschen Vanille, also sehr spannend. Jetzt probiere ich mal ein Schlückchen. Also, wie schon gesagt, natürlich ein säuerliches Bier. Spannend finde ich, dass die Säure kommt und bleibt, also die verändert sich nicht sehr, die ist sehr konstant. Ist eher wie so eine Kirschsäure. Also da sind wir wieder sehr beim Kriek, von der Intensität der Säure her. Hat auch ganz viel Fruchtigkeit und geht tatsächlich auch in so eine Sauerkirsche. Ist auch ein bisschen moussierend auf der Zunge, nicht ganz so viel CO². Sehr schön weich im Abgang und, wie gesagt, die Säure ist sehr konstant, also ist da, bleibt da und ist dann auch im Nachtrunk immer noch lange da. Und man kann das Bier auch so ein bisschen verfolgen, wie es dann so den Hals runter läuft, Richtung Magen sich bewegt. Und, ja, also ein spannendes Bier, ein sehr komplexes Bier und ein allerehrenwertes Bier. Und ich kann, also bei mir ist es relativ dunkel, ich kann gar nicht lesen, was alles auf dem Etikett drauf steht, aber das Geheimnis kannst du jetzt ein bisschen lüften. Ich glaube, diese Solera-Geschichte ist bestimmt auch spannend bei der ganzen Sache.

Florian Erdel: Richtig, ja. Also du hast es sehr gut beschrieben, passt sehr gut zu meinen Verkostungsnotizen. Du hast Bordeaux erwähnt, bist tatsächlich also auch ein vorbelegtes Fass aus der Bordeaux-Region, Rotweinfass, was ich da letztendlich bei mir im Keller stehen habe, ein 100-Liter-Rundbaufass. Das ganze Solera-Thema in der Bierwelt ist so ein bisschen unglücklich teilweise, würde ich sagen. Also das Thema Solera kommt eigentlich aus, ja, vom Weinausbau in Spanien, irgendwo so um zweite Hälfte vom 1900 Jahrhundert, ging das los. Kommt typischerweise vom Sherry, vom Brandy, auch Weinessig liest man heutzutage, mittlerweile auch durchaus mal bei Rum oder Whisky. In der Bierwelt, speziell in der Craft-Beer-Bewegung, wenn da von Solera die Rede ist, versteht man da aber meistens nicht so ein komplexes System, wie es bei der Sherry- und Brandy-Herstellung verwendet wird, da machen nur die wenigstens ein traditionelles Solera-Verfahren beim Bier. Das traditionelle Solera-Verfahren erkläre ich vielleicht ganz kurz.

Markus: Genau, darum würde ich dich mal bitten, weil der ein oder andere Hörer oder die Hörerin hat keine Ahnung, was Solera ist.

Florian Erdel: Ja. Also bei Sherry und Brandy, wenn man sowas mal bei Google eingibt, dann kriegt man relativ schnell ein Bild und das sind so lange Fassreihen, die übereinandergestapelt sind, mindestens vier, bis zu sieben, acht, je nach Winzerei, wenn man so möchte. Und das ist letztendlich ein Blending-Verfahren, was sie mit diesen Fassreihen machen. Und die unterste Fassreihe, die heißt Solera-Reihe. Und Solera ist ein spanisches Wort und heißt zu Deutsch, am Boden liegend, deswegen, die unterste Reihe Solera. Alle anderen Fassreihen, die darüber gestapelt sind, die nennt sich Criadera. Ich hoffe, ich spreche das richtig aus. Und da gibt es dann halt, wie gesagt, mindestens drei Criadera oben über der Solera-Reihe. Und was da letztendlich gemacht wird, es wird von Reihe zu Reihe über die Jahre geblendet. Das heißt, aus der Solera-Reihe wird das fertige Produkt, egal ob es jetzt Sherry, Brandy oder was anderes ist, in die Flasche gefüllt. Und die Entnahmemenge aus der untersten Reihe, aus der Solera-Reihe, die wird von der Reihe eins drüber, aufgefüllt. Wichtig ist auch, die Fässer, auch die Solera-Reihe, die werden nie ganz entleert, maximal ein Drittel. Das heißt, es verbleibt immer von dem vorhergehenden Produkt etwas in dem jeweiligen Fass. Und man blended letztendlich von oben nach unten. Also entleert die unterste Reihe, so bis zu einem Drittel, füllt von der eins oben drüber auf und das so weiter bis ganz nach oben. Und die oberste Reihe, die oberste Criadera-Reihe, die wird dann mit einem Wein, also neuen Wein aus dem Jahrgangskeller aufgefüllt. Und das macht man so über viele Jahre. Und die Produkte, die mit diesem unv. #00:28:33-1# Solera-Verfahren hergestellt werden, die nennt man Soleras. In der Bierwelt gibt es durchaus auch Brauereien, die sowas machen. Die Meisten machen aber ein sogenanntes Single-Barrel-Solera-Verfahren. Deswegen hatte ich auch, wie wir es vorhin vorgelesen haben, auf das Etikett Single-Barrel-Solera-Style drauf geschrieben. Und in der Fachwelt oder in der Bierwelt ist man sich da auch nicht so einig, ob jetzt Solera vom Begriff her, weil es eben bedeutet, am Boden liegend, der richtige Begriff ist für ein Bier, das mit einem Fass hergestellt ist. Und deswegen ist der Name meines Bieres Old Perpetuum Sauer, weil von einem anderen Likörwein, also Sherry ist ja ein Likörwein, der durchaus auch aufgesprittet werden kann und da gibt es ja was Ähnliches aus Sizilien, heißt Marsala. Hat sicherlich der ein oder andere auch schon gehört. Und beim Marsala macht man ein Verfahren, das nennt sich Imperpetuum, was zu Deutsch heißt, auf immer für ewige Zeiten. Das heißt, dieses Imperpetuum funktioniert mit einem Fass und nach einer gewissen Zeit, das hängt davon ab, wie man den Blending-Plan macht, und auf Basis der Erfahrung des Blenders, wird nach einer gewissen Zeit … also das Fass wird am Anfang ganz gefüllt mit dem jeweiligen Produkt, in dem Fall eben Marsala. Nach einer definierten Zeit, bei einem Marsala ist es, glaube ich ein Jahr, wird das erste Mal was entnommen, gleiche Regel wie beim Solera, also maximal ein Drittel, und das wird wieder mit frischen Wein aufgefüllt. Das heißt, das ist ähnlich wie der Solera, nur hüpft das Ganze nicht von Fass zu Fass, sondern konzentriert sich halt eben auf ein Fass. Und manche nennen das eben Single Barrel Solera Style und andere eben nennen das Pertetuum Blending oder Imperpetuum. Und ich mache das mit meinem Bier letztendlich auch so, also ich vergäre in PET-Gärfässern, in dem Fall also mit einer Mischkultur, wo auch eine Saisonhefe mit drin ist, deswegen hatte ich es Bread Saison genannt, habe ich das vergoren. Und wenn die Gärung dann langsam am abklingen ist, kam das Ganze dann in das Fass. Ursprünglich musste ich dann letztendlich mehrere Batches brauen, damit ich 100 Liter habe, um das Fass einmalig zu füllen. Und ich hatte mir das dann so überlegt am Anfang, um in das Thema reinzukommen, will ich nicht zu lange warten, bis zu ersten Entnahme, sondern ich mache das Ganze nach sechs Monaten. Und das Bier, was ihr jetzt grade in der Flasche habt, das war eben sechs Monate im Fass. Dann habe ich von den 100 Litern, 38 Liter entnommen, weil 38 Liter genau auf zwei Caks passt von der Menge, weil in einem Cak eben 19 Liter reinpassen. Ein Cak blieb wie es war und das andere Cak wurde dann nochmal auf 150 Gramm pro Liter Sauerkirschen für drei Monate gelegt und kam dann in die Flasche. Und das ist das letztendlich, was wir grade trinken. Und das Fass, die Entnahmemenge mit 38 Liter, ich habe dann parallel quasi wieder neu gebraut, das wieder gären lassen und bei abklingender Gärung, direkt nach der Entnahme, das wieder befüllt. Weil, bei dem ganzen Prozess muss man halt äußerst drauf Acht geben, dass nicht zu viel Sauerstoff rankommt, weil, dann ist es auch gefährlich mit Acetobactern, also Essigsäurebakterien. Und so eine gewisse Schicht im Sensorikprofil Essigsäure ist okay, aber zu viel, ja, muss man dann irgendwie versuchen, rauszublenden, aber dann kann man das direkt aus dem Fass nicht mehr verwenden. Von daher muss man da Acht geben und auch sich das ein oder andere Utensil basteln, um eben den Sauerstoffeintrag auf ein Minimum auch im Hobbybrauermaßstab reduzieren zu können. Und letztendlich habe ich das jetzt geplant, auf mehrere Jahre zu machen. Und das Schöne ist, man hat eben ein Bier, man hat speziell beim Sauerbier, eine kontinuierliche Versorgung von einem komplexen Sauerbier, was in der Regel über die nächste Zeit bei den nächsten Entnahmen immer komplexer wird. Und weil ich jetzt quasi die Variante ja schon probieren kann, kann ich ja theoretisch auch gegensteuern. Vielleicht ist es mir nicht sauer genug, vielleicht möchte ich nochmal andere Hefekultur mit reinbringen, um allgemein die Komplexität zu erhöhen oder auch vielleicht nochmal ein anderes Malz rein, ein bisschen mit der Farbe spielen. Das ist halt dadurch wirklich ein spannendes Projekt, was man über viele Jahre, wenn man es richtig und sorgsam macht, machen kann. Und, ja, weil das jetzt auch, sage ich mal, gleich auf Anhieb so gut funktioniert hat, steht mittlerweile auch ein zweites Fass da, wo ich dann mit einem anderen Bierstil, da wird es eher was Lambic-Ähnlicheres sein, nochmal was Ähnliches starte. Und dann kann ich ja durchaus auch aus den beiden Fässern dann auch nochmal quer blenden. Und man erzeugt dann letztendlich ein relativ großes Portfolio aus zwei Fässern.

Holger: Tja, jetzt müsst ihr das euch mal wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Das Gute an seinem Podcast ist ja, man kann anhalten, kann es sacken lassen, man kann sogar zurückspulen und es sich nochmal anhören, weil, es könnte ja sein, dass das jetzt für irgendjemand ein bisschen zu viel war. Aber es ist auf jeden Fall mega-spannend, also absolut mega-spannend. Wir müssen aber so ein bisschen die Kurve kriegen, weil, das ist ja jetzt so richtig typisch Brauer, also total, also ich meine, der Markus hat natürlich auch so gefragt, aber ganz schnöde erklärt, wie es geht. Aber jetzt, wenn man international Biersommelier ist, ja, das bist du ja, müsste man jetzt noch hinterher schieben, wie jetzt alle, die dann da vor dir sitzen, es gar nicht mehr abwarten können, jetzt wirklich zu trinken, ja. Also das müssen wir jetzt auch noch irgendwie hinkriegen. Ja, das ist wieder eine Aufgabe, ja.

Markus: Ich habe auf jeden Fall Lust, also.

Holger: Ja, dann mach mal. Also hau doch mal noch richtig einen raus hier von wegen, wie würde jetzt die Marketingabteilung in Bruchsal das Bier verkaufen. Also so, wie der Flo es grade beschrieben hat, jetzt kann es jeder nachmachen, aber verkaufen lässt sich das so ja noch nicht.

Markus: Fragst du jetzt grad den Flo oder fragst du mich?

Holger: Mir ist das egal.

Florian Erdel: Ich sage, der Markus hat da mehr Erfahrung, ich lasse dir gern den Vortritt.

Markus: Naja, also ich glaube, wenn ich das verkaufen sollte, dann würde ich wirklich also einerseits sagen, es ist wirklich das Perpetuum Mobil unter den Bieren. Also ein Bier, das nie ausgeht und das immer besser wird und ist vielleicht das beste Haustier, was man Zuhause haben kann, weil es einen noch Spaß macht, einen wirklich auch etwas alkoholisiert und, wie gesagt, immer besser wird und nie so alt wird, dass es mal nicht mehr da ist. Und auf der anderen Seite es ja auch irgendwie die perfekte Kombination aus allem, was man so mit Alkohol anstellen kann. Also einerseits die Gärung, andererseits die Lagerung, das Blenden, die verschiedenen Mikroorganismen, das Ganze dann eben noch soweit verfeinern, veredeln, das man wirklich ein ganz komplexes Aroma hat. Und das dann eben noch als Genussprodukt, was man nicht in Litern jetzt konsumiert, sondern eben in kleinen Gläschen schön vor sich hin schnabuliert sozusagen. Ja, also besser geht es eigentlich nicht, da kann man wirklich das alles konzentrieren, was eben Bier alles ausmachen kann und ist praktisch eigentlich das perfekt Gegenstück zu irgendeinem Mainstream-Pils. Insofern, so würde ich es, glaube ich, positionieren.

Florian Erdel: Also, das ist auch meine Erfahrung, ich hatte ja vorhin gesagt, wer bei mir mal im Bierkeller war, ist danach Sauerbierfan. Und ich habe es sehr oft erlebt, und grad bei solchen Bieren, das ist ja auch, denke ich, bekannt, speziell wenn Leute eigentlich überhaupt gar kein Bier trinken, maximal mal zum Fußball ein Pils, aber sich sonst nicht für Bier interessieren, sobald gutes Essen auf den Tisch kommt, muss es der Wein sein, die holst du halt mit den Bieren brutal ab. Und da habe ich immer schon, also die wären am liebsten bei mir eingezogen, auf gut Deutsch, nachdem sie dann eben entdeckt haben an so einem Abend, was Bier sein kann. Und das Bier eben problemlos mit einem sehr guten Wein mithalten kann. Und das so ein Bier auch, wenn man über das Thema Foodpairing redet, auch, sage ich mal, an Weihnachten, wenn die Ganz oder ein Wildbraten auf den Tisch kommt, da wunderbar auch eine Hauptspeise begleiten kann.

Holger: Jetzt habt ihr doch noch die Kurve gekriegt, also das muss ich schon sagen, herzlichen Glückwunsch. Also, in jedem Fall ist es mega, also absolut, unglaublich! Und ich kann das mir gut vorstellen, dass dir die Frauen in Bruchsal da zu Füßen liegen und überall gehen eben die Weinläden Pleite, weil man denkt, beim Erdel, da kriegst du ja viel geileres Zeug. Ja und da machen wir jetzt auch mit weiter. Also was ist jetzt angesagt?

Florian Erdel: Jetzt passend, als Überleitung, würde ich sagen, gehen wir auf das Grape Ale ein.

Holger: Oh, ja.

Florian Erdel: Oder, um genau zu sein, auf das unv. #00:38:15-5# Grape Ale.

Holger: Ja, bitte,

Florian Erdel: Weil, bei der Bieriedee spielt da das Thema Wein durchaus eine Rolle. Solange ihr das Bier holt, kann ich da vielleicht auch schon was sagen. Also Grape Ale oder beziehungsweise der Bierstil kommt also aus Italien, die haben sich das ein bisschen auf die Fahne geschrieben. Weil eben, ja, es gibt eben, bei den Winzereien liegt es halt nahe, wenn Trauben da sind, dass man da auch mal einen Bier-Wein-Hybriden probiert und das Ganze heißt eben Italian Grape Ale. Ich denke, in unv. #00:38:55-2# muss ich dazu sagen, da kam jetzt vor Kurzem die neue Guideline raus, da gibt es auch einen allgemeinen Bierstil, der sich einfach Grape Ale nennt, weil es mittlerweile einfach verbreiteter ist. Und das Besondere, und das ist auch nochmal die Verknüpfung, neben den Trauben, die bei diesem Bier eingesetzt wurden zum Wein, das Ganze ist nicht mit einer Bierhefe vergoren, sondern das ist mit einer Nicht-Saccaromyces-Hefe vergoren, die nennt sich Lashansea Thermotoleranz. Vermutlich nicht unbedingt korrekt ausgesprochen. Aber die ist im Weinbereich …

Holger: Ist egal, das kann sich sowieso keiner merken. Mach weiter.

Florian Erdel: Die ist im Weinbereich schon länger bekannt und wird da eingesetzt, um speziell bei Weinen aus Regionen, wo das Klima dazu führt, dass der Säuregrad vom Wein nicht hoch genug ist oder der PH nicht niedrig genug, wird da der Wein mit dieser Hefe beimfpt. Weil diese Hefe die Eigenschaft hat, und das ist das Besondere, die kann auch moderate Mengen Milchsäure produzieren auf Basis von Einfachzuckern. Und deswegen wird die in der Weinwelt eben eingesetzt, um den Säuregrad vom Wein zu reduzieren, um den Wein damit, sage ich mal, zu verbessern, trinkbarer, haltbarer zu machen. Und dieses Bier, was ihr jetzt vor euch habt, das ist eben ausschließlich mit dieser Hefe vergoren. Weil, seit ein paar Jahren hat man die auch für die Bierwelt entdeckt, weil man da eben in einem einzelnen Schritt ein Sauerbier produzieren kann. Normalerweise macht man eben in der Sauerbierwelt eine Mischvergärung. Das hatten wir jetzt grade eben bei dem Perpetuum-Sauer. Das dauert einfach sehr lange, da geht der Gärprozess nicht Wochen, sondern Monate. Oder an macht ein Kettle-Sour, wo man eben mit Lactobazillen die Würze säuert und danach pasteurisiert oder Hopfenkocht. Und in dem Fall macht die Hefe das einfach mit, also die Hefe kann selbstständig moderate Mengen Milchsäure produzieren.

Markus: Spannend, was die alles kann, unglaublich. Also, ja, ich mache mal eben auf.

Holger: Ja. Ja, ja, also man muss ja immer wieder auch betonen, die Hefen sind keine Tierchen, so wie der Raupach, sondern die Hefen sind ja Pilze. Also, das müssen wir vielleicht auch nochmal ganz so schnöde nebenbei erwähnen. Wo ist denn jetzt hier meine Zange? Die habe ich doch extra mitgebracht aus der Küche, wo ist denn die?

Markus: Ah ja, der Herr Hahn macht das Bier wieder mit der Zange auf, unglaublich.

Holger: Ja, ja, mit dem Kork da also.

Markus: Ja, während du aufmachst, vielleicht noch ganz kurz, das finde ich überhaupt, das ist meiner, ja, wirklich Lieblingsbierstile geworden. Kennengelernt habe ich das vor vielen Jahren hier schon in Franken, weil in einem unserer ersten Biersommelierkurse, ich glaube, 2013 oder so, war der Brauer vom Grünen Baum in Theinheim, das ist der Helmut Bayer. Und Theinheim liegt so genau an der Grenze zwischen Bier-Franken und Wein-Franken. Und in dem Gasthof braut der Helmut eigentlich so ein klassisches Dunkles und ein klassisches Helles und neben an sind lauter Winzer und da gibt es natürlich auch Wein und da kommt alles so ein bisschen zusammen. Und der hat dann über den Biersommelierkurs sich überlegt, eigentlich könnte er das doch irgendwie kombinieren und hat dann angefangen, also natürlich auch ein bisschen inspiriert von dem, was er so bei unserem Kurs an belgischen Bieren kennengelernt hat. Also einerseits hat er da mit Früchten experimentiert, auch mit Kirschen, dann mit Kräutern, aber hat dann eben auch sich von den Winzern Weingeholt und hat dann Sude gemacht, wo er dann mit Rotwein oder Weißwein zusammen vergoren hat, verschiedenste Experimente gemacht hat. Und das war wirklich super spannend. Also es gibt sogar eine Berliner Weisse von ihm, also eine fränkische Weisse. Und das war alles auch lange, bevor das zum Beispiel in Berlin da wieder aufgekommen ist. Und dann kam ich auch nach Italien zu diversen Bierwettbewerben dort und da war dann eben auch grade dieses Thema Grape Ale aufgekommen. Und die Italienern sind ja total stolz da drauf, weil sie eben sagen: „Endlich haben wir unseren eigenen Bierstil.“ Deswegen sind die auch so ein bisschen sauer über die unv. #00:43:08-4# die ihnen jetzt das Italian weggenommen hat vor dem Grape Ale und das so zum Allgemeingut erklärt hat. Aber das ist dort natürlich ganz spannend, weil es in jeder Hinsicht gelebt wird. Also dort ist ein Grape Ale sowohl etwas, wo ich eben mit Trauben oder mit Saft oder auch mit Trester oder sonst wie, mit der Hefe oder so halt irgendwie was mit Wein gemacht hat. Und dementsprechend kann das dann ein total hochvergorenes sektähnliches, ganz spannendes Getränk sein oder auch ein sehr leichtes oder auch ein holzfassgelagertes, mit den verschiedensten Variationen. Und fand ich also und finde ich auch total komplex und vielschichtig. Und deswegen habe ich mich auch so auf dieses Grape Ale gefreut, weil ich jetzt gespannt bin, wie das so ist und was da so drinsteckt. Wer mag es denn verkosten?

Holger: Naja, also, Flo, also ich hoffe, dass du es jetzt vor dir hast und jetzt nochmal eins nachlegst. Und, also bei mir stehen ja noch weitere Informationen drauf, die könnte man auch nochmal erwähnen. Also 375 Millimeter, neun Prozent Volumenalkoholprozent. Ja, 35 IBU und best child, steht da auch noch. Das ist ja schon wieder so ein bisschen dunkler, also ist jetzt nicht mehr so erdbeerfarbend, sondern …

Florian Erdel: Fast Rubin, würde ich fast sagen, also es ist …

Holger: Rubin, genau. Ja, jetzt kriegen wir die Richtung, jetzt ist er plötzlich Sommelier, super, jawohl!

Florian Erdel: Ja, also, genau, also rein von der Optik, rubinrot, würde ich sagen. Es ist im Gegensatz zu dem Vorherigen opak, also trübe. Es halt einen kurzanhaltenden grobporigen Schaum, bei mir zumindest. Vom Geruch, finde ich, man riecht allgemein so eine beerige Fruchtigkeit, also ich denke da an rote Beeren. Aber auch so eine gewisse Frische und blumige Noten.

Markus: Heidelbeere, finde ich, wenn man so an frische Heidelbeeren denkt, das ist ganz intensiv.

Florian Erdel: Ja, richtig, ja. Und aber auch, was ich auch spannend finde, ich muss da auch wirklich an einen Fruchtjoghurt denken. Also ich finde, ich habe da gewisse milchige, quarkige Noten mit drin, was sicherlich dann eben auch aus der Milchsäureproduktion, und das sind auch irgendwelche Milchsäureester, die da produziert werden, die dann eben dafür verantwortlich sind. Und vom Geschmack ist mein erster Eindruck eigentlich, dass die Zunge so schnell austrocknet, wie ich das eigentlich von einem Rotwein kenne. Was ich jetzt damit erklären würde, also die Trauben, die sind ganz reingekommen, mit Schale, mit allem und haben dann circa zwei Monate zusammen mit dem Bier nochmal eine zweite Gärung vollzogen. Also das heißt, ich glaube, der Weinmensch sagt dann Maischegärung dazu, wie es eben beim Rotwein gemacht wird. Das heißt, da werden auch viele Tannine gelöst. Und ich glaube, das führt auch dazu, was ich grad beschrieben habe, das, wenn man das Ganze trinkt, dass die Zunge wie so staubtrocken wird. Und auch der Körper ist trotz, dass es hochvergoren ist, relativ voluminös, was ich auch den Tamminen zuschreiben würde, das es wirklich auch eine volle Textur hat im Mund. Und allgemein dieser fruchtige Eindruck, den wir im Geruch haben, der begegnet einem auch im Geschmack absolut. Also es ist sehr fruchtig, beerig, auch wieder diese Heidelbeerthematik. Trotz der neun Prozent merke ich die eigentlich sensorisch nicht, also der Alkohol ist gut eingebunden.

Markus: Das ist wie so ein Heidelbeerjoghurt, finde ich, oder Quark. Spannend!

Holger: Das muss ich bestätigen, ja, geht so ein bisschen in die Quarkrichtung. Wäre mir jetzt überhaupt nicht eingefallen, aber so, wie du es jetzt da raushaust, ist das wirklich so, absolut, genauso ist es. Ja, da kann man mal wieder sehen, ja.

Florian Erdel: Habe ich doch was bei euch gelernt.

Markus: Und Philly heißt jetzt, weil du diese spezielle Hefe verwendet hast?

Florian Erdel: Genau. Das ist, also mittlerweile gibt es drei aus dieser Hefegattung, für Hobbybrauer zugänglich. Die Phily-Sauer ist eine, weil sie eben aus Philadelphia ist, wurde da in der Natur selektiert. Aber es gibt noch eine, die heißt Lactic Magic, zum Beispiel aus einem Hefelabor von Kanada, die hat dann wieder ein anderes Esther-Profil wie die. Also die unterscheiden sich durchaus stark von Hefe zu Hefe, die eben diese Milchsäure zusätzlich produzieren kann.

Markus: Also das muss ich auch sagen, finde ich ganz spannend, der Hersteller hat ja praktisch für jede Hefe ein Aromenprofil. Also wie man das normalerweise eher vom Malz kennt oder vom Hopfen kennt, so machen die das von der Hefe. Und das ist natürlich auch nochmal toll für den Brauer, das er sich eben vorstellen kann, was passiert mit meinem Bier, wenn ich das jetzt da rein gebe. Finde ich toll, ja.

Florian Erdel: Ja, das, ich hatte das Thema letztens auch und, also jetzt für mich als Hobbybrauer und ich denke, das wäre für alle interessant, wenn es da was Ähnliches geben würde wie die Hopfenaromasprache für Hefen, in Form von diesen Spinnendiagrammen, um einfach darüber so ein bisschen Hefe mit Hefe, miteinander vergleichen zu können. Sowas gibt es noch nicht, das wäre ein spannendes Thema.

Markus: Noch nix Standardisiertes zumindest, ne?

Florian Erdel: Ja, nix Standardisiertes, richtig ja.

Markus: Aber das heißt, Hefe ist für dich so ein bisschen schon dein Hauptsteckenpferd oder kann man das gar nicht so sagen, weil du ja auch Hopfen anbaust und so weiter. Also wie würdest du das sagen?

Florian Erdel: Mit Hefe beschäftige ich mich tatsächlich mehr wie mit Hopfen, aber, ja, da schlagen mehrere Herzen in der Brust, ja, definitiv. Also, ja, das ist mehr wie bei Kindern dann.

Markus: Und du hast auch so ein kleine Hefebank?

Florian Erdel: Ich habe auch eine kleine Hefebank, richtig, ja, genau, also mit circa 100 Kulturen, über die Jahre so gesammelt. Die muss man auch immer hegen und pflegen, ja, genau.

Markus: Die einen gießen die Blumen oder füttern den Hamster und du gehst halt da zu deinen Hefen.

Florian Erdel: Richtig, ja, richtig, ja.

Holger: Ja, toll, also das ist wirklich unglaublich interessant. Und ich glaube ja auch, dass die Hefewelt so richtig auch noch gar nicht so richtig entdeckt wurde, also auch in der Craft-Beer-Szene. Also wenn man jetzt mal von den Sauerbierstilen absieht, dann könnte man ja bei den Hefen auch nochmal ganz, ganz viel Spannendes produzieren und alle sind so in Richtung Hopfen grade so in der Craft-Beer-Welt unterwegs. Jetzt gibt es natürlich die Kveik-Hefe auch zum Thema alkoholfreie Biere, sehr spannendes Thema auch. Aber, die Hefe ist irgendwie ein bisschen unterbelichtet, habe ich den Eindruck, ja. Und dann gibt es so absolute Cracks, beispielsweise hier Riegele Brauerei, hat ja auch eine Hefestammbank von, weiß ich nicht, wie viel Hefen. Weihenstephan auch über 1.000 verschiedene Hefen. Schade ist ja, dass viele Hefen einfach nur Nummern haben, ja, also man könnte ja da Namen verteilen, also die Raupach-Hefe oder die Erdel-Hefe oder weiß der Henker, ja. Und da könnte man sich ja jetzt auch nochmal vorstellen, wie wäre so eine Raupach-Hefe, ne, wie wäre die eigentlich?

Markus: So ungefähr wie die jetzt hier. Also weil, was ich nämlich auch noch sagen muss jetzt, je mehr das Bier warm wird, desto mehr geht dieses Aroma in so eine Wildrosenrichtung und zwar ganz intensiv, also als würde man …

Florian Erdel: Ja, richtig, ja.

Markus: … wirklich durch so einen Rosengarten, rumschlendern, wo eben so ganz viele wilde Rosensorten mit ganz intensiven Gerüchen da sind und dann hat man genau das in der Nase. Wahnsinn! Also total intensiv parfümiert, könnte man im positiven Sinne sagen, also wirklich sehr, sehr spannend.

Florian Erdel: Ja. Ja, die Rose trifft es perfekt. Das hatte ich vorhin mit blumig gemeint. Und du hast absolut Recht, jetzt wo das Bier wärmer wird, kommt das immer mehr, wird immer deutlicher, ja.

Holger: Ist sowieso so ein Phänomen, ne, überhaupt bei Verkostungen, wenn dann Begriffe fallen, die setzen dann sich fest in den Gehirnen der Verkoster. Ja, also das ist manchmal sogar richtig gemein, also wenn dann einer so einen Begriff raushaut, also wie jetzt zum Beispiel der Markus die Rose, dann hat man die Rose und die geht nicht mehr weg. Also, das ist dann, das ist fast schon gemein.

Markus: So bin ich halt!

Holger: Ja, so bist du, du bist gemein, das stimmt. Also, komm, dann machen wir noch eins, komm, Männer, rauf jetzt!

Florian Erdel: Okay. Schwierige Wahl.

Markus: Also als Altphilologe muss ich sagen, fände ich ja Pantophage total spannend.

Florian Erdel: Gut, perfekt, dann nehmen wir das, dann nehmen wir das.

Markus: Das heißt ja, das man alles frisst. Also da bin ich mal gespannt, was da dahintersteckt.

Florian Erdel: Ja, also das ist eine, ja, Berliner-Weisse-Style-Bier, mischvergoren. Also Saccharomyces, Brettanomyces und auch Lactobazillen im Spiel. Pandophages, so heißen alle meine Berliner-Weisse-Style-Biere, weil, brett eat everything, sagt man ja auch. Also Brettanomyces, die können ja, im Gegensatz zu Bierhefe oder, ja, im Gegensatz zur Bierhefe auch langkettigere Zucker umsetzen und letztendlich alles, was das Würzebufett an Zuckern bietet, kann Brettanomyces umsetzen. Und deswegen hatte ich vor Jahren diesen Namen gewählt.

Markus: Also könnte man böse sagen, ihr habt keinen Biomüll, sondern einfach eine Haufen mit Brett drauf?

Florian Erdel: Ja, genau. Und wie ihr euch denken könnt, ist es nicht einfach nur so ein Sauerbier nach Berliner-Weisse-Art, sondern da sind Früchte im Spiel und eine Zutat, mit der ich seit Jahren sehr gerne experimentiere, das sind Lavendelblüten.

Markus: Die riecht man auch schon ganz intensiv, das wollte ich grade noch loswerden, spannend, also.

Holger: Also du hast es schon aufgemacht, ja?

Markus: Hörst du doch grad.

Holger: Naja, gut, also dann mach mal.

Markus: Ich habe es nur aufgemacht, das heißt nicht, dass ich drüber reden will, du kannst auch gern …

Holger: Doch, doch, mach mal, du bist da …

Markus: Na, komm.

Holger: … also ich meine, Berliner Weisse, da bist du doch, da gehst du ab wie Schmidts Katze.

Markus: Absolut!

Holger: Komm!

Markus: Also da bin ich durchaus Zuhause, insofern. Also von der Farbe her sind wir fast wieder ein bisschen zurück bei unserem Perpetuum von eben, also ein sehr helles, intensives rot. Also etwas dunkler als das Perpetuum, aber leuchtend, strahlend, opal, also man kann noch ein bisschen durchschauen, es schimmert und scheint vor sich hin, strahlt mich richtig an. Der Schaum oben auch richtig schön rot-rose, feinporig, steht auch schön. Also das ist schon mal ganz großes Kino. Also ich mag es einfach, wenn Biere andere Farben haben und dann so richtig schön leuchtende Farben. Gestern war ja erst der Meisel Hobbybrauerwettbewerb und da hatten wir auch viele Biere, die dann in so eine schlammige Farbe gehen, das braucht man dann irgendwie nicht. Aber, wenn das dann so richtig schön leuchtet und strahlt, das ist ganz großartig. Jetzt rieche ich hier mal. Ah, ja und da ist also, du hast es schon gesagt, aber ich hatte es vorher auch schon gerochen. Weil, unser Vermieter hier, der hat vor das Haus ein riesen großes Lavendelfeld gepflanzt. Und vorher hatte ich das noch nie so intensiv, aber jetzt ist es eben jedes Jahr im Frühjahr, wenn der Lavendel dann anfängt zu blühen, dann haben wir hier praktisch Dauer-Lavendelduft in der Gegend und das erschlägt einen richtig. Auch hier ganz intensiv! Und das ist ja, der Lavendelduft ist ja auch so komplex, mit harzigen und ganz vielen verschiedenen Komponenten, natürlich auch floral und das kommt hier total schön rüber. Also ein sehr intensiver spannender Geruch. Wobei ich sagen muss, es ist nicht viel mehr als Lavendel, aber der dafür total intensiv. Jetzt probiere ich das mal. Also, vom Antrunk her ist natürlich die Säure jetzt schon mal kräftiger, die merken wir auch. Bierstil Berliner Weisse, das verträgt auch ein bisschen mehr Säure. Vor allem auch eine, die sich entwickelt. Also die ist am Anfang da und dann wird sie so ein bisschen stärker, bleibt lange und sorgt am Ende für was, was man sonst eher vom Hopfen kennt, dass das sich so ein bisschen zusammenzieht, so ein bisschen unv. #00:55:36-1# also sehr schöner Effekt,. Und dazwischen kommt dann der Lavendel mit seinen ganzen ätherischen Ölen. Und das ist ja dann so ein bisschen, wie man das auch von so Wald, Pinien sowas kennt, so harzig, ganz intensive Aromen, die da in viele verschiedene Richtungen auch gehen. Da ist auch was Süßes mit dabei, was Holziges mit dabei, ein bisschen Honig, aber eben der klassische Lavendel auch. Bleibt unheimlich lang! Also auch jetzt, wenn ich getrunken habe und rede, merke ich immer noch, wie ständig dieses Aroma wieder da kommt. Und, ja, also ich bin ja eigentlich nicht dafür da, ständig immer nur zu belobhudeln, aber das ist auch wieder großartig, also habe ich so auch noch nicht probiert. Also wir haben bei Lembke mal, gab es mal einen Probesud mit Lavendel, der war auch ganz gut, aber bei weitem nicht so intensiv und so klar in der Formensprache oder in der sensorischen Sprache. Und das ist wirklich sehr schön! Und auch die Säure ist nicht zu knallig, also sehr, auch ein angenehmes Getränk, toll.

Florian Erdel: Wobei, danke erst mal, wobei man sagen muss, also ich finde schon, dass das Säureniveau von diesem Bier, also ich fühle mich da absolut Zuhause, aber ich würde schon behaupten, dass es eher was ist für Sauerbierliebhaber. Ich glaube, jemand, der wenig Erfahrung hat mit Sauerbieren und man setzt ihm oder ist es nicht unbedingt eine gute Idee, ihm so ein Bier als Erstes zu geben.

Markus: Nee, also das würde ich überhaupt niemanden als Erstes geben, glaube ich. Aber, also das muss man da so ein bisschen voraussetzen, glaube ich, also wenn sich jemand an die Flasche ran wagt, sollte er sich schon so ein bisschen Mal an der ein oder anderen Ecke damit beschäftigt haben. Und ich meine, es ist halt so, diese Säure kann ja ganz schnell wirklich unangenehm werden. Aber hier ist es durchaus noch schön auf dem Niveau, wo sie schon da ist und präsent ist, aber nicht eben wirklich unangenehm wird. Also die ist schon da, aber sie geht ja dann auch wieder weg, sie bleibt da, sie ist dann eben eher absorbierend, aber weniger, dass es einen irgendwie langfristig beißt also.

Florian Erdel: Ja, sie ist am Anfang, also ich bezeichne das immer, sie ist am Anfang so ein bisschen spitz, jetzt in dem Fall noch, weil, das ist ja auch noch nicht so alt. Ist jetzt März 21, es ist nicht ganz ein Jahr alt. Dieses Säureprofil, wenn das Bier sicherlich noch ein, zwei Jahre hat, dann wird die nochmal besser eingebunden und insgesamt einfach, sage ich mal, ein klareres Profil, von Antrunk bis Ende, wie es aktuell ist.

Markus: Also was mir noch ganz gut gefällt, weil ich es grade jetzt auf der Flasche auch gesehen habe, da sind ja noch schwarze Johannisbeeren mit dabei. Und das ist sehr schön als Aroma! Also jetzt weiß ich auch, woher das kommt, das hat man im Nachgang, ist das dann sehr stark, sehr intensiv, dieses Gewürzige von den schwarzen Johannisbeeren. Und das, das passt natürlich auch total gut zu dem Lavendel, also das ist wirklich eine ganz runde Angelegenheit. Und, ja, denkst du dir das vorher oder kommt das so? Also man sagt ja Autoren immer, es gibt die Autoren, die machen sich vorher einen Plan und dann machen sie sich ihren Plot und dann schreiben die das und es gibt die anderen Autoren, die machen mal los und die Geschichte entwickelt sich, während sie das tun.

