Vom bayrischen Blutwurz bis zur finnischen CO₂-Destillation – in dieser Folge von BierTalk wird es hochprozentig und zukunftsweisend zugleich. Markus spricht mit Stefan Penninger, Destillateurmeister und Geschäftsführer des Traditionsbetriebs Penninger, über die Kunst des Schnapsbrennens, über Gewürzgeister, Essigbrauen, Innovationslust – und ein spektakuläres Forschungsprojekt namens Aircohol, bei dem Alkohol aus CO₂ gewonnen wird. Wir lernen, warum Essig auch „gebraut“ wird, wie man Pflaume mit Tonkabohne kombiniert und wieso man im Bayrischen Wald über Whisky spricht, wenn von Zukunft die Rede ist. Eine Folge voller Tiefe, Dampf und Durchblick…
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BierTalk – Gespräche über und beim Bier.
Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir mal eine Reise nach Niederbayern, also quasi ganz kurz vor Österreich und treffen einen guten Freund und durchaus auch Mitstreiter in Sachen Alkohol von mir, nämlich den lieben Stefan Penninger. Da sagt der Name eigentlich schon, was das Programm ist, aber da werden wir auch gleich ein bisschen drüber sprechen. Und es geht einerseits ein bisschen um Spirituosen, aber um eine ganz andere Geschichte auch noch, die ich im Rahmen der Bierwelt kennengelernt habe, nämlich ein Projekt, wie man quasi aus dem Nichts Alkohol zaubern kann. Also sehr spannend, wir werden sehen. Aber, lieber Stefan, erst mal schön, dass du da bist, schön, dass du die Zeit gefunden hast, und vielleicht stellst du dich unseren Hörern mal ganz kurz selber vor.
Stefan: Ja, hej, servus, danke für die Einladung. Mein Name ist Stefan Penninger, ich bin Destillateurmeister. Ich bin Geschäftsführer eines Familienbetriebs in 5. Generation und wir beschäftigen uns, schon mindestens 4 von diesen Generationen, mit der Spirituose., also quasi mit den hochprozentigen Alkoholika. Und, gut, was gibt es zu mir zu sagen. Ich, wie gesagt, bin bei uns auf dem Hof geboren und aufgewachsen. Wobei Hof jetzt nicht landwirtschaftlich, sondern schon der Hof einer gewerblichen Brennerei ist. Ich habe quasi schon von Kindesbeinen an all das gesehen, was die Herstellung von Spirituosen angeht, wenn Zwetschgen angeliefert werden und eingemaischt werden, wenn eingeschürt wird zum Destillieren. Ich habe schon an Apfelanlagen rumgeschraubt, da konnte ich noch keine großen Fahrräder fahren. Und, genau, ich habe dann in Regensburg, habe ich noch studiert Informationswissenschaften und BWL, damit ich quasi das Kaufmännische, was unseren mittelständischen Familienbetrieb betrifft, halt von der Pike auf lerne. Und habe dann allerdings, als ich in die Firma eingestiegen bin, sozusagen die fachliche Komponente noch nachgelegt. Ich habe die Ausbildung zum Bayrischen Edelbrandsommelier gemacht, ich habe diverse Brenn- und Destillateuraufbaukurse gemacht und habe dann 2017 tatsächlich mit dem Industriemeister, Destillateurmeister, geprüft von der IHK Berlin, abgeschlossen. Die Ausbildung dafür ist übrigens, für die aus der Bierwelt, die kennen es natürlich, die Ausbildung der Destillateurmeister ist auch an der VLB in Berlin angegliedert. Also das Institut für Gärungsgewerbe und Biotechnologie, die den Meisterkurs abhält, ist eine Tochter oder ein Teil der VLB, genau. Und vielleicht das Letzte, was ich noch gemacht habe sozusagen ausbildungstechnisch ist, dass ich 2019 die Ausbildung zum Bayrischen Gewürzsommelier noch gemacht habe an der Genussakademie in Kulmbach.
Markus: Ja, also durchaus ein hochdekorierter Gesprächspartner, den wir hier heute haben, spannend. Und, ich meine, im Rahmen der Edelbrandsommeliergeschichte begegnen wir uns natürlich öfter und sind uns auch schon öfters begegnet und haben auch Projekte schon zusammen gemacht, unter anderem auch ein Spiel. Also das können wir ja in den Shownotes eigentlich verlinken, dann können alle mal gucken. Heißt, glaube ich, Whisky, Gin und Himbeergeist, oder?
Stefan: Ja, genau, genau, sozusagen ein Quiz über Detailfragen zum Thema Alkoholherstellung.
Markus: Ja, also war auf jeden Fall auch ein sehr lustiges Projekt. Vielleicht, nachdem wir tatsächlich vor allem Hörer: innen aus dem Bereich Bier haben, wenn ich jetzt so normalerweise mich in eine Brauerei stelle, dann sehe ich halt irgendwelche Tanks und Kessel und Malz und Zeug, was da so rumsteht. Wenn ich jetzt bei dir in der Brennerei bin, ist da was ähnlich, ist da was anders? Wie ist das bei dir, wie schaut es bei dir so aus?
Stefan: Also es gibt tatsächlich große Gemeinsamkeiten zwischen der Brauerei und der Brennerei, speziell natürlich, wenn wir in die Getreide- und mehligen, stärkehaltigen Stoffe gehen, wenn wir im Korn, Whisky oder so schauen. Also der klassische Single Malt Whisky der wird ja eigentlich hergestellt wie Bier ja auch. Der einzige Unterschied ist dann eigentlich nur noch, dass du beim Bier halt dann noch den Hopfen reinschmeißt und aufkochst, und wir dann die Würze im Endeffekt direkt vergären und dann die vergorene Würze abdestillieren. Aber es gibt natürlich auch verschiedene Arten von Whisky. Man kann zum Beispiel auch viel mit Rohfrucht machen, also ungemälzten Rohstoffen, Mais, Roggen zum Beispiel, und dann kommen wir langsam in Richtung der Korn-Brennerei. Die Korn-Brennerei könnte theoretisch auch mit nur ganz wenig Malz arbeiten, da ist eigentlich fast ausschließlich Rohfrucht, die verwendet wird. Bei der Brennerei gibt es aber natürlich auch noch andere Rohstoffe neben der stärkehaltigen Gerste beispielsweise, sondern wir haben in Deutschland ganz, ganz traditionell, haben wir die Obstbrände. Da kriegen wir quasi die Obstsorten, kriegen wir direkt vom Landwirt. Und da brauchst du zum Beispiel natürlich nicht mehr irgendwie verzuckern und Stärke umwandeln und irgendwie mit Melassen arbeiten, sondern da kannst du direkt die Frucht, so wie sie kommt vom Feld, die wird im Endeffekt dann nur kleingemacht. Also wir brauchen einen physikalischen Aufschluss, damit wir auf diesen Saft, der in der Frucht drin ist, rankommen und dann können wir da direkt eigentlich schon mit der Hefe drauf gehen. Und das wird natürlich vergoren in Gärtanks, wie sie in der Brauerei auch sozusagen sind. Und die Unterschiede sind dann eigentlich in den Details, da haben wir unterschiedliche Hefen, unterschiedliche Anstelltemperaturen, unterschiedliche Gärdauern und so weiter und so fort. Also da sind wir wirklich, eben die alkoholische Gärung, wenn wir es mal so nach der Feuerzangenbowle sagen wollen, ist im Endeffekt natürlich immer dieselbe. Und, genau, dann gibt es noch so Sachen, die uns von der Brauerei unterscheiden beziehungsweise die deutlich anders sind. Da wären wir zum Beispiel bei der Likörbereitung. Da ist zu 98 %, sage ich mal, das Ausmischen von verschiedenen Fruchtsäften, von Kräuteransätzen und so weiter, mit Zucker und mit hochprozentigen landwirtschaftlich erzeugten Neutralalkohol. Also es gibt viele Lebensmittel, Spirituosen müssen immer aus Lebensmitteln hergestellt werden, und es gibt viele Lebensmittel, die wir sozusagen verarbeiten können, verarbeiten dürfen zu Spirituosen, die aber beispielsweise keine Stärke oder nicht ausreichend Zucker haben. Da ist vielleicht das prominenteste Beispiel der Gin, war ja ein riesen Ding in den letzten 10, 12 Jahren. Und bei Gin ist es halt so, du kannst Wacholder natürlich auch vergären, also alkoholisch mit Hefe und so weiter und so fort, aber das ist halt von der Ausbeute her sehr, sehr gering. Und deswegen macht man das üblicherweise so, dass wir landwirtschaftlich erzeugten Neutralalkohol, also der hat 96 vol.% und der ist von der landwirtschaftlichen Großbrennerei schon so hergestellt, dass er eigentlich geschmacklich und geruchlich ziemlich neutral ist. Und dann nehmen wir quasi diese Rohstoffe, seien es jetzt Gewürze, Wurzeln, Beeren, allerlei Dinge, die kann man dann in diesen landwirtschaftlich erzeugten Neutralalkohol einlegen. Der öffnet dann die Zellstrukturen, der löst die ätherischen Öle und so weiter, die in den Rohstoffen gebunden sind. Und das Ganze können wir dann entweder abseihen oder, wenn es noch feiner werden soll, kann man das auch abdestillieren und dann haben wir quasi diesen neutralen Alkohol veredelt und zur entsprechenden Spirituose gemacht. Man nennt das die Vergeistung und ist halt die Basis zum Beispiel für Gin oder Himbeergeist oder ähnliche Produkte.
Markus: Ja, also auch eine riesen Welt letzten Endes, die mit ganz vielen Parametern ausgestattet ist.
Stefan: Allerdings.
Markus: Da geht es ja dann auch um, was weiß, um Temperaturen, um Lagerung, um Holz vielleicht sogar auch oder andere Zutaten. Gibt es denn bei dir überhaupt Hopfen dann irgendwo in deinem Betrieb?
