Sebastian Oberwalder ist einer der Herren und Väter der Berliner Weissen aus dem Brauhaus Lemke. Schon seit vielen Jahren ist er im Unternehmen und mittlerweile stellvertretender Betriebsleiter, was natürlich auch eine Menge Verantwortung mit sich bringt. Für die erste Waldmeister-Weisse hatte er die Kräuter noch im heimischen Garten angebaut, mittlerweile behütet er vor allem den spannenden Cocktail an Mikroorganismen, der den ganz besonderen Geschmack in die Budike-Weisse aus der Berliner Brauerei zaubert. Im BierTalk verkostet Sebastian Oberwalder mit Markus Raupach und Holger Hahn neben der Waldmeister-Weissen auch die Varianten mit Himbeeren und Kirschen und verrät allerlei Details über die Rezepturen und Herstellungsverfahren…
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Holger: Herzlich willkommen zum 39. BierTalk, uns treibt es wieder einmal in die Hauptstadt nach Berlin und wieder einmal zu einer unserer Lieblingsbrauereien Lemke. Unser Gast ist der Basti Oberwalder, einer der Brauer bei Lemke. Und am Mikrofon sind wie immer der …
Markus: Markus.
Holger: … und der Holger. Basti, grüß dich, das ist großartig, dass du dir für uns Zeit nimmst. Wir haben das so ein bisschen als Tradition, dass die Gäste sich zunächst einmal vorstellen. Sag doch mal wer du bist und was dich ausmacht.
Basti Oberwalder: Ja, servus und danke für die Einladung hier. Ich bin hier bei Lemke einer der zwei stellvertretenden Betriebsleiter und bin auch hauptsächlich für die Weisse verantwortlich. Kommt daher, dass ich über die Weisse damals meine Bachelorarbeit auch geschrieben habe, die mit entwickelt habe und dass quasi so ganz unter meinem Schirm jetzt läuft alles, was mit der Weissen bei uns zu tun hat.
Holger: Ja, aber du bist ja jetzt nicht nur Weisse, sondern du bist alt irgendwie und du bist schon ewig Brauer oder noch nicht so lange und so weiter.
Basti Oberwalder: Ich bin 33, habe Brauen studiert und bin jetzt bei Lemke seit fünf Jahren. Also habe aber auch alles durchlaufen, also Praktikant, Werkstudent, normaler Brauer erst mal und jetzt seit anderthalb Jahren stellvertretender Betriebsleiter.
Holger: Ich meine, die Belgier wissen es ja schon lange, dass das Thema Frucht und Bier eine ganz ausgezeichnete Kombination ist also und jetzt so das Thema Berliner Weisse ist ja im Trend. Aber wie seid ihr dazu gekommen, was macht ihr damit? Also die Budike Weisse war vorher, jetzt kommt das ganze Programm nochmal erweitert daher. Erzähl doch mal dazu.
Die neue Berliner Weisse
Basti Oberwalder: Na ja, die Budike war ja die Erste, die wir entwickelt haben, so die Grund-Weisse oder die Basis. Und dann haben wir uns ein halbes Jahr später auch überlegt, was könnte man denn noch machen damit? Weil das Bier für uns eigentlich sehr viel hergibt, grad, weil es auch immer nur aus der Hefe kommt und danach gibt es eben diese Biere mit dem Sirup, die in Berlin bekannt sind. Und dann dachten wir uns, wie wäre es denn, wenn wir das mit richtigen Früchten machen, aber nicht süß. Weil, mir persönlich schmeckt das nicht, wenn das so eine Brause am Ende ist. Das hat nichts mehr mit Bier zu tun. Wenn man das aber mit natürlichen Früchten, mit einer natürlichen Lagerung auf Früchten einfach auch hinbekommt, ein komplexes saures Bier mit Frucht hat oder eben Waldmeister zu bekommen. Im ersten Test haben wir dann damals, das war 2017, haben wir dann auch auf Holz eine gelegt, eben mit richtigem Waldmeister. Den habe ich damals noch bei mir im Garten gepflückt, getrocknet und verwendet, in kleinen Chargen. Und eben dann mit Himbeer und Kirsche Versuche gemacht. Und hatten dann quasi dann gleich fünf Weisse, haben dann davon jeweils ein Batch gebraut. Der hatte dann noch ein Sonderetikett damals, mit einer Nummer drauf, die so fortlaufend ist für so Sonderbiere. Und dann hatten wir mit allen auch beim European Beer Star da damals mitgemacht und haben da mit der Himbeer gewonnen. Und dadurch kam es dann so, dass wir sagen: „Wir wollen nur eine Frucht erst mal haben, das dann die Kirche erst mal.“ Es gab quasi nur diesen einen Batch, diese zehn Hekto Kirsche. Und haben jetzt aber seit einem Monat knapp, haben wir die Kirsche jetzt wieder. Weil wir in dem Rückstellprobenlager, haben wir dann mal ausgemistet und haben dann noch diese Kirsch-Weisse gefunden und haben die natürlich probiert erst mal, diese ganz alten Flaschen. Die waren da schon über zwei Jahre alt und die waren so lecker auf einmal, dass wir gesagt haben: „Die muss auf jeden Fall wiederkommen.“
Holger: Und die Waldmeister-Weisse ist ja, zu mindestens aus der Berliner Sicht, so die Ur-Weisse oder, damit hat eigentlich in Berlin alles begonnen. Also die Früchte sind da erst mal noch gar nicht reingekommen, oder?
Basti Oberwalder: Ich weiß gar nicht, wahrscheinlich war der Waldmeister mit das Erste auch, weil es auch verfügbar war damals, in der Nähe. Ursprünglich wurde das ja superfrisch auch getrunken. Also ganz früher, kommt drauf an, von welcher Zeit wir jetzt reden, also 1700 Jahrhundert, da wurde die Weisse ja eigentlich nicht alt. Die war ja dann eigentlich frisch getrunken. Die Brauer haben die ja nicht mal zu Ende vergoren, sondern haben die nur angestellt und dann kamen die Wirtsleute mit ihren kleinen Fässern und haben sich das abgeholt, diese angegorene Würze. Und dann war das mehr sowas wie ein Federweißer damals quasi, weil die Wirtsleute dann selber gucken konnten, wie lange sie es gären lassen, bis sie es ausschenken. Und natürlich dann wahrscheinlich kam dann Waldmeister, weil er überall auch in Berlin im Umland wächst. Und dann eben hat wahrscheinlich auch irgendwann mal einer das mit Früchten probiert. Dieser Sirup kam, glaube ich, auch erst durch eine Bar, die dann die Weisse wieder attraktiver machen wollten in den 1930ern und dann eben diesen Sirup benutzt haben, damit auch Frau das wieder trinkt, weil es denen zu sauer war. Und dadurch kam dieser Sirup erst überhaupt in diese Berliner Weisse.
