Er trägt den wohl am schwersten auszusprechenden Namen in der deutschen Bierwelt – und einen großen Rucksack an Brautradition. Schließlich gehört Jan Niewodniczanski zur Inhaberfamilie der Bitburger Braugruppe, die einst überhaupt das Pils in Deutschland überhaupt erst möglich gemacht hat. Einerseits mit einem großen Aufwand zur Gewinnung von Eis für die ganzjährige Kühlung und andererseits mit dem Sieg in einem spektakulären Prozess gegen die Pilsener Brauereien, in dem am Ende das Pils von einer Herkunftsbezeichnung zu einer Biersorte wurde. Zu allem Überfluss saß Jan zur Zeit der Aufzeichnung in Südafrika im strengen Lockdown fest – inklusive strenger Prohibition, die ein Brauer allerdings immer zu umgehen weiß…
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Holger: Herzlich willkommen zu unserem 20. BierTalk. Und wir haben einen ganz besonderen Gast, Jan Niewodniczanski. Und das ist der Technikchef der Bitburger Brauereigruppe. Und ich, der Holger, und der Markus sind wie immer mit dabei. Wir haben uns aufs Du geeinigt. Jan, ich darf dich bitten, stell dich doch mal kurz selbst vor.
Jan Niewodniczanski: Jan Niewodniczanski, ich bin in siebter Generation leidenschaftlicher Brauer in Bitburg. Also ich gehöre zu der Gesellschaft der Familie dieses Familienunternehmens. Ich habe im Grunde genommen mein ganzes Leben lang nur gebraut beziehungsweise in Brauereien gearbeitet, habe in Weihenstephan studiert, Brauwesen, Getränketechnologie. Und dann bin ich so ein bisschen auf eine Weltreise gegangen, habe also in den unterschiedlichsten Brauereien weltweit gearbeitet, sowohl in Amerika, Anheuser-Busch, den verschiedenen Brauereien, in den Philippinen bei San Miguel Brewery in vier verschiedenen Brauereien. Dann ging‘s nach China, nach Hongkong, Guangzhou, also in oft Brauereien, die zu der San Miguel Gruppe gehört haben. Und ja, natürlich einige Brauereien in Deutschland, (unv. #00:01:20.2#) nach dem Studium. Und dann ging‘s irgendwann nach Südafrika. Das war so 1995, als hier die Apartheid zu Ende war, 94. Also als es gerade interessant wurde in Südafrika, das hat mich interessiert damals. Ich hatte damals für einen Job mich eigentlich beworben in Australien bei (unv. #00:01:38.9# 4X?), weil ich eben auch leidenschaftlicher Surfer bin und dort eben die Brauerei praktisch direkt am Surfspot am Great Barrier Reef liegt. Das hat nicht geklappt mit dem Visum und dann habe ich gedacht, und was ist so ähnlich? Ähnlich ist Venezuela vielleicht und Südafrika. Und ich habe eben damals, weil ich wahnsinniges Interesse hatte, was hier in Südafrika abgeht, dann bin ich nach Südafrika gegangen. Ich wollte nur ein Jahr bleiben und aus dem einen Jahr, dann kam dann noch ein MBA Studium hier unten dazu und dann lebe ich eben insgesamt etwa zehn Jahre hier unten, knapp elf Jahre, meistens in den zwei großen Brauereien in der Braustätte in Rosslyn in Pretoria und dann die längste Zeit unten hier im Kapstadt, wo ich eben diese Brauerei hier unten, die Newlands Brauerei von der SAB Gruppe eben wahnsinnig gerngehabt habe und hier wirklich ein schönes Brauerleben geführt habe. Also vom Braumeister bis zum Brewing Manager, Produktionsmanager, alles (unv. #00:02:34.8#) Managementpositionen gehabt habe. Und dann bin ich 2006 zurück nach Deutschland gegangen in das Familienunternehmen und bin seitdem eben verantwortlich als Geschäftsführer Technik und Umwelt für unsere Braugruppe. Ich habe es angesprochen, immer noch Familienunternehmen ist es zu 100 %. Und da versuche ich mit meinem Team viel Spaß bei dem Prozess zu haben, bei unserem Geschäft zu haben. Und ja, wir werden jetzt gleich noch ein bisschen drüber sprechen, das eine oder andere Verrückte auch noch zu machen nebenbei.
Holger: Genau. Verrückt ist ein gutes Stichwort. Markus, sehr beeindruckend, oder?
Markus: Auf jeden Fall. Und eine Sache muss man vielleicht noch klären, wenn der Jan sagt, hier unten, dann ist das schon die eine verrückte Sache, denn er ist gar nicht in Deutschland, sondern in Südafrika und spricht also über eine viele tausend Kilometer lange virtuelle Leitung mit uns. Und da steckst du jetzt auch gerade ein bisschen fest, wenn ich das richtig verstanden habe, oder?
Jan Niewodniczanski: Ja. Das ist mal wieder so irgendwie so Teil meines Lebens, dass es irgendwie immer ein bisschen anders läuft, als man es glaubt. Also ich bin tatsächlich hier noch mit einem der letzten Flieger nach Südafrika geflogen, weil meine Familie, mein Sohn geht hier unten zur Schule. Also ich habe immer noch eine sehr enge Bindung zu Südafrika. Wer einmal hier unten in Südafrika war, den lässt das auch nie wieder los. Ich sitze jetzt hier unten etwa acht Wochen fest. Das Ganze war nicht ganz so geplant, ich wollte die Familie hier rausholen und bin auf einem der letzten Flieger gewesen, die hier runterkamen. Und dann kam eben dummerweise ein Resultat auch noch von einem Test, den ich vorsichtshalber gemacht habe. Das heißt, die Immunkörper sind inzwischen auch aufgebaut. Aber leider hat das natürlich resultiert, dass ich im Lockdown hier unten dringeblieben bin, drinbleiben musste. Es ist jetzt die achte Woche, ich versuche eben jetzt so gut es geht. Und das ist natürlich machbar, wir sind alle ja mehr oder weniger im Homeoffice, versuche ich jetzt seitdem so gut es geht die Geschäfte von hier zu leiten und bin den ganzen Tag so mit meinen zwei Laptops hier unterwegs, mit meinem Team, an den verschiedenen Brauereien am Kommunizieren. Aber im Unterschied zu denen schaue ich eben hier auf die See hinaus und hoffe, dass irgendwann mal der Flugplatz wieder hier aufmacht. Das ist die Situation.
Holger: Sehr gut. Also jetzt kommen wir zur Hauptsache, zum Thema Bier. Ich denke, wir sollten das erste Bier mal öffnen, weil die Hörer sonst ja auch noch verdursten. Also was hast du mitgebracht, Jan? Erzähl doch mal!
