BierTalk 129 – Interview II mit Dr. Martin Zarnkow, Brauer, Mälzer und Forscher an der TU München in Weihenstephan

Im zweiten Interview mit Prof. Zarnkow, der seit 26 Jahren in Weihenstephan forscht und lehrt, gehen wir der Geschichte der modernen untergärigen Hefe weiter auf den Grund und sprechen auch über seine spannende „Hefejagd“ auf allen Kontinenten. Thema sind zudem der aktuelle Forschungsstand zur Ursache der Aromen von Hefen und Hopfen, die Wechselwirkung mit Insekten und die sich zunehmend verändernden Umwelteinflüsse bei Rohstoffen und Brauprozess…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute knüpfen wir ein bisschen an einen BierTalk an, den wir vor gut anderthalb Jahren geführt haben, damals ging es um die Hefejäger, also um die Leute, die in der Welt unterwegs sind und sich auf die Suche nach den unentdeckten, unbekannten, irgendwo schlummernden Hefepilzen begeben, mit denen sich vielleicht dann auch gute und spannende Biere brauen lassen. Ja, das waren damals Martin Zarnkow und Mathias Hutzler im Gespräch. Der Martin ist jetzt heute wieder hier, weil wir gesagt haben, wir wollen auf jeden Fall das fortsetzen, wir wollen auf jeden Fall anknüpfen und einfach mal sehen, was sich so für neue Themen ergeben und vielleicht auch andere spannende Themen aus der Wissenschaft, denn er ist ja an der TU München in Weihenstephan. Und, ja, schön, dass du hier bist! Und vielleicht sagst du für alle Leute, die den letzten Talk jetzt nicht ganz präsent haben, nochmal zwei, drei Worte zu dir, Martin.

Martin: Ja, danke, Markus. Also Martin Zarnkow, ich habe einen ganz typischen fränkischen Nachnamen, aber ich komme tatsächlich aus dieser Gegend, ich bin Nürnberger und bin seit 26 Jahren an der TU München in Weihenstephan. Habe Brauen gelernt und natürlich auch das Mälzen habe ich studiert und habe auch da drauf promoviert, das allerdings in Irland bei Elke Arendt in Cork. Beschäftige mich seit 26 Jahren mit der Forschung, wusste nicht, dass das tatsächlich so viel Spaß machen kann. Wollte natürlich, als ich Brauer gelernt habe, eine Brauerei in der Fränkischen Schweiz, wie, ich denke mal, sehr viele andere, die diesen schönen Beruf ergriffen haben. Seit 26 Jahren beschäftige ich mich unter anderem damit, warum Gerste, ja, warum ist unser Bier so wie es ist heute, Gerste-untergärig? Warum ist der Hopfen da drin? Ja, tolles Produkt, Zweifels ohne, aber warum, warum ist das hauptsächliche hergestellte Bier kein Stout und kein irgendwelches Ale oder kein Weißbier, sondern es ist dieses untergärige helle, filtrierte, kühlgetrunkene Lagerbier, eben mit Gerste, Gerstenmalz gemacht, mit Hopfen und mit untergäriger Hefe? Und vor ein paar Jahren kam eben dieser Glücksfall hier zustande, dass ich einen neuen Kollegen bekommen hab, das heißt, ich wurde der neue Kollege von Mathias Hutzler. Und Mathias mit einer ganz tiefen mikrobiologischen Ausbildung gesegnet und wir können also jetzt dann, nachdem ich sehr viel auf diesem Getreidebereich schon geforscht hab, können diese Hefebereich uns genauer angucken und vergessen selbstverständlich den Hopfen bei dem Ganzen nicht. Waren jetzt auch schon einige Male, viele Male unterwegs auf dieser sogenannten Hefejagd. Haben inzwischen einen weiteren Mitstreiter hier im Haus aus Argentinien, Juan, mit dem wir auch schon zusammen in Georgien waren. Und er war auch einer derjenigen, der die Saccharomyses Eubajanus in Argentinien-Patagonien gefunden hat, beschrieben hat, charakterisiert hat. Und sein Fachwissen haben wir eingekauft, ja und er ist jetzt Gastwissenschaftler bei uns, ja. Und wir haben also auch dieses kommende Jahr 24 wieder viel vor. Wir wollen also in einige spezielle Regionen, weil wir immer mehr die Theorien bestätigt sehen, dass wir in Gegenden müssen, die vom Menschen sehr stark unberührt sind, um diese Eltern zu finden, von der untergärigen Hefe. Die Saccharomyses Pastorianus hat Eltern, hat Mama und Papa, wer auch immer was ist, eine davon ist die obergärige Hefe, eine obergärige Hefe, die wir aber noch nicht kennen, die nennt sich also Saccharomyses Cerevisiae und die andere ist eine Saccharomyses Eubajanus. Die, die man bisher gefunden hat, die Eubajanus-Hefen in Patagonien eben, Tibet, Amerika, also USA und jüngst auch in Irland, kommen ran, aber sie sind es sind, ja. Und Mathias und ich, wir haben jetzt noch mit ganz vielen Daten von unserem verstorbenen Freund Franz Meußdoerffer von historischen Daten und mithilfe von genetischem Material, haben wir jetzt eine neue Theorie aufgestellt, wo zumindest diese erfolgreiche Hybridisierung stattgefunden hat. Warum sage ich erfolgreich? Weil man sich auch vorstellen könnte, aber wir sind darüber nicht sicher, dass es so eine Hybridisierung vorher, nachher, vielleicht jetzt sogar immer wieder gegeben hat. Es ist viel Konjunktiv in dem Ganzen, ja. Aber zwischen 1602 und 1615 war ein besonderes Ereignis oder eine besondere Situation, die dazu geführt hat, dass da wohl in dem Hefegemisch etwas entstanden ist, was dann später weltweit verteilt worden ist. Und da kommt auf jeden Fall unsere untergärige Hefe her, die wir heute weltweit so erfolgreich einsetzen.

Markus: Und das ist auch der Punkt, wo der Mensch dann eingegriffen hat sozusagen, also wo er dann diesen Hybriden in irgendeiner Form domestiziert hat, übernommen hat und dann durch die Ausbreitung der Biere, die man damit herstellen kann, ihn auch überall verteilt hat oder, kann man das so sehen?

