Frank Boon wuchs als Kind in einer belgischen Familienbrauerei im Norden Brüssels auf, die allerdings schließen musste, bevor er sich Gedanken über seine Zukunft machen konnte. Dafür freundete er sich mit einem alten Geuze-Meister an, Joseph De Vits und übernahm schließlich seine kleine Lambic-Brauerei in Lembeek, dem Ursprungsort dieser Bierspezialität. Aus dem Mini-Betrieb machte er die Vorzeigebrauerei des Landes und steht nun selbst kurz vor der Übergabe an seine zwei Söhne. Außerdem ist Frank Boon Großmeister der Ritterschaft „van de Roerstok der Brouwers“, der Vereinigung der belgischen Brauer. Im BierTalk mit Markus Raupach und Holger Hahn spricht er über seine Geschichte und die vielen Besonderheiten der belgischen Bierkultur, lassen Sie sich überraschen…
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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute haben wir ein neues Special, und zwar gehen wir wieder ins Ausland, nach Belgien, zu einem ganz besonderen Ort, zu einem ganz besonderen Menschen. Wir gehen nach Lembeek, dort, wo die Geburtsstunde eines der wichtigsten Bierstile der Welt, des Lambic-Bierstiles steht, nämlich der Ort Lembeek, und wir treffen Frank Boon, der dort letzten Endes eine Brauerei aufgebaut hat, die weltweit für das Thema Lambic steht. Am Mikrofon wie immer ich, der Markus und …
Holger: … der Holger …
Markus: … und eben unser Frank. Wenn du dich kurz unseren Hörern vorstellen würdest?
Frank Boon: Hallo, ich bin Frank Boon, wie gesagt, der Brauer von Lambic-Bieren in Lembeek in Belgien. Ich habe die Brauerei Boon, ich habe damit angefangen in 1975 vor 45 Jahren. Seitdem habe ich immer Lambic-Bier produziert, das heißt Geuze, Kriek und Framboise, das sind Kirschen- und Himbeeren-Biere. In diesem Jahr ist mein letztes Jahr, im nächsten Jahr sind meine zwei Söhne in der Brauerei.
Markus: Also ein echtes Familienunternehmen. Das ist ja sehr, sehr schön. Vielleicht für die Hörer, die jetzt noch gar keine Verbindung haben: Was ist der Unterschied zwischen einem Pils und einem Lambic-Bier? Was kann man sich da vorstellen?
Frank Boon: Wie gesagt, gibt es verschiedene Biersorten in der Welt, untergärige wie Pilsner Biere oder Helles, und dann obergärige, englisches Pale Ale. Und dann gibt es eine Sorte am meisten in Belgien, das sind die Biere von spontan gegärten Bieren. Dabei soll man keine Reinhefe zusetzen, nur wilde Hefen, die man von der Umgebung der Brauerei bekommt. Lambic ist ein spontan gegärtes Bier, es reift für viele Jahre. Pilsner Bier kann man in einigen Tagen oder Wochen herstellen, aber für Lambic, vor allem gute Geuze, braucht man verschiedene Jahre.
Markus: Und diese speziellen Hefen kommen bei euch in der Gegend vor? Ist das so?
Frank Boon: Ja. Bei uns findet man diese wilde Hefe in der Luft, in der Umgebung der Brauerei. Es gibt wilde Hefe überall auf der Welt, aber nicht alle wilde Hefen sind okay für Bierproduktion. In dieser Gegend hat man das immer so gemacht, und damit kann man ganz besondere Biere herstellen.
Markus: Auf jeden Fall. Das weiß der Holger, denke ich, auch. Holger, du bist ein Freund vom Pils und ein Freund von Lambic. Wie würdest du es schildern, wenn jetzt jemand fragt: Was magst du lieber und was ist für dich so der Geschmacksunterschied?