Jan Niewodniczanski: Also das hier ist jetzt auch wieder eine verrückte Geschichte. Man sollte wissen, dass der Lockdown in Südafrika anders ist als woanders auf der Welt. Südafrika hat sich entschlossen, Prohibition hier einzuführen, das heißt, seit acht Wochen ist der Bierverkauf hier verboten oder der Alkoholverkauf. Also man darf hier auch nicht über die Straße bringen ein Bier. Aber mein Team ist natürlich sehr kreativ und hat es geschafft, hier mir unten ein Paket hinzuschicken, an allen Beschränkungen vorbei, und deswegen habe ich tatsächlich ein Stück Heimat vor mir. Ich habe ein Hop Head IPA ⁷ aus unserer Pilote Brewery, aus der Versuchsbrauerei von Craftwerk. Und das ist mein Flagship, das ist mein Lieblingsbier. Und ich bin überglücklich, dass ich das jetzt aufmachen kann.
Holger: Dann mach‘s doch mal auf und schütte es mal ein und erzähl doch mal, wie es schmeckt.
Jan Niewodniczanski: Ich muss zugeben, ich habe es auch geschafft natürlich, noch das eine oder andere Bierchen hier unten noch zu bekommen von meinen alten Brauerfreunden, die ich auch gut kenne. Aber ich muss sagen, das hier ist jetzt das erste Bier tatsächlich aus dem Paket und deswegen freue ich mich wahnsinnig drauf. Und es ist natürlich, wenn du schon mal dran riechst, eine sensationelle Hopfennote. Also wir das Bier designt haben, wollten wir gleich, also wir haben uns orientiert an so einem amerikanischen West Coast IPA, aber wir wollten so ein bisschen das Beste von zwei Welten verbinden. Und deswegen, also nicht nur, was du in der Nase hier gleich bekommst, sind natürlich diese typischen amerikanischen drei C‘s wie Centennial, Chinook, Cascade. Aber wenn du dann in den Trunk reingehst, dann ist das eine unheimlich lange, keine extreme Bittere, aber eine schön lang ausgezogene Bittere. Und warum? Weil wir eben hier versucht haben, den Versuch gestartet hatten und eben die amerikanischen Flavor Hops ein bisschen zu kombinieren mit klassischen deutschen Hopfen. Und da war eben dann zum Beispiel der Magnum drin oder der (unv. #00:06:45.8# Tauris?), oder sogar ein reiner Bitterhopfen, der in Deutschland großtechnisch eigentlich nur als Bitterhopfen genutzt wird, der Herkules, aber mit dem wir auch zum ersten Mal gestopft haben, also im Kaltbereich benutzt haben. Und die Kombination dieser sehr intensiven amerikanischen Flavor Hops mit den deutschen traditionellen Hopfen, das ist so ein bisschen typisch an dem Bier. Und, ach Gott, ist das gut.
Holger: Ja wunderbar. Soviel ich weiß, hat’s 8 % und 65 Bittereinheiten. Yo, das ist was. Wir haben ja keine Zeitverschiebung, du hast genau dieselbe Zeit wie wir, ne?
Jan Niewodniczanski: Das ist richtig. Ja, ja. Es ist ein bisschen dunkler als bei euch, glaube ich, jetzt hier, also keine Zeitverschiebung, ihr habt Sommerzeit, hier fängt der Winter an, deswegen die Tage etwas kürzer, alles schon ziemlich duster draußen. Aber das Schöne an dem südafrikanischen Winter, das ist wie ein schlechter Sommertag in Deutschland. Also ich sitze in einer Shorts und es ist immer noch schön warm hier.
Holger: Ja, Wahnsinn! Ich war auch schon mehrere Male in Südafrika und auch in Kapstadt und liebe das Land und die Leute und vor allen Dingen auch diese Stadt auch ganz extrem. Ihr habt ja unglaublich viele Marken, also Bitburger, König, Wernesgrüner, Köstritzer, Licher und natürlich auch einem Craftwerk. Und dann habe ich noch bestimmt was vergessen. Wie steuert man das denn alles? Ich sag mal, da gibt’s ja ganz viele verschiedene Interessen und auch Zielgruppen, jetzt auch gerade von Craftwerk, ist ja eine ganz andere Zielgruppe, stelle ich mir vor, als jetzt beispielsweise von Licher oder Köstritzer. Wie steuert man das? Wie macht man das eigentlich?
Jan Niewodniczanski: Ja, das ist eine gute Frage. Die frage ich mich jeden Morgen auch noch mal aufs Neue. Das ist natürlich unterschiedlich, jetzt mal von den Produktionen her gesehen bis zum Verkauf. Wir sind eine Braugruppe, ich habe gesagt, wir sind 100 % familiengeführt, aber wir haben natürlich in der Historie, gerade in diesen letzten 20 Jahren einige Brauereien dazu erworben. Die erste, die wir zu der Bitburger Brauerei dazu erworben haben, war die Köstritzer Brauerei, und danach kamen eben andere dazu. Interessanterweise auch zu einem Zeitpunkt eben, einer unserer damaligen Hauptwettbewerber, die König Brauerei, weil die König-Familie eigentlich mit unserer Familie doch sehr direkte Konkurrenten waren und wir uns in vielen eigentlich versucht haben zu messen in der Pils-Kompetenz. Und interessant war es dann einfach, als König irgendwann zu uns kam. Wie steuert man das? Also du musst dir das so vorstellen, jede Brauerei ist von uns, also das Thema Braugruppe, das klingt zwar wie so ein großes Dickschiff, ist es aber in Wirklichkeit nicht wirklich, weil jede Brauerei ist unheimlich verankert in der Region. Alle unsere Biere haben eigentlich einen unheimlich regionalen Bezug, eine unheimlich regionale Verwurzelung, die ist schon sehr, sehr lange bedingt. Also bei uns, bei Bitburger, jetzt über 200 Jahre, 1817 haben wir gestartet. Aber bei den anderen Brauereien teilweise noch länger, ein Köstritzer oder ein Wernesgrüner in Thüringen und Sachsen, das sind Geschichten, die sind schon über 400 Jahre alt. Also sehr in der Region verwurzelt, zum Beispiel in Kunst, in Sport, in Kultur. Eben aber auch bei den Konsumenten, die sind dort eben besonders loyal. Und teilweise bringen wir natürlich auch die Marken in einen überregionalen Vertrieb hinein. Das heißt, die wirkliche Hauptaufgabe, die Kunst, diese Marken zu führen, die hat eigentlich unsere Vertriebsmannschaft, weil die haben ein Portfolio praktisch in der Hand und müssen entscheiden: Naja, welche Marke kann ich wo draußen spielen? Welcher Konsument ist interessiert an welcher Marke? Wir haben natürlich sehr viele Marken. Wir haben auch die Kollaboration zusammen mit dem Kloster Ettal, wo wir auch das Benediktiner Weizenbier machen zusammen mit dem Kloster Ettal. Das heißt, wir versuchen verschiedenen Biertypen zu belegen, aber eben mit den verschiedenen Marken auch geografisch in Deutschland verschiedene Regionen zu belegen. Für mich, derjenige, der für die Technik verantwortlich ist, ist es wahrscheinlich ein bisschen einfacher, weil ich diskutiere jeden Tag natürlich mit meinen Leuten an den unterschiedlichsten Standorten schon seit langem über Videokonferenzen: Was sind die technischen Herausforderungen, was sind die qualitativen Herausforderungen? Wo können wir vor allen Dingen mit den zentralen Funktionen, die wir in Bitburg haben, wie ein super ausgestattetes Labor, wie eine Versuchsbrauerei, wo können wir unterstützen an den jeweiligen Standorten? Aber ansonsten ist im Grunde genommen jeder Standort eigentlich völlig unabhängig voneinander. Und ich glaub, die wirkliche Kunst, so viele Marken zu führen, die liegt im Vertrieb. Also da beneide ich den Vertrieb nicht, das ist wirklich eine Herausforderung, das ist wirklich sehr, sehr schwer. Wenige Unternehmen schaffen das eigentlich, so viele Marken gleichzeitig zu führen.