Martin: Ich denke schon, dass man das so, also auf jeden Fall, was dieses Ereignis betrifft, kann man das so sehen, ja. Also irgendjemand hat das erkannt, dass da etwas, ja, passiert ist oder es hat jemand zumindest erkannt, dass das Produkt, das daraus erfolgt, dem Konsumenten offensichtlich schmeckt, ja. Das ist, also diese Interaktion, die war sicherlich in vielerlei Hinsicht, also nicht nur jetzt bei der Untergärigen beim Lagerbier, sondern bei allen Bieren im Endeffekt. Irgendjemand hat mal wieder was Neues gemacht und der Konsument hat das in die Finger bekommen oder getrunken, probiert und hat dann festgestellt, das schmeckt mir oder auch eben nicht, ja. Also das ist, diese Interaktion, die gab es definitiv. Und diese Interaktion, die fand ja vorher auch schon statt, dass sich Bedingungen geändert haben. Und das war ja eben auch genau in dieser Zeit, dass sich Bedingungen geändert haben. Es war jetzt schon längere Zeit, war es kühler, grade auch in Bayern, denn der Ort, wo das stattgefunden hat, war in München, ja. Und dort hat eben die bayrischen Herzöge oder der Herzog, der hatte ein Hofbräuhaus sich gebaut, weil er eigentlich nicht mehr abhängig sein wollte von den anderen Bieren, die unter anderem in Einbeck hergestellt worden sind, richtig weit weg und aber an den Hof geliefert wurden. Da bin ich immer noch wirklich erstaunt, was die in Einbeck da wohl geleistet haben, was für ein stabiles Produkt sie erzeugt haben. Denn von Einbeck nach München sind so gut wie keine Wasserwege, sondern das wurde auf dem Landweg transportiert. Natürlich, ein paarmal geht schon Wasserweg, aber nicht richtig viel. Weil, unteranderem musst du über die europäische Wasserschiede und zu dem Zeitpunkt war mal wieder kein Projekt fertig, ja und die Straßen waren definitiv schlecht, der Transport war sechs Kilometer pro Stunde, das hat also richtig lang gedauert. Und wir wissen alle, Sauerstoff und schütteln ist bis heute was, was überhaupt nicht gut dem Bier zu Gesicht steht. Es ist erstaunlich, was also hier angekommen sein muss und mit dem sich also die Obrigkeit immer noch äußerst zufrieden gesehen hat. Und, tja, aber da hat er dann eine Entscheidung getroffen, er will das jetzt also alles selber gemacht haben. Hat sich einen Braumeister aus Einbeck geholt, der ziemlich sicher seine Hefe mitgebracht hat und hat noch jemanden geholt, einen anderen Braumeister, nämlich aus der Ortschaft Schwarzach, Schwarzach liegt im Landkreis Bogen in Niederbayern. In Schwarzach war das Geschlecht der Degenberger und die Degenberger haben dieses böhmische Weißbier gebraut. Und das also haben die Herzöge schon verstanden, dass das ein ganz klein wenig die Lizenz zum Geld drucken ist, weil man das auch im Sommer brauen konnte und ein bei den Konsumenten gut ankommendes Produkt herstellen konnte. Und diese zwei unterschiedlichen Braumeister mit ihren unterschiedlichen Technologien, mit ihren unterschiedlichen Hefegemische, das ist jetzt auch ganz wichtig zu verstehen, das waren natürlich keine reinen Hefen, das wurde ja erst 1883 überhaupt erfunden, diese Technik, die kamen dann in diesen 13 Jahren zusammen nach München in dieses Hofbräuhaus. Und das ist dokumentiert, dass man in der Zeit eine kalte und eine warme Gür gemacht hat, ja, also man hat zwei verschiedene Biere hergestellt nach zwei verschiedenen Art und Weisen. Und wir gehen einfach davon aus, dass dort diese Hybridisierung stattfand, wo auch immer was herkam. Denn, strenggenommen haben die Schwarzacher obergärig gebraut und die Einbecker tendenziell zu dem Zeitpunkt. Aber auch das waren ja eben Mischungen und da lagen eventuell Sachen vor, wir haben also da weitere Indizien in diese Richtung. Wir waren in Schwarzach selber, das ist immer noch zu erkennen, was für ein imposantes Schloss das war. Das ist allerdings heute schon lange als Ort umfunktioniert worden, aber es gibt ein ganz großes Gebäude, wo auch heute noch alte Brauanlagen drin sind. Und dort haben wir also wirklich in der letzten Nische in einem Loch in der Wand, rücklinksliegend und mit verlängernden Tupfern, ja, also wir haben tatsächlich auch praktische Handlungen, wir mussten auch zeigen, dass wir praktisch ein bisschen versiert sind, wir haben wirklich in diesem hinterletzten Loch, also diesem Fundloch, haben wir einen ganz spannenden Hefehybrid gefunden. Allerdings eben nicht den, den wir so suchen, also das ist auch ziemlich sicher nicht eines von diesen Mama und Papa, ja. Aber es zeigt, das also da immer noch etwas vorherrscht, was aus dieser Zeit sein könnte und eine Hybridisierung auch hinter sich hatte. Also super spannend, wirklich wahr, das ist mal das eine. Und warum kommen wir auch überhaupt da drauf? Weil einige Zeit später, allerspätestens dann seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ich mache jetzt einen größeren Zeitsprung, die Brauer sprachen da von der Setzhefe, also das ist diese Hefemischung, dass das also verteilt worden ist an die Freunde vom Sedlmayr, heutige Spaten-Brauerei, ja. Die haben damals nicht in Wettbewerb gedacht, es waren auch keine Heineken oder Carlsberg war ganz sicherlich kein Wettbewerber zu der damaligen Spaten-Brauerei. Und der hat also diese Hefe dann verteilt, unter anderen, und das hat dann Hansen, nachdem er dann auch die Hefereinzucht gemacht hat, hat er es nochmal weitergetrieben. Also wenn man das Pferd von hinten aufzäumt, sprich, von der heutigen Sichtweise, das geht alles wohl auf dieses Ereignis zurück.

Markus: Also ganz, ganz spannende Zeitreise, wo wir jetzt auch schon ein paar Jahrhunderte hin- und herspringen. Ich würde gern an zwei Punkten nochmal einhaken, also einmal dieser Punkt vor 1602 sozusagen, nur, damit wir die Hörern auch nochmal ein bisschen wegnehmen, weil nicht alle ja den letzten Talk gehört haben. Also ihr geht ja im Grunde davon aus, dass es eine primitive untergärige Hefe gegeben haben muss, die in dem Hefe-Cocktail, der in Bayern, Ostbayern da unterwegs war, vielleicht auch Franken und die Brauer dort ihre Biere eben eher kühler vergoren haben und damit in diesem Cocktail diese einfache untergärige Hefe praktisch da eine entscheidende Rolle übernommen hat und damit einfache niedrige alkoholische, untergärig geprägte Biere möglich waren. Im Gegensatz zu denen, die entstanden sind, wenn man das Ganze bei wärmeren Temperaturen vergoren hat, wo dann eben, ich sage mal, der obergärige Anteil in diesem Hefe-Cocktail die Führung übernommen hat, weil einfach aufgrund der Temperaturen die dann die besseren Bedingungen hatten. Also war ich da überhaupt richtig jetzt so weit, kann man das so sagen?

Martin: Ja, ja, hast du gut gemacht, ja. Im Endeffekt war es immer ein Kampf, ja und irgendjemand hat sich dann durchgesetzt und das ist eben eine dieser Interaktionen. In dem Fall hat sich derjenige durchgesetzt, der mit diesen Umgebungskonditionen jetzt besser zurechtgekommen ist, ja. Dazu zählt sehr viel, also auch, ehrlich gesagt, die Behältnisse, aus welchem Material die gemacht worden, waren die drucklos, waren die unter Druck, ja, wie hoch waren diese Behältnisse. Wurde dann später grade bei der Porter-Herstellung in London ganz ausschlaggebend, dass wurden riesige Gefäße, ja und natürlich hat das einen Einfluss. Die Außentemperatur hat einen starken Einfluss und dadurch, dass es kühler geworden ist und man auch aus vielerlei Gründen in diese Keller gegangen ist, wo die Temperatur dann auch lange Zeit gleichbleibend so kühl gehalten werden konnte, da hat sich die untergärige Hefe einfach leichter getan, ja, die kann damit noch arbeiten. 12 Grad Celsius und drunter, damit kann die obergärige Hefe nichts anfangen, ja. Die stirbt da nicht, die können ja ganz andere Temperaturen überleben, aber sie ist nicht aktiv, da muss man ja immer wieder unterscheiden, aber die Untergärige ist da aktiv. Und das Tolle an der ganzen Sache ist, viele andere sogenannte bierschädliche Bakterien wie gewisse Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien und so weiter, die können da nix mit anfangen, ja, diesen kalten Temperaturen, größtenteils. Und somit sind es auch sehr reine Biere geworden, ja. Und das war eben dann dieses andere Interaktionsfeld jetzt zwischen Produzent und dem Konsumenten, ja. Also du hast auch vollkommen richtig gesagt, da waren immer wieder Tendenzen da. Wir sträuben uns komplett bis 1883, von einem reinen untergärigen oder obergärigen Bier zu sprechen, sondern die waren tendenziell in die eine oder andere Richtung. Und wir kommen aus der obergärigen Tendenz und machen dann diesen großen Wechsel im ausgehenden Mittelalter zum Untergärigen, zum professionalisieren, weg von den Frauen als die Bierbrauer, zu den Männern, den neueren Bierbrauern, zum reproduzierbaren Einsatz von Hopfen. Jetzt wird gekocht, es wurde vorher nicht zwangsläufig gekocht, in manchen Regionen überhaupt nicht. Das ist ja immer noch der allergrößte Denkfehler, den sogenannte Brauhistorikerhaben, dass sie aus dem heutigen Gedankenfeld kommen und sagen, ja, Bier brauen muss auch was mit Kochen zu tun haben. Heute ja, aber nicht früher. Das wechselte zu dem Zeitpunkt aber auch, im ausgehenden Mittelalter. Ich spreche da von der ersten großen Revolution, die zweite war dann die Industrialisierung.

