BierTalk 43 – Interview mit Markus Eder von der Küferei Wilhelm Eder aus Bad Dürkheim

Die Magie der Holzfässer haben die deutschen Brauer erst im letzten Jahrzehnt richtig kennen und schätzen gelernt. Die Firma Wilhelm Eder ist hingegen als Küferei, Sägewerk und Fassvermittler bereits seit über drei Jahrzehnten am Markt, allerdings bisher mit den Schwerpunkten Spirituosen und Wein. Nun aber lockt auch das Bier das Fass und umgekehrt – und Mitinhaber Markus Eder ist fast täglich unterwegs, um unter anderem Fässer an die Brauer zu bringen. Dabei ist ihm kein Weg zu weit, um neue Aromasensationen zu entdecken und in die Heimat zu holen. Außerdem toastet die seine Firma Fässer auch selbst und kann so allerlei Geschmäcker von Nutella bis Honig in die Biere zaubern. Hin und wieder hadert der Küfer aber auch mit den Brauern, doch hören Sie am besten selbst…

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Holger: Herzlich willkommen zu dem 43. BierTalk mit einem ganz speziellen Thema, und zwar mit dem Thema holzfassgereifte Biere. Oder wenn man ganz genau ist, geht’s eigentlich wahrscheinlich eher ums Holz und um die Fässer und dann um die Reifung. Aber man darf gespannt sein. Unser Gast ist der Markus Eder, einer der letzten Küfer in Deutschland, die das wirklich noch in einem richtig großen Stil betreiben. Am Mikrofon bin ich, der Holger, und der …

Markus: Markus.

Holger: So, Herr Eder, guten Morgen, herzlich willkommen! Ist ganz toll, dass Sie da sind und sich für uns Zeit nehmen. Und vielleicht sagen Sie ein paar Worte zu sich selbst und auch zur Firma, damit die Hörer einen Eindruck haben, was Sie so im Tagesgeschäft alles treiben.

Markus Eder: Ja, sehr gerne. Zunächst mal vielen Dank für die schöne Einladung und Einleitung. Mein Name ist Markus Eder, wie Sie es eben schon richtig vorgestellt haben. Ich betreibe mit meinem Bruder hier in Südwest-Deutschland, genauer gesagt in Bad Dürkheim, ein Sägewerk, eine Küferei und eine Tischlerei. Gestört hat mich eben so ein bisschen der letzte Küfer, den Sie da so zitiert haben. Ich möchte es eigentlich anders formulieren. Das ist richtig, was Sie sagen, das Handwerk ist fast ausgestorben und wir sind eigentlich wieder der erste Küfer, der das so vielleicht richtig macht oder im größeren Stil macht. Wir sind hier circa 60 Kollegen, die sich dem Thema gewidmet haben. Wir produzieren selbst Fässer bis zu einem Inhaltsvolumen von im Moment circa 20.000 Liter, von klein bis groß. Das Ganze bewegt sich von tatsächlich B2C bis B2B auch in den Export hinein. Wir sind also sehr export-lastig. Das bedingt natürlich auch die Branche. Wir bewegen uns nicht nur im Biersegment, sondern natürlich vom Volumen her bedingt ist der Alkohol, was die Fässer anbetrifft oder die Holzfässer anbetrifft, natürlich der wesentlich größere Markt weltweit gesehen. Genau wie natürlich auch die Weinbranche, das Bier als solches, das ist in meinen Erinnerungen eigentlich ein Thema, was erst in den letzten zehn Jahren aufgekommen ist. Angehaucht, aus meiner Sicht, meinen Kunden natürlich zuerst aus den USA, dann eingeschwappt über Benelux, dann kam ein bisschen Deutschland und inzwischen natürlich ganz stark die Brauer in unseren östlichen Nachbarländern, von einem Gürtel Litauen über Polen, Tschechien runter in den Balkan. Dort sitzen im Moment in der Tat eigentlich unsere größten Kunden.

Holger: Ich habe Sie kennengelernt in Österreich bei einer Weiterbildung zu dem Thema holzfassgereifte Biere. Und da haben Sie, also weiß ich nicht mehr ganz genau im Wortlaut, aber bei mir ist also angekommen: Jungs, wenn ihr also ein Bier brauen wollt, was nach Nutella schmeckt, ich toaste euch das Fass so, damit das so schmeckt. Ihr müsst eigentlich nur ein Stout reinkippen. Und erklären Sie doch mal, wie geht denn das?

 

Nutella mit dem Holzfass

Markus Eder: Das ist in der Tat auch so. Das ist eigentlich keine Zauberei, sondern letztendlich die moderne Küferei heutzutage. Das ist ja ein gewisser Anteil an Mechanik, das haben wir drauf, das sind im Gegensatz zum letzten Jahrhundert natürlich moderne CNC-Maschinen, die da mit ins Spiel kommen. Und das mit den Geschmacksvariablen, das ist eigentlich das, was das Holzfass ausmacht. Diese Aromen-Zugabe oder dieses, Aromen auf die Holzoberfläche aufbringen, respektive mit den Parametern Temperatur und Zeit, also dieser Hitzebehandlung, versuchen, dieses Holz in seinen chemischen Bestandteilen so aufzuspalten, dass Sie da Holzzucker rausbekommen. Und je nachdem, das muss man sich vorstellen wie so ein Koordinatensystem X-Y-Achse, die eine Achse ist die Temperatur, die andere Achse ist die Zeit. Und das kann ich miteinander verweben und kann das in unterschiedlichen linearen Abfolgen abbilden. Und so wissen wir eben, wann ein Aroma wie Schokolade entsteht. Wir wissen, wann ein Aroma wie Rauch entsteht, also dies (unv. #00:04:18.1#). Und ich kann Ihnen sagen, wann ein Fass nach Mandeln oder nach Honig schmecken kann. Das darf man sich natürlich jetzt nicht so vorstellen, dass ich da jetzt in eine Tafel Trauben-Nuss reinbeiße, das wäre dann wiederum zu einfach. Aber diese Aromen-Struktur ist da hinterlegt.