Florian Erdel: Also mal so, mal so. Bei diesem Bier, das gibt es seit 2019, braue ich das einmal pro Jahr, mehr oder weniger vom Verfahren her gleich, da spiele ich eher nur mit den Zutaten. Und bei dem 2021er zum 2020er, sind eigentlich nur diese Fruchtkombi dazugekommen. 2020 war es Rhabarber mit Lavendel, das hat auch sehr gut gepasst. Und wo ich das eben getrunken hatte, kam die Idee, da eben so diesen roten Beerenmix, sage ich mal, ins Spiel zu bringen. Also nicht nur Himbeere, weil, dann wird es denke ich, dann wäre es mir zu eindimensional gewesen. Wenn man da eben mehrere Player hat, eben noch mit den schwarzen Johannisbeeren, wie du grade gesagt hast, dann wird einfach das Beerenprofil, was eben dem Lavendel sozusagen die Waage halten muss, ein bisschen komplexer oder stimmiger, sage ich jetzt mal. Wenn man da nur eine Frucht hätte, glaube ich, wäre bei der Lavendelmenge, die ich da geplant hatte und die Intensität, die ich wollte, wäre das zu sehr in die Lavendelecke gedriftet und da wäre es nicht so rund.

Markus: Ja und die schwarzen Johannisbeeren nehmen ja auch einen Teil dieser Lavendelaromatik auf. Also das ist, glaube ich, auch schön, das schlägt irgendwie eine Brücke. Ja, Holger, wie geht es dir denn?

Holger: Naja, also ich mache mir die ganze Zeit darüber Gedanken zum Thema, dass zum Anfang zu kredenzen, wo ihr euch ja so einig ward und habt gesagt, nee, eher nicht. Und ich glaube schon, dass das gut funktionieren würde als Aperitif-Bier. Also da dann wieder auch in einem entsprechenden Glas kredenzt, da könnte ich mir dann doch vorstellen, dass das eben durch die Säure auch so appetitanregend wirkt und dass das also grade als Aperetifo unglaublich spannend sein könnte. Und da muss man sich dann vielleicht sogar noch überlegen, was man dann an Finger-Food da noch mit dazu kombiniert. Also ich könnte mir das schon vorstellen. Man darf nur niemanden erzählen, dass das eben ein Bier ist.

Markus: Also ich würde da Datteln im Speckmantel dazu reichen.

Holger: Absolut, also das würde auf jeden Fall passen, Datteln im Speckmantel passen in jedem Fall dazu. Also und das müsst ihr euch vorstellen, also wir haben da jetzt eine Gesellschaft und kredenzen dieses Bier als Aperitif mit Datteln im Speckmantel. Also, Männer, ich sage euch, da sind schon wieder die Frauen total begeistert, also.

Florian Erdel: Ja, schon allein wegen der Farbe, denke ich, hat man da schon von der Optik, da bin ich schon bei dir, das kann ich mir auch gut vorstellen als Aperitif, dass das dann anlockt, ja.

Markus: Ja und ich glaube, es ging ja auch vorher nicht unbedingt darum, das nicht zu Anfang eines Menüs zu verwenden, da bin ich auch völlig bei dir, ich glaube nur, es ist schwierig, dieses Bier auf Leute loszulassen, die noch nie mit einem komplexen Sauerbier irgendwas zu tun hatten. Wie viel machst du denn pro Jahr davon und vor allem, wo lagert man dann diese ganzen Flaschen?

Florian Erdel: Also von diesem Bier, ich hatte es ja vorhin schon gesagt, dass ich das seit jetzt mehreren Jahren einmal pro Jahr braue, da mache ich 40 Liter. Das ist auch bei mir auf meiner Anlage zugeschnitten, eigentlich meine Standard-Batch-Größe. Ich kann ein bisschen weniger brauen, aber auch mehr, aber in der Regel braue ich 40 Liter. Weil ja jetzt noch Früchte im Spiel sind oder auch Lavendel und weil es auch mischfermentiert ist, muss man sich bei dem Bier das so vorstellen, ich habe da für meine Sauerbiere, habe ich ein separates Equipment, das einfach nicht die Gefahr besteht oder die Gefahr zumindest reduziert wird, das, wenn ich mal ein cleanes, also ein normales klassisches Lager-Ale brauen möchte, dass es halt nicht sauer wird oder Brett-Aromen reinkommen, muss man das separieren. Und in diesem Sauerbiergäreimern, die ich eben für meine Sauerbiere habe, bei einer Berliner Weisse zwei bis drei Monate, sind die da drin, kommen dann in Caks. Wir Hobbybrauer nutzen in der Regel sogenannte NC-Caks oder auch Corny-Caks und ein so ein Cak hat fünf Gallonen, weil es eben aus dem amerikanischen Raum kommt, das sind 19 Liter. Und da kommt das eben vom Gäreimer in zwei solche 19 Liter und da sind wir bei 38 Litern. Und da verbleibt es da nochmal auf Früchten, auf eben Gewürzen oder Sonstiges dann nochmal mehrere Monate und kommt dann irgendwann, ja, in der Regel so nach maximal sechs Monaten, bei einem Berliner-Weisse-Bier, in die Flaschen und da kann das Ganze da noch eine Weile verbleiben.

Markus: Ja, ja, aber das sind ja jetzt, wenn man das hochrechnet, hat du danach 100 Flaschen. Also die müssen ja irgendwo hin. Hast du da ein extra Lagerraum für sowas oder wie machst du das?

Florian Erdel: Ich habe da einen Lagerraum, ja, also aus so Weinsteinen, habe ich da so ein Regal, wo die dann lagern, ja.

Markus: Das heißt, die liegen dann?

Florian Erdel: Die liegen, ja. Das ist auch einer, wobei, das ist eine Philosophiefrage. Aber deswegen arbeite ich auch gern mit Naturkorken. Weil, grad mit Bieren, die auf dem Säuereniveau sind, habe ich irgendwie kein gutes Bauchgefühl, wenn die ständig mit einem Kronkorken in Kontakt sind, deswegen arbeite ich da gern eben mit Naturkorken. Und wenn man die liegend lagert, ist auch der Sauerstoff, also möglicher Sauerstoff, der noch in der Flasche drin ist, weil, ich meine, als Hobbybrauer kann man das nicht so gut evakuieren wie professionell. Und liegend lagernd, sollte auch einen Vorteil haben, dass sich in der Flasche nicht nochmal auf der Bieroberfläche ein Biofilm bilden kann, ein sogenannter Päleckel, der wieder zu neuem Druck dann in der Flasche führt und dann letztendlich auch zu Gushing, also zu Überschäumen führen kann beim Öffnen. Deswegen, ja, ist meine Philosophie, es eh horizontal lagern und dafür Naturkorken und man macht auch was für die Optik.

Markus: Auf jeden Fall. Naja und also auf jeden Fall natürlich auch, man hört schon wieder, glaube ich, liebe Hörer, das sind viele spannende Begriffe, auch viele Fachbegriffe. Also man kann es im Grunde allen nur raten, die da irgendwie Lust haben, mal einzusteigen, wirklich den örtlichen Hobbybrauerverband, da gibt es ja ganz viele Ableger, die dazu gehören, aufzusuchen, da einfach mal dabei zu sein, sich das anzuschauen und eben selber mal zu gucken, wer sich vielleicht auch von dem Virus anstecken lässt. Ich bin ja eben auch bei vielen Hobbybrauerwettbewerben, allerdings immer nur auf der Juryseite, weil ich viel zu schlecht bin im Bierherstellen, aber, ich erlebe diese Menschen. Und das ist so schön, so liebe Leute, so eine tolle Community, wo sich füreinander, miteinander gefreut wird, wo es einfach eine tolle Atmosphäre ist. Also ich glaube, also wenn man dafür brennt, ist das, glaube ich, das Schönste was man machen kann, oder?

Florian Erdel: Das kann ich nur so unterstreichen, ja also ich möchte es auch nicht mehr missen. Und es ist wirklich nicht nur das Bier an sich, sondern sich über Bier zu unterhalten, macht, denke ich, jedem Spaß, jeder, der irgendwie von dem Biervirus infiziert ist, egal ob jetzt auf der Brauerseite oder einfach nur auf der Verkostungsseite. Auch die beiden Welten, die finden ja bestens zusammen in der Hobbybrauerwelt. Es gibt so viele Hobbybrauer, die so tolle Biere machen, wie wir es am Anfang vom Podcast schon hatten, als wir es über die Kreativbier oder Kreativbierwettbewerbe hatten, also das ist die Aromalvielfaltexperimentierfreude, die ist halt grandios. Und was auch logisch ist, weil ein Hobbybrauer, da sind halt nur 40 Liter mal kaputt und nicht ein paar 1.000, da traut man sich halt mehr, ja.

Holger: Also wenn man jetzt hier draußen auf die Straße geht und irgendjemand ein Bier anbietet und dann das ins Glas schüttet, dann würde derjenige, also wenn es dann so ein typischer Münchner ist, der würde mir ja eine runterhauen, ja, also aus Münchner Sicht wäre das ja kein Bier. Ja, also, aber wir sind am Ende, Freunde. Also mir hat es außerordentlich Spaß gemacht! Es war, denke ich, ein sehr, sehr vielschichtiger spannender BierTalk, den man auch nicht alle Tage so hören kann. Florian, ich finde es absolut unglaublich, was du produzierst und machst! Zum Glück wertschätzen das ja auch andere Menschen in den entsprechenden Wettbewerben. Und ich glaube auch, dieses Mal hat es bei Maisel vielleicht auch wieder geklappt mit irgendwelchen Preisen, Sonderpreisen oder Auszeichnungen, ich wünsche es dir auf jeden Fall! Und wünsche euch und den Hörern, ja, allseits gute Biere auf dem Tisch und wenn es denn dann so tolle und unglaublich komplexe Biere sind, wie wir sie heute verkosten konnten, dann kann es nur ein schöner Tag werden, einen schönen Abend geben. Und wie wir ja heute schon mehrfach festgestellt haben, die Frauenwelt, die ist dann auch noch begeistert und dann ja erst recht. Also, macht es gut, bleibt uns gewogen und euch beiden vielen Dank für eure nette Gesellschaft.

Markus: Ich hätte noch einen kleinen Nachsatz und wollte mich auch nochmal beim Flo bedanken, also einerseits für die tollen Biere, aber auch, dass er uns so schön die Stange hält, weil, du bist ja mittlerweile auch Referent bei uns im Biersommelierkurs. Und, ja, auch da ist das Feedback wirklich überwältigend, grade weil du eben dich so rein arbeitest und mit so viel einfach Äfe und Interesse und unglaublichem Wissen da dabei bist. Und ich kann auch nur unterstreichen, in einer halben Stunde wirst du es ja erfahren, wie es bei Maisels gelaufen ist, ich sage jetzt auch nix weiter groß. Ich kann nur sagen, wir erfahren ja nach dem ganzen Chutchen immer, wenn man dann also alles feststeht und so, hinter welchen Nummern sich welcher Hobbybrauer verborgen hat und du warst auf jeden Fall mein Favorit. War ein tolles Bier und ich bin sehr gespannt, wenn ich das von dir vielleicht noch irgendwann nochmal wieder verkosten kann. Ja, also danke schön und dir noch einen wunderschönen Abend.

Florian Erdel: Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte, vielen Dank fürs Feedback, war eine tolle Runde, danke schön.

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BierTalk 81 – Interview mit Matthias Richter vom Bayerischen Bahnhof (Gosebrauerei) in Leipzig

Auch wenn der Bayerische Bahnhof früher nie wirklich für Bier stand, so war das 1842 eingeweihte Leipziger Gebäude doch ein Vorbote der damals neuen Zeit und der Verbindung zwischen den beiden stolzen Königreichen. Es bedurfte dann auch eines bayerisch-fränkischen Brauers, dem Ort ein neues, bieriges Leben einzuhauchen. Brauereibesitzer Thomas Schneider aus Weissenburg nahm sich Ende der 1990er Jahre der Aufgabe an, aus dem maroden Bahnhofsrest mit vielen Bombentreffern wieder ein lebendiges Stück Alltagskultur zu machen. Gesagt – getan: Der heutige Bayerische Bahnhof als Gasthaus- und Gosebrauerei entstand und mit ihm die Wiedergeburt eines fast ausgestorbenen Bierstils. Genauso wie die Berliner Weisse war die Leipziger Gose kurz vor der Wende selbst am Ende und es bedurfte wahren Pioniergeistes, ihr wieder zum alten Stellenwert zu verhelfen. Das tat Thomas Schneider auch, erkor die Gose zum Bier der Brauerei und startete zur Jahrtausendwende mit dem Brauen. 2002 kam unser Gesprächspartner Matthias Richter ins Spiel, der seitdem international wie kein anderer für das Thema Gose steht. Bescheiden und professionell, dadurch genau der richtige Mann am richtigen Ort, entwickelte er die bestehenden Rezepturen weiter und kreierte unter anderem einen Goseator, den er noch dazu in verschiedene Holzfässer zur Reifung legte. Im BierTalk erzählt er von seiner Geschichte und gibt wertvolle Tipps für Hobbybrauer, die sich vielleicht einmal selbst dem salzig-sauren Vergnügen aus dem Freistaat hingeben wollen…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir wieder eine spannende Reise zu einem historischen Bierstil, nämlich zur Gose und zwar nach Leipzig. Und dort haben wir einen ganz besonderen Brauer zu Gast, der von vielen auch so ein bisschen als the god father of Gose bezeichnet wird, wie auch immer, aber der sich schon lange damit beschäftigt, unheimlich viel drüber weiß und einfach die Referenz sozusagen eigentlich ist, wenn es um diesen Bierstil international geht. Und da freue ich mich wirklich sehr, dass der Matthias Richter heute bei uns am Mikrofon ist. Hallo, Matthias, vielleicht stellst du dich nochmal ganz kurz den Hörern vor, falls dich jemand noch nicht kennen sollte.

Matthias Richter: Ja, hallo, mein Name ist Matthias Richter, bin Braumeister im Bayrischen Bahnhof in Leipzig seit 2003 und bin seit über 20 Jahren Brauer und Mälzer.

Markus: Über 20 Jahre Brauer und Mälzer, da wäre vielleicht schon mal die allererste Frage, war das für dich im Leben klar, dass du das machen willst oder wolltest du vielleicht Papst werden oder sonst irgendwas anderes als Kind?

Matthias Richter: Nee, ich wollte tatsächlich recht zeitig Brauer werden. Also es war so, in der Schule gab es so mehrere Varianten, da war Buchdrucker dabei und Beleuchter und Brauer war aber das Interessanteste da an der ganzen Geschichte.

Markus: Ja und dann konntest du als junger Man auch schon mal reinschnuppern ins Brauen?

Matthias Richter: Nee, eigentlich gar nicht, also ich wollte Brauer werden, habe mich dann bei mehreren Brauereien beworben, bin dann auch mit dem Motorrad rumgefahren und habe Brauereien besucht. Und die Erste, wo ich angehalten habe, da habe ich dann eine Lehrstelle bekommen und habe eine dreijährige Ausbildung gemacht und das war für mich der perfekte Weg.

Markus: Wo war das, bei welcher Brauerei?

Matthias Richter: Ich habe in Krostitz, bei Ur-Krostitzer gelernt, das ist in der Nähe von Leipzig.

Markus: Und das war noch zu DDR-Zeiten, oder?

Matthias Richter: Nein, nein, so alt bin ich nun auch nicht. Also ich bin 45, ich habe Mitte der 90er angefangen mit Lernen.

Markus: Wie kommst du denn dann zum Thema Gose, das ist ja nun eine ganz andere Richtung?

Matthias Richter: Das kam dann erst, ich sage mal, im Laufe des Studiums. Also ich habe nach der Ausbildung ein Studium zum Diplombraumeister in Berlin gemacht und da ging das dann so ein bisschen mehr los, ich sage mal, so mit handwerklichen Brauen auch, also zumindest da auch mal zu gucken, in die Richtung. Und ich hatte eigentlich Glück, dass direkt nach dem Studium die Stelle am Bayrischen Bahnhof frei wurde.

Markus: Das heißt, du bist da mehr oder weniger ins kalte Wasser rein gesprungen?

Matthias Richter: Ja, so ein bisschen, also brauen konnte ich. Gose kannte ich, hatte aber noch keine gebraut und, ja, der Rest kam dann quasi beim Arbeiten.

Markus: Ja und was viele ja nicht wissen, ist, du braust ja dort auch ganz normale Biere, kann man sagen. War das auch von Anfang an so, dass es eben für das Gasthaus die Standardbiere auch gibt?

Matthias Richter: Also wir hatten schon immer vier Biere gehabt, seitdem ich dort bin. Das ist ein Pilsener, was ein bisschen, ich sage mal, floraler gehopft ist, ein Schwarzbier, ein Weißbier und Gose als Spezialität.

Markus: Und bei der Gose-Rezeptur, war da schon was vorhanden oder hast du dir das erarbeiten müssen, wie gingst du da ran an die Sache?

Matthias Richter: Ich bin ja nicht der erste Braumeister im Bayrischen Bahnhof, also ich habe im Prinzip die Rezeptur so übernommen wie sie war und die ist auch seitdem nicht verändert. Also wir brauen seit über 20 Jahren die Gose na demselben Rezept.

Markus: Und weißt du was, wo dieses Rezept herkommt oder hat das dann der Braumeister vor dir kreiert?

Matthias Richter: Also das hat er mit dem Besitzer zusammen, glaube ich, gemacht, mit dem Herrn Schneider, der ist ja auch Braumeister. Und die haben aus alten Rezepturen im Prinzip das Rezept für die Brauerei entwickelt, also zusammen auch mit dem anderen Hersteller. Weil, die Brauerei ist für Gose konzipiert, also wir haben dort ein Sauergutbehälter, der wesentlich größer ist als in anderen Brauereien. Also wir ziehen im Prinzip unsere eigenen Milchsäurekultur dort her.

Markus: Ja, da hast du grad noch ein ganz interessantes Stichwort gebracht. Bevor wir mit der Gose weitermachen, der Besitzer, der Herr Schneider, das wissen ja auch viele nicht, das sozusagen eigentlich ja das eine bayrische Brauerei beziehungsweise fränkische Brauerei ist aus Weißenburg, die eben dann erst den Bayrischen Bahnhof dazu genommen haben und mittlerweile gar komplett nach Leipzig sozusagen umgezogen sind. Merkst du denn da auch was von diesen fränkisch, sächsischen Spannungsfeld?

Matthias Richter: Was meinst du mit Spannungsfeld?

Markus: Ja, denken die vielleicht anders oder ist da die Herangehensweise anders oder ist das einfach eine nette Zusammenarbeit?

Matthias Richter: Nein, das ist eine gute Zusammenarbeit. Also ich sage mal, Brauer ist Brauer, da ist, glaube ich, egal, ob er nun aus Franken kommt oder von der Küste. Also Brauer funktionieren zusammen eigentlich immer recht gut.

Markus: Das stimmt, das habe ich auch schon so oft erlebt. Ja, zurück zur Gose, also du hast dann die Rezeptur übernommen. Da finde ich vielleicht noch ganz interessant, ich habe auch mit dem Odin Paul schon gesprochen von dem Brauhaus in Goslar. Und der hat die Geschichte erzählt, dass die Gose in Goslar ursprünglich keinen oder nur ganz wenig säuerliche Noten hatte und dass diese säuerlichen Noten sozusagen eigentlich über den Transportweg dann, bis dass dann mal in Leipzig angekommen ist, ins Bier gekommen sind. Und dass man dann eben gesagt hat: „Okay, in Leipzig reproduziert man das, was man kennt“ und dass dadurch praktisch diese Säure eben jetzt in der Leipziger Gose, im Unterschied zum Beispiel zur Goslarer Gose, so präsent ist. Kanntest du diese Herleitung, siehst du das auch so?

Matthias Richter: Also ich kannte jetzt diese Herleitung von der Gose nicht so direkt, aber das Ganze macht Sinn. Also ich kenne den ähnlichen Fall vom Löwener Bier in Belgien, dass in Löwen auch nie selber ein Sauerbier war, aber außerhalb von Löwen immer als Sauerbier bekannt. Also ist eine ähnliche Geschichte, also das wird damals bei der Gose mit Sicherheit auch so funktioniert haben. Weil, die haben ja in Goslar die Gose quasi als Jungbier oder als frisches Bier getrunken und über den Transport ist es dann halt versäuert. Und das war ja in Leipzig im Prinzip auch so, man konnte früher selber entscheiden, welchen Reifegrad man von der Gose in einer Gosen-Schenke trinken wollte. Also eine junge Gose war noch nicht sauer, die war halt eher, ich sage mal, wie Weißbier mit Koriander. Und erst die mittelgereifte Gose entwickelt die Säure, ja. Die mittelgereifte Gose ist so ein bisschen mit unserer zu vergleichen. Da gab es früher halt noch die alte Gose und die war halt so richtig, richtig, sauer, weil die Milchsäurebakterien da lange Zeit hatten, richtig zu arbeiten.

Markus: Und weißt du, welche Altersstufen das ungefähr waren, die man da ausgeschenkt hat?

Matthias Richter: Also von der Zeit her weiß ich es nicht, wie lange die Reifegrade sind, also es ist jetzt auch nicht wirklich irgendwo überliefert. Aber ich denke mal, das sind schon zwei, drei Monate, was eine alte Gose war, die dann im Keller im Prinzip gelagert hat.

Markus: Was ja jetzt für ein Bier gar nicht so alt klingt, aber natürlich für ein lebendiges Bier, wo die Milchsäure arbeitet, dann eben schon eine ordentliche Zeit ist.

Matthias Richter: Ja, ja. Wird wahrscheinlich auch so ein bisschen abhängig von der Jahreszeit gewesen sein.

Markus: Das stimmt.

Matthias Richter: Und auch von der Gaststätte selber, es gab ja verschiedene Schenken, wo man früher Gose hatte. Und ich sage mal, wer einen wärmeren Keller gehabt hat, da hat es halt was eher Säure gezogen und bei den anderen hat es halt was länger gedauert. Also das wird auch sehr individuell gewesen sein.

Markus: Kann man wahrscheinlich auch ein bisschen vergleichen mit dem Real Ale in England, wo ja …

Matthias Richter: Ja, im Prinzip schon, genau.

Markus: Genau, wo die Brauereien ja praktisch ein Jungbier ausliefern und die Wirte das dann selber in ihren Kellern jeweils endlagern. Und das ist auch nach Kellertemperatur und Zeit und Kompetenz des Wirts sehr unterschiedlich, was dabei rauskommt. Ja, wo wir grade bei dem internationalen Thema sind, die Gose hat ja einen großen, ja, man kann schon fast sagen, Hype zwischendurch erlebt, grade in den USA, grade bei den Craft-Brauern, aber auch zum Beispiel in Südamerika. Da war ich auch schon öfters und habe dann wirklich spannende Varianten von einer Guaven-Gose über diverse andere Regenwaldfrüchte bis hin zu Mix-Pickles-Interpretationen erlebt. Hast du davon auch was mitbekommen, besuchen die dich, bist du da mal unterwegs, sprichst du mit den Leuten?

Matthias Richter: Also ich habe ein, zwei Schilder hier Zuhause in meinem Flur hängen von Brauereien, die quasi ein Gose-Label haben. Also da ist schon ein Austausch vorhanden.

Markus: Und was fragen die dich dann so?

Matthias Richter: Also grundsätzlich geht es immer um die Rezeptur, die ich natürlich nicht verrate. Aber, ich sage mal, man kann ja so ein bisschen Richtung vorgeben und es wird halt auch viel gefragt, wie man das modern im Prinzip interpretieren kann, ja. Also jetzt auch für Brauer, die jetzt nicht unbedingt eine kombinierte Gärung mit Milchsäurebakterien machen wollen, da gebe ich dann schon ein paar Tipps.

Markus: Ja, apropos, jetzt müssen wir, glaube ich, mal zur Praxis kommen und ihr habt euer Bier ja in zwei verschiedenen Gebinden, also einmal in so einer 0,3er-Flasche und einmal in einer ganz besonderen 0,75er-Flasche. Und die schaut im Grunde so aus, dass man unten ein relativ bauchiges Unterteil hat und dann einen ziemlich langen hohen Hals, also das Ganze ist bestimmt, na, so 40, 50 Zentimeter hoch. Und dann hat man oben einen Bügelverschluss und kann da aufmachen und durch diesen langen Hals ausschenken. Das mache ich jetzt mal, dann können wir das mal zusammen verkosten. Ich schaue mal, ob das Plop rüberkommt. Oh ja! So, also wie schon gehört, ich habe jetzt diese große Flasche genommen. Gibt es da einen Unterschied zwischen der großen und der kleinen?

Matthias Richter: Ja, also die große Flasche, das ist quasi unsere Schmuckflasche, da ist die Gose nicht pasteurisiert, in der kleinen Flasche ist sie pasteurisiert. Einfach, weil wir da auch deutschlandweit im Handel so ein bisschen sind und, wie soll ich sagen, der Kunde und der Handel nicht immer so mit naturbelassenen Bieren kann.

Markus: Ja, das stimmt, kann ich mir gut vorstellen. Und das heißt also, ich sollte auch die anderen hohen Flaschen, die ich jetzt habe, die großen Flaschen, nicht zu lange aufheben oder kann man die auch bewusst lagern?

Matthias Richter: Ja, man kann das schon bewusst machen, wichtig ist da halt wirklich, dass die kühl lagert. Weil, die kommt halt irgendwann in die Autolyse und dann ist die nicht mehr so lecker.

Markus: Kühl heißt, eher so acht Grad oder vier Grad oder zwei Grad oder null Grad?

Matthias Richter: Ja, null Grad ist zu kalt, aber so Kühlschrank ist immer gut.

Markus: Also so sechs, acht Grad?

Matthias Richter: Ja. Wir haben halt bei unserer Gose, ist es so, da sind keine lebendigen Milchsäurebakterien im Bier drin, wir machen ja kesselsauer, weil wir den Gärkeller für alle Biere verwenden. Also wir haben jetzt keinen separaten Gärkeller für die Gose und deswegen ist das Risiko zu groß, dass wir da eine Infektion kriegen und deswegen ist auch die Gose in der großen Flasche ohne Milchsäurebakterien im fertigen Bier.

Markus: Okay, also das heißt, ihr säuert praktisch das Bier während des Brauprozesses und …

Matthias Richter: Genau.

Markus: … dann ist durch das Kochen, sind die Bakterien eh tot …

Matthias Richter: Genau.

Markus: … und dann kann man dann normal damit weiterarbeiten wieder.

Matthias Richter: Ja, ja. Also ist lebendige Hefe drin, aber keine lebendigen Milchsäurebakterien.

Markus: Okay. Und ich bin jetzt ein lebendiger Trinker und nähere mich dem Ganzen mal. Und wenn man sich das anschaut, also das Bier an sich hat so ein schönes Orange, sattes Orange, leuchtet mir entgegen. Ist leicht trüb, ist ja auch klar, ist ein unfiltriertes Bier. Und oben drauf ein sehr, sehr feiner schöner weißer Schaum, der auch sehr gut steht. Wir haben jetzt ein bisschen gesprochen und der steht trotzdem immer noch wie eine Eins, wunderbar. Ich rieche mal rein. Ja, das ist jetzt schon sehr spannend, also da haben wir schön die Koriandernoten, also dieses gewürzige Intensive, was eben der Koriander mit sich bringt. Man hat auch schon so ein bisschen den Eindruck, wie wenn man so am Meer steht und einatmet, da hat man ja auch so einen Hauch von diesem Salz, was man ja eigentlich nur schmecken kann, aber irgendwie hat man es tatsächlich so ein bisschen in der Nase. Dann hat man so ein bisschen Citrusnoten, so Orange, Zitronenschale, aber auch ein bisschen Apfel, so ein Apfel, ja, reifer Apfel. Jetzt probiere ich mal ein Schlückchen. Und ist ein sehr spannendes Spiel so von drei Grundaromen. Also es geht erst mal so eine Mischung aus süß und salzig los, dann geht das Süße ein bisschen zurück, die Säure kommt, übernimmt. Dann kommt aber die Süße wieder dazu und dann habe ich am Anfang die Fruchtigkeit und hinten raus kommt immer mehr das Gewürzige, aber auch klassische Malzaromaten. Also auch das ist da, wie man es eigentlich von einem klassischen Bier kennt. Und so klingt das Ganze dann auch aus, das Salz begleitet das so ein bisschen und macht dann auch den Mund wieder schön frisch. Also ein sehr spannender, interessanter Trunk. Ja, wie optimiert man sowas, also auf welche Sachen achtest du, was ist dir wichtig bei dem Bier?

Matthias Richter: Also wichtig ist erst mal beim Salz, dass darf nicht zu salzig sein. Also das Salz liegt eigentlich so, ich sage mal, an der Geschmacksschwelle. Wer jetzt für Salz sensibel ist, der wird es schmecken. Wer nicht so sensibel auf Salz ist, für den ist das eher so ein Mineralton und das ist eigentlich auch, ich sage mal, gewünscht. Es soll halt tatsächlich kein salziges Bier sein, sondern einfach nur durch das Salz soll es gut zu trinken sein. Also der Ursprung von dem Salz kommt höchstwahrscheinlich aus Goslar. Also man hat früher auf keinen Fall Salz in das Bier gegeben, weil Salz viel, viel zu teuer war, aber in Goslar das Wasser war halt sehr mineralig, also fast ein bisschen salzhaltig. Und das später dann in Leipzig nachzumachen, hat man dort ein bisschen Kochsalz dazugegeben als dann Salz nicht mehr so teuer war.

Markus: Ja, also ich denke, das ist auch vielleicht was, was die Hörer mal selber probieren könnten, also wenn ihr im Supermarkt seid oder im Getränkemarkt und da mal schaut, wenn es verschiedene Mineralwasser gibt, da steht ja immer drauf, was drin ist, so vom Mineraliengehalt. Und da könntet ihr euch einfach mal eins aussuchen, wo viel Natrium drin isst, vielleicht mal eins, wo viel Kalzium drin ist und ein eher neutrales und dann einfach mal diese Wässer bewusst verkosten, dann nehmt ihr wirklich bewusst war, welchen Unterschied es eben macht, was ich für Wasser zum brauen nehmen und letzten Endes dann auch, wie das beim Bier verändert. Und ich bin da total bei dir, ich glaube auch, dass eben dieses sehr mineralige Wasser aus Goslar, aus den Harzer Bergen, da sicherlich der Ursprung ist für dieses, ja, leicht Salzige. Ich finde, es kommt so im Nachgang, ist es dann so ein bisschen da, aber es ist wirklich sehr angenehm, sehr schön. Liege ich da mit meiner Beschreibung grundsätzlich richtig?

Matthias Richter: Ja, also die ist perfekt! Die Säure trägt das Salz auch ein kleines bisschen mit.

Markus: Ja, das ist spannend, also man hat ja normalerweise eher so zwei von den Grundaromen, die irgendwie hier eine Rolle spielen, süß und bitter oder bei den dunklen Bieren vielleicht noch so ein bisschen Umami, aber das ist dann wirklich spannend, wenn die drei sich da so ergänzen. Ja und du experimentierst ja auch ein bisschen. Also als ich dich besucht habe zum ersten Mal, das ist ja schon lange her, das müsste 2015 oder 14 oder 13 irgendwie so gewesen sein, da hattest du grade einen Gosiator, da hast du mir auch eine Flasche mitgegeben. Die steht auch immer noch im Keller, irgendwann mache ich die mal auf. Aber, experimentierst du mit der Gose auch, machst du da verschiedene Varianten?

Matthias Richter: Also haben wir über die Jahre tatsächlich relativ viel gemacht, das hat so die letzten zwei, drei Jahre ein bisschen nachgelassen, weil einfach relativ gut zu tun ist. Aber wir haben so vor zehn Jahren angefangen, weil wir die Möglichkeit hatten mit dem US-Markt, dort auch die Sachen zu verkaufen. Also wir haben Gose auch mit verschiedenen Gewürzen gemacht, Orangenschalen und, ich sage auch mal, Kardamom und solche Sachen ausprobiert und wir haben relativ zeitig diese Gosiator-Linie aufgelegt. Das ist ein Gose-Doppelbock, also ist eigentlich kein historischer Bierstil, aber das passte recht gut, da ist wesentlich mehr Koriander dran. Er hat einen ziemlich kräftigen Malzkörper, da deckt den Alkohol eigentlich ganz gut ab. Und dann haben wir das Bier auf verschiedenen Fässern noch zusätzlich gelagert. Also mein Favorit war damals Tequila, wir hatten ein frisch entleertes Tequila-Fass und haben den Gosiator da knapp ein Jahr drauf liegenlassen und das war eine total tolle Kombination von dem Tequila, von dem Holz und von dieser wirklich kräftigen Gose.

Markus: Kann ich mir sehr gut vorstellen. Wenn man auch noch überlegt, in meiner Jungend hatten wir Tequila ja mit Zitrone und Salz …

Matthias Richter: Genau.

Markus: … insofern passt das ja auch von der Aromatik her richtig gut.

Matthias Richter: Ja.

Markus: Spannend, ja. Und was würdest du denn so sagen, wenn wir jetzt auch so an die Hobbybrauer unter den Hörern denken, was muss man denn beachten, wenn man so mit Gewürzen oder eben auch Salz oder solchen Sachen braut, gibt es da Sachen, wo man richtig was falschmachen kann? Ja, gibt es etwas aus deiner Trickkiste, was du verraten magst?

Matthias Richter: Also direkt falschmachen kann man nix, also man sollte sich halt immer so ein bisschen ran tasten, grade beim Salz. Also das Spannende am Salz ist, nicht zu viel, sondern grade so, dass man es nicht mehr merkt. Das ist eigentlich, also für mich zumindest, das Perfekte beim Salz. Dann kann man bei der Säure halt auch ein bisschen spielen. Also wir haben halt einen PH-Wert bei unserer Gose so von 3,6, 3,7 so im Schnitt, man kann das aber auch saurer machen oder halt ein bisschen weniger an der Säure machen, also hat man extrem viele Möglichkeiten. Man kann auch, haben wir auch schon probiert, ist aber kommerziell ein bisschen schwierig, Koriander stopfen, macht nochmal ein bisschen anderen Aromaeindruck. Aber da muss man ein bisschen aufpassen, Gewürze sind manchmal ein bisschen belastet mit Keimen, also man kann sich da eine Infektion ziemlich schnell reinholen. Aber zum Probieren ist das super spannend.

Markus: Das ist ja durchaus auch was, was man beim Hopfen erleben kann, also dass man beim Stopfen dann auch Infektionen damit hervorrufen kann, wenn man Pech hat sozusagen.

Matthias Richter: Ja, wobei, beim Hopfen ist es seltener, weil der ja schon mal grade gegen Milchsäure, bietet der ja einen guten Schutz oder gegen Milchsäurebakterien.

Markus: Wenn wir von Koriander sprechen, sprechen wir ja immer nur von den Samen, oder?

Matthias Richter: Ja, genau.

Markus: Hast du auch schon mal probiert, mit den Kernen was zu machen?

Matthias Richter: Nein, also Blätter, funktioniert da nicht besonders. Weil, Blätter haben immer so ein bisschen, wenn man da so Salat macht, hat an dieses leicht Seifige, das hätte man dann nachher im Bier auch. Und Blätter machen auch immer so ein bisschen krautigen Geschmack.

Markus: Also ganz bewusst die Samen verwenden.

Matthias Richter: Ja, ja.

Markus: Okay. Jetzt, wenn ich mir eure Speisekarte anschaue, da empfehlt ihr verschiedene Sachen zur Gose, also unter anderem eine Haxensülze und einen gebackenen Camembert. Hast du da persönlich Favoriten, wenn du Speisen kombinierst mit der Gose, was denkst du, ist gut?

Matthias Richter: Also ich bin da tatsächlich nicht so geeignet, weil ich bei manchen Sachen ein bisschen einen eigenen Geschmack habe.

Markus: Und was schmeckt dir persönlich am besten?

Matthias Richter: Zur Gose?

Markus: Mhm.

Matthias Richter: Nix weiter.

Markus: Ah, okay.

Matthias Richter: Also es ist tatsächlich so, für mich ist Gose das Erfrischungsgetränk. Also das ist eigentlich das Bier gegen den Durst, wenn ich im Sommer ins Gasthaus komme.

Markus: Kannst du dich noch erinnern, wann du deine erste Gose getrunken hast?

Matthias Richter: Ja, 2003, als ich im Bayrischen Bahnhof angefangen habe.

Markus: Das heißt also, du bist dahin, wusstest, dass du dieses Bier machen wirst, aber hast es vor der Stelle, bevor du angetreten bist, noch nicht probiert gehabt?

Matthias Richter: Nein.

Markus: Das ist ja auch witzig. Und wie habt ihr dann die ersten Sude, hast du das noch gemeinsam gemacht mit dem vorherigen Braumeister?

