Jacco den Hartog stammt aus gleich zwei großen und altehrwürdigen Brauerfamilien aus den Niederlanden – und ist dennoch der einzige seiner Generation, der dem Thema treu geblieben ist. Während seines Studiums in Berlin lernte er die dortige Bierszene und seine Freundin kennen und nahm das Wissen über die eine und die Hand der anderen mit zurück in die Niederlande, wo er erst für den Großkonzern AB InBev tätig war und dann mehr oder weniger aus einer Bierlaune heraus in die gerade erst gegründete Homeland Brewery im Herzen der Altstadt Amsterdams einstieg. Dort ist Jacco heute vor allem für das Marketing verantwortlich und reist als Botschafter der Brauerei durchs Land. Wir haben ihn vor Ort getroffen und dieses Treffen nun online in einer Podcast-Folge wiederholt…
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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal wieder ein Speziell, weil wir über die Grenzen gehen. Wir schauen in die Niederlande oder wie der gemeine Deutsche sagt, nach Holland und haben dort einen spannenden Gast von einer spannenden Brauerei aus einer spannenden Stadt, nämlich den Jacco. Und, Jacco, am besten stellst du dich kurz selber vor und dann reden wir ein bisschen weiter.
Jacco den Hartog: Wunderbar, schönen guten Tag, Jacco hier aus Amsterdam von Homeland Brauerei. Ich bin kommerziell verantwortlich für die Brauerei, auch Eigentümer der Brauerei und, ja, wir sind seit, ich würde sagen, so sechs Jahren hier unterwegs. Und ich selber komme auch aus einer Bierbraufamilie, bin damit aufgewachsen. Damals war es vor allem Pilsener, aber, ja, seit, ich würde sagen, ungefähr zehn Jahren auch echt so richtig im Craft, wo wie wir das hier nennen, eingerollt, ja, so.
Markus: Vielen Dank schon mal. Und wir haben uns getroffen vor ungefähr drei, vier Monaten, da war ich in Amsterdam mit einem guten Freund unterwegs, mit Theo und der hat mich zu euch geführt. Und das war ein sehr spannender Besuch in der Brauerei, werden wir gleich noch ein bisschen mehr drüber sprechen. Vielleicht vorneweg zwei Fragen, die sich die Hörer vielleicht stellen, erst mal, wie kommt es, dass du so gut Deutsch sprichst?
Jacco den Hartog: Ich habe in Berlin und in Münster gewohnt, in Berlin eineinhalb Jahre, in Münster ungefähr ein halbes Jahr. Und habe mir auch eine deutsche Freundin ausgesucht, was auch geholfen hat. Die wohnt hier mit mir in Amsterdam seit drei Jahren. Ja, es ist wohl eine witzige Geschichte auch, weil, ich habe halt mein Studium in Enschede gemacht. Und in Enschede, da gibt es eigentlich auch ziemlich viele Deutsche, ja, das hat mich irgendwie ein bisschen gestört manchmal. Es gab so viele Deutsche in Enschede, die da studiert haben, die waren da für sechs Jahre da und ich dachte mir immer, das ist doch total schade, dass sie hier in einem Ausland wohnen eigentlich, aber nichts mit der Sprache tun. Also die sind immer, ja, öfter mal Deutsche untereinander gewesen. Und dann dachte ich, wenn ich dann nach Berlin gehe, dann, ja, ich kann das nicht sagen und dann nicht selber auch Deutsch lernen. Habe dann einen Kurs gemacht in Berlin und habe dann meine Freundin kennengelernt. Und was witzig war, sie hat tatsächlich auch in Enschede studiert, ich habe sie damals nicht kennengelernt, sie hat Holländisch gelernt. Das aber war auch vor zwei Jahren für sie damals und dann haben wir gesagt, nach meinem Kurs: „Komm, wir tauschen mal die Sprache.“ Das heißt, ich habe nur Deutsch gesprochen und sie hat nur Holländisch gesprochen. Und dann hat man zwei Monate lang ungefähr kein richtiges Gespräch, weil, man korrigiert die ganze Zeit, aber, ja, nach zwei Monaten haben wir wohl beide eigentlich ziemlich fließend Deutsch und Holländisch gesprochen. Und, ja, seitdem, wir sprechen Zuhause eigentlich auch nur immer Deutsch. Sie arbeitet auf Holländisch, ich arbeite auf Holländisch, wir wohnen hier beide in Holland und um auch die Sprache noch ein bisschen, ja, zu üben, wird bei uns eigentlich Zuhause, ja, ich würde sagen, 80 Prozent Deutsch gesprochen.
Markus: Ja, das ist ja wirklich spannend zu hören und kann ich ja irgendwie nachvollziehen, dass man so nach zwei Monaten dann doch endlich mal ins Gespräch kommt.