Holger: Ah ja. Also Markus, du hast ja sogar ein Buch geschrieben über Bierhistorie. Und weißt du, was Weisse mit Strippe ist?
Markus: Na, Weisse mit Strippe müsste die mit Kümmelschnaps sein, oder?
Holger: Ja, genau. Also so war das früher, das eben dann so eine Waldmeister-Weisse begleitet wurde von Kümmelschnaps oder auch von einem Korn und das hat man dann Weisse mit Strippe genannt. Ihr wisst ja, ich bin immer sehr durstig, wenn es an den BierTalk geht und irgendwie habe ich das Gefühl, das es Zeit wäre, das erste Bier zu öffnen. Und jetzt können wir die Waldmeister-Weisse öffnen, wir können aber auch was anderes machen. Also Basti, du bist der Gast, du darfst entscheiden, was wir tun.
Basti Oberwalder: Da wir ja die Frucht auch noch probieren, würde ich die Waldmeister als erstes trinken.
Holger: Sehr gut, dann mache ich die mal auf.
Markus: Für welche habt ihr euch jetzt entschieden?
Holger: Für die Waldmeister-Weisse. Hast du wieder nicht aufgepasst, oder?
Berliner Weisse mit Waldmeister
Markus: Ja, genau. Nein, ich habe nochmal kurz drüber nachgedacht. Also bei dem Waldmeisterthema, das ist ja so, also die ursprüngliche Berliner Weisse war ja schlicht und einfach nur ein leicht säuerliches Bier auf Weizenbasis, sagen wir mal so. Und der Waldmeister war den Berlinern schon lange, lange Zeit bekannt, weil das ja auch eine Heilpflanze war und man hat das dann aus verschiedensten Gründen, schmerzstillend zum Beispiel, in Wasser oder später auch in Wein getan. Da hat sich dann auch die in Berlin allseits beliebte Maibowle entwickelt. Und ich glaube, aus dieser üblichen Verwendung und dass sich die Leute an das Aroma, an den Geschmack gewöhnt haben, hat man dann vielleicht auch gesagt: „Okay, dann probieren wir das doch mal einfach in unserem Bier.“ Also ich habe jetzt keine fundierte Basis dafür, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das so passiert ist, weil es auch üblich war, damals Sirupe aus Kräutern herzustellen, weil sich dann natürlich die länger gehalten haben. Also dadurch ist auch klar, dass man das dann einfach zum Beispiel ins Bier gegeben hat. Aber bevor ich jetzt lang rumrede, freue ich mich schon drauf (unv. #00:05:53.6#).
Holger: Ich wollte es grade sagen, weil, ich habe uns ja gelobt und du bist ja immer der, der dann immer alles in die Länge zieht. Aber du hast es jetzt noch selber gemerkt, zum Glück und bist lernfähig, super. Also ich habe auf jeden Fall schon ein Bier im Glas und habe auch schon dran gerochen.
Markus: Moment.
Holger: Und der Basti hat Recht, also ein bisschen so Federweiße habe ich jetzt im Kopf und erinnert mich dann auch so ein bisschen vielleicht in Richtung Apfelmost oder Cidre, so in die Richtung vielleicht. Und von der Farbe her ist es so ein leicht trübes hellgold. Ja, also man sieht auf jeden Fall nix Grünes im Glas.
Markus: Solange du trinkst, kann ich vielleicht noch kurz für die Hörer sagen, also viele wissen ja gar nicht, was Waldmeister eigentlich ist. Also es handelt sich jetzt hier nicht um eine Frucht oder Beere oder so, sondern das sind schlicht und einfach Blätter. Und das ist so ein Kraut, was eben am Boden wächst, auch gerne mal in etwas höheren Lagen und hat ziemlich viele Blätter um einen so ein bisschen viereckigen Stiel herum. Und grade, wenn man das frisch hat, also so im Frühjahr, so Mai, Juni rum und dann an den Blättern reibt oder sie auch isst, das ist ein ganz einmaliger Geschmack und auch ein bisschen anders als das, was man so aus den Brausetütchen kennt. Also, das ist vielleicht auch so ein bisschen was Besonderes, das ihr eben gesagt habt, ihr nehmt kein Waldmeisteraroma oder sowas, sondern ihr nehmt wirklich die ursprüngliche Frucht, mit all ihren Tücken. Da werden wir bestimmt gleich noch drüber sprechen. Aber das ist für manche vielleicht auch unbekannt, weil man sich diesen Geruch und Geschmack erst mal wieder nähern muss, weil man ihn ja so aus der Natur gar nicht kennt.
Holger: Also das ist gut, dass du das noch erklärst, wächst ja auf jeden Fall in des Brauers Garten, haben wir ja grade gehört. Und ich mache jetzt einfach weiter mit meinen Verkostungsnotizen. Es ist so ein bisschen also eine Zitrusnote, eine Apfelnote drin. Also unglaublich erfrischend, aber doch herb. Die Säure kommt ganz klar rüber. Ist für mich wahnsinnig appetitanregend. Also, wenn wir fertig sind, muss ich sofort was essen, glaube ich. Und ich finde es absolut hammerhart. Ich könnte mir jetzt natürlich vorstellen, Basti, also wenn jetzt so normale Leute bei euch dann in die Gastronomie kommen und eine Waldmeister-Weisse bestellen, dann könnte es auch sein, dass sie erst mal enttäuscht sind, weil sie halt dieses Sirupzeug erwarten und dann doch was viel Spannenderes bekommen. Also was habt ihr da für Erfahrungen gemacht?
