Martin Seidl ist ein echtes Bierurgestein unseres Nachbarlandes Österreich. Als Self-Made-Brauer hat er es bis zum Verantwortlichen erst der Tölzer Mühlfeldbräu und dann vom Brauhaus Haselbach in seiner Heimatstadt Braunau gebracht. Außerdem engagierte sich der gelernte Mechaniker und Sozialpädagoge von Anfang an in der österreichischen Bierkonsumenten-Vereinigung BierIG, mit der er der Alpenrepublik die Lust auf gutes, handwerklich gebrautes Bier zurückbrachte – und auch einen eigenen Bierwettbewerb ins Leben rief, die „Austrian Beer Challenge“, bei der mittlerweile die Staatsmeister des Bierbrauens ermittelt werden. Also ein echtes Bier-Multitalent, noch dazu supersympathisch und Brauer-Hansdampf in allen Kesseln – freut Euch auf einen spannenden BierTalk mit einem guten Einblick in die österreichische Bierseele…
Link für Apple/iTunes: https://podcasts.apple.com/de/podcast/biertalk/id1505720750
Link für Spotify: https://open.spotify.com/show/7FWgPXstFr1zR9Fm2G0UJS
Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute mal wieder ein richtiges Spezial. Wir sind am Rande der Austrian Beer Challenge, sitzen in Baden bei Wien und haben einen ganz besonderen Gast, der auch etwas mit dem Wettbewerb zu tun hat, bei dem wir jetzt hier sind. Er ist so etwas wie ein Grenzgänger zwischen vielleicht Deutschland, vielleicht Bayern, vielleicht Österreich, vielleicht auch Frankreich. Schließlich sagen viele zu ihm, und er selber auch, er ist der Bier-Obelix. Also lieber Martin, schön, dass du bei uns bist. Stell dich doch bitte mal kurz selbst unseren Hörern vor.
Martin Seidl: Hallo! Ich bin der Martin Seidl aus dem schönen Innviertel, dem bayerischen Teil Österreichs. Ich bin wirklich Grenzgänger, fahre fast jeden Tag nach Simbach am Inn. Das ist ein Stadtteil von Braunau am Inn, das in Oberösterreich liegt. Und Simbach am Inn ist eine Stadt in Bayern, war aber bis 1779 bayerisch. Und meine Freundin hat dort drüben ein Haus und ich bin eigentlich fast jeden Tag drüben nach der Arbeit und arbeite jetzt als Braumeister im Brauhaus Haselbach, das ist auch direkt in Braunau. Und ich bin neun Jahre bis heuer im Frühling Präsident der BierIG, die die Austrian Beer Challenge veranstaltet, gewesen. Ich bin jetzt zwar noch im Vorstand, aber so ein bisschen als graue Eminenz im Hintergrund. Die Austrian Beer Challenge war mal eine Schnapsidee 2003 von mir und ist irgendwie gewachsen. Ich habe davor schon mehrere Jahre hobbygebraut und bin dann durch das irgendwie in die Bierszene reingeschlittert durch Axel Kiesbye halt auch und die BierIG. Und jetzt bin ich halt leidenschaftlicher Bierbrauer.
Markus: Genau! Also eine spannende Geschichte. Für alle, die noch nicht so ganz in diesem Kosmos drin sind, was muss ich mir unter der Austrian Beer Challenge vorstellen? Es ist ein Wettbewerb, ein Wettbewerb, wo sowohl Hobbybiere als auch professionelle Biere eingereicht werden können. Und dann gibt es eine Schar von um die 70 Juroren, die dann dafür da sind, diese Biere entsprechend zu benoten und zu beurteilen, und am Ende werden natürlich Medaillen vergeben. Wer ist die BierIG? Das vielleicht auch noch wichtig, werden wir sowieso noch drüber sprechen, aber so als Kurzinfo: Es gibt Vereinigungen der Bierkonsumenten in ganz Europa in jedem Land, auch in Deutschland, aber eben auch in Österreich, und dort heißt sie eben Bier.IG. Eine sehr spannende Geschichte, werden wir auch gleich noch drüber sprechen. Aber vielleicht vorher noch, ich hatte es ja schon erwähnt, dieser Name Bierobelix, also wo kommt das her und warum nicht vielleicht auch Biermiraculix oder, du heißt ja eigentlich Seidl, das ist ja auch sehr naheliegend für jemand, der mit Bier zu tun hat. Also wie kamst du zu dieser Namensfindung?