Jacco den Hartog: Ja, ja, auch mal geil, ne.
Markus: Absolut. Vielleicht noch eine Frage, wie kommst du denn überhaupt zum Thema Bier? War das schon ein Wunsch, als du ein kleiner Junge warst oder wann hat sich das bei dir so entwickelt?
Jacco den Hartog: Ich bin damit aufgewachsen tatsächlich. Also mein Opa hat zusammen mit seinen zwei Brüdern eine Bierbrauerei in Limburg, das ist ein Bundesland, Südholland. Das heißt, ja, auf Holländisch gibt es eine Aussprache, das heißt eigentlich, mit der Flasche, war schon immer in meiner Umgebung irgendwie. Und mein Opa hat damals der Brauerei, die heißt Maes, der ist damals zusammengegangen mit Christoph, was eine Pilsner-Brauerei aus Belgien ist, der auch zu meiner Familie gehört, die sind damals zusammengegangen. Und die sind dann später wieder zusammengegangen mit Maes Pilsner, was auch belgisch ist. Und das gibt es noch immer, das ist im Portfolio von Heineken mittlerweile. Es gab eine andere Seite von meiner Familie, gab es die Familie Schnieder und die gehören Domus. Und Domus ist auch eine holländische Biermarke, ich weiß nicht, ob es die noch gibt. In Deutschland, ich glaube nicht, ich habe es niemals gesehen eigentlich. Aber das heißt, Bier war eigentlich schon immer in meiner Umgebung. Und als ich damals meinen zweiten Master fertiggemacht hab in Berlin, wenn man sich Unternehmen aussucht, wo man arbeiten kann und schon immer Bier in seiner Umgebung hatte, ja, dann sucht man auch ein bisschen in die Richtung. Und das heißt, ich habe mich damals beworben bei Heineken und bei AB InBev. Ja, AB InBev kennen die Meisten natürlich auch, wurde in Deutschland groß für Franziskaner und Becks und so. Und ich wollte gern lernen in einem Großunternehmen, um dann irgendwann, ja, runterzugehen in ein kleineres Unternehmen. Und habe damals dann, ja, angefangen mit einem Sales Marketing Traineechip bei AB InBev. Das habe ich eineinhalb Jahre gemacht und dann danach ein Jahr im Marketing, war ich noch unterwegs. Und, ja, dann gab es hier die Chance, auch witziger Weise über Familie, bei dem, muss ich sagen, Cousin von meiner Mutter, also der Sohn von dem Bruder von meinem Opa, der war hier Direktor von dieser Brauerei geworden. Das war damals echt noch eine kleine Brauerei, wir hatten vier Tanks oder so und ein 1.000 Liter Brauhaus. Und die haben miteinander gesprochen. Und er war grade rübergekommen zu dieser Brauerei, er war normalerweise in der Festivalwelt unterwegs und hatte nicht so viel Ahnung. Und dann habe ich einfach ein paar Mal mit ihm Bier getrunken, um ihm ein bisschen zu helfen, wie macht man den kommerziellen Teil von einer Brauerei, weil, da lag nicht seine Erfahrung. Und dann hat er noch ein paar Mal irgendwie gesagt so: „Ja, okay, aber vielleicht musst du das dann mal machen.“ Und, ja, bin ich rübergekommen und habe ich hier vor drei Jahren angefangen, ein kleines Teil der Brauerei gekriegt auch und seitdem hier unterwegs. Und was auch witzig ist daran, mein Opa war halt kommerziell verantwortlich für die Maes Brauerei damals, und das ist dann verkauft worden. Und meine Mutter kommt aus einer Familie von acht Kindern, die fanden das alle total schade. Jetzt sind meine Onkel und Tante, die sind alle mega stolz, es gibt wieder jemand innerhalb der Familie, der wieder in der Bierwelt beschäftigt ist und tatsächlich auch in die gleiche Rolle als mein Opa damals.
Markus: Ja, das kann ich mir vorstellen. Und dann kannst du ja auf den Familienfesten immer stolz ein eigenes Bier präsentieren, das ist für dich eine schöne Geschichte.
Jacco den Hartog: So ist es.
Markus: Und vielleicht noch ganz kurz für die Hörer, die Homeland Brewery, wo die jetzt bist, du hast gesagt, du bist da dazu gekommen, als es die schon gab. Kannst du vielleicht noch zwei, drei Sätze zur Brauerei erzählen, wie die gegründet worden ist, wo vielleicht der Name herkommt und wo ihr jetzt so steht?
