2016 stellte Jörn Gutowski seine Idee der Foodverkostungen in der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ vor und erhielt gleich drei Angebote für ein Investment in seine Firma. Am Ende entschied er sich, doch lieber ohne Partner auf seine Reise in die Genusswelt zu gehen und bietet seitdem nun verschiedenste Verkostungspaket zum Entdecken von Geschmack und Genuss an. In einem eigenen Podcast mit dem schönen Namen „Geschmackssache“ spricht Jörn regelmäßig mit Interviewpartnern über verschiedenste Gaumenfreuden – und hatte im Mai 2021 auch Markus Raupach zu Gast. Diese Folge bieten wir Euch hier als Special zum Nachhören an, wir wünschen viel Spaß und bierige Erbauuung!
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Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Special unseres Podcasts BierTalk. Heute präsentieren wir euch eine Podcast-Folge, die ursprünglich im Podcast „Geschmackssache“ von Jörn Gutowski ausgestrahlt worden ist. Darin hat sich der Gründer von TRY FOODS mit unserem Gründer Markus Raupach unterhalten und vor allem noch mal über die Hintergründe von Bier und über die Wirkung der einzelnen Rohstoffe im Gersten- oder Weizensaft gesprochen. Vielleicht ist euch Jörn auch noch ein Begriff aus der Sendung „Die Höhle der Löwen“. Dort nämlich konnte er gleich drei von den Sponsoren überzeugen, in sein Unternehmen zu investieren. Jetzt wünschen wir euch viel Spaß mit dieser spannenden Podcast-im-Podcast-Folge und freuen uns dann bald wieder auf euch im BierTalk.
Jörn Gutowski: Ihr seid bei Geschmackssache, dem neuen Podcast von TRY FOODS. Willkommen zur neuesten Ausgabe von Geschmacksache, dem Podcast von TRY FOODS. Zugegebenermaßen habe ich mir für diese 22. Folge etwas mehr Zeit genommen, aber dafür gehe ich auch ein großes Thema an, und zwar das urdeutsche Getränk Bier. Über Bier spreche ich mit Markus Raupach, einer der deutschen Bierexperten. Er wurde unter anderem zu den 50 bedeutendsten Bierpersönlichkeiten Deutschlands gewählt. Markus versteht es wirklich, sehr fundiert, verständlich und sympathisch über das Getränk Bier zu sprechen. In den ersten knapp 30 Minuten sprechen wir beide vor allem über die Bierszene, die Bierlandschaft in Deutschland. Und dabei räumt Markus auch mit einigen Klischees, die auch in meinem Kopf waren, auf. Ab Minute 28 geht es dann wirklich um das Getränk Bier. Wir sprechen über Hefe, wir sprechen über Hopfen und wir sprechen über Malz. Ich finde, in einer Art und Weise, wie man einfach das Getränk besser verstehen kann, wie entsteht Geschmack. Alles das erfahrt ihr wie gesagt ab Minute 28. Jetzt aber erstmal viel Spaß beim Zuhören und macht euch doch einfach ein kühles Bier dazu auf.
Ich freue mich jetzt riesig, hier mit Markus Raupach virtuell zu sitzen und gemeinsam über Bier zu sprechen. Markus, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.
Markus: Wunderbar, auch vielen Dank! Ich bin schon ganz gespannt auf deine Fragen.
Jörn Gutowski: Wunderbar! Ich habe auch viele Fragen und wir wollen heute dieses wunderbare Thema Bier mal komplett umreißen und das für alle Leute erklären. Ein kleines Ziel, was ich mir gesetzt habe hier.
Markus: Ambitioniert, aber wird schon gehen.
Jörn Gutowski: Na, wir schauen mal. Wie gesagt, ich freue mich. Markus, erstmal zu dir, ich habe natürlich ein bisschen recherchiert auch und man findet da eine riesige Liste von Dingen, die du machst. Ich habe da unter anderem gefunden, du bist Dozent, du bist Autor, du bist Verleger, du bist Berater, Historiker, Sommelier, Sommelier-Ausbilder. Ach, was habe ich vergessen? Du machst so viel.
Markus: Ach Gott, da kommt im Leben einfach viel zusammen. Aber es dreht sich einfach alles rund um Genuss und im Großteil natürlich rund ums Thema Bier. Ich denke, für mich sind es so drei entscheidende Bereiche. Das eine ist einfach, mit Leuten Spaß beim Bier haben. Das können eben Veranstaltungen sein, Verkostungen, Biermenüs, Food Pairings oder so. Dann natürlich die Leute ausbilden, weiterbilden, also das heißt eben, Sommeliers ausbilden oder auch selber zum Beispiel Podcasts machen, Bücher schreiben, alles was da dazugehört. Und als drittes dann halt die professionelle Schiene, das heißt als International Beer Judge auf der ganzen Welt unterwegs zu sein, um eben Biere zu bewerten und andere auch zu beraten, Brauereien auch zu beraten. Also so im Grunde dieser ganze Kontext. Das Business ist ja nicht so groß.
Jörn Gutowski: Okay, aber sehr viele Sachen. Und wie du auch schon gerade angesprochen hast, wir sprechen natürlich heute über Bier. Aber du kümmerst dich nicht nur um Bier, sondern eben, du bist auch Käsesommelier, Spirituosensommelier. Das finde ich superspannend, dass du nicht nur auf ein Thema dich beziehst, sondern auch noch in andere Bereiche reinschnupperst und dort arbeitest. Aber da vielleicht mal, weil es scheint auf jeden Fall Bier den Fokus zu haben. Was vielleicht an Bier fasziniert dich so sehr, dass das sozusagen dein Fokus ist gegenüber vielleicht auch anderen Produkten?
Markus: Es ist halt so, Bier war letzten Endes die Wurzel des Übels sozusagen. Das ist natürlich auch das, wo die Faszination herkommt, weil wenn man hier in Bamberg groß wird, das ist praktisch so einer der zentralen Punkte des Themas Biers auf der Welt. Also hier in Franken gibt’s einfach unheimlich viele Brauereien, die unheimlich viele Biere machen, die seit 400, 500, 600, 700 Jahren existieren. Hier ist die Heimat des untergärigen Bieres, hier wird einfach die Kultur noch entsprechend gelebt. Die Menschen gehen am Nachmittag im Sommer in den Biergarten, auf den Bierkeller sagen wir, und verbringen dort ihre Zeit bei einem frischen, kühlen Bier. Das ist ganz normal, und so bin ich natürlich aufgewachsen. Und dann kommt man gar nicht umhin, als mit dieser Genusskultur irgendwie dann in Berührung zu kommen. Ich habe dann meine eigene Werbeagentur gegründet in den 90ern, und natürlich waren da viele Brauereien und Gastronomen Kunden, und so kam da natürlich das Private irgendwie zum Geschäftlichen. Dann haben wir halt gesagt, dann machen wir auch mal Bücher und dann ist eben so der erste Kneipenführer entstanden. Und dann war die erste Leserzuschrift: Das mit den Kneipen ist ja ganz schön, aber euer letztes Kapitel mit den Brauereien und mit den Biergärten, das ist toll. Macht doch da mehr. Und daraus wurden dann eben Brauereiführer, Bierkellerführer für Franken und später dann für andere Regionen. So hat sich das dann weiter entsponnen. Natürlich war es dann auch so mit dem Thema Genuss, es ist eben nicht nur das Bier, und um mich da weiter zu entwickeln, habe ich ganz bewusst gesagt, dann möchte ich andere Bereiche auch kennenlernen. Und so kamen dann die anderen Gebiete quasi automatisch dazu.
Jörn Gutowski: Wir wollen über Thema Bier sprechen und da meine erste Frage wäre einfach mal so ganz allgemein: Was zeichnet für dich ein gutes Bier aus? Was macht ein Bier zu einem guten?
Markus: Das ist im Grunde ganz einfach: Das ist das Bier, das derjenige, der es trinkt, in dem Moment, wo er es trinkt, an dem Ort, wo er gerade ist, am liebsten hat. Also ganz einfach im Grunde, da kann man auch gar nicht groß mit Qualität und so weiter rummachen, sondern im Grunde ist Bier ein Getränk, das einfach schmecken soll, das passen soll. Man sieht auch an den Bieren, die letzten Endes am besten verkauft werden, dass die genau in diese Kerbe schlagen. Also das ist auf jeden Fall ein gutes Bier. Und natürlich gibt es dann für Leute, die darüber hinaus besondere Ansprüche haben ans Aroma, an den Alkoholgehalt, an die Exklusivität oder sonst irgendwas, für die gibt’s dann natürlich noch andere Qualitätsmerkmale. Aber im Prinzip, wie gesagt, ist ein gutes Bier das, was ich gerne trinke.
Jörn Gutowski: Also in the Eye of the Beholder sozusagen.
Markus: Absolut!
Jörn Gutowski: Kannst du das für dich sagen, hast du denn irgendwie was, wenn du jetzt ein Bier trinkst, dass du dann sagst, was macht das, dass du sagst, ah, das ist ein gutes Bier für mich in dem Moment?
Markus: Wie gesagt, das kommt ein bisschen auf die Situation an. Aber wenn ich jetzt ganz normal eben bei uns im Biergarten sitze, dann muss es einfach ein Bier sein, das die schöne englische Eigenschaft, die Drinkability hat. Dafür gibt’s noch kein deutsches Wort, einfach, dass es …, doch, ein fränkisches Wort gibt’s schon, man sagt einfach, das Bier läuft. Also ein schönes Bier, was schön ausgewogen ist zwischen Malz und Hopfen. Ich persönlich bin natürlich als Bamberger eher so ein Freund der malzbetonten Biere, natürlich auch der Rauchbiere, das ist ja bei uns Zuhause. Und dementsprechend wären das so die Biere, wo ich jetzt aus dem Bauch raus sagen würde, gut, da wird man mich immer damit abholen können, mit einem schönen Rauchbier, mit einem schönen Dunklen, mit einem Rotbier, weil das einfach so ein Wohlfühlbier ist, wo ich auf jeden Fall eigentlich immer gut zuhause bin.
Jörn Gutowski: Wir werden nachher auch noch drüber sprechen über diese Themen: Was macht eigentlich Malz? Was macht eigentlich Hopfen? Was ist denn Rauchmalz? Da gehen wir gleich noch darauf ein. Weil mir war das früher auch nicht so klar. Ist es denn bei dir so, dass du Bier unterschiedlich trinkst, je nachdem, ob du es privat trinkst, oder, wie du schon sagtest, du bist auch Judge bei internationalen Bierwettbewerben, trinkst du da denn anders?
Markus: Absolut! Man muss auch das für sich ganz klar ziehen. Also erstens hat sich mein privates Trinkverhalten enorm verändert. Einmal in der Hinsicht, dass ich privat fast nichts mehr trinke oder wenig zumindest, weil ich beruflich relativ oft trinken muss. Und man muss einfach beim Thema Bier genauso wie beim Thema Spirituosen oder so einfach mit dem Alkohol aufpassen. Das ist für uns ein ganz, ganz wichtiges Thema auch in der Ausbildung zum Beispiel, in der Beratung, und dementsprechend versuche ich da für mich selber wirklich jetzt auch ganz klare Grenzen zu setzen und jetzt nicht zu sagen, ich setze mich jeden Abend hin und haue mir meine zwei, drei Bierchen rein. Das hat sich auf jeden Fall verändert. Ist aber auch gut so. Und was sich vielleicht auch ein bisschen zum Schlechten verändert hat, je mehr man natürlich über Bier weiß und je mehr man weiß, wo zum Beispiel dann auch wirklich ein Produktionsfehler oder sowas liegt, umso weniger will man so ein Bier dann austrinken. Also das passiert mir dann schon auch mal, dass ich in der Gastronomie bin und merke, na ja, das ist jetzt ein nicht ganz so gelungenes Exemplar. Das hätte ich früher wahrscheinlich ausgetrunken, heutzutage lasse ich es dann einfach zurückgehen. Ohne irgendwie arrogant zu sein, also ich halte denen dann keinen Vortrag oder so, sondern ich bestelle halt einfach was anderes. Das ist etwas, wo ich einfach bewusster auch trinke und bewusst sage, gut, etwas, was ich jetzt nicht mag oder wo halt einfach was schiefgegangen ist, das muss ich dann nicht nur austrinken, weil ich es bezahlt habe, sondern das trinke ich halt dann eben nicht.
Jörn Gutowski: Wie ist denn das bei dir im Freundeskreis? Ist es denn so, oh mein Gott, jetzt kommt der Markus, jetzt können wir nicht das normale Bier aus dem Supermarkt kaufen? Oder, wenn man sich sonst trifft, dann, oh, jetzt, der Markus wird aber ein anderes Bier erwarten? Kann das auch schwieriger sein?
Markus: In gewisser Weise schon, wobei es sich einfach eingebürgert hat, nachdem ich relativ viel Bier einfach zu Hause habe, von Veranstaltungen oder von Brauereien, die mir irgendwas zuschicken oder so, dass ich meistens bei dem Treffen mit Freunden das Bier einfach selber mitbringe und wir dann immer irgendwelche Sachen probieren, die die in der Regel auch noch nicht kennen. Das ist dann oft einfach sehr spannend. Aber auch nicht das abendfüllende Thema, sondern da wird einfach mal ganz kurz gesagt, heute habe ich das und das mitgebracht und das ist so ein bisschen besonders und dann trinken wir das. Aber wir machen natürlich unseren ganz normalen, schönen Abend und machen da keinen Biervortrag draus. Aber das ist in der Tat so. Und ansonsten, natürlich wissen meine guten Freunde schon auch, was ich gerne trinke, und dann haben die im Zweifelsfall, wenn ich das Bier mal nicht selber mitbringe, ein schönes Kellerbier oder ein Rauchbier auch zu Hause und wissen, dass ich mich da wohlfühle.
