In der neuesten Folge von BierTalk taucht Markus tief in die Welt des Brauwesens ein und interviewt Martin Knab, den erfahrenen Braumeister aus Bamberg. Der Podcast beginnt in der historischen Rauchbierbrauerei Schlenkerla, wo Martin seine beeindruckende Laufbahn von den Anfängen in Kaufbeuren bis zu den innovativen Entwicklungen in Bamberg erzählt. Dieser erste Teil des Gesprächs offenbart Martins frühe Leidenschaft für Bier und seine Entscheidung, Brauwesen zu studieren. Durch Ferienjobs in einer Brauerei lernte er das Handwerk praktisch kennen. Die Episode zeichnet auch Martins Weg durch verschiedene Brauereien nach, wobei er jeweils tiefgreifende technische und geschmackliche Verbesserungen einführte. Besonders interessant sind seine Anekdoten über die Herausforderungen und Veränderungen in der Brauindustrie, die historische und regionale Einblicke bieten. Die Geschichte schließt mit Martins Ankunft in Bamberg, wo er die Brauerei Schlenkerla prägte. Dieses Gespräch lässt Bierliebhaber tiefer in die faszinierende Welt des Bierbrauens eintauchen und weckt die Vorfreude auf den zweiten Teil des Interviews…
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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute der erste Teil einer spannenden Doppelfolge, wir befinden uns im Schlenkerla in Bamberg in der historischen Rauchbierbrauerei und treffen dort den Altbraumeister Martin Knab. Er ist derjenige, der zum Schlenkerla gekommen ist, als es dort grade mal drei Biere gab. In seiner Zeit hat sich dieses Portfolio vergrößert auf elf, heute sind es, glaube ich, 13 oder 15 Sorten, eine Menge. Und wir sind natürlich glücklich und froh, dass er mit uns ein bisschen seine Geschichte teilen will. In der ersten Folge, die wir jetzt gleich beginnen, werden wir uns einfach mal ein bisschen mit dem Anfang befassen, das heißt, wie ist der Martin in das Bierleben, in das Brauerleben gestartet und wie hat sich die Geschichte so weiterentwickelt, bis er dann nach Bamberg gekommen ist. In der nächsten Folge werden wir dann sehen, wie sein Wirken sich in Bamberg entwickelt hat, wie der Anfang im Schlenkerla war und vor allem, was er dann in seiner Zeit alles bewegt hat und letzten Endes, was danach auch schon wieder passiert ist. Also ihr könnte euch freuen und jetzt steigen wir ein mit dem Interview mit Martin Knab.
Markus: Ja, also, der kleine Martin, wann ist er auf diese Welt gekommen, was ist da passiert, wo war das?
Martin: Am 21. April 1956, übrigens genau 30 Jahre nach der Queen Elisabeth von England, bin ich in Kaufbeuren im Allgäu auf die Welt gekommen. Habe dann nach Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, 1975 Abitur gemacht und habe dann Brauwesen und Getränketechnologie in Weihenstephan studiert, nach der Ableistung meines Wehrdienstes.
Markus: Wie kam es dazu, dass du ausgerechnet Brauwesen dann studiert hast?
Martin: Ich habe ab meinem 16. Lebensjahr in der damaligen Rosen Brauerei in Kaufbeuren immer wieder Ferienarbeit gemacht. Das hat sich hauptsächlich da drauf erstreckt, dass ich beim Bierausfahren dabei war und mitgeholfen habe, dass es für die Fahrer nicht so schwer wird. Und in dann dadurch auch natürlich mit dem Bier in Berührung gekommen, habe das schätzen und lieben gelernt und habe dann eben entschieden, dass ich dieses auch studieren möchte, weil es auch meinen Neigungen sehr entgegenkam. Weil, meine Neigungen liegen halt nun mal bei Mathematik, Physik und Chemie, weniger bei den Sprachen, obwohl ich an einem normalen sprachlichen Gymnasium war.
Markus: Bei den Bierfahrern gab es da Personen, die dich auch ein bisschen beeindruckt oder vielleicht auch ein bisschen geleitet haben?
Martin: Ja, also einer war gelernter Brauer und der hat natürlich dann schon auch für den Beruf geworben. Der war auch immer nur aushilfsweise als Bierfahrer eingesetzt, wenn halt mal Not am Mann war. Und mit dem habe ich mich auch ganz gut verstanden und dann ist da so der Wunsch gekommen, dass zu machen. Was halt natürlich ein bisschen schwierig war, nach dem Abitur da noch eine mindestens zweieinhalbjährige Lehre anzuhängen und dann erst studieren, zumal der Wehrdienst auch noch dazwischengekommen ist. Dann wäre ich altermäßig ziemlich weit hinausgekommen. Dann habe ich das entschieden, dass ich das nicht mache, sondern studienbegleitend, dann immer wieder in den Ferien Praktika gemacht und so auch die Brauertätigkeiten auch gelernt habe, ohne jetzt einen richtigen Berufsabschluss da gemacht zu haben.
Markus: Also das war keine offizielle Lehre, sondern du hast halt immer wieder, wenn du Zeit hattest, wenn du Ferien hattest, warst du da.
Martin: Ja, ich war in den verschiedenen Abteilungen, habe da mitgeholfen und habe da natürlich auch Einblicke bekommen, was da so alles zu tun ist und habe das auch lieben und schätzen gelernt. Und das hat mir auch während meines Studiums sehr geholfen. Ich habe wirklich alles auch von der Pike auf gelernt, sogar das Mälzen, was jetzt nicht das Lieblingsfach sämtlicher Brauer ist.
Markus: Ja.
Martin: Ich war abgesehen davon auch Zeit meines Lebens immer Brauer und Mälzer, ja.
Markus: Ja und das heißt, war das dann so ein bisschen auch ein Sondermodel für dich, was die Brauerei dann gemacht hat, weil es jetzt eigentlich nicht normal ist, dass man sagt, jemand ist da immer wieder da?