Matthias Richter: Also der war schon nicht mehr da, aber der Herr Schneider konnte ja im Prinzip auch dieses oder die Brauerei bedienen, der hat die ja mit aufgebaut und hat mir dann im Prinzip dann alles gezeigt. Und, ja, ich habe das dann so übernommen.

Markus: Ist der heute auch noch ab und zu im Brauhaus?

Matthias Richter: Ja, er ist regelmäßig da.

Markus: Und mischt dann auch ein bisschen mit?

Matthias Richter: In der Brauerei jetzt nicht mehr so viel.

Markus: Okay. Ich kann mich erinnern, also ich habe ihn besucht und auch seine Brauerei öfters, als sie noch in Weißenburg waren. Die hatten dort auch einen wunderschönen Bierkeller, den Araunerskeller. Das ist so mitten im Wald, ist ja doch so ein bisschen auch eine leicht hügelige Gegend, im Altmühltal, da unten. Und da fließen auch so ein bisschen Franken, Schwaben und Bayern zusammen. Also die Leute, die da sind, die haben irgendwie von allen Volksstämmen so ein bisschen was. Ein sehr quirliges, witziges Volk, wo ich sehr, sehr gerne bin. Und auch schon lange gastronomische Prägung, weil das ja früher alles Römergebiet war. Also da gibt es auch Affinität in Richtung Wein und was weiß ich was, also wirklich spannend. Und das stelle ich mir schon interessant vor, wenn so jemand dann sagt: „Ich gehe da weg und gehe dann nach Leipzig.“ Aber ich glaube, da wirst du wenig mitbekommen haben, du kennst ihn ja nur dort, oder?

Matthias Richter: Ich kenne ihn hauptsächlich aus Leipzig, ja.

Markus: Okay. Ja, was sind denn noch so deine Ideen, was du mit der Gose noch so anstellen möchtest in Zukunft? Hast du noch so, ja, Sachen, die du schon immer mal machen wolltest oder wo du gedacht hast, ah, packe ich jetzt demnächst mal an?

Matthias Richter: Also ich muss mal gucken, also ich würde tatsächlich gern nochmal so eine Gosiator-Serie auflegen und vielleicht nochmal gucken, ob man noch ein paar andere Fässer benutzen kann, um das so ein bisschen auszubauen, müssen wir mal gucken. Aber das ist halt auch ein bisschen eine Zeitfrage und auch eine Platzfrage. Wir sind halt über die Jahre recht gut gewachsen mit der Brauerei und sind schon ganz gut an der Kapazitätsgrenze, da ist nicht mehr so viel Spielraum.

Markus: Wie hat sich das denn in der Pandemie entwickelt, ward ihr da schwer betroffen oder habt ihr dann auch mehr versendet?

Matthias Richter: Ach, also Pandemie war halt oder ist halt schwierig. Wir machen ja 80 Prozent von unserem Ausstoß im Gasthaus und wenn das halt zu ist, verkaufen wir halt auch die 80 Prozent nicht, also wir haben uns dann auf die restlichen 20 gestützt. Und wir haben aber den Vorteil, dass wir seit 2005 noch ein Tochterunternehmen haben, das ist die Firma Wilhelm Horn und wir stellen Spirituosen her. Und die Spirituosen haben sich auch während des Lockdowns gut verkauft.

Markus: Das heißt, du destillierst dann auch mal?

Matthias Richter: Ja, also wir machen den Leipziger Allasch, was eine andere Leipziger Spezialität ist, das ist ein Kümmellikör. Und den hat man früher, ähnlich wie in Berlin den Kümmel zur Berliner Weissen, in Leipzig mit der Gose zusammen getrunken und zwar hat man den in die Gose rein gekippt. Und der Zucker aus dem Likör, also der ist wirklich sehr süß, der hat im Prinzip die Säure rausgenommen. Und früher war ja die Gose in den Bauchflaschen mit lebendigen Milchsäurebakterien, war dadurch natürlich auch ein bisschen verdauungsanregend. Und man hoffte mit dem Kümmel, dass so ein bisschen einzubremsen. Wobei, das ist halt vom Geschmack her, also man muss das mögen, diese Kombination aus dem, das ist wirklich ein sehr kräftiger Kümmel, mit dem Bier zusammen.

Markus: Ja, das kann ich mir vorstellen. Vielleicht da auch noch für die Hörer als Ergänzung, diese Flasche, wie der Matthias auch grade gesagt hat, mit diesem sehr hohen Hals hatte früher eben auch, soweit ich das weiß, die Bewandtnis, dass die dann oben so einen Pfropf gebildet haben, diesen …

Matthias Richter: Ja, genau, das hatte eine Funktion.

Markus: Genau und dann hat sich praktisch natürlich verschlossen und konnte dadurch eben auch besser gelagert werden, also deswegen also dieser lange Hals.

Matthias Richter: Das war halt früher so, das ist halt auch wieder ähnlich wie beim Real Ale, dass man das Bier als Jungbier von der Brauerei in die Wirtschaften gefahren hat. Und die Schenken hatten halt früher im Keller einen Bottich oder ein Holzfass, da kam das Bier halt rein. Die Wirte füllten selber diese Flaschen und haben die Flaschen dann halt unverschlossen im Keller zur Nachgärung stehenlassen. Und durch den langen Hals stieg da halt Hefe mit auf, die ist oben getrocknet und hat das dann verschlossen. Und zwar teilweise sogar so dicht, dass sich da die Kohlensäure drin binden konnte und das war dann nachher ein moussierendes Getränk.

Markus: Von der Berliner Weisse weiß ich ja, dass man da ganz bewusst nach alten Flaschen gesucht hat, um da eben noch alte Hefestämme zu finden und auch überhaupt die Sensorik nochmal zu sehen, wie das eben so bei gereiften Flaschen ist. Kennst du Ähnliches auch von der Gose, also gibt es da auch alte Flaschen, die noch von älteren Chargen aufgetaucht sind, die man analysiert hat, gibt es sowas?

Matthias Richter: Also das gibt es, aber ob die jetzt analysiert worden sind, das weiß ich nicht so genau. Also ich selber habe noch zwei in der Kühlzelle stehen, die sind noch verschlossen. Die wollte ich eigentlich auch so lassen! Also es waren mal vier, ich habe die anderen zwei verkostet und das war tatsächlich noch ein, ich sage mal, zwar oxidiertes, aber immer noch gut zu trinkendes Bier.

Markus: Von wann waren die und von welcher Brauerei?

Matthias Richter: Die waren Anfang der 90er und zwar von der Dahlener Heide Brauerei.

Markus: Das war ja die Letzte, die praktisch die Kontinuität so ein bisschen gewahrt.

Matthias Richter: Genau.

Markus: Ja, wie ist es denn heute in Leipzig, also wenn ich da jetzt hinkomme, also, klar, Bayrischer Bahnhof, bei euch, logisch, aber wenn ich sonst noch Gose trinken will, kannst du da noch ein paar Tipps geben, wo man das schön erleben kann?

Matthias Richter: Ja, also mein absoluter Tipp wäre, da hat man alle Gosen auf einem Haufen sozusagen, das ist in der Gosen Schenke in Leipzig Gohlis. Dort kriegt man drei Gosen, das ist einmal die Ritterguts Gose, unsere Gose und selber haben die dort auch eine kleine Brauerei und machen auch eine eigene Gose.

Markus: Ist das die Ohne Bedenken Geschenke?

Matthias Richter: Genau.

Markus: Genau. Ah, wunderbar, ja, sehr schön! Also das kann man auf jeden Fall empfehlen. Natürlich gibt es auch tolle Literatur. Also auch hier könnt ihr euch gerne, liebe Hörer, mal weiterbilden, wenn ihr wollt, spannende Geschichte. Ja, ich habe noch zwei Sachen, also einerseits würde ich gern nochmal in den Allasch einsteigen.

Matthias Richter: Gerne.

Markus: Wie war das denn, also ihr habt ja gesagt, ihr macht eine Destillerie, wollt selber eben Liköre ansetzen. Wie kommt man da auf die Rezeptur und bist du zufrieden mit dem aktuellen Ergebnis?

Matthias Richter: Also beim Allasch war es im Prinzip auch wieder wie bei der Gose, das ist ein historischer Likör, der wurde von der Firma Wilhelm Horn schon wirklich lange, lange, lange hergestellt. Wir haben die Rezeptur mit übernommen und haben die dann nur an unsere Betriebsgröße angepasst. Und später dann, wir haben die Destille noch nicht ganz so lange, als wir dann die eigene Destille hatten, dass dann immer noch ein bisschen auf die Rohstoffe angepasst. Und mittlerweile ist das Kümmelaroma ein bisschen intensiver als in dem Ursprünglichen. Das ist ein bisschen komplexer, auch weil einfach, wenn ich selber destilliere, da ganz andere Möglichkeiten habe als wenn ich es machen lasse.

Markus: Und muss ich mir das so vorstellen, dass du dann quasi so eine Art Kümmelgeist machst und den auch später zum Likör machst?

Matthias Richter: Genau. Also ich nehme wirklich viel Kümmel, den weiche ich ein und destilliere dann im Prinzip fast, bis der Kümmelsamen trocken ist, das ab. Also beim Kümmel kann man sehr viel ab destillieren und das wird dann nochmal in einem Reinigungsbrand im Prinzip rektifiziert und dann nimmt man das als Grundbasis für den Likör. Kommt halt, wie gesagt, sehr viel Zucker dazu, ein bisschen Wasser und dann ist der Likör eigentlich auch schon fertig.

Markus: Also zweimal destilliert und dann eigentlich nur noch Wasser und Zucker und …

Matthias Richter: Genau, ja.

Markus: Spannend! Okay, also muss ich unbedingt auch mal probieren. Ich kenne das aus München, da wurde ja auch der Münchner Kümmel wiederbelebt und ist jetzt sogar irgendwie auf der Liste der geographisch geschützten Produkte und sowas. In Bayern, die sind da auch sehr stolz drauf. Aber da muss man natürlich auch mal das Leipziger Gegenstück dann probieren.

Matthias Richter: Gerne.

Markus: Ja, das Zweite, was du vorhin schon angesprochen hast, ihr macht ja auch ein Schwarzbier. Das ist ja auch so ein Bierstil, den es vor allem in der reinen Form eigentlich kaum gibt. Wie würdest du denn euer Schwarzbier charakterisieren?

Matthias Richter: Also bei unserem Schwarzbier ist es tatsächlich so, dass ich das so ein bisschen meinen persönlichen Geschmack dann auch unterworfen habe, wo ich dort angefangen habe. Also es ist halt tatsächlich sehr röstig, es ist eine wirklich gute Menge an Röstmalz dran. Es hat im Gegensatz zu den anderen Schwarzbieren, also Schwarzbier ist in Ostdeutschland doch ein recht beliebtes Bier gewesen, was aber immer recht schlank war. Und ich habe dem Ganzen ein bisschen mehr Körper gegeben und den Körper aber mit dem Hopfen ein bisschen abgefangen. Also es ist, geht so ein klein wenig Richtung Stout, es ist aber ein Schwarzbier.

Markus: Und ist untergärig?

Matthias Richter: Ist untergärig, ja, ja.

Markus: Genau. Ah ja, ja, spannend. Also finde ich auch insofern sehr interessant, als da ja immer dieser Dualismus praktisch ist zwischen den Bayrisch Dunkel, was es zum Beispiel auch in der Schneider Brauerei in Weißenburg gegeben hat. Das eben eher süßlich, weniger intensiv, röstig, eher so eben Karamell, Schokolade, in diese Richtung, mit sehr viel Körper, sehr viel Süße. Und dann eben als Gegenstück so dieses Schwarzbier eher schlank, eher röstig, aus Thüringen und Sachsen. Und das finde ich auch eine sehr interessante Geschichte. Und wie gesagt, das wird halt von den Brauern oft so ein bisschen, ja, wie soll man sagen, also auf manchen Bieren steht Schwarzbier drauf und ist eher ein Dunkles drin oder andersrum. Das ist für den Verbraucher, glaube ich, auch ein bisschen schwierig. Insofern hört sich das für mich sehr spannend an, was du da machst. Wenn du euren Absatz insgesamt siehst, welchen Anteil haben denn da die Gose oder das Schwarzbier ungefähr?

Matthias Richter: Also die Gose ist schon mit das Hauptbier. Wobei, da gibt es ein bisschen jahreszeitlich, schwankt das. Also in der Sommerzeit ist definitiv das Hauptbier, in der Winterzeit geht es ein bisschen zurück. Also ein Drittel der Jahresproduktion ist Gose, ein Drittel ist Pilsener. Wir sind in Deutschland, Deutschland ist ein Pils-Land. Und das restliche Drittel teilt sich eigentlich das Schwarzbier mit dem Hefeweizen.

Markus: Euer Pilsner heißt Schaffner Pils.

Matthias Richter: Genau.

Markus: Das ist eher wegen Bahnhof, ne, also?

Matthias Richter: Ja, also die Biere haben, außer die Gose, alle einen Bahnhofsbezug. Also das Pilsner ist halt Schaffner, das Schwarzbier ist der Heizer und das Hefeweizen ist der Kuppler. Und dann haben wir saisonal vor Weihnachten noch den Prellbock, das ist ein dunkles Bier, da ist der Name auch ein klein wenig Programm.

Markus: Ja, das hört sich auf jeden Fall auch sehr gut an. Ja, nun bist du 20 Jahre da, da ist natürlich auch so ein bisschen die Frage also einerseits, siehst du dich da auch noch 20 Jahre und andererseits, wie sieht es denn da mit dem Nachwuchs aus? Hast du Azubis, kommen da Leute, um zu lernen, wie sind da so die Situationen?

Matthias Richter: Also beim Nachwuchs sieht es eigentlich gar nicht so schlecht aus. Der Brauerberuf ist nach wie vor ungebrochen beliebt und es sind zum Teil halt auch Ältere, die das lernen wollen. Also mit älter meine ich jetzt nicht 15-, 16-, 17-Jährige, sondern zum Teil als zweiter Berufsweg, dann so Mitte 20, die das machen wollen. Also da sehe ich eigentlich kein großes Problem. Und ich selber bin seit 20 Jahren oder fast 20 Jahren da und kann mir weitere 20 Jahre auch noch vorstellen.

Markus: Okay. Ja, vielleicht hört der Herr Schneider ja zu, dann ist ja alles gut. Hast du da auch mittlerweile vor Ort so ein bisschen dich gesättelt, Familie und so weiter?

Matthias Richter: Ja, ja, habe ich. Ja, also meine Frau arbeitet im Bahnhof.

Markus: Ah!

Matthias Richter: Die habe ich dort kennengelernt.

Markus: Wunderbar, das passt, das hört sich doch sehr, sehr schön an. Hast du noch einen letzten Tipp an alle Hobbybrauer unter uns, die sich mal an eine Gose ran wagen sollen, was sollten sie auf jeden Fall machen und was sollten sie auf jeden Fall nicht machen?

Matthias Richter: Also auf jeden Fall für den ersten Versuch, würde ich sagen, Hälfte helles Gerstenmalz, helles Weizenmalz, einfaches Maischprogramm, also einfach Infusion. Dann auch bei der Hefe irgendeine neutrale obergärige Hefe, also Kölsch-Hefe, Altbier-Hefe, sowas dann nehmen. Beim Hopfen ein bisschen dezent arbeiten. Wobei, man kann das Ganze auch Hopfenstopfen, das passt mit manchen Hopfen gut mit dem Koriander zusammen. Milchsäure, wenn man sich das nicht selber herziehen möchte, kann man sich eine Röstmilchsäure kaufen oder Sauergut. Für den Anfang zum Testen kann man das machen, später kann man sich dann auch mal selber hinsetzen und eine Milchsäure ziehen. Wobei das halt auch ein bisschen tricky ist, wenn man das Zuhause macht, weil man einfach die Temperatur nicht genau halten kann. Ja, beim Koriander, am besten frisch mahlen, das ist wichtig.

Markus: Genau. In Amerika habe ich mal erlebt, da hat mir eine Brauerin erzählt, ja, für ihre Gose, sie nimmt einfach immer einen Becher Joghurt und schmeißt den vorher in den Kessel. Scheint funktioniert zu haben.

Matthias Richter: Ja, das geht, also wenn man naturbelassenen Joghurt hat, kann man sich durchaus die Milchsäurebakterien daraus kultivieren, das geht.

Markus: Ja, also lustig auf jeden Fall. Dann bedanke ich mich ganz, ganz herzlich für dieses tolle Gespräch, für die vielen Hintergrundinfos und, ja, für deine Bereitschaft, zur Verfügung zu stehen. Und, ja und natürlich auch dafür, dass du dieses tolle Bier machst. Ich habe die Flasche jetzt schon fast leer, also man sieht, es läuft, auch in Franken, also sehr schön. Vielen, vielen Dank, dir noch einen schönen weiteren Tag und bis bald.

Matthias Richter: Ich habe noch was ganz Wichtiges.

Markus: Ja.

Matthias Richter: Beim Gose trinken darf man auf keinen Fall Prost sagen, sondern beim Gose trinken heißt das Gosianer.

Markus: Dann, Gosianer!

Matthias Richter: Gosianer!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk English 3 – Talk with Lana Svitankova from Kyiv, Ukraine, working for Varvar Brewery and 1st Certified Cicerone

Lana Svitankova comes from the capital of Ukraine and started only to her honeymoon with the theme of beer. It was then that she got to know Czech beers and fell in love with the barley juice. Further trips to Belgium and other beer countries followed until she became the first Certified Cicerone in Ukraine to become a beer professional. She now works for founder Vasily Mikulin’s Varvar Brewery. There, they even developed their own Ukrainian beer style, Ukrainian Golden Ale, strong, sweet and with a hint of coriander. Lana also translated several classics of craft beer literature into Ukrainian and has already written her own books and articles. In the podcast, we talk about her story and the current situation just days after the Russian invasion of her homeland…

Kommt in unsere Facebook-Gruppe und diskutiert mit: https://www.facebook.com/groups/bierakademie

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Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS

 

Zusammenfassung auf Deutsch:

Lana Svitankova die erste zertifizierte Cicerone in der Ukraine, arbeitet für die Varvar Brewery und hat ihre Leidenschaft für Bier während ihrer Flitterwochen in Prag entdeckt, wo sie ihr erstes markantes Biererlebnis mit einem dunklen Master-Bier hatte. Ihre Reisen führten sie durch verschiedene Bierländer, wobei ihr Interesse vor allem belgischen und britischen Bieren galt. Lana engagiert sich stark in der Bierkultur der Ukraine, übersetzt Bierliteratur ins Ukrainische und schreibt eigene Bücher und Artikel.

Lana beschreibt die Bierkultur in der Schweiz, wo sie lebt, als sehr vielfältig, mit vielen kleinen, lokalen Brauereien, die verschiedene Bierstile anbieten. Sie vergleicht dies mit der Bierkultur in der Ukraine, die seit der ersten Craft-Bier-Brauerei im Jahr 2012 eine rasante Entwicklung durchgemacht hat. Die ukrainische Bierlandschaft sei geprägt von einem breiten Spektrum an Bierstilen, von traditionellen Massenmarkt-Lagern bis hin zu experimentellen Craft-Bieren.

Das Interview wurde kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine geführt, und Lana spricht über die aktuelle Lage in ihrer Heimat. Sie äußert sich dankbar für die internationale Unterstützung und Solidarität innerhalb der Biergemeinschaft. Trotz der schwierigen Situation betont Lana ihre Liebe und Leidenschaft für die Bierkultur und ihre Absicht, diese weiterhin zu fördern und zu entwickeln​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​.

 

Interviewtext:

Markus Raupach: Hello, and welcome to our podcast BierTalk. Today we have another episode in our English version of the BierTalk and we have a nice guest from the Eastern European region. We have Lana Svitankova from Ukraine, but she’s living in Switzerland. Of course, we now have very special days thinking about Ukraine. We are also talking about her and her beer relationship and her beer scene, and what she does with beer, but also about the actual situation of Ukraine. But Lana, first, maybe you introduce yourself and let us know something about you.

Lana Svitankova: Hello, Markus, hello, all listeners. I’m super happy to be invited here and I’m really honoured and humbled to be with you today. My name is Lana and I’ve been working in beer for, I guess, five or six, six years already. I’m a talking head for Varvar Brew in Kyiv. So usually I do all the communication stuff, introductions, international collaborations, helping them to connect to another world, in other countries, meeting new people. Also I do some educational work in Ukrainian and translate books into Ukrainian from English. So I usually do whatever I can to promote beer culture in Ukraine as well, telling people that beer is not just usual yellow, bubbly stuff, but way more. Not only about flavours of beer, but also wonderful world of beer people who are ready, come to your help anytime. These days, I’m extremely happy to be in this industry, because I’m getting so much words of support and actions of support, and I’m incredibly thankful for that.

Markus Raupach: Maybe let’s start with your personal beer history. So can you remember when you had your first beer and what then brought you into the really beer world that you got deeper and deeper in it?

Lana Svitankova: It’s quite easy. I remember that glass of beer really good because it was one of my first trips to Europe. It was a honeymoon trip to Prague and there I drank a glass of dark master. So I was super impressed and my thought was like, beer can be something like this. I need to know more about that. So it was almost 14 years ago and since then, I keep thinking about beer, talking about beer and writing about beer. So that was one of, I don’t know, like the eye opening moment. I think the second was Rodenbach. I said like, “This is not beer,” and I still really like this beer as an example of not beer. But it is. So this is the surprise which can jump at you and you either like it or not. But you won’t be ever thinking of beer in the same way as you thought before.

Markus Raupach: Yes, and that’s really the great range between if you have the typical bohemian easy drinking lager and then you have the Rodenbach, the sour beers and special beers with all these wood taste and not easy drinking but with a lot of aroma and very, very interesting and very special. So I really can understand this and then you got into beer as a beer drinker and what brought you then for to working for the industry? Also you’re now a journalist, you had books about beer. How did that come?

Lana Svitankova: Basically, I just, I like flavourful stuff. I like food. I like beer. So I continue to explore it on my own. When I like something I want to know everything about it. So I started reading books. I don’t think there were movies that time, but I think it was mostly books and all my vacations eventually turned into beer-cations. So everything was rotating around beer. I looked for breweries when I travelled somewhere. I’ve been looking for special kinds of beer like beer which is produced only in this country or in this exact city. So yeah, I drank a lot and I am not ashamed of that. Because I was so curious about all things beer, then the first craft beer started beer in Ukraine. I was super keen to know more about that as well and I got to know the owner of a brewery I’m working for. I approached him and asked like, “Do you want to make a beer running club?” So basically the brewery is located not far from a small lake and then you run from a brewery and do a one circle around the lake, it will be a five-kilometre distance. So he said, “Yeah, if you’re organising that, I’m all hands for it.” So once in two weeks, we gathered at the brewery, change into our running gear, took a five-kilometre run and then everybody got their special medal, a free glass of beer. It also was a desire to show that people who drink beer, they’re not like, you know, like the stereotypical thing that people who drink beer, they just drink it on the sofa, watching TV, doing nothing and beer is like a reason for obesity and everything like that. So they’re not fit. They don’t like sports. It’s just not true because like we’ve been running and then we drank beer. We talked about beery things, we talk about like beer travels as well and it was like a really, really nice time. After a few months, Vasil, who’s the owner, approached me and asked me to join the team. So that’s how it happened. Since then, I’ve been doing so much stuff more and more and they’ve been so supportive about that. So yeah, I am like heels over the head in love with beer and I do what I love, I love what I do and I don’t see myself stopping anywhere in the nearest future. I want to keep doing that as long as I can.

Markus Raupach: You’re really unstoppable with that. So I really can approve that and we’ll come back to that in a second. Maybe just one thing, you talked about that you came to be with the honeymoon and you make beer holidays out of your normal vacations. But you have your husband. What does he say? Is it that, does he say, “Okay, that was always my dream?” Or does he say, “Oh God?” What is his opinion?

Lana Svitankova: Oh, I have to say I’m very lucky because he also likes beer. Well, it was a drink of choice from the very beginning. So we don’t drink like distils, almost never. But we started exploring distils because we want to know what the drinks are which makes so good bottles to H Beer. So he likes the beer, he enjoys beer as well. So it makes easier to taste more beer, so I don’t have to finish a bottle myself, we always share it. So it’s very nice and very convenient.

Markus Raupach: That’s good. So you have, you can drink more different beers, and you can enjoy it together. So that’s always a nice thing. Perfect. Maybe a last thing about that, you now live in Switzerland. What is the beer culture in Switzerland? Do you feel comfortable with that? Or is it a little bit strange? What is the beer there?

Lana Svitankova: Well, I have to be honest, I was extremely surprised and I got to know that Switzerland is a country with the highest number of breweries per capita in the world. Because they have so many breweries. Mostly, they are super small, super local and tiny, located in small cities, or even villages, and you can only try their beers when you go there. So I really like this thing to go somewhere, to explore new places and to try new beers. So I have a small map, like a Google Map, and I’m pointing breweries I’ve been already. So it’s about a bit more than 100 already into here. So it’s a, you know, like a quest of sorts. The type of beers which are popular, mostly it’s like a lot of like German style beers, like Bell’s Lager. Some produce more modern styles like IPAs and the French-speaking part is more into wild sour beers. I think it because they I make a lot of wines there and the palate is more accustomed to kind of this kind of flavour. So yeah, it’s also very varied and interesting, and you can always find something for yourself, no matter which beer you prefer.

Markus Raupach: That sounds interesting and like also a big variety, and if you compare that with the Ukrainian beer scene, at least as it was until one week before, how would you describe that? Was it quiet in the beginning? Or did it already reach a certain point? Which beers did they mainly or do they mainly produce that varies the palate of the Ukrainians?

Lana Svitankova: So I think we should start from the very beginning. Basically, the first brewery which called itself craft brewery, was founded in 2012. It was a contract brewery. So basically, it was two guys brewing at a small brewing site of restaurant brewery, which produced, you know, like this classical restaurant pub style beers like pale lager, weak beer and dark lager, for example, maybe porter. So they used that system to brew more interesting, unusual beers. They brewed IPAs, porter stouts and later in 2015, we had the first wave of craft breweries, which brewed more, I don’t know, like, more brave styles, I would say. Because usually yes, in Ukraine, people mostly drink mass market lager. But I have to say they have a sweet tooth. So mass market lagers, they are more I would say on the Czech style lagers, more malty, so more sweet. Not that like crisp and dry as German lagers. So one of the first beers, which were super popular, at least at the brewery I worked for, was golden ale and milk stout. Both of them are kind of sweet. So like, it was 60% of all the brewery brewed and it still is. So people really like sweet beer. But if we are talking about now, I mean, until a few days ago, we have craft beer, which is available in supermarket, which is more accessible, not that aggressively experimental I would say. But also we have a part of craft beer, which is like, hugely weird. Now we have a small, geeky audience which can consume whatever you brew. So it doesn’t matter if you add, I don’t know, the most crazy ingredients. Like we had recently a beer which emulated borscht. So it was a beer with beetroot, black pepper, lactobacillus for sour cream. So they can drink whatever you do and it’s really good because it gives breweries a freedom to play with ingredients. But at the same time, usually they never brew the same beer again. So this is good and this is bad at the same time for me at least. I would like breweries to at least brew the beers people like a lot, because sometimes you drink something, you really like it and you can’t drink that ever again because they are going do the next one, next one, next one. So yeah, it’s a bit like I would say, it’s steady in this sense. There is accessible beers, which get more people in craft, who open new beer for them. Like I really like to call this not even a craft but a new wave of beer. So it doesn’t matter which style they brew. Like it’s different. It’s something different. They never had that before. Another part is like hugely experimental stuff. Previously, then something new happened in the world and everybody started copying that. I would say maybe a gap of two or three years had to be closed before it comes to Ukraine. But now, whenever happens, whatever new technique or whenever new style or variety of beers, it’s there. For example, we already had even like this cold brew, cold IPAs, or this, how do they name it? Like oat cream IPAs, which Other Half in US does. So like we have it all. So we are trying to be like super progressive and super experimental as well. So this is what distinguishes it a bit from Switzerland. So here, they don’t have this like booming market for like this crazy stuff, I guess for now.

Markus Raupach: You also have in Ukraine, manufacturers of brewery equipment. So as far as I know, there are many German brewers and craft brewers who got their equipment from Ukrainian companies. So that’s also interesting that there’s also the knowledge about how to make brewing systems.

Lana Svitankova: It’s also a really interesting thing, because in Ukraine, a lot of people still think that all the best stuff is imported. It doesn’t matter if it’s equipment, if it’s beer. So people are eager to pay more money for imported beer, even if it’s an IPA, which sat I don’t know how long in a container crossing the Atlantic. Than a locally brewed IPA, which is super fresh, just from the fermenter. But like we are trying to move with that and to explain to people that this is fresher, this is better. But bit by bit they begin to understand that themselves. They just compare tastes and yeah, that’s it. So this is the same with equipment. I think it’s cheaper for European brewers as well, but I think like all the people, all the brewers who strive for, I don’t know, recognition maybe, almost all of them use imported equipment. But we also have really great engineers. So for example, at Varvar we assembled our first brewery ourselves. So it was like 500 litres brewing kettle, and 500 litres fermenters. We assembled it ourselves. Now we have a bigger system, but this system, which is smaller, we use it for experimental brews and for sour program.

Markus Raupach: As Ukraine is such a big country, so it is almost as big as whole western Europe, can you still say it’s more or less one beer culture? Or is there also a difference between maybe the western part, the eastern part, the central, the different palates or different ideas of beer?

Lana Svitankova: Oh, I don’t think so because everybody’s mostly drinking the same. If we’re talking about maybe tradition of consumption alcohol drinks, I wouldn’t say we have a drink of preference. So like, in every region, people drink everything with alcohol, like beet kvass, beet cider, beet mead, beer, wine, or distils. We have everything because Ukraine is such a huge country, like as you said, we have a beer belt for growing or producing or enjoying beer. We have a wine belt in the south, and we have a vodka belt in the north. So basically we have everything with alcohol.

Markus Raupach: You already wrote books or also translated books and comics. Did you do it in Ukrainian or in Russian and how did that work? How did the people react on your books?

Lana Svitankova: So I translate everything into Ukrainian because previously, we mostly had no literature about beer in Ukrainian. So I think there was one book which was translated specifically for Carlsberg for internal usage, but I don’t remember any like specific books on beer. So in 2017, when we’ve done Randy Mosher Tasting Beer, it was basically the first beer encyclopaedia in Ukrainian. I do this to promote beer culture and my language. So this is like two birds with one stone. People were like, I thought like how many people would buy a book about beer in Ukrainian. Actually, I know for sure that the next one, comic, which was about history of beer, is in its second round already. So people are interested in that and it makes a nice gift for, I don’t know, for some celebration birthday or whatever. I think I have never heard anybody being unhappy about using Ukrainian for that. So we have three books already and I have a fourth translated, but I’m looking for a publisher for that. But yeah, that will have to wait obviously. Also, I’ve done a book myself about beer tending. So basically, we had this problem with places, bars, pubs, venues which serve beer, but sometimes it’s not properly done. Barmen don’t have enough knowledge about beer, about styles, about like courtesy, or just like how to pour beer. So everybody’s saying, like, “Where can we get this information, because like, we don’t speak English, we can’t find anything to read about that.” So I wanted to write like a small booklet, just a short one, so this is how it’s done in simple words, without being too, you know, technical or too snobbish. Because like people don’t like when you try to tell them like you are doing this, like this and doing that, like that. So this is how it should be done. So I tried to be as friendly as possible and this small leaflet turned into 300 words, so basically, it’s 100 pages. A friend of mine, he helped me to make it like good, nice looking PDF out of that and his wife made illustrations for that. So we made this book and we called it like A Small Book of Beer Tending and it’s available for free. So now nobody can find an excuse, “I don’t have anything to read or like, I don’t earn enough money for education,” or whatever. So it’s done and it’s free, and people download it and they use it for their stuff in venues. Also, I’ve heard that people who are just interested in beer, enjoy reading it, because it’s like, it’s not only about beer tending in terms like, you have to be a sommelier, or barman or server of beer. They just read it to expand their knowledge. We plan to print it like in a hard copy, but yes, again, everything happened. So a bit later, a bit.

Markus Raupach: So you came into being in these two worlds, I think. So you get more and more often to go to the Ukraine. So how often have you been there in the last month or the last year?

Lana Svitankova: Well, basically, before Covid I went like, each two months. After Covid I haven’t been there for I think a year and a half. But we met over Zooms and in chats, using all the, thank you modern technologies for connecting us. So now I don’t know.

Markus Raupach: Do you know about your family? Are they safe? Your friends? Or do you know anything about what’s going on?

Lana Svitankova: I’m keeping in touch with them all the time and for now, my family and my friends, brewery team are unhurt. Hopefully it will stay this way. So like yeah, I was super nervous and basically freaking out this two days. But yeah, now I’m a bit calmer because a lot of good news are coming in and beer industry friends helping, offering help, housing for people, jobs, financial support. They almost made me cry with happiness.

Markus Raupach: This is really great to hear and to see how the beer world also comes together and closes in and tries to get support and to help the Ukrainian brewers and also to be on their side. You read many things they do. They raise money, they offer opportunities and things. So that’s really, really good to hear. But in general, were you surprised about the development? Or did you expect that it’s such a big scale aggression?

Lana Svitankova: Well, we live in, like a modern world. Like nobody doing that. So I think, I know some friends of mine were saying, like, “We expected that. We told you. Like, be prepared.” But you know, I think it’s kind of a brain thing. You just can’t process something like that. You don’t believe it. So like, we’ve been in denial all the time. So it’s something unbelievable, like, even now, sometimes I feel detached, like I’m watching an apocalyptical movie. So it’s so hard to believe this is going on, actually, right now. So yes, for me, it was a surprise for me. But in terms like this happened, I’m not surprised this is possible in, how to say this? I’m not surprised by his action, but I’m surprised by the thing, which is, like the crossing the border. So yeah.

Markus Raupach: What I think is, all he did in the last eight years brought more and more the Ukrainian people away from Russia and more into Europe. So do you think that that is also a process that may be continuing whatever will happen?

Lana Svitankova: To be honest, I’m not sure what to say about that. But yeah, Ukrainian people would never want to go back into the arms of Russia, that’s for sure. Especially now, never again that so many people died. Actually the war started eight years ago and like that time, everybody said, like we don’t want to do and to have anything in common. But now, like, it’s the whole country. Because like, I don’t know what Vasil feels now and the whole team of Varvar like, who founded the brewery, because they had to flee from Donetsk eight years ago. So they started anew in Kyiv and now they have to relive this nightmare. So yeah, people would never forget.

Markus Raupach: Today, you have been to the UN building in Geneva and you were the demonstration. So what were your impressions from the people there? What did they say? How was the mood?

Lana Svitankova: I was extremely happy to see a lot of locals and a lot of people from different countries. I’ve seen flags of Lithuania, I think Polish flags. I think Georgian flags, Slovakian people are supporting this and you know, it’s such a relief to understand that people are not silent about this. Because eight years ago, the world was mostly silent about that and now they’re so loud. They express their support, they demand actions from the government. They help, again sending money, accepting people to their homes who flee from Ukraine. They have helped refugees. I would be happier then, I wouldn’t know people are so good, because of the circumstances. But now I’m extremely happy and proud about humanity in general.

Markus Raupach: The world now is starting to stand together. Maybe that’s also something if people which are listening to us, and they want to help, do you know a good way how to help someone who’s raising money where you could maybe visit a special website or another possibility for people who want to help?

Lana Svitankova: There is a huge number of charities and even National Bank of Ukraine established a special bank account which accepts all the financial aid. Anybody can give from anywhere in the world. It’s multi-currency account, so you can go and donate there. You can go and rally for, at the meetings, demonstrations, you can write your representative in parliament, government, demanding actions. I think everybody can do something on the personal level. I know that it won’t be fair to call for this, but as a beer person, I would never ever set my foot again in any venue or shop selling Russian beer, or any event inviting Russian breweries. You can do the same. You can just ignore or just even say, “No, I won’t buy this because this money goes for aggression.”

Markus Raupach: That’s maybe the only consequence you can really make out of this. So thanks a lot from my side and I wish of course all the best for you and for your family, for your friends and also try to help wherever I can. Also to our listeners, we will put the links on the show notes so you can also follow this. I hope we can meet again and talk about Ukrainian beer in a better situation.

Lana Svitankova: It is better to meet in Kyiv and raise the glass and drink some normal or some super exciting experimental beers. We have really nice beer. We have nice places. We have nice people. Come visit after all this.

Markus Raupach: Thanks a lot.

Lana Svitankova: Thank you.