Holger: Habe ich heute schon machen müssen, weil ich ja gerade hier in einer Lkw-Werkstatt der MAN bin in Garmisch-Partenkirchen, also ganz im südlichsten Zipfel Deutschlands, mit Blick auf die Zugspitze, also dem höchsten Berg Deutschlands. Naja, und dann bin ich hier rein und habe erklärt, was wir da heute machen. Dann habe ich gesagt, da ist ein ganz berühmter Mann, der Inhaber der Boon-Brauerei. Und dann haben die gefragt: Was machen die für Biere? Ja, belgische Biere. Ah ja, das sind ja diese Frucht-Biere. Und dann sage ich: Ja, das sind auch die Frucht-Biere, aber da gibt es auch was, das nennt man Geuze. Dann haben die gesagt: Ja, wie ist das denn und so? Dann hatte ich auch eine Flasche, habe ich extra eine Flasche gezeigt, und habe dann gesagt: Wenn wir die jetzt hier einfach aufmachen und die dann in ein normales Glas geben und ich lasse euch einfach trinken, dann ist das eine Überraschung für euch. Also das schmeckt anders als ein Helles. Aber wie schmeckt das denn und so? Dann habe ich gesagt: Man muss sich das eher so vorstellen wie ein komplexer Champagner als jetzt ein helles bayerisches Bier. Die beiden waren dann total begeistert. Dann habe ich noch gesagt: Schaut mal her, da steht jetzt hier 2016 drauf, und was glaubt ihr denn, was das für ein Mindesthaltbarkeitsdatum hat? Dann haben sie gesagt: Maximal 2 Jahre. Wie die Deutschen halt so sind und so. Dann sage ich: Nein, nein, hier steht 2039 drauf. Das haben sie dann gar nicht glauben wollen, haben Fotos gemacht. Und ich habe dann noch eins draufgesetzt und habe gesagt: Andreas …, also das ist der nette Kollege, der mir das hier ermöglicht, hier zu sitzen, und dann habe ich gesagt: Andreas, wenn du jetzt 80 wirst, könnten wir es immer noch trinken.
Markus: Es ist ja wirklich ein besonderer Geschmack. Es ist ja auch ein Unterschied zwischen einem Lambic und einer Geuze. Das heißt, da sind Schritte dazwischen. Wie kann man sich das vorstellen, was passiert in der Brauerei? Also es wird normal ein eingemaischt, aber dann?
Frank Boon: Richtig! Lambic braut man ein bisschen wie Weißenbier, aber die Weizen in Lambic sind ungemalzte Weizen. Das ist wichtig für uns, weil mit ungemalztem Weizen hat man auch eine sehr langsame Gärung. Wir haben eine ganz spezielle Braumethode, die heißt trübe Würze, brauen mit trüber Würze. Mit der trüben Würze gehen auch die meisten Gluten aus dem Lambic. Weil der Lambic gärt und reift mit der wilden Hefe, geht das sehr langsam. Und das gärt alles in Holzfässern. Wir haben keine Gärhöfe, wir haben, was man nennt Setzbottich, Kühlschiff, große Holzlagerfässer. Wir haben in unserer Brauerei so etwa 23.000 Hektoliter Kapazität für Holzfässer von verschiedenen Größen, ganz kleine von 4000 Liter und die großen sind 27.000 Liter. Darin gärt und reift für sehr lange Zeit der Lambic. Und zwar haben wir auf Lager Lambic von ein, zwei und drei Jahren, auch einmal vier Jahren, aber am meisten sind dann ein, zwei und drei Jahre. Warum ist das wichtig? Wenn der Lambic gebraut ist und nur einige Wochen alt ist und man verkostet ihn, dann schmeckt es ein bisschen wie ein fremdes deutsche Weizenbier. Fremd, weil die Hopfen, die wir benutzen, auch alte Hopfen sind. Es sind keine neuen Hopfen, sie haben keine Hopfenaroma im Bier. Und wenn der Lambic reift für, ich sag mal, ein Jahr, dann wechselt der Geschmack. Wenn das verkostet nach einem Jahr, schmeckt das wie ein junger Weißwein. Und nach zwei Jahren ist der Lambic hell, ganz hell, nicht filtriert, nur hell, in die Holzfässer, klärt sich aus, wenn das Bier hell ist, und wenn man verkostet, ist es ganz genau wie ein Weißwein, aber mit einer fremden Bittere, und ein bisschen nicht räucherig, aber phenolisch wie Whisky. So schmeckt das. Das wird auch so getrunken. Geuze produzieren, dann machen wir eine Mischung von Lambic, 60 % ein Jahr, 30 % zwei Jahre und 10 % drei Jahre. Und solange das Bier Lambic heißt, schäumt es nicht, es ist kohlensäurefrei wie Weißwein. Geht es auf Flaschen, haben wir eine Flaschengärung, schäumt es häufig wie ein Champagner.