Jörn Gutowski: Das sind schon ein bisschen Stichworte in Richtung, was ich gerade so schon angesprochen habe, so diese Themen, oder du sagtest auch besondere Biere, und die Bierindustrie, da hat sich einiges getan in Deutschland in den letzten vielleicht 5, 10 Jahren, dass die Vielfalt wieder größer geworden ist. Es scheint da auch so ein bisschen unterschiedliche, was heißt, Lager, aber es gibt diese großen Industrie- oder Fernsehbiere, die man nennt, es gibt diese kleineren Brauereien, die eher die Spezialitätenbiere machen und lange Tradition oft haben und regional sind. Und dann diese Strömung, vielleicht dieser jungen innovativen Biere, die oft mit dem Begriff Craftbiere bezeichnet werden, da passiert ja einiges. Wie würdest du vielleicht so kurz den aktuellen Stand, also jetzt mal ohne Corona vielleicht, weil das natürlich noch mal was Besonderes ist, aber vielleicht kurz vor Corona, wie siehst du so den Stand der Bierindustrie in Deutschland, der Bierlandschaft?
Markus: Kurz ist gar nicht so einfach, aber ich versuch‘s mal so kurz wie möglich. Also ganz grundsätzlich sage ich immer, es ist ein bisschen wie beim Fußball. Wir haben 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland und wir haben natürlich auch 80 Millionen Biersommeliers. Dementsprechend hat da auch jeder seine privaten Ideen und Einstellungen und Meinungen und Voreingenommenheiten gegenüber bestimmten Bieren oder Brauereien. Man merkt das immer, wenn man mit den Leuten dann mal blind Biere verkostet, ohne dass sie wissen, was da im Glas ist. Dann sind die Erkenntnisse oft sehr erstaunlich, was ihnen dann doch schmeckt, wo sie früher gedacht haben, das würden sie im Leben nie trinken. Insofern muss man da sehr aufpassen zwischen Meinungen und Vorurteilen und wirklichen Fakten zu unterscheiden. Fakt ist jedenfalls, es gab schon immer eine große Vielfalt an Bieren in Deutschland und es gibt sie natürlich immer noch. Wir haben so um die 7000, 8000 verschiedene Biere, die man bei uns im Land trinken kann. Das ist wirklich international mit an der Spitze. Das sind natürlich mehrheitlich klassische Bierstile, die es auch vor 20, 30 Jahren schon gab, aber die werden jetzt insgesamt von mehr Brauereien gemacht und werden ein bisschen experimenteller auch mit neueren Rohstoffen, anderen Rezepturen, ein bisschen anderen Verfahrensweisen und so hergestellt und bieten dann insgesamt eine größere Bandbreite. Wenn man die Brauereien so ein bisschen auffächert, dann ist es in der Tat so, es gibt schon die ganz großen Brummer, das sind so, was weiß ich, 10, 20 Brauereien in Deutschland, die zwar in der Regel immer noch Familienbetriebe sind, aber halt Ausstoß siebenstellig in Hektolitern haben. Das ist dann schon richtig viel. Und dann gibt’s …
Jörn Gutowski: Wahrscheinlich auch so – sorry – so zwei Drittel des Marktes schon auch?
Markus: Ja natürlich, die machen einen sehr großen Teil des Marktes aus. Ist jetzt aber auch nicht schlimm. Ich muss immer ehrlich gesagt sagen, man kann doch niemandem einen wirtschaftlichen Erfolg vorwerfen. Jeder kleine Brauer in Deutschland wer heilfroh, wenn er 4 Millionen Hektoliter verkaufen würde. Würden die sofort machen. Wenn ich sage, hier, wünsch dir was, du darfst ab morgen solche Umsätze haben, würden die sofort sagen, mach ich. Also dementsprechend, es gibt auch einen Grund, also die Leute kaufen das. Das ist nicht so, dass die Leute bewusst sagen, ich will mir jetzt ein Bier kaufen, was ich gar nicht kaufen will. Sondern sie gehen mit unterschiedlichen Gründen eben in die Läden und kaufen das. Insofern kann man das weder der Brauerei vorwerfen noch dem Konsumenten. Solange alle damit glücklich sind, ist das völlig okay. Letzten Endes ist es so, es gibt auch einen Anteil eben von kleineren mittelständischen Brauereien, die irgendwo, sagen wir mal, zwischen 20.000 und 50.000 Hektoliter im Jahr produzieren. Das ist dann eben so eine kleine Brauerei wie sie in Bayern oder in Franken eigentlich üblich ist. Die haben aber auch bodenständig ihre Kundschaft und bodenständig ihre Sorten, die sie seit Jahrhunderten bedienen. Und die sind auch völlig okay, machen tolle Biere. Qualitativ gibt’s da natürlich Schwankungen, logisch, aber das muss deswegen nicht heißen, dass die Brauerei schlecht ist, sondern ist halt einfach anders. Dann gibt’s noch die, sagen wir mal, Jungen, wie du sie jetzt genannt hast, wobei jung ist da vor allem das Gründungsdatum. Die Altersstruktur ist da mittlerweile auch schon so ein bisschen durcheinander gewürfelt. Weil los ging das eigentlich so in den 90ern mit den ersten Gasthausbrauereien, und dann hat 99 der Oli Lemke in Berlin zum ersten Mal so diese Craftbiere, wie man das heute so sehen würde, gebraut, und hat dann aber erstmal Schiffbruch erlitten. Und 2007 ging es dann eigentlich erst so richtig in Deutschland los. Der Marktanteil ist in Deutschland vielleicht bei einem halben Prozent, maximal einem Prozent, und stagniert auch, insofern. Es ist auch die Frage: Was macht diese Biere besonders? Eigentlich ist es die Herkunft aus relativ jungen Unternehmen und vielleicht auch eine etwas kreativere Rezeptur. In der Regel ist es aber trotzdem zum Beispiel nach dem Reinheitsgebot und in der Regel sind das auch gelernte gestandene Braumeister, die also schon wissen, was sie tun. Da merkt man auch, dass gerade die dann auch entsprechenden Erfolg haben.
Jörn Gutowski: Ich kann natürlich immer nur aus der Berliner Blase ein bisschen sprechen. Ich kann mir vorstellen, dass Berliner auch noch anders ist als der Rest Deutschlands, als viele andere jetzt auch kleinere Städte. Hier ist und war das Thema Craftbier sehr groß, auf jeden Fall seit den letzten fünf Jahren. Ich hatte aber das Gefühl, dass am Anfang sehr viel Dynamik da war und gefühlt war, jetzt passiert hier richtig was, hier ist richtig eine Entwicklung, die nehmen wirklich auch ein Stück vom Markt ein. Und aus meiner Sicht, ich bin mal gespannt, was du sagst, ist das Gefühl, dass da auch eine Stagnation ist oder dass diese Entwicklung oder diese Dynamik, die am Anfang da war, nicht mehr so da ist.
Markus: Ja, sagen wir so, es ist also auch da wieder, man muss unterscheiden zwischen der persönlichen Wahrnehmung und der Realität.
Jörn Gutowski: Ja genau! (unv. #00:16:20.6#)
Markus: De facto ist es so, dass die Craft-Brauer gerade in Berlin einfach relativ laut sind und auch die Medienszene das sehr, sehr gerne aufgenommen hat und deswegen die natürlich in der Wahrnehmung 80, 90 % der Kommunikation ausgemacht haben. Was aber nicht bedeutet, dass sie das beim Umsatz gemacht haben. Sondern das ist genauso das Thema, ich meine, ich habe die Berliner Brauereien von Anfang an begleitet, der Oliver Lemke ist zum Beispiel ein sehr guter Freund von mir, und ich mache heute auch immer noch sehr, sehr viel gerne mit der Brauerei zusammen. Und habe 2010, war das glaube ich, den ersten Brauereiführer für Berlin überhaupt geschrieben, wo alle Brauereien mal zusammen waren. Damals waren es immerhin schon 25, davon gab es dann eine zweite Auflage vor ein paar Jahren, da waren es, glaube ich, 30. Also auch da ist es für eine Stadt an sich eine große Zahl, wenn man es aber mit den Einwohnern natürlich teilt, dann ist es gar nicht so viel. Es sind sehr, sehr viele kleine Läden, die vor allem so ihre kleine Blase wieder haben. Und dementsprechend funktioniert das immer ganz gut, wenn der Brauer seine 20 Freunde hat, die seine Biere immer trinken und die geben ihm natürlich immer die beste Rückmeldung und danach wollen sie aber wieder was anderes. Und das ist genau der Punkt, weswegen der Brauer nicht wirklich auf die Beine kommt, weil er keine Konstanz reinbekommt, also irgendeine Cashcow hat, wo er sagt, von dem Bier verkaufe ich mal eine gewisse Menge und damit kann ich meinen Laden finanzieren und dann kann ich noch mit anderen Bieren vielleicht ein bisschen für mein Image, für Spaß, für andere Dinge sorgen. Dementsprechend ist das dann auch immer so ein bisschen an der Grenze zwischen Hobby und wirklichem Wirtschaftsunternehmen. Das haben jetzt gerade in der Corona-Zeit viele auch ein bisschen zu spüren bekommen. Aber nichtsdestotrotz, es gibt in Berlin wirklich ganz, ganz tolle neue Brauereien, also auch da wieder, ich habe sie alle interviewt, ich kenne sie alle, mag die auch wirklich alle gerne. Da ist keiner dabei, wo ich sagen würde, das sind irgendwie komische Menschen. Insofern, es macht total Spaß, diesen Enthusiasmus auch zu erleben, die Freude zu erleben, den Pioniergeist, den die auch oft haben. Ich meine, was mir auch ein bisschen aufgefallen ist, vielleicht an der Stelle, es gibt da natürlich auch schon so einen Generationenwechsel. Also es gibt die ersten, wie eben den Oliver Lemke oder den Thorsten Schoppe oder den Philipp vom Hops & Barley oder so, die waren am Anfang und die sind für die Craftbier-Nerds, die jetzt aktuell unterwegs sind, eigentlich schon wieder ein ganz alter Hut, also interessiert eigentlich keinen mehr, sondern die gehen jetzt, was weiß ich, zum Motel Beer oder zu anderen neuen Brauereien.
Jörn Gutowski: (unv. #00:18:39.3#)
Markus: Genau! Das bedauern die anderen auch ein bisschen, weil sie sagen, Mensch, wir haben doch das Thema eigentlich etabliert, wir sind doch die Pioniere, wir machen natürlich tolle Biere, wir sind immer noch da. Und ihr nehmt uns gar nicht wahr. Das sind auch so Punkte, ist alles relativ und deswegen habe ich eben so eine sehr enge Beziehung zu Oliver Lemke, weil ich glaube, dass der einer der wenigen ist, die das wirklich gut machen. Also die einerseits wirklich eine tolle Bierheimat für Leute geben, die einfach ein schönes Berliner Bier wollen, und zwar ohne massiven Alkohol und Riesenhopfen und sonst irgendwas. Aber er hat eben auch eine super Palette an tollen Bieren, die dieses ganze Craftbier-Klavier spielen, bis hin eben zu Berliner Weissen, wo er sehr experimentierfreudig ist. Und man kann da immer hingehen, man bekommt immer Topqualität und man kann immer wieder neue Gebiete erkunden und erforschen. So würde ich es mir eigentlich bei den meisten anderen auch wünschen. Ich glaube, dann hat es auch wirklich einen Erfolg. Das sieht man auch an anderen Beispielen, die es so in Deutschland außerhalb von Berlin gibt.
Jörn Gutowski: Vielleicht so als letztes für mich, ich weiß nicht, ob du da zustimmst, aber für mich war diese Entwicklung in den letzten Jahren ein Stück weit so, dass es Leute gab, die Einflüsse aus dem Ausland hatten, wo viel passiert ist, wo sowohl wieder eben Biere, dieses ganze Thema mehr Geschmack ins Bier, Kreativität, mit neuen Bierstilen experimentieren, und dass es vielen Leuten hier in Deutschland gefehlt hat. Weil gefühlt deutschlandweit große Marken, vor allen Dingen der Pils-Stil eigentlich alles beherrscht hat, und die großen Marken natürlich große Wirtschaftsunternehmen sind, die gutes Bier machen, aber natürlich sehr genau schauen, wieviel Hopfen benutzen wir et cetera, also eher schlankere Biere vielleicht machen, vielleicht ein bisschen weniger Geschmack drin. Und dass es dann eben einmal auf der einen Seite diese Craftbier-Entwicklung gab, wie gesagt, wir wollen wieder mehr Geschmack in den Bieren haben, vielleicht auch in den bekannten Bierstilen, aber gleichzeitig auch noch innovative kreative Bierstile, internationale Bierstile, wie sowas wie Indian Pale Ales, Stouts et cetera nach Deutschland bringen. Also im Endeffekt so ein bisschen das Gefühl, dass sie gleich zwei Ziele hatten. Und die Frage ist, ob die vielleicht damit auch zu viel gewollt haben? Während man sagen könnte, es gibt diese kleinen regionalen Brauereien, die vielleicht immer schon eher die traditionellen Bierstile der Deutschen gemacht haben, aber eben auch mit mehr Geschmack, wo mehr drin war, handwerklicher gemacht. War das vielleicht auch zu viel gewollt von der Craftbier-Szene da zu viel zu wollen?
