BierTalk Spezial 65 – Interview mit Asbjörn Gerlach, Braumeister und Mitgründer der Cervecería Kross, Curacaví, Chile

Heute nehmen wir euch mit auf eine besonders spannende Reise, denn wir sind so weit südlich wie noch nie zuvor – und das meine ich geografisch, nicht inhaltlich! 😆 Wir senden diesmal aus Chile, Temuco, direkt aus dem Herzen der chilenischen Craft-Bier-Szene.

Mein heutiger Gast ist ein echter Weltenbummler in Sachen Bier: Asbjorn Gerlach – Berliner Braumeister, Chile-Auswanderer und Mitgründer der Kross Brauerei. Vor über 20 Jahren zog er los, um in einem Land mit zwei (!) Craft-Brauereien eine Bier-Revolution zu starten. Heute gibt es über 600 Brauereien – und wer weiß, wie viele davon er direkt oder indirekt inspiriert hat!

Wir sprechen über seine wilde Reise von Berlin nach Südamerika, über den chilenischen Biermarkt, über Abenteuer mit Behörden und Hopfenjagd im Andenklima. Und ja, wir verraten auch, warum ein pünktlicher Handwerker in Chile ungefähr so selten ist wie ein trinkbares Industriebier!

Und weil wir es nicht lassen können, gibt’s auch noch einen tiefen Blick in die Braukessel: Wir brauen gemeinsam ein Rauchbier mit Merkén, einer chilenischen Gewürzspezialität. Wird’s rauchig? Wird’s feurig? Wird’s lecker? Die Antwort gibt’s gleich – also, Glas füllen und Ohren spitzen! 🎙️🍺

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute eine Premiere, weil, ich glaube, es ist die bisher südlichste Live-Aufnahme, die wir jemals gemacht haben. Also ich hab schon mal in Brasilien, Florianópolis, einen Podcast aufgenommen, aber, ich glaube, dieses Mal sind wir noch südlicher. Wir sind in Chile, in Temuco und bei mir ist Asbjorn Gerlach, der hier die Kross Brauerei mit aufgebaut hat, leitet und eben aber auch aus Deutschland stammt und deswegen natürlich ein spannender Gesprächspartner. Also erst mal vielen Dank, dass du hier bist und vielleicht sagst du ein, zwei Worte für unser Hörer zu dir.

Asbjorn: Okay. Erst mal Danke für die Einladung natürlich. Wie gesagt, mein Name Asbjorn Gerlach, bin gebürtiger Berliner, Diplombraumeister von der VLB und im Jahr 2000 nach Chile ausgewandert und seit 2003 haben wir die Kross Brauerei hier aufgebaut, mittlerweile seit 21 Jahren ja schon im Markt.

Markus: Ja und sehr spannend, wir sind heute hier, weil es ein Collaboration Brew gibt, also eine Zusammenarbeit von verschiedenen Brauern aus ganz Chile und ich darf dankenswerter Weise auch dabei sein und wir machen hier einen Rauchbierbock. Also spannende Geschichte, können wir auch gleich noch ein bisschen drüber reden. Apropos hier, wir sind bei Camilo Klein, der hat eine kleine Brauerei mit einem wunderschönen Biergarten. Also wenn ihr jetzt die Vögel zwitschern hört und vielleicht auch ein bisschen Musik, das ist keine eingespielte Atmo, das ist original. Und es scheint sogar die Sonne, wir haben übrigens September, was hier dem Frühling entspricht. Und so ist es hier auch, also die Blumen spießen, das Gras grünt und man merkt, hier ist die Natur im Aufbruch, also sehr spannend. Und vielleicht da auch gleich ein bisschen so zu diesem Thema Chile für jetzt Leute, die sich das null vorstellen können aus Deutschland, magst du uns vielleicht so ein bisschen einführen, wie ist das hier, wo sind wir hier, wie fühlt es sich so an, wie erlebst du dieses Land?

Asbjorn: Chile ist auf jeden Fall anders, so fängt es schon mal an. Also erst mal, das Interessante ist natürlich, wenn man gerne reist, Chile hat 4 Klimazonen und wenn man sich das Land vorstellt, ist ja ein ganz langes Land, über 4.000 Kilometer lang, an der breitesten Stelle etwa 150 Kilometer breit nur, also nur so ein Streifen. Wenn man den auf Europa drauflegen würde, hättest du alles von der Tunesischen Wüste bis zu den Norwegischen Fjorden, bloß umgedreht, also im Norden ist die Wüste, im Süden hast du die Fjorde. Also zum Reisen kann man innerhalb kürzester Zeit ganz viel erleben. Wir sind hier gerade im Augenblick in der Zone in der Araucanía, das ist quasi wie das Allgäu mit Vulkanen, würde ich mal sagen, so ein bisschen. Viele Flüsse, viele Seen, viel grün, viele Wälder, viele Berge, aber eben auch Vulkane und auf der anderen Seite gleich den Pazifik. Also eins der wenigen Länder, wo man am selben Tag Skilaufen kann und danach ans Meer fahren kann oder umgekehrt. Das gibt es, glaube ich, sonst nur in Neuseeland und in vielleicht in ein, zwei anderen Ländern, also zum Reisen ist es natürlich wunderbar. Biermäßig, als ich rüber kam vor mittlerweile 24 Jahren war nicht so viel los und das habe ich eben als große Chance gesehen. Man konnte also schon mit einem ganz normalen dunkleren Bier, mit einem Stout sagen, woah, was ist das denn, also es war wirklich nichts da. Und es war natürlich mit wenig Aufwand auch Presse zu bekommen und die Leute zu interessieren, war dann damals nicht so schwer. heute weiß ich nicht, ob ich mich noch mal trauen würde, eine Brauerei aufzumachen, heute gibt es über 600 Brauereien in Chile, damals gab es 2, also Craft-Brauereien sage ich mal so dahin. Aber ansonsten, die Kultur ist halt sehr Latino-mäßig, alles ist entspannt, Pünktlichkeit zählt nicht so. Passt mir ganz gut, ich war auch in Deutschland nie sehr pünktlich und fühlte mich hier gleich recht schnell heimisch. Wenn hier jemand sagt, ich lade dich um 8:00 Uhr abends ein und du stehst um 8 vor der Tür, dann haben die noch einen Bademantel an und da ist noch nichts gemacht. Also wenn die sagen, komm um 8, dann heißt das, auf keinen Fall vor 9 und am besten eher gegen 10. Und ein großes Thema, woran ich mich immer noch nicht gewöhnt habe, ist, dass keiner nein sagen kann. Also man sagt, ja, auf jeden Fall, das machen wir sofort morgen und so, wenn du dich auf irgendeinen Handwerker verlassen musst, sowas, ja, auf jeden Fall komme ich. Und dann weißt du schon, aha, das wird schwierig. Und wenn er halt morgens um 10 nicht da ist, dann wartest du bis halb elf, dann rufst du ihn an, ja, ich bin auf dem Weg, hatte gerade eine Autopanne und dann, ja, okay und danach stirbt die Großmutter und dann noch 5 andere Ausreden und dann kommt er doch nicht. Also daran muss man sich erst mal gewöhnen. Aber gut, es gibt ein paar Sachen, die kann man nicht ändern und entweder man sagt, okay, das schlucke ich dann halt und bleibe hier oder ich haue ab, bevor ich ein Magengeschwür kriege. Und ich bin immer noch hier, also ich habe mich dran gewöhnt.

Markus: Ja, also auf jeden Fall ein spannendes Land. Also von der Geographie her sagt man ja auch ein bisschen, es ist wie eine Insel, weil man auf der einen Seite den Pazifik hat, auf der anderen die Anden, die ja auch für nahezu nichts überquerbar sind. was man sogar beim Flugzeug merkt, wenn man herfliegt, dass es einen Extraaufruf dann gibt, dass wir jetzt über die Anden fliegen und man entsprechend sich anschnallen muss und es ruckelt auch ein bisschen und so. Und im Süden hat man eben die Antarktis letzten Endes, also das Ewige Eis und im Norden die Atacama-Wüste, die total eben, wie eine Wüste eben, auch lebensfeindlich ist.

Asbjorn: Die trockenste Wüste der Welt außerdem, ja.

Markus: Richtig. Und was dann eben auch dem Land einiges beschert hat, weil es dadurch auch abgeschottet ist wie eine Insel und wir hier zum Beispiel einfach noch Weinreben haben ohne die Reblaus.

Asbjorn: Das stimmt.

Markus: Und das ist ja auch sehr interessant, dass man hier wirklich ganz tolle Weine auch genießen kann, also neben diesem ganzen Thema Bier lohnt sich das auf jeden Fall. Also wer nicht nur Bier mag, sondern auch Wein, der ist hier gleich quasi doppelt willkommen.

Asbjorn: Auf jeden Fall.

Markus: Und es gibt, glaube ich, so 7, 8 Millionen Leute im Land oder irgendwie so?

Asbjorn: Nee, wir sind 18.

Markus: Ah, 18, ah ja, okay, stimmt, ja, richtig. Also doch einiges auch an Menschenpotenzial sozusagen und an potenziellen Kunden und Kundinnen. Aber vielleicht mal kurz zurück zu dir, weil du gerade so gesagt hast, du bist ja vor 24 Jahren hergekommen. Wie bist du überhaupt zum Thema Bier gekommen, bist du in Berlin groß geworden?

Asbjorn: Ja, ich bin in Berlin geboren, dort aufgewachsen. Nach der Schule wusste ich eine Zeitlang nicht so richtig, was ich machen will. Also Bier getrunken habe ich schon früh, hatte auch eine große Sammlung an Bierflaschen und Etiketten. Ich hatte einen Bierladen in der Nähe unserer Wohnung, habe da alles durchprobiert und fand das immer erstaunlich, wie man aus 4 Zutaten so viel interessante Geschmäcker, Farben und Texturen zaubern kann. Habe aber nie darüber nachgedacht, das selberzumachen, bis ich dann eine Anzeige gelesen habe, Brauerei sucht Brauerlehrling. Ich sagte, ach, das ist ein Beruf, da schicke ich doch mal meinen Lebenslauf hin. Bin dann auch angenommen worden und habe nie wieder zurückgeschaut. Das war damals die Schultheiss Brauerei in Kreuzberg, die ist ja leider mittlerweile auch dicht. Das war 1986, habe ich meine Lehre dort begonnen, klassische Ausbildung, 3 Jahre Lehrzeit. Dann bin ich nach Hamburg gegangen zur Elbschloss-Brauerei, leider auch zu, habe da anderthalb Jahre Vertretung gemacht für einen Brauer, der zur Bundeswehr musste. Dann bin ich zu Malteurop gegangen nach Rostock, das war dann ja schon nach der Wende, um dann 1991 zurückzugehen zur VLB, Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin, um da meinen Diplombraumeister zu machen, zu studieren. Und da bin ich dann 1994 raus, also nach 8 Jahren quasi dann den Braumeistertitel bekommen. Ich wollte eigentlich nie in der Großindustrie arbeiten, fand ich nicht so prickelnd, wusste aber auch nicht. Craft war damals 1994 noch nicht so heiß in Deutschland, und habe dann ein Erlebnis gehabt, als ich meinen Cousin in den Vereinigten Staaten besucht habe in der Nähe von Boston, da gab es schon so ein paar Craft-Brauereien. Das erste Bier, was ich getrunken habe dort, war Pete’s Wicked Ale. Interessanterweise ist Herr Pete heute also auch hier in Temuco.