Jacco den Hartog: Ja, sicher. Ja, der Name Homeland, auf Deutsch sagt man Heimathafen. Und der Grund ist, die Brauerei ist auf dem alten Marinegelände im Zentrum Amsterdam. Vorher war das Gelände total abgeschlossen, aber jetzt ist es teilweise offen und sind da ein paar Unternehmen drauf. Und wir sind hier auf dem alten Marinegelände und sind auch direkt an dem alten Handelshafen von Amsterdam. Das heißt, es gibt hier eine große und lange, ja, maritime Geschichte und da kommt auch der Name der Brauerei eigentlich her. Der Name und das Design von all unseren Bieren ist auch alles maritim. Es gibt so eine lange maritime Geschichte und die möchten wir halt weitererzählen, aber dann in Bierform, so muss ich es ein bisschen sagen. Ist vor sechs Jahren gegründet worden, damals eigentlich sehr klein, hinter der Küche von unserer Kneipe, was direkt auch ein Restaurant und Hotel ist. Und da ist es in 2016 gegründet worden, erst mal eigentlich nur, um da für unseren eigenen Verbrauch ein bisschen Bier zu brauen. War auch am Anfang mehr hobbymäßig als das es echt richtig, ja, ein Business war. Ja, das Witzige ist, dass die zwei Gründer damals, die sind halt beide auch ziemlich viel in der Gastronomie und in der Festivalwelt unterwegs, sind erfolgreiche Unternehmen und haben ein riesen Netzwerk. Und davon sind halt viele vorbeigekommen, fanden das eigentlich alles sehr cool und dann haben sie sich überlegt, okay, vielleicht müssen wir dann auch tatsächlich mal eine richtige Brauerei als separates Unternehmen daraus aufbauen. So ging es los eigentlich. Haben wir vor drei Jahren nur eine Brauerei gekauft, die ungefähr zehnmal so groß war als die alte und sind wir auch umgezogen. Also wir sind, ja, hinter der Küche war nicht genug Platz mehr, also wir sind jetzt im Hangar, ungefähr 100 Meter entfernt, noch immer im Zentrum Amsterdam. Ja, einer der schönsten Orte, würde ich sagen, im Zentrum, man kann schwimmen, schönen Ausblick, natürlich. Ja und die Brauerei ist eigentlich immer gegründet worden auf zwei, das sind halt zwei wichtige Sachen für uns, der eine ist Qualität und der andere ist Nachhaltigkeit. Von den zwei Sachen aus machen wir eigentlich fast jede Entscheidung, die wir hier machen. Und da kann ich auch ein paar Beispiele dazu erzählen. Also qualitätsmäßig, ja, wir kennen einander natürlich eigentlich, weil, letztes Jahr sind wir bei der Dutch Beer Challenge, das ist ein hollandbreiter Wettbewerb, wenn es geht um Bier. Ich sage auswendig, 540 verschiedene Biere, 110 Brauereien und 27 Kategorien oder so. Und das war eigentlich das erste Mal, dass wir richtig mitgemacht haben und haben wir auch direkt als einzige Brauerei vier Preise gewonnen, zweimal Gold, zweimal Silber. Ja, das sagt natürlich was über unsere Qualität. Und, ja, über Nachhaltigkeit, da machen wir so viel mit, da kann ich auch mega viel darüber erzählen. Ich weiß nicht, ob das wichtig ist, aber
Markus: Auf jeden Fall, also da können wir gleich noch drüber sprechen. Ich finde, also Nachhaltigkeit ist einer der beiden großen Trends, glaube ich, was das Bierbrauen in der Zukunft so angeht, weil es einfach ein wichtiger Punkt ist, grade für die junge Käuferschicht oder die jetzt eben jetzt noch jung ist, sagen wir mal so, die aber später die wichtigen Kaufentscheidungen trifft. Die wollen schon wissen, wie nachhaltig ist das Bier, inwieweit kümmert sich die Brauerei auch um das Thema eben Umwelt, Klimawandel. Und da ist es wirklich wichtig, dass man Antworten hat. Vielleicht da kurz, bevor wir da drauf eingehen, noch kurz für die Hörer nochmal die Schilderung, wo sind wir überhaupt, um sich das nochmal vorzustellen. Also Amsterdam, wunderschöne Stadt mit den Grachten, das kennt man ja. Und dann gibt es das Schifffahrtsmuseum, also da kann man überhaupt empfehlen, wer mal nach Amsterdam kommt, da natürlich auf jeden Fall hinschauen. Und da nebendran war, glaube ich, früher so eine Art Akademie oder Kaserne, irgendwie was Militärisches, glaube ich. Und wenn man da so durchgeht, dann gibt es dort eben die Pension Homeland, also praktisch eine Art Hotel und ein ehemaliges Offizierscasino, würde ich mal sagen oder ein Kapitäns-Pub, wie auch immer man das bezeichnet und da gibt es eben auch eure Biere mit einer wunderbaren Aussicht. Da liegt auch ein altes VOC-Schiff von der ostindischen Kompanie, ein Segelschiff, was man anschauen kann. Es gibt eben ein Schwimmbad, also wirklich toll auch vom Ambiente, vom ganzen drum rum. Und auch in dieser Pension, in dem kleinen Restaurant, das ist wirklich eine ganz tolle Atmosphäre, da das Bier zu genießen, weil man wirklich so ein bisschen eine Zeitreise auch hat, das ist so wie in die 80er, 90er vielleicht zurück. Und am Eingang habe ich auch so ein kleines Holzfass gesehen. Da war, glaube ich, noch Bier drin, oder, macht ihr das?
