Der umtriebige Niederländer Henri Reuchlin ist ein Urgestein der europäischen Bierszene. Als Berater unterstützte er bereits zahlreiche Brauereien, darunter auch die Trappistenbrauer, deren neueste Pflänzchen Zundert und Tynt Meadow seine Handschrift tragen. Ganz nebenbei zeichnet er auch dafür verantwortlich, dass die EBCU – European Beer Consumers Union – einen entscheidenden Wandel in der Öffentlichkeitsarbeit vollzog und heute wichtige Lobbyarbeit rund um das Brüsseler EU-Geschehen leistet. Natürlich ist er auch einfach ein Bierliebhaber und Genießer, was er bei jeder sich bietenden Gelegenheit intensiv auslebt…
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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen BierTalk Spezial. Wir reisen zum zweiten Mal in die Niederlande, diesmal aber nicht direkt zu einem Brauer, sondern zu jemanden, der auch sehr, sehr viel für das Bier getan hat, nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Europa: Henri Reuchlin. Am Mikrofon wie immer ich, der Markus, und …
Holger: … der Holger.
Markus: Genau. Und Henri. Nun würde ich dich bitten, dich vielleicht ein bisschen vorzustellen, damit sich die Hörer ein Bild machen können.
Henri Reuchlin: Danke für Ihre Einladung. Verzeihe, dass mein Deutsch nicht so gut ist, es ist nicht meine Muttersprache und nicht meine Zweitsprache, aber ich werde es auf Deutsch versuchen. Ich bin Henri Reuchlin, in Deutsch sage ich normalerweise Reuchlin. Ich lebe in den Niederlanden, ich bin auch Niederländer oder sogar Holländer. Ich bin Koordinator von der Stibon Bierausbildung und wir arbeiten zusammen mit dem Bierkulturhaus in Obertrum und Doemens, internationale Diplom-Biersommeliers auszubilden in den Niederlanden. Ich bin Berater für Brauereien im Bereich Kommunikation. Ich bin Schriftsteller, gerade arbeite ich an meinem zweiten Buch „Rivier van Bier“, das heißt Fluss von Bier. Das erste Buch ging über die Bierkultur am Maas. Und jetzt schreibe ich über die Bierkultur am Rhein. Ich bin Vorstand und Mitgründer von der niederländischen Bierwoche. Die sollte eigentlich nächste Woche anfangen, am 14. Mai, und jetzt wird es Oktober. Und auch von der Deutschen Bierchallenge, der Wettbewerb. Und ich war Vorsitzender EBCU, dem europäischen Bierkonsumentenverein oder Verein von europäischer Bierkonsumentenvereinen. Zum anderen bin ich ein Biertrinker, ein Bierliebhaber.
Markus: Sehr beeindruckende Vorstellung, vielen Dank. Vielleicht ganz kurz, wenn wir gerade dabei sind, du sagst, du berätst Brauereien beim Thema Kommunikation. Ist das jetzt gerade eine echte Herausforderung für dich die Situation?
Henri Reuchlin: Ja, das ist eine Herausforderung, aber für mich ist jetzt die Ausbildung zum Bierbotschafter und Biersommelier das Wichtigste. Also Berater war für vielleicht sechs Jahre mein wichtigster Betrieb, jetzt sind es nur 10 % oder so etwas, von was ich mache. Und ich habe nicht sehr viele Kunden, nur den Trappisten in Zundert und ein anderes sehr kleines Geschäft.
Markus: Du warst doch auch beteiligt bei der neuen Trappistenbrauerei in England. Da hast du doch das Bier mit entwickelt, oder?
Henri Reuchlin: Ja genau. Für Zundert in den Niederlanden und auch für die englische hatten sie mich gefragt, ihnen zu helfen mit dem Namen und so weiter. Wie ich auf Englisch immer sage, ich bin Trappist-Translator. Also ich übersetze für die Außenwelt zu den Trappisten, dass die das verstehen, aber ich übersetze auch, was die Trappisten denken zur Außenwelt. Weil so eine sehr kommerzielle Person ist sehr schwer zu sprechen mit Menschen, weil die denken ganz unterschiedlich, ganz unterschiedlich. Aber das englische, das läuft jetzt und den englischen Markt kenne ich nicht so gut, in Zundert, den Niederländern natürlich bleibe ich beratend, weil den niederländischen Markt kenne ich etwas besser.
Markus: Spannend. Holger, du bist auch ein großer Freund der Trappistenbrauereien. Was ist denn dein Favorit?