Basti Oberwalder: Also am Anfang war auch so, dass es manchmal auch zurückging, weil die Leute halt quasi jetzt grün erwartet hatten und auch dieses Süße auch. Und wir haben aber von Anfang an auch überall klar drauf geschrieben, dass es ohne Sirup ist, das es auf richtigen Kräutern lag oder eben auf Früchten und das es halt eher komplexer ist und sauer und nicht süß. Und mittlerweile ist es aber auch kein Problem. Also auch die Kellner sagen dann extra nochmal, wenn was bestellt wird, das ist halt nicht so, wie man es vielleicht in anderen Bars kennt, diese Standard Berliner Weisse mit Sirup ist.
Holger: Sag doch mal was zum Prozess. Also wo bezieht ihr jetzt Waldmeister her? Also ihr werdet das ja nicht immer noch, also immer noch aus deinem Garten beziehen. Und wie funktioniert es dann? Also ihr habt dann irgendwie die Blätter und wie kommen die, getrocknet, gefroren, frisch gepflückt, also wie …
Basti Oberwalder: Waldmeister muss man trocknen zum Beispiel, damit überhaupt dieser Geschmack wirklich entsteht. Das ist dieses Cumarin. Das ist der chemische Stoff, der quasi nach Waldmeister schmeckt und der entsteht aber erst beim Trocknen oder beim Einfrieren. Beim Trocknen mehr als beim Frieren, aber man kann keinen frischen Waldmeister benutzen. Der riecht nur ganz wenig nach Waldmeister, der getrocknete riecht viel, viel intensiver dann. Und gleichzeitig ist dieses Cumarin auch so ein Halluzinogen, wenn man zu viel nimmt davon. Deswegen darf man auch gesetzlich nur drei Milligramm pro Liter haben. Da liegen wir aber weit drunter. Bei uns ist weniger als 0,1 drin.
Markus: Aber habt ihr es schon mal ausprobiert?
Basti Oberwalder: So viel rein zu machen? Nee, weil man dann auch, nach den Halluzinationen kommen auch Leberschäden, deswegen nehmen wir da nicht so viel rein.
Markus: Ich dachte jetzt eher, ob ihr die Halluzinationen schon mal ausprobiert habt, aber.
Basti Oberwalder: Nein, nein, nein. Also so viel Weisse kann man gar nicht trinken, bis man da so viel Cumarin hat am Tag, wie es dann erlaubt ist oder wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.
Holger: Und dann kommt es wann rein, also in welchem Schritt des Brauprozess macht ihr das rein?
Basti Oberwalder: Quasi beim Schlauchen. Wir vergären die Weisse ja in offenen Gärbottichen und dann kommt der Waldmeister. Das ist getrocknet, das ist quasi so, sieht aus wie ein grüner Tee am Ende, ungefähr, kommt dann in den Tank rein und da wird dann die Weisse drauf gestaucht. Also noch warm und liegt dann ungefähr eine Woche auf dem Waldmeister, bis der (unv. #00:09:54.7#) wird.
Markus: Und während der Zeit gärt das dann noch?
Basti Oberwalder: Es gärt dann noch, ja.
Markus: Okay.
Basti Oberwalder: Leicht nur noch, aber nicht mehr viel. Zwei Grad Plato ungefähr gehen dann noch runter.
Markus: Spannend. Also ich war ja damals auch durchaus ein bisschen involviert bei diesem Prozess und kann mich sehr gut an die ersten fünf erinnern und weiß noch, dass die erste Waldmeister-Weisse da durchaus so ein bisschen aus der Art geschlagen ist. Also sie war richtig sauer. Und auch sehr spannend, ich mochte die sehr gern, aber es war durchaus ein Produkt, wo man gemerkt hat, da passiert auch mikrobiologisch was. Wie habt ihr da drauf reagiert? Kannst du dich noch erinnern, wie das damals so war? Also wie habt ihr das geschafft, die jetzt so hinzubekommen, dass sie auch eine schöne dezente Säure hat, aber insgesamt dieses Waldmeisteraroma so schön präsentiert?
Basti Oberwalder: Im Prinzip muss man ja auch sagen, dass wir jetzt halt mit der Weissen auch viel mehr Erfahrung haben. Ich meine, das ist ja immerhin ein Sud, den man mit drei verschiedenen Mikroorganismen anstellt. Und normal hat man als Brauer nicht so viel mit Laktobazillen und Brettanomyces zu tun in dem Prozess. Und dann lernt man einfach auch ganz viel bei diesen ganz vielen Suden. Und damals, die ersten Fruchtdinger waren ja noch unter den ersten zehn Suden, die wir jemals gemacht haben. Und jetzt haben wir so viele gemacht und haben uns einfach auch persönlich weiterentwickelt und haben einfach ein besseres Handling für alles. Das ist ja auch immer ein Schritt, wir haben ja vorher auf einer kleinen Anlage nur Probesude gemacht und dann auf eine große gegangen. Da verändert sich auch nochmal ganz viel einfach. Und jetzt mittlerweile haben wir einfach diese Weisse super im Griff mit den Mikroorganismen auch, dass sie, ja, auch bei der Waldmeister nicht so. Das Problem ist natürlich auch bei dem getrockneten Waldmeister, man kann ja nicht vorher ihn abkochen oder in Desinfektionsmittel rein schmeißen. Daher liegt natürlich auch eine Mikroflora auf den Blättern, wo man bestimmt auch nochmal ein paar andere Mikroorganismen mit rein zieht. Aber ist ja bei den Kirschen und bei den Himbeeren genauso, dass auf den Früchten auch noch was drauf ist.
Holger: Ist denn jeder Batch anders?
Basti Oberwalder: Nee, nee, nee, nee, die sind schon alle gleich. Also da ist ja schon, der PH-Wert ist schon so tief, dass zum Beispiel, wenn dann gären höchstens noch andere Laktostämme mit in dem Tank dann. Also machen es höchstens auch noch sauer oder saurer. Weil, wenn der PH-Wert unter den 4,0 liegt, dann ist das für die meisten Mikroorganismen schon so tief, dass die quasi dann auch nicht mehr arbeiten können.
Holger: Die haben dann keine Lust mehr, ja?
Basti Oberwalder: Ja, ungefähr so. Die leben da, schwimmen da mit drin, aber machen nichts mehr. Also sie stellen nichts mehr her und vergären auch nix mehr. Oder fermentieren, heißt es ja bei den anderen Bakterien. Und auch mit der Farbe, das haben wir auch dann beim ersten Batch noch gar nicht so mitbekommen. Der war ja auch teilweise sehr dunkel. Haben dann einfach gemerkt, dass das Chlorophyll sich aus dem Waldmeister dann doch löst. Und der hat auch am Anfang im Tank, wenn man es frisch rausholt, so einen ganz kleinen grünlichen Stich. Also ist gelb, aber hat, wenn man wirklich so hinguckt, so minimal so einen leichten grünen Schatten mit drin. Dieses Chlorophyll stirbt aber ab und wird dann braun.