Martin: Ich sage mal so, es war, ich habe ja der Brauerei auch einen Nutzen gebracht, ich konnte ja dann die Leute auch vertreten. Und es war eigentlich auch von der Studienordnung so vorgesehen, man konnte ohne Lehre das studieren, aber man musste natürlich die dementsprechenden Praktika vorweisen.
Markus: Und die haben dich auch ein bisschen bezahlt, also nicht nur in Bier?
Martin: Ja, ja, ja, ich habe schon ein bisschen Geld gekriegt auch noch dafür. Das hat mir natürlich auch geholfen, das Studium zu finanzieren, ja.
Markus: Apropos, wie war das damals mit dem Haustrunk? Also wie viel hat man damals so bekommen?
Martin: Das war ein Kasten in der Woche, ja. Den hat auch jeder gekriegt, also auch die vorübergehend Beschäftigten haben das bekommen. Und das war auch ganz gut, da habe ich auch meine Freunde immer ganz gut versorgen können.
Markus: Vielleicht ein kleiner Vorgriff, wie ist das heute?
Martin: Heute gibt es knapp zwei Kästen in der Woche für die Tarifbeschäftigten, das ist auch tarifvertraglich festgelegt. Und da kann man mit dem Freundeskreis auch immer wieder mal einen heben.
Markus: Also hat es fast so ein bisschen zugenommen. Finde ich interessant, weil man ja immer denkt, das ist vielleicht eher was, was man reduziert hat, ist dann eher was, wo man sogar mehr hat.
Martin: Genau, es ist eigentlich gleich geblieben. Ich meine, ich war damals ja kein Tarifbeschäftigter, drum habe ich einen Kasten gehabt, aber die anderen haben damals auch so. Steuertechnisch war es, glaube ich, 16 Liter in der Woche, ja, wenn ich das noch so richtig im Kopf habe, also knapp zwei Kästen Bier, ja.
Markus: Also auch auf jeden Fall …
Martin: Hat sich nicht geändert, das ist ja auch tarifvertraglich festgelegt, ja.
Markus: Ja und ist ja auch spannend irgendwie, wenn man sagt, okay, als Brauer, man hat eben neben dem reinen monetären Lohn auch noch den flüssigen Lohn. Und der ist natürlich auch dann ein bisschen davon abhängig, wie du performst, würde man heute sagen. Also wenn dein Bier gut ist, dann hast du was, wenn nicht so, dann hast du vielleicht ein Problem da.
Martin: Tja, da hat man ja selber die Hand drauf.
Markus: Allerdings. Ja, also dann hast du da studiert und, ja und dann, also war dann schon der Plan, da in Kaufbeuren in der Brauerei einzusteigen oder wie war das?
Martin: Naja, das war damals, ich bin 1981 fertiggeworden, es war nicht ganz einfach, die Beschäftigungssituation allgemein in Deutschland war nicht die beste. Und bei uns in unserer Branche war es natürlich auch geprägt durch Ausstoßrückgang, den wir ja heute immer noch zu beklagen haben. Aber die richtig fetten Jahre, um das mal etwas salopp auszudrücken, die waren einfach vorbei, ja, die Jahre, wo stetiges Wachstum in den Brauereien, die Zeit war vorbei. Die Brauereien haben gespart, es sind auch Betriebe geschlossen worden oder Betriebe, die haben funktioniert, einen Betrieb zugemacht und so weiter. Also diese ganze Problematik, die wir heute auch noch haben, die hat es damals schon gegeben. Und da war es also gar nicht so einfach, was zu bekommen und du musstest eigentlich auch vor allen Dingen als Absolvent nehmen, was halt der Markt grad geboten hat und wer dich auch haben wollte, ja. Das eine ist ja das, was der Markt bietet, aber das andere ist halt, man muss ja auch zusammenkommen irgendwie, ja.
Markus: Richtig. Ist auch ein sehr menschliches Thema natürlich auch. Und unterhält man sich da dann in Weihenstephan schon mal, wo man vielleicht hingeht, gibt es da vielleicht Connections, kommen da vielleicht Headhunter oder so, wie muss man sich das vorstellen?
Martin: Headhunter auf so junge Absolventen wahrscheinlich weniger, man muss ja auch erst Erfahrungen sammeln, ja. Man kommt aus der Uni raus, vollgestopft mit Wissen, was ja nicht verkehrt ist, aber so die Umsetzung in die Praxis, ja, dass man einfach nicht dauernd jetzt groß irgendwo nachdenken muss und Probleme hin- und herwälzen, sondern es muss eigentlich so eine Problemlösung, muss aus der Pistole rauskommen, ja. Das kannst du als Absolvent nicht, ja. Und da ist es ganz gut, wenn man eben da auch anfängt in Positionen, wo man nicht so an entscheidender Stelle sitzt. Also ich habe ja im Labor angefangen, das ist so die klassische Karriere, sagen wir mal so. Da konnte ich in Kaufbeuren in der Aktienbrauerei 1982 von Februar bis Ende November den Laborleiter vertreten. Weil die Aktienbrauerei hat damals eine Füllerei gebaut und da war der Laborleiter eigentlich mit der Baustelle ziemlich beschäftigt und dann hat eben der Vorstand von der Aktienbrauerei beschlossen, dass man eben da eine Aushilfe beschäftigt mit einem zeitlich begrenzten Vertrag. Und das habe dann zufälliger Weise ich bekommen. Und das ist mir eigentlich auch ganz gut zu pass gekommen. Ich musste mir erst einmal keine neue Wohnung suchen und konnte da wirklich gute Erfahrungen sammeln und auch ein paar neue Methoden einführen, grad was die Mikrobiologie anbelangt. Und, ja, nachdem der Vertrag Ende November ausgelaufen war, habe ich natürlich so ab September suchen müssen, wo gibt es was, ja. Und, ja, da gibt es halt nur eins, Brauwelt abonnieren und die Stellen und die Brauwelt von hinten rein lesen, weil die Stellenanzeigen hinten drinstehen, ne.