Holger: Sehr spannend! Markus, hast du das schon mal gehört? Also dass man einfach ein Fass ein bisschen mit Temperatur bearbeitet und dann meint man, man würde ein Nutella-Glas auslöffeln?

Markus: In gewisser Weise schon. Also ich habe das zuerst mal so richtig wahrgenommen, als diese Bier-Querdenker-Workshops losgingen. Das ist, glaube ich, auch schon über zehn Jahre her. Da wurde am Anfang ja noch drüber diskutiert, ob eine Bierlagerung in einem Holzfass überhaupt reinheitsgebotskonform ist.

Markus Eder: Ja, richtig!

 

Die Bierquerdenker

Markus: Und dann hatten wir, ich glaube, 2013 oder sowas mal in Nürnberg am Dutzendteich einen Workshop, wo Sie dann auch da waren, wo wir dann auch Biere verkostet haben und wo mir dann zum ersten Mal auch dieses wirklich große, breite Spektrum bewusst geworden ist, weil es ja um viele Dinge geht. Also einerseits darum: Was für ein Holz nehme ich? Ist das vorbelegt, ist das frisch? Habe ich das mit einer Temperatur irgendwie bearbeitet? War da eine Vorbelegung von irgendwas drin? Habe ich da noch eine Gärung im Fass oder nur eine Lagerung? Und wie auch immer. Und all diese Komponenten können dann auf das, was da drin ist, bei uns meistens eben Bier, Einfluss nehmen und total spannende, manchmal beabsichtigte, manchmal auch eher zufällige Aromen verursachen. Und das ist eine ganz, ganz eigene und sehr spannende Welt. Also toll!

Markus Eder: Das war eigentlich diese schöne Zeit, diese Entdeckerzeit, dieses Aufbrechen in neue Geschmacksstilistik. Da sind auch wirklich surreale Sachen gemacht worden, beziehungsweise gebraut worden. Und das fand ich eigentlich das Spannende. Inzwischen sind wir schon wieder da angelangt, dass man versucht, eigentlich diese tollen Sachen, die wir da angefangen haben, dann einfach wieder zu reproduzieren in Form von Cubes. Also zur Erklärung, das sind dann so kleine gewürfelte Fässer, die einfach dann im Tank vorgelegt werden, um so ein gewisses Geschmacksbild zu imitieren, um dann einfach wieder diesen ganzen Preiskampf aufnehmen zu können. Insofern waren das superspannende Zeiten, in der Tat.

Holger: Das Stichwort, was da so reinkommt, ist gar nicht so schlecht. Wer möchte denn mit dem ersten Bier beginnen und das dann auch in sich hineinkommen lassen?

Markus Eder: Wenn Sie mir den Ball so spielen, dann fange ich gerne an. Ich habe heute Morgen aus unserem Weinklimaschrank in dem Büro von meinem Kollegen ein Bier aus der Schweiz mir ausgesucht. Das ist von der Brauerei Pilgrim, also Kloster Fischingen. Ein Imperial Belgian Blonde. Und das war in Rumfässern gelagert, fünf Monate, hat ordentlich Alkohol, bringt also fast 15 Volumenprozent mit. Ist also kein Bier, wo ich abends so an der Theke gegen einen Durst trinken würde, sondern, und das ist eigentlich immer auch mein Credo, also wer mich schon mal gehört hat, der weiß, dass ich ja immer sage, Mensch, also dieses Craftbier soll eigentlich sich an die Weintrinker wenden, die sind ja „viel Kummer gewohnt“, in Anführungszeichen gesetzt. Nein, sondern die können sehr viel besser, das sage ich jetzt bewusst provokant, mit diesem Aromen-Spektrum umgehen, wie es manche Biertrinker eben können, die, wie Sie eben so diese Steilvorlage geliefert haben, eigentlich sich dem deutschen Reinheitsgebot gewidmet haben. Und das macht die ganze Sache spannend. Und hier in meinem Fall, ich hoffe, ich werde nicht enttäuscht jetzt so bei dem Verkosten, ich hab‘s vor Jahren ja natürlich auch schon mal verkostet. Das Ganze macht das dann natürlich so barock, das macht das füllig, das macht das Ganze überschwänglich in den Aromen, die angeboten werden.

Holger: Dann trinken Sie doch mal einen Schluck.

Markus Eder: Also Leute, es ist besser geworden in der Reifung auf der Flasche, als ich das tatsächlich im Kopf hatte. Es ist so wie ich es anmoderiert habe, es ist eine barocke Fülle von Geschmacksaromen, von Süße, von Rum, von dem Hopfen, der also hinten dann im Nachtrunk, sagt man ja bei den Biertrinkern, sich so am Gaumen festlegt. Also es ist wunderbar ausbalanciert. Es hat jetzt auch eine schöne Kühle. Also wir haben das auf Weißweintemperatur gekühlt. Ich habe es ja eben schon gesagt, wir haben das im Weinklimaschrank liegen. Es ist wunderbar. Würde ich also, wenn es jetzt nicht gerade Mitte des Vormittags wäre und ich nicht noch Anschlusstermine hätte, da könnte ich mich jetzt verlustieren an der Flasche. Ist eine 0,75er Champagnerflasche. Also auch von der Anmutung her eine tolle Geschichte. Und auch da, man fokussiert sich so ein bisschen auf das Weinige.