Markus: Ja, also ganz kurz gesagt, die eifrigen Podcast-Hörer werden sich erinnern, Pete Slosberg hatten wir, glaube ich, vor einem Jahr oder sowas, oder anderthalb, auch schon im Podcast. Ganz spannende Figur und eben der Vater des American Brown Ale und ein ganz toller Mensch nebenbei gesagt und den haben wir Gott sei Dank auch bei uns gerade.

Asbjorn: Genau, ja. Und da habe ich gesagt, boah, das ist ja interessant. Dann bin ich noch zu so einer Gasthofbrauerei gekommen, Commonwealth-Brewhouse hieß das, ich weiß nicht, ob es das noch gibt in Boston, habe da mit dem Brauer gesprochen. Und dann fiel mir Charlie Papazins Buch in die Hand, „The Companion of Homebrewing“ und da schmiss der natürlich alles rein, Kaffee, Kekse, Schokolade. Ich dachte, woah, die Jungs haben ja echt ein Ding an der Waffel. Ich war natürlich ein quadratischer deutscher Braumeister, Reinheitsgebot und so weiter. VLB, da bringt man einem nicht bei, wie man Obst und Gemüse ins Bier tut. Und dann haben wir angefangen, Zuhause mal ein bisschen rumzuprobieren, ich mit 2 Kollegen, auch Braumeister, ebenfalls arbeitslos zu der Zeit und da haben wir gesagt, wisst ihr was, bevor wir in der Schokoladen- oder Lebensmittelindustrie irgendwo enden, lass uns doch mal was versuchen. Und dann haben wir eine kleine Brauerei aufgemacht in Berlin, die Bier-Company, das war 1995. Haben damals auch das erste Hanfbier Deutschlands gebraut, turn- und cana-Bier.

Markus: Ihr wart das, okay.

Asbjorn: Das waren wir, genau, immer gegen den Strom. Und haben dann auch versucht, da mal das Reinheitsgebot zu kippen, wir waren damals ein bisschen revolutionärer drauf. Hat natürlich nicht geklappt. Und, ja, lange Rede, kurzer Sinn, das war dann alles ein bisschen schwierig, der Deutsche Brauerbund hat uns verklagt sogar, dass wir eben das Hanfbier nicht so darstellen dürfen, dass es bierähnlich ist. Wir wussten natürlich, dass es nicht Bier heißen darf, also haben wir gesagt Hanftrunk. Haben gesagt, okay, aber wenn es aussieht wie Bier, wir haben ja Bierdeckel benutzt, Fassbier, Bierflaschen, dann könnte es ja den Eindruck erwecken, es wäre Bier, also durfte das auch nicht. Und damit hatten sie uns dann das Business halt leider kaputtgemacht. Wir haben damals schon in Pritzwalk bei Preussen Pils, das unter Lizenz brauen lassen. Wir haben exportiert nach Spanien, nach England, nach Dänemark, es lief also eigentlich ganz gut, bis dann von einen Tag auf den anderen die Lücken dicht waren. Und dann habe ich gesagt, wisst ihr was, ihr könnt mich mal, Entschuldige bitte den Tonfall. Und ich will so weit wie möglich weg, weil diese Doppelmoral, habe ich keinen Bock drauf. Weil ich wusste, die großen Brauereien hatten patentiert bereits Himbeerbier, Erdbeerbier und so weiter. Und wieso darfst du Limo mit Zitronengeschmack mit Bier mischen und das ist okay? Wieso darf ich keine Zitronenschale ins Bier direkt geben, ist doch viel natürlicher? Lasst doch den Verbraucher entscheiden, das ist zumindest immer noch meine Idee natürlich. Und ich gehe irgendwo weit weg, wo ich machen kann, was ich will, wo es kein Reinheitsgebot gibt, wo man halt kreativer brauen kann. Und zu der Zeit lernte ich dann eine chilenische Dame kennen, heute meine angetraute Ehefrau seit 25 Jahren, Mutter unserer 3 Kinder und da habe ich gesagt, Chile, ich weiß zwar nicht, wo das auf dem Globus zu finden ist, ich fliege da mal rüber, gucke mir das mal an. Und dann, wie gesagt, habe ich gesehen, hier ist nichts, habe ich gesagt, let`s do it. Und dann bin ich einfach mal kurz entschlossen und spontan nach Chile gezogen im Jahr 2000. Dann hier erst mal in so einem kleinen Brewpub gebraut, das hat dann zugemacht. Dann habe ich auf eigene Rechnung bei einem anderen Brauer Kapazitäten angemietet, habe so für kleinere Events, habe mir eine Zapfanlage gekauft und bei den deutschen Firmen, Lufthansa, Mercedes und so weiter dann, die hatten ab und zu Mal ein Event, bin ich da aufgetaucht mit einem Hellen und einem Dunklen, dann wieder abgerauscht. Und darüber habe ich dann meinen heutigen Sozius und damaligen Brew-Mitgründer José Tomas kennengelernt. Und, ja, 2003 mit so 3 Stouts im Hals in so einem Irish Pub, wo ich das Bier gebraut hatte, sagte er, ej, das ist doch guter Stoff und so, lass uns doch was gemeinsam machen. Und nach dem Dritten haben wir gesagt, okay, wir gründen jetzt eine Brauerei, los geht`s. Das war wirklich wie mit der Serviette am Kneipentisch. Und, ja und hier sind wir immer noch zugange, José Tomas ist immer noch der General Manager unserer Brauerei, ich bin immer noch 1. Braumeister, technischer Leiter und wir haben eigentlich was ganz Hübsches aufgebaut hier.

Markus: Ja, spannend, also da kommen wir gleich noch dazu, wie das so ablief. Eine Frage hätte ich noch zu der Geschichte, du warst ja dann eben bei der Schultheiss Brauerei, hast du da das Berliner Weisse brauen noch mitbekommen?

Asbjorn: Ja, das war damals noch in der Bessemerstraße, wo auch die Mälzerei ist oder war damals noch, da haben wir halt auch noch Praktiken gemacht, genau, war so in den letzten Jahren. Wann die dann dichtgemacht hat, weiß ich nicht. Aber ja, wir hatten also 2 Monate in der Weißbierbrauerei damals noch und über ein halbes Jahr in der Mälzerei auch, war auch interessant. Und die Schultheiss Brauerei selber herrlich, aus den 60er-Jahren, alles mit offenen Bottichen, die Gärung. Die Reinigung natürlich von Hand, schrubb, schrubb, schrubb. Aber ganz tolle Erfahrungen, also das hat mich auch stark geprägt tatsächlich.

Markus: Und war die Weisse damals schon mit reinem Lactobacillus oder hatten die noch diesen Cocktail, der da noch mit drin war?

Asbjorn: Nee, zu meiner Zeit war das dann schon so eine Art Reinzucht auf der Würze, die dann darübergefahren wurde, da wurde also nur die Würze quasi hergestellt und dann angezogen. Und das war komplett getrennt natürlich räumlich, von den anderen Brauereien wegen Kontaminationsgefahr und so. Leider war da nichts mehr mit Pedi und Brett und was da sonst noch drin ist , das hatten sie schon ein bisschen vorgereinigt.

Markus: Hast du mal probiert, was es jetzt mittlerweile in Berlin so gibt von Lemke oder von Schneeeule, wie findest du das?

Asbjorn: Also Schneeeule habe ich leider noch nicht probiert. Oliver kenne ich recht gut, Oli Lemke, der war ja ein Semester unter uns nur und hat damals auch, glaube ich 97, mit seiner Brauerei ja schon angefangen zu Bier-Company-Zeiten, wir waren da recht oft und eng zueinander. Und vor 2 Jahren war ich das letzte Mal in Berlin und habe da alles durchprobiert, was er gemacht hat, auch eben mit den Fassgereiften und so. Finde ich super spannend, also die alten mikrobiologischen Kulturen da aus alten Bieren wieder ran zuziehen in Zusammenarbeit mit der Uni. Das ist ja wirklich Bierarchäologie, die er da betreibt auf irgendeine Weise und richtig eine Zeitreise. Es gibt leider keine großen Markt dafür, glaube ich, aber für Bierliebhaber ist das fantastisch, also du machst die Augen zu und denkst, okay, das haben die also getrunken vor 150 Jahren oder vor 100 Jahren, finde ich irre. Also mir hat das gut geschmeckt und ich mag sowieso Sauerbier auch ganz gern mal, also wenn es intensional hergestellt wurde.

Markus: Ja, natürlich, aber super spannend, finde ich auch. Und die Wendezeit, warst du da gerade nicht in Berlin oder hast du das vor Ort miterlebt?

Asbjorn: Ich war 89, also als die Mauer fiel, war ich in Berlin. Ende 89 bin ich nach Hamburg gegangen, das war das Jahr, wo St. Pauli aufgestiegen ist, deshalb kann ich mich noch gut dran erinnern, nach langer Zeit. Genau, 89 bis 91 war ich in Hamburg, danach 1 Jahr in Rostock und dann zurück nach Berlin, ja, aber während der Wende war ich da.

Markus: Und kannst du dich da noch dran erinnern, wie das war so im November 89?

Asbjorn: Auf jeden Fall, also ich bekam einen Anruf morgens um zwei von einem Freund, der sagte, ej, die Mauer ist offen. Ich sagte, ja, lass mich in Ruhe, du spinnst ja irgendwie, kann ja gar nicht sein. Am nächsten Tag musste ich irgendwie zur Bank und da war eine Schlange von 150 Metern vor meiner kleinen Bank, ich dachte, was ist denn hier los? Ej, wir kommen von drüben und so, hier Begrüßungsgeld abholen und da habe ich gedacht, scheiße, er hat Recht, es ist wirklich wahr. Und dann war ein, zwei Monate, war komplettes Chaos, also alle Leute auf der Straße, überall Freibier. Du hast irgendjemand kennengelernt, ej, wo kommt ihr denn her? Ej, hier ist mein Wohnungsschlüssel, du kannst bei mir pennen, überhaupt kein Thema. Das war so Euphorie total irgendwie und nur Party überall. Und dann nach einer Weile beruhigte sich das so ein bisschen, irgendwie sind die Jungs ein bisschen komisch und die haben natürlich das Gleiche von uns auch gedacht irgendwie und dann fing das so ein bisschen an, einzusickern, was da eigentlich passiert ist. Aber es war eine Zeitlang auf dem Kudamm, die Schuhgeschäfte haben Freibier ausgeschenkt und das war wirklich, ej, nehmt alles, alles ist unseres, meins ist deins. Und das war irre, also sowas habe ich nie davor und nie danach wieder erleben können, ehrlich gesagt so, verrückte Zeit. Und dann natürlich die ganzen Clubs in Berlin, in jeder Ruine, überall Zettel verteilt, ej, da ist morgen eine Party. Irgendjemand hatte einen Container Tequila abgeschossen irgendwo, dann gab es da halt nur Tequila, dann war das Ding wieder zu, dann ging es da rüber, da gab es irgendwie Fassbier von irgendwem. Egal, also das war Underground und war verrückte Zeit, sehr kreativ aber.