Markus: Okay.
Martin: Und, ja, da war eben dann irgendwann mal eine Stelle in Passau ausgeschrieben, in der Löwen Brauereien. Die hatten damals noch kein Labor, die wollten aber eins aufbauen und sie mussten eigentlich auch eins aufbauen, weil in der Größenordnung ohne Labor zu arbeiten, ist eigentlich Blindflug. Und das sollte man eigentlich vermeiden, dass man nicht von irgendwelchen Dingen überrascht wird, von denen man bis dahin keine Ahnung hatte, ja. Und das habe ich nach etlichen hin und her, die Stelle bekommen und, ach, da habe ich halt dann ein Labor aufgebaut, Labor gemacht und da auch wirklich etliche Schwachstellen aufdecken können und die haben wir dann auch beseitigen können, ja.
Markus: Das Thema Labor ist dann was, wo man im Studium wirklich gut drauf vorbereitet wird?
Martin: Da wird man gut vorbereitet drauf und das macht schon im Hauptstudium einen Großteil aus, sowohl die chemisch-technische Analyse als auch die mikrobiologische Analyse. Und das ist schon ein Werkzeug, mit dem kann man hantieren. Und es sind ja auch viele meiner Kollegen zum Beispiel in der pharmazeutischen Industrie tätig, weil sie eben ein wirklich solides mikrobiologisches Fundament haben, auf dem sie aufbauen können. Und es ist ja im Prinzip wurscht, mit welchen Mikroben man hantiert, man muss wissen, was sie machen, man muss wissen, wie man sie behandelt und man muss wissen, wie man auch diejenigen fernhält, die man nicht haben möchte, ja.
Markus: Ja, das wollte ich grade fragen, wenn jetzt jemand dabei ist, der zuschaut, zuhört und sich überlegt, okay, Labor, Brauerei, Reinheitsgebot, warum eigentlich oder so? Also man kennt vielleicht die Hefe, die ist wahrscheinlich eher was Gutes, aber was heißt das, also was ist so ein Alltag im Labor, warum ist man da überhaupt?
Martin: Ja, es gliedert sich auf in die mikrobiologische Analyse und die chemisch-technische. Die chemisch-technische ist manchmal apparativ ein bisschen aufwendig, die rentiert sich nur für ganz große Brauereien. Aber man kann ja bestimmte Untersuchungen auch weggeben an Labore, die sich da drauf spezialisiert haben und die das auch in Massen machen können, wo dann der finanzielle Aufwand sich in Grenzen hält. Bestimmte Sachen kann man natürlich selber machen, Stammzellenvergärung und solche Sachen. Das sind ja auch wichtige Parameter, mit denen man hantieren muss. Und, ja, die Mikrobiologie, da kann man aber sehr, sehr viel selber machen und es geht halt schon los bei der Hefe. Die Hefe ist natürlich unsere wichtigste Mitarbeiterin und die sollten wir auch sehr, sehr pfleglich behandeln, tun wir ja auch und die soll man nicht zu sehr ärgern und man soll auch schauen oder man muss auch schauen, dass sie rein bleibt. Das heißt, dass eben keine anderen Mikroorganismen sich da einschleichen. Und die kann man eigentlich schon ab relativ geringen Konzentrationen nachweisen, das geht über bestimmte Anreicherungsmethoden. Und das sind hauptsächlich Milchsäurebakterien, die uns da Ärger bereiten können. Und wenn man die halt früh genug entdeckt, dann weiß man auch, dass man solche Chargen separieren muss, die muss man beobachten und dann kann man immer noch entscheiden, was man damit macht. Man wird in der Regel nie ein Bier wegschütten müssen deswegen, aber man muss halt schon gucken, was kann ich noch machen damit, ja.
Markus: Und war das damals noch so, dass man die Hefe häufiger geführt hat als heute, hat sich da was verändert oder ist das ungefähr gleich geblieben?
Martin: Man hat sie damals vielleicht ein bisschen häufiger verwendet, aber man kann also merken, wenn eine Hefe sieben-, acht-, neunmal gegangen ist, durch eine Gärung durch, dann schwächelt sie ein bisschen. Dann lässt die Gärleistung nach, dann ist auch das Aromaprofil nicht mehr das Beste und dann sollte man sie auch wechseln. Man hat früher öfters mal so 12-, 15-mal die Hefe geführt und da macht man heute eigentlich nicht mehr, zumal man auch andere Methoden hat. Man kann ja über Propagation oder Assimilation sich ständig neue Hefe herziehen und die dann mit der Betriebshefe mischen. Das ist eigentlich das Beste, was man machen kann. Und dann kann man die führen, sechs-, sieben-, achtmal und man hat immer genug Hefe da, weil sich die Hefe ja während der Gärung auf das Drei- bis Vierfache ihres Volumens vermehrt und da hat man dann natürlich immer im Überschuss, ja.
Markus: Ja, insofern noch ganz kurz zurück zu Kaufbeuren, Aktienbrauerei. Da ist mir persönlich sehr in Erinnerung der Doppelbock. Gab es den damals schon?
Martin: Ja, den gab es damals schon. Wobei der bekanntere Doppelbock in Kaufbeuren war der von der Rosen Brauerei, der hatte den Namen Buronator. Buron ist die lateinische Schreibweise von Kaufbeuren, ja. Und Buronator, Ator hintendran, sind immer Doppelböcke und es war ein dunkler Doppelbock in einer 0,5-Liter-Steinflasche, sehr seltene Flasche, die dann auch noch mit Alufolie den Kronkorken zugemacht hat. Und da haben wir noch einen aus Spritzgussmaterial-gefertigtem Bock angehängt.
Markus: Ach, Wahnsinn!