Markus: Kommt drauf an. Ich finde, wenn du dir vielleicht das dann beim Podcast-Anhören nochmal anhörst, was du gerade gesagt hast, dann merkt man natürlich, dass das Marketing der Craft-Brauer da einen guten Job gemacht hat. Weil im Grunde hast du die Geschichte, die sie gerne erzählen, auch gut wiedergegeben. Aber das ist eben auch nur die eine Hälfte von der Wahrheit.
Jörn Gutowski: Nein, super, deswegen sitze ich mit dir hier. Ich habe natürlich, ich bin sehr viel in Berlin mit meiner Firma natürlich eher auch in Kontakt, klar, mit kleineren, auch mit (unv. #00:21:43.2#) Brauern. Das ist natürlich eher die Szene, wo ich unterwegs bin. Deswegen ist das sehr gut, genau die andere Seite.
Markus: Klar! Wobei ich absolut natürlich nochmal betonen will, ich bin jetzt bestimmt nicht der Anwalt der Großbrauereien. Also das garantiert nicht, ich lebe hier unsere Vielfalt in Franken und bin da heilfroh und hatte mal einen ganz schlimmen Geburtstag im Sauerland, wo ich da eine große Brauerei beraten habe, und musste an diesem Tag dort sein und wollte einfach nur an meinem Geburtstag abends ein gutes Bier trinken und bin leider erfolglos geblieben. Insofern, natürlich ist das etwas, was mir am Herzen liegt. Aber trotzdem muss man natürlich bei der Wahrheit bleiben. Und Fakt ist, es ist nicht so, dass die deutschen Biere vorher geschmacklos waren. Das nicht, sondern sie haben sich nach dem ausgerichtet, was die Leute gerne wollten. Ich glaube auch nicht, dass es so war, dass hier Millionen von Menschen waren, die nur danach geschrien haben, jetzt plötzlich superaromatische Biere zu bekommen, sondern sie haben mit an der Weltspitze Bier konsumiert und tun das heute auch noch und sind auch nicht alle umgestiegen auf die anderen Biere. Sondern es ist einfach so, dass diese Entwicklung von der Craftbier-Idee aus Amerika, wo es tatsächlich so war, dass es eine Gegenbewegung war gegen das Mainstream-Bier, sage ich mal, aber vor allem war es eine Hobbybrauer-Bewegung. Das wissen die meisten Leute auch nicht, das Hobbybrauen war einfach verboten bis 1979 und wurde dann erst wieder erlaubt. Das hat dann diese Welle an neuen Brauereien überhaupt erst ermöglicht. Und die haben natürlich alle experimentiert. Da hat sich keiner jetzt einen Spaß draus gemacht, ein Budweiser genau nach zu brauen, sondern die wollten natürlich bewusst was anderes machen. Deswegen kam da natürlich dann entsprechend dieser Enthusiasmus und der Erfolg bei der ganzen Geschichte. Man muss auch sagen, wenn wir jetzt von einem India Pale Ale oder von einem Stout oder von sowas sprechen, man muss nur mal nach England reisen, in einen ganz normalen britischen Pub gehen, da merkt man, das sind eigentlich auch ganz normale Biere. Also ein Pale Ale oder ein India Pale Ale in einem Pub in England als Real Ale unterscheidet sich kaum von dem, was wir hier in Franken als Kellerbier oder Pils irgendwie in einer Brauereigaststätte serviert bekommen. Sondern dieses Extreme, was jetzt Hopfen-Aromatik oder was zum Beispiel den Alkoholgehalt angeht, das ist auch etwas, was erst diese Craft-Brauer in Amerika dann bewusst gemacht haben, um diese Bierstile zu intensivieren, besonders zu machen, sich natürlich gegenseitig auch so ein bisschen zu kitzeln, an der Ehre zu packen, wie kriege ich denn so viel Aroma und so viel Unterschied wie möglich in mein Bier. Und das ist dann rüber geschwappt und ist dann auch zuerst in Europa mal da angekommen, wo Leute für sowas am sensibelsten sind, nämlich in Italien. Das weiß auch fast niemand. Und das ist auch spannend, also die Italiener haben das aufgegriffen und haben dann damit selber experimentiert, dabei zum Beispiel das Glas entwickelt, das jeder in Deutschland mittlerweile kennt. Dieses Teku Glas haben zwei Italiener entwickelt für ein belgisches Klosterbier, für das Orval. Daher kommt auch der Name. Das sind einfach so Punkte und dann hat das den Rest Europas erfasst, auch erstmal England zum Beispiel, und ist dann erst so nach und nach in Deutschland reingetröpfelt. Und war hier dann auch keine Gegenbewegung, also vielleicht manchmal eine selbsternannte Gegenbewegung. Aber man ist doch auf einen Biermarkt gestoßen, der eigentlich solide war und wo 99,9 % der Leute mit dem Bier, was da war, grundsätzlich mal zufrieden waren. Man musste natürlich ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, das hat man auch gemacht. Und man merkt auch dann an der Entwicklung, wenn man das so sieht, also ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber es war so, man ist dann erstmal rausgegangen als Craft-Brauer und hat den Leuten erzählt: Vergesst euer Pils, vergesst euer Helles, das ist alles irgendwie Mist, ihr müsst ein IPA trinken, das ist der neue geile Scheiß und das muss jetzt getrunken werden. Dann hat man das den Leuten eingebläut, viele haben das probiert, haben dann festgestellt, das ist mir vielleicht zu intensiv. Wenn man überlegt, Lieschen Müller hat für ihren Mann samstagnachmittags zur Bundesliga normalerweise vielleicht eine Flasche Pils gekauft, jetzt hat sie eine Flasche IPA gekauft, gießt das dem dann in sein Glas rein, reicht es ihm hier zum Fußball gucken und dann trinkt er einen Schluck und spuckt‘s sofort wieder aus.
Jörn Gutowski: Genau, weil man es nicht erwartet.
Markus: Und sagt, mit dem Kraftbier brauchst du mir nicht mehr kommen und so. Also da ist einfach viel Porzellan auch kaputtgemacht worden. Das Interessante finde ich, das ist jetzt eigentlich das, wohin ich eigentlich will, wenn man dann sieht, wie die Craft-Brauer darauf jetzt reagiert haben, als sie gemerkt haben, mit diesen extremen IPAs und was weiß ich, Stouts, kommt man nur bedingt weiter, dann haben sie plötzlich selber angefangen, jetzt eben ein Craft-Pils, ein Craft-Helles, ein Craft-Dunkles zu brauen, was sich oft gar nicht so sehr unterscheidet von dem, was es sonst im Land gibt, außer vor allem im Preis. Und da kommen die natürlich auch in deutliche Erklärungsnöte. Wobei ich jetzt nicht sagen würde, dass die zu viel verlangen, mit den kleinen Strukturen produzieren sie einfach teurer, aber es ist natürlich schwierig, wenn so ein Augustiner Hell im Regal steht und ist einfach das Benchmark-Bier für den Bierstil und dann stelle ich halt meins daneben und es kostet 5-mal so viel. Das muss ich dann Leuten überhaupt erstmal erklären. Das sind alles so Sachen, in denen sich das Ganze bewegt. Insofern wie gesagt, ich habe die jungen Brauer alle ins Herz geschlossen und unterstütze sie, wo es geht, aber es ist eben kein leichter Markt und es ist auch nicht wirklich eine Revolution, die man sich vielleicht gewünscht hätte.
Jörn Gutowski: Ich finde es ja richtig, also ich bin auch nicht so ein Typ schwarz-weiß, und diese Verteufelung jetzt zu sagen, also was soundso viel Hektoliter ausstößt, ist automatisch schlecht und die sind nur die Guten und die sind die Bösen. Das finde ich auch richtig. Ich habe tatsächlich auch mit Oli Lemke, du hast ja vorhin auch viel über ihn geredet, ich weiß gar nicht, ob ich es gesagt habe, aber tatsächlich, ich plane auch eine Zusammenarbeit mit ihm. Deswegen nur, um das auch hier deutlich zu sagen, dass man nicht denkt, das ist jetzt hier irgendwelche Werbung nur für Oli Lemke.
Markus: Nein, absolut nicht. Also wie gesagt, ich habe die alle in Berlin total gerne. Ich habe auch eine sehr gute Beziehung zur Ulrike Genz von der Schneeeule zum Beispiel. Und wie gesagt, ich kenne die anderen alle gut und die sind alle lieb und nett. Ich sag nur, wenn man sagt, man will einen mal rausgreifen, der exemplarisch für einen guten Umsatz dieser ganzen Geschichte steht, dann ist Lemke halt eigentlich der Einzige, der das wirklich erfüllt.
Jörn Gutowski: Was ich nur sagen wollte, ich hatte mit ihm auch gesprochen und er ist auch ein Typ, der eben auch sagt, er hat großen Respekt vor den Brauern, auch in den großen Brauereien, die da einen guten Job machen. Und das ist natürlich einfach ein anderer Ansatz, wie sie rangehen. Und das Schöne ist ja, wenn es die Vielfalt gibt, kann es der Konsument selber entscheiden, bin ich bereit, mehr Geld auszugeben für das, was ich bekomme, verstehe ich das, aber dass man die Entscheidung selber hat. Und das finde ich gut (unv. #00:28:03.8#)
Markus: Absolut, absolut! Und man muss überlegen, wenn ausländische Gäste, also gerade so Bierfans und sowas, nach Deutschland kommen, das erlebe ich sehr oft, dann fühlen die sich im Himmel. Weil die sagen, das Geile ist nicht, dass wir hier nochmal 20 IPAs bekommen, das haben wir zu Hause auch, aber das Geile ist, dass die Grundqualität der Biere so gut ist. Also eigentlich ist es völlig egal, von welcher Brauerei sie jetzt ein Helles oder ein Pils oder ein Dunkles oder ein Weizen nehmen, es ist immer um Meilen besser als alles, was sie zu Hause haben. Und das ist einfach das, was ja auch so ist, also dass wir einfach innerhalb der großen Brauereien, da arbeiten genauso ausgebildete Braumeister, die Handwerker sind, die wissen, was sie da tun, die ihren Beruf gelernt haben, die das lieben, was sie tun. Und die produzieren einfach eine unheimlich gute Qualität. Und das ist das, wo sich einfach viele im Ausland schwertun, dieses Grundrauschen an Bier überhaupt so herzustellen.
Jörn Gutowski: Ja, super! Da kann man auch noch lange darüber sprechen. Ich möchte aber tatsächlich, wir haben ja schon ein bisschen über Vielfalt von Bier jetzt gesprochen. Und ich möchte tatsächlich jetzt, wir haben ein bisschen jetzt über die Industrie gesprochen, und über das Bier an sich reden. Bier ist ja eigentlich ganz einfach, es ist Hopfen, Hefe, Malz und Wasser. Aber auf der anderen Seite ist es halt sehr vielfältig. Du sagtest, wieviel waren das, man kann 8000 verschiedene Biere kaufen?
Markus: Ungefähr. Ja.
Jörn Gutowski: Biersorten, also es ist dann, was hinten rauskommt, ist schon vielfältig und hat eine gewisse Komplexität. Wenn ich jetzt ein Biereinsteiger bin, vielleicht trinke eben normalerweise immer nur das eine Pils, was ich immer getrunken habe, wie führst du Leute so ein bisschen an die Vielfalt der Biersorten ran? Also was sind für dich so die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale?
Markus: Da haben wir tatsächlich ein völlig eigenes Schema entwickelt für unsere Ausbildungen. Wir gehen ganz klar einfach nach den Aromen der Rohstoffe. Bedeutet also, wir haben zum Beispiel das Malz. Und das Malst sorgt für eine gewisse Süße natürlich im Bier. Da kommt letzten Endes die Stärke, der Zucker, der Alkohol her. Malz ist in der Regel eben zum Beispiel auch geröstet oder zumindest bei Hitze getrocknet, das macht auch etwas Aromatisches. Bedeutet also, wenn das eben intensiver temperaturmäßig behandelt worden ist, dann wird es sehr dunkel, entwickelt dann ähnliche Aromen wie zum Beispiel Schokolade und Kaffee. Wenn es nicht so intensiv ist, dann sind wir vielleicht bei sowas wie Honig oder Karamell oder so keksige Aromen. Oder natürlich einfach brotige getreidige Aromen. Also da kann Malz sehr, sehr viel bieten. Bis hin eben zu speziellen Sachen wie zum Beispiel Rauch, Raucharoma, ist natürlich auch ein Malzaroma. Also da kann man Leuten schon mal sagen, es gibt eine ganz große Welt von malzaromatischen Bieren. Das ist auch ganz praktisch später dann fürs Food Pairing, da kommen wir vielleicht nachher noch dazu. Und dann hat man den Hopfen als zweiten Rohstoff, wo ich einerseits immer die Bittere habe. Natürlich, deswegen ist der Hopfen ja im Bier, weil hinter der Bittere letzten Endes die Substanzen stecken, die das Bier haltbar machen. Deswegen verwendet man das auch. Und dann hat der Hopfen eben als zweiten Bestandteil noch ätherische Öle. Das ist das, was man gerade so bei den Craftbieren oft wahrnimmt, eben als fruchtige, als florale, als Noten, die nach irgendwelchen Obstsorten oder Gemüsesorten oder sonst irgendwie riechen und schmecken. Da kann man natürlich auch sehr, sehr viel spielen, ein breites Spektrum haben und auch von der Intensität der Bittere natürlich sehr, sehr nach oben gehen. Und dann gibt’s als Drittes eben noch die Hefe, die jetzt bei einem klassischen untergärigen Bier wie einem Hellen oder einem Pils keine große Rolle spielt. Aber eben zum Beispiel beim Weizen ist sie hauptverantwortlich fürs Aroma, dieses Fruchtige, Bananige, Frische, das ist eine reine Hefe-Aromatik. Und dann gibt’s, wenn man aus Deutschland rausgeht, natürlich viele Bierstile auf der Welt, die auch von bestimmten Hefearomen dominiert sind. Und wenn man diese drei Welten mal so hat, dann gibt’s halt Biere, die jeweils nur in einer Welt spielen und dann gibt’s halt Biere, die in zwei Welten spielen. Nehmen wir zum Beispiel ein dunkles Weizen, da haben wir dann halt sehr viel Malz-Aromatik aus dem dunkeln Malz und diese Hefe-Aromatik, und dann kann das am Ende schmecken wie eine Schokobanane. Und das ist natürlich sehr spannend. Und so kann man eigentlich Biere gut einteilen und man kann sie auch relativ leicht dann unterscheiden.