Martin Seidl: Eigentlich hat der Axel früher eine Facebook Seite gehabt mit Bierakulix. Und irgendwo hat mich dann immer wieder so ein bisschen, ja, der Axel ist der Bierakulix und mit deiner Körperstatur müsstest du der Bierobelix sein. Und irgendwie ist mir dieser Name hängengeblieben. Ich finde den auch nicht unnett, also ich kann mich sehr gut identifizieren damit, trage halt meistens Bierfässer statt Hinkelsteine.
Markus: Das ist ja auch sehr vernünftig und du bist auch wirklich ein, sage ich mal im positiven Sinne, ein absolutes Schwergewicht in der Bierszene, nicht zuletzt auch in Österreich. Wie müssen wir uns das überhaupt vorstellen? Ich denke, die meisten Hörer von uns sitzen in Deutschland. Wie würdest du die österreichische Bierszene beschreiben? Was ist da anders und was ist ähnlich? Und was geht da so ab?
Martin Seidl: Die Bierszene in Österreich unterscheidet sich wenig von der deutschen, weil wir eigentlich so ein Stammland des Bieres sind, genauso wie Deutschland. Natürlich das Hauptbier bei uns heißt, das ist ein Märzen, aber das ist eigentlich, unser Märzen ist sehr ähnlich dem bayerischen Hellen, weil ein bayerisches Märzen noch mal stärker und dunkler ist. Die Szene ist sehr ähnlich und natürlich die deutsche und österreichische Bierszene ist natürlich sehr vernetzt untereinander. Und das einzige, was halt ein Unterschied ist, der Deutsche geht gerne in den Getränkemarkt, um das Bier zu kaufen, und Getränkemärkte in diesem Sinn gibt es bei uns nicht, sondern bei uns ist das immer bei den Supermärkten angeschlossen. Und da wird halt das nicht so zelebriert wie in Deutschland, dass einfach der Papa am Samstagvormittag noch kurz in den Getränkemarkt fährt und einfach da die Getränke für die ganze Familie für die Woche einkauft. Und bei uns wird nebenbei einfach beim Einkaufen das Bier mitgenommen. Und das ist eigentlich so der gravierende Unterschied eigentlich. Biermäßig sind wir eigentlich sehr ähnlich.
Markus: Ihr habt aber auch kein Reinheitsgebot, oder?
Martin Seidl: Nein, wir haben den Codex Alimentaris Austriaticus. Das ist eigentlich das härteste Lebensmittelgesetz, weil bei uns nichts Künstliches zugelassen ist. Wir dürfen halt auch mit (unv. #00:04:56.9#), man dürfte auch (unv. #00:04:59.0#) nehmen, was bei uns keiner mehr macht. Bis vor ein paar Jahren hat das noch eine größere Brauerei gemacht, aber die machen das auch nicht mehr. Und wir dürfen auch mit Früchten oder Kräutern brauen, das muss alles natürlich sein.
Markus: Genau! Apropos, wenn ihr euch jetzt wundert, normalerweise trinken wir im BierTalk immer mindestens ein Bier, aber nachdem wir im Bierwettbewerb sind, hatten wir heute schon um die 40 und haben noch ungefähr 40 vor uns, und machen deswegen jetzt mal getränkemäßig etwas Pause während wir reden. Ist aber auch vielleicht gar nicht so schlecht. Vielleicht vorneweg: Wie kamst du denn überhaupt zum Thema Bier? Oder war das klar, als du aus dem Muttermund gefallen bist, bist du gleich in den Maßkrug gefallen? Wie muss man sich das vorstellen?