Martin: War schon ziemlich aufwendig, ja.
Markus: Ja, na, das kennen wir ja eigentlich nur noch von der Ayinger Brauereien, die ja hier so einen kleinen Plastikbock dran hatten, also mittlerweile ist das ja auch Geschichte. Wobei, den Buronator macht jetzt heute aber die Aktienbrauerei.
Martin: Den macht die Aktienbrauerei, weil die ja die Rosen Brauerei Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre, soweit ich das noch im Kopf habe, übernommen hat, weil da hat es ein bisschen wirtschaftliche Schwierigkeiten gegeben.
Markus: Naja, ist ja immer nicht so einfach. Okay, dann gehst du nach Passau. Wunderschöne Stadt, 3-Flüsse-Stadt, auch tolle Brauereien. Ich selber war mal in Hacklberg, in diesen ganzen Kellern, die da noch so sind und so, also wirklich sehr beeindruckend. Da lebt es sich auch schön, oder?
Martin: Da lebt es sich gut, da habe ich auch meine Frau kennengelernt. Und, ja, aber nach achteinhalb Jahren war dann Zeit für Veränderung da und dann habe ich eben geschaut, wo gibt es denn was? Und dann war Nürnberg, die Tucher Brauerei, die hatten da auch für das Labor wieder jemand gesucht. Und da habe ich das mikrobiologische Labor geleitet dann, ein Jahr lang aber nur. Habe aber auch zugleich Aufgaben, Planungsaufgaben bekommen. Das war ganz gut, weil es einfach das erste Mal, dass ich ein Projekt auch durchziehen musste. Das war die Weißbierproduktion zu vereinheitlichen und dann auch zusammen mit dem Vorstand natürlich festzulegen, was brauchen wir dafür noch alles und wie können wir das auch wirtschaftlich machen. Das hat mir schon geholfen, so mal zu schauen, was muss man eigentlich machen, wenn du was baust, ja. Weil, das kriegst du im Studium auch nur theoretisch erklärt, ja und wenn du das praktisch machst, ist was vollkommen anderes, ja.
Markus: Und dann sind da ja in Nürnberg diese Franken. Das war doch für dich dann schon ein gewisser Kulturschock, oder?
Martin: War ein Kulturschock, ja. Aber dadurch, meine beiden Eltern sind Franken, ja …
Markus: Ah okay, gut.
Martin: … war der Kulturschock nicht allzu groß. Wobei, die Menschenart ist halt im Allgäu aufgewachsen und die Sprache war dann schon sehr gewöhnungsbedürftig. Wobei jetzt, wenn ich mit meinen alten Freunden rede, sagen sie immer, du redest ja Fränkisch, ja. Also die Konsonanten werden immer weicher, ist so, ja.
Markus: Es mischt sich, ja. Ja, also das heißt, du näherst dich immer mehr Bamberg an.
Martin: Ja.
Markus: Das ist natürlich schon schön. Die Tucher Brauerei hat ja auch eine sehr, sehr große und langjährige Geschichte und Tradition.
Martin: Richtig, ja.
Markus: Großes städtisches Brauhaus, auch eins der Ersten, der Ältesten, auch mit Weißbier zum Beispiel.
Martin: Richtig, ja.
Markus: Ja, warst du da noch in diesem alten ehrwürdigen Zwei … nicht Zweistädtesudhaus, in diesem großen, wo die beiden zusammen waren, das Reif Bräu und da Tucher?
Martin: Ja, das war am Schillerplatz …
Markus: Genau.
Martin: … also im Nürnberger Norden. Und ein wunderschönes Sudhaus, ja. Das Gebäude steht auch heute noch.
Markus: Ja.
Martin: Das ist auch denkmalgeschützt, soweit ich weiß, ja. Und das waren wirklich zwei Brauereien, die so Rücken an Rücken gebaut sind und der Lagerkeller war das verbindende Element. Alles ziemlich altertümlich noch, ja, lauter Aluminiumtanks, riesen Dinger und mit Raumkühlung, also nicht grad optimal, aber es ging. Und ich war ja 1990 dort, das war das Jahr des größten Ausstoßes der Tucher, soweit ich das noch im Kopf hab, weil das war das Jahr der Grenzöffnung natürlich und wir haben lastenwagenweise Bier in die neuen Bundesländer geliefert. Ich bin dann auch von der Tucher aus in zwei Brauereien geschickt worden, wo man gemeint hat, man könnte da kooperieren. Es ist aber beiden nix geworden. Ich glaube, die Tucher weint dem auch keine Träne nach. Ja und dann hat sich aber relativ zufällig was ergeben, ein Studienkollege von mir war in der Landesgewerbeanstalt, in der Versuchsanstalt für Bierbrauerei und der hat mir gesagt, du, horch her, ich höre da auf, willst du meinen Posten übernehmen? Da habe ich natürlich auch das übliche Bewerbungsverfahren durchlaufen, aber dadurch, dass ich natürlich ein bisschen eher was gewusst habe, habe ich die Nase vorne dran gehabt ein bisschen und war auch mit Abteilungsleiter bekannt, weil der ist einmal im Jahr nach Passau gekommen, von daher hat man natürlich da schon Kontakte gehabt. Und, ja, dann habe ich da als Betriebsberater angefangen 1992.
Markus: Das ist ja interessant, hat Professor Narziß auch mal gemacht, ne.
Martin: Ja, der hat dann auch, wie er das spitzgekriegt hat und dann hat er mich irgendwann mal in Weihenstephan getroffen und da sagt: „Ach, jetzt sind wir ja Kollegen.“
Markus: Ja, der hat mal erzählt, wie er damals mit seinem ersten Auto da immer rumgefahren ist und so. Der war ja kurz nach dem Krieg dann da und das war schon interessant auch.
Martin: Nur mit dem Unterschied, der Professor Narziß hat da natürlich seine Doktorarbeit geschrieben dort, zu sowas bin ich nie gekommen.
