Über 120 Brauer aus aller Welt trafen sich zur zehnten Auflage des innovativen Bier-Workshops und zum Romeis Brauertag
Bad Staffelstein/Bamberg/Bad Kissingen Gleich zwei Jubiläen beging das renommierte Institut Romeis am 22. und 23. März in Bad Staffelstein, genauer gesagt im Saal der dortigen Staffelberg-Bräu. Am Mittwoch stand die zehnte Auflage des Bierquerdenker-Workshops auf dem Programm.
Seit 2007 treffen sich jährlich innovative Braumeister aus aller Welt, um über die neuesten Entwicklungen in der Branche und kommende Herausforderungen zu sprechen. Der Donnerstag hingegen widmete sich als der 20. Romeis Brauertag vor allem der Bierherstellungstechnologie, neuen Entwicklungen bei den Rohstoffen und in diesem Jahr speziell auch dem Thema Hygiene in der Brauerei.
Entwicklungsland beim Bierwissen
„Wenn man sich das Gesamtbildungsniveau der Bevölkerung im Schulfach Bier anschaut, ist Deutschland ein Entwicklungsland.“ So die provokante Formulierung von Klaus Artmann im ersten Vortrag des Bierquerdenker-Workshops. Der Berater hatte sich die Entwicklung im heimischen Biermarkt in den letzten 25 Jahren vorgenommen und aus der Sicht des Biertrinkers vor allem Verwirrung gefunden: „Früher war Bier eine klare Sache, heute gibt es unendlich viele Variationen, und auch das alte Wertegefüge stimmt nicht mehr.“ Konnte man sich früher beispielsweise bei „Premium“-Bier auf gehobene Qualität und Preis verlassen, sei es heutzutage oft der billigste Kasten im Getränkemarkt. Der Fachhandel selbst zeige in vielen Fällen weniger Bewusstsein im Umgang mit Bier als gut sortierte Tankstellen, die ihre Biere oft besser lagerten und präsentierten. Und selbst eine staatliche Brauerei wie das Münchner Hofbräuhaus bewerbe neuerdings ein Bier namens „Verführerisch gehopfter Hallodri“. Das waren nur einige Punkte, mit denen der Biersommelier aufzeigte, wie der heutige Biermarkt auf den unbedachten Bierfreund wirkt. Angeregte Diskussionen im Nachgang machten deutlich, dass Artmann einen Nerv der über 120 anwesenden Braumeister getroffen hatte.
Alte Gerste und neuer Hopfen
Im nächsten Vortrag ging es um die Wiedererweckung historischer Getreidesorten. Beispielsweise nahezu alle heute gebräuchlichen Gerstensorten gehen auf denselben Zuchtstamm zurück, so Ulrich Schulze von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und Wilhelm Schoppmeier von „Getränke Projekte“ aus Oelde. In mühsamer Kleinarbeit konnten mittlerweile einige früher übliche Gerstenstämme neu kultiviert und vermälzt werden. Gemeinsam mit Marcus Jentsch vom Institut Romeis waren in den letzten Monaten daraus Versuchssude mit alten Gersten wie beispielsweise „Chevallier“ entstanden, die die Seminarteilnehmer verkosten konnten. Der nächste Vortrag öffnete einen Blick in die Zukunft eines anderen Rohstoffes: Zwei neue Hopfensorten, die noch gar keinen eigenen Namen tragen, hatten die Spezialisten der Hopfenforschungszentrums in die Versuchsbrauerei des Bad Kissinger Romeis-Institutes gebracht. Mit diesen Hopfen waren zwei verschiedene Pils-Biere entstanden, die ebenfalls in den Verkostungsgläsern in Bad Staffelstein landeten. Sowohl historische Getreide- wie auch neue Hopfensorten begeisterten mit einer spannenden Aromatik und weiteren Eigenschaften – was neue Möglichkeiten für die Brauer eröffnet, so waren sich alle Anwesenden einig.