Martin Seidl: Nein, nein! Ich habe immer gerne Bier getrunken. Mit 16 war ich damals von der Jugendfeuerwehr zur aktiven Feuerwehr eingerückt oder übergegangen, und da hat man einfach Bier getrunken. Das war schon immer sowas, was ich einfach gerne getan habe. Das ist jetzt nicht, dass ich mich immer nur betrunken habe, sondern man hat einfach gerne Bier zelebriert und gelebt. Ich lebe auch im Inn-Viertel, was ja bis 1779 bayerisch war. Und bei uns im Bezirk, wo ich wohne, also in Deutschland heißt es ja Landkreis, haben wir noch zehn Brauereien. Natürlich ist man bei uns schon sehr bierlastig. Und da man direkt an der deutschen Grenze wohnt, hat man sowieso mehr Bierbezug. Aber bei mir hat das eigentlich begonnen, meine Ex-Schwiegermutter war bei so einem Buchclub und dann konnte man mitmachen und dann musste man Bücher bestellen. Da war immer relativ schlechte Ware dabei, und irgendwo war mal ein Buch, ein sehr schlechtes Buch, muss ich auch sagen, über Heimbrauen dabei. Und ich habe mir dann einen großen Kochtopf besorgt und habe Bierbrauen begonnen. In diesem Buch stand ein bis zwei Teelöffel Hopfen ohne Alphasäure-Gehalt oder irgendetwas. Ich habe dann mal gedacht, das ist viel zu wenig, dann mal dreimal so viel reingegeben. Die Flaschen sind dann explodiert, weil ich es (unv. #00:06:55.8# falsch?) abgefüllt habe. Und ich bin eigentlich ein relativ ungeduldiger Mensch, dass mir das geblieben ist, wundert mich. Aber es hat mir doch so gefallen, dass ich dann immer wieder mehr Bier produziert habe, weil am Anfang habe ich 20 Liter gebraut 1996, und meine Freunde haben mir zugesehen und haben gesagt „Puh! Das glauben wir nicht, dass der das zuhause macht.“ und haben mehr Bier getrunken als ich gebraut habe. Jetzt habe ich dann mal einen 60-Liter-Kessel gebaut, dann habe ich einen 120er gebaut. Und dann bin ich irgendwie über die Jahre in diese Szene reingeschlittert und konnte nicht mehr raus. Und das ist gut so.
Markus: Allerdings! Da kann man auch nur froh sein. Und was waren so dann Brauereien auf deinem Weg bis da, wo du jetzt bist?
Martin Seidl: Brauereien, das war dann eigentlich, ich habe dann relativ schnell begonnen, eine Eigenmarke, die (unv. #00:07:40.4# Trachiner?) zu gründen und habe dann von zu Hause aus einen Grund bekommen, also zwei Hektar, wo ich Braugerste anbauen konnte. Also jetzt bin ich rausgekommen.