Holger: Ah, sehr spannend.
Basti Oberwalder: Wussten wir auch vorher nicht. Aber dann, da gab es so die Flaschen, die halt sehr lange in dem Licht standen und die dann wirklich komplett wie ein Tee braun wurden. Wo wir auch gedacht haben, dass vielleicht irgendwie eine Oxidation da noch stattgefunden hat. Aber es hat einwandfrei geschmeckt, es war einfach nur braun.
Markus: Wahnsinnig, also was da alles passiert. Was ist denn aus der Idee vom Oli geworden, einen Waldmeistergarten oben auf diesem Teilstück, auf dem stillgelegten Teilstück von der S-Bahn zu machen?
Basti Oberwalder: Das ist noch in der Schwebe, soweit ich weiß.
Markus: Okay, das kann ich mir gut vorstellen, da mit einem Liegestuhl zu liegen im Waldmeister.
Basti Oberwalder: Es lag auch einfach daran, dass wir quasi den Jahresbedarf, den wir haben, dann selbst anbauen. Einfach aus dem Grund, weil, wir hatten von verschiedenen Bezugsquellen damals dann Waldmeister geordert. Das sind ja, sagen wir mal, so Mengen, die sind in so einem riesigen Beutel dann drin und die schmeckten alle unterschiedlich von verschiedenen Herstellern komischerweise. Wo wir uns auch gewundert haben, wie das sein kann, weil, es ist ja im Prinzip nur Waldmeister drin. Und haben dann uns für einen entschieden und haben aber jetzt das auch nochmal gewechselt, seit dem letzten Batch.
Holger: Also ich könnte mir vorstellen, wenn jetzt ein Gärtner hier ist und der könnte jetzt über Waldmeister referieren, der würde dann wahrscheinlich sagen: Ja, wisst ihr denn nicht, dass es 32 unterschiedliche …
Basti Oberwalder: Unterarten.
Holger: … Sorten gibt von Waldmeister, oder so ähnlich stelle ich mir das vor. Also wahrscheinlich ist das so. Naja, also wahnsinnig spannend.
Markus: Ja und falls sich irgendein Hörer jetzt berufen fühlt, weil er Gärtner und Waldmeisterbauer ist, kann sich ja bei euch melden, ne?
Basti Oberwalder: Ja, wir brauchen ungefähr, sagen wir mal, 30 Kilo getrockneten Waldmeister im Jahr. Also schon im getrockneten Zustand, nicht im frischen. Braucht irgendwie 150 Kilo frischen oder so.
Berliner Weisse mit Kirschen
Holger: Also ich habe ja mal mehrere Jahre in Berlin gewohnt und wir sind dann mit den Kindern immer so ins Berliner Umland. Und ich kann mich erinnern, in Brandenburg gab es oft irgend so Waldmeister im Wald und so. Also irgendwie, das scheint da schon ganz regelmäßig vorzukommen und war wahrscheinlich auch früher schon so. Und dann eben Kräuter ins Bier zu tun, ist ja auch zu der damaligen Zeit gar nichts Ungewöhnliches gewesen. Jetzt ist ja der Schritt zur Frucht gar nicht mehr so weit, ja. Also da habt ihr dann irgendwann gesagt: „Okay, jetzt machen wir da noch die Kirsche und die Himbeer ins Bier“, wie die Belgier das eben auch schon sehr lange machen. Und ich hatte ja schon in der Anmoderation gesagt, sie wissen ja, dass das richtig toll ist. Und arbeitet ihr dann auch mit den typischen Früchten, also zum Beispiel mit der Kriek-Kirsche oder mit anderen Kirschen?
Basti Oberwalder: Die Himbeere haben wir gemacht, weil wir ja auch, also ich persönlich, auch Fan dieser belgischen Framboise bin. Und die Kirsche haben wir gemacht, weil auch hier in Werder, das ist auch hier in Brandenburg, gleich bei Berlin, da werden auch viele, viele Kirschen angebaut. Hat man diesen regionalen Faktor eben mit dabei. Und wollten da einfach gucken, ob das so klappt. Aber es ist nicht die Kriek-Kirsche, weil, die bekommt man gar nicht auf dem Markt. Diese Brauereien bauen selber diese besondere Kirschsorte an, die nämlich nicht / oder ist so eine Mischung aus Süß- und Sauerkirsche.
Markus: Ja, das sind diese Schaarbeeksen Kirschen …
Basti Oberwalder: Genau.
Markus: … oder Krieken. Und die sind ja eh viel zu wenig für die belgischen Brauer, die sie gerne hätten. Dementsprechend, glaube ich, werden die den Teufel tun und das nach Berlin transportieren. Aber, es macht ja auch Sinn, regionale Zutaten zu verwenden. Trotzdem, bevor wir drüber reden, wollen wir das gute Ding nicht aufmachen?
Holger: Unbedingt, also das war ja meine Intention. Du hast mich schon wieder verstanden.
Markus: Ja.
Holger: Das kommt ja nicht so häufig vor, aber manchmal ja doch. Also,
Markus: Also.
Holger: … machen wir die Kirsche auf.
Markus: Da muss ich jetzt auch noch was dazu sagen, weil, wir haben ja nicht nur das Bier bekommen von euch, sondern wir haben von euch auch ein wunderschönes Glas bekommen, was eben so an die historischen Weisse-Gläser angelehnt ist. Das heißt, das ist eher so ein Kelch und darin kommt das Bier natürlich wunderbar zur Geltung. Und sieht man jetzt auch, wie das so schön rot einem quasi fast entgegen strahlt. Ich habe selber auch mal versucht, eins von diesen wirklich historischen Gläsern zu bekommen, aber die sind quasi nicht auffindbar in Berlin. Also das finde ich ganz krass, da ist wohl viel verloren gegangen. Aber gut, ja, vielleicht trotzdem eine Frage, habt ihr euch bei dem Glas an was Bestimmten orientiert oder einfach irgendwas überlegt?