Markus: Ja, also sehr spannend, ich habe es leider nicht mitmachen können. Also ich war dann etwas später da, 90.

Asbjorn: Aber war immer noch.

Markus: War immer noch spannend, Mauerspechte und so, also das auf jeden Fall, aber die Tage direkt, das wäre sicher super interessant oder war es sicher dann für dich. Und sowas hat man ja wirklich im Leben einmal, also wann fällt schon so eine Berliner Mauer, ne.

Asbjorn: Hoffentlich nur einmal, hoffentlich wird sie nicht wieder gebaut.

Markus: Ja, allerdings. Ja, aber du bist ja relativ weit weg davon, also quasi maximal weit weg fast, wenn man mal Australien außer Rand lässt. Zurück zu der Geschichte, also du kommst dann hier an und sagst, okay, ich mache mit meinem Sozius hier eine Brauerei auf. Wie funktioniert das in Chile, also gehe ich einfach aufs Amt und sage, ich mache mich jetzt hier selbstständig mit einer Brauerei oder ist das kompliziert oder wie läuft sowas?

Asbjorn: Also damals war es ein bisschen leichter, muss ich sagen. Heute kenne ich Kollegen, die sind schon am Brauen, aber die haben nach 3 Jahren immer noch nicht die Lizenz, die legale. Müssen also irgendwie sehen, wie sie das unter dem Radar der Steuer machen, obwohl wirklich alle sich bemühen, das zu machen. Also die Bürokratie ist ziemlich gewachsen hier, es ist also, es gibt mehr Hindernisse als Hilfen, leider und viele Behördengänge, die sagen, nein, da musst du erst mal dahin, das Papier holen. Das ist schon kafkaesk teilweise, also ist furchtbar. Aber damals hatten wir das große Glück, wir haben also gesagt, wo gehen wir hin, bleiben wir in Santiago im Industriegebiet? Da setzt du dich ins gemachte Netz, das ist der Galpón hier, die Halle, da sortierst du dich ein, hier ist der Strom, da ist das Abwasser, kein Thema. Wir haben gesagt, wir wollen das nicht, wir wollen also eine Brauerei bauen ein bisschen mehr auf dem Land, wo die Leute auch sehen, dass das Umfeld eben wirklich auch der Philosophie entspricht, Biere nur mit natürlichen Zutaten zu brauen und so ein bisschen aus diesem Industrieding rauszukommen. Und wir haben also mitten in so einem kleinen Ort außerhalb von Santiago, auf halben Weg an die Pazifikküste, installiert, in Curacaví, heißt das. Das ist also 60 Kilometer außerhalb von Santiago, 40 Minuten mit dem Auto etwa. Neben der meistbefahrenen Autobahn Chiles, weil viele ihre Wochenendhäuschen halt am Meer haben und da müssen sie alle hin. Und da war es so, wir sind also zur Gemeindeverwaltung gegangen und gesagt, ej, wir würden hier gerne eine kleine Brauerei installieren, könnt ihr uns irgendwie helfen, habt ihr was dagegen, wie läuft das hier? Und die haben gesagt, ihr müsst uns versprechen, dass ihr, wenn ihr Arbeitsplätze schafft, dass ihr bevorzugt Leute aus unserer Kommune hier anstellt. Weil Curacaví, das ist eigentlich kein Arbeitsplatz, das ist ein Schlafgemach und die Leute pendeln halt sehr viel. Ist halt eine Zone, wo hauptsächlich alte Kultur betrieben wird, also Landwirtschaft. Da ist dann halt, also zur Erntezeit ist da was los und wenn da keine Ernte ist, dann gibt es da keinen Job. Und dann haben wir gesagt, okay, machen wir natürlich gerne. Okay, dann helfen wir euch, die Papiere schneller zu beschaffen. Und das war wirklich dann in 7 Monaten, hatten wir alles, was wir brauchten, um loszulegen von der legalen Seite her. Und die Brauerei damals, das haben wir lokal bauen lassen nach unseren eigenen Plänen. Es gab also hier Edelstahlindustrie, gibt es natürlich viel durch die Weinindustrie halt. Und wir haben gesagt, Freunde, wir hätten gern den Läuterbottich so und das Maischgefäss so, das sind die Gärtanks. Und das haben die dann halt so angefertigt nach unseren eigenen Plänen. das ging auch recht fix, also wir waren innerhalb von 9 Monaten quasi up and running. Wir hatten aber vorher schon 2 1/2 Jahre, waren wir schon im Markt und haben quasi Contract-Brewing gemacht bei einer kleinen Brauerei, die sich damals auch gerade erst gegründet hatte und so konnten wir den Markt schon mal ein bisschen austesten, bevor wir großen Investitionen getätigt haben. Denn wir hatten immer die Vision, dass sich der Markt so entwickeln wird, dass die Leute mehr Varietät wollen und vielleicht auch bessere Qualität, weil sie auch eben mehr reisen konnten. Man muss ja auch im Kopf haben, dass 1990 ja erst das Militärregime von Pinochet abgesetzt wurde und danach die Wirtschaft sich so ein bisschen freier, freiere Marktwirtschaft sich erst entwickelt hat. Das ist ja auch noch nicht solange her. Das ist noch auch so ein bisschen die Mauer in den Köpfen hier auch, bist du rechts oder bist du links, bist du pro Pinochet oder gegen. Und dazwischen ist ein tiefer Graben und Kommunikation zwischen den beiden Lagern findet wenig statt. Also das Land ist stark gespalten, das muss man auch so sagen. Aber Bierkultur gab es halt nicht und da haben wir gesagt, wenn wir hier zu früh dran sind, dann kann das auch den Bach abgehen. Und so war es ja auch in Berlin, sage ich mal, 1995 mit der Bier-Company, da haben die Leute auch gesagt, habt ihr eine Macke, was macht ihr denn? Irgendwie Bier mit Kräutern und mit Obst und so weiter, gibt es doch gar nicht, ist gegen das Reinheitsgebot. Und heute, ja gut, 20 Jahre später sagst du, okay, das hat sich ein bisschen normalisiert. Aber wir waren da auch zu früh dran natürlich und deswegen wollten wir nicht, dass das noch mal passiert. Also sind wir vorsichtiger rangegangen, haben gesagt, komm, wir machen das unter Contract. Und wenn das nicht läuft, gut, dann investieren wir halt nicht so viel Kohle und verlieren nicht so viel. Aber nach 2 Jahren haben wir gemerkt, ej, da ist Bedarf, das wächst und haben gesagt, okay, jetzt können wir auch selber was bauen. Haben dann einen Investor gesucht, also Kohle war immer noch nicht da natürlich. Wie das so ist am Anfang bei jedem Emprendimientor, wie heißt das, Unternehmer, Unternehmensgründung, wenn das so eine kleine Bude ist und du hast kein großes Kapital dahinter, dann musst du ja alles, was reinkommt, wird wieder finanziert für den Ausbau und am Ende, Geld war niemals da. Und dann haben wir halt jemanden gefunden, glücklicherweise auch Deutschstämmiger, der gerne Bier trinkt. Dann hat er gesagt, Jungs, ihr seid mir sympathisch, das Bier schmeckt gut. Ich glaube euch die Hälfte von euren super Plänen und das Wachstum, aber lasst uns das mal machen. Ich will auch keinen schnellen Return hier haben irgendwie, ich mache das langfristig und macht mal euer Ding. Und er ist dann halt bei uns eingestiegen mit 25 Prozent und mit dem Geld haben wir dann quasi die Brauerei gebaut in Curacaví, die erste Brauerei. Damals mit einer Kapazität, also das Sudhaus hat 25 Hektoliter Ausschlagmenge, wir hatten 4 Gärtanks mit 50 Hekto. Also würde mal sagen, 20.000 Liter im Monat war so die Anfangsgröße. Heute sind bei 600.000 Liter im Monat, die wir brauen können und manchmal auch brauen, also das ist halt stark gewachsen. Aber auch nur, weil sich danach noch eine große Firma, eins der größten Weingüter der Welt, Concha Y Toro. Casillero del Diablo, vielleicht habt ihr das schon mal gefunden im Supermarkt, das gibt es auch in Deutschland, eine der wichtigsten Weinmarken der Welt. Die haben halt eins der nur 3 funktionierenden Vertriebssysteme in Chile, die das ganze Land abdecken. Wie gesagt, das ist 4.000 Kilometer lang, das ist wie Export, also 2.000 Kilometer nach Norden, 2.000 Kilometer nach Süden. Das schaffst du mit eigenen Mitteln natürlich nicht mit einem Fuhrpark oder sowas, da wirst du ja irre bei, dafür braucht man jemand, der das abdeckelt und eben auch die ganze Rechnungsverfolgung, sage ich mal. Es ist leicht, Bier zu brauen, wenn man weiß, wie es geht, es ist relativ leicht, Bier zu verkaufen. Aber hinterher den Scheck dafür zu kriegen, also in Chile die Zahlungsmoral ist erbärmlich und das bricht natürlich jedem Kleinunternehmer auch das Genick, der Cashflow. Es läuft super und wo ist die Kohle, ah, der hat noch nicht bezahlt. Also du musst jedes Mal wieder sagen, wo kriege ich noch mal Geld her, um wieder Malz zu kaufen, obwohl ich das Geld eigentlich in der Tasche haben müsste, aber es ist noch auf der Straße. Und da, das hat uns zwei-, dreimal wirklich an den Rand der Insolvenz hier auch gebracht, wo ich sagte, ej, so kann es eigentlich nicht weitergehen. Und dann haben wir gesagt, okay, also wir machen noch einen Versuch, wir suchen uns jemanden, der die ganze Logistik übernimmt und auch das Vertriebsnetz mit rein bringt und dann eben auch die ganze Rechnungsstellung macht. Und wir haben nur einen einzigen Kunden, ich gebe dir das ganze Bier, du machst den Vertrieb, ein Scheck alle 30 Tage. Ich kann damit rechnen, kann die Löhne bezahlen, kann Licht und Wasser bezahlen und man schläft ein bisschen ruhiger. Logischerweise wollen die natürlich eine Marge dafür haben, aber das wird dann theoretisch durch wachsendes Volumen dann wieder ausgeglichen und so war es denn zum Glück auch. Aber das war also nicht immer ganz einfach und zwei-, dreimal haben wir auch mit dem Gedanken gespielt, das doch wieder sein zu lassen. Mittlerweile bin ich natürlich froh, dass wir das nicht getan haben, klar.