Stefan: Tatsächlich bei mir nicht, also nur dekorationshalber an der Außenfassade, aber wir, also Penninger verwendet Hopfen nicht in den Produkten, es wäre theoretisch aber möglich. Also Hopfen ist natürlich eine aromatische Pflanze, die, je nachdem, ob Aroma- oder Bitterhopfen von der einen oder anderen Seite kommt und man kann Hopfen durchaus verarbeiten. Man kann einen Hopfengeist machen, man könnte einen Hopfen-Gin machen. Natürlich gibt es das Thema Bier-Brand, also da hat man ja natürlich den Hopfen im Bier drin, dass man abdestilliert. Aber man muss ganz ehrlich sagen, Bier-Brand, wenn du vergleichst mit dem, was eigentlich viel, viel relevanter ist, nämlich dem Whisky, ist der Bier-Brand halt eine Nische in der Nische in der Nische und Whisky ist halt ein riesen großer See, auf dem international ganz, ganz viele rumschwimmen.
Markus: Allerdings, ja. Wobei ich sagen muss, wenn jemand so deinen Namen hört, könnte ich mir vorstellen, dass da im Hinterkopf so eine Melodie anfängt und dass man dann an Blutwurz denkt. Und vielen Leuten ist vielleicht gar nicht bewusst, was das überhaupt ist. Vielleicht magst du uns da noch mal ganz kurz einführen, worum handelt es sich da, was ist das, dieses sehr mystische niederbayrische Getränk?
Stefan: Also ich habe jetzt, ist vielleicht rausgekommen, ich habe jetzt sofort angefangen zu dozieren über meine Leidenschaft, eben das Schnapsbrennen und das Herstellen von Spirituosen, aber unser ureigenes Produkt ist natürlich der Penninger Blutwurz. Das ist ein Kräuterlikör mit 50 % Alkohol, also ein sehr hochprozentiger Likör. Und da merkt man schon, Likör hat nichts mit der Grädigkeit, also mit dem Alkoholgehalt zu tun, sondern ein Likör ist eine Spirituose, wenn sie mindestens 100 Gramm Zucker pro Liter Fertigprodukt hat. Und, wie gesagt, wir haben mit dem Blutwurz einen Kräuterlikör. Das bedeutet, wir nehmen eine Mischung aus natürlich hauptsächlich der namensgebenden Blutwurzwurzel, aber auch mit verschiedenen anderen Kräutern, Gewürzen und anderen Wurzeln. Und wir setzen das eben, wie gesagt, an in landwirtschaftlich erzeugten Neutralalkohol und mit Wasser und wir machen da quasi einen Kräuterauszug. Das ist so, wenn man es nimmt, erst mal sehr, sehr hocharomatisch und aber auch sehr, sehr bitter. Und um das Ganze halt einfach ein bisschen gaumenschmeichlerischer und so weiter zu machen, vermischen wir das eben mit der entsprechenden Menge Zucker und stellen das dann eben auf 50 % Alkohol ein. Und ist eigentlich klassisch als Digestiv getrunken, also nach schwerem Essen, aber heutzutage ist natürlich auch das Thema Mixing und sozusagen der bayrische Longdrink. Da haben wir eben ein Rezept für den sogenannten Franz Joseph und das ist eben eine Mischung aus dem Blutwurz als Longdrink mit Waldberry-Bitter-Limonade.
Markus: Und der brennt sogar, oder? Also, ich glaube, ich habe ihn sogar in brennender Form schon genossen.
Stefan: Ja, genau, das ist sozusagen der Gag am Blutwurz, dass der halt so viel Alkohol hat, dass er halt im Glas schon brennt. Wir haben da so kleine Steinzeugpfännchen, wo man den reingeben kann und anzünden kann und da sozusagen kann man den noch flambieren. Das ist einerseits natürlich ein netter Partygag, also du kannst den anzünden und siehst halt so ein bisschen die Flamme. Ab ungefähr 50 % Alkohol, ist ein bisschen temperaturabhängig, funktioniert das. Und was ich extrem geil an dieser Verzehrform finde ist einfach, wenn du das flambierst, dann hast du quasi in diesem kleinen Steinpfännchen die Oberfläche von dem Blutwurz, die mit der Flamme sehr, sehr nah in Verbindung steht, die wird halt sehr, sehr warm und der Rest von dem drunter liegenden Likör, der ist halt wesentlich kühler. Und wenn du das halt quasi dann trinkst, also bitte nur kurz flambieren, nicht da irgendwie 3 Minuten brennen lassen und dann die Schnuppe verbrühen, also wenn man das dann sozusagen trinkt, dann vermischt sich diese warme Oberflächenschicht im Mund mit dem kühleren Rest vom Likör, und das ist halt wirklich so eine brutale Aromenexplosion, die dann quasi stattfindet. Und, wie gesagt, das ist die ganz klassische Verzehrform, also der Blutwurz im Pfännchen flambieren, so kennt man es eigentlich aus der bayrischen Wirtschaft, aus den Wirtshäusern.
Markus: Absolut, ja. Kannst du dich noch erinnern, wann du deinen ersten Blutwurz getrunken hast?
Stefan: Also ganz genau kann ich es natürlich nicht sagen, aber ich weiß, dass ich bei der Entwicklung des Blutwurzes, das muss um irgendwann 1989, 1990, also da war ich noch nicht volljährig, da durfte ich aber schon also dran riechen. Und ich glaube mich dran zu erinnern, dass ich mir gedacht habe, ja, was soll denn das? Also ich meine, das ist halt einfach kein Geschmack für junge Menschen. Aber als ich den dann weit später natürlich erstmals so probiert habe, habe ich mir halt schon gedacht, okay, 50 % Alkohol, da ist was geboten. Und so richtig, das muss man schon sagen, so hochprozentig und hocharomatisch, vor allem, wenn es ins Bittermäßige geht oder so, das sind halt einfach Produkte, die sind nicht irgendwie für den jungen Erwachsenen, nicht für die Zielgruppe 18 bis 25, sondern sowas trinkt man üblicherweise schon ein bisschen später in seinem Leben.
Markus: Wie ist das denn überhaupt, also offensichtlich bist du ja dann wesentlich älter als der Blutwurz. Wie ist das denn so, ja, wenn man so in einer Brennerei aufwächst, also kannst du dich erinnern so, was weiß ich, mit 3, bevor du in den Kindergarten bist, hast du noch mal in der Brennblase vorbeigeschaut oder wie läuft das so, wie kommt man so rein in dieses Thema?
Stefan: Also vielleicht, weil zum heutigen Aufnahmedatum im Sommer, es ist extrem heiß in meinem Büro und wenn ich dann zurückdenke, was ich als Kind in der Brennerei erlebt habe, erinnere ich mich als Erstes daran, dass wir ein großes 1.000-Liter-Holzfass hatten, das war damals schon lange nicht mehr in Verwendung. Und im Sommer haben wir das vollgemacht und haben da quasi die Eis-Parkett-Challenge, nee, nicht Eis-Parkett-Challenge, aber halt dieses Eisfassbaden, das haben wir natürlich ohne Eis, aber wir haben quasi als Kinder schon in den alten Fässern gebadet, wenn es zu heiß war im Sommer. Aber im Prinzip ist es so, und das geht mir so, wie es vielleicht vielen Leuten geht, wenn sie an ihre Eltern denken, an Vater und Mutter, mich hat das erst mal im Prinzip überhaupt nicht interessiert, das war das Langweiligste, was du dir nur vorstellen kannst. Das war völlig normal für mich, in einem Industriebetrieb aufzuwachsen, wo halt Abfüllanlagen drinstehen, wo Tanks drinstehen, wo eine Brennblase ist und so weiter und natürlich haben da Leute gearbeitet und haben Sachen getan. Und was habe ich gemacht, ich habe mein ferngesteuertes Auto fahren lassen oder ich bin Rollschuh gefahren oder so, das waren natürlich die Dinge, die mich interessiert haben. Das ist tatsächlich erst sehr viel später passiert, dass ich dann sozusagen mich mal wirklich drauf besinnt habe, was ist das da eigentlich, wo ich hier aufgewachsen bin und was habe ich hier eigentlich und was ist eigentlich das für eine besondere Sache. Und das ist sehr, sehr witzig, weil, jetzt geht es mir halt mit meinen Kindern so ähnlich, die sind auch hier oft bei uns auf dem Hof und fahren halt irgendwie mit den Rollschuhen umeinander oder fahren mit dem Radel irgendwie durch das Fertigwarenlager und so weiter. Und dann denke ich mir so, ja, die spielen hier vollkommen unbekümmert, weil es für sie das Normalste von der Welt ist, aber eigentlich ist es ja eine total freakige Sache. Also, ich meine, wie viele Leute haben überhaupt schon eine Brennerei und wie viel weniger haben eigentlich nur noch eine Brennerei dieser Größe. Also das ist schon alles irgendwie ein bisschen, also wenn man jetzt mal geistig einen Schritt zurückgeht, ist die Situation, in der ich mich befinde, schon ein bisschen sehr außergewöhnlich.
Markus: Absolut, aber auch sehr spannend, also da möchte ich auf jeden Fall später auch noch ein bisschen drauf eingehen. Ich wollte vorher noch mal so einen kleinen Sprung machen, weil es ja tatsächlich einen ganz konkreten Anlass gibt, wo ich gedacht habe, da müssen wir jetzt unbedingt auch den BierTalk machen und das hat in der Tat auch etwas mit dem Bier zu tun. Denn ich war in Finnland beim Bierwettbewerb und wir waren da mal wieder dann im Land unterwegs und haben bei einer kleinen Brauerei vorbeigeschaut in Fiskars. Das ist, ja, im Grunde so ein kleiner Ort, der sehr historisch ist, wo es ganz viele alte Gebäude gibt, wo es im Grunde auch viel Freizeitmöglichkeiten gibt. Das heißt, das ist so ein Naherholungsausflugsort für ganz viele Leute auch aus Helsinki zum Beispiel. Und da steht eben auch eine Brauerei und Brennerei und die haben also sowieso ein sehr spannendes Equipment, ich war da auch vor Jahren schon mal, da waren die noch eher am Anfang und jetzt haben sie eben alles mächtig ausgebaut. Und ich habe da dann ein kleines Gerät, so klein war es gar nicht, aber jedenfalls so ein Teil dieser Anlage entdeckt, da stand schon mal ein Wort drauf, was ich interessant fand, nämlich Aircohol. Und dann hat der Führer uns erklärt, dass sie praktisch aus der Umgebungsluft oder überhaupt aus dem Nichts sozusagen Alkohol erzeugen können, indem sie CO₂ umwandeln und dass das ein ganz neuer Prozess ist und was ganz Spannendes, und dann sind wir da zufällig ins Gespräch gekommen, sehr witzig. Und du hast erzählt, dass du mit diesem Projekt schon von Anfang an so ein bisschen betraut bist und da auch engagiert bist. Und da habe ich mir gedacht, das wäre doch total interessant, wenn man das den Leuten mal nahebringt, weil das natürlich auch für die Brauerei zum Beispiel ein ganz spannendes Thema ist, also einerseits wegen des Themas CO₂-Fußabdruck. Also weil halt einfach in der klassischen Brauerei, wo ich jetzt keine Rückgewinnungsanlage habe, ganz viel CO₂ entsteht, was einfach in die Atmosphäre entweicht und auf der anderen Seite, wenn ich natürlich Alkohol gewinnen kann als Basis für alle möglichen Dinge, habe ich natürlich noch mal eine schöne Sache, wie ich zum Beispiel, sagen wir mal, Spirituosen oder einen Bier-Brand oder was auch immer herstellen kann eben mit diesem zusätzlich erzeugten Alkohol. Und, ja, ich glaube, ich habe es eh nur bedingt gut erklärt, also vielleicht kannst du noch mal zwei, drei Worte also einerseits dazu sagen, wie du da überhaupt dazu gekommen bist und andererseits vielleicht noch ein bisschen auch erklären, wie der Prozess ist. Wobei, so tief musst du da auch gar nicht einsteigen, da können wir noch drüber reden, aber auf jeden Fall spannende Geschichte.