Jacco den Hartog: Ja, stimmt, wir haben verschiedene, wie sagt man, fassgelagert, sagt man auf Deutsch, ne?
Markus: Genau, ja.
Jacco den Hartog: Barrel-Aged-Projekte, wir machen verschiedene dunkle Biere, wovon wir, ja, jedes Jahr, ich würde sagen, so zwischen drei und fünf halt rausbringen. Und wir machen dieses Jahr für das erste Mal auch zwei verschiedene Projekte mit Ved-Fermentierung, bretted, mit Bred. Das ist eine, die du gesehen in Pension, weil das Bred, die Hefe, die ist tatsächlich, also die ist sehr lecker aber auch gefährlich, wenn man die in seine normale Brauerei kriegt, für andere Biere und so. Und deswegen liegen die Fässer in Pension.
Markus: Ja, sind sozusagen im Hotel, ist ja auch nicht schlecht. Genau, jetzt haben wir die ganze Zeit über euer Bier gesprochen beziehungsweise werden wir jetzt auch gleich noch tun. Und die haben ja auch ganz tolle Namen, wie du schon gesagt hast, alles hat das was mit Seefahrt, mit der maritimen Geschichte zu tun. Und, ja, vielleicht hast du auch ein Bier, was du mit uns verkosten möchtest, wo du uns vielleicht ein bisschen erzählen willst, wie es ausschaut, wie es schmeckt und wie es heißt?
Jacco den Hartog: Habe ich auf jeden Fall. Immer schwierig, wenn es um sein eigenes Portfolio geht, aber, ja, ich habe doch mal meinen Liebling mitgenommen, der heißt Lorre. Ist ein Hinweis, ich weiß nicht, ob das auf Deutsch auch so ist, aber auf Holländisch sagt man, Lorre ist halt der Papagei. Sagt man das so?
Markus: Ja, das sagt man, ist ein beliebter Name für Papageien, ja.
Jacco den Hartog: Ja, Papagei, ja, genau und der heißt immer in den Comics und so, heißt der immer Lorre und deswegen haben wir den so genannt. Und das ist Bier ist ein sweet and sour. Ja, es ist eigentlich witzig, wie man von fast nur Pils trinken ins Craftbeer geht. Und dann, ja, so wie man Rotwein trinken lernen muss, war das für mich sauer, ich fand das am Anfang echt gar nichts. Aber ich bin mittlerweile echt total verliebt in saure Biere. Und unser Sweet and Sour ist halt ein Ghetto Sour. Sehr sauer auch, 3.1 pH und dann ins Gleichgewicht gebracht mit mega viel Mango und Passionsfruit, Passionsfrucht.
Markus: Ja, Passionsfrucht.
Jacco den Hartog: Passionsfrucht, genau. Und, ja, das ist, ja, es ist so ein kräftiges Bier, irgendwie nur fünf Prozent, aber vom Geschmack her, die Balance zwischen sauer und fruchtig, ja, ist für mich echt total super, vor allem, wenn die Sonne ein bisschen scheint. Und obwohl es jetzt Winter, ist es noch eigentlich immer mein Lieblingsbier. Wenn ich mal ein Bier aufmache hier auf der Brauerei, dann ist es eigentlich fast immer der, halt meine Leibe eigentlich.
Markus: Dann sage ich mal, prost, wunderbar.
Jacco den Hartog: Ja, prost.