BierTalk – Der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk 80 – Interview mit Odin Paul vom Brauhaus Goslar

Er hat den wohl besten Namen, den ein gestandener Brauer aus dem deutschen Norden haben kann: Odin Paul. Der Bierliebhaber und Braumeister blickt auf einen Bilderbuchlebenslauf zurück, Brauerlehre, Braumeisterstudium, Traumjob, fünf Kinder, die auch schon im Betrieb mitmischen – schöner geht es eigentlich nicht. Heute, mehr als 30 Jahre, nachdem er zum ersten Mal in einem Braukessel rühren durfte, ist ihm das Brauen in Leib und Seele übergegangen – und er brennt für einen fast vergessenen deutschen Bierstil: Die Gose. Allerdings ein gänzlich anderes Bier als das, was man vielleicht aus Leipzig kennt. Und noch dazu dessen Vorfahr. Eine wirklich spannende Geschichte, die Odin im Biertalk ausführlich erzählt und auch die Geheimnisse hinter seiner Gose verrät…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir einen ganz spannenden Ausflug, es geht in den Harz zu einem kleinen Städtchen mit einem großen Namen, nämlich nach Goslar. Und wer ein bisschen sich in der Bierwelt auskennt, kennt einen Bierstil, der zumindest die ersten Buchstaben gemeinsam hat, nämlich die Gose und natürlich tatsächlich kommt sie von da. Wie das genau ist, da sprechen wir genau mit dem Mann, um den es nämlich dabei geht, nämlich den Odin Paul, der dort Braumeister ist im Brauhaus zu Goslar. Und so bin ich sehr, sehr glücklich und freue mich, dass du heute unser Gast bist. Und vielleicht stellst du dich erst mal den Hörern kurz selber vor.

Odin Paul: Ja, hallo Markus, liebe Hörer, Odin Paul, 1969 geboren in der wunderschönen Stadt Braunschweig, bin ich auch in Goslar nur Zugereister. Und bin hier nach einer Brauerlehre im Oberharz in Altenau und ein Studium zum Diplombraumeister in Berlin, 2003 wieder nach Goslar gekommen und habe danach angefangen, die Gose hier zu brauen. Habe fünf Kinder und bin glücklich verheiratet und wohne auch in der wunderschönen Goslarer Altstadt.

Markus: Also das klingt ja quasi nach einem Bilderbuchlebenslauf, also, fantastisch. Fünf Kinder, erst mal Glückwunsch! Und danke schön, auch aus meiner Sicht, das ist toll, dass du was auch in dieser Hinsicht für unsere Gesellschaft tust, perfekt. Vielleicht die Frage noch vorneweg, das klang jetzt wirklich so sehr straight, war das für dich schon immer klar, Thema Bier, Braumeister oder musstest du da erst rein finden?

Odin Paul: Das war für mich ganz, ganz früh klar. Mit anderthalb Jahren habe ich für die Brauerei Moy in Freising, für das Brauhaus dort schon Werbung gemacht als kleiner Knirps, als meine Eltern mit mir in Weihenstephan in irgendeinem Biergarten saßen und der Werbefotograf der Moyschen Brauerei vorbeikam und von mir ein Foto gemacht hat, wie ich die Neige meiner Eltern angesetzt habe und geleert habe. Mit 16 bin ich dann in ein Braunschweiger Berufsinformationszentrum gegangen, habe mir die dort vorhandenen Werbefilme über Brauer und Mälzer angeschaut, fand das ganz, ganz toll. Habe mir gleich überlegt, also Brauer lernen, das möchte ich. Ich möchte das danach studieren und irgendwann auch eine eigene Brauerei haben. Was ich dann auch so in dieser Abfolge sozusagen dann auch geschafft habe.

Markus: Also wirklich nochmal Bilderbuch. Und wenn ich nochmal nachdenke, wenn du das so erzählst, so als Kind schon für Werbung, da gibt es doch diesen lustigen Prozesse von dem, der auf dem Nirwana-Cover von Never Mind drauf ist, der da mehrere Millionen jetzt irgendwie fordert. Das kann die aber noch nicht in den Sinn, oder, nochmal bei der Brauerei anzuklopfen und zu sagen, Mensch, mindestens einen Kasten Bier wäre das doch wert, oder?

Odin Paul: Tatsächlich musste meine Mutter oder mein Vater oder beide ein Schriftstück unterschreiben, dass sie da in der Folgezeit keine Ansprüche erheben werden. Und ich war damals, wie gesagt, ich bin 1969 geboren, war da anderthalb, also Anfang der 70er-Jahre zusammen mit so einem wirklichen Ur-Bayern mit Rauschebart und Filzhut, dann in der ganzen Region Freising auf den Werbetafeln zu sehen.

Markus: Also wirklich ein bekannter Mann, sehr spannend. Und jetzt, wenn ich den normalen Braumeister frage so, was würdest du gerne für Bier brauen und so, dann sind die ja normalerweise auch nach dem Reinheitsgebot ausgebildet. Und wie kommt man dann zu diesem Thema Gose, das ja doch ein bisschen anders funktioniert, hat dich das im Studium schon fasziniert oder wie ging das für dich?

Odin Paul: Nee, leider im Studium überhaupt noch nicht. Da, muss ich auch sagen, da war dieses Studium in Berlin an der VEB, war da doch recht konservativ noch 1992 bis 97, als ich da war, mit Aufbaustudium, da wurden so die Biere fernab des Reinheitsgebotes wirklich nur ganz peripher behandelt. Afrikanische Biere so ein bisschen, weil wir da eben auch einige Studentenkollegen hatten aus diesen Bereichen. Erst tatsächlich, als ich 2003 hier nach Goslar gekommen bin, habe ich den alten Braumeister aus Goslar kennengelernt, der vor mir die Gose gebraut hat und da mal bei einem Fest, Stadtfest hier zusammengesessen. Der hat mich angesprochen, hier, Paul, Mensch, ich bin so alt, habe Gicht, bin krank und kann nicht mehr so richtig, können Sie nicht die Gose weiterführen für mich, weiter brauen? Ich habe dann Rücksprache gehalten mit meinem damaligen Chef, dem Herrn Kolberg von der Altenauer Brauerei und der sagte: „Odin, macht das unbedingt! Mensch, das ist ein obergäriges Bier, wir in Altenau stellen nur untergärig her, du bist überhaupt gar keine Konkurrenz. Und wäre doch schade, wenn dieses tolle Bier, dieses alte Bier verschwinden würde, mach es.“ Und dann habe ich dann eben am 01.03.2004 angefangen mit der Selbstständigkeit und parallel zur Arbeit in der Altenauer Brauerei als Abfüllmeister, die Gose produziert.

Markus: Das war dann der Andreas Wagenführer, oder, der Alte?

Odin Paul: Genau, der Andreas war das, ja.

Markus: Und der hatte damit wieder angefangen oder hatte der auch schon noch einen Vorgänger?

Odin Paul: Nee, der hatte das angefangen. Der hatte sich 1990, so um den Dreh, ins Stadtarchiv begeben hier und hat nach den alten Rezepten geguckt und dann die ein wenig modifiziert und wieder angefangen, die Gose zu brauen. Und der hat sie, dem können wir es eigentlich verdanken, dass die Gose hier in Goslar überhaupt wieder ins Gespräch gekommen ist und angeboten wurde, denn davor wurde es ja viele, viele Jahre gar nicht gebraut, Jahrzehnte nicht gebraut.

Markus: Ja und auch natürlich vorher in Leipzig auch noch nicht, die haben ja erst 2000 wieder angefangen, also durchaus eine schöne Vorgeschichte. Und jetzt, bevor wir die Gose dann auch gleich verkosten, vielleicht mal vorneweg, das ist ja ein Bier, was eben durch einen leicht salzigen, leicht säuerlichen, auch ein bisschen würzigen Geschmack geprägt ist. Nun habe ich in den Archiven so ein bisschen gelesen, die Gose gibt es ja schon seit ungefähr 1000, also 995 wurde sie wohl zum ersten Mal erwähnt. Und soweit ich das gelesen habe, geht es drum, dass dieses Salzige im Flusswasser zu dieser Zeit auch da war. Ist das so, weißt du da was drüber? Und wie macht ihr das, setzt ihr das zu oder nehmt ihr noch original Flusswasser aus dem Harz, wie ist das bei euch?

Odin Paul: Also, das Wasser nehmen wir nicht mehr aus dem Fluss. Oberflächenwasser darf man zur Herstellung von Lebensmitteln auch nicht verwenden. Das heißt, ich nehme ganz normales Stadtwasser hier, das mir zur Verfügung gestellt wird von Harz Energie, also das ist das ganz normale Stadtwasser, mit 3,8 Grad deutscher Härter, aber ein sehr weiches Wasser, sehr angenehm damit zu brauen. Über das Salz, aber auch über die andere zweite Zutat, Koriander, gibt es verschiedene Quelle. Und meine Quelle, die ich auch immer dann zitiere, ist die, dass das Salz nur dazugegeben worden ist, um den Geschmack von Malz und Hopfen zu verstärken. Dass das Wasser recht salzig war, kann ich so nicht bestätigen. Was ich sagen kann, ist zum Beispiel, die Gose hat ja ihren Namen von dem Fluss Gose und dieser Gose-Fluss, der kommt aus dem Oberharz. Und kurz vor Goslar, bevor die verseuchten, schmutzigen Abzugswässer aus dem Bergbau gekommen sind und in die Gose flossen, die Abzug fließt in die Gose, wurde die Gose in einen Kanal durch die Stadt Goslar gelegt und dieses Wasser war sehr rein, weil es eben nicht belastet war durch die Bergbauabwasser. Und aus diesem Kanal, Gose-Kanal, wurde dann das Wasser zum Bierbrauen verwendet. Aber auch reichere Haushalte, die sich leisten konnten, in sogenannten Piepen, ausgehöhlten Baumstämmen, das Wasser in den eigenen Haushalt zu führen, hatten die Möglichkeit, das Wasser direkt ins Haus zu bekommen. Und aus diesem Gose-Kanal wurde eben das Wasser zum Bierbrauen verwendet. Und das war relativ rein und ob es salzhaltig war, kann ich jetzt so nicht bestätigen.

Markus: Okay, ja, wie gesagt, es gibt ja wie bei ganz vielen anderen Bierstilen auch, eine Menge Mythen, die sich darum ranken, insofern, ja, spannend. Gibt es diesen Kanal noch oder ist der heute überbaut?

Odin Paul: Der ist überbaut, der ist im Pflaster drin, in den Straßen und Wegen. Teilwiese sogar noch angedeutet durch sich abhebende Bepflasterung, das sind dann kleinere rote Steine, die kann man dann in dem ganz normalen Kopfsteinpflaster sehen, aber nur teilweise noch.

Markus: Also nochmal ein Grund, warum man auch nach Goslar mal kommen sollte, um sich das so ein bisschen anzuschauen. Ja, nun hast du die beiden Biere mir auch geschickt und wir haben hier jetzt ein Helles und ein Dunkles. Also das finde ich auch schon mal sehr spannend, dass es die Gose eben nicht nur in einer Variante gibt, sondern in zweien. Und, ja, nun verkosten wir die gerne auch gemeinsam. Mit welchem würdest du denn gerne anfangen, mit dem Hellen oder mit dem Dunklen?

Odin Paul: Fangen wir mit dem Hellen an, weil die Röstaromen im Dunklen, würde ich dann gern danach einfach mal verkosten.

Markus: Okay, also, dann machen wir mal auf. So! So, also schon mal ein sehr, sehr schönes Bier, also allein von der Optik her. Es hat so einen ganz tollen rotorange Glanzschimmer, der mir so entgegen strahlt. Ich habe jetzt so den Anfang der Falsche eingeschenkt, das ist sehr klar, also ich kann da quasi durchschauen. Oben drauf dann ein richtig schöner feinporiger weißer Schaum. Und, ja, jetzt rieche ich mal kurz dran. Ah, ja, das ist erstaunlich blumig, also da habe ich viele so florale Noten, dann kommt auch der Koriander rüber, richtig schön Gewürzaromen. Ein bisschen Citrus vielleicht auch, ein bisschen rote Beeren und wie gesagt, auch so richtig blumige Aromen. Hast du das auch so in der Nase?

Odin Paul: Habe ich auch so in der Nase. Was mir genau wie dir als Erstes auffällt, ist, dass das Bier doch recht klar ist. Also der Tank liegt schon ziemlich lange, von dem diese Flaschen sind und, ja, bei uns hier in der Gastronomie, wo wir es ja auch ausschenken, da ist es mal ein bisschen trüber, mal ein bisschen naturgeklärter. Also das wechselt da so ein bisschen, also wir haben da nie die gleiche sozusagen Klarheit oder Glanzfeinheit im Bier.

Markus: Ja, muss ja auch nicht, also ist ja ein ursprüngliches Bier und das ist ja, grundsätzlich gesehen mal, ein unfiltriertes Bier. Also ich bin wirklich mit dieser blumigen Nase, das ist ein sehr schönes Spiel, also wenn man sich so Wildrosen vorstellt und dann eben noch so Koriander, das ist so ein bisschen die Kombination. Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit, ich nehme mal einen Schluck. Prost! Sehr schön! Also da geht es weiter, es ist weiterhin dieses Blumige, sehr Florale. Fast so wie Jasmintee, finde ich. Dann hat man diese Koriandernoten, ganz leicht was Salziges, aber sehr, sehr reduziert. Auch wenig Säure, muss ich sagen, hätte ich jetzt, ehrlich gesagt, ein bisschen mehr erwartet. Es ist sehr, also nicht, dass es sein muss, aber einfach, wenn mir jemand sagt, hier Gose, hätte ich einfach erwartet, dass es saurer ist. Aber ist super schön zu trinken und hinten raus eine deutliche Bittere. Also auch wieder eine, die einen jetzt nicht erschlägt, aber die sehr präsent ist, die danach den Mund auch sehr schön austrocknet, sodass ich auch danach wieder fast auf null gestellt bin und auch Lust bekomme auf den nächsten Schluck. Also sehr interessant, spannende Geschichte. Ist das ein Rezept, was du weiter ausgefeilt hast, wie hast du es übernommen?

Odin Paul: Ja, Markus, also ich habe das eigentliche Rezept von Herrn Wagenführer übernommen und das ein wenig verändert. Ich habe zum Beispiel den Weizenanteil erhöht, ich habe die Salz- und Koriandergabe erhöht. Wobei man ja sagen muss, das sind ja alles Naturprodukte und auch, wenn wir immer die gleiche Menge an Koriander und Salz gebe, so ist trotzdem mal die Koriandernote ausgeprägter und mal nicht. Und jetzt, finde ich auch, dieses leicht Zitronenartige ist klar zu erkennen und diese Bitterheit, diese ausgeprägte Hopfennote am Ende, die fällt mir jetzt auch bei diesem Sud extrem auf. Das ist es nur manchmal so, dass das Zitronenartige vom Koriander, ich möchte fast sagen, das Seifenartige, wenn es mal da zu extrem wird, über dieser Bitterkeit eben liegt und diese Hopfigkeit kann man dann gar nicht so wahrnehmen. Aber bei diesem hier, muss ich sagen, das ist echt toll. Weil, ich finde es toll, wenn die Gose eben auch noch so eine ordentliche Hopfennote hat. Und das hat dieses hier wirklich sehr, sehr gut, muss ich sagen.

Markus: Ja und auf jeden Fall ein richtiges Trinkbier. Also ich kann mir gut vorstellen, da im Gasthaus zu sitzen und da eben drei, vier schön davon gemütlich wegzutrinken. Es ist ein verhältnismäßig leichtes Bier mit so 4,7. Also leicht ist relativ, aber halt jetzt kein Starkbier oder so. Und 30 Bittereinheiten, steht auf der Flasche, das merkt man ja da auch. Ich denke, dass der Saphirhopfen vielleicht auch mit dieser Citrusnote, die der ja sowieso hat, da vielleicht auch ein bisschen sich verbindet mit dem Bier, oder?

Odin Paul: Richtig. Und ich bin in ganz großer Fan von dem Saphir und genau deswegen geben wir ihn auch, damit da schon so eine gewisse Frische kommt und eine kleine zitronenartige Note. Das hat der Saphir, der ist echt einer unserer Lieblingshopfen. Der Bitterhopfen, den wir nehmen, ist die Perle, von dem ich auch ein ganz großer Fan bin. Ist ein sehr konservativer Hopfen eigentlich, aber den nehmen wir als erste Hopfengabe und in der zweiten Hopfengabe, die wir dann auch fünf Minuten vorm Ausschlagen nehmen, da kommt der Saphir dazu, zusammen mit dem Salz und Koriander.

Markus: Also wirklich spannend. Darfst du denn verraten, wie viel Salz da ungefähr drin ist oder willst du lieber nicht? Also wir wollen hier keine Betriebsgeheimnisse verraten.

Odin Paul: Da habe ich kein Problem mit. 1.200 Liter schlagen wir mit einem Sud aus, heize Würze und da geben wir 500 Gramm Koriander, gemahlen und 500 Gramm Salz dazu.

Markus: Danke schön! Das wäre jetzt auch nochmal eine Frage gewesen, beim Koriander sind es dann die Samen, die da zugibt?

Odin Paul: Die gemahlenen Samenkörner, genau. Die Körner selber, die haben zwar auch, wenn man drauf beißt, eine schöne Zitronennote, allerdings sind geben die nicht so ihren Geschmack beim Bierbrauen ab und da sind die gemahlenen Samenkörner, so ein braunes Mehl eben, deutlich besser. Aber eben, schwankt auch, weil es ein Naturprodukt ist, manchmal haben wir da eine ausgeprägtere Koriandernote und mal eben ein bisschen weniger.

Markus: Und wenn ihr da so ein bisschen in die Geschichte zurückschaut, ist auch der Koriander schon immer da gewesen oder gab es da vielleicht so Kräutermischungen? Und hat sich Goslar selber versorgt, hat es vielleicht eigene, ich sage jetzt mal, Hopfengärten gehabt oder wie muss ich mir das vorstellen, auch so in der früheren Zeit, wie die Gose so entstanden ist?

Odin Paul: Also was den Hopfen angeht, ist hier nur 20 Kilometer weiter nördlich, in Hornburg ein sehr, sehr bekanntes Hopfenanbaugebiet gewesen, bis 1800, 1850 ungefähr. Noch weiter nördlich, Braunschweig, war auch ein sehr bekanntes Hopfenanbaugebiet, Braunschweig, Helmstedt rüber, das allerdings auch so 1800, 1850 stillgelegt worden ist. Aber da hatte man eben die Möglichkeit, den Hopfen her zu bekommen. Was den Koriander angeht, Goslar gehörte zur Hanse und war damit natürlich gut verbunden mit verschiedenen Märkten und konnte Gewürze, Kräuter beziehen. Man hat vorher, bevor man sich auf Salz und Koriander festgelegt hatte, viele Brauversuche, Sude gemacht mit Zimt, Anis, Kümmel, Ingwer, man hat einiges ausprobiert und geblieben ist man dann beim Salz und Koriander. Und da habe ich die ältesten Quellen, sind so von 1500, 1520, wo man sagte: „So, jetzt wurde da nur noch Salz und Koriander verwendet.“

Markus: Das finde ich sehr spannend, weil die Hanse ja als Handelsverbund Bier wirklich als Hauptexportgut für sich auch hatte und da ja Unmengen nach ganz Europa exportiert hat und für sich ja auch den Hopfen entdeckt hat so als Pflanze, um das Bier haltbar zu machen. Letzten Endes auch ein bisschen, um zu sparen, weil, vorher hat man Haltbarkeit halt mit viel Alkohol erreicht. Und wenn ich das dann mit Hopfen machen kann, dann muss ich nicht mehr ganz so viel Malz nehmen, das macht es natürlich auch ein bisschen günstiger. Da finde ich es ganz interessant, da hat Goslar ja so ein bisschen eine Sonderrolle gespielt, wenn man sagt, wir haben jetzt praktisch doch noch ein Biergewürz und machen da unseren eigenen Stiefel sozusagen. Weiß man denn, inwieweit Goslar sein Bier exportiert hat?

Odin Paul: Ja, das war erst mal hier in der Gegend sehr beliebt. Als es im Oberharz noch gar keine Brauereien gab, wurde das Goslarische Bier schon in den Oberharz exportiert, transportiert, bis dann die Oberharzer anfingen, selber Brauereien zu gründen in Zellerfeld, in Clausthal, in Lautental, in Altenau zum Beispiel. Diese Brauerei gibt es ja Gott sei Dank immer noch! Das war hier in der näheren Umgebung. Dann wurde das Bier tatsächlich auch exportiert von Hamburg bis nach Wien, von Sachsen bis nach Belgien in der Blütezeit der Gose. So zwischen 1400 und 1700 war das der Fall und wurde hier in Goslar sogar von über 380 sozusagen Braugerechtsamen hergestellt. Das waren Inhaber von Braugerechtigkeiten. Und weshalb wurde das Bier soweit exportiert, denn es gab ja auch andernorts Brauereien? Weil einfach nach einem kurzen heftigen Krieg zwischen der Stadt Goslar und dem Herzog von Braunschweig und Wolfenbüttel, den die Goslarer verloren haben, alle Einnahmen aus Forst und Bergbau, und das war natürlich hier in Goslar die Einnahmequelle, an diesen Herzog fielen. Und da musste man sich was anderes ausdenken, wie konnte das Geld in den Stadtsäckel wieder kommen? Und da hat man gesagt: „Okay, dann exportieren wir eben unser Bier, wir brauen mehr Bier“, deswegen auch so viele Brauherren. Und das Bier wurde dann eben von Hamburg bis nach Wien, von Sachsen bis nach Belgien exportiert. Und in dieser Zeit, in der es exportiert wurde, entstanden auf dem Transport, auf dem Exportweg, also zum Beispiel Halberstadt, Aschersleben, Dessau, Leipzig, dorthin, eigene Brauereien und die haben dann auch angefangen, selber die Gose zu brauen. Deshalb ist die Gose zwar ursprünglich aus Goslar, aber es gibt nur Matthias Richter im Bayrischen Bahnhof in Leipzig, der die Gose herstellt, sondern es gab eben auch eine Zeit, wo die Gose in anderen Orten auch hergestellt worden ist.

Markus: Ja, heute ist es sogar eine globale Erscheinung, muss ich sagen. Also ich habe auch schon in Brasilien, wenn ich da war zum Beispiel, um Biere für einen Wettbewerb zu verkosten, da gab es dann auch Gose. Lustiger Weise nehmen die da natürlich alles Mögliche, was man so im Regenwald findet und tun das dann auch in dieses Bier. Und dort geht es weniger wie jetzt hier auch um die Trinkbarkeit, sondern da geht es dann um die Extreme, das heißt, da sind die dann oft sehr sauer oder sehr salzig oder repräsentieren dann halt irgendwelche verrückten Zutaten. Also ich erinnere mich an eines, das hatte dann praktisch den Geschmack so von Mix Pickles, wie man das so aus England kennt, also ganz spannend. Du hast es grad erwähnt, es gibt ja diesen anderen, in Anführungsstrichen, großen Namen für Gose, nämlich Leipzig und dort gibt es ja, weil es vor Ort gebraut wird, die Gose von Matthias Richter. Jetzt nicht um zu sagen, das ist besser oder schlechter, aber wenn du einfach so sagst, vom Unterschied her, hat das für dich auch historische Gründe oder denkst du, also da ist es, glaube ich, insgesamt ein bisschen gleichzeitig süßer und saurer, ja, siehst du da andere Zielrichtungen oder wie hast du für dich das festgelegt?

Odin Paul: Nee, da sehe ich schon die historischen Gründe als ausschlaggebend. In dieser Blütezeit der Goslarischen Gose wurde sie ja hier in Goslar verkauft, um den Kirchturm herum, sage ich mal. Es gab eine Reihe Brauverfahren, jede durfte brauen, nacheinander wurden Zeiten vergeben, damit auch jeder die Chance hatte, das Bier zu verkaufen. Da konnte das Bier gar nicht alt werden, gar nicht sauer werden. Und deshalb war das Bier hier in Goslar auch nicht sauer, wie andern Orts eben auch ja keine mit Absicht sauren Biere hergestellt worden sind. Durch diesen Export erst, diese langen Transportwege mit Pferdefuhrwerk, tagelang, Wochen vielleicht sogar unterwegs, konnte es eben sein, dass die Gose beim Konsumenten in Leipzig, in Sachsen, irgendwo eben sauer angekommen ist und trotzdem hat man es getrunken, aber es konnte eben, musste nicht unbedingt, aber es konnte sauer geworden sein. Und das macht sich der Matthias beziehungsweise der Bayrische Bahnhof, im Allgemeinen aber auch andere Produzenten, die Döllnitzer Ritterguts Gose zum Beispiel ja auch, zu Nutze und sagen: „Nee, wir kennen das Bier nicht anders. Beim Odin in Goslar ist es nicht sauer, aber bei uns kam es immer sauer an, wir produzieren es sauer.“ Und deshalb, Bayrischer Bahnhof und die Döllnitzer eben, die das dann eben mit einer sauren Note, mit einer Milchsäure beim Maischen, schon herstellen.

Markus: Also das finde ich jetzt extrem faszinierend und auch eine tolle Geschichte und erinnert mich nochmal an Brasilien. Weil, was ich ganz spannend fand, natürlich gibt es dort auch jede Menge Brauereien, die zum Beispiel die modernen amerikanischen Bierstile nachbrauen, also Pale Ales, IPAs. Und so und dann haben wir uns im Wettbewerb gewundert, warum fast alle dieser Biere den bei uns als Fehlgeschmack bekannten Geschmack von einer Oxidation hatten. Und dann haben wir mal ein bisschen nachgeforscht und auch die Brauer gefragt und dann war das derselbe Effekt. Weil, wenn die die Biere aus Amerika importiert haben, dann hatten die halt schon drei, vier Monate mindestens auf dem Buckel, bis die überhaupt da waren, wurden da zwischendurch erhitzt und was weiß ich was alles, das heißt, die kamen in der Regel oxidiert an. Und dann haben die Brauer das verkostet und haben dann gemerkt oder gedacht, das gehört so und haben dann tatsächlich in ihrem Prozess diesen Geschmack auch rekreiert sozusagen, also reproduziert. Und das kann man dann ja so praktisch auch sehen, dass dann die Leipziger gesagt haben: „Gut, bei uns ist es eben säuerlich und dann müssen wir das auch so machen“ und haben dann einen Weg dafür gefunden, sehr witzig.

Odin Paul: Ja, witzig.

Markus: Spannend. Okay, also dann würde ich sagen, probieren wir doch noch Nummer zwei, hier die dunkle Gose. Da mache ich jetzt gleich mal auf, so. So! Und ich muss auch sagen, ich habe die jetzt beide mit viel Respekt aufgemacht, weil die letzten Chargen, die ich hatte, hatten ganz schön Druck. Aber die sind jetzt total brav, sehr geschmeidig. Und, ja, wenn man sich das Ganze anschaut, ist meins jetzt ein bisschen trüber, was aber den Bierschimmer sogar noch ein bisschen erhöht, also ist richtig geheimnisvoll. Es ist jetzt, ja, so rot, gold, würde ich sagen, bräunlich, aber mit einem ganz schönen eben Schein drin. Oben drauf haben wir jetzt auch wieder so einen schönen Schaum, der jetzt aber ein bisschen getönt ist. Klar, haben wir jetzt auch dunkle Malze mit dabei. Und, ja, jetzt rieche ich mal rein. Also vom Geruch her ist es ähnlich, also auch wieder dieses Florale und ein bisschen der Koriander, aber das wird jetzt abgerundet mit so ein bisschen karamelligen Noten. Also da kommen dann tatsächlich die dunkleren Malze ein bisschen rüber. Ich würde auch sagen, ein bisschen nussig. Ja, sehr spannend, auch die roten Beeren sind alle wieder da. Hast du da andere Zutaten jenseits des Malzes drin oder ein anderes Verhältnis? Oder wie geht es dir überhaupt mit der Nase, entschuldige?

Odin Paul: Also ich sehe das genauso wie du, rieche das genauso wie du. Da nehmen wir ein Röstmalz und ein Kara-Dunkel. Ansonsten sind die Zutaten genau dieselben, auch was die Koriander- und Salzmenge angeht und Hopfen auch.

Markus: Also sehr interessant! Bei mir kommt jetzt das Salz intensiver rüber, also das habe ich jetzt hier mehr als in dem anderen. Dafür kommt mir die Bittere ein bisschen wenige stark. Und ich habe auch den Eindruck, dass ich so eine leichte säuerliche Note, die aber wahrscheinlich in dem Fall jetzt von den Röstmalzen kommt, auch mit dabei habe. Also insgesamt vom Geschmack her noch ein bisschen komplexer, noch in viel mehr verschiedene Richtungen, nicht weniger drinkable sozusagen. Also es ist sehr schön, auch angenehm. Ich bin ja generell ein Fan der dunklen Biere und finde es eigentlich toll, wie grade dieses Röstige, Nussige sich mit diesem Gewürzigen schön verbindet. Kann ich mir auch super gut zu vielen Gerichten vorstellen, auch zu asiatischen Gerichten zum Beispiel, aber auch zu so einem Klassiker. Ich weiß nicht, was isst man denn bei euch in Goslar so typisch, wenn man ins Wirtshaus geht, was muss man probiert haben?

Odin Paul: Also bei uns im Brauhaus läuft der Goslarer Bierbraten am besten mit einer dunklen Gose-Bier-Soße, und da verwenden wir auch tatsächlich das dunkle Gose-Bier. Wir haben einige Harzer-Gerichte, sind dafür auch ausgezeichnet mit regionalen Zertifikaten, aber auch als typisch Harz zertifiziert, mit dem ganzen Restaurant und den Bieren. Und deshalb haben wir eben Harzer Gerichte viel und auch, ja, die Klassiker dürfen nicht fehlen, ein Jäger schnitzel kommt dann gleich an Nummer zwei, hinter dem Bierbraten, aber eben auch sowas wie Hackus und Kniste oder warmen Linsensalat an Birnenspalten können wir hier auf der Karte finden, was alte Gerichte hier aus dem Harz und aus Goslar sind.

Markus: Also bei dem Vorletzten bin ich etwas ausgestiegen, Pakus und Kniste, ist das richtig, was ist das?

Odin Paul: Hackus, Gehacktes, das ist im Darm hergestellt, Hackfleisch, gepresst zu einer Wurst und das wird in Scheiben angeboten. Und eine Kniste gibt es dazu. Das ist eine, umgangssprachlich sagt man, eine Ofenkartoffel. Das ist eine große Kartoffel, die in der Mitte geteilt wird, in der Pfanne gebacken und danach noch mit Gewürzen bestreut. Und das gibt es dann entweder mit Kräuterschmand oder eben nur Hackus dazu oder als Beilage zu einem schönen Harzer Höhenviehgericht. Und, ja, das ist so auch ein Harzer Urgericht.

Markus: Wahnsinn! Also jetzt kriege ich auch noch richtig Hunger. Nochmal ein Grund, mal bei auch aufzuschlagen, sehr, sehr spannend. Wie geht es dir mit dem Geschmack, siehst du da auch so ein bisschen den Unterschied zum Hellen, wie ich es grad so beschrieben habe?

Odin Paul: Ja, sehe ich genauso. Ich finde auch, trotz des Röstmalzes, trotz des Kara-Dunkel, wie du es gesagt hast, sind da auch florale Noten zu erkennen. Das finde ich immer wieder faszinierend an der dunklen Gose. Und, normalerweise, jetzt bei dieser Charge merkt man es nicht so, ist bei der dunklen Gose, und ich weiß nicht warum, dieses Zitronige, dieses Seifige vom Koriander noch ausgeprägter. Und wir nehmen übrigens die Gose, die dunkle, sehr, sehr gern zum Stopfen, weil bei der dunklen Gose noch mehr die Noten dieser Hopfenöle zur Geltung kommen. Wir machen da einige Versuche immer mit verschiedenen Hopfensorten, auch immer wieder neuen Hopfensorten, die angeboten werden, da machen wir immer so kleine Chargen nur. Und das kommt bei der dunklen Gose viel besser zur Geltung als bei der hellen Gose. Ich kann es mir nicht erklären, denn das Röstmalz ist ja schon, wie du es ja auch selber gesagt hast, im Gegensatz zur hellen Gose, deutlich dominanter. Und diese Toffee-Röstmalznoten sollten ja eigentlich dann so einen Geschmack vom Koriander überdecken. Aber, nee, ist genau das Gegenteil der Fall. Normalerweise ist die dunkle Gose, ja, viel ausgeprägter vom Koriandergeschmack als die helle.

Markus: Auf jeden Fall ein sehr, sehr feines Bier, also mag ich auch gerne. Und ich wüsste jetzt gar nicht, wenn ich mich entscheiden müsste, wäre ich jetzt gar nicht sicher, welche ich lieber mag. Aber auf jeden Fall beide tolle Biere, also Gratulation schon mal an dieser Stelle! Freue ich mich schon drauf, wir werden die demnächst auch im Sommelierkurs verkosten. Da bin ich schon gespannt, denen dann auch ein bisschen was erzählen zu können und auf unseren BierTalk verweisen, der bis dahin Online sein wird. Vielleicht noch eine Frage, bei der Berliner Weisse zum Beispiel ist ja so, dass man die auch früher gerne länger gelagert hat, bevor man sie dann ausgeschenkt hat. Kennst du das aus der Gose auch, also gab es da auch Lagerung oder habt ihr sowas schon mal probiert, ob das sich verändert in der Lagerzeit?

Odin Paul: Ich habe tatsächlich mit meinem Brauer Arne jetzt vor einem Dreivierteljahr damit angefangen. Wir haben im Frühsommer letzten Jahres eine neue Abfüllanlage installiert hier, wir füllen jetzt mittlerweile nur 0,33-Liter-Flaschen ab, vorher waren wir ja bei den halben Litern. Und mit dieser neuen Abfüllanlage haben wir Rückstellproben zurückgelegt und wollen die dann immer so alle paar Monate oder Jahre auch, wir haben da ausreichend zurückgelegt, dann eben verkosten. Vorher haben wir das noch nicht gemacht, deshalb kann ich dazu nichts sagen. Ich hatte allerdings, ganz witzig, ich hatte auch, ich glaube, im Sommer, bin ich zufällig an eine Londree Weisse aus Berlin gekommen, die Ewigkeiten beim Nachbarn im Fachwerkhaus im Keller lagen. Und die habe ich dann auch mal verkostet, ich weiß nicht, über 40 Jahre alt! Und die fand ich, ja, schon sehr, sehr ausgewogen und ein bisschen säuerlich war sie auch, aber es war ja wirklich ein ganz, ganz tolles Bier! Von daher freue ich mich auf die Langzeitproben, die wir da mit der Gose zu haben werden dann vielleicht Ende nächsten Jahres.

Markus: Na, da müssen wir da nochmal eine Wiederholung aufnehmen oder ein Nachfolge-Podcast, da bin ich mal gespannt, was du da erzählst. Ja, also bei der Berliner Weisse kenne ich das auch. Ich habe vor vielen Jahren ja mal ein Buch geschrieben über alle Berliner Brauereien und dann haben wir eine Pressekonferenz gemacht und dafür hatte ich bei eBay auch so eine alte Kiste Londree Weisse ersteigert aus den 70ern, Anfang der 70er. Und die haben wir dann bei dieser Pressekonferenz aufgemacht. Und das war natürlich eine Show an und für sich schon, aber eben auch sensorisch ein Erlebnis, wie ausgewogen, wie harmonisch diese wirklich uralten Biere waren. Also tolle Geschichte, da bin ich mal gespannt. Was mit bei Matthias Richter mal begegnet ist, der hat ja zum Beispiel einen Gosiator auch schon gebraut, also ein Doppelbock aus der Gose. Habt ihr das auch schon mal probiert, so in die Starkbierrichtung was zu tun?

Odin Paul: Ja, aber nicht auf Gose-Basis, da sind wir ganz konservativ beim Maibock und beim Doppelbock, ohne Salz und Koriander. Habe den Gosiator von Matthias aber auch schon probiert und finde den sehr gut, sehr gelungen. Wir sind da, was die Bockbiere angeht, aber da ein bisschen konservativer aufgestellt.

Markus: Ja, muss ja auch nicht. Also den Gosiator, hatte er mir damals eine Falsche geschenkt. Ich muss aber zugeben, ich habe die immer noch im Keller. Also es gibt da so Biere, die hat man im Keller, die warten immer auf den richtigen Moment und irgendwie kommt der nie. Also ich glaube, demnächst muss ich die mal aufmachen. Ja, was ich noch auf eurer Seite gesehen hab, ist, ihr macht ja mit den Gosen auch Mischgetränke sozusagen. Also das gibt es mit Banane oder mit Cola oder mit Früchten oder Limo oder Sirup. Sind das auch so Geschichten, die man von früher her kennt oder von euch eher so moderne Adaptionen?

Odin Paul: Das sind moderne Adaption, das ist das, was der Konsument haben möchte. So ein Krefelder, sage ich mal, so ein Bier mit Cola, das bieten wir hier an. Eine Bowle, es gibt ja eigentlich eine Altbier-Bowle, da machen wir die dunkle Gose eben mit Früchten. Das sind Adaptionen an die Neuzeit sozusagen einfach, weil der Kunde es haben möchte, der Gast es haben möchte.

Markus: Stelle ich mir trotzdem sehr spannend vor, das muss ich, glaube ich, auch mal probieren. Und vielleicht noch eine Frage, viele Leute assoziieren mit der Gose ja auch diese Flasche mit diesem typischen langen Hals. Ist das eher eine Leipziger Nummer oder gab es sowas in Goslar auch?