Stefan: Sehr, das hat mich auch extrem gefangen, und vielleicht erkläre ich es tatsächlich, wie ich dazu gekommen. Weil die Firma Aircohol , die sich damals in Begründung befand und halt auch eine extrem forschungsintensive Firma war, ist ein kleines Startup, muss man sagen, da hat sich natürlich auch im Laufe der letzten 5 Jahre einiges entwickelt und das, was man jetzt sieht, ist quasi halt der Status, in den es sich entwickelt hat. Aber wir sind sozusagen, wie wir gestartet sind oder so, das ist vielleicht am schönsten, wenn ich es einfach erkläre, wie ich da dazu gekommen bin. Also Aircohol wurde, glaube ich, die Idee so im Jahr 2019, muss das gewesen sein, der (Simo Hämeleinen?) #00:18:49-8# hatte die Idee, mit seinem Kumpel Mati, Simo war vorher in der Software-Branche, der hat in Helsinki für Rovio das Lizenzgeschäft gemacht. Also ihr kennt vielleicht alle irgendwie Birds oder so, das ist diese Firma und da war er halt ein relativ hoher Manager und ist halt dann irgendwann ausgestiegen. Und er hat einen Kumpel gehabt, der ist, glaube ich, Ingenieur und waren halt irgendwie, keine Ahnung, sind sie auf die Idee gekommen, hej, das große neue Thema ist für uns alle natürlich das Thema mit dem CO₂-Capturing und so weiter und so fort, Klimawandel, Bla, Blubb, und da sind sie eben auf die Idee gekommen, okay, gibt es irgendwie eine Möglichkeit, wie wir CO₂ nehmen können und dieses CO₂ eben in Alkohol umwandeln und diesen Alkohol dann idealerweise vielleicht sogar noch irgendwie als Trinkalkohol, als Spirituose oder so dann wieder in den Kreislauf reinzubringen. Er hat dann angefangen, die ersten Experten sozusagen dazu zu befragen. Und weil er in Helsinki war, in Helsinki gibt es eine Brennerei, die ist mittlerweile auch von einer großen finnischen Brauereien aufgekauft worden, war damals noch unabhängig. Und ich habe lustigerweise in Finnland studiert, ich habe 2 Rasmus-Semester in Helsinki gemacht und ich besuche quasi, ich habe da noch Kumpels und ich fahre da alle paar Jahre, fahren wir wieder nach Finnland für eine Woche, um die zu treffen und so weiter und so fort. Und dann habe ich halt gesehen, nachdem ich mal ein paar Jahre nicht dort war, habe ich halt gesehen, hej, da gibt es ja jetzt eine Brennerei in Helsinki. Übrigens, Finnland oder allgemein Skandinavien und harter Alkohol und so weiter, das ist bei denen natürlich ein sehr, sehr schwieriges Thema, mit staatlichem Alkoholmonopol und so weiter und so fort. Also es war jetzt nicht trivial, in Finnland eine Brennerei zu eröffnen für sozusagen, das waren ja auch 3 Privatiers, die das gemacht haben und nicht irgendwie ein Konzern, der halt irgendwie bestens vernetzt wäre oder so. Egal, ich war halt dann dort und ich habe mir die Brennerei angeschaut und so weiter. Wir haben dann tatsächlich eine kleine Kooperation mit denen gemacht, ich habe meinen Destillateursazubi hingeschickt zu denen, um dort das Whisky-Brennen bei denen ein bisschen zu lernen. Das war dann so, dass er natürlich über Whisky ein bisschen was aufgeschnappt hat dort, aber das war dann so, dass ein deutscher Destilateursazubi im 2 Lehrjahr vor allem zum Thema Ausmischen, Abfüllen und so weiter und so fort, denen noch einiges hat beibringen können. Al es war ein sehr, sehr fruchtbarer Austausch für beide Seiten. Und, nun ja, ich war dort, sie kannten mich und jetzt kam dieser Simo, ist eben in diese Brennerei gegangen und hat mit dem damals dort Verantwortlichen gesagt, hej, ich kenne mich da gar nicht so aus, aber da gibt es diesen Typen in Deutschland und von dem weiß er, der kennt sich aus. Und dann hat er mich quasi angeschrieben, hej, Stefan, wie schaut es auch, da gäbe es jemanden, der hat eine total freakige Idee, irgendwie aus CO₂ Alkohol zu machen, magst du mit dem mal reden? Und ich meine, ich bin ja ein alter Öko-Hippie und so weiter und so fort, Klima, Energie und so weiter, das ist mir alles sehr, sehr wichtig. und natürlich, wenn es mit Helsinki zu tun hat, dann bin ich sofort Feuer und Flamme. Und dann habe ich eben, das war lustigerweise, da war ich 2020, das muss dann im Juni sowas gewesen sein, nee, im August, da war ich eben in Berlin an der VLB und habe die neuen Destillateur-angehenden-Meister, da bin ich an der Schule quasi Dozent, war eben in Berlin und hatte nachmittags halt wenig zu tun, viel Zeit und dann habe ich halt mit Simo telefoniert. Und der hat mich halt ein bisschen in das Projekt eingewiesen und, wie gesagt, war dann auch gleich Feuer und Flamme und war ab dem Zeitpunkt eigentlich involviert. Damals war noch gar nicht klar, wie das jetzt irgendwie mit diesen Bioreaktoren und wie da irgendwie dann noch irgendwie Biomasse erzeugt werden soll, es war alles noch sehr, sehr hemdärmelig, aber es kam dann irgendwie 2020/2021 eben zur offiziellen Firmengründung. Und ich habe mit 2, 3 anderen Personen, die sozusagen nur beratend tätig waren, habe ich einen ganz, ganz kleinen Firmenanteil quasi dafür gekriegt dafür, dass ich halt mein Wissen und meine Expertise und so weiter eingebe. Ist übrigens ein lustiger Begriff für diese Art von Beteiligung, das nennt sich Swat for Equity, also quasi Schweiß für Eigenkapital. Wie gesagt, nicht mal 1 % des Anteils habe ich dafür gekriegt, mich sozusagen ein bisschen zu engagieren. Und ich habe in erster Linie geholfen, so einen Überblick zu kriegen, okay, wie sind Ausbeuten von welchen Rohstoffen und wie ist der Vertrieb und wie viel Vodka wird getrunken, wie viel Gin wird getrunken und so weiter und so fort. Genau und ab diesem Zeitpunkt war ich quasi in der Firma Aircohol investiert. Die Aircohol-Firma hat jetzt, glaube ich, aktuell 7 oder 8 Mitarbeiter, das sind 2 Biotechnologen oder Biochemiker, der eine von der Universität aus Portugal und die andere, die Elina ist von Helsinki University, dort hat sie auch so ein Biertechnologie-Department geleitet, sind eben zu Aircohol gekommen. Und das Ziel ist quasi, aus CO₂, aus der Luft eben Alkohol und in dem Fall sogar halt trinkbaren Lebensmittelalkohol zu erzeugen. Und jetzt ist es so, wie kann sowas funktionieren? Sowas könnte man zum Beispiel auf physikalisch-chemischen Wege machen, aber dann wäre es ein technischer Alkohol, wäre es halt kein Lebensmittel. Und die Mädels und Jungs von Aircohol nehmen quasi das CO₂ aus der Luft, und da ist auch im Laufe der Zeit, hat sich dann sozusagen herauskristallisiert, am schlauesten ist es halt, dieses CO₂ gleich dort aufzufangen, wo es hochkonzentriert anfällt. Und da sind wir halt zum Beispiel bei großen Brauereien oder bei großen Brennereien auch. Die Vodka-Brennereien in Finnland, in Skandinavien und natürlich in Osteuropa sind natürlich auch super interessiert. Die sammeln dieses CO₂ sowieso, das kommt quasi schon in einem relativ hohen Reinheitsgrad, irgendwie 90 %, kommt das bei denen schon direkt einfach aus den Gärtanks raus. Da kann man das CO₂, das normalerweise entweder direkt in die Atmosphäre geht, was blöd ist, oder halt aufgefangen wird und dann wieder gewaschen und dann irgendwie zum karbonisieren von Getränken oder so hergenommen wird, aber im Endeffekt, am Ende des Tages landet es irgendwo in der Atmosphäre. Und wenn man dieses CO₂ nimmt, dann muss man zum Beispiel auch nicht das CO₂, das schon in der Atmosphäre ist, irgendwie mit großen, teuren und energieintensiven Carbon-Capturing-Mechanismen oder so herhalten. Also wir haben quasi einen Rohstoff, der für einen anderen Prozess ein Abfall ist und wir nehmen jetzt einen pflanzenbasierten Rohstoff oder, wie soll man sagen, ein pflanzenbasierter Katalysator, der quasi aus diesem CO₂ in diesem Bioreaktor wiedervergärbaren Zucker erzeugt. Und das ist halt quasi der Gag, weil, wenn ich diesen vergärbaren Zucker dann wieder drin habe, dann kann ich jetzt da die Hefe wieder drauf loslassen, die das dann wieder verstoffwechselt, die da wieder Alkohol draus macht. Und diesen Alkohol, den kann ich dann ganz klassisch zum Beispiel eben eine Rektifikationskolone, also über Destillation wieder aufkonzentrieren und kann den zum Beispiel als Basis verwenden für eben klimanegativen Vodka, Gin oder sonstige Dinge. Also das ist jetzt mal so ganz grob zusammengefasst, weil, wie gesagt, die Biophysik und Biochemie, die da drin ist, die durchsteige ich auch nur bis zu einem gewissen Teil. Aber wir haben quasi eine kleine Firma, ein Startup, das zu den großen Konzernen hingeht und den großen Konzernen sagt, hej, Folgendes, wir nehmen das CO₂, dass bei deiner Brauerei, bei deiner Brennerei, bei deiner Vodka-Herstellung anfällt und wir erzeugen daraus wieder Alkohol. Und dieser ganze Prozess ist sogar so extrem CO₂-erfordernd, dass diese ganze Operation eben klimanegativ sogar ist. Also am Ende haben wir Alkohol und haben sogar mehr CO₂ der Atmosphäre entnommen, als am Schluss im kompletten Prozess sozusagen von uns eigentlich dann wieder anfällt.