Holger: Oh, das ist sehr schwer. Ich glaube, so von der Verfügbarkeit her, also Westvleteren ist ja immer so schwer verfügbar, aber Rochefort 10 finde ich sehr schön. Ja, also dann La Trappe PUUR habe ich ja auch schon hier im BierTalk vorgestellt und gehabt, also das finde ich auch spannend. Das durchaus auch modernere Wege gegangen werden oder dass man auch mal was Neues macht, was ausprobiert. Aber ich glaube, Rochefort 10 ist so mein großes Lieblingsbier, also als Digestif-Bier,so Nachtisch wunderbar.
Henri Reuchlin: Die Zundert Biere kennst du die schon?
Holger: Ja, die kenne ich auch.
Henri Reuchlin: Auch die 10?
Holger: Auch Nummer 10. Ja, der Matthias hier im Biervana in München, der hatte die schon da, und da habe ich sie einmal probieren können.
Henri Reuchlin: Und hat es dir gefallen, oder nicht?
Holger: Doch, mir hat’s gefallen, also mir hat‘s sehr gut gefallen. Ja.
Henri Reuchlin: Das ist so das gleiche Quadrupel wie, nicht der gleiche Geschmack selbstverständlich, aber ein bisschen in dieser Idee wie die Rochefort 10.
Markus: Ich war in England, lustigerweise ungefähr eine Woche, nachdem die aufgemacht haben, die Mount St. Bernard Abbey, weil ich da vorher in Burton war und habe das Museum angeschaut und Marstons besucht und dann eben mitbekommen, dass quasi um die Ecke eine neue Trappistenbrauerei aufmacht und bin dann mit einem englischen Freund dahingefahren. Durch Zufall haben wir dann festgestellt, dass in der Abtei ein deutscher Mönch ist, der uns dann auch ein bisschen die Türen geöffnet hat, und wir haben uns die Brauerei angeschaut und haben dann natürlich auch das Bier probiert. Und was mir aufgefallen ist, ist, dass das wirklich eine sehr gute Adaption ist von dieser belgischen Idee eines Trappisten Dubbel, würde ich jetzt mal sagen, und eben der englischen Art, wie man jetzt zum Beispiel ein kräftiges Stout oder kräftiges Porter einbraut, sodass man beides ein bisschen zusammenbringt. Und das finde ich da wirklich supergut gelöst. Wie lange habt ihr gebraucht, um das zu entwickeln?
Henri Reuchlin: Oh, das war eine lange Zeit, das waren verschiedene Jahre. In München geht die Zeit etwas langsamer und Bruder Martin, von dem du sprichst, ist ein sehr netter Mann. Er trinkt kein Bier selbst. Also er hat mich gefragt über Bier, weil er trinkt das selbst nicht. Aber er arbeitet jetzt auch im Geschäft, also er muss das verkaufen, aber er wusste nichts vom Bier, also das habe ich ihm auch ein bisschen erklärt. Sie haben sehr viele Versuche gemacht, und lustigerweise, es gab einen Mönch dort, der auch, wie heißt das, Hausbrauer war. Also er hat versucht, verschiedene Rezepte und Ideen, und dann eine Woche machte er etwas, das vielleicht das Tynt Meadow werden könnte. Und in einer anderen Woche machte er dann so etwas, was er nur liebte. Und da haben wir uns überlegt, wir haben die Trappistentradition, das ist ein bisschen belgisch geprägt, aber es ist auch ein englischer Trappist. Also wir müssen etwas finden, das die Bittere dazwischen hat. Die Engländer verstehen, was das Bier ist, aber auch Leute, die ein Trappist erwarten, dass die auch nicht, man sollte da nicht eine Bittere von 3% Alkohol machen. Wir sind rausgekommen auf die Dubbel, das haben die Mönche gemacht, das ist ihr Bier. Das haben sie versucht. Und dann haben wir gesagt: Okay! Dann machen wir eine Art Dubbel, aber dann mit englischem Malz und englischem Hopfen und englischer Hefe. Also es ist ähnlich wie Dubbel, aber es ist auch wirklich Englisch. Das Bier erfreut mich sehr.
Markus: Ich fand das auch richtig großartig, und das symbolisiert auch wirklich genau diese Mitte. Also das hat mich echt begeistert, und auch in England die Leute, die ich da so getroffen habe, waren auch alle völlig hin und weg und freuen sich total, dass sie jetzt auch ihre eigene Trappistenbrauerei haben.
Holger: Von der Anmutung her, also auch vom Etikett, und es ist alles so ein bisschen modern auch. Also auch das Glas, es ist schon ein Trappistenglas, aber es ist auch so modern interpretiert. Das gefällt mir gut irgendwie.