Markus: Gut, dann mache ich mal auch eins auf. So und ich muss ja zugeben, ich habe von euch natürlich Biere mitgenommen, aber ich habe sie tatsächlich in der Zwischenzeit alle schon ausgetrunken, ich konnte da nicht an mich halten. Aber ich habe grade mal in meinem Keller geschaut und ich habe noch ein anderes Bier aus den Niederlanden gefunden und zwar einen Herbstbock von der Brauerei De Leckerei, die ja auch nicht weit von euch ist, und ich gieße das hier mal kurz in Glas ein. Und das finde ich auch ganz spannend, weil wir hier eben so ein klassisches Bier haben, also einen Herbstbock. Du hast dir jetzt ein, ja, modernes Bier ist fast schon der falsche Ausdruck, halt einfach ein mutiges Bier, ein spannendes Bier, was mit den Aromen mehr spielt, ausgesucht. Bei mir ist es jetzt so, ich habe auch eine sehr schöne Farbe im Glas, ein sehr schönes Braun mit so einem leichten Rotschimmer. Und es riecht sehr, sehr malzig, sehr süß und auch im Mund haben wir viel malzige und brotige Aromen, also erinnert tatsächlich an ein klassisches Bockbier. Und da kann man vielleicht auch noch für die Hörer sagen, dass es in den Niederlanden ja eine eigene Bockbiertradition gibt, die tatsächlich so ein bisschen auf der deutschen Bockbiertradition fußt, aber so ein bisschen auch vom Marketing der großen Brauereien übernommen worden ist. Und dort startet die Bockbiersaison viel früher als bei uns, also schon im September. Und es sind natürlich alles obergärige Bockbiere, aber gibt es durchaus auch sehr spannende Kandidaten. Und da sind wir vielleicht auch noch bei einem Punkt, wie ist es denn bei euch, also einerseits, wo sortiert ihr euch ein mit euren Bieren? Und wie ist das überhaupt in den Niederlanden, wir denken ja immer, okay, da gibt es eigentlich nur Heineken Pils, aber es ist ja gar nicht so, da gibt es ja ganz viele spannende Biere und Brauereien, also wie müssen wir uns die Bierwelt in den Niederlanden vorstellen?
Jacco den Hartog: Ja, es ist schon längst nicht nur Heineken mehr eigentlich, es ist ein weit entwickelte Bierwelt mittlerweile hier in Holland. Wenn ich es richtig sage, haben wir mittlerweile auch, ich glaube, über 1.000, 1.100 registrierte Brauereien mittlerweile. Das sind sogar, ich glaube, mehr als in Belgien, was natürlich eine lange Biergeschichte hat. Es gibt hier eigentlich, naja, alles, würde ich nicht so richtig sagen, na, schon eigentlich, es gibt fast in jeder Richtung. Bevor es echt losging, gab es eigentlich nur Pils und dann gab es halt die belgischen traditionellen Biere vor allem, ne, so die Trappisten und so. Aber mittlerweile, also wenn ich auch schaue, was wir halt im Portfolio haben, wir haben Session, wir haben IPA, wir haben Doppel-IPA, wir haben New England IPA, wir haben sour, wir haben verschiedene Barrel-Aged-Projekte, es gibt ein Weißbier, es gibt ein Blondbier. Ich würde sagen, in Holland, es ist ein bisschen so, wie es in der USA sich entwickelt hat. Also die USA ist ein bisschen, also weit voraus, würde ich sagen und man sieht, dass es in Europa langsam auch ein bisschen in die Richtung geht. Aber es gibt mittlerweile so eine Menge an Optionen, so breit, was natürlich auch total spannend ist, ne, weil, die Welt entwickelt sich halt so und was halt total cool ist. Man kann so viele neue Sachen immer mal probieren, es gibt so viele unterschiedliche Sorten Biere, unterschiedliche Brauereien mittlerweile auch, die alle mit ihrer eigenen Idee sozusagen rangehen. Und für uns ist die Richtung eigentlich ein bisschen, wir haben halt zwei Richtungen, wir haben jedes Jahr, haben wir eine Menge an Specials. Das sind halt sehr experimentelle Biere. Dieses Jahr zum Beispiel haben wir auch eine Innovation, wir machen ein Old Ill. Also das ist nur mit Hafer gemacht und das können wir machen, weil wir einen Myra-Filter haben. Kann ich später auch noch was drüber erklären, sehr interessant. Aber das ist etwas, was es noch überhaupt nicht so richtig gibt auf dem Markt. An der anderen Seite habe wir unser festes Portfolio und das sind halt ein bisschen, ich würde fast sagen, in Holland traditionelle Stile, aber dann wohl mit unserer eigenen Idee dahinter. Die sind alle ziemlich ausgesprochen, würde ich sagen, aber was auch gut daran ist, dass sie wohl leicht zu trinken sind, also einfach zu trinken sind. Es sind nicht überkomplizierte Biere, dafür haben wir halt unseren Special-Faim. Und das ist halt, was die meisten Leute an Homeland auch mögen, es ist echt Qualität, gutes Bier und man kann es auch gut und einfach trinken. Ob es ein Zeebonk ist, der New England IPA von 7.1 Prozent ist oder unseren Ketelbinkie, was halt ein Session ist. Ja, alle sind halt sehr geschmackvoll und sehr angenehm zu trinken und nicht extrem ausgesprochen sozusagen.