Markus: Obwohl da noch mal eine Gärung stattfindet?
Stefan: Genau, obwohl noch mal eine Gärung stattfindet. Also das ist wirklich durch sozusagen, bei diesem Bioprozess, der abläuft, wird halt so viel CO₂ gebunden und notwendig, dass das Gärungs-CO₂, das nachher kommt, kompensiert wird, das sogar das CO₂ von sozusagen theoretisch sogar, wenn du den Strom nicht regenerativ erzeugst, sondern im ganz normalen Strommix und so weiter, braucht ja eine entsprechende Menge CO₂ und so weiter und so fort, also der komplette Prozess ist bis am Schluss in der Flasche, in der Flasche jetzt dann natürlich nur noch leicht, aber ist klimanegativ.
Markus: Ist ja faszinierend. Ich versuche, es noch mal kurz in meine Worte zu fassen, das heißt also, ich habe irgendwo die aufgefangene Kohlensäure, also das CO₂, was in der Brauerei oder Brennerei nach der Gärung irgendwo aufgefangen worden ist. Dann habe ich, sage ich jetzt mal einfach gesagt, so eine Art Tank, da gebe ich dieses CO₂ rein, dann habe ich da irgendwelche Organismen, die sich über das CO₂ freuen und das fressen und die produzieren dann quasi Zucker am Endes des Tages.
Stefan: Genau.
Markus: Und leben weiter oder sterben die dann oder wie ist das bei denen?
Stefan: Am Ende des Tages, also am Ende des Prozesses, glaube ich, sterben die dann ab. Aber da muss ich tatsächlich sagen, soweit bin ich dann jetzt nicht mehr drin, aber ich glaube, die sterben ab, damit man an den Zucker rankommt.
Markus: Na, ist ja kein Problem, also dann sterben die ab und dann habe ich praktisch diesen Zucker. Und dann kann ich den wiederum in einen handelsüblichen Gärtank geben und vergären oder funktioniert diese neue Gärung dann auch wieder in diesem System?
Stefan: Nee, das ist tatsächlich, das ziehst du dann raus und kannst du im ganz normalen Gärtank vergären und ganz normal abdestillieren. Ich meine, du könntest diese Gärung natürlich auch direkt trinken, aber dann hast du halt eine alkoholische Lösung, eine schwachalkoholische Lösung, die nicht so sonderlich lecker schmeckt, also es ist jetzt nicht so, dass da irgendwie jetzt ein leckeren Gerstensaft dabei rauskommt. Also sozusagen, das Ganze ist lebensmitteltechnisch zertifiziert, also es ist ein Lebensmittel, was dabei rauskommt, aber es ist halt geschmacklich so, dass du da schon noch mit ordentlich Filtration und, wie gesagt, Rektifikation und so weiter draufgehen musst, damit wir am Schluss etwas erhalten, was halt eben ähnlich ist wie der auf Getreide- oder Melasse-basierende Standardneutralalkohol.
Markus: Das heißt, ich brauche so einen doppelten Schritt, also einmal diesen Zucker, der da rauskommt, zu vergären und dann das, was da an Alkohol rauskommt, noch mal ein bisschen zu reinigen, in Ordnung zu bringen, dass es dann im selben Zustand ist sensorisch, wie jetzt ein normaler Neutralalkohol?
Stefan: Genau. Du kannst dir das einfach so vorstellen, wie wenn aus dem Bioreaktor dann was rauskommt wie eine nichtvergorene Würze es wäre, die du ja auch nicht pur trinkst, sondern auch noch weiterverarbeiten musst, um da eben ein konsumfähiges Produkt draus zu machen. Also es ist eine ganz weit hergeholte, aber, denke ich, relativ griffige Analogie.
Markus: Ja und rein theoretisch, man könnte jetzt auch zum Beispiel sagen, also jetzt blöd gesagt, man könnte ja sagen, man nimmt diesen Alkohol, der da entsteht und macht den gar nicht fürs Konsumieren, sondern verbrennt ihn zum Beispiel oder was weiß ich was, könnte man ja sonst was damit tun, also man könnte auf jeden Fall auch Energie gewinnen auf dem Weg, ist schon …
Stefan: Ja, würde auf jeden Fall funktionieren, es wird dann nur, denke ich, unwirtschaftlich. Weil, wenn du dir überlegst, dieses Bioethanol, dass ja zum Beispiel auch dem E10 beigemischt wird und, keine Ahnung, in Brasilien fahren ja die Autos mit Bioethanol, und so weiter, 100 Prozent. Dieses Ethanol ist halt sehr, sehr billig. Und dieser Aircohol-Prozess, der kostet natürlich schon eine ordentliche Stange mehr. Und deswegen funktioniert es halt nicht, um jetzt irgendwie da Bioethanol herzustellen, um es dann auch eben wieder im Tank zu verfahren, sondern das funktioniert halt eben bei Lebensmittel, wo der Kunde bereit ist, gewisses Geld dafür zu bezahlen, damit und so weiter und so fort. Also auf gut Deutsch, du kannst in Finnland rechnen, irgendwie eine Flasche Vodka, Standard, nicht die billigste Qualität, 0,5, gibt es halt irgendwie ab 15 oder 20 € und wenn du das auf den Liter reinen Alkohol umrechnest und so weiter, ist es halt sehr, sehr viel Geld. Und dann funktioniert dieses Aircohol-Verfahren halt auch wirtschaftlich und wenn du es halt nur im Tank verballern würdest, dann würde es halt nicht wirtschaftlich funktionieren.
Markus: Zumindest solange CO₂ so billig ist, sagen wir mal so, aber das ist ja …
Stefan: Ja, klar, da gibt es natürlich einiges. Also ich meine, diejenigen, die da am interessiertesten sind, das sind natürlich diese großen Spirituosenkonzerne, die großen Getränkekonzerne, die riesen Brauereien, die halt irgendwie mega Tonnen an CO₂ ausstoßen jedes Jahr und die haben sich ja alle entweder selbst reglementiert oder halt irgendwelche EU-Auflagen müssen die halt in diesem und jenen und folgenden Jahr CO₂-neutral sein und die sind alle schon etliche Jahre hintendran. Also auf gut Deutsch, denen brennt´s, denen brennt die Hüte, die müssen links und rechts schauen, wo sie irgendwas machen können, um sozusagen ihren Carbon-Footprint zu reduzieren. Und da kommen sozusagen solche Ideen natürlich gerade recht und dementsprechend waren da halt auch eben die großen Konzerne sofort dran interessiert. Aber, wie du schon sagst, in Fiskars bei der Brukets Brewery, Bruket Destillerie ist das erste sozusagen Pilotprojekt, wo sozusagen der erste Bierreaktor steht, mit dem tatsächlich gearbeitet wird.
Markus: Ja und das ist ja, wie du sagst, nur, um das ganz kurz zu ergänzen, in der Tat ja in der Brauwelt genauso, dass man eben mit AB InBev, mit Heineken, mit Carlsberg ganz große Mengen an Selbstverpflichtung eben hat, wir sind CO₂-neutral bis 2030 oder 2035, 2040, aber auf jeden Fall in diesem Rahmen. Und das ist eine krasse Selbstverpflichtung und ist ja gut, wenn es da eben Dinge gibt, wie die dem sich besser annähern können auf diese Art und Weise. Ja, weil du jetzt gesagt hast, in Fiskars ist der Prototyp, hast du denn da einen Überblick, wie das funktioniert? Also die vor Ort, die waren sehr begeistert und waren sehr glücklich und haben auch sehr überschwänglich berichtet, was sie damit so alles anstellen. Ist das auch so, was sich in deiner Erfahrung widerspiegelt?
Stefan: Also es ist schon so, dass das, wie gesagt, eine forschungsgetriebene Startup-Bude ist. Also es ist jetzt nicht so, dass man sagen kann, ja, okay, wir haben jetzt da diesen Piloten und irgendwann kauft die Penninger Brennerei da das nächste Gerät von denen und so weiter, sondern das ist schon noch Research Emotion quasi. Also da gibt es alle 2, 3 Monate, kommen sie mit irgendeiner Idee daher und dann wird die erst mal ausprobiert und so weiter und so fort. Also bei Fiskars ist eine Pilotanlage, die von Fiskars betrieben wird. Und das, was da allerdings rauskommt, ist alles noch in einem Maßstab, dass die sozusagen das dann wieder ins Labor schicken oder das sozusagen der Großkonzern, der interessiert dran ist, hier einzusteigen, dass bei Fiskars, in deren Sichtweise Minimaßstab, machen lässt und Fiskars liefert denen halt soundso viele Liter von diesem Aircohol und die machen dann irgendein Laborchichi drauf und so weiter und so fort. Und es gibt da noch in Lahti, das ist eine Stadt, die ist ungefähr so 1 Stunde, 1 1/2, nördlich von Helsinki, da hat Aircohol dann noch so ein richtiges Lab, wo halt neue Bioreaktoren ausprobiert werden, wo der Techniker, der technische Ingenieur ständig an einem Bioreaktor rumschraubt und rumbaut, um das irgendwie zu verbessern, während der andere gerade irgendwelche Bioversuche fährt und so weiter und so fort. Also wie gesagt, Fiskars ist das Pilotprojekt bei einer Brauerei, bei einer Brennerei, aber die Forschung an dem Ganzen selber ist in Lahti bei Aircohol.