Henri Reuchlin: Das Glas hat sehr lange gedauert, bis wir uns dafür entschieden oder die Menschen sich entschieden hatten. Es gibt jetzt einen Film über das Leben in Mount St. Bernard. Ich glaube, man kann das noch nicht in Europa sehen, aber in UK schon. Das ist „Outside the City“ und da kann man das Mönchsleben wirklich sehen. Und da kann man auch sehen, wie man sich entschieden hat, so eine Brauerei anzufangen.
Holger: Ich hätte noch eine Frage. Und zwar hast du gerade gesagt, es ist sehr schwierig zu übersetzen, weil die Trappisten ganz anders denken auch. Also es ist eine ganz andere Welt, ganz unterschiedlich zu unserer Welt. Und hinein zu kommunizieren und heraus zu kommunizieren ist jeweils ein bisschen schwierig. Und hättest du Beispiele, also kannst du das mal beschreiben?
Henri Reuchlin: In Zundert zum Beispiel, wir haben so eine Kette von Bierhändlern. Und ich hatte gefragt, okay, vom Positionieren, wie heißt das, Marketing: Willst du, dass deine Biere so eine Kette haben oder nicht? Und da hat man mir gesagt, die Kette kennen wir nicht, den Markt kennen wir nicht. Also, das ist das Größte in den Niederlanden. Da hat man gesagt, oh, lasst mich überlegen, und dann zwei Wochen später wusste man alles über die Kette mit Geschäftsziffer und alles, was man im Internet finden könnte, aber man war noch niemals in so einen Laden gewesen, so einem Geschäft, sondern es ist ziemlich schwierig zu verstehen, wie es wirklich geht. Weil die Mönche, die Trappisten, wie ihr wahrscheinlich wisst, die leben, wie heißt das, separat von der Welt. Sie suchen so wie Hermiten, dass die nach sich selbst suchen. Also jetzt in dieser Corona-Zeit sind wir alle ein bisschen Mensch, aber man geht nicht oft nach außen. Also wirklich wie es geht in einer Bar, das weiß man nicht. Und wenn man so einen Mönch in eine Bar mitnimmt, das Erste, was er sagt, ist, es gibt so viele Geräusche, das ist zu viel Lärm.
Holger: Ich meine, das ist ja an Orten, die sehr reduziert leben, also in jeglicher Beziehung.
Henri Reuchlin: Sie müssen arbeiten für ihr Geld, deshalb brauen sie Bier. Also, wenn wir in die Geschichte gehen, um 500 gab es einen St. Benedictus, und der hat gesagt, okay, wir werden so eine Klosterordnung gründen, und man muss nur arbeiten und beten, und schlafen natürlich. Ora et labora, arbeiten und beten. Und wenn man nur das macht, und arbeitet und verkauft, dass man arbeitet, man arbeitet immer aufs Land. Also bekommt man reich. Und die sind etwas weicher geworden und sind nicht so strikt geworden. Dann gab es etwa 500 Jahre später Bernardus, und der hat eine neue Stiftung, gesagt, wir müssen wieder zurück zu der alten Regel, nur ora et labora, nur beten und arbeiten. Aber die Arbeit ist wirklich wichtig. Und das war in Citeaux. Und die Mönche heißen die Zisterzienser. Wieder 500 Jahre später war wieder ein Abt, und der hat gesagt, wir sind wieder zu weit von den Grundregeln gekommen, wir werden wieder zurück zu ora und labora und wir sind jetzt Zisterzienser von de Stricte Observance. Diese Abtei war in einem französischen Städtchen, das heißt La Trappe. Und deshalb sind sie Trappisten geworden. Also das sind die striktesten von den striktesten Mönchen, arbeiten und beten. Aber alle Trappisten arbeiten auf dem Land. Die meisten mache Käse oder Milch. In Frankreich gibt’s verschiedene, die machen auch so Liköre, in Italien auch. Und wo man nicht so etwas machen konnte, hat man sich entschieden, Bier zu brauen. Das war zuerst in Belgien. Man hat so eine Abteilung für Gebäck oder Käse, aber auch von Bier, aber jede Trappistenabtei darf Bier brauen, wenn man das will. Aber wenn man autorisiert ist von dem Verein, dann muss man etwas Spezielles tun und das ist nicht zu viel machen, nur für das eigene Leben und nur die Mönche sind die Inhaber, und die arbeiten, oder zumindest die Inhaber, und das Geschäft ist auch innerhalb der Klostermauer. Alle Trappistenkloster, die machen etwas in Landwirtschaft, aber nur zwölf jetzt machen Bier. Andere machen Liköre oder Milch oder Käse oder Wein oder Gebäck oder was alles, Brot.