Markus: Ja, Prost.
Martin: Prost.
Markus: Vielleicht noch kurz zu Tucher, also das alte Sudhaus kann man heute noch oder wieder besichtigen, sehr, sehr schön. Dort haben sie eine kleine Brauerei noch mit reingestellt, die sie am Brombachsee von einer Brauerei übernommen haben und dort machen sie jetzt das Nürnberger Rotbier mit Holzfasslagerung von einem Doppelbock. Sehr spannend, wenn ihr das mal anschauen wollt. Und gegenüber ist die Schiller Klause, ein wunderbarer Hort der Gastlichkeit, wo ich immer wieder gerne hingehe. Die unter anderem auch ihren Eierlikör selber machen. War das damals auch schon so?
Martin: Nee, die Schiller Klause, die kenne ich gar nicht. Also die …
Markus: Oh! Dann …
Martin: Wobei, ich bin in Nürnberg, ich war kaum in irgendwelchen Kneipen gegangen, weil da waren dann die Arbeitstage schon ziemlich lang. Und ich habe damals auch noch Handball gespielt, da bin ich dann ins Handballtraining gegangen und dann habe ich lieber mit meinen Mannschaftskameraden im Vereinsheim noch einen getrunken und dann bin ich wieder Heim. Aber so, normalweggegangen kaum, also höchstens, wir sind mal zum Essen gegangen oder sowas, ja. Weil, die ersten paar Jahre in Nürnberg war ich alleine, die Frau noch in Passau und immer so gegenseitig gependelt. Und, ja, dann war natürlich unter der Woche wenig mit aus der Stadt.
Markus: Also warst du ein braver Ehemann, der dann eher …
Martin: Natürlich, ja.
Markus: … Zuhause geblieben ist und so, genau.
Martin: Ja, ich war ja die meiste Zeit eh in der Brauerei, von daher war es wurscht.
Markus: Okay. Ja und dann Betriebsberater, hat dich das dann wieder nach Passau zurückgeführt, oder?
Martin: Nein. Also wir haben da keine festen Gebiete gehabt, ich war ein paarmal in Niederbayern auch, aber ich bin auch nach Baden-Württemberg rüber gekommen und nach Thüringen auch. Und das war eigentlich sehr interessant, weil da hast du dann erst gemerkt, was haben die kleinen Brauereien eigentlich so für Probleme, ja. Und das war eigentlich ganz gut, konnte man viele lösen, ja und auch mit einfachsten Mitteln. Und das war auch eine Zeit, diese sechs Jahre, wo ich in der Betriebsberatung da war, das war eine Zeit, wo ich viel gelernt habe auch. Weil, wenn du viele Betriebe siehst, lernst du natürlich auch viel, ja. Wenn du nur einen Betrieb siehst, weißt du auch nur, was der so macht.
Markus: Richtig.
Martin: Aber es gehen viele Betriebe die Dinge ganz unterschiedlich an. Und das ist ja auch das Spannende bei der Brauerei, ja. Das ist ja nicht wie beim Metallverarbeiter, ja, da kann man Schema F machen, ne, muss man ja …
Markus: Ja, eben.
Martin: … sonst kommt nix Gleiches raus, ja.
Markus: Genau und Bier ist eben nicht Bier. Lass uns nochmal anstoßen und dann können wir ja mal schauen, prost, wie die Geschichte gleich weitergeht. So, ja, wir waren bei der Betriebsberatung angekommen und haben vorher auch schon ein bisschen drüber gesprochen, dass du auch über die Grenze geschaut hast. Das finde ich noch interessant. Was hat man denn so in den 90ern erlebt, wenn man da so rübergefahren ist in die neuen Bundesländer. Also ich habe selber ja mal ein Buch geschrieben über die Brauereien in Sachsen und Thüringen, ein paar Jahre später, aber die haben mir natürlich alle ihre Geschichte erzählt und grade eben die vielen Unmöglichkeiten, Unwägbarkeiten, die so Ende der DDR-Zeit alle aufgekommen sind. Du hast das ja hautnah erlebt dann, ja.
Martin: Die waren Weltmeister im improvisieren, das muss man einfach schon sagen, weil, DDR war einfach Mangelwirtschaft, ja. Und die mussten halt mit dem wenigen, was sie zugeteilt bekommen haben, irgendwie zurechtkommen, ja. Es hat ein paar privilegierte Brauereien gegeben wie die Wernesgrüner zum Beispiel, weil die haben für den Export gebraut, damit die DDR ein paar Devisen kriegt, ja, die Radeberger auch, ja. Also es waren da so ein paar Leuchttürme, waren ja da, aber der Rest, der die Bevölkerung zu versorgen hatte. Und das war wirklich so, sie hatten sie zu versorgen, ja, also sie hatten nicht das, was es in Westdeutschland gegeben hat, in der Bundesrepublik, den Konkurrenzdruck, sondern die hatten den anderen Druck, sie mussten die Bevölkerung versorgen. Und jetzt, wie das System umgeswicht ist, sind die natürlich ins kalte Wasser geschmissen worden, ja und zwar ins fürchterlich kalte Wasser, ja. Also da hat es auch menschliche Schicksale gegeben. Aber es hat natürlich auch Leute gegeben, die genau sowas sich gewünscht haben und die halt ein bisschen ein Stehvermögen gehabt haben und sich da auch durchgekämpft haben. Und es ist ja auch viel mit Kooperationen, mit bundesrepublikanischen Brauereien gegangen, die da auch mit investiert haben, die auch zum Teil Betriebe gekauft haben. Wobei das nicht die Königslösung war in jedem Fall. Aber so Kooperationen hat es gegeben und da ist dann schon eigentlich ganz gut was entstanden in Thüringen und Sachsen, wo ich jedenfalls hingekommen bin.