Holger: Ja, das glaube ich. Beer is local, auf jeden Fall. Markus, in Franken ist das natürlich auch großgeschrieben, für welches Bier hast du dich denn heute Abend entschieden?
Markus: Ja, das sage ich gleich. Vorher vielleicht noch ganz kurz, weil es gerade sehr gut passt, ich hatte mit Bitburger auch so die erste Bekanntschaft ganz, ganz positiv getroffen, also jetzt in Bezug auf den Begegnungen auf einer Brauerebene. Ich meine, ansonsten habe ich natürlich früher schon öfters das Bitburger getrunken, ist ja klar. Aber ich habe vor ein paar Jahren einen Brauereiführer geschrieben für Sachsen und Thüringen, und da gibt’s ja durchaus Brauereien in Sachsen und Thüringen, die mittlerweile zu größeren Konzernen oder Gruppen gehören, und das war überall ziemlich schwierig, bis auf zum Beispiel Wernesgrüner. Also das fand ich total toll, ich habe da angerufen und da eigentlich gedacht, okay, jetzt muss man da erst mal 20 Stationen durchmachen, bis dann so irgendjemand kommt und so. Dann war da eine junge Dame vom Marketing, die hat mich dann empfangen, wir sind durch die ganze Brauerei, sie haben mir alles erzählt, ich konnte mit ganz vielen Leuten reden, konnte Fotos machen, wie ich das gewollt habe. Am Ende haben sie mir das ganze Auto voller Bier geladen, und das war wirklich ein ganz, ganz toller, positiver, sehr schöner Besuch. Was ich auch sehr gut fand im Gegensatz zu eben anderen Beispielen, hat man dort eben Wert darauf gelegt, die Geschichte und die Kultur, die hinter dem ganzen Wernesgrüner Namen steckt, auch eben zu erhalten und zu sehen, dass man das wirklich weitertransportiert und auch wirklich vor Ort die Leute mit einzubinden, die da früher in der Brauerei schon waren. Deswegen habe ich das wirklich extrem positiv erlebt und das freut mich total. Aber jetzt dann doch zum Bier. Ich habe mir gedacht: Natürlich eben, ich bin ja in Franken, und dort haben wir einerseits natürlich eine sehr, sehr große Biervielfalt und andererseits auch so einen kleinen neuen Exportschlager, also mit dem ich großgeworden bin, den damals aber keiner kannte, nämlich dass Kellerbier. Und seit ein paar Jahren ist es ja so, dass dieses Thema Kellerbier auf einmal bundesweit an Bedeutung gewonnen hat. Und es gibt auch eben seit einiger Zeit ein Bitburger Kellerbier am Markt. Und da habe ich mir gedacht: Mensch, für diese Gelegenheit, ich habe das schon ganz lange bei mir unten im Kühlschrank, hatte es eigentlich für eine Veranstaltung gekauft, die Ende März gewesen wäre. Die hat dann natürlich nicht stattgefunden. Und seitdem steht das bei mir und wartet immer darauf, wann es endlich mal verkostet wird. Jetzt ist natürlich die absolut perfekte Gelegenheit, deswegen mache ich es jetzt auch mal auf.
Holger: Aber das war ja wieder klar, dass du dir ein Kellerbier aussuchst. Meine Güte, nee! Man hätte auch kreativer sein können, oder? Zum Beispiel ein Bier aus dem Collaboration Brew mit Sierra Nevada, Jan, das ist auch eine spannende Sache.
Jan Niewodniczanski: Ja, da hast du einen guten Punkt gefunden. Also zunächst mal zu dem Kellerbier, vielleicht, wenn ich bei dem Kellerbier von Markus bleibe, weil der eine oder andere fragt sich ja schon vielleicht: Wie kommt denn das, dass so eine traditionelle Pilsbrauerei wie die Bitburger jetzt so ein Kellerbier haben und jemand in Franken trinkt jetzt das Bier oder in Süddeutschland. Es ist einfach, wir haben es vor dem Hintergrund gesehen, dass wir eigentlich ein Pils haben, mit unserem Pils gab es über die letzte Generation sehr oft die Diskussion, guck mal, der Trend in Deutschland bei den Konsumenten geht immer mehr in mildere Biere. Und viele unserer Mitbewerber haben sich das natürlich auch angeschaut, und wenn du so ein bisschen die Analyse anschaust bei den deutschen Pilsbieren, dann siehst du, wir machen das regelmäßig, also wir haben einen Trend seit, ich weiß nicht, können wir in unseren Laborsystemen verfolgen, und du siehst dann so immer peu à peu, der eine fällt, droppt ab, der andere droppt auch noch mal runter. Und man versucht natürlich dadurch, dass man mit der ursprünglichen Pilsrezeptur sich vielleicht an mildere Konsumentengeschmäcker dran orientiert, versucht man so viel wie möglich Konsumenten zu erreichen. Wir haben bei Bitburger uns ganz klar dagegen entschieden und haben gesagt: Nein, wenn Bitburger draufsteht, da ist Bitburger drin, und wir bleiben bei unseren 33 Bittereinheiten. Was inzwischen seltsamerweise inzwischen relativ viel ist, also die internationalen Bittereinheiten für ein Pils, und haben gesagt: Wenn jemand tatsächlich unter der Marke Bitburger auch mit unserer Bitburger Hefe ein etwas milderes Bier haben will, dann lasst uns mal überlegen. Und wir haben dann uns entschieden einfach ein unfiltriertes Kellerbier dann auch rauszubringen, welches eben von den Bittereinheiten, ich glaube, in einer Größenordnung von 20 bis 22 ist. Was tatsächlich im unteren Rand von dem einen oder anderen Pils-Bier auf dem Markt ist. Aber einfach, um auch den Leuten, die vielleicht keine Affinität zu dem Thema Bittere haben, eben auch so ein Kellerbier zu geben. Du hast es angesprochen jetzt, aber wirklich ein superspannendes Thema, unser Sierra Nevada Projekt. Soll ich da ein bisschen mehr drüber sprechen, Holger, oder?
Holger: Natürlich, gerne. Das interessiert doch alle auch.
Markus: Genau. Ich halte mich bis dahin noch zurück mit der Kellerbierverkostung. Das passt schon, das schmeckt gut.