Jörn Gutowski: Das fand ich tatsächlich für mich selber auch spannend und einen Aha-Moment, muss ich wirklich sagen. Ich war vor zwei oder drei Jahren habe ich mit Birlo getroffen oder BRLO in Berlin, und da mich mit einer Braumeisterin unterhalten. Und da tatsächlich in der Brauerei das zum ersten Mal verstanden, dass man eigentlich diese drei hauptsächlichen Geschmackstreiber hat oder die drei Punkte, die vor allem für den Geschmack im Bier verantwortlich sind. Und das war mir vorher tatsächlich überhaupt nicht klar, obwohl ich auch wie der normale Deutsche schon seit offiziell mit 16 Jahren Bier trinke, wahrscheinlich schon früher. Aber dass mir das gar nicht so bewusst war. Und natürlich, irgendwie hat man gesehen, Mensch, es gibt Alt, es gibt irgendwie dunkle Biere, es gibt die klaren Biere, es gibt irgendwie Hefebiere, Weizen, und man hört Gerste, man hört irgendwie Hopfen, aber was die jeweils tun, das war mir auch nicht klar, und dass das eigentlich wunderbare Punkte sind, die Aromatik von Bieren sehr gut aufzuschlüsseln und sehr gut eben einfach zu unterscheiden. Da vielleicht noch mal kurz erstmal zum Malz. Also Malz in Deutschland wird normalerweise fast, also das meiste ist Gerste und dann das zweite ist noch Weizen, was genommen wird. Also Malz ist im Endeffekt, man hat Getreide, was man ein Stück weit ich sag mal auf gut Deutsch verarscht. Also man bringt es zum Keimen, das Getreide denkt, ich keime jetzt, um eine neue Pflanze zu machen und das wird dann gestoppt, um halt dieser Stärke dann, um die Enzyme zu haben, um Stärke in Zucker zu verwandeln, die man halt braucht. Aber warum eigentlich, warum dominiert Gerste? Warum machen wir nicht viel mehr, klar, es gibt auch Roggenbiere und manchmal wird mit Hafer oder sowas experimentiert, aber Gerste dominiert. Warum eigentlich?
M: Na ja, sagen wir so, Gerste hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Weizen. Sie bringt die Spelzen mit, also das ist praktisch dieses Schutzblatt, was um das Korn drum rum ist. Und das ist das, was man während des Brauprozesses zumindest in der Regel braucht fürs Läutern, also wo dann letzten Endes das Feste vom Flüssigen wieder getrennt wird. Deswegen kann man zum Beispiel nicht nur aus Weizen ein Bier brauen, weil Weizen das nicht hat. Also Weizen hat nur ein nacktes Korn und dementsprechend ist das schon mal ein Punkt, was bei der Gerste einfach für den Prozess sehr sinnvoll ist. Deswegen ist zum Beispiel auch in der Regel bei einem Weizen in Deutschland 30, 40, 45 % Gerstenmalz mit drin, weil man das einfach für den Prozess braucht. Außerdem ist Gerste natürlich etwas, was man in den letzten Jahren einfach entsprechend, oder Jahrzehnten oder vielleicht sogar Jahrhunderten entsprechend optimiert hat vom Ertrag her, vom Anbau her. Es kollidiert dann eben auch nicht mit dem Weizen, weil der Weizen ist ja ein Brotgetreide, den braucht man zur Ernährung, hat man schon immer gebraucht. Und kann natürlich auf anderen Feldern dann die Gerste anbauen. Man hat dann noch eine Wintergerste und eine Sommergerste, kann also mehrere Ernten einfahren und hat halt einfach mit der Zeit wirklich das aufeinander abgestimmt. Also sowohl die Brauanlagen und die Mälzerei-Anlagen als auch die Rohstoffe sind so aufeinander abgestimmt, dass man da eben perfekt zusammenarbeiten kann. Das merkt man auch immer, wenn es zum Beispiel darum geht, mal mit historischen Getreidesorten Biere zu brauen, da gibt’s viele Brauereien, die kommen von der Anlagentechnik damit gar nicht mehr zurecht, weil sie eben auf die modernen Gerstensorten ausgelegt sind, was eben zum Beispiel den Eiweißgehalt angeht oder andere Bestandteile. Also insofern ist Gerste einfach etwas, was sich so nach und nach eingebürgert hat, so ab, na ja, was weiß ich, 1500 nach Christus ungefähr sich immer mehr durchgesetzt hat und letzten Endes das praktische Braugetreide geworden ist.
Jörn Gutowski: Ja, also genau! Gerste dominiert und Weizen, das ist ja interessant, was es so ein bisschen reinbringt, ist eine leicht andere Textur der Konsistenz.
Markus: Mhm (bejahend).
Jörn Gutowski: Dass es dann so ein bisschen cremiger wird, was man vom Weizenbier her kennt. Ansonsten sind dann vor allem die Unterscheidungen, du sprachst es am Anfang auch schon an, wie doll das erhitzt wird das Malz oder erwärmt wird, so dass man dann eben unterschiedlich, man kann von der Farbe her gehen, also eben sehr helle Biere hat, die wenig Röstnoten haben, bis hin zu sehr dunklen, wo dann sehr viele Röstnoten da sind, weil dieses Malz dann eben erwärmt wird. Was sind da vielleicht so, kann man sagen, die zwei, drei wichtigsten Malztypen oder wie man das da wirklich in so ein, zwei, drei Kategorien unterteilen kann?
Markus: Ja, also kann man heutzutage auf jeden Fall tun. Wie gesagt, man könnte auch einen langen Podcast über historische Malzsorten machen, aber das macht jetzt relativ wenig Sinn. Also in der modernen Bierbereitung ist es so, es gibt im Grunde drei Hauptsorten Malz, die im Grunde so die Schwerlast tragen, in Anführungsstrichen. Das ist einmal das Pilsener Malz, in der englischen Welt ist es das Pale Ale Malz. Also das sind praktisch die Malze, die relativ wenig Färbung bekommen haben oder gar keine, wodurch man dann eben sehr helle Biere machen kann, wie eben ein Helles, ein Pils oder ein Pale Ale oder ähnliche Biere, ein Golden Ale zum Beispiel in England oder auch ein Kölsch. Also da wird dann ein Großteil der Schüttung, sagt man, also der Malzmenge, die man insgesamt nimmt, aus diesem Malz genommen. Dann gibt es als Gegenstück dazu das Münchner Malz. Das ist dann ein Bier, aus dem zum Beispiel ein Münchner Dunkel oder ein Braunbier, ein Rotbier entsteht. Also richtig deutlich geröstete Malze, die dann eben diese Färbung mitbekommen und natürlich auch entsprechende Geschmacksaromen. Und dann gibt’s so ein Mittelding dazwischen, das Wiener Malz, wo wir dann im Grunde als Bierstil das Wiener Lager haben. Das ist bei uns relativ unbekannt, aber es wird eben auch so ein bernsteinfarbenes Bier ungefähr dabei rauskommen. Und wie gesagt, das ist auch nicht so, dass ein Brauer jetzt nur ein Malz nimmt für sein Bier, sondern meistens ist es eine Mischung. Man nimmt dann zum Beispiel noch etwas Karamellmalz dazu, das sind Malze, die so thermisch behandelt worden sind, dass der Zucker, also die Stärke, direkt karamellisiert. Das frisst die Hefe dann nicht und deswegen habe ich dann am Ende in meinem Bier auch noch diesen süßen karamelligen Touch zum Beispiel. Man kann richtig intensive Röstmalze nehmen, die sind dann noch viel stärker geröstet als jetzt zum Beispiel ein Münchner Malz. Das bedeutet auch, dass zum Beispiel die eigentlichen Inhaltsstoffe, die Stärke, großenteils schon zerstört sind durch die intensive Hitze. Aber die sind natürlich dann von der Färbewirkung sehr, sehr intensiv und auch von der Aromawirkung. Da kann ich dann richtig Kaffeearomen, ganz intensive Röstmalzaromen eben in mein Bier hineinbringen. Und davon nehme ich dann vielleicht nur 1 % in meine ganz Schüttung, das reicht aber, um dem Bier dann diese entsprechende Geschmacksrichtung zu geben.
Jörn Gutowski: Und das ist genau das Spannende, wenn man von sich aus weiß, ich mag gerne solche Röstaromen, ich mag gern, wenn es in die Richtung Kaffee oder so geht, dass man dann sagen kann: Tendenziell dunklere Biere oder sehr dunkle Biere sind vielleicht genau das, was für dich passt. Oder wenn man über Food Pairing dann spricht, wenn man solche Sachen haben möchte. Oder wenn man es eher heller hat, dann ist es halt eben schlanker, dann sind da weniger diese malzigen, diese Röstaromen et cetera im Bier drin. Und dass man eben schon allein von der Farbe des Bieres dann da Rückschlüsse ziehen kann, fand ich persönlich sehr interessant. Was irgendwie so unbewusst auch da war bei mir, irgendwie unbewusst wusste man das vielleicht auch, aber wirklich das mal, okay, das verstehe ich jetzt, das liegt sehr stark eben am Malz.
Markus: Genau! Das ist auch was, was man den Leuten immer sehr schön sagen kann, dass das Malz eben natürlich auch fürs Aroma verantwortlich ist, aber eben auch für die Farbe des Biers. Und da kann man eigentlich schon viel ablesen, bevor man überhaupt trinkt, kann man schon Aussagen machen, was man wahrscheinlich erwarten wird an Aromen, und manchmal sogar auch schon am Alkoholgehalt. Also selbst das kann man in gewisser Weise sogar sehen, jetzt nicht an der Art der Färbung, aber zum Beispiel an der Art, wie sich das Bier im Glas verhält, merkt man eben, ob da mehr oder weniger Alkohol drin ist. Und insofern, also man kann vieles feststellen, ohne überhaupt zu trinken. Das ist spannend.
Jörn Gutowski: Ist denn das Feststellen, ist es so, dass je höher der Alkoholgehalt, desto dickflüssiger wird auch das Bier?
Markus: Genau! Also es wird so ein bisschen viskos, so ab 6,5 % Alkohol fängt das an. Man merkt das, wenn man das Bier im Glas hat und das Glas so ein bisschen seitlich dreht, dann merkt man, wie sich dann auf einmal so ein Film auf dem Glas (unv. #00:40:09.6#)
Jörn Gutowski: So ein bisschen, was die Weinkenner auch machen. (unv. #00:40:11.8#)
Markus: Genau! Die Weinkenner nennen das Fenster, genau, oder Legs sagen die Whisky-Kenner dazu. Das ist halt beim Bier, weil es eben nicht ganz so hoch geht vom Alkoholgehalt, normalerweise zumindest, sind es dann eben diese Schlieren. Aber daran sieht man das dann schon ganz schön.
Jörn Gutowski: Für mich ist so ein bisschen, für Malz auch erstmal, woraus dann auch die Maische genommen wird, also dass man eben das Malz mit Wasser vermischt, ist es so ein bisschen, wenn ich das mit Kochen vergleiche, wenn ich jetzt eine Suppe habe, erstmal die Brühe. Und für mich ist dann jetzt, kommt ja der Hopfen dazu, und Hopfen sind jetzt die Gewürze, die dazukommen. Und Hopfen ist ja eben das Gewürz für Bier. Vielleicht kann man da, sag mal so für dich, was sind bei Hopfen so die wichtigsten Unterschiede?
Markus: Na ja, also vielleicht, um noch ganz kurz das zu sagen, also im Grunde, also du hast es schon völlig perfekt beschrieben, aber ich möchte es noch ein bisschen ins Licht rücken: Das Maischen ist ein Prozess, der hat mit Kochen nichts zu tun, sondern das ist ein Prozess, wo das Bier einfach erwärmt wird auf die Temperaturen, bei denen die Enzyme aus dem Malz die Stärke in Zucker umwandeln. Und wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, dann wird das Ganze filtriert und am Ende habe ich dann praktisch ein Wasser mit aus dem Malz gelösten Inhaltsstoffen. Das ist auch das, was man dann später als Stammwürze bezeichnet, wenn man so Begrifflichkeiten nimmt. Da sagt man eben, wie viel Anteil in diesem ganzen Gemisch ist jetzt aus dem Malz gelöst und was ist Wasser. Und aus dem Malz kommt eben der Zucker, aber da kommen auch Mineralien und Spurenelemente und Eiweiß.
Jörn Gutowski: Ich wusste auch, der Vergleich hinkt ein bisschen, für mich war nur so ein bisschen das erstmal die Grundlage so ein bisschen, das ist wie eine Brühe sozusagen, es ist erstmal Malz und jetzt mache ich sozusagen erstmal die Grundlage, wo ich dann jetzt die Gewürze zutue so in dem Sinne.