Basti Oberwalder: Ja, natürlich auch in der alten Form. Also wir haben das Glück, dass wir noch mit Manfred Staruß, das war der letzte Leiter der Hochschulbrauerei, der letzte Braumeister, der auch noch aktiv Weisse gebraut hat in den 70ern, dass der uns auch ganz viel geholfen hat. Und der hat einfach ein Museum Zuhause und hat dann uns auch mal alte Weisse-Gläser mit hergebracht. Diese Form gibt es heute eigentlich gar nicht mehr, deswegen war es eine lange, lange Suche, bis wir ein Glas haben, was so quasi alles mit vereinbart. Also wir haben ja einen hohen Schaum auch oft auf der Weissen, dass das da nicht drüber geht, dass man die Glasflasche auch auf einmal rein schütten kann. Ein Kelch halt ganz wichtig, dass es einen Fuß hat, das Glas. Und dann gibt es halt aber auch vielleicht optische Sachen, quasi das Kelch- zu Stielverhältnis und so weiter, was dann eher von uns so ein Geschmacksding war.
Holger: Beim Glas ist ja auch der Anstellwinkel geschmackproduzierend. Markus, magst du eine Verkostungsnotiz mal zu dem Bier uns zur Verfügung stellen?
Markus: Also kann ich super gerne machen, vielleicht noch ein Satz dazu. Ich habe 2014 ja damals das erste Buch so für alle Berliner Brauereien geschrieben und recherchiert und bin damals dem Andreas Bogk begegnet, der ja so einer der Pioniere der Wiederbelebung der Berliner Weisse war. Und mit dem lang drüber gesprochen, dass der am Anfang einfach das Problem hatte, dass er keinen Schaum auf das Bier bekommen hat, weil die modernen Malze dafür einfach zu gut waren. Und dann hat man eben immer mehr geschaut, wie war das denn früher? Und kam dann auf die Idee, Spitzmalz zu verwenden. Also nur ganz kurz vermälztes Getreide, wodurch dann eben der Schaumanteil wesentlich besser war und es jetzt eben so ein schön spritziges Getränk ist. Können wir vielleicht auch gleich nochmal drüber sprechen. Aber gut, vorher eine Verkostungsnotiz. Also wie bereits gesagt, eine wunderschöne rote Farbe, die mir da entgegen leuchtet. Der Schaum auch leicht rot getönt. Ich bin da völlig hin und weg, völlig begeistert, weil es auch so ein schönes Rubinrot ist. Also nicht so wie ein Ampelrot, sondern eben ein kleines bisschen dunkler, damit auch ein bisschen geheimnisvoll und sehr, sehr spannend. Und das Geheimnisvolle wird auch unterstützt dadurch, dass es so leicht trüb ist. Also so einen ganz leichten Schimmer hat es, wo man dann eben so ein bisschen den Blick verliert und dann so sich richtig auf das Bier freut. Wenn man da jetzt reinriecht, dann hat man sehr schön so eine leichte Sauerkirschnote und drunter liegen dann so Aromen, die man vom Sekt her kennt oder vielleicht auch, der Holger hat vorhin von Cidre gesprochen, von solchen Getränken. Das ist halt die Berliner Weisse, die da drunter liegt, so ein bisschen apfelig. Und dann kommt auch so ein bisschen der Steinton aus der Kirsche. Also insgesamt ein sehr dezentes, aber deutlich wahrnehmbares Kirscharoma und sehr spritzig. Also sehr angenehm so, dass man sagt: „Okay, das ist jetzt bestimmt ein spannender Punkt“, deswegen probiere ich es auch gleich.
Holger: Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe in der Nase echt krass Marzipan.
Markus: Ja, das ist der Steinton, der Bittermandelton, der aus den Kirschen kommt. Da können wir auch gleich noch drüber sprechen, inwieweit die Steine da mit drin sind oder nicht. Und im Mund habe ich dann dieses moussierende von der Kohlensäure sehr schön auf der Zunge. Klingt dann in so einer schönen angenehmen Fruchtsäure aus und dann bleibt wieder so die Kirsche und freut sich, dass sie da gewesen ist und sagt: „Trink mich doch nochmal.“ Also wirklich ein ganz, ganz schönes erfrischendes tolles Bier, wo ich mir auch gut vorstellen kann, dass das Leute einfach so statt Sekt zum Beispiel bei einem Sektempfang trinken und da richtig Spaß haben. Und auch nochmal anders als diese belgischen Kriek-Biere, die dann oft auch schwerer sind und noch so viel mehr Aromatiefe jetzt haben. Also das ist sehr viel fordernder. Hier habe ich einfach einen schönen leichten erfrischenden Trunk, der ja vielleicht auch für so Sommerangelegenheit, wo man die Weisse am liebsten vielleicht trinkt, am besten ist. Basti, vielleicht an dich die Frage, weil wir schon dabei waren, mit den Steinen. Wie macht ihr das mit den Kirschsteinen, sind die da dabei, kommen die eine Zeit rein oder wie macht ihr das?
Basti Oberwalder: Es sind ein paar mit drin, aber die bleiben auch die ganze Zeit mit drin, also solange eben das Bier zwischen Lagern und Abfüllen drauf liegt.
Markus: Für die Hörer als Info, da ist eben der Bittermandelton mit drin. Also eigentlich kommt das von Blausäure. Aber jetzt keine Angst, da müsste man auch sehr, sehr, sehr, sehr viel da reintun und trinken, um ein Problem damit zu haben. Aber das wandelt sich dann eben um in das, was wir als Bittermandelton empfinden und ist eigentlich ein sehr angenehmes marzipaniges Aroma. Kennt man vielleicht, wenn man schon mal einen Zwetschengenbrand oder sowas getrunken hat aus der Spirituosenecke, da wird das auch sehr gerne als Aroma eingesetzt.
Holger: Der Mann ist einfach unglaublich. Er erklärt das Thema Waldmeister, aber sagt nicht im ersten Stepp, was Steinton ist. Erst wenn ich sage Marzipan, dann kommt es raus. Naja, also auf jeden Fall sehr ausgewogen und ausbalanciert hinten raus auch nochmal. Also ist nicht zu süß und dann noch so ein schönes herbes Finale. Also, ich könnte mir das auch gut vorstellen, wie Markus grade gesagt hat, also ein Prosecco-Glas und dann glauben alle, dass das wirklich ein Prosecco ist. Also wäre ein tolles Aperitif-Bier auf einer Hochzeit zum Beispiel.