Markus: Die Frage war: Welche Stationen für dich so auf dem Weg …
Martin Seidl: Auf dem Weg, ja, ja. Durch diese Eigenmarke haben wir dann schon immer Bierfestivals, auch auf Bierfestivals ausgeschenkt in (unv. #00:08:09.6#) und so weiter bei den ersten Bierfestivals in Mitteleuropa, die der Axel veranstaltet hat. Und durch das bin ich immer mehr in die Bierszene gekommen. Und irgendwann hat mich Frank Böer angerufen, hat gesagt „Ich brauche dich auf der Baukunst Live!“. Und dann habe ich gesagt: Ich mache 100 Hektoliter im Jahr, also das ist zu klein. „Nein“, er hat gesagt „Genau dich brauche ich, das ist super.“. Und dann bin ich dorthin gefahren mit einem Biertisch und einem Durchlaufkühler und einem Plakat, das selbstgemacht war, und habe dort ausgeschenkt. Und dann ist die Kirsten reingekommen und hat gesagt, die war damals bei der Tölzer Brauerei „Wir machen eine Collabs“. Da habe ich gesagt „Okay, machen wir“. Und irgendwie hatten wir da die schwarze Tinte, die ich schon in Kleinstmengen zu Hause gebraut habe bei uns, haben die Leute das schwarze Bier nicht gemocht. Also dieses Stout, das kannten die nicht. Und dann ist das aber explodiert, weil das Bier gut war, wir haben das miteinander gemacht und Sebastian Heuschneider, der war damals Braumeister, ist dann ausgeschieden aus der Brauerei, weil er nicht mehr wollte, und hat mich als Nachfolger eingestellt. Ich bin eigentlich kein Braumeister, sondern ich bin Mechaniker und Maschinenbaumeister und habe ein Bachelor Studium in Sozialpädagogik. Und bin aber irgendwie durch die Erfahrungen, ich habe über 600 Bierbücher zu Hause, die ich alle gelesen habe, und natürlich auch Kunz und Narziß. Und Freunde wie den Georg Tscheuschner oder den Axel Kiesbye, den Jens Luckert oder den Hubert Hanghofer, wenn die geredet haben, habe ich so Ohren wie ein Elefant bekommen und habe einfach mir das autodidaktisch selbst erlernt. Und bin dann eben in Tölz gewesen als Braumeister, habe dann einfach wieder aufgehört, weil 175 Kilometer jede Woche fahren war für mich zu weit. Und da ich zu Hause die Landwirtschaft noch im Kleinsten betreibe und auch mein Haus noch habe, konnte ich jetzt nicht meine Wurzeln in Tölz festlegen. Und bin ich eben dann über Tölz, dann haben wir, mit dem Hopfenkopf habe ich mich dann zusammengetan, da habe ich sehr viel im Bruckberg bei Landshut gebraut bei der Brauerei Wimmer. Und irgendwie habe ich dann zu Hause auch wieder, und das ist halt so mein Werdegang, und dann im Juni hat mich ein Headhunter angerufen, ob ich, bei uns in der Heimatstadt, da wurde die Brauerei verkauft, der Vorgänger war eigentlich nicht bekannt für gutes Bier, also eigentlich sogar für sehr schlechtes Bier, das darf ich wirklich so sagen, das kann mir auch die Szene so bezeugen, und habe jetzt begonnen, diese Brauerei wieder aufzubauen. Wir sind jetzt so an die knapp 1000 Hektoliter und haben 12 Hekto-Sude. Und da bin ich jetzt halt gelandet. Und schauen wir mal, was die Zukunft bringt. Und ich glaube, dass das noch sehr viel Bier bringen wird.
Markus: Oh ja! Das klingt auf jeden Fall sehr spannend und ist ja jetzt dann auch so eine kleine Lebensaufgabe vielleicht auch, wo du dich auch einbringen kannst. Und du hast gerade noch Landwirtschaft gesagt, das heißt, baust du auch Braurohstoffe an selber?
Martin Seidl: Ja, ja, ich baue Braugerste an. Was aber die letzten zwei Jahr sehr schwierig war. Letztes Jahr ist das noch gegangen, heuer war zuerst Hagel, dann die nächste (unv. #00:11:39.6#). Also heuer musste ich die Ernte, also fünf Tonnen von zwei Hektar Bioanbau, also bin nicht direkt Bier…, sondern biologisch nachhaltig, aber ich habe kein Biozertifikat wegen der Größe, musste ich leider wegwerfen. Weil das am Feld ausgewachsen ist und rote Körner und ich konnte sie nicht vermälzen lassen.
Markus: Schade! Also gar nicht so einfach dann letzten Endes im landwirtschaftlichen Bereich. Kommen wir vielleicht noch mal zurück auf dieses Thema BierIG. Also vielleicht auch, weil sich die Hörer da gar nicht so viel drunter vorstellen können. Was heißt denn für dich eine Bierkonsumenten-Vereinigung? Also wie kommt man da dazu und was treibt diese Menschen um?