Markus: Ja, also das habe ich auch so erfahren, das also diese schnellen Aufkäufe, wo dann der kleine westdeutsche Brauereibesitzer zu einer großen ostdeutschen Brauerei gefahren ist und die dann mal eben so gekauft hat, das hat in der Regel nicht funktioniert, muss man sagen. Und es kam halt auch noch dazu, das eigentlich ja ein bisschen unfair auch das Verhalten der Bevölkerung dort ja so war, dass man von einen Tag auf den anderen dem bekannten Produkt nicht mehr vertraut hat und die wollten alle das West-Bier haben. Da kam dann noch mit dazu, das die Ost-Biere halt stammwürzemäßig runtergegangen sind, dass man schon seit vielen, vielen Jahren das Problem hatte, das viele Biere schlecht waren, dass man die grünen Flaschen gar nicht genommen hat, Trübe generell ein negatives Merkmal war. Und dementsprechend einfach wirklich diese Bindung, die wir hier so haben, also zu unseren lokalen Brauereien, das hat da jetzt nicht stattgefunden, erstmal also, ja.
Martin: Das ist ziemlich abrupt sogar abgeschnitten gewesen. Das war ja auch zu meiner Tucher-Zeit noch so, da war ja die Grenzöffnung grad ganz neu und da konnten man einfach fast jedes West-Bier rüberfahren. Warum? Weil es auch nach vier Wochen in der Flasche immer noch klar war und nicht trüb geworden ist, wie die da drüben. Ich möchte also den Kollegen im Osten da keine schlechten Noten ausstellen, sie hatten einfach auch nicht die Möglichkeiten, ne.
Markus: Richtig, ja.
Martin: Und da haben wir dann in einer Brauerei, ich weiß noch, da bin ich von der Tucher aus rübergeschickt worden, den Namen sage ich jetzt nicht, ja, da waren die hygienischen Verhältnisse, sagen wir mal, durchaus verbesserungswürdig. Und da haben wir einmal einfach die Brauerei von oben bis unten mit einem Desinfektionsschaum eingesprüht, den einwirken lassen und schon war ein ganz anderer Geruch da in dem Gebäude drin, ja. Und dann haben wir uns halt die einzelnen Produktionsschritte vorgenommen und haben dann da Verbesserungen gemacht und dann war das Bier dann auch plötzlich wieder um einiges besser. Aber insgesamt die technische Ausstattung auch dieser Brauerei war zum Teil, ja, miserabel.
Markus: Ja, die sind ja im Grunde stehengeblieben mit dem Zweiten Weltkrieg …
Martin: Richtig.
Markus: … weil sie dann abgeschnitten waren von aller Versorgung, was sie eben vorher hatten, weil einfach die Betriebe plötzlich außerhalb der Landesgrenzen waren. Und, ja und dann eben noch das Thema, dass man diese Brauereien zu den Kombinaten zusammengefasst hat und …
Martin: Richtig, richtig, ja, diese Getränkekombinate, ja.
Markus: Ja, das ist auch eine spannende Geschichte, die wir jetzt heute nicht ewig behandeln. Aber es ist auf jeden Fall sehr interessant, weil es trotzdem spannend ist einerseits, wie diese Bierkultur überlebt hat in manchen kleinen Betrieben, was sie dann auch teilweise für museale Brauereien erhalten hat. Also als ich drüben war, da gab es noch welche, die mit Dampfmaschinen gearbeitet haben, mit Kühlschiff, mit Berieselungskühler, wie man sich das vorstellt. Und natürlich auch die ganze Geschichte um den Elbe-Saale-Hopfen, der ja gemacht worden ist, um die DDR zu versorgen und deswegen heute Deutschlands zweitgrößtes Hopfenanbaugebiet ist, auch aus politischen Gründen, also sehr interessant auf jeden Fall. Aber gut, als du gehst dann weiter und wie ziehen sich die Kreise enger Richtung Bamberg zusammen?
Martin: Naja gut, dadurch, dass ich in der Landesgewerbeanstalt war, habe ich natürlich vieles mitbekommen, was in der Brauerszene so abläuft, auch so das Stellenkarussell natürlich, ja. Und ein Kollege von mir, der war da mal in Kutzenberg in der Lungenklinik gelegen und den habe ich dann besucht einmal, weil ich da zufälligerweise in der Ecke zu tun hatte, ja, ja, komm, schaust du bei ihm vorbei. Und dann hat er zu mir gesagt: „Herr Knab, wissen Sie jemand, der der Nachfolger für den Braumeister im Schlenkerla machen kann?“ Da habe ich kurz überlegt, sage ich: „Ja, da würde ich jemanden kennen.“ Ja wen? Da sage ich: „Der steht vor Ihnen.“
Markus: Perfekt! Sehr gut.
Martin: Ja und dann hat er gemeint, ja, dann müssen Sie sich halt drum kümmern, ja. Ja, dann habe ich angerufen, also einen Tag drauf habe ich dann angerufen hier und dann haben wir da relativ schnell Termin ausgemacht gehabt und haben da, ich glaube, drei Stunden lang, uns unterhalten. Haben wir auch den Betrieb natürlich angeschaut und dann habe ich schon gewusst, da kann man was machen, ja.
Markus: Hast dich verliebt da.
Martin: Da sind auch die nötigen finanziellen Mittel da, dass man auch investieren kann, ja. Und das ist ja, da dran krankt es bei vielen kleineren Brauereien, dass die einen Investitionsstau haben und dann einfach nicht mehr wissen, wo sie anfangen sollen, ja. Also man muss schon ständig irgendwas machen. Und da war auch die Bereitschaft da, etwas zu machen, ja.
Markus: Finde ich sehr interessant, also weil, ich meine, heute, klar, heute kennt jeder Schlenkerla, auch international, das ist eine große Marke, das ist interessant, auch hier in der Wirtschaft ist eigentlich immer was los. Wenn ich mich erinnere, so in den 90ern, da war ich grade im Bamberger Domchor, war grade so im Männerchor angekommen, in einem Alter, wo man dann jeden Sonntag nach der Messe oben im Dom runter ist und hier Frühschoppen gemacht hat und so.