Markus: Und nicht nur du, also weil ich ja schon viele Leute kennengelernt habe, die eure Biere auch einfach sehr gerne trinken. Und wir haben uns ja zuerst gesehen zum ersten Mal vor 5 Jahren.

Asbjorn: In Valparaíso.

Markus: Da waren wir in Valparaíso bei dem Wettbewerb zusammen und haben da auch schon die Bierwelt ein bisschen erkundet, also super spannende Geschichte. Du hast gerade gesagt, jemand Deutschstämmiges, das ist vielleicht noch eine Frage, die sich überhaupt die eine oder andere Hörerin oder der Hörer so stellt, weil du kommst jetzt aus Berlin, also lernst dann zwar eine Chilenin kennen, aber deswegen spricht man ja nicht automatisch fließend Spanisch. Also wie ging das so, bist du da relativ schnell reingekommen oder konntest du das schon? Und wie funktioniert das hier, also gibt es hier auch Englisch-, Deutschsprachige, wie auch immer, wie kann man sich das vorstellen?

Asbjorn: Ja, also Spanisch, um damit anzufangen, konnte ich nicht, als ich meine Frau kennenlernte. Da haben wir ein bisschen auf Englisch rumgemacht, was bei ihr auch nicht so ganz gut war, aber egal. Und als ich dann beschlossen habe, das war 98, dann war ich halt zweimal in Chile, bevor ich beschlossen habe, dann tatsächlich auszuwandern, so ein bisschen zu sondieren, wie das hier aussieht mit dem Biermarkt und so weiter. Und dann habe, weiß nicht, einen Monat vorher habe ich ein bisschen Einzelunterricht genommen und dann hier einfach Learning by Doing. Ich hatte das große Glück, also im Nachhinein hatte ich das große Glück, während meiner Schulzeit empfand ich das als einen Albtraum, ich hatte von der 5. Klasse an bis zum Abi Latein so auf einem altsprachlichen Gymnasium, dachte, wofür soll das denn gut sein? Ja, dann am Ende habe ich also gemerkt, dass da doch ein paar Neuronen noch funktionierten und ein paar Altlasten aktiviert wurden. Das hat mir dann ganz schnell geholfen, ehrlich gesagt, mit dem Spanischen hier zurechtzukommen. Der Akzent der Chilenen ist furchtbar. Also ich habe eine Freundin, die kommt aus Barcelona regelmäßig hier rüber, sagt, ich verstehe nichts. Also es ist kein Hochspanisch, sagen wir mal so, also schon ein arger Dialekt mit vielen Modismen und eigenen Wortschöpfungen, sage ich mal, das ist schon ein bisschen schwieriger, aber es ging relativ schnell. Meine Frau hatte auch sehr viel Geduld mit mir, hat immer sehr langsam und sehr deutlich gesprochen. So deutlich, dass sie heute sagen, wenn sie mit irgendjemanden spricht, der sie noch nicht kennt, du kommst aus Peru oder aus Kolumbien, du sprichst so deutlich und sie sagt, nee, ich bin Chilenin, verdammt noch mal. Also das ist ihr leider dann auch kleben geblieben, dieser Akzent. Aber das ging eigentlich relativ gut, ich habe da auch wenig Berührungsängste, ich sage, die werden mich schon irgendwie verstehen mit Händen und Füßen. Und es ist mir egal, ob das nun jetzt richtig konnotiert ist oder grammatikalisch richtig, ich spreche einfach drauf los und irgendwie geht es dann schon und das hat dann, glaube ich, auch ein bisschen geholfen.

Markus: Ja, funktioniert auch gut. Und ich glaube, es gibt ja auch doch die ein oder anderen deutschsprachigen Leute hier, also Camilo zum Beispiel, wo wir jetzt sind, spricht ja auch Deutsch, also offensichtlich gibt es da auch viele Auswanderer. Und ich glaube, auch von der Brauereigeschichte her war eine der ältesten Brauereien, glaube ich, in Valdivia im Süden von Chile, die ja auch eine deutschstämmige Brauerei war, dann durch ein Erdbeben irgendwie zerstört worden ist und so.

Asbjorn: Genau, Anwandter.

Markus: Also das heißt, da gibt es doch tatsächlich viele, viele Verbindungen. Ja, vielleicht auch so ein bisschen wie mit Brasilien und Portugal, dass man sagt, okay, also mittlerweile ist die brasilianische Bevölkerung und Kultur ja größer als die portugiesische eigentlich und auch da entwickelt sich die Sprache natürlich weiter und anders. Und ich merke das immer, wenn ich mit portugiesischen Freunden spreche, dass die sagen, im Fernsehen sehen wir ganz viele brasilianische Filme und verstehen das dann auch nur halb teilweise. Also schon sehr interessant, wie da auch selbst in unseren Lebensspannen sich da so tolle Veränderungen einfach auch ergeben, was interessant ist. Aber wir kommen am Ende immer zusammen, also Kommunikation funktioniert, wenn man will.

Asbjorn: Wenn man es will, ja.

Markus: Und in der Bierwelt will man ja Gott sei Dank meistens. Was mich noch interessiert ist euer Name, wie kam denn das zustande? Also Kross ist ja jetzt weder Spanisch noch Deutsch oder was ist das?

Asbjorn: Genau, was ist Kross? Ja, also als wir angefangen haben, haben wir gesagt, okay, wir wollen eigentlich nicht die deutschen Wurzeln, meine deutschen Wurzeln ein bisschen ausschlachten, denn es gab schon im Süden Kunstmann. Das ist ja so die größte Craft-Brauerei, sage ich mal, in Chile, die auch schon in den frühen 90ern damit angefangen hat und heute definitiv Marktführer sind, aber die haben natürlich diese lange Geschichte, wie du sagst. In Valdivia, in der Stadt, da war die Anwandter-Brauerei und da gab es deutsche Brauer vor Ewigkeiten und war so ein bisschen mehr traditionell angehaucht. Wir haben gesagt, wir sind ein bisschen jünger, wir können nicht sagen, wir haben eine 100-jährige Geschichte oder sowas, wollten ein bisschen was Moderneres machen und haben einen Namen gesucht, der auch für Chilenen leicht auszusprechen ist, dass man sagt, ej, gib mir mal ein Kunstmann. Die Leute haben sich gar nicht getraut, das auszusprechen, haben gesagt, gib mir mal das Dunkle aus Valdivia, aber als Markenname kam das gar nicht so durch. Also leicht zu merken, leicht auszusprechen, aber mit einer Bedeutung. Und für uns die Bedeutung war, wir wollten halt immer die Sache ein bisschen anders machen als die lokalen Brauereien, immer experimentieren, ein bisschen Pioniere sein auch und uns niemals, sage ich mal, auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern immer sagen, okay, was können wir besser machen, wie geht es weiter, was ist der neue Trend? Das haben wir so ein bisschen im Blut und das haben wir gesucht. Dann sind wir zu einer Marketingagentur irgendwann gegangen, weil wir selber keine guten Ideen hatten. Und der hat sich das angehört, gesagt, okay, Kross, aber mit c, also to cross, das englische Verb, eben irgendwas überqueren oder kreuzen, immer weitergehen, eine Grenze überschreiten, what ever. das war so vom Inhalt das, was wir gesucht haben, aber die Marke sah mit dem C ein bisschen schwach aus. Und irgendjemand nach dem fünften Pinte, der sagte, ej, stellen wir doch einfach ein K hin, hört sich genauso an, spricht sich genauso, aber hat mehr Persönlichkeit. Und das war es dann einfach, so Kross ist das, also immer in Bewegung bleiben, immer ein bisschen aus der Komfortzone raus und Neues suchen. Und deshalb haben wir eben auch dieses Männchen hier, dieser Monito mit dem Bierglas in der Hand. Diese Zone hier, das Gelbe ist die Komfortzone und mit großem Fuß, bam, brechen wir halt raus und rennen und sagen, was gibt es draußen noch zu entdecken, Attacke irgendwie, hier kommen wir. Und das sind wir halt, als wir angefangen haben mit der ganzen Energie und sagen, hej, wir rollen den Markt auf! Das war natürlich eine Vision, ein bisschen zu euphorisch logischerweise, aber das haben wir halt so ein bisschen im Blut und es macht Spaß. Mir macht es am meisten Spaß, neue Rezepte zu kreieren und einfach mal zu gucken, was kann man noch machen außerhalb des Bekannten und deshalb Nomen est omen so ein bisschen. Das hat super geklappt für uns und das ist eben auch super leicht zu merken. Und das Symbol ist eben auch, wenn du es einmal gesehen hast, sagts du, ah, Kross. Also nicht so famose wie da von Nike, sage ich mal, aber wir haben irgendwann gesagt, wenn wir das Ding irgendwann Mal ohne Namen hinstellen, wollen wir auch in 20 Jahren, dass die Leute das trotzdem erkennen.

Markus: Das ist ein bisschen so wie der Mann von Cantinone, ich weiß nicht,. ob du den kennst.

Asbjorn: Ja, genau.

Markus: Das ist ja durchaus ähnlich. Also wir werden natürlich das auch in den Shownotes verlinken, sodass ihr euch das auch anschauen könnt, wenn ihr jetzt einfach in den Podcast-Shownotes eben guckt, da sind alle Links da oder einfach in Google suchen, Cerveceria Kross, da kann man sich das dann auch anschauen, also sehr spannend. Biere, Rezepte, wie war das so? Also habt ihr da dann gesagt, wir setzen von Anfang an eher auf dieses Thema Lager und quasi deutsche Biere oder eher englische? Was war denn damals so, Anfang der 2000 war ja auch die Craft-Bier-Welle noch nicht ganz so.