Markus: Ein Champagner-Bier, wie der Holger ja auch schon gesagt hat, finde ich auch. Spannend ist ja auch, bei euch in der Gegend kann man in vielen kleinen Orten auch überall verschiedenen Lambics und Geuze probieren. Aber es gibt einen Unterschied, es gibt Brauereien, die die Würze selber auch machen, und es gibt Brauereien, die einfach von einer anderen Brauerei die Würze nehmen und dann ihr Lambic und ihre Geuze machen. Ist das eine alte Tradition, war das schon immer so, oder ist das eine neuere Entwicklung?
Frank Boon: Das ist eine sehr alte Tradition. Das ökonomische Problem mit so einem Bier, es sind riesige Lager, die man braucht, um so viel Bier zu speichern. Und so war es früher, dass viele Cafés oder Restaurants, die hatten große Keller und große Lager und kauften frisch gebrauten Lambic von den Lambic-Brauereien. Viele von diesen kleinen Lambic-Brauereien waren Bauern, die von Gersten und Weizen vom eigenen Gewinn in ihrer Wirtschaft haben. Damit wird Lampe gebraut und der Lambic wird dann geliefert an diese Restaurants oder Cafés, die damit dann später Geuze produzieren. In den letzten Jahren sind viele von diesen kleinen verschwunden, es gab etwa bis 1940 200 davon, heute gibt s noch sieben oder acht Lambic-Mischer. Die sind alle Kunde bei uns. Typisch kaufen die frisch gebrauten Lambic, der Lambic kommt vom Kühlschiff, geht in die Holzfässer bei den Lambic-Mischern, und oft kauft der auch Lambic von verschiedenen Brauereien. So mischt er seine Geuze nicht nur mit ein, zwei und drei Jahren, aber auch mit einem Jahr von verschiedenen Brauereien, zwei Jahren von verschiedenen Brauereien, oder er sagt, für die drei Jahre brauche ich nur Lambic von dieser Brauerei, mein junges Bier kommt von dieser Brauerei. So mischen die Geuze.
Markus: Also ist jede Geuze eigentlich eine individuelle Spezialität, eine eigene Kreation, die man auch nicht nochmal machen kann, sondern das ist immer eine Einmal-Geschichte, die man genießen kann. Ich war mit Holger zusammen auch schon unterwegs bei euch in der Gegend und wir haben unter anderem auch bei De Cam vorbeigeschaut, was du sicher kennst. Und da haben wir noch was anderes beobachtet, Holger, was dir viel Spaß gemacht hat, nämlich den Lambic Stomper.
Holger: Ich bin ein großer Sauerbier-Fan. Und deshalb versuche ich das auch, überhaupt die belgische Bierkultur, immer auch möglichst vielen Leuten, die mit mir Verkostungen machen, in Deutschland auch näher zu bringen. Und dann erzähle ich das also immer so, dann müsst ihr mal in Belgien in ein so schönes Bier-Café gehen und dann bestellt ihr euch ein Sauerbier. Und dann sage ich immer einfach so raus: Wenn euch das dann zu sauer ist, dann bestellt ihr einfach Zucker. Und dann macht ihr da Zucker rein und dann gibt’s so Stampfer, da kann man dann unten auf dem Boden den Zucker zerstampfen, und dann ist es nicht mehr so sauer. Dann sind natürlich die deutschen Biertrinker, die sagen: Um Gottes Willen! Was? Was machen die? Also unglaublich, unglaublich. Dann probieren wir das auch aus, und dann sagen die: Mensch, das ist doch wirklich interessant, das ist wirklich interessant. Das macht mir so viel Spaß, da auch so ein bisschen den Horizont zu öffnen und auch mit den Dingen zu arbeiten, damit die Leute sich ein bisschen öffnen für neue Dinge. Und dann, wenn natürlich Frauen dabei sind, also die gar keine klassischen Biertrinker sind, sondern vielleicht so auch eher Weintrinker, die sind dann ganz begeistert. Die sagen dann: Das ist jetzt mal Bier, das schmeckt ja auch. Und dann sagen die Männer: Ja, nein, das geht doch gar nicht und so. Also das ist immer sehr lustig. Die Belgienreise, die ich mit dem Markus gemacht habe, die war einfach ganz großartig. Das empfehle ich jedem, das mal richtig, also wirklich in den Urlaub zu fahren, eine Woche das einfach mal so richtig zu genießen und zu erforschen, was da unser Nachbarland alles zu bieten hat.
Markus: Frank, wie ist das mit dem Zucker, mit der Säure? Ist da eine Geschichte dahinter? Wie müssen wir uns das überhaupt vorstellen, warum gibt es Lambic überhaupt noch?