Holger: In Deutschland gibt’s, glaube ich, keine Trappisten mehr, ne?
Henri Reuchlin: Nein, Mariawald ist aufgehoben, ich glaube, vor einem Jahr. Zum Beispiel, die haben Erbsensuppe gemacht immer.
Markus: Gar nicht weit von Bamberg ist das Kloster Ebrach. Die sind eine große Zisterzienser Abtei und waren da sehr lange sehr wichtig.
Henri Reuchlin: Ja. Ich glaube, dort hat man den Riesling erfunden.
Markus: Genau. Zumindest wird gesagt, die Silvaner Trauben und andere typisch fränkische Weintrauben sind mit den Zisterziensern und Ebrach sehr verbunden. Apropos Wein und Trauben, wollen wir aufs Bier und auf die Flüssigkeit umsteigen? Wer mag denn mal anfangen mit seinem Bierchen?
Holger: Ja, der Gast natürlich.
Henri Reuchlin: Ach okay.
Markus: Das bist du.
Henri Reuchlin: Ja, das bin ich dann. Ich habe nämlich ein Bier mitgenommen, das ist zwar kein Bierchen und wir haben schon von einem gesprochen, weil das ist Zundert Trappist 10.
Markus: Mmh!
Henri Reuchlin: Vielleicht ein bisschen früh jetzt für das Bier, aber wenn man im Lockdown ist, ist es immer gut, gutes Bier zu trinken.
Markus: Das klingt doch schon mal gut.
Henri Reuchlin: Es klingt gut, es schmeckt noch besser. Und wenn ich die Kamera haben würde, würde ich schauen, das Bier ist eingepackt in Aluminiumfolie. Weil wir haben, unsere Bieredukation haben wir auf digital aufgesetzt, Blind Tasting, Blindverkostung, all die Leute, die unsere Ausbildung machen, mussten die Biere blind verkosten. Also alle Biere werden jetzt in Aluminiumfolie verpackt und dann erst abgeschickt, nummeriert, und dann sagen wir, okay, man muss mal Flasche 43 und 44 von diesem Mal aufmachen. Und deshalb kann man dann ein Bier versuchen, ohne dass man weiß, welches Bier das ist?
Markus: Das ist eine gute Lösung. Wir denken da auch gerade drüber nach, wie wir unsere Fortbildungen digitalisieren. Und das ist gerade so ein Thema, wie schafft man das, eine Blindverkostung zu machen. Gute Anregung. Nehme ich schon mal mit.
Henri Reuchlin: Das ist viel Logistik, um das gut zu machen. Und man muss wirklich sicher wissen, dass man die gute Nummer auf die gute Flasche klebt, weil sonst will einer ein IPA haben und die anderen ein Quadrupel, das ist ein bisschen schwer.
Markus: Dann gibt’s eine große Diskussion.
Henri Reuchlin: Ja.
Markus: Nummer 10 ist ein Dubbel, was du da jetzt hast?
Henri Reuchlin: Ist ein Quadrupel und es heißt 10, weil es hat 10 Vol% Alkohol. Und wenn ich rieche, dann habe ich etwas von Lakritz und Salmiak, und auch etwas von Pflaumen, ein bisschen Schokolade und ein bisschen grüner Pfeffer dazu.
Holger: Das hört sich sehr spannend an.
Henri Reuchlin: Auch geschmacklich, ist sehr vollmundig, aber auch ein bisschen süß natürlich, wie es sein soll mit einem Quadrupel. Er ist trocknend, man macht immer wieder einen neuen Schluck versuchen. Also es ist auch ein bisschen ein gefährliches Bier. Die schönste Blume wächst immer am Rande des Abgrunds, nicht?
Holger: Das stimmt. Das ist ein schöner Spruch.
Markus: Muss ich viel dran denken, wir sehen uns ja oft bei Bierwettbewerben, wo du ja auch oft in der Jury sitzt, und wir sind ja dann oft damit konfrontiert, dass wir 50, 60, 70 solche Biere an einem Tag bewerten müssen. Und da braucht man schon sehr viel Disziplin, auch wenn viele schöne Blumen dabei sind.
Henri Reuchlin: Ja, ja, genau, genau.
Markus: Holger, wie sieht‘s denn bei dir aus? Was hast du dir denn rausgesucht?
