BierTalk 148 – Interview mit Tobias Leisgang, Innovationsmanager aus Bamberg

Bier ist Tradition – aber auch Innovation. In dieser Folge spricht Markus mit Tobias Leisgang, Innovationsberater aus Bamberg, über die Herausforderungen und Chancen der Bierbranche in Zeiten des Wandels. Wie gehen Brauereien mit Unsicherheit um? Warum fällt es so schwer, sich von Gewohntem zu lösen? Und wie kann man Kundenbedürfnisse neu denken – vom alkoholfreien Bier bis zur Erlebnisgastronomie? Tobias bringt Impulse aus der Unternehmenswelt mit, zeigt Parallelen zum Brauhandwerk auf und stellt seine kreativen Bierdeckel-Fragen vor, die zum Nachdenken über die Zukunft anregen. Ein Gespräch über Kopf, Bauch, Entscheidungsmut – und die Kraft, Neues zu wagen…

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BierTalk – Gespräche über und beim Bier.

Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute haben wir uns was ganz Besonderes vorgenommen, weil es ist natürlich wieder ein neues Jahr, es gibt viele Herausforderungen, die gibt es auch schon länger, ehrlich gesagt, nicht erst seit diesem Jahr, aber es wird immer offensichtlicher, dass gerade auch in der Bierwirtschaft wir anfangen müssen, neu zu denken, umzudenken, kreativ zu sein, innovativ zu sein. Und, ja, was liegt da näher, als sich jemand einzuladen, der sich genau damit auskennt. Also ich habe heute einen guten Freund und Bierkollegen, Tobias Leisgang da, der sich eben beruflich mit dem Thema Innovation und Kreativität und all dem, was dazu gehört, beschäftigt. Und da werden wir uns heute ein bisschen unterhalten. Also ich freue mich, dass du da bist und vielleicht sagst du noch zwei, drei Worte zu dir selber, Tobias.

Tobias: Ja, hallo Markus. Schön, dass ich da sein darf im BierTalk, ja, da sind ja normalerweise die absoluten Bierspezialisten und Koryphäen da. Genau, komme aus Bamberg, kenne den Markus vom Quizabend, wir spielen regelmäßig in einer wunderbaren Bamberger Gastronomie einmal im Monat zusammen Quizabend. Und wie Markus schon gesagt hat, ich bin in der Unternehmensberatung tätig, ich berate Organisationen zum Thema Innovationen. Da geht es um neue Produkte, neue Geschäftsmodelle. Ja, und wie du sagst, viele stehen oft vor der Frage, die Zeiten werden unsicher, das alte Geschäftsmodell trägt vielleicht nicht mehr so richtig. Und da komme ich dann ins Spiel und helfe so ein bisschen Ideen generieren und wie kommt man auch in die Umsetzung.

Markus: Wunderbar, da werden wir gleich ein bisschen auch in die Bierwirtschaft gucken. Vorher vielleicht noch ein paar Worte vielleicht zu dir, damit die Leute sich das noch ein bisschen besser vorstellen können. Also vielleicht einerseits, welchen Bezug hast du vielleicht zum Thema Bier? Weißt du vielleicht noch, welches dein allererstes Bier war? Und vielleicht, wie muss man sich den Alltag von so einem Innovationsmanager überhaupt vorstellen?

Tobias: Okay, ich fange mal mit dem Bier an und schlage dann die Brücke zum Alltag, weil abends gibt es dann manchmal ein Feierabendbier. Also mein Bezug zu Bier, ich mag die Vielfalt hier in Oberfranken, als Bamberger ist man ja da gesegnet, allein schon mit den Brauereien in Bamberg, aber auch im Landkreis. Ich bin ein großer Craft-Beer-Fan, um ehrlich zu sein. Ich war in meiner Karriere früher ganz oft in den USA und habe da die Liebe zum Craft-Beer, zu IPAs auch vor allem entdeckt. Und ja, also überall, wo wir irgendwo in Urlaub sind, Tobias Leisgang muss immer ausfindig machen, gibt es hier irgendwo eine kleine Craft-Beer-Brauerei um die Ecke. Fahr da auch mal hin, klingle da, unterhalte mich ein bisschen mit denen, weil ich es einfach genial finde, was es da für eine Vielfalt gibt, was Menschen quasi aus so wenigen Einzelzutaten an Vielfalt, an Geschmäckern und, ja, Varianten irgendwie rausholen können, also fasziniert mich immer wieder.

Markus: Ja und wie schaut dein Alltag aus?

Tobias: Mein Alltag schaut tatsächlich so aus, ist total unterschiedlich, das kann sein, dass ich mal zu einem Vortrag irgendwo unterwegs bin, reise dann irgendwo an zu einem Event, mache dann einen Impulsvortrag, spreche ein bisschen über Megatrends, über Innovationen in der entsprechenden Branche. Das kann ein Ganztages-Workshop sein, wo wir quasi Ideen erarbeiten und Strategien austüfteln, in Umsetzungspläne kommen. Manchmal ist es auch von zu Hause, ich mache eine Online-Session, bin in einem Online-Meeting und mit allem, was davor und danach natürlich dazu gehört, Vorbereitung, Nachbereitung, Auftragsklärung, also tatsächlich sehr vielfältig.

Markus: Genau, also kann man eigentlich gar nicht von dem Alltag sprechen, sondern es ist einfach eine sehr vielfältige Geschichte. Und so ist es ja bei mir auch und das finde ich total schön und angenehm. Weil, ich glaube, für mich wäre es das Schlimmste, wenn ich jeden Tag immer dasselbe machen müsste, da bin ich absolut nicht dafür geboren.

Tobias: Genau, Vielfalt beim Bier, Vielfalt bei den Aufgaben und bei, wie so ein Tag abläuft, absolut.

Markus: Genau. Apropos, ich habe ja mal den Podcast angefangen mit meinem guten Freund Holger und der wurde immer nervös, wenn wir so zwei, drei Minuten Podcast hatten und er hatte noch nichts zu trinken, da hat er immer angefangen, so ein bisschen rum zu grummeln und gefragt, warum reden wir jetzt immer noch, wir wollten doch ein Bier trinken. Und ich glaube, du hast dir auch eins mitgebracht, oder?

Tobias: Ja, habe ich tatsächlich gemacht. Wenn ich richtig informiert bin, ist heute Abend Nokkerberg Starkbier-Probe und da habe mir gedacht, da muss natürlich heute ein Starkbier angestochen werden. Jetzt könnten wir sagen, 16:10 Uhr ist ein bisschen früh für ein Bockbier, aber wir machen das einfach heute. Und zwar habe ich einen Lucia Maria Bock von der Brauerei Först in Drückendorf. Ich weiß nicht, ob der Volker zuhört, der Brauer, aber er hat einen wirklich schönen, schönen Bock.

Markus: Absolut, tolle Brauerei. Also falls du zuhörst, auch von mir ganz liebe Grüße. Und, naja, da bin ich mal gespannt, was du dazu sagst, wenn du es im Glas hast. Ich habe mir auch was rausgesucht, ich habe mir gedacht, ich fange auf der anderen Seite an, weil ich heute nämlich noch ein bisschen Auto fahren muss und habe mir eine Himbeerweiße aus Berlin aus meinem Keller geholt, von einer meiner Lieblingsbrauereien, von Lemke und auch eins meiner Lieblingsbiere, das leider auch aktuell gar nicht mehr hergestellt wird, also da bin ich ganz, ganz traurig. Aber ich habe noch ein paar, ich habe mir die ganze letzte Charge gesichert, also meine Biergarage hat vier Kisten davon. Und, ja, eine davon habe ich jetzt hier und das ist auch ein sehr schönes Bier, weil es einfach ganz anders ist als das, was man eben zum Beispiel bei uns so in Franken hat. Bei dir zischt es schon.

Tobias: Genau, ich habe es schon hier aufgemacht.