Frank Boon: Zucker ins Bier, das ist auch eine sehr alte Geschichte. Früher haben die Lambic-Brauer immer am Anfang der Brau-Saisons gebraut, nur im Winter. Dann haben die immer einige sehr schwere Sude gebraut und dann gekocht für 24 Stunden, sodass man einen Zuckersirup bekam. Und das benutzte man dann, um ganz leichte Biere zu süßen. Und so gab es für viele, ich sag mal, einfache Biere, die ganz niedrig in Alkohol lagen, und die hatten ein bisschen Geschmack der Säure von der wilden Hefe Gärung, mit ein bisschen Zucker dazu hatte man ein gutes Bier mit ganz niedrigem Alkoholgehalt. Viele von diesen Bieren sind verschwunden, als Limonade auf den Markt gekommen ist vor 100 Jahren. Aber die gibt es noch immer. Und normal, eine Geuze zum Beispiel, den Säuregehalt in Geuze kann man vergleichen mit Säuregehalt bei einem Sekt. Einige sind saurer, dann fragen die Frauen, hast du ein bisschen Zucker und einen Stomper. Man soll zuerst den Zucker nass machen mit Bier, ganz langsam, und wenn der Zucker ganz nass ist, dann lässt man ihn langsam mit dem Stomper ins Glas sinken bis an den Boden. Macht man das nicht, dann schäumt alles aus dem Glas, eine Kunst.
Holger: Wo kommt eigentlich der Name her? Geuze, wir haben ja sowas Ähnliches in Deutschland, die Gose. Wo kommt eigentlich der Name her?
Frank Boon: Nicht von der deutschen Gose, der Gose von Deutschland kommt von Goslar, der Stadt Goslar. Das ist was ganz Anderes, aber der Name von dem Bier bei uns ist Lambic. Wir haben verschiedene Sorten Lambic, Kriek Lambic mit Kirschen oder Himbeeren, Framboise Lambic, und auch Geuze Lambic. Am Anfang war das Lambic mit ein bisschen Zucker dazu, das wird Geuze Lambic genannt. Warum? Das Land, das heute Belgien ist, war zwischen 1815 und 1830 ein Teil von den Niederlanden. Und der König von den Niederländen, man sagt, er war ein Geuze, weil er nicht katholisch war. Und für einen Tag war er in Brüssel, hat er gefragt auf der Neujahrfeier, kein Champagner für mich, gebt mir das Lokalbier. Er wollte die Wirtschaft unterstützen und er wollte Lokalbier. Und sagt er: Ich will auch ein bisschen Zucker dazu. Der ganz weiße Zucker, das war etwas ganz Neues Anfang des 19. Jahrhunderts. Und man hat das gesehen in Brüssel, die sagten: Ja, der König Wilhelm, der trinkt sein Lambic mit Zucker, der Geuze König. So hat man gesagt, das ist Geuze Lambic, das heißt, Lambic mit ein bisschen Zucker. Warum ist heute Geuze ein schäumendes Bier? Selbstverständlich, wenn man Zucker dem Lambic zusetzt und man füllt das in Flaschen, dann schäumt es häufig wie Champagner. Und so war das Geuze Lambic und dann später kurz Geuze.
Markus: Vielleicht sollten wir mal eins probieren, also bei uns im BierTalk gehört ja immer dazu, dass wir auch ein Bier testen. Mit der Bierverkostung müssen wir es heute ein bisschen anders machen, weil der Holger ja unterwegs ist auf der Autobahn und logischerweise kann er da kein Bier trinken. Und es ist früh am Morgen, da verstehe ich auch, dass der Frank nicht gleich zum Bier greifen will. Letztes Jahr war ich kurz vor Weihnachten noch mal in Brüssel und war in einem kleinen Laden und habe mir dort selber ein Geschenk mitgenommen. Dieses Geschenk ist ein Papierkarton von der Brauerei Boon, also vom Frank. Und dort sind vier besondere Biere drin, und zwar steht hier Geuze Discovery Box, und es sind vier Biere, die jeweils von einem speziellen Bierfass stammen. Also das sind die Nummern 91, 92, 110 und 108. Das ist wohl eine ganz besondere Abfüllung. Es ist ein eigener Karton mit einem kleinen Heftchen dazu. Frank, welches soll ich denn aufmachen? Welches würdest du mir raten?