Holger: Es ist ja Mittagszeit und 10-prozentiges Bier habe ich mich nicht getraut. Ich habe das ja schon in anderen BierTalks gesagt, die Niederländer sind uns einfach in vielen Dingen voraus. Ich habe mich einfach für ein Mittagsbier entschieden, was man hier in München, denke ich, ganz normal trinkt, und zwar ein Helles. Aber diesmal ein von mir sehr geschätztes Helles, und zwar die „Erhellung“ von der Giesinger Brauerei. Und das ist ja auch eine wahnsinnige Story, die hinter der Giesinger Brauerei steht mit ihrem Inhaber Steffen Marx, der ja über zehn Jahre in einer Garage gebraut hat und dann endlich eine Location gefunden hat und dann beim Crowdfunding sehr erfolgreich war. Und ich traue ihm zu, sogar aufs Oktoberfest zu kommen. Und auch den Namen „Erhellung“ finde ich großartig und passt ja auch gerade in unsere Diskussion. Also wenn man jetzt über Mönche spricht und über Klöster und auch über die Religion, dann ist die Erhellung ja was ganz Wichtiges. Also Prost!
Markus: Prost!
Henri Reuchlin: Prost!
Markus: Dann muss ich mir meins jetzt auch mal einschenken, damit wir dann wieder reden können. Lustigerweise, ich wusste gar nicht, dass wir so viel über das Thema Kloster reden, aber ich habe mir tatsächlich auch ein Klosterbier rausgesucht, und zwar von der Klosterbrauerei Baumburg. Das ist sogar ein bisschen näher bei Holger als bei mir, nämlich eher im Süden von Bayern. Aber eine ganz, ganz sympathische Brauerei im Chiemgau, wo ich sehr gerne und sehr oft bin, die auch eine ganz große Bandbreite von verschiedenen Bockbieren haben. Und einen der Braumeister kenne ich auch ganz gut, den Andreas, und der hat mir neulich sein Märzen Spezial in die Hand gedrückt. Und das habe ich noch nicht probiert, steht ganz lange schon bei mir im Kühlschrank und jetzt mache ich es mal auf. So habe ich dann zumindest auch ein bisschen dieses Thema Kloster mit dabei. Aber eben auch für den Franken so, das Märzen geht ja grundsätzlich eher so in Richtung Kellerbier. Also ein schönes, von der Farbe her etwas dunkleres malzbetonteres, leicht trübes Bier mit einem ganz schönen, ausgewogenen Aroma, viele Malzaromen, ein bisschen Honig, ein bisschen Getreide, ein bisschen Brot. Und dann kommt so der Hopfen durch mit Zitrusaromen, ganz weiches Mundgefühl, samtig, und wunderbar im Abgang. Also es ist sehr schön, habe ich, glaube ich, auch ein gutes Bier. Ihr beiden natürlich auch. Da sieht man mal, wie Bierkultur auch zusammenbringen kann. Und da sind wir vielleicht bei einem anderen großen Thema von dir, Henri, nämlich dem Thema EBCU – The European Beer Consumers Union. Bis vor fünf, sechs Jahren wusste ich gar nicht, dass es sowas gibt und was das ist. Ich glaube, vielen Hörern geht’s auch so. Du bist ja da schon quasi ein Urgestein. Magst du ein bisschen was dazu erzählen? Auch vielleicht, wie du dazu gekommen bist und was sich so getan hat in deiner Zeit?
Henri Reuchlin: Ja. EBCU, das ist ein Verein von Vereinen, also Bierkonsumenten-Vereinen. In vielen europäischen Länder gibt es so einen Bierkonsumenten-Verein. Die ersten, die sind so etwas Mitte 70er Jahre und in den 80er Jahren hat der angefangen, der erste und der bekannteste ist CAMRA in England, in Großbritannien. Weil die Konsumenten haben sich bekämpft um den Verlust von der traditionellen Bierkultur, dass es nur Lager gibt und nur Pils. Und so etwas gab es zuerst in Großbritannien, dann hat man das auch in den Niederlanden, das heißt, PINT und in Belgien gehabt, und dann auch in Dänemark und quasi überall in Europa. Aber es war lange Zeit ein bisschen wie ein Donut, weil es gab ein großes Loch in der Mitte und das war Deutschland. Weil ihre Bierkultur ist etwas anders als in den meisten europäischen Ländern. Es gibt nicht oder es gab nicht von den großen Bierkonzernen, die wirklich die ganze Bierkultur wegrasiert haben, sondern sie haben noch viele von den kleinen Brauereien. Jetzt gibt’s auch von den Großbrauereien, aber es geht etwas langsamer vielleicht in Deutschland. Also es gab nicht so einen Bierkonsumentenverein in Deutschland, aber in den meisten europäischen Ländern schon, auch in Holland und Tschechien. Also das war, um der alten, der traditionellen Bierkultur zu helfen, unterstützen. Und jetzt natürlich mit der sich ändernden Bierkultur, die wir überall haben, sind die Konsumentenvereine auch wirklich Botschafter von der neuen Bierkultur bekommen. Ich bin, seit ich Student war, bin ich sehr begeistert von Bier und von der Vielfalt, und ich liebe auch gerne Reisen. Für mich ist Europa, und darum finde ich jetzt so eine schreckliche Zeit, die Biervielfalt in Europa und den Unterschied zwischen der Bierkultur zum Beispiel in Deutschland und in Belgien oder in Tschechien, das ist so schön, um das zu leben und zu besuchen. Wenn man mich gefragt hat, etwas zu tun, um der Bierkultur zu helfen, habe ich gesagt, natürlich, das mache ich gerne. Und ich habe sehr viele nette Leute kennengelernt, wie du Markus, und du bist auch angefangen mich zu einem Konsumentenverein in Deutschland.