Markus: Ich will den Gedanken nochmal ganz kurz weiterspinnen, könnte man dann vielleicht sagen, also wenn wir uns in diese Zeit nochmal reinversetzen, die Münchner holen diesen Einbecker Braumeister der kommt mit seinem Equipment, da ist auch dann Hefe eben mit dabei und kommt an. Dann haben sie vielleicht ja auch schon Braumeister, haben diesen Schwarzacher Braumeister und dann wird Bier gebraut. Und wenn ich jetzt überlege, okay, vielleicht hat man da in München ja zu der Zeit eher schon gesagt, wir versuchen das mal mit diesem eher kühleren Vergären. Und wenn man jetzt dem Einbecker Braumeister sagt: „Pass auf, wir machen es jetzt mal so, wie wir das machen.“ Und dann legen die los und machen dann eben in der kalten Gärung dieses Bier und da ist dann aber natürlich auch die Hefe mit in der Luft schon, die der Einbecker ja auch mitgebacht hat. Und dann ist der dann entstehende Cocktail in diesem Bier und das fängt an zu vergären bei eben kälteren Temperaturen- Und dann wäre ja eigentlich der logische Schluss einer Evolution, dass dann eben die Hybridisierung stattfinden muss, weil ja diese Power-Hefe, die wärmere Temperaturen gewöhnt ist, ja auch arbeiten will, überleben will und über diesen Zusammengang mit der einfachen untergärigen Hefe dann einen Weg gefunden hat, wie das funktioniert. Also könnte man sich das so einfach erklären oder ist das jetzt ein bisschen Küchenlatein?

Martin: Ganz ehrlich, da war ein einziger Knackpunkt nur in deiner Darstellung, aber so kann man sich das tatsächlich vorstellen. Wirklich das Einzige, wovon wir uns ein bisschen entfernen sollten ist, dass die Hefen einfach so durch die Luft schwirren, die Hefen sind zu schwer. Die natürlich, wenn entsprechende Luftzüge sind und so weiter, dann sind die in der Luft. Aber, weißt du, da nur als Beispiel, Brüssel wird ja immer wieder gesagt, die sogenannten Spontanvergärungen, die sind so gut wie nur möglich in Brüssel, weil da also die entsprechenden Mikroorganismen durch die Luft schwirren und flirren. Dem ist nicht so, die Studien gibt es, du findest also fast überhaupt nichts da in der Luft, was also da von Relevanz ist für diese Biere, Hefen sind dafür zu schwer. Aber, und das hast du ja auch gesagt, Transporteure, die Materialien, die wir verwenden, also Rohstoffe, natürlich auch das Werkzeug und, nicht zu vergessen, wir selber, ja. Und jetzt mal ganz ehrlich, wenn du als Braumeister gerufen wirst, um an einem fremden Hof jetzt dann Bier zu brauen und du kannst ziemlich sicher davon ausgehen, nicht so wie in unserer heutigen Zeit, dass du keinen großen Kontakt mehr zu deiner alten Brauerei halten kannst und die können dir nicht schnell mal nochmal irgendwas schicken, dann nimmst du alles mit, was für dich relevant ist. Und da nimmst du auch deine Hefe in irgendeiner Form mit, ja. So, ich stelle mir das so vor, wie mit diesen Kveik-Ringen, ja, das man also die irgendwo drauf tut, trocknen lässt. Sowas haben wir auch in Georgien gesehen, da hat man dann Blätter genommen, um das zu schaffen. Und das nehme ich mit, ja. Ich breche so ab, dass ich, ja, das klingt bitter, aber da komme ich nicht wieder hin, in meine Heimat, somit habe ich alles dabei, also bin auch ich ein wichtiger Transporteur des Ganzen, ja. Und, ja, dann ist da in diesem großen Gebäude oder diesen verschiedenen Gebäuden, insgesamt sind es ja mehrere gewesen, waren halt da verschiedene Bedingungen und dann sind halt da Sachen zusammengekommen, die vorher noch nie zusammen waren. Und dann haben die in diesen katholischen Landen unerlaubten Sex gemacht. Das ist ja unglaublich, ja.

Markus: Wahnsinn! Also das lassen wir jetzt hier mal so stehen, aber es war in Bayern, in München, im Erzbistum … Nein, lassen wir das mal so stehen. Aber auf jeden Fall wirklich, es ist auch sehr, sehr interessant und ich glaube, das ist immer noch nicht das letzte Ende der Fahnenstange. Aber, ich denke mal, das wird ja letzten Endes immer irgendwie passiert sein und auch heute immer noch passieren, dass evolutionäre Prozesse ja irgendwie da sind, also es gibt Hefen und es gibt Weiterentwicklungen und mit jeder neuen Generation gibt es ja wieder Potenzial für Mutation und so. Und wir sehen ja jetzt mit diesem ganzen Trend einerseits auf der Seite mit den ganzen Kveik-Hefen, dann mit den ganzen neuen Hefen, sage ich jetzt mal, mit den unterschiedlichsten Eigenschaften, bis hin zu den alkoholfreien oder alkoholarmen Geschichten oder den Hefen, die dann zum Beispiel Aromen machen, die man normalerweise dem Hopfen zuschreibt und so. Also das ist ja ein ganz großer Kosmos, der sich da jetzt so ein bisschen entwickelt. Und ich kann mir vorstellen, dass wir da eher am Anfang sind, also die Hefe vielleicht so ein bisschen der neue große heiße Scheiß werden kann in der Brauwelt, weil sie vielleicht auch an vielen Stellen Dinge vereinfachen, beschleunigen, vergünstigen oder ersetzen kann. Was vielleicht jetzt auf der anderen Seite, wenn wir eben sehen, was durch den Klimawandel, durch andere Bedingungsveränderungen eben auf der Rohstoffseite zum Beispiel  beim Hopfen nicht mehr möglich ist oder anders möglich ist zumindest, also, ich glaube, da kann sich vieles ändern, wenn die Brauwirtschaft flexibel genug ist. Also da vielleicht noch einen Satz, dann bin ich mal gespannt, was du dazu sagst, aber, ich glaube, wir nehmen ja jetzt eine Braukunst wahr, die wir so seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben wie sie jetzt ist und die sich halt so über die letzten 100 Jahre entwickelt hat oder 150 Jahre und jetzt in ihrer Art und Weise ein bisschen am Ende angelangt ist. Also ich vergleiche es immer ein bisschen mit dem Verbrennungsmotor, den man halt auch da entwickelt hat und seitdem immer bessere, immer schnellere entwickelt hat und jetzt irgendwie am Ende der Fahnenstange angelangt ist, wo man halt das nicht mehr weiterentwickeln kann, sondern eigentlich mal einen Schritt zurück machen muss und überlegen muss, okay, wie kann ich denn das ganze Thema mal neudenken, wie kann ich es anders denken, wie kann ich mit anderen Rohstoffen, Materialien, wie auch immer, arbeiten. Und ich könnte mir vorstellen, die Braukunst ist ja auch schon viele 1.000 Jahre alt, da gab es viele Schritte, viele Änderungen, viele Themen, dass sowas vielleicht auch mal wieder ansteht. Weiß ich nicht, ist sowas denkbar, habt ihr sowas auch in der Wissenschaft auf dem Schirm?