Markus: Erzähl mal.

Tobias: Dann schenke ich mal ein. Und, genau, es hat eine schöne helle Farbe, genau, wirklich super schönen Schaum auch. Also ich finde, auch die Flasche ist super schön, Design sehr, ja, sehr übersichtlich mit dem Först-Löwen drauf und so einer schönen rötlich schimmernden Schrift irgendwie, also macht auch so vom Aussehen was her. Und ich nehme jetzt einfach meinen ersten Schluck.

Markus: So jetzt ist auch die Weiße im Glas.

Tobias: Ja, also ist schon gut süß, aber so ist es halt beim Bockbier. Finde ich extrem süffig und, ja, es schmeckt irgendwie ziemlich, ich würde jetzt mal sagen, straight, also hat irgendwie keine Schnörkel.

Markus: Perfekt, also bringt dich perfekt in unseren Talk sozusagen. Und, ja, bin ich jetzt ein bisschen neidisch, weil den habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getrunken, um ehrlich zu sein. Also muss ich mal schauen, dass ich einen bekomme oder wenn wir das nächste Quiz haben, bringst du mir vielleicht ein Fläschchen mit, wir schauen mal.

Tobias: Ja, da muss ich tatsächlich zum Volker noch mal hinfahren, das war die letzte Flasche, die im Kühlschrank war.

Markus: Ach so. Ja, das musst du nicht, aber ich werde Mittel und Wege finden, also auf jeden Fall cool. Ja, bei mir ist es schön himbeerig, im Glas auch ein wunderbares Bier. Wie gesagt, die Himbeerweiße, da geht es halt darum, diese leichte Säure, die eine Berliner Weiße hat, mit der Frucht zu kombinieren und das Ganze dann eben zu einem schönen, erfrischenden und nicht zu starken Bier zu machen, was jetzt gerade für mich auch wunderbar passt. Und ich muss sagen, die letzten Tage war es ja so schön sonnig …

Tobias: Ich wollte gerade sagen, das ist irgendwie so ein Frühlingsgetränk, oder?

Markus: Genau, also da hat es perfekt dazu gepasst oder hätte es perfekt dazu gepasst, jetzt heute ist es leider Gottes wieder ein bisschen eingetrübt. Aber, ich bin nächste Woche in Athen und ich hoffe mal, dass da vielleicht die Sonne wieder scheint und da kann ich jetzt vielleicht schon ein bisschen vorausschauen, wer weiß. Ja, wenn wir beim Thema Innovation und ein bisschen beim Thema Bier sind, ist dir das denn schon mal irgendwie begegnet im Laufe deiner beruflichen oder auch privaten Laufbahn, dass du bei einer Brauerei oder bei einer Gastronomie warst und da so Fragen aufgetaucht sind, die dich auch in deinem beruflichen Feld irgendwie berühren?

Tobias: Also ich habe tatsächlich noch nichts mit einer Brauerei oder der Gastronomie gemacht tatsächlich. Ich fange vielleicht mal mit einer Analogie an, weil, wenn ich mir so einen Innovationsprozess anschaue, dann ist der ja auch nicht immer linear und geradlinig, auch da gibt es Varianzen, auch da spielt Timing eine Rolle. Wann ist die Zeit reif zum Beispiel für so eine Innovation? Es kann ja durchaus sein, dass die Zeit noch nicht reif ist für ein Produkt, dass man zu früh dran ist, also da hängt es schon von Timing ab. Und ich glaube, da gibt es schon Parallelen so zum Brauprozess, zu wissen, wann ist der richtige Zeitpunkt, also wann ist es reif, wie lange muss es irgendwo im Keller lagern? Da sehe ich durchaus Parallelen, die man übertragen könnte.

Markus: Ja und ich muss sagen, ich bin ja auch oft im Gespräch gerade mit Brauereien und Brauern logischerweise und ich finde, da ist immer so ein krasser Gegensatz zu zwei Dingen, die man eigentlich so als selbstverständlich sieht. Weil auf der einen Seite sind es ja Unternehmen, die gibt es teilweise seit 300, seit 500 Jahren, also würde man ja sagen, das ist sozusagen Tradition pur. Aber, auf der anderen Seite, wenn wir jetzt alleine mal unsere Lebensspanne sehen, wie viel hat sich in dieser Zeit ständig geändert und wie waren ständig die Herausforderungen an alle Unternehmen, die irgendwo am Markt unterwegs waren, sich in irgendeiner Form darauf einzustellen, damit zu beschäftigen, umzustellen. Also wenn ich jetzt zum Beispiel mal an meine Lebenszeit und Bier denke, dann waren das die ersten Herausforderungen in den 80ern, als die Pilzwelle hier in Franken so durchgeschlagen ist. Dann kommt das Kellerbier als neues Thema, das Bio-Bier. Dann kommt die Wende, wo dann auf einmal ein neuer Markt praktisch da ist, aber auch ganz viele Chancen und Risiken mit auch neuen Unternehmen und Übernahmen und was weiß ich was allem. Dann haben wir natürlich 2001, den Crash damals und dann den Finanzcrash. Dann eben jetzt die jetzige Zeit, Corona, riesen Herausforderungen für alles mit Gastronomie. Und dann natürlich der Ukraine-Krieg mit dem Energie-Thema dazu und so weiter und parallel Klimawandel, Verteuerung von Energie, von Rohstoffen und so weiter. Also das heißt, es sind ständige Herausforderungen und ich finde, das ist einfach total interessant, dass man immer denkt, so ein alter Tanker, so ein Unternehmen, die leben davon, dass sie praktisch immer gleich sind. Aber dabei ist die Kunst, glaube ich, in diesem immer Gleichsein, ständig anders zu sein. Und ich glaube, das ist wirklich nicht so einfach. Auch als Chef, das sind ja oft kleine Unternehmen, wo vielleicht ein, zwei, drei Personen über alles entscheiden und dann ständig mit solchen Dingen konfrontiert sind. Gibt es denn da so, ich weiß nicht, so Guidelines oder so, wie man priorisiert oder worauf man achtet oder so Punkte oder irgendwie sowas?

Tobias: Du sprichst was Gutes an, das sind alles oder in vielen Fällen sind es kleine Unternehmen, wenn man jetzt mal irgendwelche Großkonzerne und Großbrauereien rausnimmt. Aber wenn ich jetzt mal hier Richtung unsere Gegend hier in Oberfranken schaue, dann sind es ja wirklich kleine Familienunternehmen. Das ist jetzt nicht wie in großen Unternehmen, dass die sich irgendwie Innovationsmanager leisten, das ist dann Innovation, würde ich mal sagen, Geschäftssache. Die nennen es vielleicht auch nicht Innovation, machen es aber trotzdem, was ich gut finde. Ich glaube, was wichtig ist, was für mich so ein erster Tipp wäre, wäre tatsächlich, sich ein bisschen Zeit für Experimente zu reservieren. Und ich sehe Brauereien, die können das ganz gut. Die sagen, ich probiere mal was aus und ich habe aber so mein Stammportfolio, was einfach läuft und da muss ich auch nichts daran ändern, wenn das passt und läuft. Und gleichzeitig mache ich aber immer Experimente, um quasi, ja, Stand zu halten mit neuen Trends, mit Herausforderungen, die du genannt hast, um eine gewisse Flexibilität an den Tag zu legen.

Markus: Wie macht man das denn überhaupt, wenn ich an so einem Punkt angelangt bin, wo ich den Eindruck habe, es ist jetzt einfach zu viel? Also zum Beispiel in so einer Corona-Zeit oder nach so einer Corona-Zeit, wenn ich auf der einen Seite Personalmangel habe, teurere Rohstoffe, teurere Energien, einen schrumpfenden Markt, andere Bedürfnisse im Markt, andere Produkte, was weiß ich was, also wo von jeder Seite irgendwas kommt, wie kann sich so ein Unternehmer da gut verhalten? Also sollte man da erst mal innehalten, sollte man sich Rat suchen, sollte man das Stück für Stück abarbeiten, wie ist da so eine gute Herangehensweise?