Martin Seidl: Eine Bierkonsumenten-Vereinigung geht um das, dass man weg vom Einheitsbier geht, dass man wieder Biervielfalt schafft. Wir hatten so um das Jahr 2000 in Österreich eine Verödung Bierlandschaft. Es wurden viele Brauereien zugeschlossen, es ist dann eine Übernahme des größten Braukonzerns, also der größten Brauerei-Aktiengesellschaft durch einen holländischen Konzern geschehen. Und dann wurde die BierIG gegründet, um diese Wüste wieder blühend zu machen. Und es ist so weit gegangen, dass wir wirklich dann mit Bierfestivals die Leute wieder an gestartet haben, die BierIG hatte am Anfang so um die 100 Mitglieder, jetzt sind wir knapp unter 800. Und dieser Verein ist eben da, um diese Biervielfalt zu stützen. Also am Anfang haben wir es geschafft, die Biervielfalt wiederherzustellen, weil auch dieser Konzern gesehen hat, man kann eigentlich mit Biervielfalt und hat wieder alte Brauereien aufgemacht, alte Biermarken wieder aufleben lassen, alte Bierstile. Und auch die anderen Brauereien haben sich dann bemüht, mehr als nur Helles oder Weizen oder Pils zu brauen. Obwohl das Weizenbier bei uns sich eher auf Oberösterreich bezieht, in der Bayernnähe, und in Wien eher wenig Weizenbier getrunken wird. Aber so auf diese hellen Biere oder Pils, sie haben dann auch wieder Dunkles gemacht. Sie haben wieder begonnen, Wiener Lager zu machen und so weiter. Und das haben wir die ersten 10 Jahre des Vereinsbestehens ja geschafft. Und anfangs war die Austrian Beer Challenge eigentlich nur ein Hobbybrau-Wettbewerb, die ersten fünf Jahre. Und dann wurde das immer weiter ausgeweitet, bis dass alle Brauereien mitmachen durften. Weil wir gesagt haben: Wir haben jetzt die Biervielfalt geschaffen, jetzt müssen wir sie unterstützen, dass sie auch Qualität liefern können. Und dann musst du ihnen eine Bühne bitten und eine Möglichkeit bieten, das professionell von professionellen Juroren bewerten zu lassen. Nicht, dass ich irgendwo ein paar Promis zusammenhole und sage, ja, da, und die machen irgendwie so einen lustigen oberflächlichen Bewerb, sondern hier darf man ja nur als Juror mitarbeiten, wenn man entweder Diplom-Biersommelier ist als gelernte Brauer und Biersommelier oder Bierbotschafter oder Braumeister. Also man muss, oder da jahrelange Erfahrung auch als Juror hat. Also es gibt auch eine Bewerbungsliste. Es kommen natürlich internationale Juroren, die auch bei den größeren Bewerben wir European Beer Star, Brussels Beer Challenge und diese ganzen zertifizierten Bewerbe, wo wir auch, wir sind auch ein zertifizierter Bewerb, wo einfach die schon bewertet haben und die große Erfahrung haben. Und damit die Brauerei, die ihr Bier einreicht, auch wirklich von Spezialisten verkostet wird und nicht einfach mal einer sagt, Mann, ich will jetzt keine Marke nicht, aber sage mal, das (unv. #00:15:29.2# Überdrüber?) Märzen von der und der Brauerei sagt er, das ist das beste und das schmeckt und das bewerte ich, sondern da geht’s wirklich um Sorten typisch, um Qualität, um Bierfehler und so weiter. Und das sind natürlich dann sehr schwieriger Bewerbe natürlich für Brauereien. Und durch diese Juroren auch wissen, wo Bierfehler liegen können und auch feinste Nuancen davon schmecken können. Und dann hat man halt wirklich aber die objektivste Bewertung. Und diese Bühne braucht die Braulandschaft in Österreich, um zu wissen, wo stehe ich mit meinem Bier. Und das macht die BierIG, das ist unsere Verantwortung, dass wir nicht nur schauen, dass Biervielfalt geschaffen wird, wir klären auch Laien auf, wie man Bier verkostet, wie man bewusst Bier trinkt. Und wenn man einfach Bier auch wieder einen Stellenwert gibt, wie man es früher mal hatte, bevor es so industrialisiert wurde.