Martin: Also das ist jetzt eine interessante Richtung, die du dem Gespräch gibst. Ich habe vorhin schon nicht einfach geantwortet und das werde ich auch jetzt nicht. Was den Verbrennungsmotor angeht, da muss ich ja persönlich sagen als Verbrennungsmotorfan, der selber sehr viele Motorräder mit Verbrennungsmotoren hat, dass ist, also so, wie das im Augenblick gehandhabt wird, ist das ein Fehler, davon bin ich überzeugt und der Verbrennungsmotor ist technisch natürlich nicht am Ende, sondern der ist also zu einer fantastischen Reife, hat der sich entwickelt. Und warum ich mit dem Verbrennungsmotor jetzt einsteige ist, dass ich das auch beim Bier so sehe. Wir haben eine fantastische Reife entwickelt in genau diesen letzten 150 Jahren. Ehrlich gesagt hat es wirklich in diesem 1883 begonnen, mit der Entwicklung oder Erfindung dieser Propagationstechnik, dieser Reinzuchthefe von eben dem Christian Hansen. Die große, große Kritik damals war ein starker Streit, ganz besonders mit Berliner Professoren, dem Professor Lindner, Lindner mit Dora, mit weichem D, du weißt schon, war. Und das ist nämlich das Interessante, das ist nämlich genau das, was du jetzt grade gesagt hast, wenn ihr das so macht, wie der Hansen das so euch vorgibt, dann stoppt ihr die Evolution. Und bis dahin haben wir uns genau dahin entwickelt und Hansen hat irgendwie gesagt: „Hej, das ist gut, das ist richtig gut, was jetzt entstanden ist. Und ich beende das jetzt in der Form, dass ich jetzt eine einzige Hefezelle rausnehme und diese eine Hefezelle, die vermehre ich, ja, die klone ich und nur noch die wird jetzt dann verwendet.“ Das Spannende ist, als der Hansen das gemacht hat und das Bier dann seinen Kunden vorgesetzt hat, dann haben die am Anfang gesagt: „Ej, was ist denn das für ein Bier? Das ist nicht mehr mein Bier, ich mag das gar nicht so.“ Aber man hat sich offensichtlich sehr schnell dran gewöhnt, also diese Brauerei hat sich so, wie man gut sehen kann, also von diesem Rückschlag bestens erholt in den letzten 150 Jahren und fast alle anderen Brauereien auch, so. Und diese Evolution und Lindner wollte das nämlich noch anders, der wollte eigentlich weiterhin, dass dieser Kampf stattfindet, ja und das also eine dominierende Hefe aufgrund der Konditionen, nämlich, welche Würzesubstrat ich anbiete und welche Temperaturen ich fahre und welche Drücke und Bababa, ja, all die Einflüsse darauf, er wollte, dass das weiterhin geschieht und das also immer die Sieger dann genommen und dann die Sieger vermehrt werden, ja. Die Sieger hat schon auch Hansen gemacht, aber halt eben einmal und das war es, ja, so ungefähr. Vielleicht hat er es auch ein paarmal gemacht, aber danach war Schluss. Und diese Evolution führen wir aber jetzt heute fort. Das wird uns immer klarer durch unsere Hefejagd und durch diese Rückblicke, die wir haben und durch dieses Verständnis, und es wird ja, das sind ja nicht nur wir, die da dran arbeiten. Dass also dann also diese Eubajanus-Stämme, die man gefunden hat in diesen verschiedenen Regionen, von denen ich vorher schon gesprochen hab, das man also neue Kreuzungen macht, neue Hybridisierungen und guckt, ob man da nicht noch was Neues dabei entstehen lässt, ja. Wir sind uns, das meine ich jetzt ernst, dieser Verantwortung durchaus bewusst, dass wir da auch was tun müssen, denn wir haben eine ganz komische Notiz bekommen im Schimmelpilzbereich und zwar für Camembert, wo auch so eine Reinzucht stattgefunden hat. Ich weiß aber nicht wann und wie lange das schon ist. Aber dass die Forscher Angst haben, dass durch diese ständige Wiederführung dieses einen Stammes, das der sich dann so stark mal entfernt von den Ursprünglichen, dass also dieses Produkt gar nicht mehr so sein wird, wie wir das eigentlich heute gewohnt sind. Und das wollen wir natürlich nicht, ja. Außer, außer in 50 Jahren sagt der Konsument: „Das ist einfach nicht mehr mein Bier, mein Bier ist jetzt einfach das dunkle Weißbier“, oder was auch immer. Und das ist ja natürlich das gute Recht des Konsumenten, das sagen zu dürfen, ja. Und der Schaum hat gefälligst grün zu sein. Das sage ich wegen deiner wunderschönen Farbe im Hintergrund, ja, wie auch immer, ja. Das ist die Macht des Konsumenten und da müssen wir uns dann natürlich auch drauf einlassen. Aber es ist interessant, du hast es genauso richtig gesehen, dieses Evolutionäre wurde da unterbrochen, ja, gestoppt und wir greifen es aber auch wieder auf, ja, das ist so. Und wir werden, das ist auch eines der Forschungsthemen, dass wir also diese Mischungen wieder zulassen, also diese Setzhefen halt hier im Laborbereich und da dann die Gewinner rausholen, ja.

Markus: Ja, also das ist auf jeden Fall ein spannender Punkt, da freue ich mich auch schon drauf, was da vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch dabei rauskommt. Was mich noch interessieren würde, also Danke für das Komplimente, ich habe es auch gar nicht nur so auf die Hefen bezogen, sondern ich sehe es ein bisschen auch zum Beispiel  auf die Brautechnologie an und für sich, also da hat du ja auch den weiteren Blick. Wenn man überlegt, da gab es ja auch Entwicklungen, was weiß ich, das Schonkochsystem oder wie auch immer, also wo man halt jetzt vielleicht auch an so einem Punkt angelangt ist, wo jetzt auch vom Prozess, von der Technologie, vom Equipment her vielleicht auch sowas erreicht ist, wo man sagt, okay, vielleicht ist man da jetzt auch vielleicht noch nicht ganz am Ende der Fahnenstange, aber halt auch schon ziemlich weit und lernt jetzt andere Brauverfahren kennen oder entwickelt historische Brauverfahren wieder. Also werden ja Raw Ales jetzt zum Beispiel wieder mehr gebraut oder eben, wie gesagt, auch mit den Kveik-Hefen gehen Prozesse auf einmal viel schneller und bei ganz anderen Temperaturen, als man das vorher hatte. Also siehst du da auch einen Umbruch oder denkst du, das ist auch eher so ein Prozess, der jetzt in dieser Form erstmal so bleibt und  wie eine Großbrauerei heute ausschaut, so wird sie in 50 Jahren auch ausschauen?