Tobias: Ja, natürlich am besten mal beim Tobias Leisgang anrufen. Nee, Scherz.

Markus: Endlich, Mensch, der zweite Elfmeter, aber jetzt. Nein, okay.

Tobias: Also mein erster Rat wäre da, die haben ja alle bestehende Kunden und das Erste ist natürlich immer, auf die bestehenden Kunden zu schauen, was brauchen die. Wir sprechen im Innovationsbereich von nutzerzentrierter Entwicklung oder kundenzentrierter Entwicklung und das hat ganz viel mit Verständnis von Kundenbedürfnissen zu tun. Du hast Herausforderungen genannt, ich würde jetzt vielleicht mal eine Chance addieren, wo du auch kürzlich eine Folge gemacht hast, die ich gehört habe, Thema alkoholfreies Bier. Ja, also das ist vielleicht ein Kundenbedürfnis, was sich über die letzten Jahre stärker entwickelt hat, was auch vielleicht eine gewisse Akzeptanz mittlerweile erreicht hat. Ich kann mich erinnern, ein paar Jahre zurück, das war ja verpönt, das Thema, irgendwie alkoholfreies Bier, also für viele war das ja schon Frevel, dazu Bier zu sagen. Und wenn ich mir heute angucke, was da an Vielfalt da ist und was da an Entwicklungen da ist und was da an Geschmack drin ist, dann finde ich das total super. Und das wäre für mich zum Beispiel so ein Beispiel zu sagen, wie verändern sich Kundenbedürfnisse, was sind da Trends.

Markus: Ja und ich finde es auch ganz spannend, was du da sagst, was du bei den Kunden wahrnimmst, weil genau dasselbe kann man nämlich auch bei den Brauern wahrnehmen. Also ich kenne immer noch viele, gerade fränkische Brauer, wenn man die auf das Thema alkoholfrei anspricht, dann schüttelst die und dann sagen die, das ist kein Bier und sowas würde ich niemals machen und bei mir gibt es nur vernünftiges Bier, gescheites Bier und da ist eine richtige Aversion dahinter. Und da muss ich immer so ein bisschen an den Titel von deinem Podcast denken, über den haben wir noch gar nicht gesprochen, weil der heißt ja Kopf und Bauch und ich glaube, das ist so ein bisschen das, was bei diesen Leuten, wo man dann einfach schauen muss, weil aus dem Bauch raus haben die diese Aversion, aber wenn sie mal wirklich drüber nachdenken, dann muss ihnen doch klar sein, da ist ein neues Bedürfnis und da ist ein neuer Markt und der alte Markt ist eher einer, der weniger wird und schrumpft. Also muss ich mich dem ja irgendwie als Unternehmenschef in meiner Verantwortung auch für die Firma irgendwie annehmen, auch wenn es mir selbst selber vielleicht jetzt gerade gegen den Strich geht sozusagen im Bauch, weil das eben schon so ein Schatten ist, über den ich springen muss. Also ist sowas auch manchmal ein Thema bei dir, dass man so Prinzipien hat, die man dann auch mal über Bord werfen muss oder so?

Tobias: Ja und weil du eben den Podcast erwähnst, also es gibt da unterschiedliche kognitive Verzerrungen. Also das sind quasi, unser Hirn ist halt verdrahtet, dass es sich das Leben möglichst einfach macht, es liebt Energie sparen. Und da gibt es halt gewisse Abkürzungen, die sich da über Jahrhunderte Evolution eingeprägt haben und eine davon ist zum Beispiel der sogenannte Default Bias. Also ich habe mich an den Standard gewöhnt und dann entscheidet man quasi nicht rational. Nimm jetzt den Brauer, mit dem du dich unterhältst zum Thema alkoholfreies Bier, der hat halt über Jahre gesehen, ja, mein Bier wird doch getrunken, die Leute kommen quasi in meine Brauerei, Gaststätte und ist da quasi in diesem Default drin. Und da rät ihm quasi sein Bauchgefühl oder sein Kopf, sagt ihm einfach, naja, kannst du doch einfach so weitermachen, wird schon so weiterlaufen. Und gleichzeitig, was noch dazukommt, ist ein anderer Effekt, ist die sogenannte Verlust-Aversion. Du musst ja dann was weglassen, du hast vielleicht irgendwie eine gewisse Kapazität an Ausstoß, was du machen kannst, wenn du da jetzt Platz machen willst für eine alkoholfreie Variante, musst du ja was von dem anderen weniger machen. Und das, glaube ich, fällt halt auch vielen schwer, zu sagen, ich lasse dafür was weg. Ist aber nicht nur im Brauereiwesen so, also das ist ein Phänomen, das sieht man quer durch alle Branchen, dass Unternehmen sich schwer tun, quasi was aufzugeben, ein bestehendes Geschäftsmodell, ein bestehendes Produkt weniger zu machen oder nicht mehr zu machen.

Markus: Wenn man da ein bisschen an die jetzige Zeit denkt, würdest du sagen, wir sind vielleicht eher an einem Ende von etwas, also weil doch viele, ja, sicher geglaubte Dinge so ein bisschen sich verabschieden nach und nach aus unserem Leben oder sind wir vielleicht auch an einem Anfang von etwas, wo wir auch die Chance haben, Dinge vielleicht auch einfach neu zu gestalten oder im Zuge all der neuen Entwicklungen, die es ja auch gibt, Stichwort KI und so weiter, vielleicht auch einfach neue Wege zu gehen, die wir vielleicht vor 5 bis 10 Jahren uns gar nicht vorstellen konnten, weil sie nur in einem Sci-Fi-Film irgendwo drin waren. Also wie ist dein Gefühl so zur aktuellen Zeit, bist du da eher, ja, bereit, neue Wege zu beschreiten oder bist du ein bisschen wehmütig, weil wir so vieles jetzt ein bisschen von uns lassen müssen?

Tobias: Also absolut, ich bin total positiv, um ehrlich zu sein, weil es so viele neue Chancen gibt. Ich denke, wir stehen am Ende von etwas. Also ich glaube, wir sind jetzt viele Jahre mit einem Industriezeitalter gut gefahren, hat uns auch guten Wohlstand generiert und mein Gefühl ist schon, dass es so ein bisschen zum Ende kommt, ja. Also wir haben viele Dinge, sind an der einen oder anderen Stelle auch gesättigt, also ich würde mir jetzt kein drittes Auto kaufen, einfach um in der Automobilindustrie irgendwie Wachstum zu generieren und ich glaube, das kann man auf ganz viele andere Bereiche übertragen, des täglichen Lebens. Und gleichzeitig fängt so ein neues Zeitalter an. Ich hätte manchmal gerne Zeitmaschinen, würde gerne so in den Anfang des Industriezeitalters zurückreisen, weil ich mir vorstellen kann, dass es den Menschen damals ähnlich ging. Da hat so das Manufakturzeitalter, hat so ein bisschen geendet und es kamen plötzlich diese ganzen Maschinen und haben es möglich gemacht, Dinge in größeren Stückzahlen zu produzieren und verlässlicher zu produzieren und jetzt kommt halt einfach irgendwie was Neues. Es ist in vielen Fällen vielleicht noch gar nicht so klar, wie sieht dieses Neue aus, was wird sein, war es, glaube ich, damals auch noch nicht im Industriezeitalter. Und ich finde es aber super spannend, quasi jetzt so diesem Übergang mitzumachen, weil, ja, da, wie du sagst, die Chance da ist, viele Dinge neu zu machen. Und ich finde es auch was total Natürliches, also in der Natur ist es ja auch so, es gibt so etwas wie Jahreszeiten. Also es gibt einen Herbst und einen Winter und da kommen einfach Dinge zu Ende, die Blätter fallen vom Baum runter und liegen dann irgendwie als Laub am Boden, also sind dann quasi abgestorben und im Frühling, über den wir uns vorhin unterhalten haben, entsteht wieder was Neues.