Markus: Also auf jeden Fall eine sehr, sehr spannende und interessante Geschichte, die auch dahintersteckt. Nochmal kurz als Informationen für die Hörer: Die Hintergrundgeräusche sind, weil wir hier in einem Raum sind, der vorbereitet wird für ein großes Bierkulinarium, was wir heute Abend genießen dürfen. Auch eine schöne Nebenerscheinung dieser ganzen Geschichte, freue ich mich schon drauf. Also deswegen stört euch nicht, wenn es zwischendurch mal klappert und klimpert. Wir waren gerade bei der BierIG und beim Bierwettbewerb. Wenn du so über diese Jahre schaust, kann man sagen, dass diese Medaillen, die vergeben werden, Brauereien oder Brauern dann auch geholfen haben? Also ist das was, was dann einen Effekt hat, wenn man gewinnt, zum Beispiel?
Martin Seidl: Ja schon, weil man sieht ja, dass die in die Medien gehen, wenn die einen Preis machen. Oder wenn man eine Brauerei, ich will jetzt hier auch wieder keine Namen und keine Werbung machen, aber vorbeifährt, man sieht dann schon, dass am Zaun der Brauerei steht „Wir sind Staatsmeister“, es sind ja die Staatsmeisterschaften in Österreich, „Wir sind Staatsmeister“ und das wirklich bewerben, sieht man schon, dass die Brauereien das wollen und dass die natürlich das auch in die Öffentlichkeit tragen, damit sie etwas erreicht haben. Was eigentlich außergewöhnlich ist, weil wir haben 660 Biere eingereicht. Und es wird nicht jeden wie bei anderen, es gibt ja Wettbewerbe, wo halt jeder dann, du bekommst Gold, du bekommst Silber oder irgendwas, sondern es bekommen wirklich nur die ersten drei pro Kategorie einen Preis. Und das bei so vielen Bieren ist das schon eine große Leistung. Und die sind dann auch stolz darauf und die tragen das auch nach außen. Und das finde ich auch gut so, weil der Konsument dann auch sieht: Aha, da gibt es was. Ich kann mich auch bei der BierIG dann informieren, bei was es um Bier überhaupt geht. Nicht nur, dass es einfach ein Dosengetränk ist, dass ich irgendwo beim Pornoschauen trinke und etwas so Schmuddel-Niveau hat, sondern dass Bier auch ein sehr hohes Niveau haben kann. Und eigentlich sehr hohes Niveau hat, nur ob die Bevölkerung das nicht weiß, und das ist auch unsere Aufgabe, das weiterzugeben.
Markus: Ich finde, das merkt man auch. Also ich habe ja jetzt auch schon einige Biere verkosten dürfen beim Wettbewerb, und das Spannende ist tatsächlich, dass man so eine große Bandbreite hat. Dass es natürlich auch ein, in Anführungsstrichen, „normales“ Helles oder Wiener Lager gibt, aber eben auch ein Fruchtbier, ein Kräuterbier, ein holzfassgelagertes Bier, irgendwelche Experimente mit Kräutern oder allen möglichen Dingen, wo man einfach merkt, da passiert auch ganz viel im Kopf, da leben sich Leute aus, die haben Ideen und versuchen dieses Medium Bier auch zu nutzen, um sich so ein bisschen zu verwirklichen und Menschen vielleicht auch ein bisschen eine Freude zu machen. Also das ist vielleicht auch so ein Teil dieser Philosophie, dass Bier auch diese Chance hat, viel mehr zu transportieren als einfach nur Durst zu löschen, sondern da geht’s eben um Kreativität, da geht’s um Geschmack, sich wohlfühlen, Überraschungen, eben interessante Momente, wo man sich auch daran erinnert, wo ich jetzt vielleicht noch weiß, was ich vor fünf Jahren in einer bestimmten Situation getrunken habe, weil das eben so was Besonderes war. Ich glaube, sowas ist schon mit Bier für viele noch was Neues, aber mittlerweile, glaube ich, kommen immer mehr Leute in diesen Genuss. Was mich noch interessieren würde, du hast gesagt, ihr habt das damals ins Leben gerufen. Wie muss ich mir das vorstellen? Sind dann irgendwann mal drei Leute vorm Fernseher beim Fußballgucken und sagen „Jetzt machen wir einen Wettbewerb“ oder wie läuft das?