Asbjorn: Da gab es nichts. Ich habe hier angefangen, ein Golden Ale zu brauen. Damals war es eigentlich eher ein Pale Ale, das hatte also gute mitt-40er Bittereinheiten, das war so eigentlich ein American Pale Ale, würde ich mal sagen nach damaligen Standard. Und ein Stout, das war also auch das erste Stout, gab es beides noch nicht in Chile damals. Ich bin eher norddeutsche Biere gewohnt, also Hopfen mochte ich schon immer ganz gerne, mit Jever und Flens und sowas großgeworden. Und damit haben wir angefangen und dann habe ich das halt gebraut. Mein Sozius ist immer losgezogen, hat versucht, das zu verkaufen und kam immer zurück, die Leute sagen, ist eigentlich ganz lecker und anders, aber es ist viel zu bitter. Und dann musste ich also innerhalb der ersten 1, 2 Jahre, musste ich ganz schnell merken, dass der chilenische Geschmack also sehr viel mehr auf die Malzseite tendiert und Hopfen war damals noch überhaupt nicht aktuell, so bitter mochte keiner und auch heutzutage ist es immer noch schwierig. Also diese Welle von den IPAs und sowas wie in den Staaten, das gibt es hier zwar auch, aber es ist wirklich eine Nische in der Nische, es ist nichts, was massiv hier die Leute hinterm Ofen vor lockt. Also ein bisschen Karamell und süß und dann läuft das irgendwie, 12 Bittereinheiten und ein bisschen klebrig und dann gibt ihm. Also das ist ja, da musste ich mich erst mal dran gewöhnen. Musste also die Rezepte auch angleichen und dann ist eben aus dem Pale Ale ein Golden Ale geworden. Das Stout ist immer noch das Stout. Das hatte damals aber noch Kakaoschalen mit drin, ist also eher ein Chocolate Stout über die ersten 2, 3 Jahre. Mittlerweile ist das auch ein bisschen abgewandelt, hat jetzt einen Schlag Haferflocken drin. Also hat immer noch so ein bisschen mehr dieses Cremige, an der Grenze zu einem Porter oder einem Sweet Stout, also ist kein klassisches Irish Stout so. Damit haben wir angefangen, die ersten 3, 4 Jahre gab es nur Golden und Stout. Dann haben wir ein Pils rausgezaubert irgendwann, haben wir gesagt, Pils? Weil Pils war hier der Markenname eines Industriebieres, weil eigentlich nur immer Bauarbeiter getrunken haben, also Pils war so das ordinärste Bier so dann. Und da haben wir gesagt, in Europa ist aber Pils eigentlich so der Champagner des Lagers irgendwie und da haben wir gesagt, okay, wir versuchen mal, die Leute ein bisschen umzuerziehen und sagen, hej, das ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was ihr kennt. Und haben damals eigentlich noch ein klassisches tschechisches Pils gebraut, wo wir sagen, okay, mit der Bittere und so, vielleicht nicht so, ein bisschen mehr Malzkörper. Das Pils hat mittlerweile 4, 5 Metamorphosen durchgemacht, ist auch einem tschechischen dann zu einem chilenischen Pils geworden, dann zu einem German Pils und mittlerweile ist es, ja, weiß ich nicht mehr, was es ist. Aber wir haben jetzt halt die letzten Male Hopfen getauscht, also früher war es Saazer und Tettnang, Magnum, die alte Schule. Jetzt haben wir das fast alles rausgeschmissen, jetzt ist es Loral und Centennial, seit 2 Monaten erst, mit einem kleinen Twist mehr in die amerikanische Richtung, aber halt immer trinkbar. Also für mich, das Ziel ist immer, super trinkbare Biere zu machen. Das ist also bei allem, was ich mache, auch wenn das Bier 9 oder 10 Umdrehungen hat, dass du trotzdem Lust hast, 2 oder 3 zu trinken, also dass du nicht nach einem halben Glas sagst so, ich kann nicht mehr, gibt mir mal was Leichteres. Dass das halt harmonisch ist, dass alle Rohstoffe ihre Bühne haben, aber eben harmonisch zusammenleben und dass du sagst, lecker, ich will noch eins. Das ist halt mein Ziel immer, bei allem. Ich denke immer an den Verbraucher, wir wollen ja auch Bier verkaufen und keine Museumsbrauerei sein. Damit haben wir angefangen, Pils war das Dritte. Dann haben wir das erste Mal ein Saisonbier gemacht, gab es in Chile auch nicht. Da haben wir den Maibock damals rausgebracht, das war 2010 etwa und haben gesagt, das machen wir nur im Mai, Mai bis Juli, August, genau wie in Deutschland. In Deutschland ist es halt ein Frühlingsbier, hier ist es dann ein Herbstbier, wir sind ja genau umgekehrt, aber passt auch, das erste Starkbier der kälteren Jahreszeit. Das fanden die Leute dann aber irgendwann so lecker, dass sie sagten, ej, könnt ihr das nicht das ganze Jahr machen? So ist der Maibock dann also auch in das klassische Portfolio mit reingerutscht und ist immer noch mit dabei. Und hatte ja vor Kurzem, vor wenigen Monaten beim World Beer Award erstaunlicherweise, auch für mich immer noch unbegreiflich, World´s Best Maibock gewonnen bei der Konkurrenz, die es gibt. Also das war auch ein bisschen woah, schöne Überraschung, sage ich mal so.

Markus: Ja, auf jeden Fall und hat, nur um das kurz einzuwerfen, tatsächlich gegen direkt sozusagen den deutschen, in Anführungsstrichen, Konkurrenten, gegen Rittmayer Maibock knapp verloren im Finale, ich war dabei.

Asbjorn: Du auch, ja, super.

Markus: Also ich meine, wir wussten natürlich zu dem Zeitpunkt nicht,

Asbjorn: Was ist was.

Markus: was ist was, aber das war schon wirklich spannend. Das war ja dieses Jahr in England eben wieder, die große Verkostung. Und fand ich sehr interessant, weil das ist selten, dass du von einem hellen Lager, auch von einem starken hellen Lager so ein hohes Niveau bekommst. Also völlig zurecht auch, das ist super, Gratulation.

Asbjorn: Ja, danke. Ich habe dir auch eins mitgebracht noch mal.

Markus: Sehr gut!

Asbjorn: Ja und dann der große Durchbruch, glaube ich, bei uns, um das jetzt noch mal kurz abzuschließen mit den Rezepten, kam dann mit dem fünften Bier, als wir 5 Jahre alt wurden. Da haben wir gesagt, also statistisch gesehen, 80 Prozent der Firmenneugründungen erleben das 5. Jahr eigentlich nicht und 80 Prozent der 20 Prozent, die noch am Leben sind, haben eine gute Chance, dass sie auch die 10 Jahre erleben werden. Also haben wir gesagt, das ist ein Grund zum Feiern, wir sind noch da und vielleicht werden wir noch älter. Da haben wir gesagt, machen wir doch eine Party und laden alle Leute ein, die uns geholfen haben, bis zu diesem 5. Jahr zu kommen. Also Freunde, Familie, logischerweise auch Lieferanten, Kunden, alle, die an diesem Traum damals gedacht haben und uns dabei geholfen haben und gesagt haben, Jungs, ihr macht das schon. Und haben gesagt, wie können wir uns denn bei den Leuten erkenntlich zeigen, wie können wir denen denn danken? Und da haben wir gesagt, lass uns doch einfach mal ein Spezialbier machen nur für die, kleiner Sud. Und zu der Zeit, da Chile ja auch ein Weinland ist, war gerade eine große Welle von Weinen, die also starkes Vanille-, Karamellaroma aus amerikanischer Eiche hatten. Lass uns doch ein Bier machen, was so ein bisschen diese Idee aufnimmt. Wir haben also ein starkes Brown Ale, also gar nicht richtig auf irgendeinen Stil zugeschnitten, gemacht. Und wie haben wir das gemacht? Wir haben gesagt, ej, wir gucken einfach mal, was haben wir denn im Lager für die anderen 4 Biere und von jedem Malz schmeißen wir was rein, von jedem Hopfen schmeißen wir was rein. Die erste Version war sogar mit Ale- und Lager-Hefe zusammen. Wir haben also alle Zutaten, was wir alles hier bekommen, wir machen ein Resümee und das ist das 5. Bier und da muss alles drin sein von den anderen Vieren und dazu eben noch ein bisschen Holz. Und das haben wir dann halt in Champagnerflaschen gefüllt mit einem schönen Etikett, und als die Party zu Ende war, haben wir gesagt, ej, Danke, Danke für alles, hier ist eine Flasche für dich, nummerierte Edition, tschau, das war die Idee. Und dann kam danach irgendwie, ej, ich habe das getrunken, eigentlich sehr lecker, kann ich da noch mehr haben? Nee, gibt nichts mehr. Und dann rief noch einer an. Und sagten wir, na gut, dann machen wir noch ein bisschen, nur für die Kumpels. Und dann, einer von den Kumpels hatte irgendjemand eingeladen, der hat ein Restaurant gehabt, sagte, toll, das ist doch super, mit dem Fleisch und so, das kann man ja gut kombinieren, ist auch ein gastronomisches Bier. Und dann wuchs das von ganz alleine, wir haben niemals Werbung für dieses Bier gemacht, 7,2 Umdrehungen, holzgereiftes Starkbier. Mittlerweile ist es Nummer 2 bei uns im Verkauf, also das Golden Ale ist Nummer 1, Kross Simco ist Nummer 2, und war halt das erste Bier in einer Champagnerflasche in Chile, das gab es vorher nicht, das erste holzgereifte Bier. Das war so ein bisschen, woah, was ist das denn? Und dafür haben wir, glaube ich, auch viele Leute, Weintrinker, die sonst kein Bier trinken, mit ins Boot geholt, die sagen, oh, das ist ein Bier, das könnte ich auch trinken. So und dann, das war so ein bisschen der Durchbruch, viele Leute kennen uns wegen des Kross Simco, weil das immer in der Erinnerung so ist, woah, das war das erste Ding, was ich getrunken hatte und sagte, woah, das ist das was anderes. ja und mittlerweile haben wir ein festes Portfolio von 11 verschiedenen Bieren, ein bisschen oll over the place, ein paar deutsche Rezepte, englisch. Ich bin ein großer Fan der englischen Küche, also Bierküche natürlich und eben auch ein paar experimentelle Sachen. Auch was Amerikanisches natürlich, wir haben kein Hazy APE, aber ein Hazy Lager. Ja, weil ich so spät dran war, mit dem Hazy-Trend, ich habe mich dagegen gewehrt, ich sagte, warum soll ich mich anstrengen, ein extra trübes Bier zu machen? Also ein Zwickelbier, ein Kellerbier, nichts dagegen, ab jetzt da noch irgendwie Proteine mit reinschmeißen, das war nichts, da habe ich mich also mit Händen und Füssen gegen gewehrt und alle haben gesagt, ej, du musst das jetzt aber machen. Da sage ich, okay, dann machen wir was anderes. Wir können ja nicht 5 Jahre später sagen, ej, Kross hat jetzt aber auch ein Hazy. Super, ja, wie innovativ seid ihr denn? Dann sind wir halt die Ersten, die ein Hazy-Lager machen. Also heute würden viele vielleicht auch sagen Cold IPA, aber Hazy Lager hörte sich ein bisschen cooler, das funktioniert ganz gut. Wir haben ein IPA Pomelo, also mit Grapefruit. Das hat auch beim World Beer Cup dieses Jahr Gold gewonnen, auch sensationell für uns in der Kategorie. Das machen wir also auch schon seit 3, 4 Jahren. Also wir haben Bier mit roten Berries drin, das ist so mehr für die Einsteiger. Es ist super süß, ich kann es persönlich nicht trinken, aber in Chile kommt das gut an. Leute, die kein Bier trinken, sagen, das schmeckt ja wie ein Saft. Genau, ja und so experimentieren wir ein bisschen. Wir haben ein Scotch Ale mit drin, Maibock, Pils, was haben wir noch, das Kross 5. Jetzt haben wir so ein Hoppy Ale, ein recht leichtes, wir haben ein Amber Ale, fast ein Malt, würde ich sagen jetzt. Und, ja, kommt immer was Neues. Wir haben mittlerweile auch 8 eigene Kneipen oder Restaurants sage ich mal mehr als Kneipen, wo wir halt auch ständig neue Biere ausprobieren in kleineren Mengen. Dadurch haben wir natürlich eine Fokus-Group umsonst, sage ich mal, wo die Leute sagen, ej, mehr davon. Nee, das passt mir überhaupt nicht. Haben gerade auch ein Imperial Stout mit Kaffee wieder gemacht und Vanille, nichts super anderes, aber lief super. Ein West Coast Pils haben wir gerade in die Dose gebracht, zum Oktoberfest kommt jetzt ein klassisches Helles, sowas. Also wir spielen immer, es gibt immer, drei-, viermal im Jahr machen wir auf jeden Fall was Neues.