 

Der Unterschied zum Wein

Holger: Sehr gut! Wir müssen jetzt über zwei Dinge sprechen. Also ich komme jetzt noch mal zurück zum Wein. Für mich kann Bier ja mindestens genauso viel wie Wein, wenn nicht mehr. Aber Sie haben natürlich recht, Sensorik muss man trainieren und schulen, und da sind die Weintrinker uns vielleicht ein bisschen voraus. Aber ich muss sagen, also jetzt gerade holzfassausgebaute Weine, also kann ich mich erinnern, lange, lange Zeit einfach nur Barrique-Bomben, die alles erschlagen haben. Und da würde ich jetzt behaupten, natürlich auch mit Ihrer Hilfe haben wir im Bierbereich das von Anfang an etwas besser gemacht und haben darauf geachtet, dass das so nicht passiert. Das ist das eine Thema, wo Sie bitte noch was zu sagen. Und das zweite Thema ist, erklären Sie doch mal, wieso Weißwein-Kühlschrank und dann Weißwein-Temperatur, eigentlich kommunizieren wir ja solche Biere, die eben so stark im Alkoholgehalt sind, dann fast eher bei Zimmertemperatur zu trinken, weil Kälte raubt ja Aromatik.

Markus Eder: Lassen Sie mich das doch dann grad als erstes aufgreifen. Die Kälte raubt Aromatik, da haben Sie natürlich recht. Aber grad solche Biere, die so kraftvoll sind, die haben bei Zimmertemperatur was so Sattmachendes und Sättigendes, dass Sie oftmals schon nach den ersten Schlucken satt sind und einfach keine Lust auf mehr verspüren. Und das ist genau dieser Vorteil von diesen Weinklimaschränken, die ja in der Gastronomie gang und gäbe sind und in einem gut sortierten Privatkeller fehlt sicherlich kein Klimaschrank. Wenn ich abends Lust habe auf ein Rosé, dann kann ich ja nicht erst vorkühlen und dann ist der Abend vorüber. Oder wenn ich einen Weißwein trinken möchte, dann braucht der eine andere Temperatur wie mein Fläschchen wertvoller Rotwein.

Holger: Ich habe ja keine Lust auf Rosé oder Weißwein. Also ich trinke vielleicht mal zum Heiligen Abend ein Glas Wein, um meinen Schwiegervater nicht zu verärgern, aber ansonsten ist mir es zu langweilig. Aber jetzt können Sie gerne weitermachen.

Markus Eder: Und das ist die Steilvorlage an Sie. Das sollten Sie vielleicht korrigieren. Diese kleinen Weinklimaschränke, die man dann auch für das Bier benutzen kann, die gibt’s inzwischen gar nicht mehr mal so teuer und bekommen die in verschiedenen Angeboten bei den Hard-Discountern in einer fairen Qualität. Also nur mal so als kleiner Seitenhieb. Das ist ja genau der Punkt. Ich muss versuchen natürlich, ein Bier auch passend anzubringen und es schmecken zu lassen. Es nützt mir nichts, wie jetzt die Brücke wieder zu den Weinmachern, mich selbst und mein Bier zu feiern und den anderen, für die es eigentlich gebraut worden ist, den schmeckt’s nicht. Wenn ich jetzt also an die Situation denke, dass ich so ein Bier mit fast 15 Volumenprozent auch mal zu einem Teller Pasta oder zu einem Fischgericht trinken möchte, dann ist das einfach bei Zimmertemperatur aus meiner Sicht ein No-Go. Sie haben recht, wenn wir jetzt in einer Profi-Degustation sitzen und wollen dann da eine Stunde lang über dieses Bier sinnieren und alle möglichen Aromen da rausarbeiten, da bin ich ganz bei Ihnen, das lässt sich bei Zimmertemperatur in der Tat besser veranstalten, als wenn das gekühlt ist. Aber das ist ja eigentlich nicht die Idee, für die das Bier gebraut ist. Und da sind wir dann wieder bei dem Punkt der Weinmacher, die in den 90er Jahren tatsächlich dieses Wort Barrique so verstanden haben, dass ich auf die Daube beißen muss, wenn der Wein im Glas steht. Und das hat sich ganz schnell relativiert. Und wenn Sie sich jetzt heute Rieslinge in einem großen Fass zu Gemüte führen oder Sie trinken schöne Spätburgunder oder auch tolle schwere Rotweine, dann werden Sie in den seltensten Fällen, es sei denn, es ist irgendwie schiefgegangen, noch diesen Holzton oder diese Daube tatsächlich draufbeißend erkennen, sondern wir erkennen vom Holz geküsste Weine, um den Ausdruck zu strapazieren. Und das ist eigentlich das, woran wir arbeiten und worauf wir hinaus möchten. Und das ist genau wiederum dieses Spiel mit dem Feuer im wahrsten Sinne des Wortes beim Toasten. Das ist die Kunst, ein Fass so zu präparieren und das entsprechend dann auch in dem Einsatz bei dem Weinmacher oder dem Brauer zu überführen, dass es dann genauso schmeckt, dass ich es auch vermarkten kann. Und das ist auch immer mein Credo, ihr sollt den Wein nicht für euch machen und ihr sollt das Bier nicht für euch brauen und euch selbst feiern, sondern ihr sollt das für den Markt machen, dass es auch verkauft werden kann. Und wenn ich, gelinde gesagt, für eine Flasche Bier 20 Euro haben möchte, dann muss das verdammt noch mal auch so schmecken wie ein Konsument das auch letztendlich trinken kann. Ohne dass er sagt, um Gottes Willen, das bringt mich ja um oder das schnürt mir die Kehle zu. Und das ist genau auch diese Kritik an den Brauern heutzutage. Da geht’s eigentlich nur noch darum, kurzfristig ein Aroma auf ein Bier aufzubringen, was tatsächlich dann auch in diesem Mindesthaltbarkeitsdatumsablauf getrunken werden kann, weil danach fällt‘s in seine Bestandteile auseinander. Da habe ich auf der linken Seite das Bier, auf der rechten Seite das Holz. Das hat mit der Holzfassreifung nichts mehr zu tun. Der Weinmacher, der hat aus seinen Anfangsfehlern gelernt, und der Bierbrauer, so kommt‘s mir manchmal im Moment vor, der hat am Anfang vieles richtig gemacht und will jetzt möglichst schnell diese Sache hinter sich bringen. Also diese Reifezeiten von in der Regel mindestens ein paar Monaten, die werden gern übersprungen, indem man jetzt einfach im Tank diese Aromen, Holzalternativen vorlegt.