Markus: Genau! Absolut, ist klar. Nur, weil dann haben wir nochmal diese Mischung, das nennt man dann auch Würze, und das wird dann eben gekocht und dann kommt der Hopfen dazu. Und dann ist es eben so, dass man beim Hopfen auch wieder nicht nur einen hat, sondern natürlich hunderte verschiedener Hopfen. Und da ist es dann auch noch ähnliche wie beim Wein, dass derselbe Hopfen an unterschiedlichen Orten auf der Welt angebaut natürlich auch nochmal eine unterschiedliche Aromatik ergibt und man dementsprechend als Brauer wirklich einen Riesenstrauß hat, aus dem man auswählen kann. Es gibt so zwei Hauptkategorien, wo man so unterscheidet, offiziell, Bitterhopfen und Aromahopfen. Wobei das sehr relativ ist, denn ein Hopfen hat im Grunde immer alle Inhaltsstoffe, bei den Bitterstoffhopfen kommt es eben darauf an, wie viel von diesen Alpha- und Betasäuren, das sind eben die Stoffe, die das Bier bitter und haltbar machen, letzten Endes sind das Harze. Also wie viel ist davon drin. Und darauf legt man ganz besonders viel Wert. Das kann man nur lösen, indem man das möglichst lange in dem Wasser kocht. Deswegen kommt eben so ein Bitterstoffhopfen eher am Anfang vom Kochprozess ins Bier. Und das zweite sind dann die Aromahopfen, das sind Hopfen, die zwar auch diese Bitterstoffe haben, aber eben vor allem schöne ätherische Öle, die man gerne möchte. Und wie das bei ätherischen Ölen eben ist, wenn man die in heißes Wasser gibt, dann verdampfen die. Und deswegen muss ich die also so spät wie möglich in meinen Kochprozess eingeben oder eventuell sogar später, wenn das Bier dann gärt oder lagert, um möglichst wenig Verlust zu haben an ätherischen Ölen, dadurch dass es eben an die Luft geht. Und aus diesen Hopfen kann man dann halt auch wieder Mischungen zusammenstellen mit verschiedensten Hopfen, man kann die zu bestimmten Zeiten in sein Bier geben, man kann das mit bestimmten Gerätschaften noch machen, um das entsprechend zu intensivieren. Und dementsprechend auch da wieder eine Riesenmöglichkeit, verschiedene Biere herzustellen.
Jörn Gutowski: Ich habe auch dein Buch gelesen, das „Biergeschichte und Genuss“. Das ist superspannend, weil du auch da sehr viel eben über die Geschichte, über die Historie von Bier schreibst. Und ich habe da eben auch gelesen, dass früher es im Mittelalter üblich war, dass eben nicht nur mit Hopfen, sondern auch mit unterschiedlichen Gewürzen gearbeitet wurde im Bier. Dass man nämlich tatsächlich, ich nehme nicht nur Hopfen, um das zu aromatisieren, sondern auch andere. Aber der Hopfen hat sich durchgesetzt und ist mittlerweile in Deutschland Reinheitsgebot. Das ist natürlich auch noch mal ein Thema, über das man sprechen könnte. Aber das ist eigentlich erstmal, es wird nur Hopfen genommen. Warum hat sich der Hopfen erstmal vielleicht so durchgesetzt? Also warum ist das jetzt sozusagen das Gewürz fürs Bier geworden?
Markus: Im Grunde gibt’s zwei Punkte. Also das eine ist einfach die Wirkung des Hopfens. Und das geht grundsätzlich gesehen, zumindest wenn wir in die Geschichte gehen, in das Mittelalter gehen, geht’s um die Haltbarkeit des Bieres. Und da war eben, Hopfen hat diesen großen Vorteil gehabt, dass durch seine Inhaltsstoffe eben das Bier sich länger gehalten hat und man deswegen also ganz bewusst gesagt hat, das ist auf jeden Fall ein Biergewürz oder ein wichtiges Biergewürz. Dazu kam noch, dass zum Beispiel Hildegard von Bingen da sehr, sehr viel drüber geschrieben hat. Eines ihrer Lieblingskräuter war der Hopfen und dementsprechend hat sie da auch viel Propaganda gemacht. Das war natürlich in der Wissenschaftswelt damals auch entsprechend bekannt. Also dementsprechend war allein von dieser Seite her Hopfen natürlich auf jeden Fall als gute Zutat klar. Bei vielen anderen Zutaten war es so, dass man wusste, dass die durchaus auch negative Wirkungen haben oder ins Halluzinogene gehen oder eben zumindest irgendwie problematisch sind. Da war man also vorsichtig. Und auf der anderen Seite war es eben so, dass der Hopfen auch etwas war, was man relativ leicht besteuern konnte. Denn vorher hat man Biere auch gerne mit Kräutermischungen gebraut, wo man die Kräuter halt irgendwo im Wald gesammelt hat. Und das Problem war, dass das nicht kontrollierbar war. Das heißt, die Leute sind in die Wälder gegangen und haben ihre Kräuter gesammelt und haben dann ihre Mischungen hergestellt und fertig. Und das konnte man nicht besteuern und früher waren das wesentliche Einnahmequellen. Und wenn ich von einem Hopfengarten ausgehe, dann hat der einen festen Ort und da kann ich den Ertrag kontrollieren und kann das alles schön besteuern. Auch das war natürlich ein Grund, weswegen die Herrscher dann auch dafür gesorgt haben, dass der Hopfen zum Biergewürz geworden ist, weil er eben auch auf dieser Seite, auf der rein finanziellen Seite das wesentlich Spannendere ist, als wenn ich halt so einen Wildwuchs im wahrsten Sinne des Wortes habe, wo ich nichts davon habe.
Jörn Gutowski: Spannend! Ich sag mal, bei uns wiederum jetzt in der jüngeren Geschichte, das ist meine Wahrnehmung, war das vor allen Dingen so, dass Hopfen bei uns, dass die Bitterhopfen präsent waren in deutschen Bierstilen. Das heißt, wenn ich jetzt zum Beispiel eher so ein nordisches Pils hatte, ein Flensburger oder Jever oder wie auch immer, so gefühlt auf jeden Fall die herberen Biere, wo einfach mehr Hopfen drin war, so dass das Bier, das Pils bitterer wurde, während vielleicht ein Helles, in einem Hellen weniger Bitterhopfen benutzt wurde und dass es eben nicht ganz so bitter ist. Aber das Thema eben, das du ja schon ansprachst, Aromahopfen mit den ätherischen Ölen, das scheint für mich gerade in Deutschland eher ein neues Thema zu sein und eher genau das Thema, was mit dieser Craftbier-Entwicklung nach Deutschland kam mit diesem IPA-Bierstilen, wo halt diese Aromahopfen da sind, die mit diesen ätherischen Ölen Aromatiken, die eben an exotische Früchte erinnern, bis hin zu harzigen Noten, also dass das gerade total neu war für den deutschen Konsument. Ist das richtig oder gab es auch in der Vergangenheit Aromahopfen in Deutschland, der viel benutzt wurde?
Markus: Wie schon gesagt, diese Unterscheidung kann man nicht klar trennen, also zwischen Aroma- und Bitterhopfen. Das ist wirklich, also wenn man das versucht als Trennlinie zu nehmen, dann ist es Quatsch. Es gibt Hopfen, die sind eher wichtig in Bezug auf ihren Bitterstoffgehalt, und Hopfen, die sind eher wichtig in Bezug auf ihre ätherischen Öle. Aber es ist nicht so, dass es nur die einen oder anderen gibt. Letzten Endes liegt’s am Brauverfahren, weil es eben so war, dass man im Mittelalter sehr gerne die Biere, auch wenn sie fertig waren, noch mit Stoffen versetzt hat, um sie zu aromatisieren. Weil eben damals Biere relativ schnell sauer geworden sind, und um das noch ein bisschen raus zu zögern, dass diese Säure sich sehr nach vorne entwickelt hat, hat man zum Beispiel Gewürze oder auch nochmal Hopfen oder auch Obst oder andere Dinge dem fertigen Bier beigegeben, um das dann entsprechend zu aromatisieren. Und je besser die Braukunst wurde, umso mehr konnte man das sein lassen und dementsprechend hat sich eben das moderne Brauverfahren entwickelt, wo der Hopfen eben während der Kochung dazugegeben wird und dementsprechend waren auch die heute als Aromahopfen bezeichneten Hopfensorten schon im Einsatz, aber von ihren ätherischen Ölen war eben relativ wenig im Bier. Also wir hatten in Deutschland schon viele Pilsbiere, die zum Beispiel so eine leichte Zitrusnote hatten, aber das war es dann auch letzten Endes. Und was passiert ist, ist eben, dass diese amerikanischen Craft-Brauer erstmal natürlich die Bierstile genommen haben, deren sie sich erinnert haben. Das waren eben die klassischen deutschen Bierstile und die englischen Bierstile. Und dann aber beschlossen haben, jetzt experimentieren wir mit den Rohstoffen noch mal anders, und vor allem mit dem Hopfen. Und kamen dann auf die Idee: Warum nicht dieses alte Verfahren aus dem Mittelalter wieder machen und dem Bier, wenn es quasi fertig ist, nochmal eine Hopfen-Dosage zu geben. Man nennt das Hopfenstopfen, auf Englisch Dry-Hopping. Die haben sich dann sogar eigene Gerätschaften entwickelt, Sierra Nevada zum Beispiel, ein Hop Torpedo. Das ist dann wirklich ein liegendes Teil, das schaut aus wie ein Torpedo, wird gefüllt mit Hopfen und dann ist vorne und hinten ein Anschluss, wenn das Bier im Lagertank ist, dann wird das vorne und hinten angeschlossen und wird dann da einfach durchgepumpt durch diesen Torpedo und laugt den Hopfen richtig aus, nimmt ganz viel von diesen ätherischen Ölen an. Dadurch habe ich dann eben diese Aromatisierung durch den Hopfen. Das hat man natürlich dann bei uns auch probiert, am Anfang auch ganz banal den Hopfen im Damenstrumpf nochmal in den Lagertank gehängt zum Beispiel oder so. Und dann gab’s auch bei uns entsprechende Entwicklungen, also Kaspar Schulz hier in Bamberg waren, glaube ich, die ersten und dann später kam auch BrauKon mit der Hop Rocket hieß die glaube ich oder Hop Gun und so weiter. Also haben die auch verschiedene Gerätschaften entwickelt, um das möglich zu machen. Heute gehört das Hopfenstopfen einfach dazu. Damit haben auch diese Aromahopfen eine immer größere Bedeutung erlangt. Aber nochmal, um das zu sagen, also der Kern des Aromahopfen-Anbaus lag auch bis vor wenigen Jahren ganz eindeutig hier bei uns in der Hallertau und in den USA wurde hauptsächlich Bitterhopfen angebaut. Das hat sich jetzt so ein bisschen gedreht, aber nicht wirklich komplett umgedreht, vielleicht eher so Fifty-Fifty. Das sind auch die beiden großen Hopfenanbaugebiete der Welt. Der Hauptunterschied ist, dass es in Amerika eben möglich ist für eine Firma sich einen Hopfen patentmäßig zu sichern, so dass dann eben zum Beispiel eine Hopfensorte wirklich nur einer Hopfenfirma gehört und die nur ihre Vertragsanbauleute entsprechend damit ausrüsten kann und damit eine Exklusivität auf den Hopfen hat. Das kennen wir hier so in Deutschland in der Form nicht oder noch nicht. Und das ist vielleicht auch noch so ein Unterschied. Also die bei uns bekannten Hopfensorten, die kann man überall anbauen, und haben dann dadurch auch ein ganz interessantes Namenskonstrukt. Aber das ist nochmal ein anderes Thema.
Jörn Gutowski: Aber es scheint gerade dieses Thema Hopfen mit diesen amerikanischen Bierstilen oder auch, das ist wiederum meine Wahrnehmung, gefühlt, dass gerade am Anfang dieser Craftbier-Szene, dass das so das Thema war, mit Hopfen zu experimentieren und dass sehr viele von diesen ersten Craftbieren auch in Deutschland extrem hopfenlastig dadurch dann auch waren. Würdest du das auch so sagen?
Markus: Na doch, das ist schon so. Jetzt etwas blasphemisch gesagt, muss man sagen, das ist auch die etwas leichtere Lösung. Weil wie gesagt, im Mittelalter hat man das gemacht, um eben Fehlaromen im Hopfen zu überdecken. Und genauso hat das natürlich dann auch bei uns funktioniert. Das heißt, wenn ich entsprechenden ein Pale Ale oder IPA habe, was vielleicht nicht ganz so hundertprozentig ist und ich gebe dann entsprechend eine Tonne Hopfen da obendrauf, dann ist das Hopfenaroma so intensiv, dass ich von dem anderen gar nichts mehr merke. Das war natürlich durchaus, also ich sage nicht, dass das das Ziel war, aber das war eines der Ergebnisse der ganzen Geschichte. Und natürlich waren das Biere, die die Leute erstmal begeistert haben, weil sie das nicht kannten. Also so ein intensives Aroma, noch dazu eben dann zum Beispiel fruchtig oder so, das war toll, das war faszinierend, das war neu. Und dementsprechend hat das natürlich nicht nur in Amerika, auch bei uns, die Leute entsprechend begeistert und wurde dann entsprechend auch nachgeahmt, auch zum Beispiel bei Pilsbieren oder anderen, die wir kennen. Und später ist man dann auf andere Varianten auch noch aufgesprungen. Also zum Beispiel haben die Amerikaner dann das ganze Thema Sauerbier für sich entdeckt, was eigentlich in Belgien beheimatet ist, haben da unheimlich damit experimentiert. Bis hin zu Bierstilen, die wir auch kennen, wie Berliner Weisse und Gose zum Beispiel. Dann ist natürlich auch mit dem Malz viel experimentiert worden, die sind unheimlich abgefahren zum Beispiel auf Rauchbier. Also bis nach Alaska haben sie dann das Rauchmalz exportiert, um da endlich mal so ein Bier brauen zu können. Also auch das hat die Leute natürlich begeistert. Im Grunde ging es also vor allem dort darum, dass schon aromatisch eine relative Einöde geherrscht hat, nicht nur beim Bier, aber eben auch, und man da halt mit diesen ganzen neuen Rezepturen unglaublich die Leute begeistern konnte.