Markus: Ja und ich glaube auch, was du gerade gesagt hast mit diesen Verlustaversionen, das ist, glaube ich, auch immer Bestandteil von dieser Geschichte, weil man ja immer auch wirklich eine Kontrolle abgibt, sage ich mal. Also um das jetzt zu erklären, was ich meine, wenn wir 200 Jahre zurückgehen oder 250, da waren ja 90 % der Menschen damit beschäftigt, die anderen alle zu ernähren und das hat sich ja dann über die Industrialisierung komplett rumgedreht. Und dann war es ja eben zum Beispiel vorher so, dass jeder wusste, wo seine Milch herkommt oder wo sein Salat oder was weiß ich was herkommt, weil er ihn selber angebaut hat oder die Kuh im eigenen Stall gestanden ist. Und dann, über die Industrialisierung bin ich in der Stadt und gehe auf einmal in den Laden und kaufe mir halt mein Glas Milch oder meinen Kopfsalat oder noch weiter fertig. Und heutzutage ist es halt so, also wir hatten es ja vielleicht vor 30, 40 Jahren schon mal, als die Autos Elektroniken bekommen haben, da haben dann die Leute gesagt, oh Gott, jetzt kann ich mein Auto nicht mehr selber reparieren, weil ich da nicht mehr zugreifen kann. Und wenn wir jetzt eben in die KI-Zeit gehen und da ein bisschen weiterdenken, dann wird es ja noch mehr so sein, dass wir einfach als Individuen viele Dinge überhaupt nicht mehr, ja, bearbeiten, herstellen, verstehen können, die Basis dessen sind, mit denen wir täglich arbeiten oder auf der Basis wir existieren. Das stelle ich mir nicht so einfach vor, das auch im Kopf so klar zu kriegen. Also vielleicht ist das auch Teil dieser vielen Diskussionen, die Zurzeit einfach so sind, weil Menschen sich schwer tun, auch damit zurechtzukommen, dass man da auch Kontrolle und Gewohnheiten aus der Hand geben muss.

Tobias: Absolut. Und gleichzeitig, weil du KI ansprichst, finde ich, entsteht ja so ein Bedürfnis fürs Menschliche, fürs Individuelle, ja. Also wir hatten die Industrialisierung, die Dinge industrialisiert, jetzt kommt die KI, die auch so ein Stück weit das Thema Wissen und Wissensarbeit industrialisiert und zu Massenware macht. Und ich glaube schon, dass für Menschen da so eine Sehnsucht für was Individuelles entsteht, für vielleicht Manufaktur, für das Einzigartige, das Individuelle oder für das Menschliche. Und ich glaube, wenn ich jetzt mal auf Brauereien und Brauereigaststätten gucke, ich glaube, die haben da einen wahnsinnigen Schatz, weil die können das, also die können dieses individuelle Bier, ja, ich habe jetzt irgendwie eine Freude, weil ich irgendwie von einem regionalen Brauer irgendwie ein handwerklich gut gemachtes Bier hier mir einschenken kann, was aus der Region, wo ich weiß, wer steckt dahinter, ja. Also ich habe einen Menschen dazu, mit dem kann ich mich unterhalten, wenn ich da hinfahre und bei dem eine Kiste Bier quasi direkt ab Brauerei hole, ja, da gibt es ein Gespräch gratis. Ich glaube, das ist ein USP, den viele wahrscheinlich gar nicht so realisiert haben. Oder der Stammtisch in der Gaststätte, das ist eine Dienstleistung, ja, wo Menschen zusammenkommen, wo ich eben nicht mit meiner KI sprechen muss, sondern einfach mit echten Menschen sprechen kann. Also vielleicht wird das im Wert steigen und macht genau diese Geschäftsmodelle in Zukunft erfolgreicher und gefragter denn je.

Markus: Ja, also vielen Dank, dass du den Bogen da geschlagen hast, hätte ich sonst jetzt auch gemacht, weil das ist der Punkt, weil da kommen wir tatsächlich wieder zurück eben zum Thema Handwerk und letzten Endes natürlich auch zum Thema Bier, aber auch zum Thema Gastronomie, Zusammensein, gesellig sein, sich persönlich erleben, zusammensitzen, Leute neu kennenlernen und so, das bekommt ja alles einen ganz neuen Stellenwert, wenn an vielen anderen Stellen das eben nicht mehr so stattfindet, weil alles virtualisiert ist und man wahrscheinlich auch weniger tägliche Kontakte und all diese Dinge hat. Also selbst, wenn jetzt zum Beispiel keine Hotline mehr mit Menschen besetzt ist, was ja zum Teil schon so ist, dann muss ich ja auch nicht mehr mit jemandem interagieren, wenn ich da was will, sondern ich habe halt dann ein maschinelles Gegenüber. Und ich glaube, da ist natürlich so ein echtes Erleben von Menschen in der Gastronomie mit Sicherheit ein Wert, den man als Brauer, glaube ich, auch verkaufen und in Wert setzen kann und den man schön gestalten kann, sodass Leute auch gerne wiederkommen und das gerne erleben, sich freuen und was dafür tun, dass es den Laden auch weiter gibt. Also ich glaube, das ist auch so ein Punkt, viele nehmen sich einfach für zu selbstverständlich und haben vielleicht auch von den vergangenen Generationen gar nicht diese Wertschätzung für sich selber, für ihr Business, für ihren Laden sozusagen, sondern denken eher, na gut, sie sind halt da und sie sind praktisch auf die Gnade derer angewiesen, die da kommen, das dreht sich ja auch um. Also vielleicht ist das auch so ein bisschen was, dass man oft selber gar nicht sieht, wie wertvoll das ist, was man hat und was man macht. Erlebst du sowas auch?

Tobias: Ja, also es gibt im Innovationsbereich, gibt es ein Werkzeug, um vielleicht mal ein konkretes Werkzeug hier vorzustellen, hat alles natürlich tolle amerikanische Namen, ist immer ein bisschen schwierig, wenn man dann in so traditionellen Kontexten unterwegs ist. Value Proposition Canvas, also was ist der Wert einer Dienstleistung oder eines Produkts und was wird da gemacht. Ich schaue mir quasi meinen Kunden an, ich gucke, was muss der Kunde an Aufgaben erledigen, also Jobs to be done heißt es im Englischen. Und das sind aber nicht nur Aufgaben im klassischen Sinne, sondern das können auch Bedürfnisse sein, also emotionale Bedürfnisse, und schaue mir dann an, was hat der Mensch an Schmerzen bei der Erledigung dieser Aufgaben oder emotionalen Bedürfnisse und was könnten für den, das heißt sogenannte Gains, also was könnte diese Aufgaben beziehungsweise emotionalen Bedürfnisse, ja, verbessern, steigern oder vielleicht sogar Begeisterung auslösen. Und wenn man das mal macht, also nimm jetzt einfach mal eine Braugaststätte, wir gehen jetzt mal in den Bereich der Gastronomie, sich einfach mal anzugucken, welche Leute kommen da, was haben die an Bedürfnissen, was sind quasi so ihre Aufgaben, die sie erfüllen, dann ist es ja nicht nur der Nahrungsverzehr, dann ist es ja nicht nur das Durststillen, sondern es gibt dann noch ganz viele andere Aufgaben, die es zu erfüllen gibt. Und sich dann zu überlegen, was kann ich denn tun, um den Schmerz da zu reduzieren, nehmen wir jetzt mal Einsamkeit, könnte so ein Schmerz sein, ja. Menschen leben in der Stadt, das wird vielleicht immer anonymer und Menschen verspüren da Einsamkeit, es gibt Studien zum Thema Einsamkeit, und sich dann zu überlegen, wie kann ich jetzt mit meiner Gaststätte quasi dieses Problem lösen, welche Lösung könnte ich dafür anbieten? Und da zu experimentieren und auch mal auszuprobieren, halte ich für ein sehr erfolgsversprechendes Rezept. Es werden nicht alle Lösungen funktionieren, weil, da stecken auch immer ganz viele Annahmen drin. Also wir sprechen dann vom Annahmen überprüfen, Hypothesen testen und das kann man halt nur durchaus probieren. Aber wenn man da regelmäßig experimentiert und Dinge ausprobiert, dann wird man irgendwann mal auf Lösungen kommen, wo man sagt, okay, ich habe da einen Nerv getroffen, ich habe tatsächlich diesen Schmerz gelindert oder irgendein Bedürfnis besser bedient. Deswegen kann ich nur Mut machen zum Experimentieren und eigentlich müsste ja jemanden, der im Brauwesen unterwegs ist, das ist ja eigentlich täglich Brot quasi zu experimentieren, weil ich arbeite halt da einfach mit Variablen, ja. Also ich denke mal, jeder Sud, den man ansetzt, ist ein Stück weit auch ein Experiment.