Frank Boon: Es gibt in unserer Brauerei 161 Holfässer, nicht nur der Lambic ist verschieden von Jahr zu Jahr, ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre alt Unterschied, aber auch unterschiedlichen Bierfässer. Wenn wir Geuze mischen, sollen wir immer besondere Fässer beieinander mischen, um immer ungefähr denselben Geschmack zu bekommen. Aber es ist auch interessant, um diese Fässer als Monos zu verkosten. Zum Beispiel, von den Amerikanern sehr beliebte 108, das war ein alter, aber mit ziemlich viel flüchtiger Säure. Das ist ein bisschen essigähnlich. Nicht sehr beliebt in Belgien, aber immer sehr schön in kleiner Menge in einer Lambic Mischung. Der 92 ist ein ziemlich neues Lagerfass, und dort, wenn sie den verkosten, finden sie viel Eichenholz. 110 war früher ein Cognac-Fass, war noch immer ein Teil von Cognac, den man findet im Bier. Das Interessante ist, um diese verschiedenen Geuze so alle vier auf eine Reihe zu verkosten, hast du eine Idee?
Markus: Ich komme ja aus Bamberg, und in Bamberg gibt es immerhin auch ein Bier, was sehr stark mit Holz in Verbindung steht, nämlich unser Rauchbier, Schlenkerla Rauchbier. Und das wird klassischerweise über Buchenholz geräuchert, und einmal im Jahr gibt es auch eine Sonderedition, da wird das über Eichenholz geräuchert. Und wenn du schon von Eiche sprichst, dann nehme ich einfach mal die Verbindung und hole mir mal die 92 raus, und werde mal gucken. Alle vier kriege ich jetzt am Morgen natürlich auch nicht. Das wäre vielleicht ein bisschen zu heftig. Aber jetzt schaue ich mal. Es ist natürlich eine wunderschöne Flasche, wie das eben bei euch in Belgien so ist. Da wird Bier ganz anders zelebriert als bei uns. Man würde niemals auf die Idee kommen, ein Pils mit so einer schönen Kappe zu versehen, dann noch einen schönen Korken drauf zu machen, der im Grunde aussieht wie bei einem Sekt. Jetzt fange ich mal an und schraube das auf.
Frank Boon: Das ist auch, weil das Bier so lange noch auf Flaschen lagert. Diese Flasche haben wir abgefüllt, ich glaube, in 16.
Markus: 16, der Dezember 16.
Frank Boon: Und dann lagert das noch für einige Jahre in der Brauerei.
Markus: Dann mache ich mal den Korken auf.
Frank Boon: Vorsicht!
Markus: Das war schon mal ein gutes Geräusch. Jetzt gucke ich mal. Ich hoffe mal, dieses Geräusch haben die Hörer jetzt auch schön mitbekommen, wie der Schaum sich hier entfaltet. Ein wunderbares Bier, eine wunderschöne honigbraun, goldene Farbe. Oben drüber ist jetzt ein schöner weißer Schaum, relativ grobe Poren, sehr stabil. Kleine Perlen gehen so durch dieses Bier. Es ist sehr klar, schaut fast aus wie ein filtriertes Bier, aber ist ja unfiltriert, ne?
Frank Boon: Das ist unfiltriert. Ja. Wir haben keine Filter in unserer Brauerei und nach zwei Jahren sind all die Lambic ganz hell in den Lagerfässern. In der Nase immer etwas leicht phenolisch, kräutrig, aber auch Waldgeruch.
Markus: Der Anfang vom Geruch, das ist ein bisschen wie so ein Apfelmost, wie so ein Apfelcidre, also sehr fruchtig, frisch, süße Aromen. Und dann, wenn man weiter reinriecht, dann kommen so leicht säuerliche, da kommt auch ein bisschen Trauben, dann kommt das Holz und hintenraus, so am Ende, habe ich dann diese Pferdedecke, wo so ein bisschen die wilde Hefe sich bemerkbar macht.
Frank Boon: Ja, Pilsener-ähnlich.
Markus: Jetzt probiere ich das Ganze mal. Ja, wunderbar! Ich glaube, wenn man sich in diese Biere verliebt, dann immer richtig. Also man kann die nur lieben oder nicht. Ich finde das ganz großartig. Es erinnert mich auch, wir waren ja vor ungefähr einem Jahr bei dir in der Brauerei und da hast du uns ja auch aus den Fässern probieren lassen. Also das ist einfach ein ganz, ganz toller Genuss. Schwierig zu beschreiben, weil es hat natürlich eine leichte Säure, aber eine sehr leichte. Also ist jetzt nichts, wo man sagt, man muss den Mund verziehen oder so, sondern ist wirklich wie ein Wein oder wie auch ein trockener Apfelsaft, wenn ich jetzt keinen Zucker zugebe, sondern einfach nur den puren Fruchtsaft habe, so ungefähr ist die Säure. Es hat die holzigen Aromen, es hat was sehr Seiches, ein bisschen Vanille vielleicht sogar.