Odin Paul: Das gab es in Goslar auch, ich hatte da auch einige Paletten mal abgefüllt. Ist auch wirklich eine ganz flippige Geschichte, finde ich. Und Matthias macht das ja immer noch und die exportieren ja sogar ihre Gose bis in die USA, also das ist ja wirklich da ein Verkaufsschlager. Das hat ja den einfachen Hintergrund, dass die Gose abgefüllt worden ist im Mittelalter in diese Flaschen, die obergärige Hefen in diesen langen Flaschenhals nach oben gestiegen ist, dort einen natürlichen Pfropfen bildete. Und der Wirt hat ja dann beim Ausschank diesen Pfropfen durch eine zackige Handbewegung aus dem Handgelenk sozusagen geschlagen und der Pfropfen fiel auf den Boden und dann konnte dann eben aus dieser Flasche erst getrunken werden beziehungsweise konnte aus dieser Flasche ausgeschenkt werden. Und deshalb lagen ganz viele Pfropfen dann in diesen Gosen-Schänken auf dem Boden. Die wurden dann abends nach Zapfenstreich dann zusammengefegt und, ja, entsorgt. Und das ist allerdings wirklich etwas, wo ich Quellen nur gelesen habe, die sich dann in Leipzig abgespielt haben.

Markus: Ja, auf jeden Fall auch interessant, was man da in solche Richtungen noch früher so alles getrieben hat. Ja, du hast fünf Kinder, wie viele davon sind mit Gose aufgewachsen?

Odin Paul: Tatsächlich dürfen nur zwei davon Bier trinken, der eine ist 16, der andere 25. Der Älteste ist übrigens auch gelernter Brauer und Mälzer, also da haben wir schon mal einen in die richtige Richtung hinbekommen. Und die nachfolgenden Jungs arbeiten schon hier in der Gastronomie mit. Also da erfahre ich ganz tolle Unterstützung.

Markus: Ja, Wahnsinn, also der Bilderbuchlebenslauf geht weiter, ich bin echt total begeistert, sehr schön. Ja, hast du noch Beziehungen zu deiner alten Brauerei, zu der Altenauer, wo du herkamst?

Odin Paul: Unbedingt, auch wenn die seit 2003 recht durch wechselhaftes Fahrwasser gefahren sind mit Besitzerwechseln und Braumeisterwechseln sind sie jetzt auch erst wieder seid, ich glaube, Mai oder April letzten Jahres in neue Hände gekommen, in die Hände eines Braumeisters Kilian. Aus Bamberg übrigens kommt der Knabe.

Markus: Sehr gut.

Odin Paul: Und, ja, der macht das sehr ordentlich und die Verbindung ist wirklich sehr intensiv. Nicht nur, dass ich gern Malzbier und alkoholfreies Bier hier in meinem Brauhaus verkaufe, ich brauche auch immer mal wieder technologische Unterstützung, und sei es nur, dass ich meine Fässer dort waschen lassen darf oder eben auch Leergut, weil ich keine Flaschenwaschmaschine habe, auch Leergut waschen darf dort, ist das wirklich ein tolles Miteinander weiterhin.

Markus: Das ist immer gut zu hören, wenn die Brauer zusammenarbeiten, sehr schön. Vielleicht zum Abschluss noch eine Frage, ich habe auch gesehen, ihr habt ja, wie du schon gesagt hast, diese saisonalen Spezialitäten, jetzt grade gibt es eine Schoko-Gose. Das würde ich ja wirklich total gerne mal probieren, aber so schnell werde ich es vielleicht nicht schaffen, aber, das ist spannend. Hast du vielleicht so einen kleinen Ausblick für unsere Hörer, was wir im Jahr, vielleicht noch dieses Jahr, an Spezialitäten bei euch zu erwarten haben, dass sie sich ein bisschen freuen können auf ihren Besuch?

Odin Paul: Also, da ich davon ausgehe, dass wir ab Mitte April, Anfang Mai, wieder sowas Ähnliches wie Normalität hier in Deutschland bekommen, werden wir auch erst ab Mai wieder Saisonbiere herstellen, also beginnend mit dem Maibock. Das Märzen-Bier würden wir, wie der Name ja schon sagt, im Märzen ausgeschenkt, was wir im Märzen anbieten wollen, dieses Jahr leider wegfallen lassen, weil der Umsatz in der Gastronomie einfach so weggebrochen ist oder eingebrochen ist. Und deshalb fangen wir mit dem Maibock an, dann im Sommer einige Biere wieder stopfen mit verschiedenen Hopfensorten. Und dann kommt eins der beliebtesten Saisonbiere, der Rote Oktober, im Oktober, mit einem Rotmalz hergestellt, bevor wir dann kurz vor dem Weihnachtsmarkt hier in Goslar mit dem Doppelbock da weitermachen. Zwischendurch immer wieder Biere stopfen und eben auch was anderes uns ausdenken. Also wir wollen mal wieder Stacheln, das haben wir lange nicht gemacht. Das würden wir wahrscheinlich jetzt nochmal im Februar anbieten, das ist immer so ein kleiner Hingucker für die Gäste. Ja und dann mal gucken, ich hoffe, dass das dann im nächsten Jahr aber dann wieder relativ normal läuft und wir all unsere Saisonbiere herstellen können, wie wir so auf dem Plan haben.

Markus: Ja, das hoffen wir alle, dass es möglichst bald wieder in eine normale Schiene zurückläuft. grade in der Gastronomie, grade für die Brauereien. Und wir werden natürlich auch für die Hörer verlinken, dass man bei euch, brauhaus-goslar. de, diese Biere auch bestellen kann, also es gibt einen Shop und man kann eben auch vorbeikommen. Und ich muss auch sagen, ich bin dir da sehr dankbar, du bist der erste lebendige Mensch mit dem Namen Odin, den ich kennengelernt habe und dann gleich noch so ein netter und liebenswerter wie du, das ist wirklich ganz toll. Und du hast jetzt eins noch unterschlagen, euer Doppelbock trägt ja auch einen tolle Namen, nämlich Odinator. Also da freue ich mich auf jeden Fall auch schon drauf. Für heute vielen, vielen Dank für die Infos, dafür, dass du die Zeit hattest, dass wir die Biere verkosten konnten. Und dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag und wir haben ja Ende der Woche, also eine schöne Restwoche und einen guten Start ins Wochenende.

Odin Paul: Markus, vielen, vielen Dank für das Gespräch. Zum Ende noch mein alter Werbespruch über die Gose aus dem Mittelalter, aus der Zeit, als sie bis nach Leipzig exportiert worden ist. Es ist ein hurtig Bier, die Goslarische Gose, man denkt, sie ist im Bauch, da ist sie in der Hose, Gosianer, tschüss.

Markus: Tschüss.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk English 2 – Talk with Shachar Hertz, owner of Israels largest Beer Shop and Beer Education Centre from Tel Aviv

Shachar Hertz grew up in Israel and found his love for beer when he moved to New York for college. There, at the beginning of the new millennium, the craft beer craze was just getting rolling, so he transferred to UC Davis in California and graduated with a degree in Brewing and Packaging. Back in Israel, he wanted to open a brewery, but decided to open a beer store and a small beer school where he teaches hobby brewers how to brew beer. Along the way, he started a second career as an International Beer Judge. In our podcast episode, Shachar tells his story and reports on the emerging beer market in Israel…

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Zusammenfassung auf Deutsch:

Shachar Hertz wuchs in Israel auf und entdeckte seine Liebe zum Bier während seines Studiums in New York. Dort erlebte er den Anfang des Craft-Beer-Booms und entschied sich, an der UC Davis in Kalifornien Brauerei und Verpackung zu studieren. Zurück in Israel gründete er statt einer Brauerei ein Biergeschäft und eine kleine Bierschule, wo er Hobbybrauern das Bierbrauen beibringt. Außerdem begann er eine zweite Karriere als internationaler Bier-Richter.

Hertz diskutiert auch die aufkommende Bierszene in Israel. Er bemerkt, dass Israelis zunehmend neue Biergeschmacksrichtungen entdecken und sich von ihren gewohnten Bieren abwenden, um Craft-Biere zu erkunden. Es gibt etwa 20 kleine Craft-Brauereien in Israel, von denen die meisten traditionelle Bierstile brauen, obwohl Hertz sich mehr Experimentierfreude wünscht. Viele Israelis lernen das Brauen zu Hause und Hertz bietet Kurse und Seminare an, um zukünftige Craft-Brauereien zu unterstützen. Außerdem diskutiert er die Herausforderungen und Möglichkeiten des Imports ausländischer Biere nach Israel und die Beteiligung von Arabern an der Bierkultur, wobei muslimische Araber auf alkoholfreie Biere angewiesen sind.

Hertz spricht auch über die Entwicklung von Bierpaarungen mit Essen in Israel, den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Bierszene und die Bedeutung der Kühllagerung in Israels warmem Klima. Trotz des Fehlens offizieller Bierschulen in Israel betont Hertz die Wichtigkeit der Bierbildung und hofft, dass sich das bald ändert. Er teilt seine Erfahrungen mit internationalen Bierreisen und Bierwettbewerben und äußert den Wunsch, irgendwann seine eigene Brauerei zu eröffnen​​.

 

Interviewtext:

Markus Raupach: Hello, and welcome to our podcast, BierTalk. Today we record the second episode of our English podcast. And we make a little journey to the Near East, as we say. We go to Israel and meet a dear friend of me, Shachar Hertz, who owns the largest beer store in the country, is also an international beer judge and we meet quite often somewhere in the world. And so I’m very happy to welcome you in the podcast, and maybe you introduce yourself a little bit to the listeners.

Shachar Hertz: Thank you very much, Markus. It’s a pleasure to be here. So I’m Shachar Hertz. I am from Israel. I’m Israeli. I’m one of the local beer experts. And as Markus said, I’m also a beer judge and an owner of a company called Beer and Beyond, which is the largest beer shop and beer school in Israel. I’m also doing some beer tours around the world from time to time and mostly I deal with educating the Israeli people about beer, how to appreciate it, how to know more about it, and hopefully, how to drink a bit more.

Markus Raupach: For us, it sounds a little bit uncommon that people in Israel are drinking beer or in larger scale. So how did you yourself come into the beer thing? And what do you think about the Israeli beer scene?

Shachar Hertz: Well, as a classic Israeli, I was also a bit into alcoholic beverages as a younger person, but beer was not one of my favourite drinks growing up. And when I say growing up, I of course, don’t mean growing up as a kid, but growing up as an adult. But I happened to move to the United States when I was 25 and spend five years in New York. And in those years, which was the early 2000, I was exposed to the amazing craft beer revolution that was going on back then. And I completely fell in love with beer while living in the States. This is also where I went deeply into this hobby. It was a hobby at the beginning, but pretty fast, it became something that I really wanted to do professionally.

So I went to school at UC Davis, in California. And after my five years in the States were done, I got back to Israel and all I wanted is to make other people go through the same process that I did. Make them fall in love with beer and make them realize that beer is a completely different beverage than what they thought about. So that was about 15 years ago when I got back here. But it’s not surprising that Israel is drinking alcohol. It is allowed in the Jewish religion to drink, even the opposite. Like we have to drink wine of course at Shabbat dinners, for example, it’s a mitzvah. But regardless if you’re religious or not, Israelis drink alcohol. But we don’t drink a lot. We do not have a very long history of drinking or tradition or a culture of drinking alcohol. So I found myself trying to raise something that was almost nonexistent here. But slowly, but surely we see it growing.

Markus Raupach: Yeah, that really sounds interesting. What we had here, I’m also researching a lot of the Jewish culture in Germany, and there was maybe about 100 years ago, a big discussion if it is allowed to drink beer for the Jewish high festival days. And then there was a rabbi who said, “If the beer is the wine of the country, then it’s allowed to drink also beer.” So that means if it’s a beer country, you can drink beer and if it’s a wine country, you have to drink wine. So did you know about that?

Shachar Hertz: No. It’s nice to hear. But it makes perfect sense to me. Like if you are Jewish and you live in a country that is not a wine country and beer is like the dominant or main beverage of choice, so yeah, why not? It just makes sense.

Shachar Hertz: I’m saying that Israel is a wine country. Before it’s a beer country, it’s a wine country. So people who don’t need to make that choice. Unfortunately, they go with wine on those festivities. But more and more people are discovering beer and they switch to beer sometimes.

Markus Raupach: Yeah, it’s very interesting. In Germany the Jewish community had a big part in development of brewing. So for example, they invented our deposit system for bottles, or they also invented the hop pellets and things like that. So it’s really interesting how big the impact is of the Jewish people in Germany and brewing. In Israel, you say that people are not really used to drinking beer, but is it a growing market? And is it more the young people or more the older ones?

Shachar Hertz: We definitely see it growing because we pretty much didn’t have work to go down. We could only go up. Like the consumption was, and still is one of the lowest in the world. So the only way is to go up and we see that going up slightly in the last few years. But then the most, or the more interesting change that we see is not necessarily more drinking, but drinking differently. Israelis are discovering the new flavours of beer or the new world or the craft beers, and they start to switch their usual beer, the one that they were used to drink, and they explore other flavours. And this we see going on like significantly in the last few years.

Markus Raupach: And you also become more and more breweries, as far as I know. So I know about the Dancing Camel, for example. But I think there are now many breweries in Israel.

Shachar Hertz: Yeah, we have about 20+ small craft breweries in the country right now. They were all opened, I would say, within two or three waves of opening that we saw here. The first one was actually started with the Dancing Camel. They were the first ever Israeli craft beer brewery to open in Israel. That was 2006. And from 2006 to 2008, we saw like eight, nine breweries opening, and then we had a short break. And then in 2010, to 12, another eight or nine were opened, and a bit more later on. So now we have 20+ and it’s pretty much a status quo in the last few years, maybe a new one gets opened, a new one is closing. So we’re staying at the same number.

Markus Raupach: And what types of beer are they producing? So the typical craft beer styles, or is there a special thing also?

Shachar Hertz: That’s a bit of a complicated question, not because I don’t know the answer, but because I have a lot to say about this subject.

Markus Raupach: We have time.

Shachar Hertz: The Israeli breweries, the craft ones, the new ones are not among the most brave ones, I would say. Most of them go more for the traditional styles, the styles that they think that the Israeli consumers are looking for, which makes sense in a way. I mean, it’s okay, you can create a weak beer or a pale ale or an amber. It’s a new market. It’s a new industry. You don’t want to go immediately to the craziest and most extreme beer styles. But looking back 15 years ago when this is all started, I was hoping that it would take less time for those breweries to start to explore new styles and be more brave. And unfortunately, I see that most of them are sticking to the same good old classic beer styles and recipes, and don’t really make a lot of changes. But parallel to that we do have a few breweries that do the opposite. They do a lot of different beers throughout the years, they explore with local ingredients and different styles. But I would really like to see more breweries going to that direction, because I think this is something that the consumers will really know how to appreciate.

Markus Raupach: Is there a typical Israeli beer style or a typical ingredient from Israel, which is used for beer?

Shachar Hertz: No, not yet. We are a country that is known for having a lot of spices and fruits and herbs and vegetables. But for now, there isn’t like one or a couple ingredients that I see that are being used more popularly within the breweries. But I guess it has to do with what I said earlier that the experimentation level is still low and most of the breweries are sticking to the classic ingredients.

Markus Raupach: And as you have the largest beer store in the country, so you’ll also have beers from foreign breweries like American or English or German ones. And is it easy to bring these beers in and how is the acceptance by the customers?

Shachar Hertz: The acceptance is amazing. Israelis are very open minded and as I said before, they really want to try a lot of new flavours. So within the export market, the import market, actually, we see a lot of beers coming in into Israel. It’s not easy to bring alcoholic beverages into Israel. The regulation is a bit complicated and expensive and cumbersome, but we have some importers that are really into beer and they really try their best to bring the top of the crop of the world leading brands. And I think that Israel actually for a country that is so small and with such a small beer industry and low beer consumption, I think we have a great variety of international brands available.

Markus Raupach: I see when I look for your shop, there are very many interesting breweries and many well-known breweries, but also some Israeli breweries. And I also, something like a network hub for brewers. So can people, do they come to you and ask about beer and brewing and education and maybe brewers will ask for connections? Is that also a little bit of your role?

Shachar Hertz: Yes, of course. I have, I guess, some parts, either small or medium or big in almost all of the breweries that were opened here in the last 15 years. I mean, I am trying to help them and give my consultancy services to them in order for them to create the best beers and promote their brands in the best way. And we teach people how to make beer at home. And as you know, home brewing is the engine that pretty much starting every future craft brewery. They all start by brewing at home and we have a great network of home brewers. We have classes and seminars all the time in order to encourage them to become better at their hobby and eventually open their own first brewery.

Markus Raupach: That’s really amazing. Maybe also the Arab part of the country, do they also drink beer? Because the religion normally is forbidding the alcohol. Is there also an Arab beer culture?

Shachar Hertz: Much, much, much less. But we must remember that Arabs are also have different religions. The Muslims, of course, cannot drink any alcohol whatsoever. Even if a beer is considered a non-alcoholic but it has up to 0.5 alcohol in it, they cannot drink it. So we see a very actually big industry of 0.0 alcohol beers that is being sold for the Arab market and brands like Carlsberg and Heineken and Bavaria, they do greatly with those products within that market. But the Christian Arabs, they are allowed to drink. So we do have a brewery that is called Taybeh that is located in the Palestinian territories in a village that is 100% Christian Arabs. And their brewery was actually the first one in the Middle East. Even before the Dancing Camel. I call Dancing Camel the first Israeli craft brewery. But Taybeh Brewing is the first Middle Eastern craft brewery. I guess they were opened back in 1994 and they make great beers that are also available in other countries, and they also brew their beers under contract in Germany actually.

Markus Raupach: And did you realize any difference in taste between the Israeli and the Arab people? Do they like different beers?

Shachar Hertz: No, it’s pretty much the same. The palate of the average Middle Eastern, it’s pretty much the same. Our food is similar, our flavours are similar. I’m guessing that most people, like lagers and wheat beers are popular. But the Taybeh Brewing are making a great variety of beers, IPAs, ambers, and beers with spices and local herbs as well. Stouts.

Markus Raupach: I also think you have such a big variety of interesting foods and spices and fruits. So there may be a lot of opportunities for doing food pairing things. Is that also something that’s now coming up in Israel to do food pairings, maybe with beer, with wine with your food?

Shachar Hertz: Yes, we see that starting. It’s not very popular yet because restaurants are usually the last type of businesses to get into the craft beer scene. Because those products as you know, are more expensive than your mainstream beers and the restaurant needs to be profitable and they’re not sure that they’ll be able to sell it. But we have a great variety of restaurants here and entrepreneurs that look at things a bit differently and they’re more open minded, and they know that the only way for them to make their restaurant or their business more unique and attractive for customers is to be different. And what’s the best way of being different other than creating a menu with a great selection of special wines and craft beers and do pairings? We are encouraging that a lot. We try our best to push those restaurants to do those things. It will take time for it to be more popular, but we’re definitely pushing.

Markus Raupach: And also you had lockdowns during the Corona crisis. Did this affect also the beer industry and the beer scene?

Shachar Hertz: Yeah, yeah for sure. It’s actually, yeah, it’s a great question because I just had a discussion about it yesterday. There was a launch of a new beer by one of the local breweries and a lot of people from the industry were there. Veterans that, you know, that they saw all the industry coming up together like I did in the last 15 years, and we just went through memory lane. And we got all the way until the last two years and we all realized that those last two years were so different in so many ways. Mostly actually, in a good way because what happened is that most people stayed at home and drank most of their beer at home, and not outside. And when you drink a beer at home and you have all the time in the world, because you have nothing else to do except focusing on what you’re drinking, so you start looking at the bottle or the can and read the label and look at the ingredients and realise that you don’t know what an ale is. And you’re like getting to be curious and a lot of people discovered new flavours in beer within those two years. And they started to buy much more beer at home and drink at home. Pubs and bars and restaurants, of course, we’re doing badly at those times. But the consumers found a way to enjoy beer within those strange periods of times. So we saw the craft beers sales of like takeaways and home deliveries going up significantly. And a lot of new customers that discovered craft beers, thanks to the fact that they were just locked at home, getting curious about what they drink.

Markus Raupach: They had the time to learn and discover and see. And you are doing this home delivery. So as I know, Israel is a quite warm country. Are there issues with cooling chain and things like that to bring the beer in a good shape to the customer?

Shachar Hertz: No, not really, because we are a warm country and not only beer, you know, food, and every other sensitive product that needs to be shipped across the country needs to be kept cool. So most of the logistics companies and delivery companies they know that and they do their best to, you know, keep it cool. The warm climate is mostly affecting pubs and bars that don’t have like, you know, like proper cooling system or draft system for their kegs and keep the beer out when it’s warm outside. Sometimes that creates a lot of foaming problems and beers that go bad. But it’s all about education. And as long as more businesses will understand the importance of keeping beer cold, we will see less than less of that affect.

Markus Raupach: Is there something like a beer school or beer education or something like that in Israel?

Shachar Hertz: Officially, we don’t have a beer school or an academic place to study about beer. Our business is pretty much the only one that calls itself a school but it’s not like an official school. We just educate and do a lot of classes and seminars and courses. But that’s as close as we can get to a beer school. I think it’s also a matter of time. We also didn’t have wine schools here in the country 20 years ago, and now we have like three or four. So when the wine revolution here in Israel started earlier, now it’s beer time, and I’m pretty sure that if it’s not going to be me opening one in the future, I’m sure that there will be somebody who will try and go for that.

Markus Raupach: And I also looked at the website and there’s also your beer education and brewing education. And did you have interesting experiences, especially experiences maybe in your seminars? Are there special things you remember?

Shachar Hertz: Yes, I mean, you never forget the faces of the people that they realise that something that looks completely unrelated to beer for them. Like looking at the raw materials, looking at hop pellets for the first time or putting a hop pellet in your mouth and try to realize the flavour of it, it’s a bit shocking for somebody who doesn’t know what hop is, and the part that it has in beer. And then when the course ends, like three or four weeks later, they taste the beer that we brew together, and they’re like, “Oh, now I connect the flavour that I put in my mouth from this palette in the beer,” and everything becoming much clearer for them and it’s very nice to look at their face when they realize how the beer process goes from start to finish.

Markus Raupach: Yeah, that’s really true. And I also saw you do beer Olympics. What is this?

Shachar Hertz: Yes. Because we try so hard to promote this beverage that’s called beer, we really need to be as flexible as we can, as imaginative as we can in order to reach more potential customers. And one of the, I guess, markets in Israel that we aim for, is to try and offer let’s say, high tech companies or people that work at some workplace, beer activities. You know, every company is putting some effort into making their employees a bit happier. Sometimes they take them to some field trips, sometimes they go to a restaurant, and sometimes they just call us to come and do some beer tasting or this beer Olympics, which is a product that we developed that is more fun, and not just okay, sit and listen a bit about beer. But let’s play some games around it. Not necessarily drinking games, but just funny stuff, like building up the tallest tower that you can from beer coasters. Or trying to blind taste few beers and guess their names. Stuff like that, that people are … they don’t really need to know anything about beer to have fun with it and it just makes them connect to this beverage a bit more.

Markus Raupach: Yeah, that really sounds great. Maybe back to you and yourself a little bit. So you are also travelling because of beers. Are you going to the international competitions? And how did that start? And what are your feelings if you think about beer judging internationally?

Shachar Hertz: Yes, definitely one of my favourite things to do. Not surprisingly, travelling in general, is something that I liked since I was young. Actually, my beer travels started before the judgings. I mean, one thing led to the other of course. But about a decade ago, I decided to add this element to our company and start to offer beer trips around the world for Israelis because I know from my past experience that once you travel to the origin of a certain beer and you experience the brewing process and you meet the people behind the beers, and you see new countries in different traditions and cultures of beers, something is happening to you. Like inside you. Something makes you like this beer much more.

So I wanted to take as many Israelis as possible to other countries to the you know, the main and major beer destinations like Belgium and Germany, Czech Republic, the UK and even the United States. We did a couple of trips all the way there. And I started to do that like a few times a year, not as a main business, but like from time to time. And in one of those trips that was to Belgium, I mean in one of my pre-trips that I went before the group trip I went to Liege and I happened to be there right at the time where the Brussels beer challenge competition was taking place. I think it was 2013. And yeah, and I got to meet the organizer, Luke and we talked and like I told him a bit about myself and he said, “Okay, next year I’m going to call you to like judge,” and this is how it started for me with the judging.

And then I did a few other competitions as well because as you know, this is a small group of colleagues and friends, they all know each other and they recommend one another to other companies, to other competitions, and this is how. And also for me with the judging, I really, really like it. I think it’s a great experience. I mean, I tasted so many different beers in my life, but it’s a different setup. It’s an official tasting. I like the ceremony behind those things and, you know, make an impact, a small personal impact on a beer by giving it a professional review. And I think it’s something that I would keep and enjoy doing as long as I can.

Markus Raupach: Yes, that’s really the same thing I feel. I think the good thing, it’s both, it’s professional, but it’s also family. And that’s really, so you’re really with your heart in the thing and you have very nice people around you and you meet people from all over the world, which you normally never would have had the possibility to meet and you really make friends. And that’s the great thing.

Shachar Hertz: And the people are amazing. Like, beer people in general, whether it’s professional people or just regular consumers, there’s something with this beverage that attracts the good kind of people. And I think it’s really like the thing I like most about beer is that. Is the people that are around this beverage. They’re all good people.

Markus Raupach: Yes.

Shachar Hertz: Amazing.

Markus Raupach: Totally. So maybe we are close to the end of the podcast. Maybe a question: do you have a favourite beer or a favourite beer style, which you like most?

Shachar Hertz: Of course, the question that I’m getting asked the most. I grew to like this question. Once I used to really like rolling my eyes and like how can I answer such a thing? But now I’m getting to actually enjoy answering because I give a different answer each and every time. But at the end of the day, if I have, I mean a specific beer, it’s impossible to choose. But styles, yes for sure. I know by now, after trying so many, I think that if I will end up drinking only altbier from Dusseldorf throughout my entire life, I will be totally okay.

Markus Raupach: That sounds a good thing, especially if you go around the city and have all these different altbiers.

Shachar Hertz: Yes, yes. I really, I really like it. I think it’s the perfect combination of like, it’s the most balanced of all styles. You have everything in it. You have the malt flavour, the hop flavour, the alcohol content is just where you need it, perfectly drinkable. Just super, super nice.

Markus Raupach: And also if you have surrounding with the pubs there and so it’s great, yeah.

Shachar Hertz: Yes. The atmosphere is amazing.

Markus Raupach: Is there many, maybe one special wish or one thing you really would like to do in the beer world, which you didn’t have, which you didn’t do before?

Shachar Hertz: Yes, for sure. There’s one very major element in the beer world that I still didn’t step into, which is to actually have a brewery or be part of a brewery. I thought at the beginning, when I finished my studies at UC Davis, that this is what I’m going to do. I’m going to go back to Israel and open a brewery. But pretty fast, I realized that it’s maybe not the right time. The industry is like almost not existent. So I put that aside. And then I just went so deeply into the business that I have today and I put the dream of having a brewery still in the drawer. But I’m guessing that at some point in the future, I would like to be a part of a brewing business and create my own beers.

Markus Raupach: That sounds great and then I will be very happy to be one of your guests. So thanks a lot for this little insight into your life and into the Israeli beer culture. And so I wish you a nice day today and I’m looking forward to see you in the next beer judging meeting in the near future.

Shachar Hertz: Thank you so much, Markus. Prost.

Markus Raupach: Prost. Thanks and bye.

Shachar Hertz: Bye-bye.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 38 – Interview mit Roxane Bicker, Archäologin, Pädagogin und Autorin aus München

Roxane Bicker wollte eigentlich professionelle Landwirtin werden, beschloss dann aber als Kasseler Stadtkind, auf die Archäologie umzusteigen. Im Studium führte sie Ausgrabungen in Einbeck gegenüber der Brauerei durch und entdeckte so ihre Faszination fürs Bier, die sie auch im neuen Fachgebiet als Museumspädagogin im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München ausleben konnte. Denn 2016 stand das Jubiläum des Reinheitsgebotes an – und das Museumsteam wollte mit einem besonderen Experiment etwas dazu beitragen: Mit großem Aufwand rekonstruierten Roxane Bicker und ihre MitstreiterInnen ein ägyptisches Bier aus der Antike und betraten damit sozusagen Brauer-Neuland. Im Podcast berichtet sie über das Ergebnis und die vielen faszinierenden weiteren Parallelen der ägyptischen Geschichte mit unserer heutigen Kultur…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal mit einer ganz, ganz speziellen Geschichte und zwar habe ich eine liebe Kollegin, Historikerin, Ägyptologin, die auch einen Podcast macht, auch als Autorin aktiv ist, auch Pädagogin ist, also ganz viele spannende Felder bedient, mit denen ich mich auch selber gerne beschäftige. Und, sie hat eben auch ganz spannende Dinge um das Thema Bier herausgefunden und selbst schon ausprobiert. Kurzum wir haben Roxane Bicker zu Gast und ich würde dich bitten, dich mal ganz kurz unseren Hörern selbst vorzustellen.

Roxane Bicker: Ja, es ist ja eigentlich fast schon alles gesagt, was man zu mir wissen. Also, Roxane Bicker, ich arbeite seit Anfang 2005 im Ägyptischen Museum in München. Ich habe die Leitung der Kulturvermittlung inne, also alles, was sich mit Veranstaltungen im Museum, mit Führung, mit Vorträgen beschäftigt und bin, ja, mehr zufällig über das altägyptische Bier gestolpert und habe mich 2016 damit etwas genauer auseinandergesetzt. Hintergrund des Ganzen, 2016 jährte sich das bayrische Reinheitsgebot zum 500. Mal und wir, die wir uns mit dem alten Ägypten beschäftigen, können da ja nur müde lächeln, denn Bier in Ägypten gibt es bereits seit 5.000 Jahren. Das heißt, wir haben also dieses Jubiläum zum Anlass genommen, uns auch von fachlicher Seite, von Museumsseite aus, etwas mit dem Bier zu beschäftigen.

Markus: Ja und da gibt es ja auch ein ganz tolles Video, dass wir auch verlinken werden in den Shownotes, wo du einen Vortrag zu dem Thema hältst und eben auch verweist auf eine Aktion, über die wir bestimmt gleich noch sprechen werden. Vielleicht vorneweg noch, wie kommt man überhaupt auf diese Idee, grade Ägyptologie zu studieren? Also war das schon immer so ein Wunsch für dich oder bist du da so rein gestolpert?

Roxane Bicker: Ja, also ich bin da wirklich mehr rein gestolpert. Ursprünglich habe ich direkt nach dem Abitur angefangen, Ökolandbau, also Landwirtschaft zu studieren. Ich habe ein Jahr auf einem Bauernhof gearbeitet, bin dann an die Uni gewechselt, habe dann aber festgestellt, dass es so als Stadtkind doch nicht das ganz Wahre ist, wenn man keinen Bauernhof im Hintergrund hat. Und habe dann das Studienfach gewechselt zur Ägyptologie, unter anderen und zur Ur- und Frühgeschichte. Man kann sich vorstellen, meine Eltern haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, erst macht das Kind Ökolandbau und dann auch noch Ägyptologie. Aber ich habe festgestellt, die Ägyptologie ist wirklich das, was mich fasziniert, auch wenn ich dort relativ unbedarft rein gestolpert bin. Es war also nicht wie bei vielen anderen der Wunsch von klein auf, Ägyptologie zu studieren, sondern es war mehr der Zufall, der mich hingebracht hat. Ich habe in anderen Dingen auch schon früher zu Schulzeiten im Museum gearbeitet und habe dann beides zusammengebracht, also die Leidenschaft für die Ägyptologie und die Museumsarbeit. Und im Fach, nach dem Ende des Studiums, einen Job zu kriegen, dazu muss ich sagen, einen unbefristeten Vollzeitjob in der Ägyptologie, das ist eigentlich besser ein Sechser im Lotto, wenn auch nicht ganz so gut bezahlt.

Markus: Ja, das klingt wirklich nach einem Jackpot sozusagen. Also grade, wenn es einfach das Thema ist, das einen bewegt und mit dem man sich beschäftigen kann und wo man dann eben auch entsprechend in die Vermittlung gehen kann, das finde ich natürlich schon toll. Und ich habe mich auch ein bisschen umgesehen auf den verschiedenen Websites auch vom Museum und da sieht man ja auch, dass du da sehr aktiv bist und dass es da auch viele pädagogische Angebote gibt, bis hin zu einem Hieroglyphenkurs. Also da habe ich mal kurz reingeschaut, das hat mich, ehrlich gesagt, schon fast überfordert, aber total spannend. Also wie kommst du auf diese pädagogische Schiene?

Roxane Bicker: Auch das liegt mir schon sehr lange. Ich habe ja eben gesagt, ich habe schon zu Schulzeiten auch im Museumsbereich gearbeitet. Ich war aktiv in einem Astronomie-Verein, in der Sternwarte und habe da zu Schulzeiten die Jugendgruppe geleitet. Das heißt also, diese pädagogische Anleitung, diese Kulturvermittlung liegt mir irgendwie auch im Blut und das bietet sich dann im Museumsbereich natürlich an. Also grade auch dieser Kontakt zu den Menschen, das, was mir Spaß macht, was mich bewegt, nahezubringen, das ist eigentlich das Beste und dafür bietet sich das Museum mit dem Fachbereich Ägyptologie eigentlich wirklich gut an.

Markus: Ja und das ist auch ein bisschen das, was uns verbindet, weil ich eben auch wirklich sehr, grade für dieses Thema Bier und die Kulturgeschichte rund ums Thema Bier, mich interessiere und das eben auch gerne vermittle. Und da sind wir jetzt auch schon bei dem entscheidenden Punkt, so bei meinen Recherchen in der Biergeschichte bin ich ja unter anderem dann bei den Sumerern so auf die ersten Schriftzeichen für Bier gestoßen, die dann praktisch so diese Amphoren symbolisieren. Im Ägyptischen habe ich dann gelesen, da überschneidet sich dieses Thema Bier und Brot.

Roxane Bicker: Genau.

Markus: Wie ist das mit dem Thema Bier, also ab wann kannte die Bier und wie haben die das dargestellt und wie ist die Nähe zu Brot?

Roxane Bicker: Also Brot- und Bierherstellung hing im alten Ägypten sehr eng zusammen. Die ersten Hinweise auf Brauereien im alten Ägypten, die gehen auf die ganz, ganz frühe Zeit zurück, also in die Zeit 3700 bis 3500 vor Christus, da hat man archäologisch vergrabene Brauanlagen in Ägypten. Brot und Bier waren im alten Ägypten Grundnahrungsmittel. Das Bier finden wir im Alltag in der Religion, im Diesseits, im Jenseits und auch in der Medizin, es ist also im Leben der alten Ägypter überall mit drin und überall immer zu finden. Und es war nicht nur das Grundnahrungsmittel, sondern Arbeiter im alten Ägypten wurden auch mit Brot und Bier bezahlt. So wissen wir beispielsweise, dass das Existenzminimum im alten Ägypten bei fünf Broten und zwei Krügen Bier am Tag lag. Also von daher finden wir das wirklich überall und wir finden auch sehr, sehr viele Textzeugnisse aus dem alten Ägypten. Wir finden beispielsweise in der Lehre des Ani zu Zeiten des Neuen Reiches so um 1300 vor Christus einen Text, in dem heißt es: Übernimm dich nicht beim Bier trinken! Du fällst hin mit schwankenden Beinen und keiner reicht dir die Hand. Deine Genossen sagen: „Geh Heim, der du genug getrunken hast.“ Wer kommt und dich sucht, um etwas zu besprechen, der findet dich im Staub liegend wie ein Kind. Und deine Freunde gehen weiter und sagen: „Weg mit diesem, er ist betrunken.“ Also wirklich aus dem Leben heraus gegriffen. Wir wissen auch über Starkbierfeste, die der Göttin Sachmet geweiht waren. Wir finden das Bier in Liebesliedern wiedergegeben, wir finden es in Totentexten, also wirklich überall.

Markus: Ja, wir haben auch regelmäßig zu Gast den Matthew Adams, der in Abydos die Ausgrabungen leitet.

Roxane Bicker: Ja, genau.

Markus: Und der hat ja so eine richtige Großbrauerei eigentlich ausgegraben. Und wir haben dann mit ihm zusammen mal hochgerechnet, dass das ja eine Produktionskapazität ist alleine dort, die ungefähr zehn Prozent von dem ausmacht, was der deutsche Biermarkt aktuell hergibt. Also das ist schon eine richtig große Menge und das heißt, es war wirklich ein Volksgetränk. Und hat man denn neben Bier noch irgendwas anderes auch getrunken?

Roxane Bicker: Ja, man hat auch Wein getrunken, das war allerdings mehr nur für die Hochstehenden. Warum nun das Bier als Grundnahrungsmittel, ich meine Ägypten ist das Land am Nil, man würde ja eigentlich eher zum Wasser greifen, aber, das Nil-Wasser dadurch, dass die Leute sich dort auch gewaschen haben, das sie an dem Nil gewohnt haben, das es aber auch sehr verschmutzt sein konnte, konnte das normale Wasser Krankheiten auslösen. Und das Bier, das leicht alkoholhaltig ist, das war halt wesentlich gesünder und deswegen hat man das Bier als Grundnahrungsmittel, als Basisgetränk angenommen.