Markus: Jetzt, wo ich da so zuhöre, finde ich das total spannend, weil ich glaube, das trifft den Nerv bei ziemlich vielen ziemlich gut. Weil, ich glaube, die kommen ja, also viele jedenfalls in der Brauwirtschaft oder auch in den angeschlossenen Gastronomien kommen ja eigentlich daher, dass sie sagen, okay, die Bedürfnisse, die wir befriedigen, das ist einmal Durst und einmal Hunger und das machen wir zu einem unschlagbaren Preis. Und das war eigentlich die Trilogie, mit der die unterwegs waren, sagen wir mal, die letzten 50, 70, 80 Jahre, sagen wir mal, bis zwischen 1950 und 2000, sagen wir mal so und da ist dann einiges passiert. Also einerseits über die Getränkemärkte, die Supermärkte, diese ganzen Preisdiskussionen, dann jetzt eben auch die Craft-Beer-Welle und überhaupt der Trend zur Individualisierung, der Trend zum Handwerk, dass das jetzt eben nicht mehr reicht. Und dass das Bedürfnis, ich habe Durst oder ich habe Hunger, deswegen gehe ich nicht mehr in eine Gastronomie, sondern ich gehe dahin, weil ich was anderes befriedige, zum Beispiel Neugier, zum Beispiel eben Leute begegnen, Leute treffen, mich gut unterhalten, lachen, Informationen bekommen, mich in irgendeiner Art und Weise austauschen, spielen vielleicht, was auch immer.

Tobias: Ein Quiz machen, eine Runde Schafkopfspielen, ja.

Markus: Erlebnisse haben, genau und dafür bietet mir dieser Ort eben ein Ambiente, was ich zu Hause nicht habe oder was ich auch am Handy mit einem digitalen Schafkopfspiel niemals herstellen kann. Und das ist, glaube ich, der Punkt und ich glaube, da müssen die Brauer auch ein bisschen schauen oder auch die Gastronomen, wo sind meine Assets, also wo kann ich das Ganze gut präsentieren, wo bin ich für Kunden wertvoll, wo erfülle ich besondere Bedürfnisse. Und das dann einerseits herausarbeiten und verstärken und vielleicht noch andere dazu finden und die auch kommunizieren. Das könnte in der Tat ein Thema sein, dass man mal aus dieser Ecke, wo man immer nur gefangen ist zwischen Preis und halt dem Anbieten von irgendwelchen, sage ich jetzt mal, banalen Getränken und Speisen, so ein Helles und ein Schweinebraten oder so, dass ich da rauskomme aus diesem Teufelskreislauf und dann auch nicht mehr vergleichbar bin. Das ist vielleicht auch ein Thema, oder?

Tobias: Ja, absolut. Also es gibt ja Beispiele, dass das funktioniert, also das ist jetzt nicht irgendwie eine Theorie. Manche machen das vielleicht ganz intuitiv, weil die das irgendwann Mal gemacht haben und festgestellt haben, das funktioniert und sich da trauen und deswegen weiter experimentieren. Also es gibt ja diese Gastronomien, die diese Bedürfnisse gut befriedigen. Also nimm quasi das Drei Linden, wo wir zum Quizabend hingehen, die sehen ja, die Bude ist voll zum Quizabend und deswegen biete ich das einmal im Monat an. Und ich kann vielleicht selbst nicht so einen Quizabend gestalten, also hole ich mir zwei, drei Leute, die da Bock drauf haben, so ein Quiz zu gestalten, die eine wahnsinnige Leidenschaft an den Tag legen, sich lustige Quizaufgaben zu überlegen und stelle quasi mein Restaurant für die zur Verfügung und finde halt eine Lösung, dass beide damit glücklich sind. Also diese Beispiele gibt es und man kann eigentlich nur dazu ermuntern zu sagen, hej, traut euch mal was. Und es wird nicht alles funktionieren, wahrscheinlich hat das Drei Linden auch Dinge ausprobiert, die nicht funktioniert haben und wieder verworfen haben. Aber mit einer gewissen Methodik und mit einer gewissen Herangehensweise kann man mit relativ überschaubarem Aufwand, wir reden da nicht von irgendwie großen Investitionen, wo man da irgendwie für 10.000e oder 100.000e von Euro irgendwie Maschinen anschaffen muss, relativ schnell Ergebnisse erzielen und quasi diese Hypothesen überprüfen, ist da ein Bedarf da, ist da ein Bedürfnis? Deckt das, wie ich das löse, das Bedürfnis der Menschen, die zu mir kommen?

Markus: Da, finde ich, ist auch das Drei Linden tatsächlich ein richtig gutes Beispiel, wenn man das ein bisschen über die Zeit sieht, weil das war ja nach dem Krieg, war das eine Metzgerei erst mal, mit Gastronomie dazu und das war der Mittelpunkt dieses Ortsteils. Also das war ein tolles Metzgerehepaar, die waren beliebt, die waren rührig, die waren ständig unterwegs und haben einfach tolle Sachen gemacht, und deswegen war dieses halbe Umfeld, das halbe Viertel jeden Tag, jeden zweiten Tag da, hat sich dann entweder nur was mitgenommen oder ist eben dageblieben, hat gegessen. Die haben Kirchweihen veranstaltet, Ortskirchweihen dort und so weiter und waren dann richtig fett im Geschäft, sage ich mal, bis dann leider Gottes der Senior gestorben ist oder erst ist krank geworden ist, dann gestorben ist und dann haben sie sich darauf beschränkt, nur noch zum Abholen anzubieten. Da waren sie dann auf einmal nicht mehr ein Ort, wo man hinkommt und bleibt, sondern sie waren ein Ort, wo man vorbeifährt und mitnimmt, waren aber da in der ganzen Stadt bekannt für Schnitzel, Sandwiches und was es halt so alles gab. Und dann war auch da die Witwe so alt, dass sie gesagt hat, jetzt ist gut. Und dann kam mit einem kurzen Intermezzo dazwischen jetzt dann die Drei Linden, die das ja völlig auf den Kopf gestellt haben. Also die von dem Zielpublikum, die Menschen, die in den 50 Häusern drum rum wohnen, weggegangen sind und praktisch eher auf ein jüngeres, kreativeres Publikum vielleicht gesetzt haben, auch von der Küche her. Eine sehr bunte Küche, auch immer mit schönen afrikanischen und asiatischen Gerichten mit dabei, viele vegane, vegetarische Gerichte, aber auch ein bisschen Bierkompetenz, weil Weyermann ja nebenan ist, das bespielt haben und es tatsächlich geschafft haben, da eine Stammkundschaft zu generieren, die dann auch regelmäßig kommt und bleibt. Und praktisch wirklich, wenn man da ein Foto machen würde oder gemacht hätte, sagen wir mal, letztes Jahr im Sommer und vor 60 Jahren im Sommer, das wäre völlig anders gewesen, aber in beiden Fällen eine tolle erfolgreiche volle Gastronomie. Und ich glaube, da sieht man schon, dass halt natürlich Gebäude bleiben, aber die Menschen, die diese Gebäude dann mit Leben füllen, da auch sehr viele Entscheidungsmöglichkeiten haben, wie dieses Leben dann ausschaut und was sie davon haben und wen sie da mit sich haben und mitnehmen. Und das stimmt, ja. Also das ist schon, da hat man auch ein schönes Beispiel für die Selbstwirksamkeit, also da kann man dann doch als kleiner Mensch im Getriebe viel bewegen oft. Wo wir uns ja auch schon drüber unterhalten haben, du hast ja Bierdeckel gemacht. Also da sind wir ja total im Bereich Bier und die Bierdeckel haben aber Fragen. Also vielleicht kannst du kurz ein bisschen die Idee dahinter, also wofür sind die gut, wofür setzt du die ein, was ist so die Idee dahinter und dann können wir ja mal so ein paar dieser Fragen uns zuspielen und schauen, was die uns sagen.