Frank Boon: Auch, ja, vom Holz.
Markus: Also sehr spannend. Und auch ein bisschen so Gewürze, ein bisschen Zimt, also sehr, sehr vielfältig. Ich glaube, wenn jemand das bekommt und nicht weiß, was es ist, wird er nicht auf die Idee kommen, dass es Bier ist, aber er würde sagen oder sie, das ist ein ganz, ganz großartiges Getränk. Also kann ich mir wunderbar vorstellen als Anfang von einem Menü zum Beispiel auch als Aperitif. Wann trinken die Belgier dieses Bier? Ein Morgengetränk ist es ja offensichtlich nicht, aber wann macht man so sein …
Holger: Na klar, zur Sportschau, oder. Zur Sportschau.
Frank Boon: In Belgien trinkt man Bier in kleinen Mengen. Diese 92 ist es 8,5 oder 9,5 %. Für Deutsche ist das stark, aber …
Markus: 8 %.
Frank Boon: … ja, für die Belgier nicht. Weil wir sagen ja, Wein hast du 12,5 %, 13 % Alkohol, so ein Bier von 8 %, das ist sehr leicht im Vergleich mit Wein. Und Leute, die das nicht kennen und die nicht wissen, dass das Bier ist, oft sagen die: Das ist eine Mischung, haben sie etwas gemischt, Schaumwein mit ein bisschen Apfelwein und ein bisschen Whisky dabei? Und vielleicht: Was hast du gemischt?
Markus: Faszinierend, und man muss sich auch vorstellen, wenn man bei dir in der Brauerei ist, diese Fässer sind riesig. Da würde ich, wenn ich mich dreimal auf mich selber draufstellen würde, dann bin ich vielleicht irgendwo mal am oberen Ende dieses Fasses. Und dann sind die auch noch sehr lang und sehr groß. Also einfach eine ganz andere Dimension, als wir uns jetzt zum Beispiel in Deutschland ein Bierfass vorstellen. Wir haben jetzt gerade über Lambic und Geuze gesprochen, hast du schon erwähnt, es gibt auch Kriek und Framboise. Das heißt, da geht es dann um Kirschen und um Himbeeren. Ist das eher eine neue Tradition oder ist das auch eine alte Tradition? Wie kommt das?
Frank Boon: Das ist auch eine sehr alte Tradition. Zum Beispiel wissen wir, in Brüssel gab es ein Gesetz vom 14. Jahrhundert, wo es verboten war, die Fässer der Brauerei zu benutzen, um Kirschen dem Bier zuzusetzen. Sondern die Kirschenbiere, die sollen ihre eigenen Fässer benutzen und nicht die Fässer von den Brauereien. Kann man ganz leicht verstehen, weil wenn das Fass leer ist und das liegt noch ein bisschen so mit all diesen Kirschen drin und das kommt zurück in die Brauerei, das ist nicht sehr gut für den Geschmack vom Bier. Sehr alte Tradition, auch für Himbeeren. Aber es gab noch andere Früchte früher, aber diese zwei sind die zwei wichtigsten.
Markus: Und wann passiert das? Also ich braue das Bier, ich gebe das in das Holzfass und kriegt dann das fertige Bier eine Himbeere oder wann kommt die ins Spiel?
Frank Boon: In vielen Restaurants und Cafés hat man das früher selbst gemacht. Wenn sie ein Fass von einer Brüsseler Tonne, das heißt 250 Liter, so ein Fass 60 Kilogramm Sauerkirschen und dazu das Fass füllen mit jungem Lambic von, ich sag mal, Januar oder Februar gebraucht, so ganz jungen Lambic, und dann gärt das zusammen, und dann, ich sag mal, nach einigen Monaten kann man das verkosten oder nach einigen Wochen, hängt ab von den Sauerkirschen, die Sorte und ob sie reif sind oder nicht, und dann kann man das verkosten. Dann hat man ein rotes Bier mit einem Kirschengeschmack. Man kann das zu Hause machen mit Lambic.