Jan Niewodniczanski: Ja, okay. Also wir haben einen anständigen Schaum auf dem Kellerbier, das sollte eigentlich auch nicht in die Hose gehen. Also probiere schon mal. Ja, also die Sierra Nevada Geschichte ist für uns natürlich auf der einen Seite Neuland gewesen für die Marke Bitburger, auf der anderen Seite eigentlich schon etwas, was wir ziemlich oft gemacht haben. Du hast es vorhin erwähnt, ich habe ja jetzt gerade auch ein Craftwerk getrunken, wir haben eine Versuchsbrauerei, wie sie wahrscheinlich einzigartig ist in Deutschland, die wir 1990 installiert haben. Eine 20 Hektoliter eigenständige Brauerei innerhalb der Brauerei, wo wir die besten Wissenschaftler der Welt immer hinbekommen von Weihenstephan, von Berlin, momentan eben gemanagt von Dr. Stefan Hanke, Dr. (unv. #00:16:59.3# Harz?), wie wir ihn ein bisschen liebevoll nennen, ein totaler Hopfen-Freak. Und dort machen wir eben auch neben unseren technologischen Versuchen und Optimierungen machen wir eben auch die Marke Craftwerk als kleine spezielle ein bisschen wahnsinnige, sagen wir mal, Craftbier-Marke in unserer Gruppe. Mit dieser Marke Craftwerk haben wir schon, ich glaube, wir haben ja 2013 angefangen, haben wir schon einige Collaboration Brews gemacht in den letzten Jahren, also völlig verrückte Sachen in Neuseeland, in Amerika, in Frankreich. Ich kenne sehr gut, Ken Grossman, den Inhaber und Gründer von Sierra Nevada. Und Ken war mal bei uns gewesen vor drei Jahren, zum zweiten Mal bei uns zu Besuch, und ich habe mich mit ihm unterhalten und da hat er gesagt: Hättet ihr nicht Lust, mal auch ein Collaboration Brew zu machen? Und ich glaube, ich hatte ihm damals die Collaboration Brews von unseren Bieren mit Craftwerk gezeigt. Das letzte, wir hatten das gerade verkostet, das von Garage Project in Neuseeland, wo wir so ein bisschen Schwarzwälder-Kirsch-Torte in ein Bier gemacht haben. Und er war so begeistert gewesen und hat gesagt: Ey, wir können auch mal ein Collaboration Brew machen. Und dann habe ich gesagt: Ja klar, machen wir einen. Dann bin ich nach Hause gegangen und habe gedacht: Ey, also mit Craftwerk, also mit unserer wirklich tollen Marke aus der Versuchsbrauerei wäre das natürlich so die absolute Krönung, jetzt mit Sierra Nevada was zu machen. Aber eigentlich ist das die Möglichkeit, zum ersten Mal auch mal was mit Bitburger zu machen. Ich habe es dann meinen Kollegen gesagt: Hier, Ken hat Lust, was mit uns zu machen. Was haltet ihr davon? Die haben gesagt: Du bist für die Produktion und für das Bier verantwortlich. Wenn du Lust hast, das zu machen, dann mach es. Also klar. Und ich habe Stefan angesprochen, Stefan Hanke, der die Versuchsbrauerei leitet. Der ist natürlich total ausgeflippt. Und dann haben wir zusammen mit Stefan, dann noch Stefan Meyna, mein Chefin von der Bierproduktion in Bitburg, Dr. Meyna, und dann eben den Jungs von Sierra Nevada haben wir eine Rezeptur erarbeitet. Es ging damals um das Thema Festbier in Amerika. Man muss wissen, Sierra Nevada macht jedes Jahr ein Festbier für ihr Oktoberfest in Amerika mit einer deutschen Brauerei, jetzt seit fünf Jahren. Und dann haben wir eben mit ihm zusammen dieses Festbier entwickelt, letztes Jahr. Sind dann rübergefahren nach Amerika, und nach einigen Versuchen, die wir gemacht haben, haben wir unsere Hefe rübergeschickt, haben uns überlegt, was machen wir, und haben dann am Springtober Fest dieses Bier vorgestellt, das heißt, im Mai zum Frühling in Amerika in ihrer Braustätte in North Carolina. Ja, war eine sensationelle Geschichte gewesen. Und haben das Bier dann auf den Markt gebracht, haben eine relativ große Menge bei ihnen dann produziert in Amerika. Das Bier war leider nie verfügbar in Deutschland, weil wir es eben im Stil von Oktoberfest-Bieren eingebraut haben und wir wollten die Diskussion gar nicht in Deutschland anfangen als Pilsbrauerei und haben es deswegen nur in Amerika verkauft. Und war eine tolle Geschichte. Wie das so ist, in Collaboration Brews gibt’s natürlich immer ein Wiedersehen. Das heißt, die Einladung auf der anderen Seite der Welt und wir haben dann eben Scott Jennings, den Hauptbraumeister von Sierra Nevada eingeladen nach Deutschland. Und wir haben uns wieder zusammengesetzt und haben uns überlegt: Was ist eine gute Rezeptur? Was sind die Gene der zwei Brauereien, die man so ein bisschen verschmelzen kann? Und haben eben das Bitburger Sierra Nevada Triple Hop gebraut im Dezember und hatten wahnsinnigen Spaß dabei. Das müsste jetzt noch so ein bisschen im Markt vorhanden sein. Und wenn es jemand da draußen sieht, dann kauft es, weil es ist limitiert und ich würde mir jetzt hier unten die Finger danach lecken. Also das ist ein sensationelles Bier. Es ist ein gut gehopftes IPL, würde ich sagen, also ein untergäriger Bierstil, ein Lager, mit unserer Bitburger Hefe gebraut. Aber dann eben mit schönen Hopfennoten, dreifach gehopft und mit den typischen drei C‘s, Chinook, Centennial und Cascade gebraut, aber auch gestopft. Und das Interessante an diesem Bier eben, wir haben den Cascade Hopfen, ein typisch amerikanischer Flavor Hopfen, den haben wir bei unserem Hopfenbauern Andreas Dick, 50 Kilometer weg von Bitburg angebaut und haben den in das Bier reingegeben und das Ergebnis, das ist einfach, es ist herrlich. Ist das schönste Biererlebnis, was wir seit langem wieder gemacht haben.
Holger: Wer jetzt noch keinen Durst hat, der ist wirklich selber schuld. Markus, verzeih mir, verzeih mir! Das musste ich jetzt einfach gefragt haben und das war ja auch eine spannende Sache jetzt. Aber jetzt spulen wir ein bisschen zurück zum Premium Kellerbier von Bitburger. Sag doch mal, wie es bei dir im Glas rüberkommt und dann letzten Endes auch in der Nase und im Geschmack.