Basti Oberwalder: Wir nehmen auch, quasi um diese süß-sauren Kriek-Kirschen, möglichst nah ranzukommen, nehmen wir auch Sauer- und Süßkirschen und haben dann insgesamt 200 Gramm pro Liter da drin.
Markus: Sind die bei euch aus der Umgebung dann?
Basti Oberwalder: Im Moment noch nicht. Wir wollen auch, dass sie wirklich aus Werder immer kommen. Das Problem ist aber, da muss man quasi schon vorplanen, weil man ja seinen ganzen Jahresbedarf dann bei der Ernte braucht. Und so groß war es bis jetzt noch nicht. Wir haben ja die jetzt erst wieder seit einem Monat bei uns.
Markus: Stimmt.
Basti Oberwalder: Genau, dann haben wir die Hälfte Sauer-, Hälfte Süßkirschen da drin und ich glaube, das ist ganz gut. Und viele haben auch gesagt: „Das schmeckt gar nicht so doll nach Kirsche.“ Aber das liegt auch einfach, glaube ich, daran, das einfach nur dieses Aroma kennen, der Kirsche, was in ganz vielen Lebensmitteln drin ist auch oder in diesen aromatisierten Wassern. Das ist halt viel intensiver und auch anders als so ein richtiges Kirscharoma. Und ich finde es eigentlich ganz schön. Und was uns noch aufgefallen ist jetzt bei diesen ganz alten Weissen ist, dass das Kirscharoma komischerweise mit der Zeit, also in der Flasche, es immer wieder deutlicher wird. War auch bei der allerersten Charge so, dass es bei der Abfüllung gar nicht so stark nach Kirsche geschmeckt hat. Aber dann nach einem Jahr oder nach diesen zwei Jahren jetzt halt, war das unglaublich deutlich und richtig intensiv nach Kirsche. Wo wir auch nicht wussten, woran es liegt jetzt am Ende.
Holger: Also kommt eine Kirsch-Weisse in den Jahrgangskeller, neben die Eiche, Markus, oder?
Markus: Mindestens eine, also ich muss da schon ordentlich nachbestellen. Da steht ja schon die Eiche- und die Waldmeister-Weisse und die Himbeer-Weisse und dann muss da jetzt natürlich auch noch eine Kiste Kirsche dazu.
Holger: Also, Himbeer-Weisse ist doch ein gutes Stichwort. Basti, jetzt kommst du voll zur Geltung, du kannst jetzt das Thema Himbeer-Weisse erklären und gleichzeitig auch die Verkostung machen.
Die Himbeer Weisse
Basti Oberwalder: Gerne. Dann machen wir mal auf.
Markus: Ist immer ein schönes Geräusch, oder?
Holger: Ja.
Basti Oberwalder: Absolut, ich probiere es auch mal. Ah.
Markus: Besser als jedes Plopp.
Holger: Wir können ja einen BierTalk mal zusammenschneiden, 30 Minuten nur Kronkorken-, Bügelverschlüsse- oder Dosenlaschenziehen. Das wäre doch auch ein schönes Speziell.
Markus: Absolut, BierTalk ohne Talk.
Basti Oberwalder: Habt ihr schon eingeschenkt?
Holger: Ja.
Basti Oberwalder: Die Himbeer-Weisse kommt natürlich viel, viel heller als die Kirsch-Weisse im Glas. Eher so ein dunkles rosa anstatt ein rot, für mich. Der Schaum ist auch nicht ganz so rot bei der Kirsch-Weissen. Der hat nur eine ganz leichte Färbung. Bei der Kirsche fand ich ihn schon sehr rosa quasi, also hat eine richtig rötliche Färbung gehabt. Hier ist er nahezu weiß und eine ganz leichte rötliche Färbung. Natürlich hat man dann den Kirschenduft total vorne dran, äh die Himbeeren meine ich. Riecht auch wie so einer frischer Himbeerkorb. Wir haben da 150 Gramm Himbeeren auf einem Liter. Ja, wenn man dann probiert, es ist halt erstens viel saurer als die Kirsch-Weisse. Liegt aber daran, dass eben diese Frucht auch viel, viel mehr Säure mitbringt. War auch so, dass wir halt am Schluss auch nicht ganz wussten. Die Erste war auch ein bisschen sehr sauer geworden, was wir gemacht haben. Einfach, weil man das einfach nicht abschätzen konnte am Anfang, wie krass die Säure da von den Himbeeren auch ist. Liegt auch an der Sorte, die man bestellt. Natürlich gibt es auch ganz viele Himbeeruntersorten wieder, die auch unterschiedlich sauer und unterschiedlich süß sind. Haben jetzt aber eine richtig gute gefunden, die ganz gut zu unserer quasi Budike passt, um sie draufzulegen. Wir geben die dann auch wieder beim Schlauchen dazu. Das heißt, die Himbeeren gären auch mit. Das heißt, sie bringen auch keine Süße mit, sondern der Zucker der Frucht wird noch komplett mit vergoren, von der Hefe. Ja, ist sie halt auch sehr trocken und auch wieder sehr, sehr sektartig.
Markus: Ja, absolut.
Basti Oberwalder: Kann ich mir auch sehr gut quasi so als Zwischengetränk vorstellen und auch als Aperitif. Oder quasi auch wenn es heiß ist einfach draußen, weil, ist einfach angenehm mit den 3,5 Prozent, das ist halt nicht so stark. Es ist sauer, dadurch ist es auch sehr erfrischend. Es hat nicht so eine Malzschwere drin, weil es doch alles, wie gesagt, recht trocken ist. Das heißt, man trinkt es auch einfach. Und es ist so ein Geschmack, der dann im Mund kurz verweilt, aber man trinkt sehr schnell den nächsten Schluck einfach, weil man diesen Geschmack sofort wieder haben will.