Markus: Und hast du selber schon mal so ein Ergebnis probieren können, also sowohl diesen Zucker, der rauskommt oder auch den ersten Alkohol, der man da bekommt oder so?
Stefan: Ja, habe ich tatsächlich schon probieren können. Und, ja, es ist jetzt schwierig zu beschreiben, weil es halt eben nicht diese Standardfrucht- oder Stärkebasis ist, sondern eben halt was anderes. Aber, ich sage immer so, wenn du nicht weißt, was das ist, hat das ein komisches Off-Flavour, hat aber zum Beispiel das Ding, die Noten, die mich jetzt zum Beispiel so in Ferne an Himbeergeist und Brombeergeist erinnern. Also wenn ich, Stefan Penninger, ich habe ja auch ein bisschen Aircohol hier bei uns, weil, die haben mir natürlich auch was geschickt, ich soll mal ein bisschen Fairy Dust draufsprenkeln und mal schauen, was ich da machen kann und ich habe halt da auch noch ein bisschen rumdestilliert und geschaut und so weiter und so fort. Und ich habe da eine alkoholische Basis erzeugt, die war schon so im Bereich 60, 65 % und die hatte eben so, wie gesagt, so ein leicht komisches Off-Flavour, aber halt auch schon so merklich so Beerengeistcharakteristiken. Und ich sage dir, ich kann das Zeug nehmen und ich baue dir da einen Fruchtlikör draus, einen Himbeerlikör, einen Brombeerlikör, einen Heidelbeerlikör draus und der Endkunde checkt nicht, dass da Aircohol drin ist und nicht ein ganz normaler 0815 prima Sprit.
Markus: Ja und Likör ist ja durchaus auch was, was viel konsumiert wird, das heißt, da hat man dann auch wirklich die Menge dahinter, dass das Ganze irgendwie Sinn macht. Spannend!
Stefan: Wobei, das Ziel, sage ich mal, von den interessierten Firmen ist halt schon sozusagen eine neutrale Basis zu kriegen. Aber, um sozusagen eben aus einer 60-prozentigen Spirituose, wo noch Geschmack drin ist, eine 96-proztentige Spirituose oder einen Neutralalkohol zu machen, der nach nichts mehr schmeckt, das kann ich leider hier nicht tun und das können auch die Jungs von Aircohol nicht selber. Also da geht halt dann wieder ein Container zu den entsprechenden großen Konzernen, die in ihren Labs diese Möglichkeit haben, eben diese Rektifikation zu machen.
Markus: Und das kostet ja auch noch mal eine Menge Energie und Zeit und so weiter. Also ist die Frage, wenn man es direkt verwerten kann, warum nicht auch das tun?
Stefan: Ja, schon. Wobei die Rektifikation, glaube ich, so energiemäßig schon die effizienteste Art und Weise ist, um sozusagen Alkohol so zu verarbeiten. Also wenn ich auf 65 % brenne, brauche ich dafür, auf 1 Liter gerechnet, wesentlich mehr Energie als so eine Rektifikationskolone, wenn die halt wirklich da 10.000e Liter drüber laufen lassen.
Markus: Okay. Naja, auf jeden Fall also super interessant und spannend und danke, dass du uns mal diesen Einblick gegeben hast. Also das werden wir natürlich weiter verfolgen und auch in den Shownotes entsprechend verlinken, dass die Hörerinnen und Hörer sich dem auch ein bisschen nähern können. Es gibt ja die Website von Aircohol, wo die so ein bisschen auch erklären, was sie da tun. Und natürlich ist es auch ein bisschen geheimnisvoll, muss es ja auch sein, ist ja auch spannend.
Stefan: Ja, vielleicht darf ich da noch, bevor wir da weggehen, noch etwas anmerken. Also das Erste ist tatsächlich, dass 2 große Konzerne da lange hin- und herüberlegt haben und natürlich gegenseitig die Exklusivität haben wollten, und mit einem dieser Konzerne ist jetzt quasi eine Abmachung gemacht worden. Also wie gesagt, Fiskars war ja schon so ein paar 100 Liter auf jeden Fall, genau weiß ich es nicht, aber bei diesem Konzern der nächste Stepp, also die nächste Größe des Technikum, das wäre dann halt schon so, dass wir da im Bereich von einem Investment von irgendwie 10, 15 Millionen € sind, der das dann sozusagen macht. Und wie gesagt, da gibt es jetzt eine Kooperation mit diesem großen Konzern. Ich darf ihn natürlich nicht nennen, deswegen fahre ich da so immer links und rechts drum rum. Aber da geht es wirklich jetzt konkret weiter, dass es so ist, dass irgendwann einmal die großen internationalen Vodka-Marken oder so, und das wird jetzt nicht mehr lange dauern, also da bin ich schon so im Bereich 2, 3 Jahre.
Markus: Sehr, sehr interessant. Und ist ja auch immer wieder gut zu sehen, dass es eben Innovationen gibt und Innovatoren gibt. Und wer weiß auch, was da noch so alles passiert, weil, ich meine, im Grunde die Idee, so einen Bioreaktor zu haben, der CO₂ verarbeiten kann, ist ja das eine und dann vielleicht gibt es ja da verschiedenste Mikroorganismen, die man verwenden kann, die auch verschiedenste Dinge produzieren. Das muss ja nicht immer nur der Zucker sein zum Beispiel, da ist ja Tür und Tor geöffnet zu allen möglichen anderen Verfahren. Also finde ich spannend.
Stefan: Das ist tatsächlich brutal, also Aircohol macht das ja wirklich nur für Lebensmittel und nur für Alkohol und nur eben mit zuckerbildenden Mikroorganismen, die da arbeiten. Aber soweit ich das sehe, gibt es aktuell mindestens 300 Startups und Forschungsprojekte und sonstige Dinge in der EU, wo undenkbar unterschiedliche Sachen eben mit so Bioreaktoren, teilweise mit eben natürlichen Stoffen, teilweise mit irgendwelchen, keine Ahnung, genetisch manipulierten Bakterien oder irgendwas und jeder will irgendwie was anderes machen. Und die einen machen es für die Kosmetikindustrie und die anderen wollen halt irgendwelche Hightech-Materialien bauen, die es quasi so überhaupt noch gar nicht gibt. Und sozusagen das ganze Thema Mikrobioreaktorenzeugs, also da wird ja unglaublich viel Forschungsgeld gerade drüber ausgegossen. Also da kann es sein, dass wir, was weiß ich, in 5 oder in 10 Jahren Materioalien auf einmal finden, wo, keine Ahnung, wo jetzt noch keiner dran denken kann.
Markus: Ja, aber ist ja auch wichtig und richtig und vielleicht auch in mancherlei Hinsicht ganz notwendig, weil man ja viele Dinge hat, wo man denkt, dass man mit aktuellen Mitteln Prozesse nicht mehr stoppen kann, die wir schon in Gang gesetzt haben.
Stefan: Ja, also wenn wir so weitermachen, dann brauchen wir uns da nicht mehr lang drüber Gedanken machen.
Markus: Also insofern, wollen wir mal die Daumen drücken und hoffen, dass da auch die Wissenschaft ihren Teil dazu beiträgt.
Stefan: Fingers crossed.
Markus: Genau, ganz fest. Also wie gesagt, danke, dass du uns darüber ein bisschen aufgeklärt hast. Jetzt lass uns noch ein bisschen zu dir zurückkommen, in den Bayrischen Wald sozusagen, in die Realität.
Stefan: Aus der Highend-Forschung in einem urbanen Gebiet in Skandinavien zum Outback Niederbayern Bayrischer Wald.
Markus: Wobei, sagen wir mal, in der Anzahl der Bäume kann es mit Finnland durchaus mithalten, glaube ich, also zumindest der Bayrische Wald, sagen wir mal so.
Stefan: Der Bayrische Wald hat viele Bäume, aber, ich glaube, die haben immer noch wesentlich mehr.
Markus: Ja, insgesamt, klar ist es …
Stefan: Ja, der Bayrische Wald, muss man schon sagen, Finnland ist ja ein riesen Flächenland und der Bayrische Wald ist natürlich die ländlichste Pampa, die du dir irgendwie nur vorstellen kannst, aber trotzdem haben wir im Bayrischen Wald noch wesentlich höhere Bevölkerungsdichten als irgendwie so in Lappland oben, in Finnland oder so. Da kannst du ja irgendwie, keine Ahnung, 20, 30 Kilometer fahren und siehst halt vielleicht mal ein Dorf, das gibt es bei uns im Bayrischen Wald nicht.
Markus: Stimmt auf jeden Fall. Aber in Sachen Innovation, ich habe auch mal gelesen, du hat mal einen Space-Wurz gemacht, oder?
Stefan: Ja, das war eigentlich natürlich ein Gag, sowas zu machen mit einem Kumpel von mir und jetzt über 10 Jahre später werde ich immer noch drauf angesprochen. Das war, da bin ich gerade kurz vorher in die Firma gekommen und habe meinen Kumpel kennengelernt. Und wir haben halt die Idee gehabt, das haben natürlich viele Leute und später auch noch viel, viel mehr gemacht, dass wir eben so einen Wetterballon nehmen und den Wetterballon halt mit einer GoPro vorn dran und so weiter, dass wir den halt in die Stratosphäre fliegen lassen. Und sozusagen der Gag dabei war, dass wir in dieser kleinen Kapsel, wo halt eben die GoPro drin war, drauf geschnallt war und die Batterien und so weiter, dass da auch Bärwurzwurzeln mit drin waren und dann konnten man quasi oder konnten wir mit Bärwurzwurzeln, die eben in der unteren Stratosphäre waren, konnten wir dann eben einen Bärwurz brennen. Das war schon eine ziemlich freakige Geschichte, wie gesagt, über 10 Jahre später werde ich immer noch und immer wieder da drauf angesprochen.
Markus: Siehst du mal! Ich meine, der Name war ja auch toll, also Space-Wurz.