Martin Seidl: Nein, das war so, bei uns im Dorf gibt es seit Menschengedenken einen Wettbewerb für Most, also den österreichischen Cider. Und da ich schon Bier gebraut hatte und mich immer mit Genuss beschäftigt habe, wurde ich da immer eingeladen als Juror. Und da sitzen dann zehn Männer aus dem Dorf und vielleicht ab und zu eine Frau, und die verkosten dann diesen hausgemachten Most oder wie man in Franken, nicht in Franken sagt, in Frankfurt sagen würden Äppelwoi, wenn ich es richtig sage.
Markus: Ja, Äppelwoi oder so ähnlich.
Martin Seidl: Und dann sage ich zu meinem Freund „Ich kenne jetzt nur zwei Hobbybrauer und man müsste eigentlich, wenn man zehn zusammenbringt, könnten wir einen Wettbewerb machen“. Und irgendwie bin ich dann über einen Arbeitskollegen auf die Homepage vom Dr. Höglinger, vom Herbert Höglinger, gekommen, der alle Kleinbrauer in Österreich besucht. Und den habe ich angeschrieben, und er hat mir dann den Kontakt zum Axel hergestellt. Und irgendwie hatten wir auf einmal auf den Schlag 47 Heimbrauer. Dann haben wir gesagt „Okay, das sind zu viele, machen wir eine Staatsmeisterschaft draus.“. Das war eigentlich eine Schnapsidee. Und dann hat aber der Axel gesagt „Martin, das ist toll, was du da machst. Komm bitte zu uns in die BierIG. Wir haben nächstes Jahr ein Festival, magst du nicht an diesem Festival die Staatsmeisterschaft dieser Haus- und Kleinbrauer ausrichten?“. Dann hatten wir dann gleich im nächsten Jahr Jörg (unv. #00:21:17.9# Drehauser?) ist dann auch noch dazugekommen, und wir hatten nächstes Jahr gleich 97. Und hat sich immer gesteigert. Und dann haben wir gesagt, wir müssen auch den Großen die Möglichkeit geben. Das hat sich eigentlich entwickelt, aber das war eigentlich eine Schnapsidee bei der Mostkost.
Markus: Also von der Schnapsidee zur Staatsmeisterschaft. Das vielleicht noch als Frage: Kann man das einfach so? Also kann man einfach sagen, wir machen jetzt hier einen nationalen Wettbewerb? Oder musste man da bei irgendeiner Autorität nachfragen, ob man da auch eine Medaille österreich-weit draufkleben darf?
Martin Seidl: Nein, also da gibt es eigentlich kein Gesetz dafür. Nur wir haben dann gesagt eben, durch das, dass Axel uns das auch angeboten hat, der ja damals die BierIG gegründet hat, hatten wir dann einen Verband dahinter. Und das ist schon etwas anderes, wenn du einen Verband dahinter hast, also den Verband, die Interessensgemeinschaft der Bierkonsumenten, ist das schon etwas anderes. Und durch das kannst du dich legitimieren, dass du das machst. Und irgendwann (unv. #00:22:19.6#) Brewer oder auch (unv. #00:22:20.6#) und sehr viele internationale Gäste waren da auch schon auf diesem Festival bei uns, und die haben natürlich dort schon als Juroren mitgewirkt. Und irgendwann haben wir dann diese Zertifizierung der (unv. #00:22:30.3#) bekommen und dann ist das eigentlich ein zertifizierter Bewerb von wenigen. Also das sind nur, glaube ich, jetzt Brussels Beer Challenge, Birra dell’anno, European Beer Star und der World Beer Cup zertifiziert. Und irgendein brasilianischer Bierbewerb glaube ich noch, aber ich weiß jetzt nicht genau. Und das ist halt schon, du hast dann schon eine Legitimation. Und jetzt natürlich haben wir auch das Bierland Österreich, also den Verband der österreichischen Brauereien hinter uns, der sagt, das unterstützen wir, wir sind dafür, dass das die Staatsmeisterschaft ist. Und natürlich ist das für mich dann genug Legitimation, dass ich das machen kann.