Markus: Also was ich auch sehr schön finde ist, dass die Himbeere so in ihrer ganzen Komplexität rüberkommt. Also einmal das klassische Himbeerduftaroma, was man so kennt, aber dann eben auch, Himbeeren haben ja so ein bisschen kräutigen, minzigen Charakter mit drin. Und dadurch, dass das ja eigentlich gar keine Beere ist sondern eine Sammelsteinfrucht, hat eben jeder kleine Teil dieser Beere einen kleinen Kern, und der hat so einen nussiges Aroma. Und das, finde ich, kommt auch total schön rüber und dadurch ist das insgesamt eine sehr, sehr, komplexe Geschichte also, die zwar von der Himbeernote getragen wird, aber sehr viel abwechslungsreicher nochmal im Geschmack ist und damit auch so richtig Spaß macht, immer mehrt sich da ein bisschen rein zutrinken. Also ein ganz tolles Produkt. Und da, finde ich zum Beispiel, ist mir die Berliner Weisse lieber als die Framboise-Variante aus Belgien, weil die dann oft so einen überreifen Charakter bekommt und was mir nicht so gut schmeckt, und die Säure dann auch schnell in so einen Essigcharakter umschlägt. Und hier bleibt es einfach bei diesem frischen, fruchtigen, schön Angenehmen. Also wirklich tolles Bier, mag ich total gern. Kann ich verstehen, warum wir damals den Beer Star verliehen haben.
Holger: Also, was ich ja auch nochmal spannend finde zu erzählen, ist eben, dass die Grundlage ja die Budike-Weisse ist. Und dass das eben wirklich von Butik herkommt. Also dass das eben ein Begriff für die Schankstätten in Berlin war zu der Zeit, wo Napoleon eben auch da war. Und das finde ich auch nochmal toll, also dass ihr das auch irgendwie auch alles mit einbezieht. Also das man auch diese Bierhistorie, die Stadthistorie und so dieses ganze Thema auch vom Storytelling her, das produziert ja letzten Endes auch Geschmack. Das finde ich sehr schön, dass ihr das irgendwie mit verbindet. Das gefällt mir gut.
Basti Oberwalder: Ja, wir haben ja auch auf den Etiketten, haben wir immer eine Berliner Sehenswürdigkeit mit drauf. Das ist so an die 20er-Jahre gehalten, wo noch die Hochzeit der Berliner Weisse war. Und dann eben im Hintergrund immer noch, zum Beispiel auf der Kirsch-Weisse ist der Berliner Dom, bei der Himbeer-Weisse das Brandenburger Tor. Hier auf der Budike ist die Oberbaumbrücke. Wir haben immer eine Sehenswürdigkeit drauf. Und ich meine, wann hat man das denn so einfach und hat ein so klasse Produkt, was so regional ist und was trotzdem super Spannendes, weil man die Weissen so gut kombinieren kann, auch mit verschiedenen Kräutern. Das ist einfach super, ist eins der besten Produkte, die ich kenne. Und auch einmalig eigentlich auf der Welt.
Holger: Absolut.
Basti Oberwalder: Also quasi historisch gesehen einmalig.
Holger: Was ist denn das Schwerste? Also sind jetzt die beiden Himbeer- oder Kirsch-Weissen schwerer als das mit dem Thema Waldmeister oder würdest du sagen, nee, also für den Brauer ist doch die Waldmeister-Weisse die größte Herausforderung?
Basti Oberwalder: Ich würde sagen, die Budike ist die größte Herausforderung. Zwischen einem guten Sauerbier und dem Kotze-Geschmack ist es echt nicht groß, die Spanne. Man muss es genau treffen. Weil, wenn die Säure zu stark ist, ist es unangenehm. Man muss die richtigen Mikroorganismen finden. Grad auch bei uns, was viele immer sagen, dieses Apfelige. Das kommt bei uns auch vor allem durch die Brettanomyces -Hefe. Und man braucht einfach den richtigen Lacto, der das nicht zu sauer macht. Weil, dann ist es irgendwann nicht mehr angenehm zum Trinken. Vor allem, wenn es dann trocken wird, weil dann die Säure einfach so durchsticht, dass es, ich sage mal, den Zahnschmelz von den Zähnen wegschmilzt. Und da ist aber die größte Krux, einfach ein schön saures, wo auch diese süße Säure ausbalanciert ist, mit einer Brett, die bei uns eher in den Fruchtcharakter geht und nicht so in dieses Ziegenaroma. Das macht sie bei uns erst, wenn sie länger als ein halbes Jahr in der Flasche ist, dass sie das wirklich so wahrnehmbar produziert. Und die Auswahl der Mikroorganismen und auch die Pitching Rate, also in welchem Verhältnis man sie dazu gibt und wann, zu welchem Zeitpunkt. Das ist quasi wirklich das Schwierige, finde ich.
Der Geschmack der Wilden Hefen
Holger: Ja, okay. Also ich habe ja vorhin gesagt, mich erinnert das so ein bisschen an Cidre oder Apfelmost. Und wenn man sich jetzt vorstellt auch nochmal so Apfelsorten, dann haben ja die Apfelsorten auch so völlig verschiedene Säuren, die man wahrnehmen kann. Und so ein Boskoop-Apfel oder so, so in die Richtung geht das für mich irgendwie. Also da kann man auch nochmal so drauf abheben, an welche Apfelsorte erinnert das eigentlich? Und es ist dann nicht so ein Granny sondern eher so ein Boskoop, meine ich, also. Aber das ist jetzt vielleicht zu viel Sommelier-Geschwafel.
Basti Oberwalder: Da kann ich auch noch was zur Himbeer Weisse sagen, wir haben ja ein lebendes Produkt in der Flasche. Also wir pasteurisieren die ja nicht, sondern die Brett arbeitet ja weiter, wenn wir abgefüllt haben. Und auch bei der Himbeer-Weisse zum Beispiel ist es auch sehr speziell, also wenn sie frisch abgefüllt ist, dann hat sie noch diesen richtig krassen Fruchtcharakter und die Himbeer kommt viel, viel, weil da auch ein bisschen mehr Süße auch da ist, viel, viel fruchtiger rüber. Und je älter diese Himbeer-Weisse wird, umso mehr geht sie auch in diesen Weincharakter oder Sekt, Prosecco passt eigentlich ganz gut, dieses trockene, spritzige. Wo aber dann durch die Brett auch noch eben dann irgendwann auch diese Ziegenaromatik oder diese Pferdedecke kommt, die aber gar nicht so wahrnehmbar ist, sondern, weil sie sich in dieses Himbeeraroma noch so mit rein wirkt, aber die Himbeere viel, viel trockener wird. Aber, ich sage mal, sie wird komplexer, aber weniger intensiv da mit der Zeit.