Markus: Ja, also grade bei den Namen haben wir grade schon gehört, ist das sehr, sehr spannend. Und ich kann auch nur bestätigen aus meiner eigenen Erfahrung, als ich bei euch in dem Pub war oder in dem Kapitänscasino oder wie auch immer man das bezeichnet, da gibt es ja auch die Möglichkeit, so einen Sampler zu haben, wo man dann drei, vier, fünf verschiedene Biere auch probieren kann in kleinen Mengen. Und ich fand sie alle sehr, sehr gut und auch eben sehr schön leicht trinkbar, viele hatten einfach einen besonderen Twist, eine besondere Idee. Und mein Favorit war tatsächlich das Session IPA, weil das unglaublich fruchtig war, unglaublich voll, toller Körper, man hat gar nicht gemerkt, dass das weniger Alkohol hat. Und sehr, sehr einfach spannend von der Aromatik her, das hat mir sehr, sehr gut gefallen. Also, Kompliment.
Jacco den Hartog: Ja, danke. Wir können halt mehr mit unserem Malzrezept spielen. Und das Ketelbinkie ist ein gutes Beispiel davon, der ist nämlich mit 70 Prozent Hafer und Weizen gebraut und das gibt denen auch so ein aromisches, so einen vollen Geschmack. Und das ist halt, ja, total, ich liebe das auch, so nach Lorre ist Ketelbinkie tatsächlich mein Liebling.
Markus: Hah, dann haben wir doch was gemeinsam. Ja, wo wir grade schon drüber gesprochen haben, also es geht um einen Maischefilter. Das ist was, was man bei uns in Deutschland relativ selten, zumindest bei den kleinen Brauereien sieht. Und man muss sich das so vorstellen, dass eben statt einem Läuterbottich praktisch die gesamte Flüssigkeit durch ein Filtersystem durchgepumpt wird, wodurch man eben zum Beispiel, wenn man mit sehr hohen Stammwürzen, mit viel Getreide arbeitet, wo ein Läuterbottich zum Beispiel verstopfen kann, wo es schwierig wird überhaupt am Ende den Prozess am Laufen zu halten, da kann man mit einem Maischefilter sehr viel besser arbeiten. Und ist halt ein ganz anderes System, aber eben ein sehr, sehr effizientes und bei uns, wie gesagt, kennt man das eher von Großbrauereien. Also zum Beispiel Berliner Kindl hat da einen mit am Start, aber eben in großer Dimension. Hatte ihr das von Anfang an schon immer oder habt ihr da irgendwann die Idee gehabt, wir kaufen sowas?
Jacco den Hartog: Ich habe grade schon erzählt, dass wir ja umgezogen sind vor drei Jahren ungefähr und dann haben wir halt eine neue Brauerei gekauft. Und den haben wir direkt dazugekauft, weil wieder von Qualität und Nachhaltigkeit, von dem Gedanken aus, ist es halt eine super Lösung. Der Vorteil ist halt, man muss nicht unbedingt mit 50 Prozent mit Gerste brauen, Ketelbinkie, wir haben grade darüber gesprochen, ein gutes Beispiel. Und es ist auch nochmal viel nachhaltiger, weil, man braucht auch tatsächlich 20 Prozent weniger Malz, um das gleiche Zuckerniveau, sagt man Plato auch in Deutschland bei Bier?
Markus: Ja, Stammwürze oder Plato.
Jacco den Hartog: Um das zu kriegen. Und man verbraucht auch weniger Wasser, man kriegt halt 15 bis 20 Prozent mehr Bier im Endeffekt raus. Und für uns war das, als wir die Möglichkeit hatten, dachten wir halt, das passt halt total zu unserer Idee und ist auch für uns ein Gutes, wir können das halt super benutzen. Weil, es gibt halt sehr viel Konkurrenz hier in Holland natürlich und das bringt uns die Möglichkeit, um auch mehr zu experimentieren als andere Brauereien und das bringt uns natürlich einen Vorteil.
Markus: Ja, wo wir grade schon drüber gesprochen haben, Nachhaltigkeit, wollten wir ja nochmal ein bisschen tiefer einsteigen. Ist das vielleicht auch grade in Amsterdam oder in den Niederlanden ein größeres Thema, weil ihr ja durch einen möglichen Anstieg des Meeresspiegels zum Beispiel, viel direkter betroffen seid als zum Beispiel wir hier in Bamberg, wo man ein bisschen höher liegt? Ist das so, also gibt es da ein höheres Bewusstsein oder wie kommt es zu diesem Trend Nachhaltigkeit bei euch?