Markus: Ja, das ist ein gutes Stichwort. Wenn wir vielleicht zum Abschluss noch mal so ein bisschen in die Zukunft blicken, also du hast ja gesagt, das war eine Zeit, wo es schwierig war, wo viele Brauereien zugemacht haben, wo man wirklich Angst haben musste, dass das in so einem mehr oder weniger Einheitsbier endet. Dann habt ihr es geschafft, dieses Ruder praktisch rumzureißen und eben Leute wieder zu motivieren, eine Heimbrauer-Szene auch zu aktivieren und auch für Qualität so ein bisschen zu sorgen über den Wettbewerb. Und jetzt sind wir vielleicht an so einer Schwelle, wo das ja auch geschafft ist, also wo es eine rege Szene an kleinen Brauereien und Heimbrauern gibt. Wie siehst du denn die Entwicklung für die Zukunft? Was sind da für Chancen? Was glaubst du, wenn wir in zehn Jahren nochmal so eine Podcast-Folge machen, worüber sprechen wir dann?
Martin Seidl: Wir haben jetzt durch das, dass ich ja heuer nach neun Jahren einfach ein bisschen in den Hintergrund gerückt bin, in der BierIG ist der Harry Mittermaier, hat das übernommen. Und der ist irrsinnig (unv. #00:24:05.5#), wir haben die letzten Jahre ein irrsinnig tolles Team aufgebaut. Jetzt sind wir auch viel breiter aufgestellt. Und natürlich durch das, dass wir auch ein großes Netzwerk sind, können die Brauer sich vernetzen und damit einfach miteinander viel mehr schaffen und sich einfach austauschen und vielleicht auch eine leichte Konkurrenz sich zu machen, wo der eine sagt, der spricht mit (unv. #00:24:33.4#) beim Fest von uns oder bei einer Veranstaltung, der sagt „Das möchte ich auch machen“, ich mache jetzt auch ein Kräuterbier oder sowas. Ein blödes Beispiel, aber dass sie sich gegenseitig anspornen. Und das ist natürlich, ich glaube, dass das schon noch wächst. Und ich glaube, dass das schon extrem Zukunft hat und auch ein gut organisierter Bierwettbewerb mit tollen Juroren, natürlich auch mit dir und so weiter, und dieser internationalen Jury, kann man schon noch sehr viel machen. Und wir werden sicher noch sehr viele interessante Sachen im Bier sehen aufgrund dieser Bewerbe, die es auch gibt.
Markus: Ja. Also das glaube ich auch. Und ich muss wirklich sagen, das ist toll, was ihr hier auf die Beine stellt, auch wie viele ehrenamtliche Leute einfach da dabei sind und auf welchem wirklich professionellen Niveau das Ganze stattfindet. Und natürlich auch, dass man merkt, dass das, was ihr tut, tatsächlich in die Branche was hineingetragen hat und da auch was bewegt und ja auch die Großen davon überzeugt hat, dass es eine gute Idee ist, eine Biervielfalt auch zu haben, weil es letzten Endes allen nützt. Also insofern vielen, vielen Dank heute für deine Zeit, für dieses Gespräch, das mir sehr viel Spaß gemacht hat. Und jetzt freue mich auf die nächste Runde mit wieder 40 Bieren. Du dich hoffentlich auch.
Martin Seidl: Ja.
Markus: Und gerne bis zum nächsten Mal. Vielleicht müssen wir nicht zehn Jahre warten, mal schauen.
Martin Seidl: Ja, gerne. Danke für das, dass ich die Ehre hatte, mit einer Biergröße in deinem BierTalk zu sein. Da bedanke ich mich.
Markus: Danke auch!
BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de