Export in die USA
Markus: Also was mich noch interessiert ist, ihr habt ja, also das war praktisch der erste Schritt, überhaupt mal die Weisse zu entwickeln und zu kreieren. Was ja an sich schon ein jahrelanger Prozess war. Dann jetzt diese Weiterentwicklung mit den verschiedenen Früchten beziehungsweise Kräutern beziehungsweise dem Holzfass, was ja auch spannend war. Und jetzt habt ihr ja noch so einen dritten Schritt gemacht, denn ihr exportiert die Weisse ja auch. Und das ist, glaube ich, gar nicht so einfach. Also so ein lebendiges, mit Kohlensäure vollgeladenes Produkt über den Atlantik zu schippern. Wie funktioniert das denn? Wie kriegt man das hin, dass man das wirklich nach Amerika bekommt, sodass die auch Spaß dran haben?
Basti Oberwalder: Wir haben da einen Partner drüben, der das dann auf Dosen füllt, also das gibt es in Amerika nur in der Dose. Und wir behandeln die quasi einfach nur ein bisschen anders. Das wir quasi davon ausgehen können, dass in der Dose das nicht mehr unkontrolliert nachgärt. Und wir pasteurisieren die auch nicht, die ist trotzdem lebend. Wir spunden die anders und so weiter, dass sie quasi in der Dose auch dann, wenn sie drüben ist, genau die richtige Menge Kohlensäure und so hat. Da kommt dann ein Container, wie ein Schiffcontainer. Der ist dann quasi nur das Gestell, der Rahmen und innen drin liegt dann ein Tank, mit Kühlaggregat und allem. Und der wird dann quasi befüllt. Und der füllt dann drüben aus diesem Tank, füllt er dann die Dosen bei sich in Amerika erst. Aber das Bier ist dann kalt. Das heißt, das macht auch nix während der Fahrt, das ist quasi eingefroren. Und in der Dose dann quasi geht es dann erst weiter. Quasi wie, wenn wir es hier füllen würden.
Holger: Ja, das ist wirklich spannend. Also da kann man dann auch mal sehen, dass dann so ein Bier auch verständlicher maßen da drüben treuer ist als hier, weil es einfach auch viel, viel Aufwand bedeutet, dass in der Qualität dann eben in anderen Märkten auch zu präsentieren. Ja, Wahnsinn. Mensch, das war doch ein ganz toller, spannender BierTalk und nur über die Berliner Weisse. Aber jetzt so ganz zum Schluss über das Bier hinaus, gibt es bei Lemke noch andere Neuigkeiten, die wir unserer Gemeinde unbedingt erzählen müssen?
Das Brauhaus Lemke in neuem Gewand
Basti Oberwalder: Ja, wir sind grad in so einem kleinen Umbruch auch mit unseren Gaststätten. Wir haben ja hier das Lemke am Hackeschen Markt, was ja das Ursprungs-Lemke war. Dann am Alexanderplatz dann das große Brauhaus und am Schloss nochmal das alte Luisenbräu, was jetzt von uns betrieben wird seit 2003. Und haben wir jetzt so gedacht, dass wir auch das Konzept einfach vom Essen ändern. Dass wir quasi das Brauhaus am Hackescher Markt dann so ein Wirtshaus machen. Also wo wirklich dann, wenn man reinkommt, diese klassischen Wirtshausessen, also Haxe, Gulasch und so weiter. Das am Alex einfach moderner machen. Das ist ja eh schon, wenn jemand schon mal da war, unten sehr, sehr nach einer Craftbier-Bar auch ummodelliert worden, 2017. hat aber trotzdem noch dieses, sagen wir mal, eher klassische Speisenangebot. Und da wollen wir einfach auch ein bisschen mit moderner Küche dann auch kommen. Oben soll noch ein Coworking-Space kommen, dass man quasi dort auch arbeiten kann in Ruhe. Oben ist ja auch den ganzen Tag über eher ruhig, bis die Gäste, wenn überhaupt, abends dann kommen. Und am Schloss eben dann auch so eine Schankhalle machen wollen. Dieses Schloss ist ja sehr, sehr, sage ich mal, auch Altberlinerisch eingerichtet, mit langen Holzbänken, Vertäfelungen an den Wänden und mit dem alten Kupfersudhaus. Und da kommt dann auch nochmal mit den Gästen, die dort kommen, angepasste Speisekarten.
Holger: Toll, dass ihr immer wieder euch neu erfindet und aus dem Alex, dann aus dem Brauhaus, das Bierhaus macht. Also, Wahnsinn.
Basti Oberwalder: Ja.
Holger: Mensch, Markus, wir waren schon zu lange nicht mehr in Berlin, wir müssen da wieder hin.
Markus: Auf jeden Fall, die Sehnsucht wächst. Und das Schöne ist ja immer, wenn ich vorbeikomme, hat der Basti irgendein besonderes Fläschchen aus seinem Keller, was er mir dann gibt oder wir zusammen probieren. Und da freue ich mich am allermeisten drauf, weil, das war bisher immer ein absoluter Hochgenuss. Ziemlich egal, was er mir gegeben hat. Wobei, am meisten in Erinnerung ist mir eine Lemke Empirial Stout aus dem Rumfass geblieben, was wirklich immer noch bei mir so ein bisschen geschmacklich verankert ist. Also da schon mal im Voraus und im Nachhinein, wie auch immer, vielen Dank. Und ich freue mich, dass wir uns dann möglichst bald wiedersehen, vielleicht dann einfach auch mal zu dritt deine Schätzchen erkunden. Da freue ich mich schon sehr drauf. Und, ja, vielen Dank heute für die Zeit.
Basti Oberwalder: Bitte, bitte. Ich habe auch ein Haufen Neues nochmal da. Wenn man am Ball bleibt, man kann sich bestimmt innerhalb des nächsten Jahres ganz schön viel freuen, dass wir noch im Bereich Berliner Weisse auch was Neues rausbringen.
Holger: Also, das ist doch ein super Schlusswort und macht Lust, den dritten Lemke-BierTalk irgendwie auch noch in Angriff zu nehmen.
Markus: Das machen wir, sehr coole Sache. Also, euch alles Gute, bis dahin. Vielen, vielen Dank, danke für die Zeit und war ein schöner BierTalk wieder mal.
Basti Oberwalder: Fand ich auch, war schön.
Holger: Ja, tschüss,
Basti Oberwalder: Servus.
Markus: Tschau.
BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de