Stefan: Ja, genau, der war mega. Wenn ich immer so geile Namen für Produkte hätte, dann wäre mir ein großer, großer Stein vom Herzen gefallen.
Markus: Naja, also an Innovationen, auch in dieser Hinsicht mangelt es dir ja nicht. Ich meine, da muss man vielleicht auch noch ein bisschen sagen, du hast ja vorhin gesagt, dass der Blutwurz an sich erst Ende der 80er, Anfang der 90er so richtig erfunden worden ist. Ich meine, es ist ja bei euch wirklich so, dass jede Generation den Laden wirklich deutlich weiterentwickelt und eben andere Aspekte, neue Sachen hinzufügt. Vielleicht magst du da auch noch, weil ich finde das auch interessant jetzt zum Beispiel für Leute, die eine Brauerei haben, wo ja auch immer die Frage ist, wie kann ich innovativ sein, wie kann ich was weiterentwickeln, wie gehe ich damit um, wenn meine Eltern mir so einen Laden übergeben, wie auch immer. Vielleicht magst du da ein bisschen erzählen, wie das so war, also was du vorgefunden hast, als du da so langsam aber sicher reingewachsen bist und wie du dann so Weichen gestellt hast zu dem, was es heute ist.
Stefan: Ja, vielleicht fangen wir noch mal nur kurz ganz, ganz vorne an. Also unsere Firma, sozusagen mein Ururgroßvater Stefan-der-I-Penninger, der war eigentlich Metzger aus dem Rothtal und der hat im Bayrischen Wald in eine Gastwirtschaft eingeheiratet, also meine Ururoma war Gastwirtin, er war Metzger. Und er hat allerdings nicht die Erlaubnis bekommen, eine neue Metzgerei dort zu eröffnen und dann hat er sich halt überlegt, okay, was mache ich. Und dann hat er von der örtlichen Weißbierbrauerei damals das Recht abgekauft, Essig zu brauen. Also das Essigbraurecht war wie das Bierbraurecht oder das Schnapsbrennrecht damals noch ein Zünfteständedings, also konnte nicht jeder einfach irgendwie damit anfangen. Das war bei uns im Jahr 1905, also da reden wir ja noch vom Deutschen Kaiserreich, da war noch nix irgendwie mit Grundrecht auf freie Berufswahl und so und so neumodischen Klimbim. Und da hat er halt eben dann begonnen, mit Essig zu brauen, also die 1. Generation der Penningers waren halt eben Gastwirte und Essigbrauerei. Und in der 2. Generation, mein Uropa, der war ursprünglich mal im bayrischen Heer. Er hat anscheinend Gardemaß gehabt und so weiter, war quasi in der Leibstandarte König Ludwig. Dummerweise ist ihm da so ein großes politisches Ereignis 1914/18 entgegengekommen. Der war halt quasi im bayrischen Heer und der hat aber da einen relativ guten Job gehabt, und zwar war er Versorgungsunteroffizier und ist quasi hinter der Front von Bauernhof zu Bauernhof und hat halt geschaut, wo er was zum Beißen für die kämpfende Truppe herkriegt. Und dort hat er in Lothringen die Tochter eines Limonadenfabrikanten kennengelernt und die wollte er dann auch heiraten. Und der Vater der betreffenden Dame hat gesagt, ja, aber ein hergelaufener Soldat, der nix kann, dem gebe ich meine Tochter nicht. Und sozusagen die Familienhistorie sagt, dass er quasi erst bei ihm quasi das Schnapsbrennen lernen musste, bevor er dann die Tochter ehelichen durfte. Und so ist in den 1920er-Jahren ist quasi die Obstbrennerei in die Familie Penninger mit reingekommen. Mein Opa, der war dann eine Generation, hatte natürlich dasselbe Problem mit dem Weltkrieg und so weiter und so fort. Und als der dann zurückgekommen ist, also vor dem Krieg war er zu jung, um was zu reißen und nach dem Krieg galt es natürlich, erst mal das Land und die Firma wieder aufzubauen. Und die Firma Penninger war damals Weinabfüller und Gastrolieferant. Also wir haben ganz, ganz viel Wein zum Beispiel aus Italien aufgekauft, haben den Wein abgefüllt und haben den an Gastronomien verkauft. Und sozusagen unser Wettbewerbsvorteil war, dass wir eben den Wein im Balg, also im Großgebinde gekauft haben und selber abgefüllt haben und dadurch hat man ihn halt 50 Pfennig billiger verkaufen können als der andere, der ihn schon in Flaschen kaufen musste, und das war halt damals unser Business. Und weil sozusagen eigentlich als Handelsunternehmen, Handelsfirmen in viele Gastronomien reingekommen sind, hat er halt immer auch gleich noch eine Flasche Bärwurz oder eine Flasche Zwetschgenbrand vom Penninger aufgeschrieben, wenn er halt einen Wein verkauft hat. Und mein Vater, in dessen Zeit hat sich quasi Penninger schon gewandelt, eben vom Gastrolieferanten und so ein bisschen Selbsthersteller, also 90 % Handel, 10 % Eigenherstellung, hat sich über die 30, 35 Jahre meines Vaters hat es sich eigentlich komplett umgekehrt, also 90 % Eigenprodukte. Natürlich heutzutage der Penninger Blutwurz, der Penninger Bärwurz, die ganzen Fruchtliköre, die Obstbrände und so weiter und so fort., die ganzen traditionellen deutschen/bayrischen Spirituosen, die kommen eigentlich so aus der Zeit meines Vaters. Und jetzt kommen wir eben zu mir, ich bin 2012/2013, wie gesagt, in die Firma eingestiegen. Und wer sich ein bisschen mit der Spirituose, mit den Spritis auskennt, das war halt die Zeit, wo halt auch der Gin angefangen hat. Damals haben wir noch lange hin- und herüberlegt, sollen wir das mit dem Gin vielleicht auch mitmachen, obwohl wir ja eine bayrische traditionelle Brennerei sind. Und mein Vater war das anfangs sehr dagegen, was wollen wir mit Gin und so weiter, das hat ja überhaupt nichts mit uns zu tun. Aber dass der Gin ja im Endeffekt die angelsächsische Variante von sozusagen einem Wacholderbrand, Wacholdergeist, Wacholderspirituose ist und wir natürlich auch jahrzehntelange Erfahrung in der Kräuterdestillation hatten, der Fit war halt sehr, sehr gut und dann war eben der Granit-Gin mein erstes Baby, mein erstes eigenes Produkt hier, dass ich sozusagen unter meinen Fittichen hatte. Und der Granit-Gin hat natürlich den Zeitgeist voll erwischt und der Gin ist ja dann wirklich explodiert und war fast 10 Jahre lang eigentlich die wichtigste Spirituosenkategorie, die man bis jetzt haben musste. Und dort konnten wir uns halt wirklich sehr, sehr viel Rückenwind und sehr, sehr sozusagen gutes Image und überregionale Bedeutung halt eben aufbauen. Und dann war bei mir natürlich der Gedanke, ja, okay, natürlich hat jeder Hype, jede Welle, und das war ja allen klar, dass das eine Welle ist oder ein Hype, hat irgendwann Mal ein natürliches Ende und was passiert dann eigentlich? Und mein Gedanke war dann, okay, also, ich meine, wenn der Gin so gut funktioniert hat und der Gin so ein großes Thema war, was ist denn die nächstgrößere, die nächstwichtigere Kategorie? Ja und dann waren wir halt sofort beim Whisky. Also das war allen klar, das war auch in Deutschland gerade ein riesen Thema links und rechts, alle Brennereien haben umgestellt von Obstbränden auf Whisky und so weiter und so fort und so auch wir. Und wo wir in den 80er-, 90er-, 2000-Jahren halt eben so ein bisschen Fabrikgebäude außerhalb von Hauzenberg, wie gesagt, im Industriegebiet hatten, habe ich gesagt, nee, jetzt machen wir den nächsten Schritt und jetzt bauen wir ein neues großes Besucherzentrum mit eben Whisky-Brennerei, mit Fasslager. Und es soll halt von Anfang schon sozusagen diese Dual-use-Geschichte zwischen Besucherzentrum, wo du wirklich als Besucher jeden einzelnen Schritt der Spirituosenherstellung erleben kannst und aber halt auch die entsprechende moderne Herstellungs- und Fertigungsmöglichkeit parallel. Und im Jahr 2020 haben wir das Ganze hier eröffnet in Wallkirchen, in unserem Nachbarort. Wir sind ganze 11 Kilometer umgezogen, für uns ein großer Schritt, das ist sogar ein anderer Landkreis, uh! Aber, wie gesagt, war für ein riesen Schritt, ein riesen wichtiger Schritt. Das Timing hätte vielleicht ein Schlückchen noch besser sein können. Weil, wir sind nämlich umgezogen in der 1. März-Woche 2020. Montagvormittag haben wir das Umziehen angefangen, Dienstagnachmittag hat Markus Söder eine Pressekonferenz gehalten, ja, wir bleiben jetzt alle mal schön brav zuhause. Das ist natürlich blöd für ein Besucherzentrum, wo du eigentlich Leute haben willst. Aber der Lockdown war ja dann auch irgendwann vorbei und so weiter, das ist ja alles water down the river. Aber wir haben jetzt hier quasi ein schickes neues Besucherzentrum, wo du halt reingehen kannst, du kannst dir zweimal am Tag eine Tour anschauen. Und du kommst wirklich halt überall vorbei, an den Silos, wo halt die Rohfrucht und wo das Malz angeliefert wird, an der Brauerei, wo wir das Ganze halt einbrauen. Wir haben Würzegärung für einen Single Malt Whisky, wir haben Maischegärung für unsere bayrische Variante eines amerikanischen Whiskys. Wie gesagt, wir machen Rum, wir machen Weinbrand, also die ganzen coolen Dinge, die halt vorher ein bisschen schwierig waren und jetzt haben wir uns halt komplett da drauf eingeschossen, ohne natürlich unsere bayrische Komponente und sozusagen unsere Wurzeln zu verlieren. Also ich mache diese internationalen Spirituosenkategorien, weil ich sie geil finde, aber ich mache sie halt sozusagen mit dem Auge und der Nase und dem Gaumen eines bayrischen Schnapsbrenners.