Martin: So die Stimmen ölen, ja?
Markus: Genau, ja, also dann im Nachhinein geölt, aber auch egal. Und das war immer sehr, sehr schön und auch beeindruckend. Trotzdem habe ich das wirklich noch sehr, sehr, ja, konservativ oder halt so in Erinnerung, wie man es jetzt aus, es gibt ja so einen historischen schwarz-weiß-Film noch vom Schlenkerla ….
Martin: Ja, mit dem Lohmeyer, ja.
Markus: Mit dem Lohmeyer, genau, das ist sehr in …
Martin: Genau, den kenne ich auch, ja.
Markus: Und so habe ich das, ehrlich gesagt, auch noch in Erinnerung. Und hatte das damals schon einen überregionalen Stellenwert oder war das noch eher noch so ein Geheimnis, Schätzchen, wie auch immer?
Martin: Also international waren wir damals schon, zwar nicht in dem Umfang wie jetzt, aber so ein paar Kunden im Ausland hatten wir schon, ja. Vor allen Dingen im europäischen Ausland, aber wir hatten auch einen in den Vereinigten Staaten schon, der hat aber bloß so zweimal im Jahr was abgerufen, ja. Und das hat sich dann erst ziemlich deutlich geändert, wie der Junior Matthias Trum dann übernommen hat im März 2003, aber bis dahin, ich habe am 01.07.97 hier angefangen, hat man eigentlich da bedient, was zu bedienen war, aber so riesen große Aktionen, um neue Kunden zu generieren, die sind nicht so gelaufen, ja.
Markus: Weißt du noch, wann du dein erstes Rauchbier getrunken hast?
Martin: Ja, das weiß schon. Das war 1980 …
Markus: Oh! Okay.
Martin: … während dem Studium. Da habe ich eine Zeitlang mit einem Kommilitonen aus Schweinfurt zusammengewohnt und wir hatten es immer so gemacht, wenn einer Heim gefahren ist, also in die Heimatgegend, dann hat er einen Kasten Bier mitgebracht, also irgendeins, musste nicht immer der gleiche sein. Und den haben wir dann zusammen vernichtet. Und da hat der Harald, so hat der geheißen, der hatte einmal einen Kasten Schlenkerla da mitgebracht gehabt. Und da hocken wir abends da in der Küche zusammen und machen das Erste auf und ich trinke das und sage: „Harald, den Kasten, den kannst du alleine trinken.“ Ja, also das war wirklich ein Kulturschock, ein richtiger Kulturschock. Aber ich bin dann in LGA wieder mit dem Bier in Berührung gekommen, weil Schlenkerla war ja Kunde von uns und wir mussten dann natürlich auch immer wieder Biere verkosten. Und da habe ich mich dann so allmählich heran gerobbt, an dieses Bier.
Markus: Was hättest du dem Harald damals gesagt, wenn er dir gesagt hätte, pass auf, da wirst du mal Braumeister.
Martin: Du spinnst wohl.
Markus: Ja, als dann näherst du dich der Sache. Und wie, heute würde man ja sagen, das Onboarding, also wie ging das so, als du hier in Bamberg ankamst, mit der Stadt, mit der Brauerei, wie bist du da so warmgeworden, war das easy, war das schön oder war das auch ein bisschen holprig?
Martin: Also die Stadt war mir ja nicht unbekannt. Wir sind 1994 in unser Haus in Hirschaid eingezogen, da waren wir ja ein bisschen außerhalb, ja und von daher waren wir auch immer wieder Mal an Wochenenden hierhin, haben so die Stadt erkundet. Und sie gefällt uns beiden natürlich, ja und von daher war die Stadt kein Fremdkörper für mich, ja. Bei der Brauerei, gut, da musste ich natürlich, als kleine Brauerei, musste ich die Leute kennenlernen. Und da gibt es halt solche und solche Typen, immer, ja. Also der Oberbrauer, der dort tätig war, mit dem habe ich sehr gut zusammengearbeitet, der ist leider schon verstorben. Und der war die Ruhe selbst, ja und hat so Seins vor sich hingemacht. Und den habe ich dann auch immer wieder gefragt, wie ist das do so vom zeitlichen Ablauf, welche Organisationsstrukturen da, ja. Weil ich habe mir ja den Übergang so vorgestellt gehabt, mein Vorgänger hört auf, am 30.06. und ich fange an am 01.07.. Nicht, dass ich was gegen meinen Vorgänger habe, mit dem verstehe ich mich heute noch gut, ja, der war lange Zeit mein stellvertretender Vorsitzender im Museumsverein, ja. Aber ich wollte einfach nicht das eins zu eins weitermachen wie bisher, sondern einfach die Leute fragen, was war, wie habt ihr es gemacht und was meint ihr, könnte man anders machen, ne? Und letztendlich haben wir erst einmal nicht viel geändert, weil man nicht viel ändern musste auch, ja, die Organisation war ganz in Ordnung. Es war ein relativ festgegossenes Schema, das beim damaligen Ausstoß auch durchaus praktikabel war, ja. Und das ging auch fünf Jahre, ja, wo der Ausstoß immer so blimblim, in der Lage war, ja, das ging eigentlich erst los, wie dann der Matthias drüben übernommen hatte. Weil, der hat das Potenzial schon gesehen und war auch durchaus gewillt, dieses Potenzial zu heben, ja und da gingen dann natürlich auch die größeren Investitionen los. Bei seinem Vater haben wir natürlich auch Investitionen gemacht. Das Erste, was wir gemacht haben, war ein neuer Flaschenfüller, weil der alte war wirklich untragbar. Und das war ein riesen Act, ja. Aber das geht halt auch nur, wenn eine Brauerei gesund ist, ja. Es müssen die Mittel da sein, das man investieren kann, ansonsten geht das nicht, ja.