Martin: Na gut, also im Prinzip sind wir eine Wiederkäuergesellschaft, also wir holen immer wieder mal Themen raus, ja. Also in der Wissenschaft sagt man auch, du darfst, du solltest die Themen alle 30 Jahre mal wieder hervorholen, weil die Methoden besser geworden sind, das ist aber jetzt die Wissenschaft. Was ich schon sehe, ist also, dass es wirklich, was mich auch echt freut, dass wirklich wieder viele Sachen gemacht werden, die schon mal da waren. Es freut mich dann sehr, wenn das jemand auch als eine traditionelle alte Technik auch erstmal so anerkennt. Was mich überhaupt nicht freut, wenn sich einer hinstellt und sagt: „Ich bin unfassbar innovativ.“ Ich mag dieses Wort schon gar nicht und hat einfach nur ein bisschen vergessen mal, in ein älteres Buch reinzugucken. Buch, also das ist Ding gebunden, mit Seiten dazwischen, ja. Das lohnt sich manchmal und dann auch zu sehen, dass die Altvorderen unglaublich viel schon wussten, konnten und fantastische Sachen auch produziert haben. Aber es freut mich, das also eine ganz tolle Tendenz da ist für eine große Diversifizierung. Also wir haben Sachen heute auf dem Markt, die ich nicht kannte, als mir das Produkt Bier bewusst wurde, ja und das ist wirklich eine schöne Entwicklung. Ich denke trotzdem, aber ich kann es natürlich nicht genau sagen, dass wir noch für viele Jahrzehnte das Gro des sogenannten Bieres, also ich denke, das es weiterhin noch das untergärige helle, filtrierte, kühlgetrunkene Lagerbier sein wird, weil, das Ding hat ein paar Besonderheiten, da müssen die anderen Biere erstmal hinkommen, um eben eine große Masse anzusprechen, das dürfen wir ja auch nicht so ganz vergessen, ja. Ich denke schon, dass das also weiterhin noch das Bier sein wird unserer Wahl. Wie gesagt, ich bin kein Prophet und ich meine auch, dass wir in einem gewissen Rahmen auch diese Technik und Technologie auch ziemlich gut schon erreicht haben. Wobei auch wir hier im Haus, wir stolpern da grade immer wieder mal über so ein paar Sachen, wo wir Prozesse wahnsinnig schnell machen können und die Hefen sind ein Teil davon, ganz sicher, ja. Und wir haben da verschiedene Aspekte, einerseits müssen wir auf eben die veränderten Rohstoffe eingehen, die wir ja haben Veränderungen, ja, nenne es Klimawandel. Aber ganz grundsätzlich haben wir Veränderungen, weil wir neue Sorten bekommen und so weiter, in welchem Bereich auch immer und weil wir mit immer mehr Themen konfrontiert werden. Wir sind im sogenannten Antrophrozän, also vom Menschen bestimmten Zeitalter und wir beeinflussen die Qualität unseres Grundwassers und, und, und. Und da müssen wir natürlich mit rechnen und da versuchen wir also gleichbleibende Qualität zu schaffen. Und andererseits versuchen wir natürlich, Sachen besser zu machen, die Aromen besser zu machen, anders zu machen, Stabilitäten zu verbessern und so weiter. Und natürlich auch schlichtweg Prozesse schneller zu machen und dazu gehören auch neuartige Anlagen und da passiert schon auch weiterhin einiges.

Markus: Ja, also ich glaube, das schreit dann nach einem dritten Teil unseres Podcasts, wo wir da vielleicht noch ein bisschen näher drauf eingehen. Weil, ich glaube, da gibt es wirklich auch viele spannende Punkte und auch grade eben jetzt so neue Richtungen, wo man zum Beispiel  auch im Rohstoffbereich, beim Hopfen, beim Malz jetzt auch grad ein bisschen gucken muss, mit den sich verändernden Rahmenbedingungen, die es einfach klimatisch, wirtschaftlich, wie auch immer gibt. Und wo die Brauindustrie natürlich irgendwie damit klarkommen muss, wenn sie dableiben will, wo sie ist. Aber ich habe noch ein anderes Thema, was ich heute unbedingt mit dir besprechen wollte, weil wir uns ja auch getroffen haben im Sommer, was sehr, sehr schön war und wir uns da viel unterhalten haben. Und ein Punkt, der für mich mal ganz neu war, war die Frage, weil das, finde ich, das hast du vorhin auch schon so schön gesagt, man stellt sich ja viel zu oft die ganz simple Frage warum, also warum sind Dinge so, warum ist etwas da? Und da hast du eben gesagt, naja, du hast dir diese Frage einfach mal gestellt bei dem Thema zum Beispiel, warum macht die Hefe Aromen oder der Hopfen oder so? Also warum sind die überhaupt da? Es gibt ja jetzt erstmal so ganz prinzipiell keinen Grund, warum das so ist. Und dann hast du da ja letzten Endes, ich versuche es mal zusammenzuschrumpfen auf zwei, drei Worte, eine Kommunikationsstrategie gefunden, also die hinter dieser ganzen Aromenwelt steckt, und das bedeutet ja nix anderes als eine Art Sprache. Und bedeutet aber auch, wenn ich diese Sprache verstehe, dann kann ich mit der auch nochmal anders umgehen. Und das ist ja auch nochmal ein interessanter Aspekt, den wahrscheinlich, glaube ich, viele Brauende, sage ich mal, nicht auf dem Schirm haben oder zumindest, das ist denen vielleicht nicht so bewusst. Also, ja, also vielleicht, wenn du da nochmal drauf eingehen würdest so in etwa, wie wir das damals so nachvollzogen haben, wie kam man überhaupt da drauf und was bedeutet eben Kommunikation, was gibt es da vielleicht für Beispiele und was kann man daraus lernen vielleicht.