Markus: Also spannend. Also es macht auch total Spaß, dir einfach zuzuhören, weil man einfach merkt, wie sich die Dinge so im Kopf zusammensetzen, dann in die Tat umgesetzt werden und am Ende eben im Glas landen, das ist einfach wunderbar so zu hören. Apropos so neue Trends, wie sieht es bei euch im Thema alkoholfrei aus, ist das in Chile auch ein Thema oder alkoholarm? Und habt ihr euch dem auch schon gewidmet oder wie schaut das aus?

Asbjorn: Sehr gute Frage. Also logischerweise verfolgen wir alles, was auf dem Markt so passiert und das ist natürlich die Kategorie, die, ich glaube, in Zukunft am stärksten möglicherweise wachsen wird, alle Prognosen sagen das und in Chile gibt es einen leichten Trend in die Richtung. Also in den Kneipen haben wir natürlich alkoholfreies Bier aus der Flasche, es gibt ja logischerweise eine ganze Menge auf dem Markt und das läuft jedes Jahr mehr. Also wir sind genau in diesem Augenblick dabei, zwischen Oktober und Dezember ziemlich viele Proben in die Richtung zu machen, wir haben also schon ein bisschen vorgebraut, haben ein bisschen geguckt. Ich hatte bisher, mir fehlte ein Element. Also alle Hefen, die wir ausprobiert haben und alle Versuche laufen daraufhin, halt ein Bier mit gestoppter Gärung zu machen oder mit einer Hefe, die eben Maltose-negativ ist. Wir haben nicht das Geld im Augenblick, jetzt uns eine Entalkoholisierungsanlage hier hinzustellen. Und bei den Bieren, die ich getrunken habe, der Alkohol ist ja nicht nur Alkohol sondern ist eben auch Geschmacksträger und auch Struktur und die Biere schmecken für mich immer ein bisschen leerer. Also jetzt gibt es ja diese neue Hefe von Lallemand LoNa. Oder auch Sierra Nevada, jahrelang rumgedoktert hat und nie was rausgebracht haben und gesagt haben, das war der Mosaikstein, der uns noch gefehlt hat, mit ihrem Trail Pass Golden und Trail Pass IPA, super leckere Biere, beide. Und da geben wir jetzt also ziemlichen Fokus drauf und wollen eigentlich bis Mitte nächsten Jahres was auf dem Markt haben. Logischerweise nicht einfach nur ein Lager, sondern eben auch was für den Craft-Beer-Trinker, ein bisschen mehr Körper und Geschmack, ein bisschen mehr Persönlichkeit. Erst mal nur mit einem Bier und dann gucken, ob das nicht eine Familie wird. Aber strategisch ist es essenziell, möglichst schnell was zu haben, brauchen wir im Portfolio auf jeden Fall.

Markus: Ja und das ist ja auch cool. Also was ich schön finde ist, letzten Endes trifft es ja doch auch wieder den Kompetenzkern eines Brauers, weil er einfach in der Lage ist, eben Getränke herzustellen je nach Kundenbedarf sozusagen. Und ich glaube auch, also was man in Deutschland auch merkt, dieser Trend ist auch da, zum Beispiel verschiedene Verfahren anzuwenden und die Biere dann zu blenden. Weil man einfach bei verschiedenen Verfahren verschiedene Vor- und Nachteile hat und wenn man das entsprechend dann ergänzt, dann hebt sich da auch wieder einiges auf und man kann dann am Ende ein besseres Produkt haben. Also spannend, da freue ich mich schon, wenn ich das nächste Mal da bin, kann ich es dann ja vielleicht probieren.

Asbjorn: Auf jeden Fall, wenn nicht, schicke ich es dir.

Markus: Beziehungsweise wenn die Hörer: innen das hier hören, dann ist es schon da. Weil wir haben ein bisschen Vorlauf und gesendet wird es wahrscheinlich im Januar oder so. Dementsprechend, also spannend, das auf jeden Fall verkosten. Was ich mich auch noch gefragt habe, du hast vorhin so ein bisschen von den Rohstoffen erzählt. Das stelle ich mir auch nicht so einfach vor, also weil, die Hallertau ist weit weg, das Yakima Valley ist weit weg, Neuseeland ist weit weg. Wie macht man das hier, also Hopfen sowieso, frischer Hopfen, dieses Thema, aber auch natürlich letzten Endes Malz und so, also insgesamt die Rohstoffthematik, also hat es sich verändert im Laufe deiner Zeit und wie geht man da so ran?

Asbjorn: Als ich hier ankam, gab es nichts. Es gab eine kleine Brauerei in so einer Disco, da war ein Spanier, der importierte selber Nottinghill Ale. Das war die einzige Hefe, die du hier bekommen konntest. Malz, es gibt also eine Mälzerei in Chile mit zwei Standorten. Die hatten damals ein Pils-Malz, ein angeblich Karamell-Malz, aber das war eigentlich nur ein getoastetes Pils-Malz, also ein bisschen Wasser drauf und dann noch mal geröstet, leicht angetoastet, was auch keiner benutzt hat von der Großindustrie. Und das Malz für das Stout, das mussten wir uns selber rösten damals. Also Pils–Malz angefeuchtet in so einer Kaffeeröstung mit Direktbefeuerung, haben wir uns dann halt die Säcke, die wir brauchten, dann selber geröstet, es gab nichts. Hopfen haben wir auch direkt importiert, damals über Hopsteiner noch. Und Spezialmalze, wir waren die Ersten, die in Chile angefangen haben, Weyermann zu importieren damals. Es ging ein paar Jahre, da mussten wir halt ganze Container importieren, was dann für uns quasi der Jahresbedarf war oder ein bisschen mehr, das war zu viel. Und dann habe ich mir einen Zulieferer hier aus der Weinindustrie geschnappt, habe den mit auf die Brau genommen, habe den Sabine Weyermann vorgestellt, gesagt, ihr müsst mal kurz reden miteinander, du machst jetzt den Import bitte und wir kaufen dir das ab, aber eben chargenweise wie wir es brauchen. Und der Biermarkt wird wachsen natürlich und du hast noch ein paar andere Kunden. Der wollte eigentlich nichts mit Bier machen, am Ende haben sie sich dann dazu durchgerungen, ist mittlerweile der lizenzierte Weyermann-Importeur hier. Und dann fing das an, so ein bisschen besser zu werden, dann kam Hopfen dazu. Mittlerweile gibt es 3 oder 4 Händler, die quasi alles abdecken, vom Edelstahlfass über alle Rohstoffe und noch ein paar andere Sachen, Enzyme, Klärungsmittel oder so. Heute ist es ein Luxus, du kriegst alles, was du irgendwo anders auf der Welt auch kriegst, Hopfen aus Australien, aus Deutschland, von den Staaten, englisch, egal, verschiedene Hefesorten so, das war damals nicht so. Das war also, ich werde jetzt demnächst mal nachbrauen, einfach aus Spaß, unsere ersten beiden Rezepte, wie sie damals waren. Das Golden Ale, was damals ein Pale Ale war, hatte 2 Malze drin und Chinook-Hopfen. Das war der Einzige, den ich gefunden habe mit niedrigem Cohumulon-Gehalt, unter 20 Prozent oder 22, gesagt, den nehme ich mal. Und das war auch der einzige Hopfen, den wir hatten, das war sowohl für Bittere als für das Aroma und, ja, das waren knackige 45 IBU damals und so. Das will ich mal machen und das Stout eben auch. Wir haben mit den 3 Malzen, mit den handgerösteten und ein bisschen Kakaoschalen und that´s it. Also es waren andere Zeiten, war natürlich auch spannend, aber es hat sich sehr gut entwickelt hier und mittlerweile ist es hier genau wie überall auf der Welt, sage ich mal.

Markus: Gibt es hier, also das Land ist ja eben so lang, also müsste es doch eigentlich auch Orte geben, wo man Hopfen anbauen kann, gibt es mittlerweile sowas?