Markus: Genau. Gibt es jetzt seit einem guten Jahr, die GBCU, also die German Beer Consumers Union. Kann ich vielleicht nachher noch ein bisschen was dazu sagen. Finde ich auch sehr wichtig, dass der Donut jetzt in der Mitte auch eine Füllung hat und das ist gut. Aber trotzdem, wie ging das dann bei dir in den Niederlanden voran und dann eben in der EBCU?
Henri Reuchlin: Ich war nur Mietglied und dann hat einer gesagt: Okay! Du liebst Bier, du sprichst verschiedene Sprachen, willst du nicht Delegierter für die Niederlande sein? Also will ich etwa vier Jahre Delegierter für die Niederlande sein. Die EBCU hat etwa 18 Mitgliederländer, und jedes Land hat zwei Delegierte. Also ich war einer der zwei Delegierten von den Niederlanden. Und dann nach eineinhalb Jahren hat man mir gesagt: Willst du nicht Vorsitzender werden? Dann habe ich gesagt: Natürlich, ich bin sehr geehrt. Und ich habe versucht, die EBCU ein bisschen so wie Bierliebhaber oft sind, die sind alle gemeinsam sehr froh miteinander, aber die gehen nicht nach außen, die sind nicht wirklich Botschafter, aber die trinken und genießen zusammen. Was gut ist. Aber wenn man wirklich die Bierkultur schützen will, muss man auch nach außen gehen, um zu erklären, was so schön ist an der Bierkultur. Ich habe gesagt, wenn ich gewählt werde zum Vorsitzenden, dann werde ich wirklich nach außen gehen und auch zu den Behörden auch zu den Politikern erklären, dass es ein wirklich schöner Schatz ist in Europa, was wir haben mit der Bierkultur, die Biervielfalt, dass wir also da nicht zu viel Akzise aufmachen sollten. Und dass wir den kleinen Brauereien helfen, sondern weil die sind wichtig für die lokale Ökonomie. Ich habe die EBCU so etwas geöffnet nach außen.
Markus: Holger, hast du davon schon mal was mitbekommen früher?
Holger: Nein, eigentlich nicht. Ich habe das erst durch dich mitbekommen. Das ist einfach eine Sache, die in Deutschland, denke ich, eher nicht gekannt wird oder ich habe mich nicht richtig informiert oder so, ich weiß nicht. Aber ich habe das erst durch dich mitbekommen. Ich finde das sehr schön, dass man das miteinander verbindet. Letzten Endes zeigen ja jetzt eigentlich alle unsere Aktivitäten, wie glücklich die Leute auch sind, einfach diese Biervielfalt auch mal kennen zu lernen. Gestern zum Beispiel, gestern Abend bei der Verkostung war das ja auch zu spüren und auch hinterher haben das ja viele im Feedback auch gesagt, dass sie sehr überrascht sind, was sie noch alles nicht gekannt haben. Und sie haben dann ja auch zugegeben, dass sie das freiwillig nicht gekauft hätten. Das ein bisschen mehr in den Fokus zu rücken, finde ich schön. Also, dass man einfach sagt: Mein Gott, wir sind ja eigentlich, man kann ja sagen, weltweit sind wir die Quelle aller Stile, oder? Also ich meine, da gibt es eben die britische Bierkultur, die belgische Bierkultur und unsere, wo dann natürlich die böhmische Bierkultur auch noch dazugehört und auch die österreichische und die schweizer Bierkultur natürlich auch. Aber das sind ja so diese drei Hauptkulturen, würde ich sagen, deutschsprachige Bierkultur, britische Bierkultur und belgische Bierkultur. Und daraus leitet sich ja alles ab. Und darauf immer wieder hinzuweisen, wie toll das ist, das finde ich wichtig auch.