Wiedersehen nach zehn Jahren
Den Abschluss des Bierquerdenker-Workshops bildete ein Revival des ersten Treffens der europäischen Kreativbrauer vor zehn Jahren, damals in der Bamberger Keesmann-Brauerei. Die Brauer, die damals ihre neuen Biere präsentierten, blickten auf deren Entwicklung im letzten Jahrzehnt zurück und stellten ihre jeweils neuesten Biere vor. Darunter waren auch Hans-Peter Drexler von Schneider Weisse aus Kelheim und Eric Toft von der Schönramer Brauerei. Schneider hatte vor zehn Jahren mit der Hopfen-Weissen eines der ersten modernen Craft-Biere Deutschlands vorgestellt. Das Bier – ein Weizendoppelbock mit intensiver Kalthopfung – war damals ausschließlich für den US-Markt gedacht gewesen und entwickelte sich dort auch zum Verkaufsschlager. Doch in den folgenden fünf Jahren ging der Absatz in den USA kontinuierlich zurück, während die Zahlen in Deutschland seit der Markteinführung stetig ansteigen. Braumeister Drexler hatte zum Verkosten die vierte Auflage des „Cuvée Barrique“ mitgebracht. Mit der ersten Auflage dieses Sauerbieres nach belgischer Tradition vor vier Jahren hatte das Weisse Brauhaus noch seine liebe Not – zahlreiche Kunden reklamierten die beabsichtigte Säure im Bier als Zeichen eines verdorbenen Gerstensaftes. Daraus haben die Kelheimer ihre Lehren gezogen und verkaufen dieses sehr spezielle Bier nur noch auf Nachfrage. Im Auslandsmarkt hingegen erfreut es sich großer Beliebtheit.
Altes und neues Craft Bier
Die Landbrauerei Schönram an der deutsch-österreichischen Grenze gehört ebenfalls zu den Protagonisten der deutschen Craft-Szene. Der US-Amerikaner Eric Toft war Ende der 1990er Jahre nach Deutschkurs und Studium als Braumeister in dem kleinen Ort am Waginger See gelandet und hatte nach und nach Biere, wie er sie aus seiner Heimat Wyoming kannte, eingeführt. Sein Saphir-Bock, den er vor zehn Jahren in Bamberg, damals noch mit deutlichem US-Zungenschlag, vorführte, ist auch heute noch ein „Renner“ in der Bierwelt. Doch heute bezeichnet er in sicherem Oberbayerisch sein „Schönramer Hell“ als das Vorzeige-Craft-Bier der Schönramer-Palette. Damit zeige sich, so Toft, dass die klassischen Bierstile längst in der Craft-Bier-Welt angekommen seien und von vielen Biertrinkern, gerade auch in den USA, teils höher eingeschätzt würden als Bierstil-Ikonen wie das „India Pale Ale“, mit dem die „Szene“ einst groß geworden sei. Schließlich sei es für einen Brauer sehr viel schwieriger, ein gutes „Hell“ zu brauen, als ein Ale mit Hopfen zu stopfen.
Keine Entwarnung bei den Rohstoffen
Am folgenden Tag stellten drei Brauanlagenhersteller ihre Neuentwicklungen zur Kalthopfung des Bieres vor. Mit der Gabe von Hopfen beim Gären oder Lagern lassen sich insbesondere die ätherischen Öle aus der Bierwürzpflanze wesentlich besser und effektiver ins Bier übertragen. Eine Verkostung verschiedener Chargen aus der Romeis-Versuchsbrauerei konnte das eindrucksvoll verdeutlichen. Stefan Stang, Mitglied der Geschäftsleitung des Bad Kissinger Institutes verschaffte zudem den Brauern einen Überblick zur aktuellen Rohstoffsituation. Spannendes Fazit: Weder bei der Gerste, noch beim Hopfen kann sich die Branche in den nächsten Jahren Ernteausfälle leisten. Trotz Flächenausweitung wird der Bedarf der wachsenden Bierszene gerade einmal gedeckt werden können, ohne viel Luft nach oben – eine wichtige Motivation für die Brauereien, rechtzeitig Lieferverträge abzuschließen und die Rohstoff-Versorgung auf mehrere Lieferanten zu verteilen. Nach weiteren intensiven Vorträgen rund um Hygiene und Qualitätssicherung in der Brauerei klang auch der zweite Tag bei weiteren Verkostungen und regem Erfahrungsaustausch aus. Sowohl Bierquerdenker-Workshop, als auch Brauertag sind echte Erfolgsmodelle und für viele „Stammgäste“ aus der Bierwirtschaft gar nicht mehr wegzudenken, so waren sich am Ende alle einig.