Jörn Gutowski: Ich glaube, also mein Gefühl auch am Anfang, als ich auch Leuten mal ein IPA gezeigt habe, die normalerweise immer Pilstrinker sind, die dann gedacht haben: Oh, ist das jetzt so ein belgisches Fruchtbier? Das ist doch bestimmt nicht im Reinheitsgebot. Das ist doch kein Bier. Wie du sagst, diese Überraschung, dass man eben aus Hopfen so viel Fruchtigkeit auch gewinnen kann.
Markus: Ja. Also das absolut. Da muss man vielleicht auch noch eines sagen, was immer noch ein Problem ist. Es ist ganz was anderes, wenn man in Amerika ist, zum Beispiel im Yakima Valley, da wo eben der ganze Hopfen angebaut wird im pazifischen Nordwesten, und dort dann so ein ganz frisches IPA trinkt, das ist noch mal eine ganz andere Hopfen-Aromatik als das, was man hier bei uns bekommt, weil halt einfach wirklich dieses Thema praktisch vom Feld direkt ins Bier dort noch mal anders gelebt wird und deswegen die ganze Hopfen-Aromatik da auch noch mal anders rüberkommt. Also gibt’s mittlerweile schon bei uns auch gute Exemplare, aber es hat lange gedauert. Vorher waren das bei uns oft Biere, die deutlich hinter denen zurückgestanden sind, was jetzt die Patenbiere, sagen wir mal, aus den USA gekonnt haben. Aber wie du sagst, trotzdem war das auch für die Leute hier eine völlig neue Welt. Ich bin selber auch davon begeistert, also ich mag das auch total gerne und finde das faszinierend. Man spielt mit diesem Bierstil IPA jetzt auch in ganz viel Art und Weise rum. Jetzt gerade sind die New England IPAs ziemlich heiß, sagen wir mal, also wo es einfach darum geht, sehr fruchtige und nicht so bittere Biere zu haben. Und da gibt’s auch tolle alkoholfreie Varianten zum Beispiel davon. Das ist wirklich eine tolle Welt, also wo ich mich auch total glücklich fühle, dass ich das haben kann. Und ich finde das super.
Jörn Gutowski: Beim Malz haben wir schon gesagt, das ist relativ einfach, ich kann das schon sehr stark eben an der Farbe unterscheiden, was für ein Malz dort drin ist. Wie kann ich denn Biere nach Hopfen unterscheiden? Welche Möglichkeiten habe ich da? Oder wenn ich sage, ich mag es sehr gerne hopfenlastig, worauf kann ich achten als Konsument?
Markus: Na ja, wenn ich das praktisch nur von der Flasche her beurteilen kann, dann kommt es drauf an, wenn mir die Bittere wichtig ist, dann kann ich schauen, ob auf der Flasche eine Bittere angegeben ist. Da gibt’s eine Einheit, nämlich Bittereinheiten. Das wird in der Regel Englisch abgekürzt in International Bitter Units, IBU. Das geht eben, also ein deutsches Pils geht, sagen wir, so bis 30, maximal 35 IBU, und dann kann man eben, wenn man gerne viel Bittere haben möchte, dann schaut man eben, dass das auf 50, 60 vielleicht 70 nach oben geht. Dann habe ich also schon mal eine klare Erwartungshaltung, dass da eine ordentliche Bittere dabei ist. Meistens ist es dann auch mit einer entsprechenden Aromatik, was jetzt die ätherischen Öle angeht, verbunden. Das andere ist, wenn das Bier schon möglich ist zu probieren, zum Beispiel in einer Kneipe, wenn ich sage, ich will mal einen Probierschluck, dann sollte man einfach mal die Nase benutzen. Das merkt man dann sofort, also ein sehr hopfenaromatisches Bier, da schlägt‘s einem entgegen, was eben entweder so fruchtige Mango, was weiß ich, Papaya, Litschi, solche Aromen sind, oder eben Richtung so harzig Pinie oder auch Zitrus einfach, so Grapefruitaromen, in diese Richtung, bis hin zu floralen, sowas wie Jasmintee oder so. Also da gibt’s eine ganz große Bandbreite, die kriegt man dann natürlich auch mit, und dann kann ich auch erwarten, dass ich, wenn ich das schon rieche in der Nase und nicht draufsteht, dass da irgendwelche künstlichen Aromen drin sind, dann werde ich auch ein entsprechend hopfenbetontes Bier haben.
Jörn Gutowski: Wir hatten es schon auch angesprochen, das Thema IPA, für diejenigen, die es noch nicht ausprobiert haben, wenn man das einfach mal ausprobieren will, sehr stark gehopfte Biere, dass man auf jeden Fall in die Richtung IPA mal schaut. Wie du sagst, innerhalb des IPAs dann wiederum es unterschiedliche aromatische Stilistiken gibt, aber dass das schon sehr stark gehopfte Biere dann sind.
Markus: Genau! In der Regel, also aus unserer Sicht, sagen wir mal so, ein India Pale Ale. Man darf aber eben nicht vergessen, es ist ein großer Unterschied, ob wir uns hier mit einem India Pale Ale aus England beschäftigen, was traditionell gebraut ist, das ist ganz anders, das hat einen ordentlichen Malzcharakter, das ist natürlich schon ein bisschen bitter, aber ist bei weitem nicht das, was man aus Amerika kennt, und es hat vor allem in der Regel gar nicht diese Aromatisierung, weil da nicht Hopfen gestopft wird. Also da würde ich auch nochmal unterscheiden, es gibt ein traditionelles Pale Ale und India Pale Ale aus England, das oft als Real Ale dort auch entsprechend ausgeschenkt wird. Und es gibt eben das, was die Craft-Brauer machen auf der ganzen Welt, ausgehend von Amerika, aber mittlerweile auch bei uns oder auch in England, die dann eben diese Bierstile benutzen als Leinwand sozusagen, um dann mit ihren intensiven Hopfen-Aromatiken da nochmal was obendrauf zu zaubern und praktisch diesen Bierstil IPA nur als ihre Bühne benutzen, um dann eben mit ihren Rohstoffen entsprechend zu arbeiten.
Jörn Gutowski: Klang schon durch, es gibt verschiedene Hopfensorten. Hast du einen Lieblingshopfen?
Markus: Das ist gar nicht so einfach, weil nicht jeder Hopfen immer gleich ist und weil auch nicht jeder Jahrgang immer gleich ist. Aber ich habe so ein paar Hopfen, an die ich mich einfach gern erinnere. Zum Beispiel haben wir mit unserem ersten Biersommelier-Kurs damals ein Bier gebraut, das war ein Weizen-Doppelbock. Damals gab‘s relativ neu einen Hopfen aus der Hallertau, der hieß Hallertauer Blanc. Der hat, wie der Name schon sagt, so Sauvignon-Blanc-Aromen, so weinige Aromen, gewürzige Aromen, so ein bisschen Muskateller auch. Und das im Zusammenspiel mit diesen intensiven Weizenbock-Aromen, sehr bananig, sehr fruchtig, sehr intensiv, das war wirklich ein ganz tolles Erlebnis. Also an das Bier erinnere ich mich heute noch. Wir hatten das damals auch auf der Consumenta, glaube ich, in Nürnberg dabei und haben das dort ausgeschenkt. Die Leute haben uns das wirklich aus den Händen gerissen. Da hat man mal gemerkt, was ein Hopfen machen kann, wenn man den so ganz gezielt einsetzt, um so einem Bier noch so einen Twist zu geben. Also das zum Beispiel. Aber wie gesagt, es gibt viele tolle andere Hopfensorten, die Klassiker aus Amerika kennt man ja, Amarillo, Simcoe, Cascade, das sind so diese typischen, die auch dann diese Tropenfrucht-Aromen ergeben. Oder eben bei uns gibt’s zum Beispiel Mandarina Bavaria, ein ganz toller Hopfen, der in letzter Zeit ein bisschen verkannt wird. Der eigentlich, eben wie der Name schon sagt, so Mandarine, Orange bringt und der eine ganz tolle Eigenschaft hat auf der Anbauseite, der ist nämlich sehr tolerant gegenüber dem Klimawandel. Und deswegen ist es fast schade, dass der jetzt gerade großflächig wieder rausgerupft wird, weil das nämlich wirklich für die Zukunft ein großes Thema sein wird, gerade beim Hopfenanbau, wo der überhaupt noch möglich sein wird und in welchem Maße.
Jörn Gutowski: Spannend! Also Hopfen, ein spannendes Thema. Aber lass uns noch mal zur Hefe kommen. Hefe, muss sich auch wiederum gestehen, für mich war lange Zeit Hefe einfach nur Mittel zum Zweck, Hefe ist irgendwie ein Katalysator, der einfach Zucker in Alkohol und CO2 umwandelt und das war’s. Ich fand es halt interessant, weil ich mich auch mit unterschiedlichen Themen beschäftige, mit dem Thema Wein und Whisky. Und wenn man sich mit den Themen beschäftigt, da auch, dass man eben merkt, nein, nein, Hefe macht noch so viel mehr, Hefe ist auch so verantwortlich für die Aromatik. Was macht denn die Hefe im Bier und welche Unterschiede gibt’s da bei den Hefen?
Markus: Es gibt natürlich auch da riesengroße Unterschiede. Wobei man auf der einen Seite natürlich sagen muss, das, was wir jetzt in Deutschland als normales Bier kennen, das sind die untergärigen Biersorten, das ist eine Hefe, die bei kalten Temperaturen vergärt. Deswegen heißt sie auch untergärig. Die gibt’s erst so richtig seit dem 13., 14. Jahrhundert, hat sich dann so von Bayern aus ausgebreitet in den Rest der Welt. Dominiert heute international alle Biere. Und diese Hefe hat eben die Eigenschaft, weil sie bei kalten Temperaturen vergärt, dass sie neben ihrem normalen Job, nämlich einfach nur den Zucker umzuwandeln in Kohlendioxid und Alkohol, sonst eigentlich kaum eigene Aromen produziert. Das heißt, diese Hefe ist wirklich sehr zurückhaltend, bringt letzten Endes die Kohlensäure ins Bier und eben den Alkohol, und das ist es dann auch. Aber was wir dann eben sonst noch kennen, ist bei uns jetzt zum Beispiel die klassische obergärige Hefe. Das ist praktisch der alte Hefestamm, letzten Endes auch eine Backhefe. Und die macht eben dieses bananige, fruchtige, manchmal auch eher so ein bisschen nelkenartige Aroma in die Weißbiere, die wir so kennen. Das ist dann so in Deutschland das Thema Hefe-Aromatik. Und wenn ich dann die deutsche Bierwelt verlasse oder in die historische deutsche Bierwelt gehe, dann kann man da auch so Sachen haben wie zum Beispiel beim Wein, der Orange Wine, dass ich also da durchaus spontane Vergärungen habe, dass ich wilde Hefen habe, besondere Hefestämme, die dann eben noch mal andere Aromen machen. Bekannt sind auch Hefen, die man vom Wein kennt, Brettanomyces zum Beispiel, ein wilder Hefestamm, der dann so diese Pferdedecke, schweißigen Aromen zum Beispiel ins Bier bringt. Oder es gibt eben obergärige Hefestämme in der belgischen, englischen Bierwelt, die dann so Richtung Apfel-, Richtung Birne-Aromen produzieren. Und es gibt natürlich jetzt ganz moderne Hefeforschung, das ist auch ganz spannend, wo man wirklich versucht, Aromen, die man normalerweise zum Beispiel übers Malz oder über den Hopfen ins Bier bringt, eben über die Hefe ins Bier zu bringen. Und das ist auch ganz spannend, da gibt’s zum Beispiel Hefen, die machen dann Zitrusaromen oder machen dann Pfirsich oder sowas. Also auch da ist es bei weitem noch nicht ausgelutscht. Und viele Brauereien haben eigene Hefereinzuchten, eigene Hefebanken, oder sind eben zusammengeschlossen und Kunden einer großen Hefebank und arbeiten da dann zusammen. Da kann man auch sein Bier ganz deutlich in bestimmte Richtungen schubsen, je nachdem, was man gerne möchte.
Jörn Gutowski: Aber gibt’s denn auch Entwicklungen, weil du sagtest, die untergärigen Hefen bringen wenig Geschmack oder sollen auch weniger Geschmack, aber gibt’s bei untergärigen dann auch Entwicklungen dahingehend, dass da Hefesorten sind, die noch mehr Geschmack dann bringen oder ist das dann immer automatisch im obergärigen Bereich?
Markus: In der Regel, sagen wir so, ich bin jetzt nicht ganz so in der Forschung drin, aber es wäre mir jetzt neu, dass man im untergärigen Bereich gezielt nach Aromen sucht, weil genau das die Eigenschaft ist. Das kann man sich ehrlich gesagt so ein bisschen vorstellen wie beim Menschen: Wenn ich dich jetzt nehme, lasse dich jetzt draußen rumrennen, dann hat es, was weiß ich, zehn Grad, dann kommst du zurück und schaust so aus wie vorher. Und wenn wir das Ganze in drei, vier Monaten machen, dann hat es da draußen 30 Grad, dann hast du halt ordentlich geschwitzt und hast auch deine Gärungsnebenprodukte gebildet. Das hat einfach was mit der Temperatur letzten Endes zu tun.