Markus: Die Idee dahinter ist natürlich, also einerseits das zu schützen und auch die Leute aufzuklären und auch zu vernetzen, das ist natürlich auch ein wichtiger Punkt. Und der andere Punkt ist natürlich auch der, für den Konsumenten tätig zu sein, weil natürlich die Hersteller in gewisser Weise eine Lobby haben und der Staat sowieso eine Lobby hat, aber eben die, die das Bier dann konsumieren, oft nicht mit einer Stimme sprechen. Und ich glaube, das ist in Deutschland auch so das Thema, dass wir eigentlich keine einheitliche deutsche Bierkultur haben, weil Deutschland als Land ja verhältnismäßig jung ist, eigentlich ja erst seit 1871 so wirklich existiert. Und vorher gab’s ja diese ganzen unterschiedlichen Teilstaaten und jeder dieser Teilstaaten hat seine eigene Bierkultur. Das kann relativ großräumig sein wie in Bayern oder in Franken, aber auch sehr kleinteilig, wie zum Beispiel in Köln oder in Düsseldorf oder in Berlin oder in Hamburg. Und jeder versteht unter Bier und Bierkultur und seinem Bier und Lieblingsbier und so immer was völlig anderes. Und ich glaube, der wichtigste Punkt, den wir auch in der GBCU haben, genauso wie in der EBCU, ist einfach, diese Tellerränder ein bisschen zu überschreiten, die Leute auf zu machen und ihnen zu zeigen, was es noch so alles gibt. Und im Grunde alle in dieser Begeisterung für das Thema Bier zusammenzuführen und zu sagen: Okay, Bierkultur ist überall anders, aber überall schön und überall schützenswert. Und gerade in Europa kann man da das sehr schön zusammen leben. Also fand ich jetzt zum Beispiel, ich weiß nicht, ob der Henri das bestätigen kann, auch so schön, dass man eben zum Beispiel Leute aus Portugal, aus Spanien, aus Finnland, aus Italien, aus Griechenland hat, also überall, wo man jetzt vielleicht gar nicht so mit Bier assoziiert erst mal und merkt, okay, da gibt es überall diese Bewegung, diese Begeisterung. Und das ist total schön, mit diesen Leuten zusammen zu arbeiten.
Henri Reuchlin: Und es gibt so viele schöne Biere. Zum Beispiel in Finnland, das war nicht ein Land, wo ich zuerst gedacht hatte, es gibt schöne Biere. Aber es gibt eine Bierkultur, das Sahti, ein Braunbier, das eben nicht gekocht wird mit, Wacholder gewürzt und nicht immer mit Hopfen. Eine wunderbare Bierkultur. Und weil das Bier sich nicht sehr gut transportiert, ist das sehr lokal. Aber da gibt es National-Wettbewerbe und Meisterschaften. Und ich war da einmal und das war eine meiner besten Biererinnerungen. Weil das Bier ist wunderbar, sehr frisch und die Leute lieben das Bierbrauen und Biertrinken. Und dann in Finnland natürlich gibt’s nachher die Sauna. Das ist auch immer schön.
Markus: Das ist ein guter Zeitpunkt für das Stichwort Kopfkino. Ich kenne da ein schönes Foto von dir, wie du in irgendeiner Art Badewanne in einem See treibst nach einem Saunagang. Also das muss, glaube ich, ein tolles Erlebnis gewesen sein mit Sauna und Bier in Finnland, oder?
Henri Reuchlin: Ja, das ist großartig.
Markus: Holger, wie geht’s dir mit deinem Hellen?
Holger: Wunderbar. Mir geht es wunderbar mit meinen Hellen. Ich habe auch ein Erlebnis mal gehabt in Finnland in einer Sauna, da war ich auch mal, und da kam dann so ein Saunameister, so ein Bademeister rein und hat wirklich, also gefühlt 5 Liter oder noch mehr dann auf den Ofen geschüttet. Und das wurde dann so heiß und niemand ist raus. Und ich natürlich auch nicht, weil ich wollte natürlich nicht irgendwie als der Warmduscher oder in der Sauna unten sitzen, da sozusagen mich outen. Aber das war so wahnsinnig heiß. Dann habe ich gedacht, ich hab’s überstanden. Und dann kam der wieder rein und hat das nochmal gemacht. Also es war unerträglich. Aber die Finnen sind hart da im Nehmen und die können auch was vertragen, also Richtung Bier und so, holla, die Waldfee, sage ich euch.