Markus: Da sind Sie ja selber auch nicht ganz unschuldig dran, oder? Wenn ich mir überlege, was es jetzt so alles für Produkte gibt, um diesen Effekt eben zu beschleunigen, von Holzstäben, von Holzwürfeln, bis hin zu praktisch zermahlenem Holzstaub sozusagen, den man da rein gibt. Ich meine, damit geben Sie denen ja auch die Tools, das zu tun, oder?

 

Wie schlau sind die Brauer?

Markus Eder: Der Brauer als solches ist ja ein intelligenter Mensch, der hat dann natürlich die Steilvorlage aus der Spirituosenindustrie aufgenommen. Diese Produkte werden in der Tat für alle Spirituosen mit eingesetzt, bei denen das die gesetzliche Grundlage hergibt. Wir orientieren uns ja da an der europäischen Spirituosenverordnung, die im Übrigen eigentlich weltweit Geltung hat, weil jeder, der in Europa irgendwas verkaufen möchte, der muss sich daran orientieren. Und natürlich kann ich dem Brauer nicht verbieten, sich bei uns im Shop Beans, Cubes, Staub und was der Geier weiß alles zu kaufen. Nur interpretiert er den Einsatz dieser Produkte falsch. Die Produkte sind es, und das gebe ich auch in jedem meiner Vorträge wieder, die sind zum Finischen gedacht. Das heißt also, wenn ich ein Produkt jahrelang auf dem Markt habe, bleiben wir jetzt bei dem Thema Rum oder Bier in Rumfässern gelagert, und ich arbeite mit Handelspartnern zusammen und kann dann nicht jedes Jahr ein sogenanntes neues Jahrgangsbier auf den Markt bringen, weil es natürlicherweise in Holzfässern gelagert und das auch noch in gebrauchten Holzfässern gelagert oder vorbelegten Holzfässern gelagert, nicht jedes Jahr gleichschmecken kann. Und wenn der Konsument, sprich, in erster Linie eigentlich der Handelspartner, das nicht akzeptiert, dann müssen Sie versuchen, Jahrgangsschwankungen auszugleichen. Und dafür sind diese Produkte wunderbar geeignet. Aber ein Bier nur im Tank und dann mit Hilfe von Alternativprodukten entsprechend zu aromatisieren, das ist ja der große Unterschied, wir haben auf der einen Seite fassgereifte Biere, wo sich dann also durch diesen Reifeprozess oder die Fasslagerung diese molekulare Struktur innendrin ja verheiratet, und auf der anderen Seite habe ich dann lediglich im Tank aromatisierte Biere. Die dann auch nach ein paar Monaten auseinanderfallen. Das ist der große Unterschied.

Holger: Markus, stell doch mal dein Bier vor, was du dir ausgesucht hast.

Markus: Gut! Dann mache ich das gerne. Also ich habe da aber auch noch ein paar Anmerkungen dazu. Aber dann machen wir das mal zuerst. Ich habe mir natürlich auch ein holzfassgelagertes Bier ausgesucht. Ich muss vielleicht eins noch vorwegschicken. Es ist ja so, Sie haben völlig recht, die Brauer haben da in den letzten Jahren sich dazu hin entwickelt, dass der Idealtypus sozusagen das Imperial Stout aus dem Whiskyfass wurde. Und je intensiver diese Whisky- und Holzfassnoten da waren, umso besser war das. Und diese Biere haben dann auch bei vielen Wettbewerben Preise abgeräumt. Und dann haben sich alle an diesen Standard so herangetastet. Und der ist dann in gewisser Weise ja auch gar nicht so schwer, weil wenn ich einfach ein sehr intensives aromatisches, sehr starkes Bier braue und das entsprechend mit Whisky und Holz irgendwie zusammenbringe, dann kommt immer irgendwie sowas dabei raus. Und diese Diskussionen hatten wir jetzt auch in den Wettbewerben immer wieder, gerade in den Finals von den Kategorien holzfassgereifter Biere. Und Gott sei Dank geht da der Trend jetzt wieder mehr dahin zu sagen, es geht wirklich um die Kunst dabei und darum, Bier und Holzfass wirklich zu vereinen, zu verheiraten, was Neues zu machen, ein spannendes Aroma zu bringen und eben nicht eine maximale Intensität zu haben. Sondern eben wirklich ein wohlschmeckendes interessantes anderes Bier, was wirklich inspiriert ist von dem, was das Holzfass bringen kann. Und so eine Idee habe ich hoffentlich jetzt auch. Ich hab‘s noch nicht probiert, ich bin gespannt. Ich habe von BrewDog so eine Special Edition, und zwar nennt sich das Cosmic Crush Raspberry. Und ist im Grunde ein Fruchtbier, Sour Ale, aber eben dann in Rotweinfässern gereift. Und jetzt gucken wir mal, wie das schmeckt. Das habe ich jetzt auch dem Vormittag geschuldet, bewusst mal eins genommen, was nicht an dieser 10 % Marke kratzt. Weil das auch zum Beispiel so ein Punkt ist in den Wettbewerben, dass halt diese meisten holzfassgereiften Biere wirklich immer Alkoholbomben sind. Und das müssen sie ja nicht sein. Also einer, der das sehr gut bewiesen hat in letzter Zeit, ist der Oli Lemke in Berlin mit seiner Eiche. Das ist eine Berliner Weisse auf einem Eichefass, die eben mit, glaube ich, mit 1,5 oder 2 % daherkommt und wunderbar das Holzfass repräsentiert. Und jetzt schauen wir mal, hier, das hat 4,5 %, schaut natürlich wunderbar aus. Also da hat man einerseits diese fruchtigen, roten, beerigen Noten schon im Auge mit einem leichtgetönten Schaum. Und es schimmert auch schon so ein bisschen dieses Rotwein-Holzfass-Thema durch. Also es ist nicht mehr ganz so frisch fruchtig, sondern schon ein bisschen so leicht bräunlich eingetönt. Jetzt riechen wir mal. Ja schön! Also ganz schön die Himbeernoten in der Nase, ein bisschen Minze, und ein bisschen auch so marzipanige Töne. Und dann kommt so drum rum tatsächlich weiniges Holzfassaroma. Ich probiere mal. Ordentlich sauer, also da merkt man, da ist die Fruchtsäure und da ist auch ein bisschen über die wilde Gärung Säure dazugekommen. Und das macht dann Platz wieder für die Frucht. Und hintenraus tatsächlich kommt dann so ein schöner leichter Rotwein, also eher wie so ein Primitivo, gar nichts Schweres oder so. Was das schön auffängt, was dann in so eine Kirsche übergeht, Sauerkirsche, und insgesamt dann auch schön runtergeht. Sehr viel Kohlensäure, im Grunde so ein bisschen wie ein Sekt. Spannendes Bier auf jeden Fall. Das wäre für mich auch so der Punkt. Also ich war jetzt zum Beispiel im Sommer in Italien, habe da Kollegen besucht, und eine Brauerei besucht, die heißt Siemàn. Die sind im Sommer ein Weinbetrieb und im Winter ein Bierbetrieb. Und machen aber konsequent alles in Holzfässern, also sowohl die Weine als auch die Biere. Und da habe ich eben mal wieder erlebt, wie sehr die Italiener in diesem Denken eben mit Holzfass, mit Aromen und so weiter sind. Wie ist denn das für Sie als Markt, sind Sie da aktiv? Wie erleben Sie die Italiener in dem Bereich?