Jacco den Hartog: Ja, ich würde sagen, es ist in Amsterdam auf jeden Fall, ja, echt ein Thema, ich würde auch sagen, Holland-breit eigentlich auch voll und, ja, so langsam auch wohl weltweit. Und, ja, für uns ist es einfach eine wichtige Sache, um das auch mitzunehmen in unsere Entscheidungen. In Amsterdam wird da wohl vielleicht mehr danach gefragt als in Groningen zum Beispiel. Aber auch da sieht man wohl, dass es echt, ja, echt eine wichtige Sache ist, ne. Wir kriegen halt öfter mal E-Mails oder wir werden angerufen von Leuten, die halt zu uns gekommen sind, weil die es wichtig finden, wenn sie mit Lieferanten zusammenarbeiten. Und das sind da nicht nur Kunden aus Amsterdam, aber aus ganz Holland, die es einfach wichtig finden, dass ihre Partner auch einen nachhaltigen Blick haben, was sie machen. Und ich weiß nicht genau, wie das in Deutschland, kann ich dir nicht so richtig sagen, wie wichtig das ist. Aber es sind halt so ein paar Sachen, die uns halt, es bringt uns auch was, das zu machen, aber, ja, vor allem finden wir es wichtig, dass, ja, wir halt leckeres Bier machen, aber dann mit so wenig Impact wie möglich sozusagen.
Markus: Genau, also quasi mit einem guten Gewissen, könnte man sagen.
Jacco den Hartog: Ja.
Markus: Es ist ja bei uns in Deutschland, ist es so, ich glaube, es sind so zwei Motivationen. Das eine ist tatsächlich, ähnlich wie bei euch, auch einfach das Thema Verantwortung, Zukunft, Umwelt. Also da auch versuchen, seinen Fußabdruck zu klein wie möglich zu halten und eben auch zu versuchen, also einen Teil dazu beizutragen, dass man insgesamt von diesen hohen Emissionen runterkommt. Und das andere ist allerdings auch schon das Thema Preis. Also weil man einfach merkt, wenn man deutlich weniger Wasser verbraucht, deutlich weniger Energie, weniger Rohstoffe, weniger in der Lieferung zum Beispiel hat und so weiter, regionaler ist mit seinen Rohstoffen, dann spart man am Ende des Tages mittlerweile auch wirklich Geld. Und das sind, glaube ich, beides Motivationen, die gleichzeitig dazu beitragen, dass auch bei uns vor allem so kleine und mittelgroße Brauereien immer mehr das Thema für sich entdecken. Und da eben auch in innovative Technik investieren, was weiß ich, ihren Fuhrpark umstellen, ihr Gebinde verändern, bis hin zu eben Hackschnitzelheizungen, Wasserschichtenspeicher und so weiter. Da gibt es viele technische Möglichkeiten, um eben energetisch und um überhaupt da irgendwie CO²-reduzierend zu arbeiten. Es ist ja auch ein großes Thema und wenn man an die zukünftigen Generationen denkt, auch ein sehr wichtiges. Und man will ja trotzdem weiterhin gutes Bier trinken, das hat ja auch was damit zu tun, denke ich mal. Wie schätzt du überhaupt so den Biermarkt bei euch ein, sind die Leute offen für eure Biere oder müsst ihr oft noch überzeugen, wie läuft das?