Markus: Yo! Ich muss gar nicht so viel spulen, weil im Grunde kann man ja sogar weiterspinnen, denn mit Sierra Nevada hat 2016 die Mahrs Bräu auch schon ihr Oktoberfest-Bier zusammen gemacht. Und bei der Mahrs Bräu sind wir wiederum beim Urtyp eines Kellerbiers, beim Mahrs U. Und dementsprechend sind wir jetzt schon wieder beim Kellerbier, also man kann die Überleitung schon hinbekommen. Der Schaum ist tatsächlich immer noch da, Jan. Also da schon mal großes Kompliment. Das ist auf jeden Fall ein Bier mit gutem Stehvermögen sozusagen. Von der Farbe her sind wir in einem schönen Rotbraun, also eine schöne rötliche Färbung, so ein bisschen geheimnisvoll, leichte Trübung hat es bei mir. Und wenn man dann so reinriecht, sind es tatsächlich die malzigen Komponenten, auch ein bisschen Honig, ein bisschen Karamell, was da so rüberkommt. Und wenn man dann trinkt, gefällt mir vor allem dieses sehr, sehr weiche Mundgefühl, da sind wir nah beim Kellerbier. Nicht so kohlensäure-lastig, hintenraus klingt es dann erst mal ein bisschen mild, aber dann kommt doch auch eine Bittere rüber, die den Mund schön austrocknet und die dann eben auch im Keller auch ganz wichtig ist, damit man dann danach auch gleich wieder das nächste holt. Also Bierstil auf jeden Fall getroffen, das schon mal sehr gut. Und da sind wir als Franken ja eigentlich auch irgendwie ganz stolz, dass auf einmal die ganze Republik unseren Bierstil forciert. Also insofern ganz schön. Da muss ich vielleicht noch erzählen, weil der Holger so gesagt hat, naja, ist ja einfach, sich ein Kellerbier auszusuchen. Ich hätte schon noch andere Biere dagehabt, weil ich habe letztes Jahr für den Hopfenpflanzer Verband in Brüssel eine Verkostung gemacht, beim Global Hop Summit, und habe da moderiert und eben auch verkostet. Und da hatten wir den Dr. Georg Stettner da von Bitburger und der hat drei Biere mitgebracht gehabt, nämlich das Mat Calista, das Tangerine Dream und das Holy Cowl. Und die haben wir dort verkostet und ich habe mir ein paar Flaschen mitgenommen. Also die hätte ich theoretisch auch noch im Keller gehabt, aber das Kellerbier hatte es mir jetzt angetan. Wobei es jetzt spannend ist, was du dir ausgesucht hast.
Holger: Ich bin immer wieder beeindruckt, was du alles im Keller hast. Also Wahnsinn! Naja, also was habe ich mir ausgesucht? So schwierig ist das ja gar nicht, wenn man mich kennt. Ich habe mich einfach für einen königlich erfrischenden Feierabend entschieden. Und hab mir wieder mal ein KöPi herausgeholt. Der Stammhörer weiß es ja, ich bin Duisburger und die König Pilsener Brauerei ist in Duisburg-Beeck und meine Eltern haben ja eine Gastronomie gehabt und meine Großeltern haben auch eine Gastronomie gehabt. Und was man also auf keinen Fall irgendwie machen darf, ist in Duisburg eigentlich ein anderes Pils ausschenken als KöPi. Und so habe ich das heute zum Anlass genommen, um mit euch anzustoßen eben auf ein wirklich tolles König Pilsener. Ich mach das mal auf. Und jetzt schenke ich es mal ein. Jetzt haben aber die allerletzten auch noch Durst bekommen. Also das hoffe ich. Und bei mir ist jetzt einfach wunderschön so ein schönes hellgoldenes Pils im Glas mit auch einem ganz tollen Schaum und dann eben mit den blumigen heuigen Noten eines Pils. Und ich trinke jetzt auch mal einen Schluck. Also Prost!
Markus: Prost!
Jan Niewodniczanski: Ja, Prost, Holger!
Holger: Und das ist Heimat, das ist einfach Heimat. Da kommen ganz viele Bilder sofort bei mir hoch. Und selbst bei KöPi, ist ja jetzt eine Marke, die auch ein Rotbier hat, also das ist ja ein Nürnberger Bierstil eigentlich. Und auch dann Theodor König Zwickl, gab‘s ja auch, also ich glaube, 2016 gab’s das Zwickl und das Rotbier gibt’s, glaube ich, seit letztem Jahr, oder?
Markus: Mhm (bejahend).
Holger: Ich war bei einem großen Getränkefachgroßhändler in Essen, die hatten Jubiläum und da war auch ein Stand von der König Brauerei und die hatten dann das Rotbier präsentiert. Da habe ich das auch zum ersten Mal probieren können. Das war, glaube ich, letztes Jahr, oder Jan? Das gibt’s seit 2019?
Jan Niewodniczanski: Ja, ja. Das ist seit letztem Jahr. Da fingen wir in der Kernregion an und sind natürlich seitdem jetzt ein bisschen in die Breite gegangen. Auch wiederum etwas milder, was man beim KöPi Pilsener natürlich auch bedenken muss, es ist auch mit den 32, 33 Bittereinheiten genauso wie Bitburger auf dem vergleichbaren Level. Das heißt, ich habe euch ja vorhin erzählt, das waren zwei Marken gewesen im Westen, die sich immer so ein bisschen tief in die Augen geschaut haben und sich versucht haben, die Marktanteile abzuluchsen. Und gerade in Nordrhein-Westfalen, im Ruhrgebiet, gibt’s natürlich die Königstreuen. Also da kommst du nicht mit einem Bitburger Pils hin, da ist einfach die Liebe zu KöPi einfach unheimlich stark da. Interessant einfach jetzt mal von der technischen Seite her oder technologischen Seite, es sind zwei Biere, die zwar vergleichbare Bittereinheiten haben, vergleichbare Vergärungsgrade, aber wir haben ziemlich unterschiedliche Hefen, die du auch im Aroma, wenn du mal ein bisschen reinschnupperst, auch dann merkst. Das König Pilsener hat die klassische Weihenstephaner W-34/70 Hefe, während das Bitburger hat diesen eigenen ursprünglich Berliner 1000 Stil, der dann irgendwann mal vor 100 Jahren mal in Bitburg mutiert ist. Also ich hab’s auch nicht erlebt, aber es hat diese sehr, sehr eigene ein bisschen hefige Note bei dem Bier, wenn man es frisch antrinkt. Gibt uns eine gute Drinkability, aber unterscheidet sich natürlich dadurch auch von dem König Pilsener. Aber das, was man bei dem KöPi natürlich wirklich sagen muss, die Kernregion, die um den Kirchturm herum, um die Brauerei herum, also die sind so loyal, da wünsche ich mir auch keine anderen Konsumenten, also da respektiere ich auch wirklich jeden, der wirklich dieses Pils trinkt. Ich mag es auch sehr, sehr gern, weil es ein sehr klassisches, reines Pils ist. Und eben, wie gesagt, von der Hefe, im Aroma ein leichtes, unterschiedliches Aroma zu unserem Bitburger Pils hat. Das Rotbier hast du angesprochen, auch da haben wir eben versucht, dem ein oder anderen, gerade in der jüngeren Generation ist eben das Bedürfnis, auch ein bisschen mildere Biere zu haben. Und auch hier beim KöPi Pils haben wir gesagt, nein, wir werden die Rezeptur nicht verändern. Und für diejenigen, die der Marke wirklich treu sind und die unbedingt ein König Pilsener haben wollen oder ein König Bier eben haben wollen, da haben wir gesagt, dann machen wir eben etwas Milderes und geben eben ihnen die Möglichkeit und werden dafür die Rezeptur vom König Pilsener auf keinen Fall anfassen. Das war so ein bisschen der Hintergrund hinter unserem König Rotbier.