Jörn Gutowski: Ja, das ist ein schönes Bild.
Markus: Und man merkt, nur dass es dadurch immer so als positiv wahrgenommen wird, aber es ist letzten Endes so. Das Spannende ist zum Beispiel, als dann die untergärigen Hefen nach Amerika kamen, da ist dann in beide Richtungen etwas passiert. Also es gab viele Brauereien, die eben vorher obergärig gebraut haben, die dann versucht haben, diese obergärigen Biere eher kälter zu vergären, um die Hefe-Aromatik eher ein bisschen rauszunehmen. Und es gab umgekehrt viele Brauereien, die mit der neuen untergärigen Hefe gearbeitet haben, aber eben nicht in der Lage waren, so richtig kühl zu arbeiten, sondern haben dann eher so mittelwarm vergoren. Da sind dann eben so amerikanische Bierstile wie Cream Ale, wie das Steam Beer und so weiter entstanden, die dann zum Beispiel auch Hefe-Aromatiken haben oder eben weniger Hefe-Aromatik haben. Also auch eine spannende Geschichte, da kann man auch natürlich länger drüber reden.
Jörn Gutowski: Du sagtest ja schon, ich meine, was wir in Deutschland am meisten als ein hefebetontes Bier kennen, ist das Weizen, oder wird oft auch als Hefebier bezeichnet. Das heißt, da kann man einfach mal schmecken, was macht eine Hefe aromatisch. Wie du schon sagtest, diese Bananenaromen, die sehr, sehr stark da drin sind, oder eben so eine gewisse Fruchtigkeit. Du sagtest, es gibt andere Biere in England und auch in Belgien, die auch obergärige Hefe haben. Kannst du mal so zwei, drei Bierstile sagen, die sind interessant, wenn man das noch mal sehen will, was Hefe aromatisch noch machen kann im Bier?
Markus: Na ja, in der belgischen Welt, sagen wir, bei den normalen Bierstilen, wären wir da ganz klassisch bei einem Blonde, bei einem Tripel. Das sind die hellen Biere aus der belgischen Bierwelt. Bei den Tripel Bieren geht’s auch schon fast Richtung Banane, da hat man oft auch noch so pfeffrige Noten zum Beispiel. Beim Blonde hat man oft eher so dieses Apfel-Birne-Aroma so ein bisschen. Dann gibt’s dort Bierstile, die nennen sich Saison oder Farmhouse Ales, die oft nur mit obergärigen Hefen, manchmal auch mit wilden Hefen noch dazu vergoren werden, die dann eben auch so fruchtige und gewürzige Aromen aus den Hefen haben. Dann gibt’s die dunklen Biere in Belgien, das Dubbel, das Quadrupel zum Beispiel, das Dark, Strong Dark Ale. Da geht es dann in so eine dunkle Beeren-Aromatik. Viele assoziieren das zum Beispiel auch mit so Kaugummiaromen. Das ist schwierig, das muss man mal gerochen haben, um das dann auch wirklich so einordnen zu können.
Jörn Gutowski: Also ein Hubba Bubba oder sowas?
Markus: Hubba Bubba, genauso, ganz genau, in so eine Richtung. Dann eben wie gesagt, in den USA experimentieren die natürlich extrem mit verschiedensten Hefen. Und wenn man dann eben sowas hat wie eben Berliner Weisse, die die dort zum Beispiel mit Joghurtkulturen herstellen oder sowas, da kommen dann auch noch mal ganz eigene Aromen dazu. Vielleicht die spannendste Welt ists letzten Endes die belgische Sauerbier-Welt. Wobei den Begriff Sauerbier finde ich etwas unglücklich, weil das in Deutschland immer gleich mit negativ assoziiert wird. Das sind halt Biere, die bewusst Säure haben, die auch über Jahre hergestellt werden, was ein ganz komplexer Produktionsprozess ist, kennt man als Lambic oder Geuze. Und das gibt’s dann auch noch in einer Fruchtvariante. Und da sind eben viele wilde Hefen im Einsatz, die auch noch mal ein ganzes Bundle an Aromen mit sich bringen. Also insofern, da kann man nur sagen, probiert‘s, dann spürt‘s, so ungefähr. Also einfach mal rein verkosten, offen sein. Und ich setze es auch oft ganz bewusst bei Menüs ein. Wenn wir Bier-Dinner haben, dann serviere ich so ein belgisches Geuze einfach mal im Sektglas, relativ kühl, den Leuten am Anfang. Und sage denen gar nicht, was das ist. Dann sagen die immer: Ja, schön, dass wir hier so ein Bier-Dinner haben, aber wieso kriegen wir jetzt Champagner? Dann erkläre ich denen: Ist kein Champagner, ist Bier. Und so, glaube ich, muss man die Leute da auch ein bisschen ranführen, weil gerade in Deutschland viele einfach unter Bier das verstehen, was sie kennen. Und bei vielen hört der Horizont eigentlich schon beim Pils auf. Dann ist es immer ganz schwierig, denen zu sagen, du kriegst jetzt ein Bier, und ihnen dann ganz was anderes einzuschenken, als was sie kennen. Ich mache es oft so, dass ich ihnen erst was zu trinken gebe und dann mit ihnen erarbeite, wonach das riecht und wonach das schmeckt und ob sie das mögen. Und dann kommen wir erst dazu, dass das jetzt ein Bier ist und warum und wieso und was dahintersteckt.
Jörn Gutowski: Ja, das kann ich unterschreiben. Also diese Erfahrung mit der Berliner Weisse schon, auch das wieder, wenn man das einigen Leuten vorsetzt und sagt, hier ist ein Bier, probiere mal, dass die erste Reaktion erstmal eine Grimasse ist, weil man diese Säure nicht erwartet. Aber genau das, wenn ich sage, hier ist ein Cidre oder sowas in die Richtung, dass dann die Reaktion ganz anders ist.
Markus: Absolut!
Jörn Gutowski: Auch als deutschen Bierstil oder gerade Berliner Bierstil finde ich das superspannend, das ist auch meine Empfehlung für Leute, mal die Berliner Weisse, und das auch, weiß nein, nicht rot oder grün, nicht mit Sirup, sondern nur das Bier alleine zu probieren. Wenn man da eben mit dieser offenen Haltung rangeht, dass man diese apfeligen Noten, diese Frische, diese Spritzigkeit erwartet und nicht das typische Pilsaroma. Das ist interessant bei Berliner Weisse, weil die sehr wenig vom Malz und sehr wenig vom Hopfen, sondern sehr stark von der Hefe geprägt ist und von diesen sehr bestimmten Hefesorten, Brettanomyce, die da drin sind, plus diese Milchsäure-Vergärung als zweite. Was mal was ganz anderes ist, und das finde ich auch spannend, hey, das ist auch ein anderer Bierstil.
Markus: Absolut! Die Berliner Weisse kann ich auch nur empfehlen. Also erstmal vom Grund-Bierstil her natürlich, wie du schon sagst, die wilden Hefen machen da ihren Job. Das ist eben nicht nur die Milchsäure-Gärung, das ist vielleicht auch ein Punkt, da sollte man ein bisschen drauf achten, wenn man die echte quasi Berliner Weisse wirklich wieder probieren will, dann sollte man ein Bier nehmen, wo eben nicht nur Milchsäure-Gärung stattgefunden hat, sondern eben auch wilde Hefen mit Bestandteil waren. Das machen in Berlin momentan noch nicht so viele Brauer, aber das wird schon auch noch weiter zunehmen. Ist auch immer so ein Thema, weil diese wilden Hefen dann auch schwer zu kontrollieren sind. Da hat jeder Brauer Angst, dass die dann in der Brauerei eben ihr Unwesen treiben, auch da, wo man das nicht will.
Jörn Gutowski: Man braucht da quasi einen eigenen Bereich dafür, eigene (unv. #01:08:14.2#), die nur dafür sind, weil man ansonsten ein Problem hat.
Markus: Richtig, genau! Im Idealfall hat man dafür eine eigene Brauerei. Also der erste, der dafür eine Lösung gefunden hat, war der Jürgen Solkowski von Meierei in Potsdam. Der hat das so gemacht, dass er diese wilden Hefen dann in seine Fässer rein hat und dann praktisch die die Berliner Weisse Würze da hineingegeben hat. Und dadurch, dass dann das nur in den Fässern stattgefunden hat, konnte er eben diese wilde Gärung von der restlichen Brauerei so ein bisschen loslösen. Natürlich haben mittlerweile andere da noch geschmeidigere Lösungen entwickelt. Aber das ist wirklich ganz wichtig, dass man das eben dann trennt, wenn man andere Biere auch noch herstellt. Also da hat zum Beispiel die Ulrike Genz natürlich einen Vorteil, die macht fast nur so ihre wilden Biersorten von der Schneeeule und experimentiert da auch viel. Also hat auch Berliner Weisse mit Hopfen zum Beispiel mit richtig intensiven Hopfenaromen oder eben auch mit Ingwer, den mag ich total gerne, oder mit Chili. Da kann man natürlich tolle Sachen machen. Oder auch Lemke, die das zum Beispiel mit frischem Waldmeister machen, also wo man praktisch diese Idee der Himbeere oder Waldmeister Weissen aufgreift, aber nicht mit diesem zuckersüßen Sirup-Zeugs, sondern eben ganz bewusst sagt, wir arbeiten da mit frischen Früchten oder eben mit frischen Kräutern und vergären das mit. Und das sind auch supertolle Experimente, bis hin als letztes vielleicht auch so eine holzfassgelagerte Berliner Weisse, was auch Lemke macht, die Eiche. Das ist auch eine faszinierende Idee. Also sowas zusammenzubringen mit so karamelligen Aromen aus dem Holzfass, dann diese Säure, das ist ganz großes Kino und superspannend.
Jörn Gutowski: Da wird auch so ein bisschen experimentiert. Was ich vorher auch nicht kannte, das Thema der Reifung da nochmal im Fass, im Holz. Da wird mit unterschiedlichen Stilen auch mit experimentiert, sei es, ich glaube, klassischerweise gern aus dem Stout-Bereich, wo das natürlich sehr gut passt in diesem Bereich. Aber das war auch für mich eine neue Welt zu sagen, das sind fassgereifte Biere. Wo man dann natürlich auch, klar, auch preislich in andere Richtungen kommt, weil das natürlich eine ganz andere Sorgfalt, eine ganz andere Zeit, zeitliche Ressource auch dann in Anspruch nimmt. Aber das ist natürlich auch so ein interessantes Bild, wo man wirklich so bei Bier sagt, es gibt Durstlöscher, also schlankere Biere, die sollen auch einfach sein, die sollen süffig sein, und dann aber auch dieser andere Bereich, jetzt lass uns mal über Genuss reden, lass uns über auch Essensbegleitung sprechen, was du auch viel machst. Was sind da noch mal so ein paar interessante Sachen, wo du sagst, sei es natürlich Holzlagerung oder sonstige Dinge, die einfach noch mal eine ganz andere Welt aufmachen?
Markus: Ja, da gibt’s auch natürlich nochmal wieder viele tolle Möglichkeiten. Also die wahrscheinlich gängigste hast du jetzt gerade angesprochen, eben die Holzfasslagerung. Das ist was, was einerseits eine altbekannte Geschichte ist, weil es natürlich früher schon Holzfässer gab, aber man hat früher natürlich versucht, ganz bewusst den Kontakt zwischen Bier und Holz möglichst zu minimieren. Deswegen hat man die Holzfässer innen mit Pech, dieses Baumharz, ausgekleidet und eben dafür gesorgt, dass möglichst wenig Kontaktfläche zwischen eben Inhalt und Holz da war. Mittlerweile hat man das so ein bisschen entdeckt, um eigentlich das Gleiche zu machen wie beim Wein oder bei Spirituosen, dass man eben sagt: Im Gegenteil, ich versuche ganz bewusst durch das Holz eine Aromatik ins Bier zu bekommen. Nur ist das aber nicht so einfach: Einerseits darf man nicht vergessen, dass eine Spirituose mit einem ganz anderen Alkoholprozentsatz in so ein Fass hineinkommt und der Alkohol natürlich dann als Lösungsmittel auch nochmal ganz andere Eigenschaften hat, aus dem Holz entsprechend Aromen rauszuholen. Und dann ist es beim Bier natürlich auch so, dass das aufgrund des niedrigen Alkoholgehalts noch dazu auch anfällig ist für Infektionen aller Art und im Holz natürlich auch Bakterien aller Art sein können. Deswegen ist eben Holzfasslagerung wirklich gar nicht so einfach. Das hat sich dann eher eingebürgert, tatsächlich ziemlich starke Biere in Holzfässer zu stecken, also zum Beispiel eben Imperial Stouts oder dunkle Doppelböcke oder sowas, wo ich vom Alkoholgehalt schon deutlich über 10 % liege. Das stabilisiert das Ganze wieder ein bisschen und erhöht auch ein bisschen die Aromen-aufnahme. Und dass man bei den Fässern auch dann weggekommen ist von normalen Holzfässern zu Fässern, wo vorher schon was anderes drin war. Also zum Beispiel ein Whiskyfass, ein Ginfass, ein Rumfass, irgend sowas, und man dann eben das frisch lehrt, mit Stickstoff füllt, so dass dann immer noch diese Rum-Aromatik zum Beispiel in diesem Fass ist, und dann eben das Bier hineingibt und das dann nicht nur Holzaromen nimmt, sondern eben auch diese Rum-Restaromen aus diesem Fass.
Jörn Gutowski: So ein bisschen von diesen Scotch Whisky Brennern geklaut die Idee.