Markus: Das heißt, also auch, wenn man zum Beispiel so einen Getreidebrei, so eine Art Müsli oder so gemacht hat, hat man das dann eher mit Bier zubereitet als mit Wasser?

Roxane Bicker: Ja, wahrscheinlich. Also das Bier, was wir im alten Ägypten haben, wie gesagt, man hat zwar diese Starkbierfeste, aber das, was man so alltäglich getrunken hat, was auch die Kinder getrunken haben, das wird nur sehr, sehr leicht alkoholhaltig gewesen sein und das hat man dann wirklich für alles andere wahrscheinlich benutzt. Das Problem ist, genau können wir es nicht sagen, denn wir haben natürlich keine Rezepte aus dem alten Ägypten überliefert, was man wo wie gekocht hat. Man ist da also immer sehr auf die archäologischen Funde angewiesen und die sind nicht immer ganz einfach zu untersuchen nach der langen Zeit, die seitdem schon vergangen ist.

Markus: Ja, das stimmt. Wobei der Matthew Adams mir erzählt hat, dass er jetzt wirklich drauf und dran ist, so ein altes Bier mal zu rekonstruieren, also da bin ich sehr gespannt.

Roxane Bicker: Ja, also da gibt es sehr, sehr viele Rekonstruktionsversuche. Ich meine, klar, was anderes haben wir mit unserem Nachbrauen, was wir zu der Zeit im Museum gemacht haben, auch nicht getan. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man das Ganze gemacht hat. Ich sage immer, es wird nicht das eine Bierrezept in Ägypten gegeben haben. Wenn wir hier aus Bayern, wenn wir mal bei verschiedenen Leuten nachfragen, wie deren Obazda-Rezept ist, da wird man wahrscheinlich auch 20 Familien fragen und 30 Rezepte bekommen. Und genauso wird das auch im alten Ägypten gewesen sein, man hat einerseits natürlich diese fast industrielle Produktion, wie dort in Abydos, wo man mehrere 10.000 Liter in einem Brauvorgang produziert hat, aber, das war natürlich wirklich so für die großen Paläste und für die großen Pyramidenbaustätten beispielsweise. Aber man hat natürlich auch Zuhause gebraut, also für den Hausgebrauch, für den Alltag hat man direkt Zuhause das Bier angesetzt und da wird jeder sein eigenes Rezept mit seinen eigenen Spezialitäten gehabt haben.

Markus: Ja, ich habe auch gelesen, das eben die Sumerer zum Beispiel über 160 verschiedene Worte für Bier kannten, also dementsprechend muss es ja dann auch ziemlich verschiedene Sorten oder Rezepturen gegeben haben, wenn das denn so stimmt. Also da sind wir noch bei so einem Punkt, also wir steigen ja eh gleich noch in eine kleine Bierverkostung ein, aber vorher hätte ich noch eine Frage, du hast da grade auch so mit erwähnt, Bier war auch Medizin. Und nachdem sich ja immer so viele Mythen und Sachen darum rankten, gibt es zum Beispiel eine Dokumentation, in der erzählt wird, dass es wohl im ägyptischen Boden, in diesen Bodenflechten, die da sind, etwas gibt, was antibakterielle Substanzen produziert und was dann über dieses, dass man Datteln zugegeben hat, die man vorher am Boden zertreten hat, dass das dann ins Bier kam. Also ist das so, kann man das wirklich sagen?

Roxane Bicker: Da müsste ich jetzt nachgucken, wie genau die Untersuchungen, die naturwissenschaftlichen Untersuchungen aus diesen Brauereien sind. Also was ich weiß ist, dass man relativ viel Zeug in diesem Bier gefunden hat. Ich meine, es geht hin bis zu Traubenkernen, die wahrscheinlich für die Hefe gesorgt haben. Eben natürlich sowas wie Datteln, wie Feigen, die man auch zur Süßung des Bieres verwendet hat. Man hat in einer von diesen ganz frühen Brauereien auch Taumel-Lolch gefunden. Das ist ein Kraut, Taumel, ne, so eine Art Rauschmittel. Wo man auch nicht genau weiß, ist das jetzt beabsichtigt zugegeben worden, um die Wirkung des Bieres zu verstärken oder ist das nur einfach zufällig mit dem Getreide dort hineingelangt. Also, das ist immer die Frage, was war beabsichtigt und was ist dort einfach mehr zufällig mit rein geraten? Das wird wirklich relativ schwierig nachzuweisen sein.

Markus: Kannte man den Rausch?

Roxane Bicker: Ja, definitiv. Wir haben es ja eben schon gehört, ne, er liegt am Boden und mit ihm ist nichts mehr anzufangen. Und man hat den Rausch auch ganz bewusst herbeigeführt eben bei solchen Starkbierfesten, wo es darum ging, sich, um es mit heutigen Worten zu sagen, richtig abzuschießen. Da ist das Oktoberfest ein Waisenkind dagegen.

Markus: Apropos Oktoberfest, wir wollen natürlich in diesem BierTalk auch ein Bierchen trinken und da würde ich jetzt dir natürlich den Vortritt lassen logischerweise als unser Gast. Und was hast du denn mitgebracht und vielleicht auch, wie ist denn deine persönliche Beziehung zum Thema Bier, wenn du eine hast?

Roxane Bicker: Das war gar nicht so einfach, mich zu entscheiden, als du gesagt hast, wir können gerne auch ein Bier da mit aufmachen, habe ich natürlich hin und her überlegt, ja, welches nimmt man denn? Wir haben damals im Museum 2016 zu unserer Bieraktion ein nachgebrautes Pharaonenbier uns eingekauft gehabt. Danach habe ich natürlich sofort geguckt, das ist leider nicht mehr verfügbar. Die zweite Wahl wäre gewesen, dass wir ein ägyptisches Bier nehmen, was man in Ägypten bekommt, das ist das Stella-Bier. Das war aber auch nicht so schnell aufzutreiben. Dann habe ich mich zurückerinnert, ich komme ursprünglich aus dem Kasseler Bereich, dort gibt es die Hütt Brauerei und die ursprünglich Kasseler Martini Brauerei, ist aber hier im Münchner Raum auch nicht wirklich zu bekommen. Eine Verbindung zum Bier habe ich noch, in dem ich während Studiumszeiten in Einbeck gegraben habe, Ausgrabungen durchgeführt habe, zwei Lehrgrabungen in unmittelbarer Nähe zur Brauerei in Einbeck. Und es hat auf der Grabung morgens immer ganz wunderbar gerochen. Aber auch das Einbecker Bier war hier nicht wirklich zu bekommen. Und so bin ich dann doch bei einer Münchner Sorte hängengeblieben und habe mir ausgesucht, ein Giesinger. Und das Giesinger Bräu ist ja die jüngste Brauerei in München und ist erst 2006 gegründet worden. Damals noch in einer Garage, inzwischen sind sie schon richtig groß geworden. Und deswegen habe ich mir gedacht, bleiben wir halt ganz einfach und profan in München.

Markus: Ja, das ist doch auch eine gute Wahl. Also es hieß am Anfang ja auch das Bierlaboratorium.

Roxane Bicker: Genau.

Markus: Also hatte ja auch so ein bisschen einen Anspruch und wir hatten den Brauer ja auch schon bei uns im BierTalk. Also, insofern bin ich mal gespannt. Kannst du gerne mal aufmachen und uns ein bisschen teilhaben lassen, was das denn für eines ist und wie es dir schmeckt.

Roxane Bicker: Da bin ich jetzt nämlich mal sehr gespannt. Also ich trinke natürlich schon Bier, aber das wirklich so zu verkosten, mal gucken, was du jetzt da von mir hörst. Also, wir schütten das Ganze erst mal ein. Ich habe ja in der Tat sogar ein Bierverkostungsglas hier vorne vor mir.

Markus: Sensation.

Roxane Bicker: Ja, wir haben nämlich mal einen schönen Bieradventskalender gehabt und da war auch so ein Verkostungsglas dabei. So, ich habe es eingeschüttet, es ist natürlich wieder riesen großer Schaum oben drauf. Schlecht eingeschüttet! Prost!

Markus: Prost, auf jeden Fall. Und das mit dem Schaum ist gar nicht schlimm, weil, bei uns in Deutschland ist der Schaum ja sogar eher etwas Positives. Und wenn ein Bier ordentlich Schaum hat, ist es auf jeden Fall mal ein gutes Zeichen also.

Roxane Bicker: Das auf jeden Fall, es ist kein schales Bier. Also es ist ein Giesinger Münchner Hell und es hat so einen relativ süßlichen Geschmack. Also ich finde es ziemlich mild und ein bisschen süßlich im Abgang. Durchaus schmackhaft, ja. Ich weiß, beim Whisky ist es ja immer so, man hat dann irgendwie im Abgang Äpfel- und Citrusnoten und so. Da bin ich ja total Banause, dem schmecke ich immer nicht raus.

Markus: Das ist erstens nicht schlimm, zweitens Übung und drittens, bei so einem Hellen auch schwer, weil das einfach, wie du schon gesagt hast, das ist ein leichtes Bier, das ist ausgewogen, das ist ein bisschen eher süß und ist einfach so ein schönes Allround-Bier.

Roxane Bicker: Genau.

Markus: Passt perfekt zu jeder Brotzeit, passt in den Biergarten, passt aber jetzt auch so im Homeoffice.

Roxane Bicker: Genau. Ich habe mich in der Tat heute schon den ganzen Tag drauf gefreut, ja.

Markus: Na, dann freue ich mich ja und hoffe, dass es dir schmeckt.

Roxane Bicker: Auf jeden Fall.

Markus: Und, ja und muss auch sagen, also das Giesinger Hell ist ja eine relativ neue Kreation, die sie jetzt, ich glaube, erst letztes Jahr auf den Markt gebracht haben.

Roxane Bicker: Ja, genau, genau.

Markus: Und ich war da im, wann war das, November, glaube ich, vor Ort, als wir den European Beer Star hatten, ein Bierwettbewerb und haben da bei den Giesingern unsere Auftaktveranstaltung gehabt und konnten das dann auch probieren, noch vom allerersten Sud. Und das ist auch spannend, so ein Bier mal, also ich meine, du gräbst ja immer Sachen aus, wenn sie schon 1.000e von Jahren alt sind und das ist jetzt mal ein Bier, was wir in seiner Entstehung verkosten können.

Roxane Bicker: Ja, ich meine, das ist ja auch wunderbar, ne. Ich finde, das ist auch was ganz Spannendes.

Markus: Ist ja mal so ein bisschen Seite. So, jetzt kriege ich aber auch Durst und mache mir mal meins auf. In der Tat, also solche Biere, nachgebraute ägyptische Biere, es ist nicht einfach. Also ich persönlich kenne eigentlich nur in Berlin die Köpenicker Brauerei, aber ich weiß nicht, ob sie es aktuell überhaupt machen, auf jeden Fall gab es das, glaube ich, nie in der Flasche. Und das war eben auch so ein ägyptisches Bier, auch mit Datteln und Honig und sehr kräftig und ziemlich gefährlich auch. Also war bestimmt zweistellig vom Alkoholgehalt. Also wer da mal vorbeikommt, der Max Ruppert ist das, der das da macht in der Köpenicker Brauerei. Und sein Vater, der hat da ganz viel geforscht und hat unter andrem eben das alte ägyptische Rezept dort mit Leuten in Berlin aus dem Museen eben gefunden. Und hat dann später auch Rezepte aus dem Mittelalter und aus der frühen Neuzeit gemacht und hat dann eben so Köpenicker Urbiere und das Bier des Großen Kurfürsten und sowas, das hat er alles wiederbelebt und eben auch dieses Ägyptische, das ist das Einzige, dass ich kenne. Und ich habe mal von einem aus Amerika gehört, wo man tatsächlich versucht hat, aufgrund von Funden in der Archäologie was zu rekonstruieren, aber das ist natürlich mittlerweile nicht mehr erhältlich, ne.

Roxane Bicker: Ja, aber es ist auch einfach halt auch unglaublich schwierig, also von den wenigen Funden, die man hat, da dann wirklich auf ein Rezept, auf eine Mengenangabe zu schließen. Also das haben wir ja dann auch festgestellt mit unserem Probebrau, das ist nicht so ganz einfach, also da zu sagen, du nimmst soundso viel davon und soundso viel davon, dem genauen Mischverhältnis und dann lässt du es solange stehen und dann kochst du es oder machst sonst irgendwas. Das kann man halt nicht machen, also das ist wirklich einfach eine Sache des Ausprobierens.

Markus: Ja, also da muss man wirklich viel probieren. Noch einen Satz, bevor ich gleich mein Bier aufmache, der Vater von dem Max Ruppert hat ja unter anderem eben auch dieses preußische Bier rekonstruiert. Und damals hat er das so gemacht, dass er das Rezept auch nicht direkt gefunden hat, aber er hat dann die Bestellungen und die Steuererklärungen dazu gefunden. Und hat dann praktisch aufgrund der Mengen, die da jeweils bestellt worden sind von den verschiedenen Rohstoffen und wie viel Bier dann am Ende des Tages ausgeliefert und verkauft worden ist, da dann auf das Rezept geschlossen. Also ob das dann am Ende gepasst hat, weiß man auch nicht. Aber, gut, ich habe deswegen mir gedacht, dann nehme ich wenigstens einen Rohstoff, der ziemlich sicher auch im ägyptischen Bier verwendet worden ist, nämlich Emmer, also diese Urgetreide. Und das macht grade die Camba Bavaria am Chiemsee, macht so eine Serie mit historischen Bierstilen und hat unter anderem auch ein Emmer-Bier rausgebracht. Das mache ich jetzt mal auf. So, gucken wir mal. Also Schaumentwicklung ist hier auch ordentlich, aber, das darf es auch haben, also da ist ja nicht nur Emmer drin, sondern auch Weizen. Also ein obergäriges Bier eben so in der Weißbiertradition und da hat man ja mehr Kohlensäure und deswegen auch mehr Schaum. Es ist so sonnengelb, würde ich sagen, hat eine leichte Trübung, Schaum ist auch ein bisschen gefärbt. Und es riecht tatsächlich ähnlich wie ein Weißbier, so ein bisschen wir eine grüne Banane habe ich da in der Nase, ein bisschen leichte Citrusaromen auch. Jetzt probiere ich das mal. Also sehr weich, sehr rund. Ein schönes Spiel zwischen Säure und Süße und man merkt auch, dass es intensiv ist, also intensiver als ein normales Weißbier. Und in der Tat ist der Körper auch ein bisschen anders, als man es vom Weizen kennt, ein bisschen kantiger, würde ich sagen.

Roxane Bicker: Ursprünglicher fast, ne?

Markus: Vielleicht ursprünglich, wer weiß. Also ansonsten kenne ich das zum Beispiel auch von der Riedenburger Brauerei, die machen ja auch so Urbiere.

Roxane Bicker: Das wäre eben meine zweite Wahl noch gewesen, da hatte ich auch gesehen, die haben ein Emmer-Bier, ja.

Markus: Genau und ein Einkorn-Bier. Also wenn du das noch nicht probiert hast, das ist ein sehr interessantes Bier. Also da kann man so ein bisschen in diese Zeit zurückschauen. Und da sind wir vielleicht auch bei dem Thema, das uns so ein bisschen zusammengebracht hat und du hast ja auch schon erwähnt, ihr habt nachgebraut. Wie kam es denn dazu, wie ist denn da die Geschichte drum rum und was kam am Ende dabei raus?

Roxane Bicker: Ja, wir haben uns gedacht, wir wollen nun einfach nicht nur über das Bier erzählen, sondern wir wollen uns wirklich auch mal in der Experimentalarchäologie betätigen und wollen schauen, ob wir denn auch ein altägyptisches Bier zusammenkriegen. Nun und dann stellte sich die Frage nach dem Rezept. Man hat eine Überlieferung aus dem alten Ägypten, die stammt allerdings aus der Zeit um 400 nach Christus von einem Herrn Zosimos aus Panopolis. Und der sagt in seinem Rezept: „Nimm helle reine schöne Gerste. Male die Körner und bereite Brote. Das heißt, Malzbrote, in dem du Sauerteig wie zu gewöhnlichem Brot hinzugibst. Dann röste diese Brote, aber nur oberflächlich. Und wenn sie Farbe bekommen, so kläre ein süßes Wasser ab und seihe es durch einen Seiher oder ein feines Sieb.“ Das heißt, wir haben uns gedacht, wir machen keine Experimente mit Emmer oder mit Einkorn, sondern wir beziehen uns auf den guten Zosimos und nehmen reine Gerste. Wir haben ja am Anfang schön gehört, dass in Ägypten das Brotbacken sehr eng mit dem Bierbrauen zusammenhing, man findet das auch in den Darstellungen immer gemeinsam und ich selbst betätige mich auch hobbymäßig beim Brot backen, das heißt, ich habe einen eigens angezüchteten Sauerteig. Der ist nun für das Brot backen meistens aus Roggen, aber den kann man ziemlich gut umzüchten. Das heißt, ich habe aus diesem Roggensauerteig mit Gerstenmehl einen Gerstensauerteig hergestellt.

Markus: So ein bisschen wie ein Haustier, oder?

Roxane Bicker: Ja, so ein bisschen, genau, also einfach anfüttern, wachsen lassen und dann ist daraus also ein Gerstensauerteig geworden. Den habe ich mit Gerstenmehl und Gerstenmalz gemischt, denn Zosimos beschreibt in seinen Text vorher, wie man Gerstenmalz herstellt. Und das Ganze mit Wasser verbunden, zu einem Teig gemacht und ein wenig gehen lassen. Das Ganze habe ich dann in einen Fladen in der Tat angebacken, dass sich außen eine Kruste bildet, aber innen das Ganze noch fast roh ist. Gerste hat nun nicht allzu viele Kleberstoffe. Das heißt, also fürs Brotbacken eignet sich das nicht wirklich gut und wenn man diese Fladen aus dem Backofen herausgenommen hat, dann sind sie einem auch fast schon in den Händen zerbröselt, aber fürs Bierbrauen umso besser. In den Darstellungen, die wir aus dem alten Ägypten kennen, da finden wir in der Tat die des Teigknetens und dann finden wir Darstellungen von Menschen, die in Gefäßen drinstehen und dort also etwas mit den Füssen zertreten. Das kennt man ja auch von der Weinherstellung. Das heißt, man hat also diese angebackenen Fladen genommen und mit Wasser übergossen, zu einem schönen Brei zermantscht. Wir haben das nur mit den Händen gemacht, wir sind also nicht leibhaftig mit den Füssen in diese Gefäße rein gestiefelt, wir haben es wirklich nur so ein bisschen, in kleineren Mengen vermischt. Das Ganze haben wir dann erst mal oder habe ich in meiner ersten, in meinem allerersten Versuch stehen gelassen, ich habe es also nicht gleich abgeseiht, so in einem Eimer bei mir hier in der Küche gemacht. Und am nächsten Tag ist diese Flüssigkeit fast pechschwarz geworden. Da habe ich gedacht, oh Gott, was ist denn jetzt hier passiert, ob das überhaupt noch was wird? Deckel wieder vorsichtig drauf gelegt, habe es noch einen Tag stehenlassen und dann ist das Ganze umgeschlagen und war dann wirklich goldgelb und hat richtig hörbar geblubbert. Das heißt, die Hefe hat also ihr Werk getan und hat angefangen, das ganze schön zu vergären. Und ich habe es dann noch ein paar Tage stehenlassen. Und dann wollten wir es eigentlich durch ein Leinentuch abseihen, aber diese Masse war so dickflüssig, dass sie uns das ganze Leinentuch verstopft hat und es ist da nicht sehr Flüssigkeit nachher bei rausgekommen. Wir haben das Ganze dann im Museum noch ein bisschen optimiert. Wir haben uns auch von einer bekannten Töpferin drei Gefäße, drei Biergefäße nachtöpfern lassen, sodass wir das also für unsere Präsentation im Museum auch wenigstens ein bisschen unterfüttern konnten. Und das Bier, was wir dann dort herausbekommen haben, hat nicht so viel Ähnlichkeit mit unserem Bier gehabt. Das war von der Farbe her so bernsteinfarben, kann man sagen, es hatte einen leicht säuerlichen Geschmack, brotig, fast zitronenartig. Also es hat so ein bisschen an Apfelessig erinnert. Also mit unserem Bier nicht wirklich vom Geschmack zu vergleichen, aber wenn man sich das als Grundnahrungsmittel, gerade in der altägyptischen Wüstenhitze vorstellt, dann war das mit Sicherheit sehr, sehr erfrischend. Der Vater von einer mir bekannten Ägyptologin ist auch Brauer, der hat uns unser selbstgebrautes Bier dann untersucht. Das heißt, wir haben also sogar die Untersuchung von unserem selbstgebrauten Bier und die Stammwürze bei unserem lag bei neun Prozent. Es hat einen leichten Alkohol gehabt von nur 1,6 Prozent. Also kein Starkbier, betrunken wurde man davon definitiv nicht. Ein sehr niedrigen PH-Wert, wahrscheinlich weil bei uns sehr viel Milchsäuregärung auch drin war. Und was uns ein wenig, würde ich sagen, geschockt hat als Münchner, aber es war ein Bier der Art Berliner Weisse, das wir hergestellt haben. Ja, wir haben es dann ein paarmal noch nachgebraut. Wir hatten eine Präsentation mit dem Bayrischen Rundfunk, sind dazu rausgefahren hier vor die Tore von München auf den Bajuwarenhof in Kirchheim, die haben nämlich einen bajuwarischen Lehmbackofen nachgebaut und da haben wir dann unsere Brotfladen drin gebacken. Das ist halt dem ägyptischen Ofen doch etwas ähnlicher als der heimische Elektroofen. Und haben da dann auch live vor Ort noch einmal gebraut und auch das ist durchaus was geworden.

Markus: Ja, also faszinierend, bei mir ist jetzt das Kopfkino ständig gewechselt, was da so alles passiert, also wirklich spannend, wirklich faszinierend. Ein paar Fragen habe ich in der Tat, die mir so gekommen sind. Erst mal dieses Thema, dass Sie eben Brote gebacken haben, um damit dann Bier zu brauen.

Roxane Bicker: Genau, genau.

Markus: Warum mache ich das eigentlich? Also ich könnte, wenn ich eh Malz herstelle, könnte ich doch auch einfach direkt Bier brauen, also warum macht man diese Brote?

Roxane Bicker: Ich habe keine Ahnung, also die Frage ist halt, ja, warum? Durch das Backen bildet sich ja in diesem Brot auch noch so ein bisschen Zuckerstärke. Vielleicht half das einfach noch besser bei der Vergärung. Also man ist ja wirklich, man hat ja wirklich mit diesem reinen Sauerteig angefangen, man hat ja keine zusätzliche Hefe mehr mit dazugegeben. Außer manchen Rezepten Traubenkerne oder auch Traubenhüllen, an denen sich natürliche Hefen abgesetzt haben. Aber irgendwie muss dieses leichte Anbacken, diese leichte Kruste des Brotes dafür gesorgt haben, das dieser Sud besser geht. Ich muss dazu sagen, wir sind da ja vollkommen unbedarft dran gegangen. Also ich habe noch nie in meinem Leben vorher gebraut, ich habe keine Ahnung, wie ein normaler Bierbrauprozess funktioniert, ich habe nur gedacht, Zosimos hat das so beschrieben, wie probieren das jetzt einfach aus. Die alten Ägypter werden sich auch nicht große wissenschaftliche Gedanken drum gemacht haben, man hat es halt einfach getan und es hat funktioniert.

Markus: Ja, eben, also es hat ja auch funktioniert.

Roxane Bicker: Genau.

Markus: Wenn ich jetzt mal überlege, so von der Bierseite her, also wenn ich dieses Brot backe, habe ich auf jeden Fall die sogenannte Maillard-Reaktion. Das heißt, also man kriegt eben eine dunklere Farbe, man kriegt ein bisschen so diese Röstaromatik, die karamellige Aromen mit hin. Was auch der Fall ist also grade, ich habe, während du erzählt hast, mir schon aufgeschrieben Berliner Weisse, bevor du es gesagt hast, weil es in diese Richtung klingt. Und da ist es zum Beispiel so, dass die traditionelle Berliner Weisse auch nicht mehr gekocht wird. Also sprich und das ist ja da auch nicht der Fall und vielleicht nimmt man das auf diesem Wege vielleicht ein bisschen vorweg. Ich habe mir auch mal überlegt, ob das vielleicht sogar eine Möglichkeit war, Getreide quasi haltbarer zu machen, in dem man es in Brote bäckt, die man dann vielleicht besser aufheben kann als Getreide.

Roxane Bicker: Ja, aber dadurch, dass die innen noch wirklich fast roh sind, halten die sich auch nicht unbedingt länger. Das ist ja allgemein das Problem, ich meine, Ägypten, Wüstenland, heiß, da hält sich das Bier auch nicht lange. Das heißt, es muss also wirklich wahrscheinlich jeden Tag frisch gebraut worden sein und hat sich maximal zwei bis drei Tage gehalten und war zum sofortigen Genuss bestimmt. Also das war nicht viel mit Vorratshaltung.

Markus: Ja, das stimmt. Und was auch wichtig ist, in der heutigen Braukunst kennen wir das ja so, dass man das Bier erst mal so macht, dass man aus dem Malz Zucker entstehen lässt und dann in einem zweiten Schritt später die Hefe aus dem Zucker den Alkohol machen lässt. Und in den alten Kulturen, eigentlich bis zur frühen Neuzeit, war das so, dass dieser Prozess gleichzeitig stattgefunden hat. Also es wurde gleichzeitig praktisch die Stärke in Zucker umgewandelt, aber es gab auch schon Gärung, sodass eben sofort Alkohol entstanden ist und dadurch ging das auch so schnell. Dadurch konnte ich auch so ein Bier dann quasi sofort trinken und musste nicht eben noch eine Woche warten oder so.

Roxane Bicker: Genau, genau. Aber was du gesagt hast von wegen dem Kochen, also auch das hat man in Ägypten nachgewiesen. Das heißt, es muss also wirklich beide Möglichkeiten gegeben haben. Grade in diesen frühzeitlichen Brauereien, die man ausgegraben hat, da hat man auch Hinweise darauf, dass man das Getreide gekocht hat. Da hat man nämlich auch große Krüge, die auf so einer Art Feuerstellen, Dauerfeuerstellen gestanden sind. Also da hat man wirklich auch mit dieser Kochmethode gearbeitet.

Markus: Faszinierend. Und eine Frage noch zur Hefe. Habt ihr überhaupt etwas zugesetzt oder habt ihr dem einfach seinen Gang gelassen?

Roxane Bicker: Genau, also ich habe nur meinen Sauerteig genommen, der eben schon auch etwas älter ist und damit entsprechend triebstark. Den habe ich auch wirklich selbst herangezüchtet, also nur mit Mehl und Wasser und dann stehenlassen und durch die natürlichen Hefen in der Luft beginnt der dann auch zu blubbern und zu gären und zu treiben.

Markus: Ja, also es sind dann wirklich die Hefen, die da in der Luft sind. Und das ist, und ich glaube auch, also wie du schon sagtest, die Milchsäure, die hat da auf jeden Fall ihren Anteil gehabt, sicherlich auch damals in Ägypten. Und klar, bei dem Klima ist vielleicht so eine leichte Säure vielleicht auch ganz gut.

Roxane Bicker: Ja.

Markus: Und es macht das Bier natürlich auch haltbar, also wenn man dann sowohl Säurekomponenten hat als auch Alkohol hat, ist natürlich beides auch gut für die Haltbarkeit von Bier. Und hast du denn schon mal so eine klassische Berliner Weisse, also nicht das, was man mit Sirup mischt, sondern was jetzt auch so die kleinen Brauereien wieder so nachbrauen nach alten Rezepturen, hast du sowas schon mal probiert?

Roxane Bicker: Nee, bisher nicht. Also in der Tat, so eine mit Waldmeister- oder Himbeersirup, das habe ich schon mal getrunken, aber so eine ganz Ursprüngliche leider bisher noch nicht.

Markus: Okay, also dann werden wir das mal bei Gelegenheit nachholen, wenn ich mal wieder in München bin, komme ich mal im Museum vorbei.

Roxane Bicker: Unbedingt, genau und dann trinken wir eine Berliner Weisse, ja, in München, genau.

Markus: Ja, aber interessant eigentlich, weil ich grade an einem Artikel recherchiere über die Biergeschichte von Berlin. Und worauf ich da auch gestoßen bin, ist, dass man auch über die Archäologie auf dem Barnim, das ist so nördlich von Berlin so ein Hügel, da hat man tatsächlich nachweisen können, das es schon 2500 vor Christus auch dort eine Bierherstellung gab, die auch relativ ähnlich der ägyptischen war. Also so vom Vorgehen her und wie man das so gemacht hat, auch mit Brot backen und so. Und interessanter Weise, als die Römer dann auf die Germanen gestoßen sind und so, haben die zwar erzählt, dass die Bier brauen, aber diese Nähe zu dem Ägyptischen, haben die nie irgendwie aufgeschrieben. Also weil, das wäre interessant gewesen, wie diese unv. #00:32:01-8#

Roxane Bicker: Ja, ja, klar, ja. Also ich meine, es geht ja inzwischen noch weiter zurück, man hat ja die Befunde aus Göbekli Tepe, da geht die Bierherstellung ja ins 10. Jahrtausend vor Christus zurück. Also ich meine, auch das ist ja unglaublich faszinierend, da hat man dann noch ältere Biervorkommen als bei den alten Ägyptern.

Markus: Ja, also das ist total faszinierend und das ist, soweit ich weiß, aktuell auch der älteste Beweis sozusagen rund ums Bier. Also, ja, insofern faszinierend, weil, das heißt einfach, dass Bier die Menschheit eigentlich begleitet, sogar noch vor der Zeit, bevor sie sesshaft wurde, bevor man eine umfangreiche Sprache oder Schrift oder sowas entwickelt hat. Also das ist schon eine interessante Sache, so ein Kulturgetränk, was auch viel länger zum Beispiel schon bei Menschen ist, als bewusst hergestellter Wein oder eben auch gebackenes Brot. Also, ja, toll, insofern, schön.

Roxane Bicker: Und von den alten Ägyptern wissen wir ja, ohne das Bier würde es die Menschheit heute ja sowieso überhaupt nicht mehr geben. Es gibt nämlich eine Geschichte aus dem alten Ägypten über die Göttin Sachmet, die löwenköpfige Göttin. In Ägypten glaubte man, dass in früherer Zeit die Götter zusammen mit den Menschen auf der Erde gelebt haben. Und der Herrscher damals über Götter und Menschen, das war der Sonnengott Re. Normalerweise sind die Menschen zu ihm in den Tempel gekommen, haben gebetet, haben gesungen, habe ihm Opfergaben gegeben, aber irgendwann haben sie damit aufgehört, nur gesagt: „Naja, der bringt uns eh nichts mehr.“ Re war enttäuscht, böse, wollte die Menschen bestrafen. Also großer Gott tut man das nicht selbst und so hat er sich eine Tochter geschaffen, die wilde und ungestüme Göttin Sachmet und hat Sachmet auf die Menschheit losgelassen. Und Sachmet hat mit Zähnen und Klauen, mit Feuer und Schwert die Menschheit dezimiert, bis die Menschen so viel Angst hatten, dass sie wieder zurück in den Tempel zu Re gekehrt sind, ihn angefleht haben, ihnen zu helfen. Re hatte also sein Ziel erreicht, wollte zu Sachmet hingehen und sie beruhigen, hat gesagt Sachmet: „Unser Plan ist aufgegangen, alles gut, du kannst jetzt aufhören.“ Sachmet hingegen war in einem solchen Blutrausch verfallen, das sie androhte, alle Menschen, die allerletzten auf Erden, umzubringen. Musste also ein zweiter Plan her und so hat Re die Menschen in seinem Tempel versammelt und sie haben in der Nacht heimlich große Mengen an Bier gebraut. Nicht das einfache Bier, was wir hergestellt haben, sondern das richtig gute Starkbier. Und das haben sie mit Ocker rot gefärbt und haben dieses Bier am Morgen auf den Feldern Ägyptens ausgekippt. Und als Sachmet aus ihrem Schlaf aufgewacht ist, sie diese großen Mengen an roter Flüssigkeit gesehen, hat natürlich gedacht, das wäre Blut und hat sich als blutrünstige Göttin darauf gestürzt, hat es aufgeschleckt und war danach so betrunken, dass sie Re keinen Widerstand mehr geleistet hat. Er konnte sie zähmen, zu sich in den Himmel holen. Die Menschheit war Dank des Bieres gerettet und Sachmet stand ab dieser Zeit auf der Seite der Menschen, ist nur noch mit dem König als Begleitung in den Krieg gezogen und war, spannender Weise, auch die Göttin der Heilkunst und der Ärzte. Also, Dank des ägyptischen Bieres gibt es und die Menschheit heute überhaupt noch.

Markus: Poh, krasse Geschichte. Hatte auch ein bisschen Saulus und Paulus irgendwie, ne.

Roxane Bicker: Ja, genau, also die Bekehrung.

Markus: Ja und hört sich auch so ein bisschen an wie die älteste Vampirgeschichte der Menschheit, oder?

Roxane Bicker: Ja, so ein wenig, genau.

Markus: Faszinierend. Ja, da sind wir vielleicht noch ein bisschen bei den anderen Facetten, die dich ausmachen. Also zum Beispiel bist du ja auch Autorin, hast schon viele Bücher geschrieben, denkst dir da wirklich sehr spannende, faszinierende, durchaus auch mal grausame Geschichten aus. Wie kommt man überhaupt zum Schriftstellertum dann und was bewegt dich da so?

Roxane Bicker: Also auch das liegt schon lange, lange zurück, also soweit ich mich erinnere, habe ich immer sehr, sehr gerne gelesen und es ist vom Lesen aus nur ein kleiner Schritt, dass man sich selbst Geschichten ausdenkt und die dann auch irgendwann zu Papier bringt. Bis da wirklich das erste Buch entstanden ist, da hat es allerdings ein bisschen gebraucht und die Bekanntschaft mit hier einer Münchner Schriftstellerein, Diana Hillebrand, die unter anderem bei uns im Museum für ihr neustes Kinderbuch recherchiert hat und mich dann wieder aufs Schreiben gebracht hat. Und wen ich da einmal angefangen habe, dann war dort kein Halten mehr. Ich habe 2016 wirklich wieder intensiv das Schreiben angefangen, es sind in dieser Zeit vier Romane inzwischen herausgekommen. Eine ganze Reihe von Kurzgeschichten, die manchmal öfters mit dem alten Ägypten natürlich auch zu tun haben, definitiv aber keine ganz klassischen altägyptischen Geschichten sind. Das heißt, ich nehme also die Kultur des alten Ägypten auch immer nur als eine Inspirationsquelle, um sie dann in andere fantastische Geschichten mit einzubinden. Aus reinem Eigennutz entstanden, ist ein Verein hier in München, die Münchner Schreiberlinge, wo wir uns als schreibende Personen zusammengetan haben, um uns gegenseitig auszutauschen, zu unterstützen, voneinander zu profitieren. Und seit letztem Jahr sind wir sogar ein eingetragener gemeinnütziger Verein und haben, so es Corona denn zulässt, noch eine ganze Reihe von Plänen.

Markus: Ja, ist auf jeden Fall auch eine sehr spannende Facette. Und ich muss auch, also ich habe so ein bisschen reingeguckt, also Buch habe ich natürlich noch keins, das werde ich noch nachholen.

Roxane Bicker: Noch, noch, ne.

Markus: Noch, genau. Aber, was du eben so schreibst, was da alles so passiert ist, da geht es ja dann durchaus auch mal zur Sache.

Roxane Bicker: Natürlich.

Markus: Und ich habe mal einen Workshop besucht mit Markus Heitz, der da gesagt hat, ja, also am wichtigsten für ihn ist eigentlich, dass er vorher praktisch so ein Storyboard schon irgendwie macht und die Personen entwickelt und das dann irgendwie so zusammenfasst. Also einen ganzen Roman an sich habe ich noch nicht geschrieben, bei mir sind es eher Sachbücher, wobei ich ab und zu so Geschichten einbinde, und soweit habe ich mich jetzt noch nicht gewagt. Aber wie ist das denn bei dir, entwickelst du vorher so deine Storyboards und deine Personen oder kommt das eher so aus dir raus, wie kommt das bei dir?

Roxane Bicker: Ja, also man unterscheidet zwei Arten von schreibenden Personen, das sind einmal die Plotter. So wie Markus Heitz, die also wirklich alles detailliert sich aufschreiben und schon genau, bevor sie das erste Wort geschrieben haben, wissen, was in einem solchen Roman passiert. Und dann gibt es die Pencer, von Englisch pence, die das Ganze auf dem Hosenboden machen, wo die ganze Geschichte beim Schreiben überhaupt sich erst entwickelt. Und das ist eher meine Herangehensweise. Das heißt, ich habe eine erste Idee vielleicht im Kopf, ich habe eine Person im Kopf, ein paar wenige Szenen, vielleicht einen ganz, ganz groben Rahmen, wo ich irgendwie hin will und dann entwickelt sich die Geschichte beim Schreiben. Und das ist vor allem auch meine Motivation, dass ich am Geschichten schreiben dran bleibe, denn ich weiß ja selbst noch nicht wie es ausgeht und was alles passiert, sondern das entwickelt sich wirklich erst direkt im Prozess. Und wenn ich wissen will, wie die Geschichte ausgeht, ja, dann muss ich sie halt notgedrungen zu Ende schreiben.