Markus: Was ja durchaus viele Vorteile hat, wenn man das Ganze dann auch mal probiert. Du hast jetzt vorhin von den Anfängen erzählt und von der Essigbrauerei, da bin ich erst mal so ein bisschen zusammengezuckt. Weil, früher hat man bei uns Brauereien so ein bisschen, dass man das als Schimpfwort benutzt, wenn bei Brauereien das Bier oft schlecht geworden ist, dann hat man die Essigbrauerei genannt. Du hast das ja jetzt wieder aufgegriffen, vielleicht magst du da ein bisschen was erzählen. Und vor allem diesen Prozess, also warum nennt man Essig brauen?
Stefan: Also Erstens hast du natürlich vollkommen Recht und daher kam ja auch das, sozusagen dieses Recht, Essig zu brauen, das an Brauereien oder so dranhing. Also, wie gesagt, als das begonnen mit Penninger 1905, da gab es zwar natürlich Karl Lindes Kältemaschine schon eine Zeit, aber es war jetzt nicht so, dass irgendwie jede Brauerei schon eine Kältemaschine hätte und jede Brauerei jederzeit entsprechende Gärtemperaturen oder Lagertemperaturen herstellen konnte, das konnten nur die Reichsten und die Größten. Und auf dem Land, diese ganze Weißbierbrauereien und so weiter, die halt hochtemperatur-vergären mussten und so weiter und so fort, denen ist halt auch wirklich oft Bier schlecht geworden. Und ist bei den Winzern genauso gewesen, also dieser Weinessig, Rotweinessig, Weißweinessig kommt halt einfach daher, irgendwie eine Lage oder eine Qualität ist halt irgendwie schlecht geworden und hat sich eine Essigsäuregärung eingefangen. Und dann hat man halt geschaut, dass man da einen Essig draus macht, um halt eben das nicht wegkippen zu müssen, sondern weiter als Lebensmittel zu konsumieren. Also das ist mal vollkommen klar. Und vielleicht jetzt mal zum Prozess an sich und warum wir auch Essig brauen, weil, es handelt sich wieder um eine mikrobiologische Fermentation, dieses Mal nicht mit Hefe und nicht von Zucker zu Alkohol, sondern dieses Mal setzen wir eine Stufe später an, wir nehmen Alkohol. Und da gibt es, ich weiß gar nicht, ob ein Bakterium ist, wahrscheinlich ist es wieder eine Familie, aber wir sagen einfach immer, die Essigbakterien, die Acetobacter. Und das sind Bakterien, die verstoffwechseln niederprozentigen Alkohol zu Essigsäure, also es ist eine biologische Gärung. Also bei uns, wir stellen in erster Linie einen doppelstarken Bio-Brandweinessig her, also wir stellen einen weißen Brandweinessig her mit 10 % Essigsäure. Und das machen wir so, dass wir eine 11 %-ige Alkohol-Wassermischung ausmischen, also unseren Rohstoff, unsere Maische, sagt man sogar tatsächlich so, die Essigmaische hat bei uns so 11 % Alkohol und wir vergären die auf traditionellem biologischen Wege in einem hölzernen Spanbildner-Behältnis. Also das könnt ihr euch vorstellen wie ein riesen großer Holzbottich, bei uns hat der 40.000 Liter. Und in diesem Holzbottich hat man so Buchenholzspäne noch, das ist das Habitat, also quasi der Lebensraum für diese Essigbakterien. Und wir verrieseln von oben einfach diese Alkohol-Wassermischung drauf, die sickert durch diese Späne durch. Und während diese Alkohol-Wassermischung durch diese Späne durchsickert, da knabbern diese Essigbakterien so ein bisschen was von dem Alkohol weg und scheiden ein bisschen Essigsäure aus. Das Ganze sickert dann unten im Sickerboden zusammen und dann pumpen wir das einfach im Kreis, immer wieder alles, was unten zusammensickert, wird oben wieder draufgegeben. Und das dauert dann, je nachdem, ob Sommer, ob Winter, dauert das so zwischen 11 und 14 Tagen und dann hast du eine Batch, eine Charge von dieser Alkohol-Wassermischung quasi zum Brandweinessig vergoren. Jetzt muss ich zugeben, dass ist halt, wie gesagt, ein sehr, sehr historisches, sehr, sehr langsames und altertümliches Verfahren. Also in modernen Firmen, in modernen Essigbrauereien, in Fermentarien, da werden halt Edelstahlschnellfermentatoren verwendet und da dauert solch eine Batch vielleicht so 1 1/2 Tage oder so, die haben eine ganz, ganz andere Ausschussleistung. Aber wir haben unseren Essigbildner aus dem Baujahr 1940, wir brauchen keinen neuen und deswegen werden wir uns auch von dem nicht trennen.
Markus: Ist das denn sensorisch auch anders, also hat dieser Essig dadurch auch einen anderen Geschmack?
Stefan: Ja, hat er. Ist schon so dadurch, dass du halt diesen Kontakt hast mit dem Holz und halt diese lange Fermentationsdauer und viel Kontakt mit Sauerstoff und so weiter, du merkst dem schon an, dass er eine andere Charakteristik hat als jetzt der Standardindustrieessig, den du halt irgendwie im Supermarkt also wirklich für minimaltest Geld kaufen kannst. Aber, es bleibt dabei, 10 %-ige Essigsäure ist halt wirklich, wirklich sauer. Und dementsprechend, ich sage immer so, es ist wie beim Vodka, diejenigen, die drauf eingestellt sind und so weiter, die erkennen auch beim Vodka die minimalsten sensorischen Unterschiede und für alle anderen ist es halt Vodka. Und beim Essig ist es auch so, also diejenigen, die halt wirklich auf den Penninger-Essig geeicht sind, also bei uns heißt es, so einen Wurstsalat machst du nur mit Penninger-Essig und mit nix sonst, die achten halt sehr, sehr drauf. Aber, wie gesagt, das würden die meisten anderen wahrscheinlich nicht schmecken, diese Unterschiede.
Markus: Faszinierend! Also den muss ich noch mal probieren, das habe ich damals, glaube ich, nicht gemacht, aber werde ich auf jeden Fall nachholen. Was ich probiert habe, war eine andere Kreation von dir, das fand ich auch spannend, du hast ja 3 Edelbrände genommen und da mit Gewürzen versetzt, also, ich glaube, Pflaume mit Tonkabohne, Marille mit, was war das?
Stefan: Szechuan-Pfeffer.
Markus: Szechuan-Pfeffer, genau und dann war es noch Birne mit Kardamom, oder?
Stefan: Genau, genau. Und zwar sind das, ich habe diese Produkte entwickelt oder die Idee dazu gehabt, kurz nachdem ich eben in Kulmbach an der Genussakedemie meine Ausbildung zum Gewürzsommelier gemacht habe, da haben wir halt ganz, ganz viel gelernt über Gewürze und über auch Flavour Pairings und so weiter und so fort. Also das Thema Food Pairing, Flavour Pairing, was wir bei den Edelbrandsommeliers auch hatten, haben wir natürlich auch bei den Gewürzsommeliers. Und im Endeffekt kannst du dir das vorstellen, wie wenn du beim Spice Rum eine Rum-Basis nimmst und dem halt noch ein bisschen Aroma links und rechts von anderen Stoffen mitgibst. Weil Rum darf ja eigentlich nicht aromatisiert sein, aber Spice Rums sind halt eben gewürzt. Da habe ich mir halt gedacht, hej, könnten wir nicht dieses Flavour Pairing auch mit dem traditionellen Obstbränden eben machen? Also habe ich da entsprechend eben einen Williamsbirnenbrand genommen und einen Zwetschenbrand und einen Marillenbrand und habe begonnen, da halt eben mit diesen Flavour Pairings zu experimentieren, und da gibt es halt jetzt Varianten, die halt sofort naheliegend sind. Also da hast du zum Beispiel eine Zwetschgenbrand, der halt sehr, sehr stark dominiert ist durch seine Bittermandel-, Marzipannoten. Wenn du dem von der Tonkabohne, dieses wärmende, dieses Kumarin-haltige, wenn du dem das dazugibst, gleich und gleich gesellt sich gern, dass es halt sozusagen eine sehr, sehr eingängig passende Note ist halt mit sehr, sehr wärmenden Komponenten. Pflaume, Tonkabohne, das sind ja eher so Gewürze und Früchte eher so für den Winter. Und dann habe ich mir halt überlegt, ja, was könnten wir denn für andere Jahreszeiten noch machen. Für den Frühling habe ich dann eben den Williamsbirnenbrand mit Kardamom verbunden. Kardamom als Mazerat, also als Ansatz, der hat halt sehr viel von dieser Frische und von diesen Citruskomponenten, die im Kardamom halt drin sind, der Alkohol löst die halt raus. Und das funktioniert ganz wunderbar mit sozusagen dieser Bananencharakteristik aus dem Williamsbirnenbrand, das passt, das matcht von den Flavour her sehr gut zu dieser Decandisäureester, der den ausmacht. Und ganz, ganz freakig allerdings, die Sommerkomponente Marillenbrand. Marille ja auch ein Steinobstfrucht, also Fruchtigkeit kombiniert mit diesem Steincharakter, Bittermandel, wärmende Komponenten und den kombiniert mit Szechuan-Pfeffer. Und da muss ich sagen, Szechuan-Pfeffer kannte ich vor meiner Gewürzsommelierausbildung auch nicht. Das ist ein Gewürz aus dem südlichen China, also der Name sagt es schon. Wird gern zu den Pseudo-Pfefferarten gezählt, ist also kein Pfeffer, sondern eine ganz andere Art, aber wird halt wie Pfeffer verwendet und hat auch eine sehr gut schärfende Charakteristik. Wer Szechuan-Pfeffer pur nimmt, dem wird so ein bitzelndes, fast so Ahoi-Brause-mäßiges Mundgefühl auffallen. Und das war das, was mich eigentlich ursprünglich drauf gebracht hat, hej, schau mal, ob du nicht irgendwie durch alkoholische Extraktion da dieses bitzelnde Element rauskriegst. Das funktioniert leider nicht, leider, es wäre ein witziger Gag gewesen, das funktioniert nicht. Aber mir ist halt eben aufgefallen, dass dieser Szechuan-Pfeffer als alkoholischer Auszug, dass es eine sehr, sehr fruchtige Komponente hat. Und dann habe ich ein bisschen rumprobiert und dann habe ich eben Marillenbrand mit diesem Szechuan-Pfeffer-Auszug kombiniert und auf einmal ist aus diesem Marillenbrand aromatisch ein sehr, sehr stark Pfirsich-mäßiges Getränk geworden. Also wir haben nicht nur Flavour Pairing, sondern wir haben fast sowas wie einen Flavour-Transfer, dass du aus der Aprikose durch die Zugabe von Szechuan-Pfeffer eigentlich so Pfirsich-Noten kriegst. Und jetzt muss ich sagen, das ist natürlich ein sehr, sehr nerdiger Ansatz. Also die Sommeliers und so weiter, denen geht jetzt das Herz auf, aber die Otto-Normal-Hörenden, die werden sich jetzt denken, ja, was spinnt er denn da jetzt umeinander. Ja und da haben sie natürlich auch Recht, das ist natürlich auch in gewisser Weise eine Spinnerei, aber ich fand das halt so geil und so witzig und dann habe ich gesagt, okay, unsere Sommerkreation ist halt eben Marillenbrand, Aprikosenbrand mit Szechuan-Pfeffer.