Holger: Es muss erlaubt sein, weil ich bin ja so ein Konsument, also ich bin ja so ein Hardcore KöPi Mann, also wenn man damit groß wird, ist das halt so. Und dann musst du dir noch vorstellen, ich bin jetzt genau 50 und bin dann, ich sag jetzt mal, so Mitte der 80er, so 85, regelmäßiger KöPi Trinker seit der Zeit. Und da waren natürlich die 80er Jahre, da war KöPi auch richtig erfolgreich. Also da war das einfach das Pils schlechthin. Kann aber auch sein, dass ich das einfach nur aus meiner Duisburger Wahrnehmung so gesehen habe, aber …
Jan Niewodniczanski: Nein, Holger, da hast du schon Recht. Also 80er Jahre, 70er, 80er Jahre war natürlich die Hochzeit der Pilsener Biere. Und es waren eben zwei Brauereien, die da total draufgesprungen sind, und das war damals Leo König mit seiner Tochter Doris König in Duisburg, der wirklich diesen Pilsener Trend wirklich vorangetrieben hat mit einer unheimlichen Vehemenz. Und eben Bitburger, die eben das Thema Pils versucht haben, neu zu beleben, auch über die Marke zu spielen. Und eben das Bier, du musst dir überlegen, damals war eben auch Bier, in Deutschland kam mehr so von den Dortmunder Brauereien, und plötzlich kamen diese Brauereien, König Pilsener und eben Bitburger, die eben ein Bier versucht haben über den Premium-Anspruch und die Bittere eben über diese klassischen Exportbiere zu setzen. Und das war der Trend gewesen. Heute, wenn du heute zum Beispiel über den Craft-Trend redest und viele sagen, naja, diese Industriebiere oder diese langweiligen Pilsener Biere, also da muss ich den Hörern oder den Kritikern immer sagen, also Leute, beschäftigt euch ein bisschen mit Geschichte, mit Biergeschichte. Also solche Pilsbiere wie König Pilsener oder Bitburger Pils, das waren mal die Craftbiere in Deutschland gewesen. Mein Urgroßvater, Kommerzienrat Theobald Simon, der war ein totaler Bier-Freak gewesen um die Jahrhundertwende, und er hat zum Beispiel angefangen, Pilsbiere zu brauen, da hat Carl Linde noch nicht die Eismaschine erfunden. Als mein Urgroßvater dieses Unternehmen übernommen hat, unsere Brauerei, der war so fasziniert von seinen Besuchen in der Tschechei von dem Pilsener Bierstil, und hat dann eben angefangen, als er die Brauerei übernommen hat, hat gesagt, okay, ich will unbedingt untergärige Biere brauen. Und dann hieß es, naja gut, aber es gibt ja noch keine Kühlung. Also wie machst du das ganze Jahr untergärige Biere? Und er hat das ziemlich kreativ gemacht. Er hat dann jede Menge Seen, Weiher um die Stadt Bitburg ausgelegt, so wie viele westdeutsche Brauereien es dann versucht haben, und hat dann im Winter Eis geerntet und das hast du dann über den Sommer in deinen Eiskellern gehortet. Deswegen hieß unsere Brauerei damals auch Simon Bräu Brauerei und Eisfabrik. Und dann konntest du plötzlich da Lagerbiere brauen, Pilsbiere. Und er hatte so eine Obsession auf dieses Thema Pilsbier gehabt, dass er praktisch die ganzen obergärigen Biere, die damals eben noch akut waren oder die aktuell waren, die jetzt wieder natürlich durch den Craft-Trend wieder neu rauskommen oder wieder rauskommen, er hat sie damals mehr oder weniger gekippt und hat sich fokussiert auf untergärigen Stil. Und dann kam so Ende der 70er Jahre tatsächlich dann eine funktionierende Eismaschine von Carl Linde und wir haben sie in Bitburg dann 89 bekommen, 1889. Soviel vielleicht zur Geschichte vom Pilsbier. Also Pils sollte man schon ein bisschen auch vor dem Hintergrund, vor der Vergangenheit auch ein bisschen die Wertschätzung geben, die es auch verdient, die es sich erarbeitet hat.
Holger: Ist mein Reden schon seit ganz langer Zeit. Ich sag das auch immer, Pils ist nach wie vor mein absoluter Bierstil und es ist auch schwer zu brauen. Also wenn man selber mal gebraut hat, und ein wirklich tolles Pils zu machen, ist eine Kunst. Man kann wirklich sagen, Innovation schon seit langer Zeit. Jetzt zuletzt auch dann mit Craftwerk weitergeführt. Craftwerk gibt’s ja seit 2013. Aber du hast ja gerade schon erzählt, eigentlich seit Anfang der 90er schon als Versuchsbrauerei installiert. Was ich jetzt gerne noch mal ansprechen würde, ist eben die Siegelhopfen-Thematik. Da gibt’s ja den Hopfenhof Dick, den hast du auch schon vorhin erwähnt. Sagt doch mal, was ist denn jetzt das Besondere an diesem Siegelhopfen?