Markus: Also, das ist eine sehr, sehr schöne Herangehensweise und auch eine tolle Motivation, finde ich. Und da hattest du jetzt wahrscheinlich in dieser ganzen verrückten Pandemiezeit, da waren ja auch die Museen geschlossen, wahrscheinlich unfreiwillig auch relativ viel Zeit. Hast du da auch viel geschrieben?

Roxane Bicker: Schön wäre es gewesen, wenn ich da wirklich viel Zeit gehabt habe, man weiß ja, eigentlich hat man dann eher noch weniger Zeit. Ich bin mit meiner ersten Buchveröffentlichung, in der Tat, genau in die Corona-Zeit reingerutscht, mein erster Roman ist nämlich 2020 im März erschienen, genau da, wo alles losging.

Markus: Perfekt.

Roxane Bicker: Ja, perfekt, also perfekt für die Leute zum Lesen, eher weniger perfekt für mich, weil Lesungen und so weiter natürlich auch ausgesetzt waren. Ich versuche das Ganze irgendwie, den Vollzeitjob im Museum, die Familie, die ja auch noch ein wenig Aufmerksamkeit braucht, die anderen Freizeitaktivitäten und das Schreiben einigermaßen gleich zu gewichten, es ist nicht immer ganz einfach. Und es gibt auch solche Phasen, wo ich halt mal mehr schreibe und mal weniger, aber im Großen und Ganzen funktioniert das schon. Ich bin ein Frühaufsteher, also von daher falle ich meistens am Wochenende auch schon um sechs Uhr aus dem Bett, wenn die anderen noch schlafen und das ist dann meistens meine Schreibzeit am Wochenende in den frühen Morgenstunden.

Markus: Das stimmt, das ist irgendwie die produktivste Zeit, wenn alle anderen noch schlafen, wenn keine E-Mails kommen, gar nichts, dann kann man da in aller Ruhe, da stimmt.

Roxane Bicker: kann man sich da genau drauf konzentrieren, ja, das stimmt.

Markus: Ja, ich habe noch eine Frage so zu deinem Museumsschaffen. So, wenn man den normalen Menschen da draußen fragt, ja, was stellst du dir unter Museumspädagogik vor, dann sagen die, naja, das ist halt jemand, der mit Schulklassen durchs Museum läuft oder so. Und wie das bei dir, also bist du die, die mit Schulklassen mit durchs Museum läuft, was steckt da alles dahinter?

Roxane Bicker: Ja, ich bin die dahintersteht, das Leute mit Schulklassen durchs Museum laufen können. Ja, die Leute stellen sich den Museumsjob immer sehr interessant vor, man hat viel Zeit und kann sich kluge Gedanken machen, wandelt durch die einsamen Museumshallen, steht vor seinen Kunstwerken und denkt darüber nach. Nee, es ist eigentlich ein Bürojob wie jeder andere auch. Das heißt, ich komme morgens in unser Büro, ich sitze den ganzen Tag am Computer und am Telefon. Und wenn ich Glück habe, dann komme ich an einem Tag auch mal unten ins Museum in die Ausstellung, meistens sehe ich das aber eher nicht. Das heißt, unser Job ist einfach wirklich die Verwaltung, das, was die Leute vom Museum nämlich nicht sehen, was alles dahintersteht. Wir entwickeln die ganzen Programme, wir entwickeln die Vorträge. Wir halten natürlich selbst auch Vorträge, wir halten auch selbst Führungen, aber ich bin vor allem auch dafür verantwortlich, die ganzen Führungen einzubuchen, mit den Lehrern zu verhandeln, die über 450 Schulklassen, die wir in normalen Jahren haben, dann auf die einzelnen Führungskräfte zu verteilen. Also es ist eher das Entwickeln von Programmen und die ganze Organisation, die dahintersteht.

Markus: Und es richtet sich aber auch nicht nur an Kinder und Jugendliche, sondern durchaus auch an Erwachsene?

Roxane Bicker: Deswegen sind wir von dem Begriff der Museumspädagogik inzwischen auch etwas abgekommen, weil Pädagogik verbinden die meisten Leute ja wirklich mit Schulklassen, mit Kindern. Aber Kulturvermittlung ist für alle gedacht, das geht von den ganz Kleinen, vom Kindergraten bis zu den Senioren, Erwachsenenführung. Also alles, was im Museum Vermittlung ist, das fällt in meinen Aufgabenbereich und da gehören nicht nur die Kinder dazu, sondern auch alle anderen, die natürlich auch angeleitet werden wollen, die auch neue Dinge über das alte Ägypten erfahren wollen. Und grad in den letzten zwei Jahren sind wir sehr auf den digitalen Bereich umgeschwenkt, notgedrungen, wenn das Museum zu hat und keine Menschen zu uns kommen können. Das heißt, wir haben jetzt auch angefangen, Vorträge digital bereitzustellen. Wir haben seit letztem Jahr, wie du schon sagtest, auch selbst einen Podcast, wir haben eine digitale Ausstellung geschaffen. Und auch so etwas gehört natürlich zu den Aufgaben dazu.

Markus: Ja, da gibt es einen Bamberger Lehrstuhlinhaber in der Pädagogik, der dann eben dieses Wort Pädagogik, das ja vom Ursprung her schon mit Kindern zu tun hat, umgemünzt hat und eben Andragogik draus gemacht hat, um dann eben das auf die gesamten Leute sozusagen zu beziehen.

Roxane Bicker: Auf die Menschen, genau.

Markus: Das finde ich auch sehr, sehr richtig und natürlich auch sehr, sehr wichtig. Gibt es denn für dich auch diesen internationalen Austausch, trotz der ganzen pädagogischen Arbeit, auch mit anderen Archäologen, mit dem Matthew zum Beispiel oder so, wo du auch an deinen Themen noch dran bleiben kannst?

Roxane Bicker: Ja, also das ist das Schöne an der Museumsarbeit, dass man natürlich immer wieder sich auch neue Themen erarbeitet, sei es für Vorträge, sei es für neue Artikel in unserer Museumszeitschrift oder so. Dass man sich also immer wieder auch austauscht, dass man natürlich auch mit den Kolleg: innen aus dem In- und Ausland sich austauscht und dort etwas macht, also das gehört auf jeden Fall dazu. Es wäre schön, wenn dafür mehr Zeit bliebe, aber das ist leider auch immer etwas zurückstecken müssen hinter der ganzen Organisation.

Markus: Ja, du hast schon erwähnt, du machst auch den Podcast. Das wäre für mich was, was ich zum Abschluss noch gerne kurz mit dir besprechen würde, grade aus Eigeninteresse natürlich auch. Also wie kamt ihr da drauf, wie sucht ihr euch eure Folgen aus? Auf was für Herausforderungen seid ihr so gestoßen, bis es da mal losging?

Roxane Bicker: Wir haben das eigentlich genauso gemacht wie mit dem altägyptischen Bierbrauen, wir haben von nichts eine Ahnung gehabt und haben einfach mal ausprobiert und haben uns auf dem Weg nach und nach verbessert. Mein Kollege, Doktor Arnulf Schlüter und ich, wir hören beide gerne Podcasts und wollten das eigentlich auch selbst schon immer mal ausprobieren, und haben dann gedacht, naja, okay, dann gucken wir halt mal, wie das funktioniert. Wir sind bei uns durchs Museum gegangen, haben die Tonqualität aller Räume ausprobiert, wo kann man sich am besten hinsetzen, dass man eine möglichst rauschfreie, schallfreie Aufnahme hat? Sind dann gelandet in einer kleinen Abstellkammer, einem Abstellraum in der Restaurierung, der wirklich von allem total abgeschirmt ist. Inzwischen haben wir den Raum auch schön ausgekleidet mit Pyramidenschaumstoff und haben auch an der Technik ein bisschen gefeilt. Wir haben am Anfang also so einen wirklich ganz, ganz einfachen Recorder gehabt, inzwischen ist die Ausstattung etwas professioneller. Wir sind inzwischen in der zweiten Staffel unseres Podcasts angekommen. Die erste Staffel hat zehn Folgen umfasst, wo wir das Museum vorgestellt haben, wo wir mit Mitgliedern unseres Teams gesprochen haben, wo wir die verschiedenen Arbeitsbereiche des Museums vorgestellt haben. Und jetzt in der zweiten Staffel unseres Podcasts suchen wir uns immer verschiedene Themengebiete aus der altägyptischen Kultur aus, beleuchten die. Und das läuft eigentlich relativ gut und ich denke, wir werden damit auch weitermachen. Wir haben am Anfang in der ersten Staffel wirklich alle zwei Wochen eine Podcast-Folge produziert, inzwischen sind wir auf den monatlichen Rhythmus übergegangen und auch da schaffen wir es wirklich immer nur kurz vor knapp, unsere Folge aufzunehmen. Deswegen, umso mehr Bewunderung, dass du schon so viele Folgen produziert hast. Es braucht doch immer auch ein bisschen Zeit und Vorbereitung, bis man wirklich eine gute Folge dann auch hinkriegt.

Markus: Ja, auf jeden Fall und natürlich auch die Nachbereitung, aber es klingt auf jeden Fall schon super gut. Ich habe mir vorhin so Dreiviertel von dem Weihnachts-Podcast angehört und das fand ich auch sehr, sehr spannend eben, wie da auch schon wieder einfach diese kulturgeschichtlichen Bezüge sind. Dass das, was wir eben so als Maria kennen, eigentlich eine ägyptische Wurzel hat.

Roxane Bicker: Genau.

Markus: Also da, finde ich auch, es gibt so viele Denkanstöße. Und das ist auch was, was ich immer wieder versuche, grade beim Thema Bier, auch den Leuten nahezubringen, das einfach Horizonte erweitert werden müssen und das man das in der Gesamtheit einfach denken muss, in allen Dimensionen. Also sei es jetzt über den Globus, sei es über die Zeit, sei es über die verschiedenen Kulturen, es hängt alles mit allem zusammen, wie man so schön sagt. Und nur wenn man das versteht, dann kann man auch das verstehen, was jetzt ist. Und das fand ich auch an der Archäologie immer so spannend und muss sagen, seitdem ich jetzt eben auch Leute persönlich besser kenne, die sich damit beschäftigen, ist das für mich nochmal interessanter geworden.

Roxane Bicker: Das kann ich glauben. Als Empfehlung zum Reinhören unbedingt unsere Halloween-Folge aus dem letzten Jahr, da haben wir nämlich eine Spezial, extra lange Folge gemacht, die sich mit Verbrechen im alten Ägypten beschäftigt. Weil, True Crime und so weiter, das boomt, haben wir uns gedacht, das können wir auch und zwar auf der historischen Schiene und haben uns wirklich mit Mord und Totschlag im alten Ägypten beschäftigt. Und das ist so gut angekommen, dass wir dieses Jahr unsere Vortragsreihe darauf ausgelegt haben und die einzelnen dort angesprochenen Themengebiete jetzt nochmal ausführlich beleuchten.

Markus: Also da bin ich gespannt. Da steht da sogar, wir gehen bis zu den Feuerseen der Höhle, also das ist ja schon krass. Also werden wir natürlich in den Shownotes auf jeden Fall verlinken. Vielleicht noch so als Abschlussfrage an dich, wenn du dir frei aussuchen könntest, als Archäologin irgendwas auszugraben, was wäre dein Wunschziel, was würdest du gerne ausbuddeln?

Roxane Bicker: Eigentlich gar nichts, die Ausgrabungsarbeit, die überlasse ich lieber anderen. Ich bin Museumsmensch, ich lasse andere graben und präsentiere dann und vermittle dann im Museum das, was andere gezeigt haben oder was andere ausgebuddelt haben.

Markus: Okay, das ist natürlich auch sehr gut und auch sehr wichtig. Insofern sage ich 1.000-Dank für diesen wirklich sehr spannenden Podcast, für diesen Ritt durch die Geschichte und für viele tolle Einblicke. Und ich denke mal, das wird unseren Hörern und Hörerinnen auch so gegangen sein und vielleicht meldet sich ja der ein oder die andere mal bei dir im Museum und dann kann man da ja ein bisschen nachbereiten. Danke schön und dir noch heute einen wunderschönen Tag.

Roxane Bicker: Ich sage danke schön, dass ich dagewesen sein durfte, dass ich über das Bier mal wieder habe plaudern können. Und unbedingt die Einladung, uns im Ägyptischen Museum in München zu besuchen, live und vor Ort, wir haben nämlich auch, man muss sie etwas suchen, aber man findet sie, Bierkrüge aus dem alten Ägypten ausgestellt. Oder, man besucht uns digital, in unserer digitalen Ausstellung oder auf YouTube und hört sich unsere Vorträge an, wo man eben auch meinen Vortrag zum altägyptischen Bier findet.

Markus: Genau, das wird gemacht. Vielen Dank und, ja, wie gesagt, noch viel Spaß heute.

Roxane Bicker: Tschau.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 37 – Interview mit Susanne Kneidl, Erfinderin der Dosensterne aus Steinhöring

Sie ist die Herrin der Sterne, zumindest der Dosensterne: Susanne Kneidl. Vor vielen Jahren kam der heute 66jährigen die Idee, aus alten Bierdosen wunderschöne Wand- und Christbaumgehänge bzw. einfach innovative Dekoobjekte zu erschaffen. Die Basis ist dabei der Fröbelstern, ein Archetyp für selbstgebastelten Weihnachtsschmuck vom Begründer der Kindergartenbewegung, Friedrich Fröbel, der schon im 18. Jahrhundert von der Idee fasziniert war, aus vier langen Streifen einen Stern entstehen zu lassen. Genau das macht Susanne jetzt auch und verwandelt in ca. 20 Minuten mühsamer Hand- und Kleinstarbeit eine Bierdose in einen Stern. Spannenderweise rief das auch schon die Anwälte des FC Bayern auf den Plan, um zu prüfen, ob die Markenrechte des „Sterns des Südens“ durch die kreativen Recyclingbasteleien berührt sein könnten. Im BierTalk erzählt Susanne ihre Geschichte und gibt auch ein paar Tipps zum Basteln, wenn Ihr selbst mal Hand anlegen wollt…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute haben wir den 24. Januar, ein ganz besonderer Tag, nämlich der Tag der Dose. Und dafür haben wir uns auch eine ganz besondere Gästin eingeladen, die aus den Dosen Sterne zaubert. Ja und was es genau damit auf sich hat, werden wir jetzt gleich hören. Liebe Susanne Kneidl, stell dich doch unseren Hörern bitte mal kurz selbst vor.

Susanne Kneidl: Ja, hallo Markus, grüß Gott nach Bamberg, ich freue mich, dass ich auf dieser Ebene ein bisschen was über meine Dosen und Bierdosensterne erzählen darf. Mein Name ist Susanne Kneidl, ich wohne in Steinhöring, das liegt östlich von München, zwischen München und Wasserburg. Ich lebe hier seit über 30 Jahren mit meinem Mann und zwei Söhnen. Ja und jetzt sind wir eigentlich schon mitten drin im Thema Bierdose, heute, 24. Januar, Tag der Bierdose und ich kann doch einiges berichten.

Markus: Ja, da bin ich doch mal sehr gespannt. Vielleicht mal vorneweg, wie kommst du überhaupt zu diesem Thema, also einerseits zum Bier und andererseits zur Dose?

Susanne Kneidl: Ja, das ist eine sehr spannende Geschichte, das beginnt alles im Jahre 2003, da wurde ja von unserer Regierung das Dosenpfand eingeführt und vor dem Dosenpfand habe ich gesehen, in der freien Natur, überall lagen diese Bierdosen rum. Ich bin Sommer wie Winter da vorbeigekommen, das Material ist ja Alu, es hat sich nicht verändert und da habe ich gedacht, das kann ja eigentlich nicht so wertlos sein, ich nehme mir mal eine Dose mit und probiere mal, was ich aus dieser Dose fabrizieren kann. Das war natürlich am Anfang sehr schwierig, diesem Material erst einmal beizukommen. Ich habe mal eine Dose zerlegt und dann mal geschaut, was kann ich mit diesem Material anfangen. Es war Alu, es gibt ja auch Weißblech und das Alu ist etwas leichter, es ist auch leichter zum zerschneiden. Ja und so, Schritt für Schritt, habe ich mich an dieses Material herangetastet.

Markus: Und hattest du vorher auch zum Thema Bier schon eine Beziehung oder hast du eine Beziehung zum Thema Bier?

Susanne Kneidl: Ja, ich habe immer eine Beziehung zum Thema Bier. Meine Heimatstadt ist Hannover, das ist ja noch nicht so doll bierig, da gibt es ja nur, sagen wir mal, drei so Biersäulen, aber es hat mich immer schon nach Süddeutschland gezogen, ja und vielleicht war das Bier auch so ein bisschen ausschlaggebend.

Markus: Ja, was viele ja nicht wissen ist, das aus Hannover zum Beispiel das ganze deutsche Efes-Bier kommt, was es ja zum Beispiel auch in Dosen gibt. Du hast ja grade schon erwähnt, es gibt unterschiedliche Materialien, Alu und Weißblech. Hat sich da in letzter Zeit was verändert oder siehst du da einen Trend oder ist das immer so eine Überraschung, wenn du eine Dose hast, ist es mal aus dem einen, mal aus dem anderen?

Susanne Kneidl: Ja, also interessant ist schon, das Material hat sich im Laufe der Zeit sehr verändert, das Alu ist immer dünner geworden. Weißblech verarbeite ich nicht mehr, es lässt sich sehr schlecht schneiden und die Sterne als Ergebnis schauen einfach nicht so exakt und präzise aus. Mein bevorzugtes Material ist eben Aluminium.

Markus: Ja und jetzt müssen wir den Hörern vielleicht noch ein bisschen schildern, wie schaut sowas überhaut aus. Du hast mir ja ein paar Beispiele geschickt und da gibt es jetzt also kleine Sterne, würde ich mal sagen, die sind vielleicht so drei Zentimeter im Durchmesser, haben acht Zacken und in der Mitte sieht man sehr schön noch die Motive, die auf der Dose waren, und die gibt es dann einmal am Bändchen. Und was ich ja sehr schön finde ist, dass dann der Öffner der Dose, diese kleine Lasche oder wie man das bezeichnet, das hängt dann auch dran so quasi als Befestigungsmöglichkeit und dann gibt es dieselben aber auch mit einem Magneten, sodass ich die dann zum Beispiel an meinen Kühlschrank hinmachen kann. Dann habe ich noch einen ganz Großen, der ist auch faszinierend, das ist eher so eine Art Dosenwürfel, den finde ich auch toll. Also der hat vielleicht so sechs Zentimeter oder so und ist, glaube ich, zusammengesetzt aus, ah, sechs von diesen kleineren Sternen und, ja, hängt auch an so einer Lasche. Also sehr schön, also finde ich ganz toll. Wie kamst du da überhaupt drauf?

Susanne Kneidl: Ja, prima, ich möchte noch ein bisschen weiter ausholen und zwar, wo ich mit dem Material angefangen habe, habe ich erst mal überlegt, wie händel ich das und so weiter. Und die Basis von dem ganzen Stern ist ein sogenannter Fröbelstern. Dieser Fröbelstern, der wird ursprünglich aus Papier hergestellt und ich habe diesen Fröbelstern in dieses Dosenmaterial umgesetzt. Der Fröbelstern, ich hole nochmal weiter aus, der Fröbelstern besteht aus vier Streifen, vier gleiche Streifen werden verfaltet und das ist bei der Dose auch der Fall. Das heißt, ich muss die Dose in vier gleiche Streifen schneiden und die werden dann miteinander verfaltet. Das Ergebnis ist dann eben ein Stern zum Hängen, Magnet oder, wenn ich die Sterne miteinander verbinde, einzelne, entsteht ein räumliches Gebilde, zum Beispiel ein Würfel. Das ist aber ein sehr langer Prozess gewesen, den Würfel habe ich erst 2020 fertigstellen können.

Markus: Ja, dafür ist er aber auch wirklich ganz besonders schön gelungen. Also das ist wirklich, kann man den Hörern nur an der Stelle mal sagen, das ist echt eine ganz besondere Zier, der gefällt mir richtig gut. Also ich kann mich auch erinnern, als Kind habe ich ganz viel gebastelt und natürlich grade zur Weihnachtszeit, da hatte man natürlich als Kind, als Schüler viel Zeit und konnte dann auch alles Mögliche machen und tun. Und da habe ich auch so Sterne gemacht, auch mit so Papier, was dann auf der einen Seite golden war, auf der anderen farbig und dann ergeben sich da natürlich ganz schöne Motive. Hast du da Bastelerfahrung mitgebracht oder hast du dir die erst angeeignet, als du auf diese Dosenidee kamst?

Susanne Kneidl: Also ich habe immer schon gern gebastelt und mit Papier und so weiter gehändelt und das ist eigentlich so mein Ding. Und, ja, wie gesagt, das ist halt, der Dosenstern hat sich erst allmählich entwickelt und, ja, man muss das Material eben anders händeln wie Papier, das ist eine ganz andere Technik. Es kann jeder machen, das sage ich immer auf Messen und auf Ausstellungen, jeder kann das versuchen. Da habe ich mal einen Tipp an unserer Hörer, geht einmal in den Baumarkt, holt euch einmal so einen Messstreifen, das ist so ein meterlanger, das kennt ja jeder, die hängen da überall rum und aus den vier Streifen lässt sich dann ein Fröbelstern machen. Nochmal zu dem Herrn Fröbel. Der Herr Fröbel hat den ersten Kindergarten entwickelt in Thüringen, den Kindergarten gibt es immer noch heute. Natürlich hat dieser Kindergarten auch ein paar Dosensterne, ist ja ganz klar. Und der Fröbelstern gehört auch zu den mathematischen Basteleien.

Markus: Also ein gutes Stück Kultur und Kulturerbe irgendwie auch. Ja, vielleicht noch die Frage, wenn du jetzt sagst, Dosensterne, die haben natürlich eine ganz klare Zielrichtung, das heißt, eher so Weihnachten. Hast du da noch Produkte quasi, die man außerhalb der Weihnachtszeit hat oder ist das für dich so ein Fokus auf Weihnachten?

Susanne Kneidl: Ja, das ist immer so die Krux, bei diesen Dosensternen sagt dann immer jemand: „Hach, ist denn heute schon wieder Weihnachten.“ Ich versuche seit Jahren schon, aus dieser Weihnachtsschiene rauszukommen und da habe ich den sogenannten Urlaubsstern entwickelt. Das ergab sich aus Campingurlauben in Kroatien et cetera, dort haben die Campingleute ja oft ihre eigenen Dosen mitgebracht. Und ich habe da so einen kleinen Stand und erkläre was über Dosensterne und dann sagen die: „Ja, das ist ja ganz toll. Ich gebe dir jetzt die Dosen mit und dann schickst du mir die fertigen Sterne und da haben wir eine tolle Urlaubserinnerung.“

Markus: Das ist natürlich eine ganz schöne Idee, bringt mich aber noch auf eine andere Frage. Wie ist denn das in Sachen Hygiene? Also wenn so eine Dose ja jetzt irgendwie länger rumliegt, da war dann, was weiß ich, ein Radler drin oder Bier oder irgendwie so, dann kommen da doch auch Keime und das wird irgendwie eklig oder so. Also wie machst du das sauber und wie schaffst du das auch, ohne dass du dich selber verletzt, mit diesem Material gut umzugehen?

Susanne Kneidl: Ja, also Verletzung sind eines, es war also früher fürchterlich, Hansaplast war mein treuester Begleiter. Natürlich brauche ich das jetzt nicht mehr, weil ich das eben vom Material und vom Handling her gut machen kann. Hygiene ist es so, wenn ich jetzt Dosen bekomme, die tue ich erst mal in mein Lager und mache mal gar nichts. Und wenn ich jetzt sehe, aha, ich brauche jetzt diese Dose, weil sie eine bestimmte Farbe hat oder ist ein bestimmtes Hopfenmuster drauf oder irgendwas, dann tue ich erst einmal die Dose und den Deckel ab und dann wird das kurz in warmen Wasser aufgeweicht und mit der Bürste ein bisschen behandelt und dann ist das ruck zuck sauber. Das Material, das ist nicht irgendwie, das nimmt nicht irgendwie was an. Manchmal krabbelt da so ein kleines Tierchen, aber das ist harmlos.

Markus: Okay. Ja, nun heißt das Ganze ja BierTalk, deswegen habe ich mir auch extra ein Bier natürlich rausgesucht zum Tag der Dose und logischerweise auch ein Dosenbier. Ich mache es mal auf.

Susanne Kneidl: Ja, sehr gut, hört sich gut an.

Markus: Hört sich gut an, genau, ich schütte es mal hier in mein Glas. Genau, so, also das ist jetzt eine Dose von guten Freunden von mir und zwar aus Koblenz von der Gutsbrüder Brauerei oder Gutsbrüder Bier, wie sie sich auch nennen. Und da steht drauf, ein Kveik IPA. Heißt also, wenn man sich das anschaut, sieht man auch schon sehr schön, also man hat ein sehr trübes, sehr hell orangefarbenes Bier, was einen so richtig anstrahlt. Oben drüber hat man dann einen sehr feinen, sehr stabilen großen dichten Schaum, der ist so leicht getönt. Ich rieche mal rein. Ja, ganz intensive fruchtige Aromen, Pfirsich, Mango, Orange, Papaya, also ganz frische fruchtige Aromen, das macht richtig Lust, viel Citrus auch. Ich probiere mal ein Schlückchen. Also ist sehr, sehr schön, sehr weich, sehr rund und sehr hoch vergoren, also nicht sehr süß. Ein sehr angenehmes spritziges Bier, um diesen Tag der Dose zu feiern. Und da erschließt sich mir gleich nochmal eine Frage. Das ist jetzt eine Dose, die besteht ursprünglich einfach nur aus dem Blech, ohne Aufdruck und der Philip, der klebt dann so einen Aufkleber drauf. Wie kommst du denn mit solchen Dosen zurecht?

Susanne Kneidl: Das ist technisch möglich. Ich habe von Frau Gruber schon diverse Dosen verarbeitet, aber dieser Aufkleber, der doppelt dann das Alumaterial doch ziemlich auf, man kann die Dose schlecht falten. Und ich weiß nicht, im Laufe der Zeit schwindet auch der Aufkleber. Also Dosen mit Aufkleber habe ich nicht so gerne. Ja, das ist einfach von der Verarbeitung her etwas schwieriger.

Markus: Okay, dann werde ich das dem Philip mal sagen, dann muss er mal welche bedrucken lassen. Aber das klang ja jetzt auch so, als hättest du da durchaus schon Kontakt zu Brauereien. Also gab es da oder gibt es da Aufträge? Und wie kriegt man das dann auch hin? Du hast das bei mir so schön bei dem Stern zum Beispiel, den du mir geschickt hast, da ist da in der Mitte ganz schön das Logo oder das IPA sieht man hier auch schön. Also es ist so, dass das dann auch wirklich richtig gut ausschaut im Endprodukt. Das ist gar nicht so einfach, oder?

Susanne Kneidl: Nein, das war ein ganz langer Werdensgang. Am Anfang war ja das Handwerkliche, stand im Vordergrund und es war mir eigentlich gar nicht möglich, diese Information der Dose auf den Stern direkt zu übertragen. Ich habe da sehr lange umeinander gefummelt, kann ich eigentlich nur sagen, bis ich einmal diesen Stern richtig lesen konnte. Also wo ist jetzt der Zacken genau, wie viel Zentimeter, wie ist der Raster. Und das ist eigentlich das Interessante, und wo ist auch der Symmetriepunkt? Das Symmetriezentrum ist in der Mitte. Und man muss sich das so vorstellen, wenn ich jetzt irgendwie die Information der Dose mitteilen will, dann muss ich genau an das Raster halten und sonst kommt da gar nichts rüber. Und das ist ja eigentlich der Auftrag von dem ganzen Stern, eine Information rüberzubringen. Das heißt, durch diese Falttechnik wird die ursprüngliche Information in einen anderen Kontext gesetzt. Und da komme ich dann wieder dazu, Möglichkeiten zu den Brauereien und so weiter zu schaffen, weil, die Informationen sind ja eigentlich klar. Es sind ja Zeichen drauf, zum Beispiel Hopfen, Weizenährensymbole, Jahreszeichen und so weiter und da komme ich in diese Bierschiene rein.

Markus: Und gab es jetzt Brauereien, die dich da schon beauftragt haben oder mit denen du engeren Kontakt hast, für die du häufiger was machst?

Susanne Kneidl: Ja, ich habe einmal einen großen Auftrag gehabt von der Brauerei Sternberg, glaube ich, in Leipzig war das. Die haben auch ein sehr schönes Logo und da passt das genau, das Logo passt genau in dieses Maß von dem Stern rein. Und das ist auch das Wichtige. Wenn ich jetzt große Buchstaben oder was habe oder das Design der Dose nicht auf diesen Stern passt, dann passt auch der Stern nicht und er sagt nichts aus und es wird gar nichts.

Markus: Ich habe auf deiner Website ein bisschen gestöbert und habe gesehen, es gibt auch noch so ein paar besondere Sachen, zum Beispiel ein Insektenhotel. Wie muss ich mir das denn vorstellen?

Susanne Kneidl: Ja, das ist praktisch so ein Würfel, die Sterne werden miteinander verbunden und es entsteht ein Hohlraum und der Hohlraum kann mit Holzwolle bestückt werden. Ich habe einmal eine Zeitlang das im Garten hängen gehabt und das Ergebnis war, dass sich kleine Spinnen da drin aufgehalten haben. Also es ist jetzt eher nicht für Insekten gedacht, sondern für Spinnen. Aber man muss das halt immer alles ausprobieren, sowas gibt es ja auch nicht. Und ich denke auch, ich bin die Einzige, die sich mit den Dosen in dieser Form auch beschäftigt.

Markus: Also das glaube ich auch, da ist mir noch nix untergekommen in diese Richtung. Hast du denn auch ein bisschen damit zu kämpfen, das es ja durchaus noch vor allem, glaube ich, Leute unserer Generation und älter gibt, die bei Dosen eher so ein negatives Image damit verbinden? Kriegst du da was mit?

Susanne Kneidl: Ja, die älteren Herrschaften, die haben immer den Eindruck, es schmeckt so metallisch oder so. Aber die Dose hat sich ja auch technisch entwickelt, sie wird ja mit einem leichten Belag besprüht, sodass also völlig geschmacksneutrales Bier rüberkommt. Und ich muss auch ehrlich sagen, es sollte vielleicht ein bisschen mehr dran gearbeitet werden, es ist ja, kann kein Licht in die Dose dringen so wie bei der Flasche und es gibt dann immer die Sache Flasche, Dose, was ist da und was ist da. Und da kann man immer abwägen, welches Produkt ist für welchen Zweck am besten, nehme ich jetzt die Dose mit auf den Berg oder nehme ich die Flasche auf den Berg?

Markus: Absolut. Ja und grade bei dem Thema, wir verschicken etwas, ist das natürlich immer mittlerweile sehr, sehr wichtig. Und, ich meine, grundsätzlich, das hatten wir ja im BierTalk auch schon immer wieder mal, ist es ja so, dass die Dose eigentlich das perfekte Behältnis für Bier ist, weil sie eben lichtdicht ist, weil sie luftdicht. Wie ein kleines Fass eigentlich, weil man sie eben auch gut verschicken und transportieren kann. Entscheidend ist einfach nur, dass man nicht aus der Dose trinkt, sondern dass man dann eben ein schönes Glas hat, in das man dann so Dinge gibt und dann hat man eigentlich alles richtig gemacht. Und wie du auch schon sagst, ist die Dose des Jahres 2022 nicht mehr die Dose des Jahrs 1980, wo ich als Kind vielleicht noch mit der Limo aus dem Aldi oder Norma oder sowas auf die Schulausflüge gegangen bin und das hat dann tatsächlich metallisch geschmeckt. Aber das ist ja schon lange her, quasi wie aus einer völlig anderen Zeit. Ja, was hast du denn als Kindheitserinnerungen an Dosen?

Susanne Kneidl: Ja, eigentlich gar nicht viel. Ich habe halt, also normalerweise war halt die Flasche immer noch das ganz, Kunststoff hat es ja nun auch nicht damals so gegeben. Also Flasche und Glas war halt eigentlich so das Gebinde.

Markus: Du hast auch die Dosen schon so ein bisschen um die Welt gebracht. Ich habe da zum Beispiel von einem Projekt gelesen aus Manila. Was hat es denn damit auf sich und hast du noch so andere Post vielleicht bekommen, wo deine Sterne sich über die Welt verteilt haben?

Susanne Kneidl: Ja, Manila war ganz interessant, da hat sich jemand gemeldet aus einer diplomatischen Angelegenheit. Die haben ein Projekt unterstützt, wo die Einwohner da, ja, wie soll ich sagen, ein soziales Projekt, was mit den Dosen und so weiter unterstützt werden sollte. Ja, das war eigentlich eins der auch interessantesten Sachen. Ich habe dann Sterne verschickt, wie die das weiter gehandhabt haben, das weiß ich jetzt da nicht. Interessant war jetzt auch zum Beispiel die Aktion von der Biersommelier-Weltmeisterschaft in Brasilien. Das war Klaus Artmann, hat mich gebeten, ein Gastgeschenk zu machen für die Weltmeisterschaft und das habe ich dann auch umgesetzt. Es waren Sterne dabei, da war natürlich ein Fußball drauf, Brasilien, Fußball, ist ganz klar. Oder zum Beispiel auch Schloss Kaltenberg, da war dann das Schloss drauf. Man meinte, das schaut so ähnlich aus wie Neuschwanstein, war aber Kaltenberg. Ja und das sind so besondere Sachen, die dann gekommen sind.

Markus: Ja, also die Dosensterne so ein bisschen als Botschafter. Was mir dabei noch einfällt ist, du redest ja die ganze Zeit, dass du Sterne machst, da machst und so weiter. Wie lange braucht man denn für so einen Stern und ist das für dich quasi so eine Art Hauptberuf?

Susanne Kneidl: Nein, es ist absolutes Hobby. Also das ist Hobby und das entwickelt sich immer wieder weiter. Ja und was halt noch wichtig war, ich war sechsmal Aussteller auf der Braukunst Live! und da hat man natürlich auch sehr engen Kontakt zum Bier, das ist natürlich ganz, ganz toll.

Markus: Und wie lange brauchst du für so einen Stern? Wie muss ich mir das vorstellen, du suchst das raus, schneidest das zu? Machst du da ganz viele Streifen und machst dann erst deine Sterne oder machst du immer Stern nach Stern, wie muss ich mir das vorstellen?

Susanne Kneidl: Also ich muss schon genau überlegen, bevor ich eine Dose zerlege, wo ist halt diese Information. Vom Zerlegen bis zum Finish sind es 20 bis 25 Minuten, für einen Stern.

Markus: Wow, also da steckt richtig viel Arbeit drin. Insofern sind die ja eigentlich dann verhältnismäßig günstig, oder, also?

Susanne Kneidl: Ja, ich muss ja nicht meinen Lebensunterhalt damit verdienen. Und ich sage auch immer: „Jeder Schüler soll die Gelegenheit haben, sich so einen Stern irgendwie aufzuhängen.“ Oder vielleicht als Erinnerung, wenn er auf dem Schulausflug war, dass er sagt: „Ich möchte gern so einen Stern haben.“ Also das ist kein Problem.

Markus: Vielleicht noch für die Hörer so ein bisschen, damit man sich das vorstellen kann, wie schaut es denn bei dir Zuhause aus, also hängen da überall Sterne rum? Und wie schaut es vielleicht an Weihnachten aus, ist dann quasi ein komplett sternumrahmter Baum, wie muss man sich das vorstellen?

Susanne Kneidl: Also ich setze die Sterne im Privatbereich sehr reduziert ein, man muss ja nicht ständig über so einen Stern drüber fallen. Ich habe eine Werkstatt, das ist ganz einfach, da ist ein Schreibtisch, eine Papierhebelmaschine und eine ganz normale Haushaltsschere, Lineal, Bleistift und das war es dann schon.

Markus: Okay. Und dein Weihnachtsbaum hat dann auch nur so zwei, drei und dann hängen daneben noch so schöne Kügelchen und so?

Susanne Kneidl: Nein, der Christbaum ist ganz traditionell geschmückt, es hängt nur eine Lampe umeinander und, ja, ganz reduziert.

Markus: Na gut. Was ich noch gelesen habe, was ja auch wirklich spannend ist grade in Bezug jetzt auf dieses Jahr, du hast auch einen Wiesn-Stern schon mal entwickelt. Es wird ja hoffentlich dieses Jahr wieder eine Wiesn geben, hast du da auch schon Ideen, dich da drauf vorzubereiten, vielleicht jetzt auch wegen der neuen Wiesn, nach drei Jahren endlich wieder Wiesn, da irgendwas zu machen?

Susanne Kneidl: Ja, Vorbereitung ist immer schlecht, ich muss ja erst immer warten, bis die Dose auf dem Markt ist und dann kann ich entscheiden, wie ich die Information aus der Dose raushole. Also erst kommt immer die Brauerei und dann kommt der Stern.