Martin: Also als Erstes verrate ich mal, wo wir uns getroffen haben im Sommer, nämlich auf einem belgischen Bierfestival, was eine unfassbar tollt Veranstaltung war. Und da es da ein bisschen Bier zu trinken gab und die Belgier 5%vol-Biere als wenig-Alkohol-Biere darstellen, ja, wurde die Zunge auch leichter, so will ich mal vorsichtig mich ausdrücken. Ja, also dieses warum hat mich schon immer beschäftigt. Aber dazu muss man jetzt vorab sagen, da sind auch viele andere fantastische Forschergruppen draufgekommen und haben das also tiefer begutachtet. Unter anderem auch ein Belgischer, das ist Kevin Verstrepen, ja, der also da ganz tolle Versuch gemacht hat jetzt grade, was also bei Hefen die Begründung ist dafür. Denn das muss man sich natürlich schon fragen, warum die Natur, jetzt in Form der Hefen oder der Hopfen, diesen sehr starken Aufwand doch betreibt, Aromakomponenten zu produzieren? Und zum Beispiel der Hopfen, der hat im Augenblick nachweislich 400 verschiedene Aromen, die der da produziert. Das Ganze kostet die Pflanze, oder der Hefe dann selber, sehr viel Energie. Energie, die sie ja eigentlich in etwas anderes reinstecken würde, was ihr erstes vorrangiges Ziel ja eigentlich ist, die Vermehrung, ja. So und das ist also bei Pflanzen, und ich weiß nicht, was älter ist jetzt an Erkenntnis, aber bei Pflanzen weiß man das also schon länger, dass also Aromakomponenten auf jeden Fall ein wichtiger Teil der Kommunikation ist. Und es gibt auch gewisse Küchenkräuter, die können nicht miteinander und andere können ganz hervorragend miteinander, das liegt auch unter anderem an diesen Aromasubstanzen. Und wozu sind die da? Die sind also wirklich da, um zu warnen oder um Hilfe anzufordern oder sonst was auch immer, wenn sie befallen werden von Läusen, so muss man sich das vorstellen, ja. Also mein Hopfisch ist sehr schlecht, aber ich stelle es mir so vor, ja. Und bei der Hefe ist es auch eine ganz spannende Geschichte. Und wenn man das nämlich versteht, und das ist das, was wir hier in Weihenstephan immer versuchen, den Studierenden beizubringen, verstehe die Natur, verstehe die Biochemie, den Metabolismus dahinter und dann kannst du das auch entsprechend in die Praxis umsetzen. Und die Sache ist einfach so, die Hefe hat zwei Schritte, also wir schubsen sie zu zwei Schritten, wir geben ihr erstmal sehr viel Sauerstoff und ein paar Fettsäuren und Zink und so weiter und natürlich auch weitere Sachen, die sie gut verwerten kann und muss, wie Aminosäuren und da wird sie sich erstmal vermehren. In dieser Vermehrungsphase, in den ersten paar Stunden dieses Prozesses, da produziert sie fast keinen Alkohol und relativ wenig Aromen, ja und vermehrt sich und konzentriert sich eigentlich auf das, was sie hauptsächlich vorhat. Jetzt ist dieser Sauerstoff gezehrt nach so etwa acht Stunden und dann tritt dieser Pasteur-Effekt ein und die Hefe fängt jetzt dann plötzlich an, die alkoholische Gärung zu machen. Was macht sie dabei? Sie vergiftet dieses Substrat, das also nur noch sie einigermaßen damit zurechtkommt, in einer gewissen Aktivität bleibt. Aber für sie selber ist es auch irgendwann mal wirklich richtig giftig, deswegen haben alle Hefen irgendwo ihre Grenze, was sie an Alkohol bilden können, aber es können ganz viele andere Mikroorganismen sich da drin nicht verbreiten. Und in dieser Zeit werden jetzt sehr viele Aromen produziert, so die berühmten Ester, auf die wir ja so viel Wert legen bei sehr vielen Bieren, ja, wie zum Beispiel Isoamylacetat oder Ethylacetat und solche Sachen. Und diese Aromen werden unter anderem produziert, um natürlich uns, den Konsumenten zu erfreuen, ja. Aber das ist ganz sicherlich nicht der Grund der Hefe gewesen, sondern um andere Transporteure auch anzulocken und das sind unter anderem die Fruchtfliegen oder auch Wespen, ja. Bier funktioniert ganz wunderbar auch als Wespenfalle. Aber vielleicht sollte man sich nach dieser Geschichte nochmal überlegen, ob man diese tollen Insekten wirklich so misshandeln soll. Und diese Insekten werden angelockt. Und das sind zum Beispiel solche Studien, die gemacht worden sind da in Belgien, wo man also dann die Hirnströme oder die Regionen in den Hirnen dieser Insekten untersucht hat, also was da passiert. Wahrscheinlich schaut es bei uns genauso aus, wenn der Berg ruft, ja oder das Oktoberfest. Und die haben also dann ein Taxis und gehen also direkt auf dieses Produkt zu und können dann, ja, wohl über ihre haarigen Beine, diese Aufnahmen wurden gemacht, das also Hefezellen an den Beinen von solchen Insekten also haften bleiben, können die also dann diese Hefen aufnehmen, die in einem Substrat sind, das nicht mehr das bietet, was die Hefen eigentlich wollen, ja, nämlich Zucker, Fettsäuren, Aminosäuren und so weiter, plus Sauerstoff. Und dann werden die wohin auch immer transportiert, wo also diese idealen Bedingungen wieder vorherrschen, damit sie sich also wieder vermehren können. Ich finde es ultra-faszinierend. Und das bedeutet jetzt wirklich in die Praxis umgesetzt, ich muss mir das vor Augen führen und ich muss mir sagen, was will ich? Will ich ein Ester-reiches, ein aromareiches Produkt haben, dann muss ich das und das tun, ja, dann muss ich das einfach fördern. Will ich das nicht, dann versuche ich das natürlich zu unterdrücken. Und so sollen die Leute denken. Und jetzt mal ganz ehrlich, ja, ich bin keiner, der missionarisch umherzieht und sagt, Leute, das Reinheitsgebot ist das Tollste überhaupt und ihr alle auf der Welt, ihr sollt das tun, ja, überhaupt nicht. Ich bin ein so großer Fan dieser fantastischen belgischen Biere und viele andere Biere auf der Welt, die außerhalb dieses Reinheitsgebotes gebraut worden sind. Aber, diese Reduktion auf diese vier Inhaltstoffe und damit dieses Besinnen auf diese biochemischen Prozesse, das zu lernen, zu verstehen, das ist schon eine Schule, die das Reinheitsgebot gefördert hat, verlangt hat regelrecht, das haben die nicht gewusst damals, das ist schon klar, ist schon klar, ja, aber das finde ich schon ziemlich toll, ja. Das ist eine tolle Folge aus dem Ganzen, wo alle von profitieren, ja. Also nochmal, ich bin da nicht missionarisch unterwegs, ja, da will ich gar nicht falsch verstanden werden, aber gefallen tut mir das schon, dass da etwas Tolles entstanden ist und dass wir, wir alle, aus dem Ganzen lernen, ja. Und da geht wahnsinnig viel nur allein, in dem man diese vier Inhaltstoffe hernimmt, in dem ich diese biochemischen Prozesse verstehe.

Markus: Ja und ich finde ja auch, es ist ja nix, was sich gegenseitig ausschließt. Also wir können ja sagen, es gibt, sage ich jetzt mal in Anführungsstrichen, die deutsche Bierwelt oder die bayrische Bierwelt, wo man eben das Reinheitsgebot als Bestandteil dieser ganzen Geschichte …

Martin: Die fränkische Bierwelt.

Markus: … hat und dann gibt es eben die, ja, die fränkische, genau und dann gibt es eben andere Bierwelten, die sich halt andere Regeln und andere Gesetzmäßigkeiten gegeben haben und innerhalb derer dann funktionieren und dann eben auch wieder …

Martin: Und die Produkte haben, ja, genau.

Markus: Genau. Und ich glaube, so muss man und man muss sich gegenseitig akzeptieren und respektieren und dann ist ja alles gut. Also insofern, ich bin da sehr froh, dass es diese verschiedenen Welten gibt. Und, ich glaube, vieles in der Bierwelt haben wir nur, weil es eben irgendwann mal diese Beschränkung gab. Und auf der anderen Seite gewinnt man jetzt aber auch vieles aus den anderen Welten, die sich jetzt wieder ein bisschen mehr öffnen für uns. Also da gibt es, glaube ich, mittlerweile wieder auch viel Kommunikation, was ja eigentlich auch genau gut und richtig ist.

Martin: Du sagst was vollkommen Richtiges, wir sollten uns nicht deswegen streiten, das ist die Sache nicht wert, ja. Wir sollten den Respekt zeigen vor den verschiedenen Sachen und wir sollten es auch nicht vorverurteilen, ja. Und ich habe das also bedauerlicher Weise schon immer wieder mal so mitbekommen, ja, da gibt es dieses sehr hässliche Wort der Industriebiere und so weiter und das mag ich überhaupt nicht, ja, das ist dermaßen unfair und zu eng gedacht und falsch gedacht, ja. Denn da muss man nämlich, wenn man das nämlich genauer betrachtet bei diesen Brauereien, die man unter diese Kategorie meint zu schieben, dann muss man nämlich mal genau reingucken und stellt fest, das ist eine riesen Kunst, solche Volumen in dermaßen guten Qualitäten Jahr ein, Jahr aus reproduzierbar herzustellen, also Hut ab! Genauso Hut ab wie vor allen anderen kreativen Leuten, ja, die einfach wunderbare kleine fantastische Chargen produzieren. Also mir geht es eigentlich auch, mir geht es um den Respekt voreinander, ja.