 

Wein und Bier im selben Laden?

Markus Eder: Also ähnlich wie Sie das jetzt eben so schön beschrieben haben. Ich bin da jetzt ein bisschen skeptisch, wenn einer im Sommer Wein macht und im Winter Bier. Das sind so für mich eigentlich zwei Dinge, entweder du machst Wein oder du machst Bier. Also ich bin ein Fan davon, eine Sache richtig zu machen. Ich sehe einfach im Alltag, Sie haben ja jetzt ein wunderschönes Beispiel gebracht, wenn jemand da so sein Bier in Rotweinfässern oder noch „schlimmer“, in Anführungszeichen schlimmer gesetzt, in Weißweinfässern macht, dann kämpft er automatisch auch immer mit diesen Bakterien, die immer wieder als Rückstände in den Fässern sind. Da kann ich die saubermachen, wie ich möchte. Und das ist ja auch die Fragestellung, ob ich das überhaupt machen möchte, die Fässer saubermachen, weil dann mache ich ja auch die ganzen Aromen daran sauber. Ich halte es für nicht ganz unproblematisch, denn Sie haben dann immer ein gewisses Restrisiko mit einem entsprechend hohen Risikoaufschlag sogar, dass Ihr Bier in eine ganz andere Richtung geht, als Sie das eigentlich vorhaben. Wenn das dann in einer überschaubaren Größenordnung läuft, so dass man dann sagen kann, na ja, also wenn es schiefgeht, geht die Welt auch nicht unter, ist das super. Ansonsten kenne ich natürlich in Italien auch ganz viele Brauer, viele Brauer bestellen sich ja auch bei uns ihre Holzfässer, die sie dazu dann benötigen, und machen sich wirklich einen riesigen Kopf über diese Zusammenstellung der Fässer. Und das ist vielleicht auch ein bisschen ein schönes Vorurteil, was man da hat gegenüber unseren südländischen Kollegen, manchmal auch ein bisschen zu kompliziert gedacht.

Markus: An einer Stelle muss ich kurz Entwarnung geben. Diese Siemàn Brauerei heißt deswegen Siemàn, weil es sechs Hände sind, also drei Brüder, die da zusammenarbeiten. Also sie haben schon mal genügend Manpower. Und dann ist noch die ältere Generation mit im Betrieb, und die haben wirklich zwei verschiedene Räume auch beziehungsweise sogar zwei verschiedene Häuser, wo in einem eben die Brauerei und im anderen die Winzerei untergebracht ist. Und sie arbeiten da wirklich sehr bewusst getrennt. Aber Sie haben natürlich recht, wenn ich solche Dinge mache, dann muss ich schon mich darauf auch wirklich konzentrieren. Und da gibt’s für mich noch ein anderes Beispiel, zum Beispiel in Berlin, den Oliver Lemke, der glaube ich als Erster auch fürs Thema Bier das Thema Cuvèetieren entdeckt hat. Also, dass er gesagt hat, ich lege mein Bier da jetzt in verschiedene Holzfässer und vorbelegte Fässer, und schaue dann, wenn das alles „fertig“ ist, oder in Anführungsstrichen fertig ist, wenn ich der Meinung bin, dass der Reifeprozess so weit ist, wie ich ihn haben möchte, dann fange ich an, das zu blenden. Und gucke, wie kann ich diese jeweils zusammenbringen, um am Ende dann wirklich ein Gesamtkunstwerk daraus zu machen. Und das ist wirklich, der Barrel Blend heißt das in Berlin, gibt’s immer einmal im Jahr eine Edition. Und da finde ich, merkt man so in Reinstform, wie weit man das treiben kann, wenn man das sehr professionell und sehr bewusst und auch sehr gut einfach von der Sensorik angeht. Kennen Sie das Bier zufällig?