Markus: Also da muss man ein richtiges Dosen-Management sozusagen haben.

Susanne Kneidl: Genau, genauso ist das.

Markus: Ja, faszinierend. Also, dann bedanke ich mich bei dir ganz herzlich für diesen spannenden Einblick. Wir werden für die Hörer natürlich in den Shownotes deine Seite auch verlinken, ich sage es auch nochmal, www.dosensterne.de und dann kann man sich die auch besorgen. Und eben nicht nur für Weihnachten, sondern eigentlich für das ganze Jahr. Also bei mir liegen sie hier auch auf dem Schreibtisch beziehungsweise hängen und zaubern mir immer so ein Lächeln über die Lippen, wenn ich mir die anschaue. Also vielen Dank und dir heute noch einen wunderschönen weiteren Tag.

Susanne Kneidl: Markus, vielen Dank und grüß Gott nach Bamberg.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

BierTalk Spezial 36 – Interview mit Jacco den Hartog, Teilhaber der Homeland Brewery in Amsterdam, Niederlande

Jacco den Hartog stammt aus gleich zwei großen und altehrwürdigen Brauerfamilien aus den Niederlanden – und ist dennoch der einzige seiner Generation, der dem Thema treu geblieben ist. Während seines Studiums in Berlin lernte er die dortige Bierszene und seine Freundin kennen und nahm das Wissen über die eine und die Hand der anderen mit zurück in die Niederlande, wo er erst für den Großkonzern AB InBev tätig war und dann mehr oder weniger aus einer Bierlaune heraus in die gerade erst gegründete Homeland Brewery im Herzen der Altstadt Amsterdams einstieg. Dort ist Jacco heute vor allem für das Marketing verantwortlich und reist als Botschafter der Brauerei durchs Land. Wir haben ihn vor Ort getroffen und dieses Treffen nun online in einer Podcast-Folge wiederholt…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal wieder ein Speziell, weil wir über die Grenzen gehen. Wir schauen in die Niederlande oder wie der gemeine Deutsche sagt, nach Holland und haben dort einen spannenden Gast von einer spannenden Brauerei aus einer spannenden Stadt, nämlich den Jacco. Und, Jacco, am besten stellst du dich kurz selber vor und dann reden wir ein bisschen weiter.

Jacco den Hartog: Wunderbar, schönen guten Tag, Jacco hier aus Amsterdam von Homeland Brauerei. Ich bin kommerziell verantwortlich für die Brauerei, auch Eigentümer der Brauerei und, ja, wir sind seit, ich würde sagen, so sechs Jahren hier unterwegs. Und ich selber komme auch aus einer Bierbraufamilie, bin damit aufgewachsen. Damals war es vor allem Pilsener, aber, ja, seit, ich würde sagen, ungefähr zehn Jahren auch echt so richtig im Craft, wo wie wir das hier nennen, eingerollt, ja, so.

Markus: Vielen Dank schon mal. Und wir haben uns getroffen vor ungefähr drei, vier Monaten, da war ich in Amsterdam mit einem guten Freund unterwegs, mit Theo und der hat mich zu euch geführt. Und das war ein sehr spannender Besuch in der Brauerei, werden wir gleich noch ein bisschen mehr drüber sprechen. Vielleicht vorneweg zwei Fragen, die sich die Hörer vielleicht stellen, erst mal, wie kommt es, dass du so gut Deutsch sprichst?

Jacco den Hartog: Ich habe in Berlin und in Münster gewohnt, in Berlin eineinhalb Jahre, in Münster ungefähr ein halbes Jahr. Und habe mir auch eine deutsche Freundin ausgesucht, was auch geholfen hat. Die wohnt hier mit mir in Amsterdam seit drei Jahren. Ja, es ist wohl eine witzige Geschichte auch, weil, ich habe halt mein Studium in Enschede gemacht. Und in Enschede, da gibt es eigentlich auch ziemlich viele Deutsche, ja, das hat mich irgendwie ein bisschen gestört manchmal. Es gab so viele Deutsche in Enschede, die da studiert haben, die waren da für sechs Jahre da und ich dachte mir immer, das ist doch total schade, dass sie hier in einem Ausland wohnen eigentlich, aber nichts mit der Sprache tun. Also die sind immer, ja, öfter mal Deutsche untereinander gewesen. Und dann dachte ich, wenn ich dann nach Berlin gehe, dann, ja, ich kann das nicht sagen und dann nicht selber auch Deutsch lernen. Habe dann einen Kurs gemacht in Berlin und habe dann meine Freundin kennengelernt. Und was witzig war, sie hat tatsächlich auch in Enschede studiert, ich habe sie damals nicht kennengelernt, sie hat Holländisch gelernt. Das aber war auch vor zwei Jahren für sie damals und dann haben wir gesagt, nach meinem Kurs: „Komm, wir tauschen mal die Sprache.“ Das heißt, ich habe nur Deutsch gesprochen und sie hat nur Holländisch gesprochen. Und dann hat man zwei Monate lang ungefähr kein richtiges Gespräch, weil, man korrigiert die ganze Zeit, aber, ja, nach zwei Monaten haben wir wohl beide eigentlich ziemlich fließend Deutsch und Holländisch gesprochen. Und, ja, seitdem, wir sprechen Zuhause eigentlich auch nur immer Deutsch. Sie arbeitet auf Holländisch, ich arbeite auf Holländisch, wir wohnen hier beide in Holland und um auch die Sprache noch ein bisschen, ja, zu üben, wird bei uns eigentlich Zuhause, ja, ich würde sagen, 80 Prozent Deutsch gesprochen.

Markus: Ja, das ist ja wirklich spannend zu hören und kann ich ja irgendwie nachvollziehen, dass man so nach zwei Monaten dann doch endlich mal ins Gespräch kommt.

Jacco den Hartog: Ja, ja, auch mal geil, ne.

Markus: Absolut. Vielleicht noch eine Frage, wie kommst du denn überhaupt zum Thema Bier? War das schon ein Wunsch, als du ein kleiner Junge warst oder wann hat sich das bei dir so entwickelt?

Jacco den Hartog: Ich bin damit aufgewachsen tatsächlich. Also mein Opa hat zusammen mit seinen zwei Brüdern eine Bierbrauerei in Limburg, das ist ein Bundesland, Südholland. Das heißt, ja, auf Holländisch gibt es eine Aussprache, das heißt eigentlich, mit der Flasche, war schon immer in meiner Umgebung irgendwie. Und mein Opa hat damals der Brauerei, die heißt Maes, der ist damals zusammengegangen mit Christoph, was eine Pilsner-Brauerei aus Belgien ist, der auch zu meiner Familie gehört, die sind damals zusammengegangen. Und die sind dann später wieder zusammengegangen mit Maes Pilsner, was auch belgisch ist. Und das gibt es noch immer, das ist im Portfolio von Heineken mittlerweile. Es gab eine andere Seite von meiner Familie, gab es die Familie Schnieder und die gehören Domus. Und Domus ist auch eine holländische Biermarke, ich weiß nicht, ob es die noch gibt. In Deutschland, ich glaube nicht, ich habe es niemals gesehen eigentlich. Aber das heißt, Bier war eigentlich schon immer in meiner Umgebung. Und als ich damals meinen zweiten Master fertiggemacht hab in Berlin, wenn man sich Unternehmen aussucht, wo man arbeiten kann und schon immer Bier in seiner Umgebung hatte, ja, dann sucht man auch ein bisschen in die Richtung. Und das heißt, ich habe mich damals beworben bei Heineken und bei AB InBev. Ja, AB InBev kennen die Meisten natürlich auch, wurde in Deutschland groß für Franziskaner und Becks und so. Und ich wollte gern lernen in einem Großunternehmen, um dann irgendwann, ja, runterzugehen in ein kleineres Unternehmen. Und habe damals dann, ja, angefangen mit einem Sales Marketing Traineechip bei AB InBev. Das habe ich eineinhalb Jahre gemacht und dann danach ein Jahr im Marketing, war ich noch unterwegs. Und, ja, dann gab es hier die Chance, auch witziger Weise über Familie, bei dem, muss ich sagen, Cousin von meiner Mutter, also der Sohn von dem Bruder von meinem Opa, der war hier Direktor von dieser Brauerei geworden. Das war damals echt noch eine kleine Brauerei, wir hatten vier Tanks oder so und ein 1.000 Liter Brauhaus. Und die haben miteinander gesprochen. Und er war grade rübergekommen zu dieser Brauerei, er war normalerweise in der Festivalwelt unterwegs und hatte nicht so viel Ahnung. Und dann habe ich einfach ein paar Mal mit ihm Bier getrunken, um ihm ein bisschen zu helfen, wie macht man den kommerziellen Teil von einer Brauerei, weil, da lag nicht seine Erfahrung. Und dann hat er noch ein paar Mal irgendwie gesagt so: „Ja, okay, aber vielleicht musst du das dann mal machen.“ Und, ja, bin ich rübergekommen und habe ich hier vor drei Jahren angefangen, ein kleines Teil der Brauerei gekriegt auch und seitdem hier unterwegs. Und was auch witzig ist daran, mein Opa war halt kommerziell verantwortlich für die Maes Brauerei damals, und das ist dann verkauft worden. Und meine Mutter kommt aus einer Familie von acht Kindern, die fanden das alle total schade. Jetzt sind meine Onkel und Tante, die sind alle mega stolz, es gibt wieder jemand innerhalb der Familie, der wieder in der Bierwelt beschäftigt ist und tatsächlich auch in die gleiche Rolle als mein Opa damals.

Markus: Ja, das kann ich mir vorstellen. Und dann kannst du ja auf den Familienfesten immer stolz ein eigenes Bier präsentieren, das ist für dich eine schöne Geschichte.

Jacco den Hartog: So ist es.

Markus: Und vielleicht noch ganz kurz für die Hörer, die Homeland Brewery, wo die jetzt bist, du hast gesagt, du bist da dazu gekommen, als es die schon gab. Kannst du vielleicht noch zwei, drei Sätze zur Brauerei erzählen, wie die gegründet worden ist, wo vielleicht der Name herkommt und wo ihr jetzt so steht?

Jacco den Hartog: Ja, sicher. Ja, der Name Homeland, auf Deutsch sagt man Heimathafen. Und der Grund ist, die Brauerei ist auf dem alten Marinegelände im Zentrum Amsterdam. Vorher war das Gelände total abgeschlossen, aber jetzt ist es teilweise offen und sind da ein paar Unternehmen drauf. Und wir sind hier auf dem alten Marinegelände und sind auch direkt an dem alten Handelshafen von Amsterdam. Das heißt, es gibt hier eine große und lange, ja, maritime Geschichte und da kommt auch der Name der Brauerei eigentlich her. Der Name und das Design von all unseren Bieren ist auch alles maritim. Es gibt so eine lange maritime Geschichte und die möchten wir halt weitererzählen, aber dann in Bierform, so muss ich es ein bisschen sagen. Ist vor sechs Jahren gegründet worden, damals eigentlich sehr klein, hinter der Küche von unserer Kneipe, was direkt auch ein Restaurant und Hotel ist. Und da ist es in 2016 gegründet worden, erst mal eigentlich nur, um da für unseren eigenen Verbrauch ein bisschen Bier zu brauen. War auch am Anfang mehr hobbymäßig als das es echt richtig, ja, ein Business war. Ja, das Witzige ist, dass die zwei Gründer damals, die sind halt beide auch ziemlich viel in der Gastronomie und in der Festivalwelt unterwegs, sind erfolgreiche Unternehmen und haben ein riesen Netzwerk. Und davon sind halt viele vorbeigekommen, fanden das eigentlich alles sehr cool und dann haben sie sich überlegt, okay, vielleicht müssen wir dann auch tatsächlich mal eine richtige Brauerei als separates Unternehmen daraus aufbauen. So ging es los eigentlich. Haben wir vor drei Jahren nur eine Brauerei gekauft, die ungefähr zehnmal so groß war als die alte und sind wir auch umgezogen. Also wir sind, ja, hinter der Küche war nicht genug Platz mehr, also wir sind jetzt im Hangar, ungefähr 100 Meter entfernt, noch immer im Zentrum Amsterdam. Ja, einer der schönsten Orte, würde ich sagen, im Zentrum, man kann schwimmen, schönen Ausblick, natürlich. Ja und die Brauerei ist eigentlich immer gegründet worden auf zwei, das sind halt zwei wichtige Sachen für uns, der eine ist Qualität und der andere ist Nachhaltigkeit. Von den zwei Sachen aus machen wir eigentlich fast jede Entscheidung, die wir hier machen. Und da kann ich auch ein paar Beispiele dazu erzählen. Also qualitätsmäßig, ja, wir kennen einander natürlich eigentlich, weil, letztes Jahr sind wir bei der Dutch Beer Challenge, das ist ein hollandbreiter Wettbewerb, wenn es geht um Bier. Ich sage auswendig, 540 verschiedene Biere, 110 Brauereien und 27 Kategorien oder so. Und das war eigentlich das erste Mal, dass wir richtig mitgemacht haben und haben wir auch direkt als einzige Brauerei vier Preise gewonnen, zweimal Gold, zweimal Silber. Ja, das sagt natürlich was über unsere Qualität. Und, ja, über Nachhaltigkeit, da machen wir so viel mit, da kann ich auch mega viel darüber erzählen. Ich weiß nicht, ob das wichtig ist, aber

Markus: Auf jeden Fall, also da können wir gleich noch drüber sprechen. Ich finde, also Nachhaltigkeit ist einer der beiden großen Trends, glaube ich, was das Bierbrauen in der Zukunft so angeht, weil es einfach ein wichtiger Punkt ist, grade für die junge Käuferschicht oder die jetzt eben jetzt noch jung ist, sagen wir mal so, die aber später die wichtigen Kaufentscheidungen trifft. Die wollen schon wissen, wie nachhaltig ist das Bier, inwieweit kümmert sich die Brauerei auch um das Thema eben Umwelt, Klimawandel. Und da ist es wirklich wichtig, dass man Antworten hat. Vielleicht da kurz, bevor wir da drauf eingehen, noch kurz für die Hörer nochmal die Schilderung, wo sind wir überhaupt, um sich das nochmal vorzustellen. Also Amsterdam, wunderschöne Stadt mit den Grachten, das kennt man ja. Und dann gibt es das Schifffahrtsmuseum, also da kann man überhaupt empfehlen, wer mal nach Amsterdam kommt, da natürlich auf jeden Fall hinschauen. Und da nebendran war, glaube ich, früher so eine Art Akademie oder Kaserne, irgendwie was Militärisches, glaube ich. Und wenn man da so durchgeht, dann gibt es dort eben die Pension Homeland, also praktisch eine Art Hotel und ein ehemaliges Offizierscasino, würde ich mal sagen oder ein Kapitäns-Pub, wie auch immer man das bezeichnet und da gibt es eben auch eure Biere mit einer wunderbaren Aussicht. Da liegt auch ein altes VOC-Schiff von der ostindischen Kompanie, ein Segelschiff, was man anschauen kann. Es gibt eben ein Schwimmbad, also wirklich toll auch vom Ambiente, vom ganzen drum rum. Und auch in dieser Pension, in dem kleinen Restaurant, das ist wirklich eine ganz tolle Atmosphäre, da das Bier zu genießen, weil man wirklich so ein bisschen eine Zeitreise auch hat, das ist so wie in die 80er, 90er vielleicht zurück. Und am Eingang habe ich auch so ein kleines Holzfass gesehen. Da war, glaube ich, noch Bier drin, oder, macht ihr das?

Jacco den Hartog: Ja, stimmt, wir haben verschiedene, wie sagt man, fassgelagert, sagt man auf Deutsch, ne?

Markus: Genau, ja.

Jacco den Hartog: Barrel-Aged-Projekte, wir machen verschiedene dunkle Biere, wovon wir, ja, jedes Jahr, ich würde sagen, so zwischen drei und fünf halt rausbringen. Und wir machen dieses Jahr für das erste Mal auch zwei verschiedene Projekte mit Ved-Fermentierung, bretted, mit Bred. Das ist eine, die du gesehen in Pension, weil das Bred, die Hefe, die ist tatsächlich, also die ist sehr lecker aber auch gefährlich, wenn man die in seine normale Brauerei kriegt, für andere Biere und so. Und deswegen liegen die Fässer in Pension.

Markus: Ja, sind sozusagen im Hotel, ist ja auch nicht schlecht. Genau, jetzt haben wir die ganze Zeit über euer Bier gesprochen beziehungsweise werden wir jetzt auch gleich noch tun. Und die haben ja auch ganz tolle Namen, wie du schon gesagt hast, alles hat das was mit Seefahrt, mit der maritimen Geschichte zu tun. Und, ja, vielleicht hast du auch ein Bier, was du mit uns verkosten möchtest, wo du uns vielleicht ein bisschen erzählen willst, wie es ausschaut, wie es schmeckt und wie es heißt?

Jacco den Hartog: Habe ich auf jeden Fall. Immer schwierig, wenn es um sein eigenes Portfolio geht, aber, ja, ich habe doch mal meinen Liebling mitgenommen, der heißt Lorre. Ist ein Hinweis, ich weiß nicht, ob das auf Deutsch auch so ist, aber auf Holländisch sagt man, Lorre ist halt der Papagei. Sagt man das so?

Markus: Ja, das sagt man, ist ein beliebter Name für Papageien, ja.

Jacco den Hartog: Ja, Papagei, ja, genau und der heißt immer in den Comics und so, heißt der immer Lorre und deswegen haben wir den so genannt. Und das ist Bier ist ein sweet and sour. Ja, es ist eigentlich witzig, wie man von fast nur Pils trinken ins Craftbeer geht. Und dann, ja, so wie man Rotwein trinken lernen muss, war das für mich sauer, ich fand das am Anfang echt gar nichts. Aber ich bin mittlerweile echt total verliebt in saure Biere. Und unser Sweet and Sour ist halt ein Ghetto Sour. Sehr sauer auch, 3.1 pH und dann ins Gleichgewicht gebracht mit mega viel Mango und Passionsfruit, Passionsfrucht.

Markus: Ja, Passionsfrucht.

Jacco den Hartog: Passionsfrucht, genau. Und, ja, das ist, ja, es ist so ein kräftiges Bier, irgendwie nur fünf Prozent, aber vom Geschmack her, die Balance zwischen sauer und fruchtig, ja, ist für mich echt total super, vor allem, wenn die Sonne ein bisschen scheint. Und obwohl es jetzt Winter, ist es noch eigentlich immer mein Lieblingsbier. Wenn ich mal ein Bier aufmache hier auf der Brauerei, dann ist es eigentlich fast immer der, halt meine Leibe eigentlich.

Markus: Dann sage ich mal, prost, wunderbar.

Jacco den Hartog: Ja, prost.

Markus: Gut, dann mache ich mal auch eins auf. So und ich muss ja zugeben, ich habe von euch natürlich Biere mitgenommen, aber ich habe sie tatsächlich in der Zwischenzeit alle schon ausgetrunken, ich konnte da nicht an mich halten. Aber ich habe grade mal in meinem Keller geschaut und ich habe noch ein anderes Bier aus den Niederlanden gefunden und zwar einen Herbstbock von der Brauerei De Leckerei, die ja auch nicht weit von euch ist, und ich gieße das hier mal kurz in Glas ein. Und das finde ich auch ganz spannend, weil wir hier eben so ein klassisches Bier haben, also einen Herbstbock. Du hast dir jetzt ein, ja, modernes Bier ist fast schon der falsche Ausdruck, halt einfach ein mutiges Bier, ein spannendes Bier, was mit den Aromen mehr spielt, ausgesucht. Bei mir ist es jetzt so, ich habe auch eine sehr schöne Farbe im Glas, ein sehr schönes Braun mit so einem leichten Rotschimmer. Und es riecht sehr, sehr malzig, sehr süß und auch im Mund haben wir viel malzige und brotige Aromen, also erinnert tatsächlich an ein klassisches Bockbier. Und da kann man vielleicht auch noch für die Hörer sagen, dass es in den Niederlanden ja eine eigene Bockbiertradition gibt, die tatsächlich so ein bisschen auf der deutschen Bockbiertradition fußt, aber so ein bisschen auch vom Marketing der großen Brauereien übernommen worden ist. Und dort startet die Bockbiersaison viel früher als bei uns, also schon im September. Und es sind natürlich alles obergärige Bockbiere, aber gibt es durchaus auch sehr spannende Kandidaten. Und da sind wir vielleicht auch noch bei einem Punkt, wie ist es denn bei euch, also einerseits, wo sortiert ihr euch ein mit euren Bieren? Und wie ist das überhaupt in den Niederlanden, wir denken ja immer, okay, da gibt es eigentlich nur Heineken Pils, aber es ist ja gar nicht so, da gibt es ja ganz viele spannende Biere und Brauereien, also wie müssen wir uns die Bierwelt in den Niederlanden vorstellen?

Jacco den Hartog: Ja, es ist schon längst nicht nur Heineken mehr eigentlich, es ist ein weit entwickelte Bierwelt mittlerweile hier in Holland. Wenn ich es richtig sage, haben wir mittlerweile auch, ich glaube, über 1.000, 1.100 registrierte Brauereien mittlerweile. Das sind sogar, ich glaube, mehr als in Belgien, was natürlich eine lange Biergeschichte hat. Es gibt hier eigentlich, naja, alles, würde ich nicht so richtig sagen, na, schon eigentlich, es gibt fast in jeder Richtung. Bevor es echt losging, gab es eigentlich nur Pils und dann gab es halt die belgischen traditionellen Biere vor allem, ne, so die Trappisten und so. Aber mittlerweile, also wenn ich auch schaue, was wir halt im Portfolio haben, wir haben Session, wir haben IPA, wir haben Doppel-IPA, wir haben New England IPA, wir haben sour, wir haben verschiedene Barrel-Aged-Projekte, es gibt ein Weißbier, es gibt ein Blondbier. Ich würde sagen, in Holland, es ist ein bisschen so, wie es in der USA sich entwickelt hat. Also die USA ist ein bisschen, also weit voraus, würde ich sagen und man sieht, dass es in Europa langsam auch ein bisschen in die Richtung geht. Aber es gibt mittlerweile so eine Menge an Optionen, so breit, was natürlich auch total spannend ist, ne, weil, die Welt entwickelt sich halt so und was halt total cool ist. Man kann so viele neue Sachen immer mal probieren, es gibt so viele unterschiedliche Sorten Biere, unterschiedliche Brauereien mittlerweile auch, die alle mit ihrer eigenen Idee sozusagen rangehen. Und für uns ist die Richtung eigentlich ein bisschen, wir haben halt zwei Richtungen, wir haben jedes Jahr, haben wir eine Menge an Specials. Das sind halt sehr experimentelle Biere. Dieses Jahr zum Beispiel haben wir auch eine Innovation, wir machen ein Old Ill. Also das ist nur mit Hafer gemacht und das können wir machen, weil wir einen Myra-Filter haben. Kann ich später auch noch was drüber erklären, sehr interessant. Aber das ist etwas, was es noch überhaupt nicht so richtig gibt auf dem Markt. An der anderen Seite habe wir unser festes Portfolio und das sind halt ein bisschen, ich würde fast sagen, in Holland traditionelle Stile, aber dann wohl mit unserer eigenen Idee dahinter. Die sind alle ziemlich ausgesprochen, würde ich sagen, aber was auch gut daran ist, dass sie wohl leicht zu trinken sind, also einfach zu trinken sind. Es sind nicht überkomplizierte Biere, dafür haben wir halt unseren Special-Faim. Und das ist halt, was die meisten Leute an Homeland auch mögen, es ist echt Qualität, gutes Bier und man kann es auch gut und einfach trinken. Ob es ein Zeebonk ist, der New England IPA von 7.1 Prozent ist oder unseren Ketelbinkie, was halt ein Session ist. Ja, alle sind halt sehr geschmackvoll und sehr angenehm zu trinken und nicht extrem ausgesprochen sozusagen.

Markus: Ja, also grade bei den Namen haben wir grade schon gehört, ist das sehr, sehr spannend. Und ich kann auch nur bestätigen aus meiner eigenen Erfahrung, als ich bei euch in dem Pub war oder in dem Kapitänscasino oder wie auch immer man das bezeichnet, da gibt es ja auch die Möglichkeit, so einen Sampler zu haben, wo man dann drei, vier, fünf verschiedene Biere auch probieren kann in kleinen Mengen. Und ich fand sie alle sehr, sehr gut und auch eben sehr schön leicht trinkbar, viele hatten einfach einen besonderen Twist, eine besondere Idee. Und mein Favorit war tatsächlich das Session IPA, weil das unglaublich fruchtig war, unglaublich voll, toller Körper, man hat gar nicht gemerkt, dass das weniger Alkohol hat. Und sehr, sehr einfach spannend von der Aromatik her, das hat mir sehr, sehr gut gefallen. Also, Kompliment.

Jacco den Hartog: Ja, danke. Wir können halt mehr mit unserem Malzrezept spielen. Und das Ketelbinkie ist ein gutes Beispiel davon, der ist nämlich mit 70 Prozent Hafer und Weizen gebraut und das gibt denen auch so ein aromisches, so einen vollen Geschmack. Und das ist halt, ja, total, ich liebe das auch, so nach Lorre ist Ketelbinkie tatsächlich mein Liebling.

Markus: Hah, dann haben wir doch was gemeinsam. Ja, wo wir grade schon drüber gesprochen haben, also es geht um einen Maischefilter. Das ist was, was man bei uns in Deutschland relativ selten, zumindest bei den kleinen Brauereien sieht. Und man muss sich das so vorstellen, dass eben statt einem Läuterbottich praktisch die gesamte Flüssigkeit durch ein Filtersystem durchgepumpt wird, wodurch man eben zum Beispiel, wenn man mit sehr hohen Stammwürzen, mit viel Getreide arbeitet, wo ein Läuterbottich zum Beispiel verstopfen kann, wo es schwierig wird überhaupt am Ende den Prozess am Laufen zu halten, da kann man mit einem Maischefilter sehr viel besser arbeiten. Und ist halt ein ganz anderes System, aber eben ein sehr, sehr effizientes und bei uns, wie gesagt, kennt man das eher von Großbrauereien. Also zum Beispiel Berliner Kindl hat da einen mit am Start, aber eben in großer Dimension. Hatte ihr das von Anfang an schon immer oder habt ihr da irgendwann die Idee gehabt, wir kaufen sowas?

Jacco den Hartog: Ich habe grade schon erzählt, dass wir ja umgezogen sind vor drei Jahren ungefähr und dann haben wir halt eine neue Brauerei gekauft. Und den haben wir direkt dazugekauft, weil wieder von Qualität und Nachhaltigkeit, von dem Gedanken aus, ist es halt eine super Lösung. Der Vorteil ist halt, man muss nicht unbedingt mit 50 Prozent mit Gerste brauen, Ketelbinkie, wir haben grade darüber gesprochen, ein gutes Beispiel. Und es ist auch nochmal viel nachhaltiger, weil, man braucht auch tatsächlich 20 Prozent weniger Malz, um das gleiche Zuckerniveau, sagt man Plato auch in Deutschland bei Bier?

Markus: Ja, Stammwürze oder Plato.

Jacco den Hartog: Um das zu kriegen. Und man verbraucht auch weniger Wasser, man kriegt halt 15 bis 20 Prozent mehr Bier im Endeffekt raus. Und für uns war das, als wir die Möglichkeit hatten, dachten wir halt, das passt halt total zu unserer Idee und ist auch für uns ein Gutes, wir können das halt super benutzen. Weil, es gibt halt sehr viel Konkurrenz hier in Holland natürlich und das bringt uns die Möglichkeit, um auch mehr zu experimentieren als andere Brauereien und das bringt uns natürlich einen Vorteil.

Markus: Ja, wo wir grade schon drüber gesprochen haben, Nachhaltigkeit, wollten wir ja nochmal ein bisschen tiefer einsteigen. Ist das vielleicht auch grade in Amsterdam oder in den Niederlanden ein größeres Thema, weil ihr ja durch einen möglichen Anstieg des Meeresspiegels zum Beispiel, viel direkter betroffen seid als zum Beispiel wir hier in Bamberg, wo man ein bisschen höher liegt? Ist das so, also gibt es da ein höheres Bewusstsein oder wie kommt es zu diesem Trend Nachhaltigkeit bei euch?

Jacco den Hartog: Ja, ich würde sagen, es ist in Amsterdam auf jeden Fall, ja, echt ein Thema, ich würde auch sagen, Holland-breit eigentlich auch voll und, ja, so langsam auch wohl weltweit. Und, ja, für uns ist es einfach eine wichtige Sache, um das auch mitzunehmen in unsere Entscheidungen. In Amsterdam wird da wohl vielleicht mehr danach gefragt als in Groningen zum Beispiel. Aber auch da sieht man wohl, dass es echt, ja, echt eine wichtige Sache ist, ne. Wir kriegen halt öfter mal E-Mails oder wir werden angerufen von Leuten, die halt zu uns gekommen sind, weil die es wichtig finden, wenn sie mit Lieferanten zusammenarbeiten. Und das sind da nicht nur Kunden aus Amsterdam, aber aus ganz Holland, die es einfach wichtig finden, dass ihre Partner auch einen nachhaltigen Blick haben, was sie machen. Und ich weiß nicht genau, wie das in Deutschland, kann ich dir nicht so richtig sagen, wie wichtig das ist. Aber es sind halt so ein paar Sachen, die uns halt, es bringt uns auch was, das zu machen, aber, ja, vor allem finden wir es wichtig, dass, ja, wir halt leckeres Bier machen, aber dann mit so wenig Impact wie möglich sozusagen.

Markus: Genau, also quasi mit einem guten Gewissen, könnte man sagen.

Jacco den Hartog: Ja.

Markus: Es ist ja bei uns in Deutschland, ist es so, ich glaube, es sind so zwei Motivationen. Das eine ist tatsächlich, ähnlich wie bei euch, auch einfach das Thema Verantwortung, Zukunft, Umwelt. Also da auch versuchen, seinen Fußabdruck zu klein wie möglich zu halten und eben auch zu versuchen, also einen Teil dazu beizutragen, dass man insgesamt von diesen hohen Emissionen runterkommt. Und das andere ist allerdings auch schon das Thema Preis. Also weil man einfach merkt, wenn man deutlich weniger Wasser verbraucht, deutlich weniger Energie, weniger Rohstoffe, weniger in der Lieferung zum Beispiel hat und so weiter, regionaler ist mit seinen Rohstoffen, dann spart man am Ende des Tages mittlerweile auch wirklich Geld. Und das sind, glaube ich, beides Motivationen, die gleichzeitig dazu beitragen, dass auch bei uns vor allem so kleine und mittelgroße Brauereien immer mehr das Thema für sich entdecken. Und da eben auch in innovative Technik investieren, was weiß ich, ihren Fuhrpark umstellen, ihr Gebinde verändern, bis hin zu eben Hackschnitzelheizungen, Wasserschichtenspeicher und so weiter. Da gibt es viele technische Möglichkeiten, um eben energetisch und um überhaupt da irgendwie CO²-reduzierend zu arbeiten. Es ist ja auch ein großes Thema und wenn man an die zukünftigen Generationen denkt, auch ein sehr wichtiges. Und man will ja trotzdem weiterhin gutes Bier trinken, das hat ja auch was damit zu tun, denke ich mal. Wie schätzt du überhaupt so den Biermarkt bei euch ein, sind die Leute offen für eure Biere oder müsst ihr oft noch überzeugen, wie läuft das?

Jacco den Hartog: Das kommt ein bisschen drauf an, wo man auch hingeht. Ich würde sagen, die Spezialbierwelt, die entwickelt sich echt schnell in Holland und die Leute finden es auch echt spannend und sind auch interessiert und möchten auch neue Sachen probieren. Man merkt wohl, dass es wohl einen Unterschied gibt zwischen, ich würde sagen, Amsterdam, Utrecht, Rotterdam, so die Region, da sind die Leute halt total interessiert. Man merkt wohl, wenn man Richtung Süden geht zum Beispiel oder Richtung Norden, dass Leute da ein bisschen traditioneller sein können. Aber auch da merkt man halt, ich finde, immer ein gutes Beispiel, wenn man im Albert Heijn, ne, das ist ein holländischer Supermarkt, der größte in Holland, wenn man da vor einem Bierregal steht und das vergleicht zu, lass uns sagen, vor fünf Jahren oder so, vor fünf Jahren, wenn da acht Meter Bier war, dann waren die sechs Meter Pils und dann zwei, drei Meter mit Leffe. Und jetzt steht man vor den Regalen, der Pils ist vielleicht vier Meter und der Rest ist einfach alles Spezialbier. Und das zeigt eigentlich, wie interessiert Holländer sind in Spezialbieren. Ich glaube auch echt, das es zu tun hat mit den, ja, wir sagen, Gesundheitstrend halt. Leute, die sind sich bewusst auch von Alkohol und die trinken das noch wohl gerne, aber wenn sie dann was trinken, dann möchten sie auch echt was haben zum genießen sozusagen. Und da sieht man halt, das in Holland, aber auch in ganz Europa, die ganze Menge, ganzes Volumen, alles zusammengeschmissen sozusagen, wird halt kleiner, aber innerhalb dieses Volumen wächst halt Spezialbier echt krass schnell. Und Alkoholfrei in Holland auch und das ist halt, weil die Leute, ja, der Markt ist bereit dafür. Die Leute, die Konsumenten sind interessiert, um neue Sachen zu probieren. Also von daher, würde ich sagen, dass der Markt eigentlich sehr gut ist, auch für uns. Man kriegt auch direkt auch viel Konkurrenz, weil, der Markt ist halt gut und wir sind halt nicht die Einzigen, es gibt halt nochmal 1.000 andere Leute, die das Gleiche versuchen wie wir. Und in Amsterdam ist das eigentlich am krassesten, weil, in Amsterdam selbst gibt es schon 24 registrierte Brauereien. Wir können uns nicht beschweren, es geht echt gut.

Markus: Das freut mich ja für euch. Und du hast grade noch einen zweiten Trend erwähnt, der bei uns auch tatsächlich immer wichtiger und immer größer wird, das ist das Thema alkoholfrei. Und wenn ich da bei euch auf die Seite schaue, dann finde ich zwar eine Rubrik alkoholfrei, aber da finde ich momentan nur T-Shirts. Plant ihr auch alkoholfreie Biere oder habt ihr schon welche im Sortiment?

Jacco den Hartog: Ja, im Moment haben wir kein alkoholfreies, wir kriegen wohl eines. Eines der interessantesten Sachen von meinen Job ist halt, ich komme halt von Großunternehmen aus, ja, wir waren damals zum Beispiel auch schon lange beschäftigt mit 0,0 und wichtiger Markt, wächst halt. Und als ich nach Homeland kam, ja, ich arbeite hier mit zwei Brauern zusammen und die haben halt Passion für, was sie machen und so. Und, ja, am Anfang war das so eine schwierige Geschichte, weil die sagen halt: „Ja, es ist kein Bier.“ Da ist kein Alkohol drin, das ist nicht fermentiert, dann ist es kein Bier. Man fragt auch nicht einen Barista um einen Decaf zu machen, das passt irgendwie nicht. Und, ja, man merkt halt voll, es gibt da eine gesunde Spannung sozusagen. Aber, ja, dieses Jahr kommt da wohl eines. Weil, wir sehen auch in Holland, dass der Markt, ja, Leute, die haben trotzdem Bock auf diesen Genießmoment, aber möchten nicht immer Alkohol dazu haben. Und, ja, dafür ist halt alkoholfreies Bier eine super Option. Es ist natürlich wohl für eine kleinere Brauerei echt schwierig, um ein gutes alkoholfreies Bier zu machen. Weil, ein Großteil des Geschmacks kann auch von Hefe kommen. Und von daher sind wir eigentlich schon ein Jahr unterwegs, verschiedene Experimente zu machen, wie wir dann tatsächlich auch eins machen können, wovon wir selber auch echt sagen: „Das gehört zu uns, zu unserer Identität und das bringen wir auf den Markt.“

Markus: Ja, da bin ich auch schon sehr gespannt. Und man kann ja auch sagen, ein erster Anfang ist ja schon euer Session IPA, das hat ja nur dreieinhalb Prozent, da kann man auf jeden Fall auch schon mal leichter trinken und einsteigen. Ja, dann bedanke ich mich bei dir ganz herzlich für diese kleine Reise. Wir werden natürlich in den Shownotes sowohl auf die Brauerei verlinken als auch auf den Shop. Kann man eure Biere eigentlich kaufen aus Deutschland, wenn man im Shop einkauft, liefert ihr?

Jacco den Hartog: Ja, liefern wir. Also wir nicht selbst natürlich, aber, ja, schicken wir, kein Problem.

Markus: Ja, wunderbar. Also dann werden wir das ordentlich verlinken. Und, ja, dann vielen, vielen Dank für diesen kleinen Einblick. Die heute noch einen ganz schönen spannenden Tag in Amsterdam und hoffentlich bald einen Ausstieg aus eurem Lockdown, dass ihr auch wieder euer Bier ausschenken könnt.

Jacco den Hartog: Danke, dass ich da sein möchte und es war echt wunderbar. Schönen Tag gewünscht dann allen und danke schön.

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