Holger: Im Moment lese ich eine Biografie von Friedrich Hölderlin, das ist ein deutscher Dichter. Der hat gesagt, das treffliche Bier lässt den lecker Wein vergessen. Das passt doch ganz genau zu dem, was ihr jetzt beschrieben habt und so. Das passt doch ganz genau, oder nicht?
Markus: Ja, auf jeden Fall. Gibt es diese Rivalität, Frank, bei euch zwischen Wein und Bier?
Frank Boon: In Belgien wird kaum Wein hergestellt, es gibt neue Winzer in den letzten 20, 30 Jahren. Aber vorher gab es keine belgischen Wein. Aber die Belgier, die trinken Wein und Bier, und die lieben die beide. Aber der Vorteil von Bier, wir haben kein Reinheitsgebot in Belgien, aber Sulfit ist auch verboten in Belgien im Bier. Meine Frau zum Beispiel, die trinkt keinen Wein, weil die kein Sulfit verträgt. Im Bier ist es kein Problem, also das Biertrinken ist immer einfacher als Wein trinken. Wein soll man nicht trinken, wenn man durstig ist.
Markus: Ja, das heißt also, ein Belgier würde so ein Bier auch gegen den Durst trinken, wenn er Durst hat?
Frank Boon: Ja, nicht ein 8-prozentiges Geuze, aber ein 7. Eine Standard Geuze Boon, wir haben viele Kunden und die kaufen jede zwei Wochen drei, vier Kästen, und die trinken das zuhause um elf Uhr und eins am Abend.
Markus: Also zwei Bier am Tag, das ist ja ganz okay.
Frank Boon: Ja, ja, ist ok
Markus: Wenn du es gerade ansprichst, die Bindung der Kunden zu der Brauerei, du hast ja deine Brauerei übernommen oder aufgebaut. Vielleicht, wenn du da ein bisschen erzählst. Also wie kommst du selber dazu, Bier zu machen, und wie hast du dann dein Unternehmen gestaltet?
Frank Boon: Wir hatten eine Brauerei in unserer Familie, die hat man geschlossen 1970. Das war von meinem Großgroßvater, von meinem Onkel. Und lange Zeit habe ich immer, als ich noch ein Bube war, in dieser Brauerei gewesen. Dann war die geschlossen und mein Onkel hat mich auch gelernt. Es gab einen Lambic-Mischer, Herr de Vits in Lambeek, und er macht den besten Geuze. Und so bin ich oft hier in Lambeek in der Lambic-Mischerei von Herrn de Vits gewesen. Und auf einen Tag, wir wohnten auf der anderen Seite von Brüssel, Nord-Brüssel, sind wir nach Halle gekommen, weil mein Vater hier arbeitet. Ich kannte niemand in Halle, nur den alten Brauer Herr de Vits. Oft war ich bei ihm, und dann sagte er: Ja, noch ein Jahr, im nächsten Jahr ist das Ende. Er hatte den Betrieb mit seinen Schwestern, beide waren ungefähr 70 Jahre alt. Er wollte den Betrieb einstellen. Da habe ich gesagt: Ja, warum verkaufst du das nicht? Er sagte: Keiner will so etwas machen. Das ist das Ende. Alle Lambic-Mischereien und Brauereien, die schließen. Die Leute wollen nur Lagerbier trinken. Hatte ich den Gedanken, gesagt: Wenn du keinen findest, warum verkaufst du es nicht an mich? Und er sagte: Ja, wenn du das willst, der Preis für die Gebäude, das ist nur, was ich will, und den Rest, das kannst du haben. So habe ich zuerst angefangen in Halle in einem Keller 1975. Und im Februar 78 habe ich de Vits hier in Lambeek gekauft und dann ist das immer gewachsen langsam in 45 Jahren. Am Anfang, de Vits war ganz, ganz klein, er produzierte noch 250 Hektoliter pro Jahr, ist ganz, ganz klein. Heute produzieren wir 21.000 Hektoliter im Jahr. Aber alles traditionell in Holzfässern.