Tobias: Unbedingt! Also ich erzähle mal die Geschichte, wie kam es zu diesen Bierdeckeln. Wir haben vorhin über diesen Übergang gesprochen, so ein Zeitenübergang, unsichere Zeiten, Menschen haben so ein bisschen Angst, woah, Hilfe, was kommt jetzt da, KI, irgendwelche Branchen haben Schwierigkeiten, wir sprechen über Unternehmensinsolvenzen, Energiepreise, what ever. Also du hast da ganz viele Themen genannt, die Menschen irgendwie beunruhigen und Angst machen. Und ich habe ja gemerkt, es greift immer mehr so die Angst vor der Zukunft um sich und man wünscht sich so die guten alten Zeiten zurück. By the way, auch eins von diesen kognitiven Verzerrungen, weil in der Rückschau man die nicht so tollen Dinge ausblendet und die guten Dinge so ein bisschen, ja, höher gewichtet. So und dann habe ich mir gedacht, Mensch, wir bräuchten so ein bisschen mehr Zukunftslust, also Lust auf die Zukunft und habe mir dann gedacht, naja, wie kann ich das erreichen oder was kann man da tun. Und habe irgendwie festgestellt, naja, man spricht auch gar nicht so über die Zukunft, das so ein bisschen fast ein Tabuthema, weil es halt den Menschen Angst macht und da will man irgendwie gar nicht so rein, und dann habe ich mir gedacht, na gut, dann muss man irgendwie mehr drüber sprechen. Und wo spricht man über Dinge, irgendwo am Tisch, wo es Essen gibt, wo es was zu Trinken gibt, der klassische Stammtisch, ja. So und dann habe ich mir gedacht, naja, wie bringe ich jetzt Menschen an so einem Stammtisch zum Reden über die Zukunft, möglichst niederschwellig. Ich drucke halt Fragen auf so einen Bierdeckel und jemand liest so eine Frage und sagt, Mensch, habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht oder, das ist eigentlich mal ein interessantes Thema. Oder, was für ein Scheiß, das ist ja eine total bescheuerte Frage, aber dann kommst du ja trotzdem ins Gespräch. Und habe mir einfach mal ein paar Fragen überlegt und habe von den Fragen, die ich mir überlegt habe, habe ich 5 auf Bierdeckel drucken lassen. Und wenn ich jetzt irgendwo unterwegs bin, in einer Kneipe oder ich schenke es auch manchmal Kunden so für die Kaffeeecke, also muss ja nicht nur irgendwie in so einer Braugaststätte sein, kann ja auch im Kaffee sein oder in der Kantine im Unternehmen, dann lasse ich da so einen Satz Karten da.

Markus: Ja, interessant, weil so ein Bierdeckel natürlich auch eine tolle Konnotation auch hat. Also es gilt ja, wir müssen da nur an die Steuerklärung auf dem Bierdeckel denken, also Leute, die da wenig Berührungsängste, die lassen sich gerne drauf ein, sie erwarten dann auch einen Zugang irgendwie. Ja, dann würde ich doch sagen, ich suche mir mal eine der Fragen aus und stelle sie dir und dann kannst du dir ja eine aussuchen und sie mir stellen. Also schön finde ich ja die Nummer 3, ehrlich gesagt, 3 ist ja auch meine Lieblingszahl, aber da steht ja, was macht dir Mut, wenn du in die Zukunft blickst?

Tobias: Ach, da gibt es sehr vieles, was mir Mut macht. was mir am meisten Mut macht tatsächlich, wenn ich in die Zukunft blicke ist, dass es einfach so wahnsinnig viele Möglichkeiten gibt, Dinge zu lösen. Also wir haben ja einen riesen Schatz an Wissen, es gibt Maschinen, egal, ob es jetzt eine Maschine ist, die irgendwas produziert, es gibt Maschinen, die uns in der Wissensarbeit helfen, also wir haben ja ganz viel Handwerkszeug und Mittel und Möglichkeiten, was zu tun. Und das ist was, was mir Mut macht, wenn ich in die Zukunft blicke. Und ich hatte gerade noch einen anderen Gedanken, der ist mir jetzt entfleucht, was war das Zweite, was ich jetzt sagen wollte? Na, vielleicht kommt es wieder.

Markus: Ich wollte gerade sagen, sonst kannst du mir ja eine Frage stellen und vielleicht kommt es dir danach wieder, kann auch sein.

Tobias: Dann stelle ich dir eine. Und nachdem du vorhin so ein bisschen über die Zeiten gesprochen hast, mache ich die Zukunftsfrage Nummer zwei und frage dich, was wäre, wenn dein jüngeres oder älteres Ich mit am Tisch wäre?

Markus: Auf jeden Fall hoffe ich und wünsche mir und stelle mir das so vor, dass beide Ichs auf jeden Fall erst mal lachen würden und sich freuen würden, das wäre mir ganz wichtig. Weil, ich glaube, dass es in meinem Leben immer so war, dass ich wenig Dinge geplant habe, sondern eher Dinge auf mich habe zukommen lassen und immer so ein bisschen für mich die Frage im Raum stand und steht, wie geht es weiter und wie kann es weitergehen und wie entwickeln sich Dinge weiter und was passiert und so. Und ich glaube, dass mein jüngeres Ich total fasziniert wäre, was alles passiert ist, je nachdem, von welchem Zeitraum das kommt. Also wenn das vielleicht vor 20 Jahren oder so was ist oder so, da hat ja niemand und habe ich auch damals nicht dran gedacht, dass ich irgendwann Mal eine BierAkademie habe oder eben mit dem Thema Bier überhaupt hauptberuflich mein Geld verdienen kann und mit anderen Sommeliergeschichten unterwegs bin und auf der ganzen Welt unterwegs bin und da Leute treffe und Freunde habe und eingeladen bin und so. Das ist natürlich schon für mich eine wunderbare Wendung, die mir auch total Spaß macht und die mein Leben auch unheimlich bereichert, weil die Welt zu sehen ist natürlich auch in Schatz und eine Bereicherung und etwas, was Grenzen abbaut. Also das kann ich generell nur jedem empfehlen, wenn irgendwie die Möglichkeit da ist, Reisen bildet in jeder Hinsicht, also das auf jeden Fall tun.

Tobias: Und es gibt auch überall Craft-Beer-Brauereien, also man muss nicht auf Bier verzichten, egal wo man hingeht.