Asbjorn: Gibt es tatsächlich. Wir sind sogar in einer Region, wo also der erste chilenische Hopfen angebaut wurde, das war eine Brauereien damals hier in Temuco, die hieß Kaf. Mit der ersten Ernte von ihnen haben wir ein Collaboration Wet Hope Ale gemacht, ich glaube, 2007 muss das gewesen sein oder 2008, wenn mich nicht alles täuscht. Haben sie also hier am Tag davor geerntet, dann alles auf einen LKW geschmissen, hochgefahren nach Curacavi. Wir hatten alles schon fertig, dass so wenig Zeit wie möglich vergeht wegen der Oxidation und dann genau zum Whirlpool waren sie dann da. Das waren die Pioniere hier, die haben, weiß nicht, einen halben Hekta gehabt vor der Haustür. Mittlerweile gibt es verschiedene Initiativen, total in Chile gibt es heute 15 Hekta Hopfen, die angebaut werden von 5 verschiedenen Projekten. Das größte Projekt ist in Lago Ranco, noch ein bisschen weiter im Süden, Lupulus Hueimen heißen die. Das sind die Einzigen, die das für mich richtig machen, weil alle denken hier, ja, ich baue den Hopfen an und listere. Das Problem ist halt, wir alle wissen ja, was mache ich denn dann irgendwie? Und irgendwann kommt die Ernte, da habe ich sehr wenig Zeit, den Hopfen zu ernten, zu trocknen, schonend zu trocknen und dann halt muss der natürlich auch vermahlen werden und dann unter sauerstoffarmen oder Bedingungen oder freien in Tüten verpackt werden und so weiter. Die Technologie, die man einfach dafür braucht, die Maschinerie ist ja eine riesen Investition und das rentiert sich halt nicht bei kleinen Mengen, ist also noch in den Kinderschuhen. Aber die haben investiert, zwar gebrauchtes Equipment geholt aus Idaho, irgendwas aus Deutschland auch, Erntemaschinen, Pelletiermaschinen, die machen das super. Verdienen im Augenblick leider noch kein Geld damit, aber sind super enthusiastisch und die haben eben angefangen mit chilenischen Hopfen, sage ich mal. Der ist jetzt nicht natürlich hier angebaut worden, aber es gab, also ich weiß nicht, ob ihr das wisst, ich kann dir ja mal noch ein Ding geben, also vor 1910 gab es in Chile auch schon mal über 300 Brauereien. Ich habe so ein Poster, wo auch Etiketten sind, also jeder kleinere Ort, wie heute vielleicht in Franken oder so, hatte 2, 3 Brauereien, das war normal. Sehr viele Deutschstämmige dahinter, aber auch ein paar Engländer, Iren und so weiter. Es gab also alle Bierstile, die heute Craft-mäßig aktuell sind, die gab es damals schon. Dann gab es einen riesen Konzentrationsprozess, verschwand alles, war alles in der Hand von 2 großen Brauereien. Und jetzt gibt es halt diese Renaissance, ist ja immer dieses Ziehharmonikaprinzip, das geht immer auf und zu, egal. Und damals haben eben viele auch Hopfenpflanzen mitgebracht aus Deutschland und es gab hier Hopfengärten, die dann halt geschlossen wurden im Zuge dieser Konzentration. Und dann sind die Pflanzen verwildert und haben sich eben hier auch ans Klima und an den Boden angepasst und sich genetisch auch ein bisschen verändert. Und dann gab es 3 Sorten, die haben die also versucht, analysieren zu lassen in Labors, sowohl in England als auch in den Staaten. Und die haben gesagt, also hat wahrscheinlich irgendeinen Ursprung in der Hallertau, aber das ist auch ein bisschen Cascade noch mit dabei, keine Ahnung, was das ist, du hast da was ganz eigenes. Das Problem bei den Dinger ist, unglaublich wenig Ernteprojekte, sehr sensibel gegenüber, sage ich mal, Klimaveränderungen und in Alphawerte von 1 1/2 bis 2, 2 1/2, aromatisch super interessant. Wir haben also ein Bier, unser Kross 15, zum 15. Jahrestag haben wir ein Bier gebraut, was nur mit chilenischen Zutaten gemacht wurde, chilenischer Hopfen, mit einer Wildhefe, die von einem Apfelbaum hier aus der Gegend gekratzt wurde und eben nur chilenische Malze. Und das hat auch sofort eine Goldmedaille gewonnen hier bei der Copa Cervezas de América und auch Best of Show damals. Leider war diese Hefe eine Diastaticus-Hefe, was wir nicht wussten. Die hat sich dann auch ein bisschen verbreitet in der Brauerei, das hat dann fast 2 Jahre gedauert, bis wir die dann eliminiert hatten. Also das war aromatisch genial, also Mango, Maracuja, Ananas und so, also irgendwo zwischen Brett und Diastaticus, ein ganz wilde Geschichte, super leckeres Bier. Und dazu haben wir noch Traubenmost dazugegeben von einer Pisco-Traube. Großartiges Bier, hat riesen Spaß gemacht, aber, wie gesagt, mit der Hefe haben wir uns ein bisschen vergriffen, da waren wir nicht genau genug bei der Analyse. Also es gibt Hopfenprojekte und genau hier der Organisator dieses Kongresses, weswegen wir gerade hier sind, Luis, ist dabei, ein Projekt aus dem Boden zu stampfen, um hier großflächiger Hopfen anzubauen mit Staatsmitteln. Es gibt also Zuschüsse offenbar, der ist da ganz wild hinterher und mal gucken, ob da was daraus wird. Also klimamäßig geht es. Dann auf der anderen Seite der Cordillera in Argentinien gibt es ja große Hopfenanbaugebiete und das würde schon passen.

Markus: Ja, also spannend, werden wir auf jeden Fall weiter verfolgen. Da waren dann schon wieder ganz viele Anknüpfungspunkte, mal schauen, wie lang dieser Podcast noch wird. Aber wo du gerade über die Hefe sprichst, es gibt ja diese Eubayanus-Hefe, die man vor 10 Jahren oder irgend sowas eben in Patagonien gefunden hat, wo man eine Zeitlang gedacht hat, das wäre so das Missing Link, was die Lagerhefe angeht.

Asbjorn: Die Argentinier wollten das so haben.

Markus: Genau, es war nur nah dran, fast sozusagen, aber nichtsdestotrotz auf jeden Fall eine super spannende Hefe. Es gab ja dann auch große Brauereien, die was damit gemacht haben. Camilo hier macht auch ein Bier damit, mit einem ganz tollen Aromaspektrum. Wie hast du das so erlebt, du warst ja dann damals hier?

Asbjorn: Ja, also ich hatte immer meine Zweifel, weil irgendwie, die historische Linie konnte ich nicht so richtig verfolgen, wie das denn von hier nach Europa gelangt sein soll und dann dort schon 500 Jahre, sage ich mal, vor der reellen Kontaktzeit, sage ich mal, schon in irgendwelchen bayrischen Klostereiskellern gelegen haben soll, das war mir nie ganz klar. Am Ende kam es aber offenbar auch vom Tibet irgendwie, da ist die genetische Übereinstimmung ein bisschen höher, aber egal. Aber natürlich interessant, wie diese Hybridisierung in der Natur stattgefunden hat, und wir haben auch damit gebraut damals. Ich glaube einfach, dass etwas, was noch nicht voll ausgenutzt wird, ist eben die Vielfalt der mikrobiologischen Flora hier, sowohl Bakterien als auch Hefen. Es gibt also hier seit Langem die Diskussion intern von den chilenischen Brauern, was ist denn ein chilenisches Bier? Also heute kopieren wir halt Stile, die es von überall hergibt, aber wir haben nichts Autochtones dahergebracht, wie ein Italian Grape Ale zum Beispiel. Es wäre natürlich ein Klassiker zu sagen, okay, ist auch ein Weinanbauland hier, es ist groß und dafür bekannt, aber gut, dann wäre es halt ein Chilenian Grape Ale, auch nicht so innovativ. Also wo können wir denn was haben, was es sonst nirgendwo gibt, was aber eben auch ein leckeres Bier ist, was die Leute haben wollen? Du kannst natürlich was super Exotisches zusammenbauen, hej, das ist das super Chilenian Ale, da ist das und das drin. Gut, aber wenn es die Leute nicht saufen wollen, ja, dann, warum mache ich das denn? Also nur, um ein irgendwo auf meinem Stempel zu haben wie Argenta IPA oder was, verstehe ich auch bis heute nicht, aber egal. Und das ist die Diskussion, was ist der Punkt, der uns fehlt? Und ich glaube, dass da vielleicht in der Mikrobiologie vielleicht noch ein Schatz liegt, den noch keiner gehoben hat. Und wie gesagt, also diese Hefe, die wir damals benutzt haben, war fantastisch vom Aroma her und vielleicht muss man da auch ein bisschen herum hybridisieren oder so, um das ein bisschen zu domestizieren und da gibt es bestimmt noch andere Sachen. Es gibt hier eine, vielleicht hast du die auch mal kennengelernt, Victoria Lobos, Patagonian Yeast, eine Biotechnologin, die sammelt Mikroorganismen quasi. Wo auch immer sie hingeht, hat sie ihr Abstrichröhrchen dabei, so wie Louis de Funès bei Brust oder Keule mit seinem Fläschchen da. Und die hat mittlerweile eine Bank von über 400 chilenischen autochthonen Mikroorganismen angelegt. Welche sind für Gärzwecke geeignet, welche sind kultiviert, welche kann man auch wieder ernten natürlich und so weiter, bringen also wünschenswerte Eigenschaften mit. Ich glaube, da wird noch einiges passieren hoffentlich in nächster Zukunft, also da sehe ich riesen Potenzial. Und da traut sich alt noch keiner so richtig ran, weil das Risiko natürlich auch nicht unerheblich ist.

Markus: Das stimmt, ja. Wobei man halt sagen muss, wir haben im Podcast auch schon mehrere Folgen gemacht mit den Weihenstephanern, den Hefejägern, die dann wirklich überall auf der Welt unterwegs sind und teilweise in uralten Kellern oder in irgendwelchen Urwäldern oder sonst irgendwo eben auf die Suche gehen oder teilweise bis nach Ägypten in irgendwelche alten Kammern fahren und so. Also wo man einfach merkt, okay, das ist einerseits super spannend, weil die Hefe einfach auch ein Lebewesen ist, was viel ab kann. Also das heißt, die hält sich auch eine Zeitlang und aber dann auch ein riesen Potenzial hat. Und was ich auch sehr beeindruckend fand, war eben, dass der Martin Zarnkow zum Beispiel von Weihenstephan auch eben erklärt hat, dass die Hefe diese Aromen ja zu einer Art Kommunikation nutzt und das ist ja auch spannend. Also dass das eben nicht so aus Spaß ist oder so, sondern das eigentlich in der Natur da wirkliche Vorgänge eben stattfinden, die aromatisch übersetzt oder umgesetzt werden und das nutzen wir dann praktisch in der Bierwelt für unsere Zwecke so ein bisschen aus. Also wirklich, wirklich spannend, was da alles geht. Und ich muss sagen, so ein bisschen nehmen wir diesen Faden ja auf, also wir machen hier ja ein Collaboration Brew, was auf der einen Seite so ein bisschen auf mich, in Anführungsstrichen, anspielt, weil wir halt gesagt haben, wir machen ein Rauchbier. Aber auf der anderen Seite haben wir eben auch gesagt, wir versuchen so ein bisschen lokale Ingredienzien mit reinzubringen, in dem wir Merkén benutzen, was ja im Grunde, ich sage jetzt mal so flapsig, so eine Art gemahlene Chilischote ist, also jetzt wirklich aus der deutschen Perspektive.

Asbjorn: Aber eben ein spezieller Chili.

Markus: Ja, natürlich, ein spezielles Dings natürlich und gibt es auch in verschiedenen Varianten. Wir waren heute auf dem lokalen Markt und haben da ganz, ganz, viele, zig verschiedene Varianten eben durchprobiert, verschiedene Mahlgrade, würde man vielleicht sagen, verschiedene Versetzungen mit verschiedenen anderen Kräutern und Gewürzen und so. Und das ist ja, also in der Küche sowieso, also ich mag sehr gerne auch scharfes Essen und dementsprechend ist der Merkén für mich sowieso etwas, was ich auch vor 5 Jahren schon toll fand und da bin ich sehr gespannt, wie sich das in dem Bier so ein bisschen auswirkt. Und du hast ja von Anfang an gesagt, du hast jetzt, sage ich mal, diese Grenzen, die man in Deutschland dem Bier doch viel setzt, bewusst schon immer überschreiten wollen. Was würdest du jetzt zum Beispiel, wenn Hobbybrauer so zuhören, denen so sagen, wenn man so mit Gewürzen experimentiert, gibt es da so Königswege oder gibt es so Sachen, die man auf jeden Fall nicht machen soll oder was macht man da?