Markus: Henri, was wären denn Tipps von dir, wenn wir in die Niederlande fahren und vielleicht mal drei, vier Tage Bier kennenlernen wollen? Welche Brauereien sollte man denn unbedingt besucht haben?
Henri Reuchlin: Ich glaube, man kann sich informieren, es gibt eine sehr interessante Seite. Das ist die Stiftung von der holländischer Bierkultur. Und die hat so ein Google Maps und Holland mit allen Brauereien da drauf. Das Interessante ist, wir haben natürlich auch etwas unterschiedliche Bierkulturen. Also im Süden ist es mehr belgisch geprägt, im Westen ist es etwas mehr amerikanisch geprägt, etwas hopfiger. Rotterdam und Amsterdam haben eine sehr interessante Bierkultur, aber auch im Süden und sogar im Norden, es gibt zu viele, um etwas wirklich herauszunehmen. Das ist nicht gut für die Leute, die ich dann nicht nenne.
Markus: Das geht mir auch immer so. Aber gibt es denn zum Beispiel einen Bierstil, wo du sagst, das ist in Holland oder in den Niederlanden wirklich was Besonderes? Und vielleicht auch ein Essen, was man dazu dann genießen kann?
Henri Reuchlin: Ich glaube, das Interessante an den Niederländern ist, weil wir hatten fast unsere Bierkultur verloren, es gab nur Pils, Pils und vielleicht ein holländisches Bockbier im Herbst. Also das interessante an den Niederländern jetzt für die Brauer ist die Experimentation. Dutch Design kennt man auch als lustig und kreativ, und das Dutch Design geht auch in den Geschmack her. Also ich glaube, da sind sehr viele Brauereien, die auf sehr interessante Weise neue Geschmäcke, neue Hopfen hineinbilden. Das mache ich sehr gern. Die Lust zum Experimentieren, das ist immer schön. Obwohl man dann oft manchmal vielleicht ein bisschen zu weit geht, und dann muss man wieder etwas zurück, dass man etwas trinkt, das auch zu genießen ist. Weil das ist doch das Wichtigste, dass das Bier zu genießen ist und dass man auch ein zweites Glas. Was bei den Niederländern wirklich das Bar Food ist, wir nennen den Bitterballen. Das ist so eine frittierte Krokette mit Kalbsfleisch, Ragout oder Rind. Man kann das auch mit Garnelen und jetzt mit roter Beete, ist das deutsch, oder nicht?
Markus: Mhm (bejahend). Ja.
Henri Reuchlin: Und das ist wunderbar mit Guacamole. Und zum Beispiel eine alte Kriek. Man hat so sehr viele von diesen Bitterballen auch mit Käse, sehr wichtig für Holländer natürlich. Und Käse und Bier ist eine wunderbare Kombination, weil die Käse ist Salz und ein bisschen fettig. Und das Bittere und aus der Kohlensäure von dem Bier, das nimmt dann wieder die Fettigkeit weg. Für mich ist Käse und Bier wie eine Heirat im Himmel, „Match made in heaven“.
Markus: Perfekt! Ich glaube, dazu müssen wir auch mal eine Spezialsendung irgendwann machen, dass wir uns mal nur dem Thema Käse und Bier widmen. Da können wir dich ja wieder anrufen.
Holger: Aber ich muss noch mal betonen, also Bitterballen kenne ich natürlich auch, wunderbar. Und wir hatten ja mit dem Uwe auch schon das Thema Frikandel-Spezial und so weiter. Also wir müssen diese Reise in die Niederlande machen, Markus. Wir müssen das machen, also unbedingt.
Markus: Wird gemacht, und von der werden wir auch berichten und wir werden dann auch den Henri besuchen und dann noch mal persönlich anstoßen. Ich bedanke mich ganz, ganz herzlich, dass du dir die Zeit genommen hast und dich ein bisschen mit uns unterhalten hast. Sehr spannend über die Klosterbrauereien und auch über die EBCU und deine Arbeit. Ich wünsch dir alles, alles Gute und dass du auch gut aus der Krise rauskommst und gut weitermachen kannst und dass wir uns bald persönlich wiedersehen können.
Henri Reuchlin: Ich hoffe, dass es bald wieder möglich ist, hin und her zu reisen und die europäische Bierkultur zu genießen.
Holger: Henri, auch von meiner Seite herzliches Dankeschön! Sehr interessant. Das war wirklich ganz toll. Tot ziens!
Henri Reuchlin: Tot ziens! Cheers!
Markus: Cheers!
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