Markus: es gibt überall Brauereien, das auf jeden Fall und das ist ja auch gut. Und mein älteres Ich, das wäre wahrscheinlich auch amüsiert, weil das sich einfach sagen würde, Mensch, der Depp hat überhaupt nicht gewusst, was mittlerweile in den nächsten 20 Jahren alles passiert ist und hat da vielleicht so viele komische Sachen gemacht und gedacht und getan, aber war auch zufrieden. Also das ist vielleicht überhaupt für mich so ein bisschen mein Motto, dass ich mir vor 25 oder 30 Jahren mal gegeben habe, dass ich gesagt habe, okay, ich kann nicht garantieren, dass ich immer die richtigen Entscheidungen treffe. Das kann, glaube ich, niemand. Aber was ich versuche ist, dass ich hinter allen Entscheidungen, die ich in meinem Leben treffe zu dem Zeitpunkt, wo ich das tue, dahinterstehe, sodass ich sagen kann, okay, zu dem Zeitpunkt, als ich das und das entscheiden habe, fand ich das richtig nach reiflicher Überlegung. Und dann ist es auch okay für mich, selbst wenn im Nachhinein sich dann rausstellt, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war. Also ich glaube, das fände ich spannend, diese beiden Ichs mal irgendwie zu sehen. Manchmal denke ich mir das auch so ein bisschen, mein Gott, was ist alles passiert. Also auf jeden Fall eine schöne Frage, die auch noch mal so eine Selbstreflektion so ein bisschen hervorruft.

Tobias: Aber jetzt ist mir eingefallen, was ich vorhin noch sagen wollte, weil du sagst, Dinge entwickeln sich. Was mir richtig viel Mut macht ist, wie sich Dinge entwickelt tatsächlich haben zum Besseren. Es gibt so ein schönes Portal, das heißt Our World in Data, die wirklich datengetrieben gewisse Dinge auf der Welt einfach mal misst in Zahlen, Daten und Fakten. Und da ist es tatsächlich so, dass bei ganz, ganz vielen Themen die Welt eine bessere wird im Vergleich zur Vergangenheit. Und wenn man heute die Leute fragt, jeder würde doch sagen, ja, das wird doch immer schlimmer. Und ich kann ganz klar sagen, nein, es gibt ganz viele Beispiele, das es eben nicht so ist. Und auch bei Themen, wo wir heute sagen, wir haben ganz am Anfang mal so ganz kurz, klang der Klimawandel an bei den Herausforderungen für die Menschen im Brauwesen und auch da gibt es wahnsinnig viele clevere Menschen, die sich Lösungen überlegen, wie kann ich damit umgehen, wie erhöhe ich die Effizienz von regenerativen Energien, wie kann ich regenerative Energien speichern und so weiter und so fort. Das macht mir auch extrem viel Mut, weil es einfach viele gute Geschichten da draußen in der Welt gibt, man muss vielleicht nur ein bisschen genauer hinschauen in dem ganzen Wust aus Bad News.

Markus: Allerdings. Ich glaube, da hilft dann auch meine Frage so ein bisschen, weil, wenn ich mir überlege, mein jüngeres Ich vor 20 Jahren oder sowas, wie gut oder schlecht ging es dem und da hat man dann vielleicht auch ein bisschen weniger Verzerrung und ein bisschen mehr Realität noch im Kopf. Denn, eben, also die Zeiten war natürlich irgendwo auch schön, logischerweise, aber sie halt auch nicht nur schön. Und das Gute ist, jetzt können wir sie gestalten und können versuchen, eben für uns und für die anderen das Beste draus zu machen, und das ist ja auch das, was du dir so ein bisschen auf die Fahne geschrieben hast. Wir haben ja schon so ein bisschen über deinen Podcast gesprochen, vielleicht magst du uns da noch ein bisschen was dazu sagen. Ich werde den natürlich auch verlinken dann in den Shownotes. Was erfährt man da, was könnten da interessante Dinge sein, die jemand aus unserer Bier-Bubble sozusagen mitnehmen kann?

Tobias: Ja, also der Podcast heißt Kopf und Bauch, der Podcast der Entscheidungen. Ist ganz lustig, wie der entstanden ist, also war nicht aus einer Bierlaune heraus, so viel kann ich schon verraten. Ich bin ja seit Jahren bei diesem Innovationsthema unterwegs und ich habe mir immer die Frage gestellt, warum tun sich Menschen so schwer, Entscheidungen zu treffen im Innovationsumfeld, wenn Dinge unsicher sind, wenn ich noch nicht weiß, wird dieses Produkt, wird diese Idee, wird diese Dienstleistung fliegen, ja oder nein. Und habe mich dann so ein bisschen damit beschäftigt, man lernt ja das nicht in der Schule oder im Studium, also war bei mir nicht irgendwie Teil davon, habe mich damit so ein bisschen beschäftigt. Und während der COVID-Zeit, haben wir auch vorhin drüber gesprochen, war bei mir im Angestelltenjob damals noch Kurzarbeit angesagt und mit einer Psychologin aus Hamburg, mit der Nadja zusammen, haben wir mal so die fixe Idee gehabt, wir schreiben zusammen ein Buch, wir wussten nie, über was. Und dann haben wir gesagt, jetzt haben wir eigentlich bald die Zeit, dieses Buchprojekt umzusetzen und haben das Handbuch der Entscheidungen geschrieben und haben so ein bisschen unser Knowhow zum Thema Entscheidungen zusammengeschrieben. Was gibt es so an kognitiven Verzerrungen, welche Methoden gibt es zum Thema Entscheidungen, was kostet eigentlich so eine Entscheidungsfindung und so weiter und so fort. Und es hat der Peter, der zusammen mit mir den Podcast macht, der ist auf mich aufmerksam geworden über LinkedIn. Wir haben so ein bisschen kontrovers teilweise zu Themen diskutiert, deswegen heißt der Podcast auch Kopf und Bauch. Er ist so eher der Rationale, kommt so aus den Zahlen, Daten, Fakten, Bewertungsmatrix und so weiter und so fort und ich lasse manchmal auch den Zufall entscheiden. Und hatten da, ich weiß gar nicht mehr, was unser Diskussionspunkt war, wir haben aber gesagt, das kann man nicht über LinkedIn irgendwie schriftlich ausdiskutieren, da müssten wir uns mal eine Stunde zusammentelefonieren und da so ein bisschen uns austauschen und so ein bisschen dazu ringen und hatten dann die Idee, warum nehmen wir das nicht auf. Und so entstand die Idee zu diesem Podcast. Und war damals auch ein Experiment, also wir haben gesagt, wir geben uns mal 5 Folgen, gucken, macht uns das Spaß, haben wir da Lust drauf, finden wir genug Themen. Und, ja, haben mittlerweile fast 50 Folgen zusammen, haben auch teilweise Interviewgäste. Also wir haben schon Menschen, die in ihrem beruflichen Kontext Entscheidungen treffen müssen, da gehabt, vom Richter über den Staatsanwalt, einen Arzt, eine Basketballschiedsrichterin, die ganz schnell entscheiden muss. Und haben aber auch immer wieder so Methodenfolgen, genau und versuchen das Thema Entscheidungsfindung so ein bisschen aus dem wissenschaftlichen Kontext raus zu kriegen und das ein bisschen unterhaltsam zu erzählen, genau. Und vielleicht holen wir uns da auch mal jemand aus dem Brauereiwesen darein, weil jemand in der Brauereiwelt oder in der Brauwelt muss ja Entscheidungen treffen.

Markus: Absolut.

Tobias: Und das nicht gerade wenige.