Asbjorn: Also bei Gewürzen, sage ich mal, immer große Vorsicht, große Vorsicht, manchmal ist der Effekt also doch intensiver als man so denkt. Ich habe mich da also mehrfach auch selber vertan, deshalb kann ich da aus Erfahrung sprechen. Speziell wenn es um Kardamom oder sowas geht irgendwie, damit ein klein bisschen, also nicht mal ein halbes Gramm pro Liter, deutlich weniger, hat man manchmal einen ziemlichen Effekt. Also ich würde immer erst mal Versuche machen im Kleinstmaßstab, vielleicht einen Siphon mal abfüllen und verschiedene Dosifizierungen ausprobieren mit verschiedener Kontaktzeit natürlich auch. Und was du ja auch vorgeschlagen hast, was wir jetzt hier wahrscheinlich auch machen werden, ein guter proof ist immer, vielleicht einfach einen Alkoholauszug zu machen, dann kann man sagen, wie viel Tropfen davon mache ich rein. Aber dann, wenn es zu viel wird, du kriegst es ja nie wieder raus, du kannst immer mehr dazugeben, aber du kriegst es nie raus. Also wenn man irgendwas macht und du möchtest das entweder beim Kochen schon dazugeben oder in der Gärung, in der Lagerung, dann erst mal mit weniger ist mehr und dann am Ende, wenn es nötig ist, dann dosierst du halt noch ein bisschen was drauf. Aber immer erst mal Versuchen fahren bei egal welcher unbekannten Zutat, würde ich mal sagen. Ansonsten kannst du dir halt den ganzen Sud versauen, dann musst du verschneiden und am Ende kippst du es doch weg. Also ich sage immer, wenn du ein Bier hast, was nicht schmeckt oder was irgendeinen Fehler hat, lieber wegkippen als das zu mischen. Ein bisschen schlechtes Bier mit viel gutem Bier produziert nur viel schlechtes Bier, also als kleiner Tipp nur. Manchmal muss man halt sagen, nee, das ist nichts, weg damit und dann geht es weiter.

Markus: Ja, also Mut zum Risiko und zum Experiment, das auf jeden Fall.

Asbjorn: Das auf jeden Fall.

Markus: Ja, vielleicht abschließend so ein bisschen, wenn wir jetzt Hörerinnen haben und Hörer, die sagen, ja, spannend, würde ich gerne mal besuchen, komme ich mal nach Chile, schaue ich mir an, was würdest du denen so ein bisschen empfehlen, also wo kommt man an, wo kann man so biermäßig was entdecken? Wie kommt man bei euch, kann man da Touren machen, wie auch immer? Dass du uns da so ein bisschen mitnimmst, was sollten Leute auf ihren virtuellen Reiseplan so ein bisschen draufschreiben?

Asbjorn: Okay, also es gibt ein, werde ich dir nachher mal schicken, es gibt also ein schönes Buch, so eine Art Reiseführer für bierbegeisterte Menschen auch für Chile, wo die Brauereien sind, die man auch besuchen kann und die vielleicht einen taproom haben oder einen Biergarten, da gibt es mittlerweile einen Führer drüber. Und normalerweise kommt man ja in Santiago an, mittlerweile wird aber auch im Süden, in Concepción gibt es jetzt auch einen internationalen Flughafen. Das wird, glaube ich, demnächst auch der Anflughafen für die Leute sein, die vielleicht nach Patagonien wollen und man muss nicht mehr über Santiago gehen. Aber logischerweise gibt es die höchste Konzentration an Bieren und auch an Spezialbierkneipen, sage ich mal, in Santiago, weil das eben auch die bevölkerungsreichste Stadt ist, da würde man ankommen. Beste Reisezeit, würde ich mal sagen, ist jetzt ab Ende September bis vielleicht Ende Februar, sage ich mal, das ist also Frühling, Sommer. Wobei hier die Jahreszeiten ein bisschen gepresster sind, also der Frühling ist vielleicht 1 Monat lang oder 1 1/2 und der Herbst auch, ansonsten ist der Winter recht lang und der Sommer auch, aber der Winter hier ist auch nicht mehr so wie früher. Man kann im Grunde genommen das ganze Jahr über eigentlich ganz gut hierherreisen. Man muss eben sich über die Entfernungen klar sein. Wenn ich nach Chile komme, will ich den Norden und den Süden sehen, das sind 2.000 Kilometer nach oben und 2.000 in den Süden, muss man also ein bisschen Zeit mit einplanen. Aber landschaftlich ist das irre und im Grunde genommen ist es ein Land für mehrere Reisen. Also wenn man nicht nur die klassischen Foto-Shoots machen will, ich gehe mal kurz in die Atacama, das Foto, morgen geht es dann dahin und das ein bisschen näher kennenlernen will, vielleicht auch das Umland, ein bisschen mal den ausgetretenen Pfad verlassen will, ist es ein Land, wo man mehrmals herkommen kann und auch mehrmals 3, 4 Wochen verbringen kann, ohne sich zu langweilen. Also kulinarisch leider nicht so interessant, die chilenische Küche ist sehr sparsam mit Gewürzen. Salz und Zitrone ist eigentlich und eben Merkén vielleicht, wenn man Glück hat und das ist es. Viel Eintopf, viel Kartoffeln, viel Fleisch natürlich, Grill, Grill, Grill, wird hier auch großgeschrieben. Und aber natürlich, was es gibt, wir haben 4.000 Kilometer Küste am Pazifik. Also Meeresfrüchte, wenn euch das gefällt, hier gibt es eine Auswahl, das ist fantastisch. Das Meiste wird exportiert, die Chilenen essen relativ wenig von dem Reichtum, den sie da haben. Ich gehöre nicht zu denen, die wenig essen davon, sondern ich liebe das. Man kann also morgens auf den Fischmarkt gehen und kauft das Zeug fangfrisch, von Muscheln über Seeigel, über verschiedene Fische, das ist irre. Ceviche, wenn ihr das nicht kennt, eben roher Fisch eingelegt, gebeizt sozusagen mit Zitronensaft mit ein paar Gewürzen, auch eine schöne Sache. Also es gibt viel zu entdecken. Mittlerweile gibt es viel Einfluss aus Peru zum Beispiel, das ist ja auch nicht so weit weg. Die haben eine Küche, viel interessanter als Chile, das ist mittlerweile auch überall. Also, ich sage mal, langweilig wird es nicht, man muss halt ab und zu ein bisschen suchen. Und wie gesagt, Kross Brauerei, außerhalb von Santiago, in 40 Minuten zu erreichen. Wir haben Montag bis Sonntag durchgehend geöffnet ab mittags, wir haben Brauereiführungen auch, wir haben einen schönen Biergarten. Wir haben die Küche da, also man kann da auch einen Tag verbringen und eben sich durch alle Biere durchprobieren, ein bisschen Food Pairings machen. Wir haben also auch ein paar Pakete, wo man sagt, Käse und Bier, Schokolade und Bier, man kann da auch so ein bisschen rumspielen und sowas und eben auch die Brauerei kennenlernen. Und es gibt so einen kleinen Beer-Trail, es gibt also auch bei uns in der Nähe 3, 4 andere Brauereien, die man auch besuchen kann, die auch einen Biergarten haben. Also man könnte schon so ein Tagespanorama machen und verschiedene Brauereien abklappern, so ähnlich wie im Fränkischen, sage ich mal.

Markus: Und warst du schon mal so im ganzen Land, also von ganz unten bis ganz oben?

Asbjorn: Ja, aber natürlich nicht so viel wie ich wollte. Ich war also vom nördlichsten Zipfel, ich bin nicht in die Antarktis gekommen und das Südlichste bisher ist Punta Arenas, ich bin also nicht bis nach Punta Arenas gekommen und auch auf der argentinischen Seite nicht nach Ushuaia. Bin in Chile nicht so viel rumgekommen wie ich wollte, eher mehr in Südamerika, also, weiß ich, Columbien, Peru, Paraguay, Bolivien, Brasilien, Argentinien ein bisschen abgeklappert, um zu sehen eben, was hier sonst noch los ist. Das ist ja, jedes Land ist ja wirklich ein Universum für sich. Und Chile ist eben kein Land, was Urwald hat. Ich hatte am Anfang auf dem Schirm, ja, ganz Südamerika ist Urwald, da gibt es Anakondas und Panther überall, da ist hier in Chile, habe ich die bisher noch nicht gefunden, aber es ist ein wunderschönes Land. Und, wie gesagt, also Ausländer aus Europa werden immer weitestgehend freundlich aufgekommen. Man muss aber sehr vorsichtig sein hier, Taschendiebe, besser als in Barcelona. Also Hand aufs Geld, Hand aufs Handy und trau, schau wem, das ist das Einzige, also immer ein bisschen vorsichtig. Aber noch ist es nicht so, dass dir irgendwo eine Knarre an den Kopf gehalten wird oder das man entführt wird oder das einem die Organe entnommen werden. Also die Sicherheit innerhalb der südamerikanischen Länder ist, glaube ich, immer noch die Höchste auf dem Kontinent.

Markus: Ja, also dem kann ich nur zustimmen, also ganz tolles Land und absolut eine Reise wert und wirklich faszinierend in all diesen verschiedenen Facetten. Und mir hat das auch immer sehr viel Spaß gemacht, Pisco und natürlich Ceviche, Pisco Sour und natürlich die Fischvielfalt Wahnsinn an der Küste gerade. Ja und sowieso eben die Biervielfalt, deswegen sitzen wir heute zusammen.

Asbjorn: Und Gin mittlerweile auch. Es gibt also viele Gin-Destillerien mit lokalen Kräutern und Pflanzen, also auch interessante Abarten des bekannten Gins, auch sehr lecker für Cocktails und sowas.

Markus: Ja und vielleicht auch ein letztes Wort noch dazu, ich finde es auch einfach wichtig, weil viele osteuropäischen Perspektiven, wenn man jetzt auch so selbst heute noch in die jüngeren Generationen schaut, dann sagt man, okay, Afrika ist irgendwie ein Land und Südamerika ist irgendwie ein Land. Aber wenn man dann eben näher hinguckt, sind das halt Kontinente, die zig-mal so groß sind wie Europa und dementsprechend auch eine entsprechende Vielfalt haben. Und eben auch diese verschiedenen Kulturen haben, die Einwanderer verschiedenster europäischer Länder aus verschiedenen Epochen, dann natürlich die Leute, die vorher schon da waren und teilweise immer noch da sind und alles, was sich daraus gemischt hat, also super spannend auf jeden Fall, ja. Also insofern, vielen Dank für deine Zeit, für dieses kleine Einbringen in deine Welt so ein bisschen. Und wünsche ich uns heute noch einen schönen Tag und euch, liebe Hörer, da draußen natürlich auch und, ja, auf bald Mal in Chile.

Asbjorn: Ja, hoffentlich, also wir sind immer noch hier, hoffe ich, dann. Und hat riesen Spaß gemacht, Danke für die Einladung, Markus, war topp. Und, ja, hoffentlich kommen die Hörer auch mal rüber und ihr könnt ja über Markus dann sicherlich meine oder unsere Adresse rausfinden. Und schreibt mich an, ich mache gern die Tour für euch persönlich auch, nicht, dass da irgendjemand anderes, wenn jemand aus Deutschland kommt, bin ich immer bereit, dafür Zeit zu opfern, liebend gerne.

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