Holger: Passt mal auf! Moderation, hat ja was mit Nötigung zu tun, und deshalb unterbreche ich euch einfach, weil …

Markus: Ach, du hast Durst?

Holger: Ja, ihr wollt mich doch nicht verdursten lassen. Also was seid ihr denn für Egoisten? Wir besprechen jetzt einfach mal mein Bier und dann können wir da wieder …

Markus Eder: Einsteigen.

Holger: … in Berlin weitermachen sozusagen.

Markus: Also gut!

Holger: Was habe ich mir ausgesucht? Ich habe mir ein Nordik-Porter, ein Eisbock von Störtebeker ausgesucht. Den mache ich jetzt mal auf und schenke ihn auch ein.

Markus: War der auch in einem Holzfass?

 

Bier aus dem Portweinfass

Holger: Der war auch in einem Holzfass, und zwar in einem Portweinfass. Das ist natürlich jetzt auch eine richtige Bombe, ganz intensiv, sofort kommt sozusagen die Bitterschokolade durch. So richtige wuchtige Noten, so ähnlich wie der Herr Eder das auch gerade beschrieben hat. Ich trinke mal einen Schluck. Wunderbar! Also so richtig schön Vanille- und Tabakaromen. Es sind auch so wuchtige Trockenfrüchte dabei. Ich würde sagen, so eine Backpflaume, die auch so ein bisschen an Rumtopf erinnert.

Markus Eder: Das ist die große Gefahr im Übrigen bei solchen Bieren, dass du dann so eine Rumkugel oder einen Rumtopf hintenraus bekommst. Aber Entschuldigung, ich wollte Sie nicht unterbrechen.

Holger: Das ist auf jeden Fall ein komplexer Geschmack, den ich jetzt hier schmecke. Und dazu dann noch die Farbe und die Schaumbildung, also richtig tiefschwarz und so eine richtig tolle schöne Schaumbildung. Und mir geht’s wie Ihnen, Herr Eder, also schade, dass es vormittags ist, weil mit dem Bier könnte man jetzt in aller Ruhe einfach weitermachen und darüber nachdenken, wie schön doch das Leben ist. Und jetzt gehen wir zurück in deine Welt, Markus, Berlin, und wenn du vielleicht noch mal daran erinnerst, was du gerne wissen möchtest.

Markus: Ich hatte einfach nur die ganz kurze Frage gestellt, ob er vielleicht den Barrel Blend von Lemke kennt?

 

Der Barrel Blend von Lemke

Markus Eder: Ja sicher kenne ich den. Ich kenne sowohl den Oli wie auch den Barrel Blend. Sie sind natürlich jetzt auf dieses Beispiel eines Leuchtturmprojektes eingegangen. Der Oli Lemke ist sicherlich einer der besten, genau wie es der Jens Reineke bei Störtebeker ist. Das sind Leute, die beschäftigen sich intensiv damit. Es sind auch im wahrsten Sinne des Wortes Querdenker, die auch sich von dem Thema Wein und anderen Aromen beeinflussen lassen, beziehungsweise das bewusst auch wahrnehmen. Und sich dann natürlich auch einen Kopf machen, wie kann ich den hohen Alkohol zum Beispiel ersetzen über ein Tannin vom Holzfass, um mein Bier vielleicht das Potential, was es braucht, mit auf die Flasche geben zu können. Wir haben ja festgestellt, dass da wohl zumindest einer von Ihnen auch in diesen 2013ern Dutzendteich-Vorträgen waren. Ich erinnere mich sehr gut, da ist ein Italiener vorne auf die Bühne marschiert und hat gesagt, seine Biere haben 40 Jahre Haltbarkeit. Wo wir uns dann eigentlich alle angeschaut haben, wie kommt sowas oder wie geht sowas? In der Tat kann ich natürlich auch ein Bier über das Holzfass auch mit geringerem Alkoholgehalt haltbar machen über eine gewisse gesunde Tannin-Zufuhr, ähnlich wie beim Wein übrigens. Ob das dann natürlich 40 Jahre hält, weiß ich nicht. Und die andere notwendige Sache ist natürlich, dass das Holzfass neu ist oder zumindest sehr frisch ist. Also wenn ich da jetzt mit einem Portweinfass komme, was, es soll ja auch so sein, unter Umständen zehn Jahre alt ist, weil ich ja dort diese Portweinaromen suche, dann bringt dieses Fass natürlich nicht dieses Potential mit. Wenn ich jetzt mit einem neuen Fass arbeite, was ich dann einblenden kann in so eine Geschichte, dann gehe ich natürlich mit einer ganz anderen Tannin-(unv. #00:26:17.8#) da ran und Tannine macht die Sache haltbar. Und dann kann ich auch natürlich den Alkoholgehalt nach unten fahren.

Holger: Ich würde noch mal zu den Anfängen zurückkehren, weil ich finde es so wichtig, dass man auch noch mal das Thema Holzfass auch so brau- oder bierhistorisch betrachtet. In München gibt’s ja Brauereien, die man kennt, und hier ist es ja auch immer noch Tradition, eben den klassischen Holzfassanstich vorzunehmen. Es sind dann eben in der Regel 30 Liter Fässer, die von innen ausgepicht sind. Da gibt’s hier in Laim die Familie Schmid, die eben dieses Handwerk immer noch betreibt und in erster Linie dann die Fässer auch repariert und auch baut. Wie ist denn das, also wenn so ein Holzfass dann gepicht ist, dann meint man ja immer, also das schmeckt ja noch besser. Also da gibt’s eben die Flasche und dann gibt’s das frischgezapfte Bier. Aber wenn es dann wirklich aus einem Holzfass kommt, das ist ja das Genialste. Und eigentlich durch das Auspichen gibt’s doch gar keinen Kontakt mehr zu dem Holz. Also kann man das erklären, Herr Eder?