Markus: Eben, also mehr oder weniger ständig. Und das ist ja, glaube ich, auch so ein Punkt, dass man irgendwie so das Gefühl hat, das viele Leute das verlernen, Entscheidungen zu treffen oder zu fällen und dann einfach sich davor drücken oder so halbe Entscheidungen fälle oder so und Verantwortung nach Möglichkeit irgendwie abgeben oder wie auch immer, jedenfalls sich eben dieser Sache nicht wirklich annehmen und sich auch nicht diese Kraft zu eigen machen, die das ja auch hat. Also eine Entscheidung fällen heißt ja auch, zu irgendetwas nein und zu irgendetwas ja zu sagen und das ist ja auch eine Klarheit, die dadurch entsteht und auch ein Weg, den man damit eben vorgibt. Und ich glaube, das ist auch was, was vielen heutzutage schwerfällt, sich da drauf einzulassen. Also deswegen kann ich das auch nicht empfehlen, sich da mal eben von diesen verschiedenen Perspektiven dieses Thema Entscheidungen anzuhören, finde ich toll, spannende Podcast. Und ja, also kann ich nur sagen, holt euch mal jemand aus der Bierwelt, da gibt es doch auch immer wieder Entscheidungen zu fällen. Und das Lustige ist natürlich, wenn man jetzt wirklich an Brauerinnen oder Brauer denkt, da ist ja dann auch immer so ein bisschen, dass die Natur ja mitspielt. Das heißt, manche Entscheidungen, die kann ich nicht fällen, sondern die fällt dann quasi jemand anderes für einen. Aber damit muss ich dann auch umgehen. Also das ist ja dann auch so ein Punkt, dass ich dann zu einer Entscheidung gezwungen bin, wenn die Natur entschieden hat, dass es jetzt eben so oder so geht. Also, wie auch immer, spannendes Thema auf jeden Fall.

Tobias: Da haben wir schon den ersten Ansatzpunkt für eine Folge, also ich glaube, das sollten wir auf jeden Fall mal machen, weil, ich glaube, da kann man ganz viel draus lernen. Das ist ja das Thema, Entscheiden unter Unsicherheit und die Natur bietet einfach jede Menge Unsicherheiten. Auch so ein Brauprozess ist mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet, wenn ich jetzt nur an das Thema Hefen denke, was ich quasi in deinem Podcast, wo ich da so ein bisschen eingetaucht bin, da gibt es ja ganz viele Unbekannte bei dem Thema.

Markus: Auf jeden Fall. Und es gibt natürlich auch diese unterschiedlichen Schulen. Also wenn ich jetzt, sagen wir mal, von einer sehr deutschen Brauerschule aus komme, dann versucht man halt, den Prozess so weit wie es irgendwie geht zu kontrollieren, also der Natur so wenig wie möglich Spielraum zu lassen, damit ich eben am Ende wirklich immer bei genau demselben Produkt lande. Und wenn ich jetzt eben, sagen wir mal, irgendeinen ganz verrückten Kreativbrauer aus, keine Ahnung, Indonesien nehme oder so, da ist es vielleicht völlig am anderen Ende. Oder aus Belgien, da kenne ich einige, die machen das ja wirklich so, die setzen halt irgendwas an und warten halt ab, was passiert und so nach dem Motto, Bier wird es immer.

Tobias: Die Frage ist, ob es schmeckt.

Markus: Genau, aber das ist dann manchmal oft auch zweitrangig. Also das ist schon auch total spannend und natürlich gibt es da auch nicht nur schwarz und weiß, sondern ganz viel grau. Aber das erlebe ich schon auch oft auch in der Auseinandersetzung auch, dass bei uns in Deutschland halt der Brauprozess auch anders aufgezäumt ist, anders funktioniert als zum Beispiel in England oder in Belgien oder so, auch von den Gefäßen her und von all dem. Also weil das halt dem untergeordnet ist, dass wir halt einfach sagen, wir wollen wirklich ein immer gleiches, immer gleich gutes qualitativ hochwertiges Bier produzieren, was auch die absolute Königsdisziplin sein kann. Aber dabei ist man natürlich voll lauter Befriedigung dieser Geschichte so ein bisschen davon abgekommen zu sagen, wie mache ich das jetzt mit den spannenden Ecken und Kanten, wo nehme ich das mit, was dann vielleicht das Bier ausmacht, die Personalität dieses Bieres sozusagen so ein bisschen, das wird natürlich dann glattgeschliffen in so einem Prozess. Und das ist eben auch, das sind auch so Entscheidungen, die ja dann zum Beispiel jetzt oft anstehen, wenn bei einer Brauerei so eine Generationenwechselgeschichte da ist, wo eben der Senior noch aus dieser Denke kommt und der Junior eben sagt, okay, nee, ich will das ändern. Also da habe ich auch schon Prozesse mitbegleitet in Brauereien, wo man dann eben von, keine Ahnung, vorher vielleicht 10 verschiedenen Sorten, die eben zu diesen eher immer gleichen Bieren gezählt haben, umgestiegen ist auf 3 plötzlich unfiltrierte und ganz interessante eckige, kantige, aber besondere Biere mit Geschichten, mit anderen Namen, mit anderen Etiketten. Und natürlich stößt du da erst mal 50 % deiner Kundschaft vor den Kopf, aber du kannst andere Preise verlangen, du kannst dich neu positionieren und du kannst andere Kunden dazugewinnen und kannst dich insgesamt neu erfinden und damit letzten Endes dann auch einen guten Weg wieder gehen, was in dem Fall zum Beispiel auch passiert ist. Und sowas finde ich total spannend.

Tobias: Ja und da schließt sich die Brücke zur Verlustaversion, die wir vorhin hatten, weil ich habe ja erst mal die Angst, ich verliere meine Kunden, aber das muss ja gar nicht so sein. Also, ja, vielleicht verliere ich 20 % meiner Kunden, die sagen, ja, was für ein Scheiß. Aber es kann ja sein, dass die anderen 80 umso mehr auf mein Produkt abfahren von meinen bestehenden Kunden, weil die sagen, ej, Mensch, das ist noch mal eine ganz andere Klasse, das hat jetzt viel mehr, ja, keine Ahnung, was ist jetzt das richtige Wort dafür, das hat viel mehr Charakter und es ist nicht austauschbar, ja, also das ist wirklich einzigartig.

Markus: Ja und dazu passt auch, dass viele Brauer immer denken, dass die Lauten die vielen sind. Also will sagen, wenn ich jetzt meinen Stammtisch habe und ich mache zum Beispiel eine Preiserhöhung um 20 Cent, dann schreit der Stammtisch rum und findet das katastrophal und dann denke ich, oh Gott, meine Leute trinken mein Bier nicht mehr. Aber letzten Endes sind die 10 Hansel am Stammtisch nur 0,5 % meiner ganzen Kundschaft und letzten Endes mache ich mit denen sowieso nie Gewinn, aber mit den anderen dann vielleicht schon. Und einfach auch da mal sich zu überlegen, okay, wer macht mich denn überhaupt aus und mit wem komme ich denn hin und welches Potenzial habe ich in dem Stammtisch, da ist ja durchaus auch was drin, aber welches Potenzial habe ich eben auch nicht und so weiter. Also das ist sicherlich spannend und ich glaube auch, dass vielleicht der ein oder andere Brauer oder die Brauerin, die so ein bisschen zuhört, Interesse hat, sich auch mal mit dir in Verbindung zu setzen.

Tobias: Unbedingt, also würde mich echt freuen. Ich habe eine Leidenschaft für das Produkt, das wird mir sehr viel Spaß machen, meldet euch gerne.

Markus: Und es ist, glaube ich, auch einfach wichtig, dass man jemanden hat der einen einfach mal auf diese anderen Fragestellungen, anderen Gedanken bringt, dass man mal aus seinem Hamsterrad, sage ich mal, so ein bisschen auch geistig rauskommt.

Tobias: Genau.

Markus: Also auf jeden Fall vielen, vielen Dank für dieses spannende Gespräch und für deine Bierdeckel und alles, was du so auch in Zukunft noch in der Bierwelt machst und natürlich für unsere schönen Abende. Und dann wünsche ich dir heute noch einen wunderschönen weiteren Tag.

Tobias: Das wünsche ich dir auch, vielen, vielen Dank für die Einladung, Markus.

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