Markus: Und es war faszinierend oder ist faszinierend. Ich habe es dann auch tatsächlich bei mir in der Ausbildung eingesetzt und das ist wirklich spannend zu sehen, wie die Leute dann versuchen, das zusammenzusetzen, zu begreifen und dann anfangen, damit zu experimentieren. Und wirklich super spannend, also tolle Geschichte, danke schön!
Stefan: Ja, danke schön, aber halt wirklich absolut die Kuriosität, sage ich mal, der Spirituosendings. Wobei, eine Anmerkung sei mir noch erlaubt, und zwar, dass jemand Aprikosen mit Szechuan-Pfeffer kombiniert, das ist jetzt extrem, extrem ungewöhnlich und umso witziger fand ich es, wie ich im vorletzten Jahr dann rausgefunden habe, dass eine ganz, ganz große Vodka-Bude einen Flavoured Vodka auf den Markt gebracht hat, Aprikose und Szechuan-Pfeffer.
Markus: Nein, das ist ja krass.
Stefan: Und dann habe ich mir halt gedacht, ja, okay, gut, alles klar, ihr lest also auch unsere Pressemitteilungen.
Markus: So ist das, genau. Ja, aber, ich meine, es macht auf jeden Fall total Spaß und ist, glaube ich, dann auch was, wo Leute wirklich lernen, ihre Sensorik zu entdecken und dann auch so ein bisschen damit zu spielen und dann eben weiterzuentwickeln. Und das ist eigentlich wie auch letzten Endes bei dem Thema Essig, wenn ich anfange, was weiß ich, ein einfaches Salatdressing, da habe ich halt dann, keine Ahnung, Essig, Wasser, Zucker, Salz, irgendwie so und ein bisschen Öl und dann fängt man ja auch im Zuge der Zeit an zu experimentieren mit vielleicht anderen Alkoholen oder mit Marmelade oder mit, was weiß ich was, Fruchtessigen oder anderen und schon wird es noch mal spannender und gibt dem Salat dann auch einen ganz anderen Pep. Und so kann man, glaube ich, mit allen Dingen einfach spielen. Und da hast du schon Recht, da sind wir alle ein bisschen nerdig in der Sommelierecke, aber das macht ja vielleicht auch einfach ein bisschen Spaß, das ist ja auch okay.
Stefan: Ja, vor allem mit dem Essigthema. Also unser Penninger Brandweinessig, da haben wir so Fruchtessige gemacht, die wir auf diesem Essig quasi aufbauen. Also die Säureessigkomponente ist unser Penninger Brandweinessig, aber wir nehmen halt verschiedene Säfte, Mousse, Pürees und so weiter und so fort und machen da halt Fruchtessige. Da haben wir einen Waldfruchtessig, einen Birnenessig, Letztens habe ich einen Feigenessig noch gebracht. Und wie du schon sagst, du fängst halt an, beim Salat irgendwie Standard-Balsamico und Standard-Öl und irgendwann denkst du dir, ja, okay, kann man da nicht mal und so weiter und so fort, und dann fängst du das Experimentieren an und dann kommen auf einmal ganz andere Dinge raus wie nur eben diese Standardsachen.
Markus: Auf jeden Fall. Vielleicht wollen wir zum Ende noch den Leuten ein bisschen Lust machen, dich auch zu besuchen, weil du ja gesagt hast, du hast ein Besucherzentrum gebaut. Ich meine, gut, ich war jetzt schon da, aber ich muss mich trotzdem maximal dummstellen, weil das ist ja wichtig, was erwartet uns denn da? Also es gibt auf jeden Fall was zu essen, das habe ich verkosten können, das war schon mal wunderbar, aber es gibt auch viel zu sehen und zu erleben. Ja, was hast du da so auf Lager?
Stefan: Also es ist so, wir haben einen kostenlosen Teil unseres Besucherzentrums, das ist halt, du kannst bei uns im Kino den Imagefilm anschauen, kannst eben die Ausstellung im Besucherzentrum durchschauen und kannst halt da in den Shop gehen. Aber, ich würde natürlich jeden empfehlen und vor allem, wenn sie von weiter weg kommen, mir haben zweimal am Tag, um 10:30 Uhr und um 14:00 Uhr, haben wir eine geführte Besuchertour. Also es wird immer in kleinen Gruppen, wird immer mit einem menschlichen Begleiter, mit einem menschlichen Guide, geht ihr quasi bei uns über das Gelände. Und wie ich schon gesagt habe, es geht los halt bei den Silos, wo das Getreide angeliefert wird, über die Mühle, über das Sudhaus, den Gärkeller und natürlich die Brennerei. Ganz, ganz toll bei uns natürlich auch als Whisky-Brenner, das Whisky-Fass-Lager, unser quasi Kathedrale des Geistes. Bei uns sieht man auch ein bisschen, was heißt ein bisschen was, bei uns sieht man auch rein, wie sozusagen die fertigen Spirituosen dann ausgemischt werden in der Mischerei, bei uns kann man in die Abfüllung rein. Das sind alles so Dinge, die man vielleicht bei den großen Besucherzentren gar nicht mal mehr sehen kann. Aber bei uns ist es halt wirklich so, den Weg vom Getreidekorn in den Betrieb bis zur Flasche, die eben tatsächlich im Regal steht, also quasi from grain to glas, da sieht man bei uns quasi jeden Stepp, kann man bei uns im Besucherzentrum sehen. Und da gibt es noch ein bisschen mehr, also wir haben ja die Essigbrauerei noch, die man anschauen kann. Wir haben eine Kaffeerösterei, der Kaffee für unseren Kaffeelikör und für unsere Gastronomie, den rösten wir natürlich auch frisch. Ja und natürlich, wir sind eine Whisky-Brennerei, am Ende der Tour gibt es natürlich auch was zum Probieren, ist doch klar.
Markus: Ja, da werden sich die Leute am allermeisten drauf freuen. Wobei ich auch mal den Kaffee ausprobieren möchte, da bin auch sehr gespannt, weil ich ja wirklich sagen muss, das ist oft erstaunlich. Also ich kenne zum Beispiel bei Maisel in Bayreuth, gibt es auch eine Kaffeerösterei mit auf dem Gelände und das ist auch eine Wahnsinns Ergänzung zu diesem ganzen Thema Bier, was die dort haben. Und so kann ich mir das bei euch, glaube ich, auch gut vorstellen, wenn man eben eh mit Aromen spielt und eben da rummacht.
Stefan: Deswegen hat es mich auch so gereizt, das zu machen, weil du hast halt wieder hochwertigen Genuss und hast wieder dieses Aromenspiel und so weiter, wo du dich hineinknien kannst. Also wir haben jetzt vergleichsweise wenig Kaffeesorten und so weiter, also wir sind jetzt nicht in erster Linie eine Kaffeerösterei, aber wir haben eben auch eine Kaffeerösterei und da eben anzudocken an eben Spirituose und Kulinarik, Gustatorik und so weiter.
Markus: Perfekt! Also wir werden natürlich auch da den Link entsprechend in die Shownotes setzen, dass die Leute da auch hinfinden. Vielen Dank auf jeden Fall, dass du uns heute schon ein bisschen auf diese Reise mitgenommen hast und auf jeden Fall Lust gemacht hast darauf. Und natürlich auch ein bisschen uns mit der Aircohol-Geschichte eben mitgenommen hast auf diese Seite deines Lebens und die auch unglaublich, glaube ich, wichtig ist, dass wir, unsere Generation uns maximal engagieren und versuchen, ein bisschen was noch richtig zu machen oder besser zu machen, wie auch immer, damit es die Nächsten vielleicht ein bisschen leichter haben, wir werden sehen. Aber auch dafür jedenfalls vielen Dank und dann dir heute noch einen schönen weiteren Tag.
Stefan: Ja, also der Dank ist ganz von meiner Seite. Also ich hoffe, ich war nicht zu schlimm, ich falle immer gleich sofort ins Dozieren rein und so weiter und so fort. Aber, ihr seht es, um die Klischees rauszuziehen, ich brenne mit Leidenschaft. Aber, ich glaube, das ist auch irgendwie klar geworden, ich habe so viele unterschiedliche Dinge, die mich faszinieren und wo ich schaue, dass ich halt überall in den Kochtöpfen mit rummischen kann, mit rumkochen kann. Und wie gesagt, für dich oder an dich und an euch ganz, ganz vielen Dank, dass ihr die Gelegenheit mir gegeben habt, mich da ein bisschen zu zeigen. Und wie gesagt, das mit diesem Aircohol-Thema, da geht es halt nicht nur drum, dass mich das aus intellektueller Sicht oder aus Forschersicht fasziniert, sondern, wie gesagt, wir haben halt diese große, große Nebenkomponente eben mit dem CO₂ und dem Klimawandel und so weiter und so fort und da kann man tatsächlich sagen, da können auch wir, die mit Alkohol zu tun haben, die ja gern mal nicht so als die moralischen Instanzen gelten, da können wir auch mal unseren Teil dazu leisten, das Gute zu tun.
Markus: Sehr gut, wunderbar, was für ein schönes Schlusswort. Also dann, vielen Dank und auch natürlich an euch alle da draußen und dann bis demnächst. Und wie gesagt, dir noch alles Gute für heute.
Stefan: Ja, danke dir und euch auch, tschau, tschau.
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