 

Warum Bier ins Holzfass?

Markus Eder: 1970 zum Beispiel hat ein Bier aus einem Holzfass oder ein Bier generell anders geschmeckt wie heute. Warum? Weil es noch zum größten Teil aus diesen gepichten Holzfässern gekommen ist. Und dieses Pich oder dieser Harz, der hat ja auch eine gewisse Aromen-Wirkung auf dieses Bier. Das heißt, man hat damals eine andere Hopfenrezeptur gehabt und hat natürlich über dieses Harz, da gibt’s natürlich einen Mikroaustausch mit Sauerstoff von außen durch dieses Harz, durch dieses Gepichte. Da hat ein Bier voller geschmeckt oder anders. Voller, mag ich gar nicht mal so sehr beurteilen, weil ich habe zu der Zeit auch noch kein Bier getrunken, aber die alten Küfer, die erzählen mir, das hat ganz anders geschmeckt wie ein Bier heute, weil einfach die Zutatenliste so reduziert worden ist. Diese ganze Zusammensetzung war anders. Und da kommen natürlich dann auch viele Nostalgie-Gedanken hinterher. Das Thema, was wir eigentlich betreiben, das ist ja die Holzfassreife. Das hat ja vordergründig zunächst mal gar nichts zu tun mit den kleinen Bierfässern oder mit großen Bierfässern. Also wir produzieren jetzt in der Tat schon seit zwei Jahren große Bierfässer, die aber hauptsächlich nach Osteuropa in den Markt dort reingehen, sprich, Tschechien. Aber der Markt als solches ist, Sie haben es ja eben selbst gesagt, das sind in der Regel sehr kleine Fässer, das sind Zierfässer, das sind Showfässer, die da gemacht werden. Das sind Fässer, die für Enthusiasten entstehen. Hat aber mit dem Thema Craftbier jetzt vom Volumen des Marktes her kaum was zu tun. Wir haben jetzt auch in dem klassischen Brauereisegment wieder Kunden, die tatsächlich Biere wieder aufsetzen auf Holzfässer. Man laboriert inzwischen durch diese bekannte Toasting-Technik, die wir eingangs unseres Gesprächs ja kurz dargestellt haben, die Biere wieder ohne diese Pich- oder Pech-Schicht innen drin in Holzfässern auszubauen. Der Brauer hat im Kopf diesen Sprung genommen, dass also auch ein bisschen Sauerstoff von außen dazukommen darf, ohne dass das Bier schlecht wird. Ich glaube, das ist die neue Interpretation von der ganzen Geschichte.

Markus: Da kommt mir noch eine andere Frage. Ich habe gerade noch mal nachgedacht, das war glaube ich damals der Agostino Arioli mit seinem Captain Hannock hieß, glaube ich, dieses Bier, was er vorgestellt hat in Nürnberg mit den 40 Jahren Haltbarkeit. Und ich habe mit der Sandra Ganzenmüller neulich mal eine Flasche verkostet. Wir haben festgestellt, so ganz mit den 40 Jahren kann man das vielleicht nicht sehen, weil die Biere eben doch abbauen. Aber was mich interessieren würde, Sie haben ja erzählt, es gibt jetzt viel diesen osteuropäischen Markt. Und ich frage mich, was tun die denn in die Fässer rein? Also sind das dann Imperial Stouts oder gibt’s da auch regionale Bierstile oder Wein-Hybrid-Geschichten oder sowas? Was kann man sich da vorstellen?

 

Welches Holz für welches Bier?

Markus Eder: Da wird eigentlich die ganze Litanei gespielt oder die ganze Klaviatur durchgegangen, sowohl als auch. Wenn ich den Markt in Tschechien sehe, dann sind das eigentlich eher Biere, die wir kennen, was Volumenbiere sind, die einfach wieder voller im Geschmack werden. Das haben die Tschechen sowieso ja schon immer draufgehabt, wenn Sie da an die Pilsner-Geschichte denken. Also dass die Biere einfach voller geschmeckt haben als jetzt vielleicht in, sind Sie mir nicht bös, in Bayern oder im Bayerischen Wald oder was auch immer. Also ich will da auch niemandem zu nahe treten, das ist einfach eine ganz andere Stilistik. Wenn Sie dann jetzt Beispiel nach Litauen gehen oder Estland, wo wir auch ganz viele Kunden haben, da werden die Craftbiere sicherlich weinlastig ausgebaut. Und ganz interessanterweise, wenn Sie dann ein bisschen südlich gehen nach Polen, da ist dann wieder diese High-Spirit-Belegung. Also tatsächlich, da wird mit verschiedenen Mash Bills aus ehemals belegten Bourbon-Fässern gearbeitet. Man schaut sich da an, was ist der Unterschied zwischen einem Woodford Reserve, einem Buffalo Trace und einem Wild Turkey. Also jetzt nicht von dem Endprodukt, dass man jetzt also diesen Bourbon probiert oder dann auseinanderdividiert, was war Tennessee und was ist tatsächlich Bourbon, sondern man schaut sich diese Mash Bill an. Was war da vorher drin? Wie ist das destilliert worden? Also die Märkte sind da sehr viel exakter, sehr viel genauer, sehr viel dezidierter wie in Deutschland. Das sehe ich ja jeden Tag, wo dann einfach der Unterschied gar nicht mehr gemacht wird, was ist das eigentlich für ein Bourbon-Fass, sondern da geht’s um ein vorbelegtes Bourbon-Fass mit ganz frisch und noch feucht innendrin. Das ist eigentlich das Nonplusultra. Aber was dahinter eigentlich steckt, das wird wenig beleuchtet. Das ist für mich eigentlich der große Unterschied.

Holger: Es ist ja auch noch mal eine Frage, als auch die Holzsorte, also deutsche Eiche, französische Eiche, amerikanische Eiche, dann der Transport auch, oder? Da sind Sie ja auch spezialisiert und bieten da viel an Dienstleistungen auch an.