Markus: Ja, natürlich! Und eben noch dazu dann jetzt sagt, dann lasse ich das aber nicht nur alleine, sondern dann blende ich das auch noch und nehme mir dann zum Beispiel verschiedene Fässer, in denen verschiedene Spirituosen vorher drin waren und vielleicht auch normale Fässer, und habe da jeweils Bier drin. Dann mache ich daraus dann eine Mischung, einen Blend, eine Cuvée, und habe dann am Ende wirklich ein ganz einzigartiges Produkt. Das ist natürlich toll, also aromatisch sensationell, da gibt’s ganz, ganz tolle Beispiele. Problem an der Geschichte ist oft, dass es nicht reproduzierbar ist, weil das dann einfach was ist, das kann ich einmal so herstellen, und wenn dann die Fässer leer sind, dann war‘s das auch. Dann muss ich wieder neu anfangen, wieder neue Ideen haben. Und das andere ist natürlich, dass dieses Verfahren auch sehr, sehr kostspielig und zeitintensiv ist und solche Biere natürlich dann auch entsprechend ein Preisschild haben müssen, was anders ausschaut als bei dem normalen Bier. Aber wie gesagt, es gibt faszinierende Vertreter dieser Art. Ich muss sagen, worauf wir natürlich immer ein bisschen achten, gerade bei den Bierwettbewerben, ist natürlich, dass es verhältnismäßig einfach ist zu sagen: Ich nehme jetzt einfach ein Imperial Stout und haue das in ein Whiskyfass und fülle das dann ein halbes Jahr später ab, weil dann habe ich natürlich eine sehr intensive Aromatik aus dem Bier und eine sehr intensive Aromatik aus dem Whisky und irgendwie haut das alle Leute um, weil es völlig intensiv ist. Aber auf der anderen Seite geht’s nicht nur darum, sondern es geht eben auch darum: Ist das harmonisch, ist das spannend? Spielen die beiden Komponenten miteinander, also das Bier, das Fass oder vielleicht auch die Spirituose? Ist das insgesamt eine runde Geschichte und so? Da gibt’s dann eben auch Biere mittlerweile, die eben zum Beispiel im Alkoholgehalt eher bei fünf, sechs Prozent liegen und vielleicht nur einen leichten Holztouch haben, der aber dann wieder sehr spannend ist. Und dann ist das insgesamt vielleicht die größere Kunst, sowas herzustellen als eben so ein 12 % Whisky Stout. Da muss man eben auch ein bisschen gucken, dass man nicht nur die Brauer belohnt, die jetzt da nach der Methode „viel hilft viel“ arbeiten, sondern eben auch ein bisschen schaut, wo ist denn da wirklich handwerkliche Kunst und eine Idee und ein wirklich ganz besonderes Produkt dabei.
Jörn Gutowski: Spannend! Vielleicht abschließend zwei Sachen. Einmal, wir hatten vorher schon, also wir haben ja gesprochen, dass es bei den Bier-Stilistiken malzbetonte oder hopfenbetonte oder hefebetonte Biere gibt. Und du hast auch schon so angeklungen, es gibt auch interessante dann Mischungen wie vielleicht jetzt ein dunkles Hefe, was Malz und Hefe reinbringt, geschmacklich. Gibt es denn aus deiner Sicht auch ein Bier, was den Dreiklang hat aus so zu gleichen Teilen malz-, hopfen- und hefebetont ist?
M: Ja, ich überlege grad. Das ist gar nicht so einfach. Also zu gleichen Teilen muss ich fast sagen, nein. Es gibt natürlich tolle Biere, zum Beispiel Black IPAs oder so, aber da spielt die Hefe keine große Rolle, da bin ich in der Mischung zwischen Malz und Hopfen. Ich habe diese belgischen dunklen Biere, zum Beispiel Quadrupel, Dubbel oder so, die dann entsprechend auch wieder Malz- und Hefe-Aromatik spielen, Hefe und Hopfen.
Jörn Gutowski: Gibt es ein dunkles Weizen IPA?
Markus: Mittlerweile gibt’s natürlich alles. Also natürlich gibt’s das und das wird man irgendwo kaufen können. Aber das Problem ist, es ist, glaube ich, unheimlich schwer, wenn nicht sogar unmöglich, diese Aromen wirklich so in Einklang zu bringen, dass man die alle miteinander schmeckt und entsprechend die Herkunft auch noch zuordnen kann. Das ist, glaube ich, wirklich schwer. Wie gesagt, auf dem Markt gibt’s das garantiert, und wenn man das entsprechend vorher den Leuten so beschreibt, dann werden sie das auch schmecken. Also von den genuinen Bierstilen her wüsste ich jetzt automatisch eigentlich nichts, was das wirklich alles miteinander widerspiegelt. Ist schwierig, ich meine, letzten Endes, wenn man ein schönes englisches Pale Ale nimmt, dann hat man eine Ausgewogenheit zwischen Malz und Hopfen und hat irgendwo auch noch ein bisschen Ester aus der Hefe. Man könnte das schon irgendwie darstellen. Aber das ist auch schwierig, das ist ähnlich wie beim Kochen auch. Wenn du jetzt sagst, du kochst irgendeine Suppe und haust von jedem Gewürz 20 Gramm rein, dann liest sich das super auf der Zutatenliste, aber ob das dann wirklich irgendjemand schmeckt und ob der dann in der Lage ist, was weiß ich, Thymian, Koriander, Salz, Pfeffer, was man alles da reinschmeißen kann, Ingwer, raus zu schmecken, das ist dann natürlich irgendwann auch schwierig. Deswegen ist, glaube ich, auch so der Punkt, dass die wahre Kunst, glaube ich, eher besteht, wirklich ein gutes Produkt, was schon eine gewisse Palette widerspiegelt, aber auch eine Erkennbarkeit hat und wo man auch sagt, das ist jetzt wirklich spannend, zum Beispiel da jetzt diese Hopfen-Aromatik sehr schön wahrnehmen zu können. Wäre mir ein zu viel an verschiedenen Sachen wahrscheinlich am Ende auch wirklich zu viel.
Jörn Gutowski: Du kennst dich so viel aus mit Bier, hat es dich eigentlich irgendwann selber in den Fingern gejuckt, eine eigene Brauerei zu eröffnen?
Markus: Eine eigene Brauerei zu eröffnen, Gott sei Dank nicht. Weil Gott sei Dank auch vorher der Versuch da war, überhaupt erstmal Bier selber zu machen. Natürlich weiß ich, wie das geht, und ich habe auch mit Braukursen schon des Öfteren Bier gebraut, aber man muss eben noch viele Eigenschaften haben, die ich nicht oder zumindest nicht so gut habe, um am Ende ein gutes Bier machen zu können. Das ist ganz wichtig, vor allem eben ein Verständnis für den Prozess, für die Hygiene, für die Temperaturen, für all das, was eben der Brauer auch in seiner jahrelangen Ausbildung lernt. Also das vergessen auch viele Biersommeliers immer, da macht man zwei Wochen irgendeinen Kurs oder bei uns 16 Wochen, aber trotzdem, das ist was anderes als da wirklich jahrelang eine Ausbildung zu machen. Das fehlt mir natürlich und ich weiß auch, ich habe da den Hang auch gar nicht dazu, da bin ich zu wenig perfektionistisch und zu ungeduldig auch. Also dementsprechend, also weiß ich wie es funktioniert und habe den Prozess auch schon ein paar Mal gemacht, aber ich war mit dem Ergebnis nie wirklich zufrieden und bin eigentlich heilfroh, dass es Leute gibt, die das wirklich richtig gut können und deren Ergebnisse ich dann Gott sei Dank trinken darf.
Jörn Gutowski: Wunderbar! Meine letzte Frage wäre, Markus: Was denkst du, was für Biere trinken wir so in 15 Jahren, also wo geht da die Reise hin? Glaubst du, dass wir anders Bier trinken werden, oder wird das ähnlich bleiben?
Markus: Ich glaube, das letzte ist der Punkt, wir werden anders Bier trinken und wir werden anderes Bier trinken. Wobei die Frage nochmal ist, wer ist wir? Also du und ich, wir beide werden wahrscheinlich mehr oder weniger ähnliche Biere trinken wie jetzt auch. Aber wenn man vom gesamten Markt her sieht, da zeichnen sich ganz klare Tendenzen ab. Also die eine Tendenz ist Richtung alkoholfrei. Man hat jetzt gerade bei der jungen Zielgruppe immer größere Anteile von Leuten, die einfach zwar gerne Bier trinken, aber eben nicht mit Alkohol. Da ist entsprechend ein großes Angebot auch schon da, also im Ausland noch größer als bei uns, aber es wächst bei uns jetzt auch enorm. Und ich bin mir sicher, dass in 20 Jahren mich meine Enkel fragen werden: Warum trinkst du überhaupt Bier mit Alkohol, es doch genügend ohne? Und warum musst du dir dieses Gift überhaupt zuführen, wenn man das anders auch kann? Dementsprechend wird sich da, glaube ich, (unv. #01:19:14.3#)
Jörn Gutowski: Macht aber so lustig.
Markus: Ja, ja, genau! Da dreht er seine Rollstuhlkreise ein bisschen schneller. Nein, ich weiß auch nicht. Das wird sicherlich ein Thema sein, weil auch das Thema Gesundheit natürlich eine Rolle spielt. Das ist mir persönlich auch immer ganz wichtig, den Brauereien jetzt zu sagen, gerade den mittelständischen bei uns, wer sich dem jetzt verweigert und verschließt, auch das alkoholfreie Segment zu erschließen, der wird in zehn Jahren ein großes Problem haben. Weil da andere dann so einen Vorsprung haben, dass ich kaum mehr da nachkommen kann. Und damit geht natürlich einher, ein entsprechender Verlust an Absatz an normalen Bieren. Auch das muss ich dann irgendwie kompensieren. Jetzt haben die gerade alle noch Saft und Kraft und deswegen wird es jetzt Sinn machen, sich das auf jeden Fall zu erschließen. Der andere Punkt ist natürlich auch wichtig, dieses ganze Thema rund um Nachhaltigkeit, Regionalität und so, da wird sich sicherlich auch viel tun. Es wird viel Brauereien geben, die mit ihren Rohstoffen noch viel regionaler denken, also sich selbst ihr eigenes Malz zum Beispiel wieder herstellen, mit dem Bauern um die Ecke da kooperieren, entsprechend auch den Hopfen nahe haben und da auch viel experimenteller unterwegs sind. Ich glaube, da wird viel passieren, und es wird sich auch der Trend verstetigen, den wir jetzt schon haben, nämlich dass sich die ganze Bierwelt internationalisiert. Vor 20 Jahren war es noch so, wenn jemand mir ein Weizen hergestellt hat, dann war klar, dass das zu 99 % Wahrscheinlichkeit aus Bayern kommt. Und wenn mir jemand ein Blonde hingestellt hat, dann war das belgisch, und ein Pale Ale war eben englisch oder amerikanisch. Aber heute braut jede Brauerei auf der Welt jeden Bierstil und das wird noch viel mehr werden, so dass es eigentlich eher so eine globale Bierkultur gibt, wo es immer wieder mal so neue Erfindungen, neue Ideen gibt und jeder sich so selber so ein bisschen auslebt. Das ist aber auch was, was ich ganz besonders schätze, ich bin gerade auch global viel unterwegs und da kann man wirklich in jeder Brauerei immer wieder andocken. Das ist einfach nur schön, da eben schon zu erleben, dass egal, ob du jetzt in China, in Russland, in Chile, was weiß ich, auf Taiwan oder sonst wo bist, die Leute trinken alle gerne Bier, die haben eine Faszination für das Thema, und das sind einfach Menschen. Das ist so wichtig in der heutigen Zeit, das zu verstehen, dass das Bier da wirklich ein gutes Mittel sein kann, das auch zu transportieren.
Jörn Gutowski: Markus, was für ein wunderbares Schlusswort, würde ich sagen.
Markus: Danke!
Jörn Gutowski: Man kann natürlich noch so ewig lange über Bier reden, aber ich denke, wir machen einen Cut und ich würde mich freuen, irgendwie in Zukunft das Gespräch mal fortzusetzen. Vielleicht dann auch in Real Life, wie man so schön sagt, mit einem leckeren Bier. Und wir sagen einfach, das ist beruflich, dass du dann auch ein Bier trinken darfst.
Markus: Auf jeden Fall! Und wir können dann vielleicht auch nochmal das Thema Food Pairing aufs Korn nehmen. Das ist nämlich wirklich spannend, weil sich da in den letzten Jahren einfach was getan hat.
Jörn Gutowski: Genau!
Markus: Es gibt einen deutschen Forscher, den du auch kennst, den Professor Vilgis, der eigentlich so als erster es geschafft hat, Food Pairing auch wirklich auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen, so dass man jetzt auch wirklich begründen kann, warum Dinge miteinander harmonieren und nicht. Auf der Basis haben wir unsere Ausbildung auch in der Hinsicht aufgebaut. Das ist wirklich spannend zu sehen, wie das funktioniert und dass es funktioniert.
Jörn Gutowski: Das wäre doch mal ein schönes Thema.
Markus: Jo!
Jörn Gutowski: Am liebsten natürlich für mich, wenn ich dann gleich das auch probieren darf.
Markus: Da machen wir einen Live-Podcast und probieren dann so ein bisschen rum.
Jörn Gutowski: Super, wunderbar! Markus, ganz herzlichen Dank dir!
Markus: Sehr schön! Ja, gerne.
Jörn Gutowski: Das war sehr erhellend für mich.
Markus: Auch vielen Dank und auch für deine Offenheit und dass ich die Möglichkeit habe, auch mit dir zu reden. Wunderbar! Toll!
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