Jan Niewodniczanski: Tja, Holger. Das ist jetzt natürlich so ein bisschen das Geheimnis. Also zuerst mal zu dem Hopfenhof Dick. Also es gibt ihn tatsächlich, du wirst es nicht glauben, wie viele Menschen tatsächlich jeden Tag googeln, ob es einen Segelhopfen in der Eifel gibt. Weil jeder, der sich mit Bier beschäftigt, der kennt die Hopfenanbaugebiete in der Welt, das größte natürlich in der Hallertau, wenn ihr von Nürnberg runter nach München fahrt, dann seht ihr die ganzen Hopfenstöcke, dann höre ich links und rechts so eine Autobahn, von der A9. Und dann gibt’s natürlich den Spalterhopfen, es gibt in Frankreich ein schönes kleines Hopfengebiet Richtung Elsass. Es gibt in China vielleicht ein kleines Hopfengebiet. Ein richtig großes Hopfengebiet natürlich in Amerika, in Washington State Yakima, wo wir öfters auch hinfliege und uns die Flavor Hopfen anschauen. Aber die Haupthopfen, das sind so ein bisschen die Haupthopfengebiete weltweit. Und dann gibt’s tatsächlich in Deutschland dieses kleine widerspenstige Hopfengebiet in der Eifel, das durch die Familie Dick ins Leben gerufen wurde, also jetzt frag mich nicht, wann es war, ich glaube, das war so ungefähr, das wird ja in der zweiten Generation geführt, es ist von dem Vater Herbert Dick, ich glaube, so etwa 40 Jahre, vor 44 Jahren in die Welt gerufen worden. Und 22 Hektar, die wir dort haben, die exklusiv für das Bitburger Pils genutzt werden, wo wir jetzt eben, ihr habt’s vorhin gehört, auch mal ab und zu einen Flavor Hopfen anbauen wie den Cascade, wo wir einfach interessiert waren, wie so ein Amerikanischer Flavor Hopfen wie der Cascade in unserem Anbaugebiet in der Eifel wächst. Und wir haben dort eine Mischung von unterschiedlichen Hopfen, weil dieses Hopfenanbaugebiet ist alleine nur von einer Familie bewirtschaftet. Das heißt, auch eine Hopfendarre, die da nur existiert. Das bedeutet, du musst schon unterschiedliche Hopfen dort anbauen, damit diese Darre über die Erntezeit eben auch belegt werden kann. Und dort haben wir eben den Hopfen angebaut, der für die Rezeptur für unser Bitburger Pils so entscheidend ist. Dieser Hopfen wird in der Hallertau dann auch weiterverarbeitet, getrocknet und gesäubert. Das heißt, er wird in der Eifel geerntet, geht runter in die Hallertau und kommt dann wieder zurück und ist ein signifikanter und für uns essenzieller Teil natürlich unserer Marke Bitburger. Tolles Hopfenanbaugebiet, sehr klein, sehr schnuckelig, aber ein wahnsinnig leidenschaftlicher Hopfenbauer, hervorragende Hopfenqualität. Andreas Dick, der das eben jetzt in der zweiten Generation macht, der hat bei uns eine Brauerlehre gemacht, der ist also auch ein leidenschaftlicher Brauer, auch ein Craft-Brauer, braut selber zu Hause. Er ist auch ein Biersommelier, ausgebildeter, das heißt, er ist Biersommelier, Hopfenbauer und Brauer, eigentlich die drei schönsten Berufe, die man kombinieren kann. Er macht das mit einer Leidenschaft, wenn du ihn jemals besuchst, Holger oder Markus oder irgendeiner von den Zuhörern, macht es, fahrt mal dahin während der Hopfenernte. Wenn man einmal so unter der Darre abends sitzt und ein Bierchen trinkt und man hat um sich herum nur Hopfen, das hat ein Suchtpotential, das ist einfach unvorstellbar. Das ist so schön in so einem Hopfenfeld, also für mich ist das wirklich der schönste Ort auf der ganzen Welt.
Holger: Ja, toll.
Markus: Auf jeden Fall. Ich denke, wenn man das mal erlebt hat, also wir haben das ja jedes Jahr in der Hallertau natürlich, ich war auch im Yakima Valley schon, und da ist das dann noch mal eine andere Dimension, aber es ist unglaublich, dieses intensive Hopfenaroma. Ich würde aber noch mal ganz gerne kurz was zur Historie sagen, weil das finde ich auch ganz wichtig. Also gerade, Holger, weil du ja so ein Pilsbier-Fan und Freund bist, da ist die Bitburger Brauerei ja ganz wichtig, weil ohne die Bitburger Brauerei dürfte das Pils in Deutschland ja gar nicht Pils heißen, oder Jan?
Jan Niewodniczanski: Ja, das ist richtig. Ich habe euch vorhin von meinem Urgroßvater erzählt, dem Kommerzienrat Theobald Simon, der, ich glaube, 1871 seinen Job angefangen hat und dann eben bis in Anfang 1900 dann auch dort das Unternehmen geleitet hat. Ich habe euch erzählt, seine totale Obsession mit Pilsener Bieren. Er fing dann alles umzustellen auf Pilsener Typ, und der das eben nur geschafft hat, indem er dann eben diese Eiskeller geschaffen hat und das Eis geerntet hat und das ganze Jahr über tatsächlich auch in der Eifel untergäriges Bier, also für den Hörer, untergärig bedeutet, dass du das bei kälteren Temperaturen eben gären musst und wenn du keinen Kühlschrank hast oder keine Kühlmaschine, ist für uns natürlich heute alles unvorstellbar, dann musst du natürliches Eis nehmen und im Sommer musst du es genauso nehmen wie im Winter, und deswegen musst du es eben im Keller halten. Und er hat das eben dann ziemlich groß angetrieben, er war wahnsinnig erfolgreich gewesen damit, die Brauerei ist gewachsen. Und die Pilsener Brauereien, von denen er natürlich irgendwann mal sich diese Rezeptur abgeluchst hat und sich das abgeschaut, und er hat gesagt, das sind die Experten in Europa im Pilsener Bierstil. Die waren nicht so ganz begeistert, die sahen plötzlich in Deutschland, da gibt’s so einen widerspenstigen Eifler, der braut da in seiner kleinen Eifler Landbrauerei ein Pilsener Stil, und das geht ja gar nicht. Weil damals war es noch kein Pilsener Stil, sondern es war ein Pilsener Bier. Und Pilsener Bier bedeutete, es muss aus Pilsen kommen so wie Dortmunder Biere mussten aus Dortmund kommen und Münchner Biere aus München. Und es gab dann einige Gerichtsverfahren gegen meinen Urgroßvater. Er hat es geschafft durchzukommen bis zum Obersten Gerichtshof damals in Leipzig. Das war 1913 im Obersten Gerichtshof in Leipzig ging tatsächlich dann das wahrscheinlich wichtigste Bierurteil in der jüngeren Historie, in den letzten 100 Jahren. Es wurde dann verhandelt, wie kann es sein, dass eine Eifler Brauerei ein Pilsener Bier braut? Mein Urgroßvater war damals ein ziemlicher Fuchs gewesen, er hat sich die Rezepturen genau angeschaut in der Tschechei bei den Pilsener Brauereien und ist zu der damaligen Versuchs- und Lehranstalt in Berlin gegangen, die Schule des Brauwesens in Berlin, hat die Analysen machen lassen und das Gerichtsurteil wurde dann zugunsten meines Urgroßvaters entschieden mit der Begründung, dass die Analysen, fünf verschiedene Analysen vom Extrakt bis zum Alkoholgehalt, bis zur Farbe, bis zur Bittere, alles eins, bis auf die zweite Kommastelle identisch waren mit dem Pilsener Bier. Und deswegen darf ab sofort eben, und das war im Jahr 1913, ab sofort darf das Bier, ein Pilsener Stil, auch in Deutschland gebraut werden. Ab diesem Tag war Pilsener nicht mehr eine Herkunftsbezeichnung, sondern eine Sortenbezeichnung. Das war mein Urgroßvater. Also schon ein ziemlicher Fuchs, der Junge, gewesen.
Holger: Ja Mensch, Wahnsinn! Jetzt haben wir ganz schön intensiv und lange über Biere, über Stile, über Innovationen und über Rohstoffe gesprochen, und letzten Endes machen es ja dann auch die Menschen aus, mit viel Herzblut und Kreativität und auch einer Prise Wahnsinn.
Jan Niewodniczanski: Absolut.
Holger: Wenn man dir so zuhört mit den ganzen Eisen, die da im Feuer sind und so, also das ist echt krass, muss ich wirklich sagen. Oder Markus?