Markus Eder: Ja, das ist richtig. Also das ist ein riesiges Thema geworden. Es gibt Situationen, wo wir tatsächlich mit Kühltransporten durch ganz Europa fahren, um Fässer auszuliefern oder von unseren Lieferanten her zu holen. Wir haben eine eigene Logistikabteilung hier sitzen. Das ist manchmal auch gar nicht so einfach, Container, wenn Sie jetzt grad sagen, also USA, das ist ja relativ einfach, aber wenn Sie dann jetzt in Mexiko Tequila- oder Mezcal-Fässer zu laden haben und da durch drei Klimazonen müssen. Oder Fässer jetzt wie grad im Moment in einem Auftrag nach Indien gehen oder nach Indonesien, wo Sie einfach mit den Witterungsumständen, sprich, Temperaturunterschieden arbeiten müssen, um diese Fässer zu konservieren und frisch zu halten. Also da gibt’s alle Variablen, die hier gespielt werden, von Trockeneis über Ozonisierung, bis zum Aufschwefeln, bis zu Kühlcontainern. Man kann sich das teilweise nicht vorstellen und manchmal sitze ich dann auch für mich so im Stillen da und denke, Mensch Leute, also klar macht man diesen Aufwand und betreibt den Aufwand. Ob das jetzt aber wie das wir hier uns auf die Fahne geschrieben haben, dieser Nachhaltigkeit entspricht, die wir uns vorstellen, nach deren Richtlinien wir unser Rundholz einkaufen, die Submissionen, die fangen jetzt gerade diese Woche wieder an, das ist dann schon manchmal fraglich.

Holger: Wir können ja endlos weitermachen, das ist ja wirklich so ein spezielles Thema, aber wir haben uns ja selber beschränkt, den BierTalk einfach so um die 30 Minuten werden zu lassen, und sind somit schon wieder am Ende. Also wir können festhalten …

Markus: Halt! Eine kleine Frage habe ich noch, Holger.

Holger: Boah!

 

Holzstücke, Holzstaub und das Reinheitsgebot

Markus: Das muss ich jetzt doch noch, weil es mich wirklich interessiert. Und ich glaube, weil es auch die Hörer interessiert und weil wir es ja schon mal gekratzt haben. Inwiefern ist was jetzt noch reinheitsgebotskonform? Also es ist abgeklärt, dass es okay ist, ein Bier in einem Holzfass zu finishen oder zu lagern, aber darf ich jetzt zum Beispiel dieses kleingehäckselte Holz oder diesen Holzstaub oder den Würfel oder den Stab verwenden und das Ganze im Stahltank haben? Darf ich diese Dinge vielleicht vorher in Whisky einlegen und das Zeugs da mit reinkippen? Also wo sind Grenzen und wo sind vielleicht auch Gefahren? Also ich habe auch gehört, jemand hat Holzstaub in sein Bier gegeben und dann hat sich im Nachhinein eine Belastung mit unschönen Sachen ergeben, weil eben das auch Staub war vom Holz außen, also von der Außenseite des Holzfasses und diese Verunreinigung ist dann auf dem Weg auch mit ins Bier gekommen. Also wenn Sie da vielleicht noch einen Satz dazu sagen könnten?

Markus Eder: Das ist eine Frage, die bekomme ich eigentlich jeden Tag gestellt, weniger aus dem Biersegment, sondern vielmehr aus dem Spirituosen-Segment. Das ist das, was ich vorhin schon angedeutet habe mit der berühmtberüchtigten Spirituosen-Verordnung. Ich kann hier natürlich keine Rechtsberatung durchführen, aber lassen Sie es mich, was das Thema Bier anbetrifft, vielleicht salomonisch beantworten. Es ist oftmals die Frage, wie ich ein Produkt beschreibe und wie ich meinen Lagerprozess oder Reifeprozess beschreibe. Es lässt sich durchaus in einer Fassreifung eine Aromatisierung mitnehmen, ohne dass ich die kennzeichnen muss.

Markus: Okay. Und …

Markus Eder: Ich wollte bewusst diese Pause jetzt einlegen.

Markus: Kein Thema! Und was eben die Möglichkeit einer Verunreinigung dadurch angeht, gibt’s sowas? Oder auch zum Beispiel, dass eben dadurch praktisch Zucker wieder eingebracht wird in ein Bier und man damit von einer künstlichen Zuckerung oder zusätzlichen Zuckerung sprechen kann? Sind sowas Themen, um die Sie sich kümmern müssen?

Markus Eder: Ja natürlich. Das sind dann, entschuldigen Sie die Neunmalklugen, die dann glauben, sie könnten sowas do it yourself machen und dann mal schnell in die Schreinerei nebenan gehen und mal auf den Boden gucken, was da rumliegt. Also letztendlich, natürlich, wir gehen hier mit Lebensmittel um, die Produkte müssen zertifiziert sein. Wie überall im Leben, manchmal ist erst fragen und dann schießen besser, wie umgekehrt.

Markus: Lieber Holger, du darfst gerne fortfahren.

Holger: Sehr gut! Es ist ja ein Thema, wo man sagen könnte, es ist ein Fass ohne Boden. Da habe ich mal gelernt, das gibt es eigentlich nicht, es gibt nur eins ohne Böden.

Markus Eder: Genau!

Holger: Das ist ja vielleicht ein schönes Schlusswort. Ich bedanke mich recht herzlich und wünsche euch und mir natürlich auch erstens einen schönen Tag, aber vor allen Dingen weiter auch so tolle Produkte, die eben mit Holzfässern in Berührung gekommen sind und komplexe Geschmackserlebnisse sicherstellen. Vielen, vielen Dank!

Markus Eder: Ich danke Ihnen! Ade!

Markus: Ade!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

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