Markus: Ja und ich denke, es hat halt jeder auch unterschiedliche Ziele und unterschiedliche Ideen dahinter. Und letzten Endes muss man das ja auch ein bisschen mal rein marktwirtschaftlich sehen, also wenn eine Brauerei acht Millionen Hektoliter Bier verkauft, dann kann sie ja so falsch nicht liegen mit dem, was sie tut. Also weil, irgendjemand muss es ja kaufen, ne, wenn das Bier keiner mögen würde, dann würden sie es nicht loswerden. Also dementsprechend glaube ich einfach, es gibt in dieser Bierwelt halt die unterschiedlichsten Tierchen und alle haben ihre Buddys und eben nicht. Und die, die keine mehr finden, sind irgendwann auch mal weg, das ist die andere Seite. Das erleben wir ja auch, dass halt Bierstile oder Brauereien oder was auch immer, auch mal aufhören zu existieren, wenn der Markt das nicht mehr hergibt. Das ist auch manchmal nicht schön, aber es ist einfach auch die Entwicklung letzten Endes, und da wirken wir ja alle mit. Also dementsprechend, es gibt halt für mich auch Anlässe, da trinke ich gerne mal eben eher, sage ich jetzt mal, industriell hergestellte Biere und dann gibt es Anlässe, da trinke ich eben eher die anderen und oft habe ich sie eher zusammen und schätze halt einmal die Eigenschaften hier und einmal die Eigenschaften da und dann passt das auch. Also insofern, stimmt, also Bushing ist auf jeden Fall am falschen Platz. Denn, was ich auch persönlich sagen muss, ich habe ja an all diesen verschiedenen Dimensionen und auch Orten auf der Welt, Brauer und Braumeister und was weiß ich kennengelernt und letzten Endes habe ich keinen gefunden, in dem nicht dieses Herz schlägt, der einfach ein gutes Bier machen will, der für dieses Thema brennt, der da ein Interesse dran hat, der die Bierwelt an sich liebt. Und bei den Großen ist halt oft so, die gehen halt dann gerne mal zu den Kleinen oder haben noch ihre kleine Brauanlage, wo sie sich dann eben ausleben. Und bei den Kleinen ist es so, die halt sagen, na gut, aber wenn ich dann mal in Ruhe ein Bier trinke, dann hole ich mir halt auch eher so eins. Und letzten Endes, also da gibt es keinen Unterschied. Und das ist, glaube ich, das Allerwichtigste, die Menschen, die da dahinterstecken, sind auf jeden Fall nicht besser und nicht schlechter und alle auf jeden Fall, wie du schon sagst, wirklich Meister ihrer Zunft, wenn sie das gut machen. Und das ist ja ein ganz wichtiger Punkt, wo wir auch ja grade drüber gesprochen haben. Ich wollte nochmal kurz auf dein Hopfisch eingehen, also bei der Hefe leuchtet mir das ja irgendwie ein, dass die Hefe zum Beispiel  sagt, okay, ich bin da jetzt in Nöten und dann produziere ich halt irgendwas, was diese Insekten anlockt. Wobei es auch interessant ist, weil, da muss es ja auch den Zeitpunkt in der Evolution gegeben haben, wo dann dieser Hefepilz ausprobiert hat, was lockt denn überhaupt Insekten an. Also das ist ja, man lernt die Sprache ja nicht von null auf 100, sondern das muss sich ja auch mal entwickelt haben. Finde ich interessant, wie das vorher mal stattgefunden hat. Aber wie ist es denn jetzt zum Beispiel, also ist das denn eine wirkliche Kommunikation, wenn ich jetzt beim Hopfen bin, also reden die Pflanzen miteinander, also gibt es da Antwort und Rückantwort oder ist das eher nur so ein one-way-Thema, ich sende meine aktuelle Situation aus, um den anderen was mitzuteilen? Und weil du grade auch Hilfe gesagt hast, also gibt es denn eine Form, wie sich Pflanzen gegenseitig helfen? Also ich frage einfach mal so anknüpfend irgendwie, wie ist es denn da so?

Martin: Die Frage kann ich nicht in allen Punkten wissenschaftlich wirklich solide beantworten. Was die Hilfe angeht, wird wohl die Kommunikation von der Pflanze zu Nützlingen gehen, ja, zu Marienkäfern oder so ähnlich, die also dann gewisse Milben oder Läuse dann aufknabbern. Pflanze zu Pflanze, da gehe ich davon aus, du merkst, ichbewege mich im Konjunktiv, ja, da gehe ich schlichtweg davon aus, das grundsätzlich gewarnt wird, ja und dass einfach, ja, dass sich Pflanzen durch eine andere Art und Weise sich davor wappnen können. Vollständig verschließen können sie sich nie dagegen. Aber das ist grundsätzlich bei den Pflanzen, ist natürlich auch ein großer Druck da, ja, von verschiedenen Einflussfaktoren von außen, das sind also nicht nur irgendwelche Schädlinge oder so, sondern es ist natürlich auch Trockenheit oder Wind und Hagel und was weiß ich auch alles, was also diese Pflanzen schädigen kann. Aber da ist, also das, weißt du, da ist ja noch eine andere Sache mit dabei, die uns da Indizien dazu liefert, zu dieser Kommunikation, also eine gute Anzahl an diesen Aromakomponenten sind sozusagen ß-Glucosidisch gebunden. Das bedeutet, also wenn die Aromakomponente frei vorliegen würde, würde sie entsprechend flüchtig sein und riechen, ja. Die ist aber jetzt an ein Zuckermolekül gebunden oder an ein Maltose-, Maltotrius, als an verschiedene Zuckermoleküle gebunden und dadurch ist sie nicht flüchtig und dadurch kannst du sie nicht wahrnehmen. Tritt auch nicht aus der Pflanze aus, ist aber eine Art Reserve für die Situation, wo sowas gebraucht wird. Und dann haben diese Pflanzen natürlich die Enzymsysteme, um diese Glukose oder diesen Zucker abzuspalten, ja, also die haben ß-Glucosidasen. Und das ist auch sowas von spannend, dass also besamte Hopfenpflanzen mehr von diesen ß-Glucosidasen haben. Warum das jetzt in Hinsicht auf Kommunikation wichtig ist, das, gestehe ich, habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Aber draufgekommen bin ich aus einem anderen Grund, weil die Briten, die ja auch eine lange Tradition im Hopfenanbau haben und bei den Briten ist es nicht verboten, auch mal eine männliche Hopfenpflanze stehenzulassen. Bei uns, überall auf der Welt ansonsten, ist es verboten, weil wir wollen unbesamte weibliche Hopfendolden haben. Alles andere, so hat man mir das noch in der Lehre beigebracht, verfälscht das Ergebnis, ja und man kriegt da auch Fettsäuren mit rein, der Schaum wird schlechter und so weiter. Also man hat uns also richtig Angst gemacht. Und wenn man ja auch in die Hopfenrundschau so reinschaut, da steht das ja zum Teil drin, das es also regelrecht unter Strafe ist, wenn man in den Siegelbezirken männliche Hopfenpflanzen stehenlässt, so. Das hat mich mal interessiert, warum bei den Briten nicht und bei allen anderen schon? Und da haben wir tolle Versuche gemacht damals mit der Christina Schönberger von Hopfen und Barth und auch mit Anton Lutz hier von Hüll, der Forschungsstation. Und ich hatte also das Glück, in Britannien und in Deutschland Hopfen zu bekommen, die besamt und unbesamt waren, also ich hatte da Kreuzversuche und die haben wir uns angeguckt. Und, ganz ehrlich, die Besamten wie die Unbesamten haben sich erstmal quasi nicht unterschieden. Also die waren in allen wertgebenden Qualitätsmerkmalen, jetzt diese vier, mehr habe ich nicht gemacht, vier Stück, vier verschiedene Muster hatte ich und die haben sich also da nicht unterschieden, aber sie haben sich im ß-Glucosidasengehalt unterschieden. Und was ich jetzt daran besonders cool finde ist, dass in Britannien eine sehr lange Tradition mit Hopfenstopfen ist. Bedeutet nicht, dass die Briten, wie das Internet so ab und zu Mal preisgibt, die Erfinder des Hopfenstopfens sind. Also das ist eine viel, viel ältere Technik, ja. Ich habe ein Buch von 1683, wo das schon drinsteht, und die sind bestimmt nicht die Ersten gewesen, sondern das liegt total auf der Hand, aber, die Briten haben eine sehr lange Tradition. Und wenn man das nämlich jetzt sich überlegt, dass ich so einen Hopfen, der mehr an diesen ß-Glucosidasenenzymen hat und den eben kalt gebe, also nicht zum Würze kochen, wo ich ja die Enzyme dann denaturiere und inaktiv mache, wenn ich den da in den kalten Bereich gebe und ich habe diese ß-Glucosidisch gebundenen Aromakomponenten dabei, und diese Versuche habe ich auch gemacht, dann halte ich dieses besondere Hopfenaroma über eine längere Zeit konstant, weil über die Zeit die Aromen neu freigegeben werden. Also das ist eigentlich eine ganz schlaue Sache, ja, das haben die nur so nicht gewusst.

Markus: Also super interessant, finde ich auch ganz spannend. In Amerika, also in den USA habe ich auch besamten Hopfen teilweise gesehen, auch Zwitterpflanzen teilweise, also da …

Martin: Ja, ist eine wilde Pflanze, die Hopfenpflanze, ja.