Markus: Zum Abschluss haben wir noch eine Frage, die uns auch beide bewegt, den Holger und mich. Wir waren ja auch beim Brussels Beer Weekend letztes Jahr und haben die Zeremonie miterlebt, die dort rund um das Thema Bier gemacht wird. Ich meine, ich komme ja aus einer katholischen Stadt, Bamberg, ich habe viele Jahre hier im Domchor gesungen und weiß ja, wie das alles so ist, was man in so einer Kathedrale präsentiert und zelebriert, aber ich konnte mir nie vorstellen, dass in der Mitte vom Altar ein Bierfass steht und drumherum Brauer stehen in schönen Roben und ganz nobel und edel einfach das Bier gefeiert wird als besonderes Gut, das man einfach liebt und den Leuten nahebringen möchte. Vielleicht da, Holger, ich denke, das geht ja auch so, einfach es würde mich mal interessieren, wie kommt es zu einer Bruderschaft des Brauer, Paddles heißt das auf Englisch, also des Rührstocks, würde man, glaube ich, direkt übersetzen. Wie entsteht sowas? Und du bist ja auch noch der Präsident davon. Wenn du uns da vielleicht ein bisschen erzählen würdest, was ist das Besondere daran?
Frank Boon: Bier ist sehr wichtig für die Belgier und jedes Jahr ist das Fest von St. Arnold, das ist der Patron der belgischen Brauer, und wird jedes Jahr gefeiert. Und dann wird das Bier geweiht. Zwei von unseren Mitarbeitern gehen dann mit einem Fass in die Kathedrale und da wird das Bier geweiht. Wir haben eine Bruderschaft von Brauern. Die Brauer, die haben vier Versammlungen im Haus der Brauer in Brüssel, das ist nur wirtschaftlich, aber in der Bruderschaft können wir einander treffen aus einem anderen Grund freundschaftlich und können wir sprechen. Alle belgischen Brauer sind Familie voneinander und da können wir einander treffen. Vor vier Jahren haben die mich gewählt als den Vorsitzenden, den Großmeister, Grand Maître auf Französisch, Brotmesser auf Niederländisch. Früher gab‘s die Brauergilde und die Bruderschaft oder die Ritterschaft, wie man sagt, die sind die Nachfolger dieser alten Brauergilde.
Markus: Vielen Dank! Das ist ja ein ganz, ganz spannender Einblick. Holger, ich denke mal, das kannst du nur bestätigen, dass das sehr eindrucksvoll war.
Holger: Das war also so, dass vor dem Rathaus in Brüssel, und das ist ja schon allein eine Sehenswürdigkeit, waren eben wirklich ganz viele kleine und mittelgroße Brauereien und haben ihre Produkte einfach angeboten. Das war dann so ein Parkour, und man musste sich also sehr gut überlegen, welche Reihenfolge man wählt und das gut verteilt und so. Und dann irgendwann sind wir von dem Platz dann durch Brüssel gegangen bis zur Kirche, die auf so einer leichten Anhöhe steht. Dann gab‘s den Einzug der ganzen Honorationen. Dann gab es eben diese Messe, dann gab es Musik noch dazu, es war also sehr, sehr festlich. Dann, wo das eben geweiht wurde das Bier, ist man in einem langen Marsch wieder zurückgegangen, eben wieder zum Platz. Das war sehr festlich und besonders einfach. Das kann man, glaube ich, überhaupt sagen, dass eben das Produkt Bier in Belgien eine viel größere Wertschätzung erhält als bei uns. Wo wir uns ja auch immer als Bierland sehen und auch stolz darauf sind, aber wenn man das alles mal in Belgien so mitgemacht hat, dann haben wir da noch Luft nach oben, würde ich sagen.
Markus: Vor allem, wenn man sieht, dass eben eine Prozession mit einem Bierfass durch die ganze Stadt läuft. Vielen, vielen Dank Frank für deine Zeit. Vielen Dank für die vielen Informationen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dann noch mal einen zweiten Teil machen und vielleicht auch noch über andere Dinge sprechen, über Faro zum Beispiel. Oder auch ein bisschen über das Thema Familie: Wie bringe ich meine Söhne in die Brauerei? Wie funktioniert so ein Übergang? Aber das ist ja vielleicht ganz gut, wenn wir das in ein paar Monaten tun, wenn ihr den Übergang gemacht habt und du dann ein bisschen erzählen kannst, wie es dir überhaupt damit geht, plötzlich der Senior zu sein, und gerne noch Bier trinken, aber eben nicht mehr in Verantwortung, ist bestimmt auch spannend. Also dann sagen wir den Hörern: Vielen Dank fürs Zuhören! Dir, Frank, vielen Dank, dass du dabei warst. Und noch einen schönen weiteren Vormittag. Ciao!
Frank Boon: Vielen Dank, hat mich sehr gefreut.
Holger: Tschüss, schönen Tag!
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