Markus: Ja, ich bin völlig platt und hin und weg. Ich hätte noch eine Frage, weil ich das ganz interessant finde. Du bist ja auch für das Thema Umwelt zuständig. Und nun ist es ja mit der ganzen Corona-Geschichte ein bisschen zugedeckt, aber eigentlich haben wir ja das ganze Thema Klimawandel und auch die Brauereien, die letzten Endes einerseits versuchen wollen und müssen, nachhaltiger zu werden und klimaneutral zu werden, andererseits aber auch das Thema Rohstoffe, wo einfach der Klimawandel eine große Rolle spielt, zum Beispiel beim Hopfenanbau, weil wenn es einfach immer trockener wird und wir nicht bewässern können, einfach auch die Hopfenernte an sich in Gefahr ist. Und das Gleiche gilt natürlich auch für die Braugerste. Also sind das alles so Punkte, wo du auch einen Schwerpunkt hast? Oder sind das Sachen, die du dann eher abgibst, weil du dich mehr um die konkrete Technik kümmern musst?
Jan Niewodniczanski: Nein, Markus, das ist ein Riesenthema für mich. Auch wenn wir jetzt momentan natürlich in einer für unsere Generation sensationellen Krise sind, weil wir noch niemals mit so etwas umgingen, dann darfst du nicht vergessen, dass, was immer wir momentan erleben, diese Krise ist eigentlich ein Klacks gegen das, was momentan als Klimaveränderung weltweit passiert. Also für mich ist das Thema Klima, Nachhaltigkeit, ist immer noch das Topthema Nummer eins. Es ist essenziell für mich, es ist essenziell für unsere Unternehmen und es sollte eigentlich das Thema Nummer eins für jeden einzelnen von uns sein. Und es ist für uns als Unternehmen natürlich, jetzt will ich nicht nur die ökologische Perspektive nehmen, sondern es ist natürlich eine Perspektive für uns als Brauerei, wie bringen wir das Thema Ökologie, Wirtschaft und Soziales in Einklang? Das heißt, wie können wir in unserer Region eine Rolle spielen? Wie können wir Arbeitsplätze sicherstellen? Aber wie können wir natürlich auch in das Thema Nachhaltigkeit über das Thema Ökologie etwas verändern? Und da tun wir uns extrem engagieren. Allein die Tatsache natürlich, dass wir schon so lange unabhängig sind, zeigt, dass man ein nachhaltiges Unternehmen ist. Aber natürlich jetzt gerade seit etwa 12 Jahren sehr strukturiert mit dem Thema Nachhaltigkeit unterwegs. Wir wollen Ende dieses Jahres die erste Brauereigruppe in Deutschland sein, die klimaneutral alle ihre Produkte produziert. Das heißt, wir haben eine sehr, sehr große Bemühung gemacht in den letzten Jahren, bei all unseren CO2-relevanten Verbrauchern eben runterzukommen im Energiebereich. Wir haben jetzt ein sensationelles Projekt am Laufen, wo wir versuchen in Duisburg an der KöPi-Brauerei, die du ja vorhin erwähnt hast, uns an eine Abwärmeleitung, die ansonsten nicht genutzt wird, von Thyssenkrupp dranzuhängen, um eben unsere Energieversorgung über Abwärme dort sicherzustellen. Wir machen also wirklich auch teilweise crazy Sachen, wirklich verrückte Sachen, um unseren CO2-Footprint runterzubringen. Und wir versuchen das, was wir tatsächlich zum Schluss nicht mehr reduzieren können, dann auch nicht nur über irgendwelchen Emissionshandel zu kompensieren, sondern wirklich physisch über auch Forschungsprojekte, die wir aktiv unterstützen in Südamerika, versuchen wir auch dann zu kompensieren. Also Ende dieses Jahrs werden wir alle unsere Produkte, die in der Braugruppe, egal ob es am Standard Bitburg ist oder in den anderen Brauereien werden wir klimaneutral produzieren. Es ist ein Riesenthema für mich und es sollte für uns alle ein Riesenthema sein, auch wenn wir jetzt natürlich einen bisschen anderen Fokus haben, gerade in der aktuellen Krise.
Holger: Ja, in dem Zusammenhang wäre dann auch noch der Nachhaltigkeitsbericht von euch erwähnt, der ja auch spannend zu lesen ist und der ja auch auf der Internetseite veröffentlicht ist. Das ist schon auch sehr anerkennenswert, also ganz, ganz prima. Irgendwie müssen wir trotzdem zum Ende kommen. Also ich habe ja hier immer noch mein KöPi und freue mich darauf noch.
Markus: Ich denke mal, wir können oder müssen ja an dieser Stelle mal einen Punkt machen, aber ich denke mal, es muss ja nicht der letzte BierTalk zusammen gewesen sein. Ich war auch noch nie in der Bitburger Brauerei vor Ort, also ich denke, vielleicht machen wir das einfach, wenn es irgendwann mal wieder möglich ist, dass wir vorbeigucken, uns die Brauerei anschauen und dann vielleicht noch mal einen BierTalk live vor Ort machen. Was mich noch interessieren würde, das können wir aber dann besprechen, ist das ganze Thema alkoholfrei und alkoholarm, weil da ja Bitburger auch mit federführend war mit einigen Produkten oder ist, und für mich das ein ganz großer Punkt in der Zukunft ist, was ich auch in vielen Seminaren auch gemacht habe. Und da würde ich dann mal gerne drüber reden.
Jan Niewodniczanski: Gerne. Also ihr seid jederzeit bei uns willkommen. Also wenn ich auch mal da bin dann in Bitburg, ihr seid herzlich eingeladen. Also ich bin gerne wieder dabei und wir können auch ruhig mal ein anderes Fokusthema nehmen wie alkoholfrei.
Markus: Wunderbar. Holger, …
Holger: Perfekt!
Markus: … wir müssen noch so einen schönen Abschied machen.
Holger: Noch einen schönen Abschied machen. Ja Mensch, also jetzt gehen wir noch mal nach Südafrika und verabschieden den Jan in einen schönen Abend mit seinem Triple aus dem Craftwerk. Und alles Gute für dich und deine Familie, dass es auch bald wieder zurück in die Heimat geht und du auch hier an deinem Arbeitsplatz weiterwirken kannst. Also 1000 Dank für deine Zeit und für die interessanten Dinge, die du berichtet hast. Mir hat es viel, viel Spaß gemacht. Vielen, vielen Dank! Schönen Abend noch.
Jan Niewodniczanski: Vielen Dank, Holger, vielen Dank, Markus! Hat unheimlich Spaß gemacht mit euch mit dabei zu sein. Macht das auch ein bisschen näher die Entfernung hier von unten von Südafrika. Also ich bin natürlich morgen wieder, morgen früh mit meinem Team über Video dabei, aber das hier war schon wirklich eine klasse Erfahrung wieder gewesen. Danke, schöne Grüße in die Heimat. Ich freue mich, das nächste Mal hoffentlich, dass wir mal an einem Tisch gemeinsam anstoßen können bei einem guten Bierchen. Das wäre so ein bisschen mein Wunsch jetzt momentan. Bis zum nächsten Mal! Danke euch beiden.
Holger: Danke. Tschüss!
Markus: Das machen wir. Danke. Tschüss!
BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de