Jacco den Hartog: Das kommt ein bisschen drauf an, wo man auch hingeht. Ich würde sagen, die Spezialbierwelt, die entwickelt sich echt schnell in Holland und die Leute finden es auch echt spannend und sind auch interessiert und möchten auch neue Sachen probieren. Man merkt wohl, dass es wohl einen Unterschied gibt zwischen, ich würde sagen, Amsterdam, Utrecht, Rotterdam, so die Region, da sind die Leute halt total interessiert. Man merkt wohl, wenn man Richtung Süden geht zum Beispiel oder Richtung Norden, dass Leute da ein bisschen traditioneller sein können. Aber auch da merkt man halt, ich finde, immer ein gutes Beispiel, wenn man im Albert Heijn, ne, das ist ein holländischer Supermarkt, der größte in Holland, wenn man da vor einem Bierregal steht und das vergleicht zu, lass uns sagen, vor fünf Jahren oder so, vor fünf Jahren, wenn da acht Meter Bier war, dann waren die sechs Meter Pils und dann zwei, drei Meter mit Leffe. Und jetzt steht man vor den Regalen, der Pils ist vielleicht vier Meter und der Rest ist einfach alles Spezialbier. Und das zeigt eigentlich, wie interessiert Holländer sind in Spezialbieren. Ich glaube auch echt, das es zu tun hat mit den, ja, wir sagen, Gesundheitstrend halt. Leute, die sind sich bewusst auch von Alkohol und die trinken das noch wohl gerne, aber wenn sie dann was trinken, dann möchten sie auch echt was haben zum genießen sozusagen. Und da sieht man halt, das in Holland, aber auch in ganz Europa, die ganze Menge, ganzes Volumen, alles zusammengeschmissen sozusagen, wird halt kleiner, aber innerhalb dieses Volumen wächst halt Spezialbier echt krass schnell. Und Alkoholfrei in Holland auch und das ist halt, weil die Leute, ja, der Markt ist bereit dafür. Die Leute, die Konsumenten sind interessiert, um neue Sachen zu probieren. Also von daher, würde ich sagen, dass der Markt eigentlich sehr gut ist, auch für uns. Man kriegt auch direkt auch viel Konkurrenz, weil, der Markt ist halt gut und wir sind halt nicht die Einzigen, es gibt halt nochmal 1.000 andere Leute, die das Gleiche versuchen wie wir. Und in Amsterdam ist das eigentlich am krassesten, weil, in Amsterdam selbst gibt es schon 24 registrierte Brauereien. Wir können uns nicht beschweren, es geht echt gut.
Markus: Das freut mich ja für euch. Und du hast grade noch einen zweiten Trend erwähnt, der bei uns auch tatsächlich immer wichtiger und immer größer wird, das ist das Thema alkoholfrei. Und wenn ich da bei euch auf die Seite schaue, dann finde ich zwar eine Rubrik alkoholfrei, aber da finde ich momentan nur T-Shirts. Plant ihr auch alkoholfreie Biere oder habt ihr schon welche im Sortiment?
Jacco den Hartog: Ja, im Moment haben wir kein alkoholfreies, wir kriegen wohl eines. Eines der interessantesten Sachen von meinen Job ist halt, ich komme halt von Großunternehmen aus, ja, wir waren damals zum Beispiel auch schon lange beschäftigt mit 0,0 und wichtiger Markt, wächst halt. Und als ich nach Homeland kam, ja, ich arbeite hier mit zwei Brauern zusammen und die haben halt Passion für, was sie machen und so. Und, ja, am Anfang war das so eine schwierige Geschichte, weil die sagen halt: „Ja, es ist kein Bier.“ Da ist kein Alkohol drin, das ist nicht fermentiert, dann ist es kein Bier. Man fragt auch nicht einen Barista um einen Decaf zu machen, das passt irgendwie nicht. Und, ja, man merkt halt voll, es gibt da eine gesunde Spannung sozusagen. Aber, ja, dieses Jahr kommt da wohl eines. Weil, wir sehen auch in Holland, dass der Markt, ja, Leute, die haben trotzdem Bock auf diesen Genießmoment, aber möchten nicht immer Alkohol dazu haben. Und, ja, dafür ist halt alkoholfreies Bier eine super Option. Es ist natürlich wohl für eine kleinere Brauerei echt schwierig, um ein gutes alkoholfreies Bier zu machen. Weil, ein Großteil des Geschmacks kann auch von Hefe kommen. Und von daher sind wir eigentlich schon ein Jahr unterwegs, verschiedene Experimente zu machen, wie wir dann tatsächlich auch eins machen können, wovon wir selber auch echt sagen: „Das gehört zu uns, zu unserer Identität und das bringen wir auf den Markt.“
Markus: Ja, da bin ich auch schon sehr gespannt. Und man kann ja auch sagen, ein erster Anfang ist ja schon euer Session IPA, das hat ja nur dreieinhalb Prozent, da kann man auf jeden Fall auch schon mal leichter trinken und einsteigen. Ja, dann bedanke ich mich bei dir ganz herzlich für diese kleine Reise. Wir werden natürlich in den Shownotes sowohl auf die Brauerei verlinken als auch auf den Shop. Kann man eure Biere eigentlich kaufen aus Deutschland, wenn man im Shop einkauft, liefert ihr?
Jacco den Hartog: Ja, liefern wir. Also wir nicht selbst natürlich, aber, ja, schicken wir, kein Problem.
Markus: Ja, wunderbar. Also dann werden wir das ordentlich verlinken. Und, ja, dann vielen, vielen Dank für diesen kleinen Einblick. Die heute noch einen ganz schönen spannenden Tag in Amsterdam und hoffentlich bald einen Ausstieg aus eurem Lockdown, dass ihr auch wieder euer Bier ausschenken könnt.
Jacco den Hartog: Danke, dass ich da sein möchte und es war echt wunderbar. Schönen Tag gewünscht dann allen und danke schön.
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