Markus: … nimmt man das auch nicht immer so ganz genau. Also bei uns, glaube ich, ist letzten Endes, glaube ich, Professor Narziß der, der das mal sehr propagiert hat, dass man eben keinen besamten Hopfen nimmt. Das finde ich auch ein ganz interessantes Thema, was da am Ende wohl irgendwann mal dabei rauskommt. Also dass das Hopfenstopfen älter ist, das denke ich auch, logisch, weil, ich meine, das hat man ja grade zu den Zeiten gemacht, wo die Biere nicht so stabil waren und da sind wir ja vor vielen 100 Jahren, um da irgendwie aromatisch noch irgendwas zu bewegen, zum Beispiel. Aber gut, ist nochmal ein ganz anderes Thema.

Martin: Du darfst nur nicht vergessen, wenn ich dich kurz unterbrechen darf, also der Hopfen, den darf man gar nicht synonym mit dem Bierbrauen verstehen, sondern in früherer Zeit, also auch wieder im Mittelalter, da habe ich halt die Quellen. Das ist immer eine Frage, wie komme ich an Quellen ran, ja? Und alles, was also wirklich alt wird im tatsächlichen Mittelalter, und meine Quellen sind im ausgehenden Mittelalter, im tatsächlichen Mittelalter habe ich allerhöchstens mal Quellen, wenn es um einen Gerichtsstreit ging. Also das ist immer ganz doof. Und erst dann kann ich ein bisschen erkennen, oh, ach so, so haben die offensichtlich das gedacht, soll die Norm sein dafür, ja, aber, okay. Und Hopfen wurde für den Wein verwendet, für den Met und für Sauerteig, ja, um zu selektieren, um die Mikroorganismen, also das Gro an Mikroorganismen auszutreiben, nicht um zu bittern, ja, weil das nicht gekocht wurde. Es wurde ja auch das Bier erst viel später wirklich gekocht mit dem Hopfen, ja. Und ich habe schon so einen Weißwein gemacht mit Hopfen, das hat super funktioniert und war, soweit ich das beurteilen kann, ein wirklich gutes Produkt. Wir haben auch mal einen Sauerteig mit Hopfen hergestellt und dieses Brot haben wir an die DLG eingeschickt, sofort einen silbernen Preis gewonnen. Das funktioniert, ja und da kann man echt tolle Sachen mit machen. Also das sollte man auch mal ein bisschen deutlich sagen, Hopfen wurde für viele andere Sachen auch verwendet, weil es sinnvoll ist.

Markus: Also da, wir sprechen jetzt, glaube ich, von Teil vier unserer Podcast-Reihe, das machen wir dann gerne. Wir sind jetzt auch schon fast eine Stunde hier am sprechen, deswegen würde ich vielleicht noch eine letzte Frage stellen und damit vielleicht auch den Bogen nochmal ein bisschen schließen, nämlich auch wieder ein bisschen mehr an den Historiker in dir. Wir haben ja angefangen mit dieser Hybridisierung, mit dieser Zeit zwischen 1602 und 1615 und du hast ja gesagt, das ist auch schwierig mit dem belegen und so. Was mich interessieren würde, gibt es denn einen Punkt, an das den Akteuren damals bewusst geworden ist, was sie da tun? Also wo die dann gesagt haben, okay, das ist jetzt ein anderes Bier, das hat andere Eigenschaften, das ist vielleicht sogar ein Erfolgsprojekt sozusagen, also so nach dem Motto, Chaka, wir haben da jetzt wirklich was geschafft? Also gibt es irgendwann mal so Belege so, wo die sich selber schreiben oder wo es eine Belobigung gibt oder vielleicht, keine Ahnung, einen Orden oder so, also wo dann die Brauer wirklich selber auch reflektiert haben, okay, wir haben da jetzt wirklich eine Weiterentwicklung gemacht, wir sind da an einem neuen Punkt?

Martin: Ja, aber viel später. Und zwar hat das bayrische Bier, im weiteren Sinne, auch mit dem fränkischen … nein, stopp, das bayrische Bier, so wie heute Altbayern gesehen wird, also Oberbayern und Niederbayern, bis 1840 keinen Stellenwert in der Literatur gehabt, es wurde als nicht besonders dargestellt. Manche sagen, weil die Wissenschaftlichkeit gefehlt hat, die woanders schon, wie mit Liebig in Hannover und so weiter, die schon richtig stark gegriffen haben. Da haben also die norddeutscheren Bezirke, hauptsächlich die Preußischen auch in Berlin, haben da wohl also stark vorgelegt. Das fränkische Bier hatte einen guten Ruf zu dem Zeitpunkt. Und dann kam diese erste große … stopp, stopp, die zweite große Revolution, die mit der Industrialisierung ja losging, aber dann kamen diese fantastischen Bier wie das Pilsener in Pilsen, das Märzen in Wien und das dunkle untergärige Bier in München. Und plötzlich war dieses bayrische Bierbrauen en vogue, war der Goldstandard und wurde kopiert und zitiert und niedergeschrieben und jeder wollte wissen, wie es geht. Und dann kam ja auch dieses berühmte Buch, die Bayrische Dickmaischbrauerei, die, in Anführungszeichen, Geheimnisse preisgegeben hat. Das war eigentlich das große Aha, die Aha-Zeit, ja, wann dieser Wechsel war. Aber jetzt sage ich dir noch was, was in dieser Zeit auch passierte, das finde ich auch so spannend, in beiden Revolutionszeiten, ich nenne es weiterhin so, also im ausgehenden Mittelalter und auch da um 1840, 45 rum, hat es den Wein schlimm erwischt. Im ausgehenden Mittelalter wurde es hier in Bayern zu kalt durch diese kleine Eiszeit und der Wein hat nicht mehr genug Öchsle, also sprich, Glukose produziert und aufgebaut, sodass einfach der Wein tatsächlich zu sauer geworden ist. In Bamberg, ihr sprecht immer davon, vom Wendewein, ja, also da musst du dich nachts ein paarmal wenden, wenn du ihn getrunken hast, weil sonst die Magenschleimhaut durchgeätzt wird. Und das muss wohl immer schlimmer geworden sein und so wechselte man dann so peu a peu, nicht von heute auf morgen, auf Hopfenanbau und auf Bier. 1840, 1845 kam was ganz Schlimmes für den Wein und das war der Mehltau und der hat den Wein in ganz Europa, ja, ziemlich vollständig da niedergemacht. Das sind also zwei Ereignisse, die komischerweise mit diesen großen Sprüngen zusammenfallen. Und das ist kein Zufall, ja, also da, das spielt wirklich eine Rolle bei dem Ganzen, ja. Aber da war ein ganz großer Wechsel in der Wahrnehmung dieser Produkte.

Markus: Woah! Also jetzt habe ich schon Folge Nummer fünf im Kopf, sehr schön. Also ich danke dir auf jeden Fall recht herzlich für die spannende Unterhaltung heute, für die neuen Einblicke und die neuen Perspektiven. Und verspreche auch, dass es nicht wieder anderthalb Jahre dauert, bis wir den nächsten Talk machen, das sollten wir auf jeden Fall in kürzerer Zukunft fortsetzen. Und bin auch sehr dankbar für deine Offenheit und für den Input, den du aus dem wissenschaftlichen Bereich einfach rein geben kannst, weil, ich glaube, grade in der, sage ich jetzt mal, Craftbeer-Welt wird immer sehr viel, sage ich mal, Küchenlatein und Dinge, die man sich halt irgendwo angelesen hat, das Internet ist ja groß, proagiert und selten geschaut, wie sind die Dinge denn wirklich. Und diese schlichte Frage warum, wird sich viel zu selten gestellt und das ist sehr schön, dass du uns da hilfst, dahin wieder zurückzufinden. Und, ja, von meiner Seite aus nochmal vielen, vielen Dank und ich freue mich auch schon aufs nächste Mal.

Martin: Ja, danke, Markus, hat wie immer Spaß gemacht, aber wirklich. Ich wünsche dir eine gute Zeit, ja.

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