Markus: Ja und man muss auch sehen hier, das war auch eine Zeit, wo auch Bamberg so ein bisschen aufgewacht ist. Also da …
Martin: Richtig, ja.
Markus: … wurden wir Weltkulturerbe, da hat man überhaupt auf dieses Thema Tourismus angefangen mehr Wert zu legen. Die Gastronomie hat sich dem auch ein bisschen gestellt.
Martin: Richtig.
Markus: Also da war dann auf einmal auch so was eine Brauerei und noch dazu eine weltweit einzigartige Brauerei, zumindest also Brauereiart, die es nur in Bamberg zweimal gibt, aber im Grunde halt einzigartig ist. Das war einfach ein Pfund, wo dann auch wirklich die Bamberger und auch die Offiziellen und alle da ganz anders damit umgegangen sind. Also das war sicherlich auch was, wo man dann diese positive Aufwertung und Wertschätzung irgendwie so ein bisschen mitnehmen kann, denke ich.
Martin: Das ist vollkommen richtig, also dieses Alte, das Honorige, das man in dem Film vom Lohmeyer noch durchaus betont sogar, ja, das war doch jetzt hier verschwunden. Und da hat mit Sicherheit der Weltkulturerbetitel viel dazu beigetragen und der damit einhergehende Boom des Tourismus, ja. Da bin ich schon fest überzeugt davon, dass das eigentlich so der Schalter war, der umgelegt werden musste, damit das etwas verschnarchte Bamberg weltoffener wird.
Markus: Das stimmt.
Martin: Und das sieht man jetzt heute, die letzten 20 Jahre schon eigentlich überall, ja, da ist nix mehr so ein bisschen, die deutschen Kleinstädter, ja. Das ist nicht mehr da, es ist eine Weltstadt geworden, ja.
Markus: Das stimmt, ja. Nee, also auf jeden Fall, der Austausch ist größer, insgesamt also. Genau, wir kommen jetzt auch gleich noch ein bisschen zu den Bieren. Eine Frage nochmal vorweg, und hast grade so nebenbei gesagt, du bist dann 94 nach Hirschaid gezogen. War das dann schon eine bewusste Entscheidung, also war das da noch in dieser Gewerbegeschichte oder wie …
Martin: Da war ich natürlich noch in der Landesgewerbeanstalt. Aber meine Frau, die ist Bibliothekarin, die hat sich dann 92 nach Bamberg versetzen lassen …
Markus: Aha.
Martin: … ja und ich war in Nürnberg beschäftigt und dann haben wir gesagt: „Ja, dann müssen wir an der Bahnlinie zwischen Bamberg und Nürnberg was finden.“ Weil, also Maßgabe war, wir bleiben bei einem Auto. Wir haben nie mehr als ein Auto gehabt, ja und da haben wir auch immer hingekriegt, ja. Und das ich eben mit dem Zug nach Nürnberg fahren kann oder wenn ich das Auto brauche, weil ich ja auch im Außendienst unterwegs war, dass sie mit dem Zug nach Bamberg fahren kann also. Und das war eigentlich die Entscheidung für Hirschaid. Wenn ich gewusst hätte, das ich irgendwann mal in Bamberg lande, dann hätten wir uns natürlich hier gleich eine Bleibe gesucht, das ist klar, aber das kannst du nicht riechen, sowas, ja.
Markus: Nee. Und da seid ihr heute noch?
Martin: Da sind wir heute noch. Und ich meine, wenn man ein eigenes Haus hat, da bin ich halt auch nicht so wie die meisten Amerikaner, denen das ja scheißegal ist mehr oder weniger, bin ich heue hier, bin ich morgen da, Hütte verkaufen, dort wieder eine kaufen. Also da sind die Deutschen auch durchaus anders gestrickt, ja.
Markus: Ja, okay, dann sagen wir mal wieder Prost …
Martin: Ja, Prost.
Markus: … und widmen uns dann den Bieren. Ja, jetzt haben wir grad drüber gesprochen, ihr in Hirschaid, euer Häuschen, deine Frau in Bamberg als Bibliothekarin sozusagen. Was hat sie denn überhaupt zu dem Ganzen gesagt, also als sie dich kennengelernt hat und gesagt, Mensch, der ist Brauer, lächelt eine Frau da oder hat sie da Angst oder wie ist das?
Martin: Nee, Angst hat sie keine gehabt. Nö, das war eigentlich, war alles in Ordnung. Und die hat dann natürlich vielleicht auch entdeckt, dass ihr das Bier auch schmeckt.
Markus: Ah ja. Also ihr trinkt gerne auch mal eins gemeinsam?
Martin: Ja, natürlich, natürlich, ja.
Markus: Sehr schön. Und sie war dann schon immer in dem Buchsektor sozusagen, Bibliothekswesen tätig?
Martin: Ja, das hat sie nach dem Abitur, die Ausbildung gemacht in der Bayrischen Staatsbibliothek, glaube ich, ist. Aber frag mich sowas nicht so genau, das ist nicht …
Markus: Nein, nein, nein. Aber ist ja interessant, also weil, letzten Endes sind es ja auch Lebenswege, die zusammenkommen und dann auch zusammen weitergehen.
Martin: Ja, ja.
Markus: Und man erlebt es ja oft bei vielen Leuten, dass sich das dann auch wieder ein bisschen auseinander entwickelt. Und es ist, glaube ich, viel Arbeit, dass man eben sagt, man bringt das ein Leben lang zusammen. Das, finde ich, ist schon auch eine Leistung irgendwie, ne?
Martin: Ja, ich sage mal so, viel Glück dabei und, ja, man muss ein bisschen tolerant sein von beiden Seiten und dann geht das auch. Und, ja, ich sage ja immer, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich und dann kommt man auch immer wieder zusammen, dann ist es auch gut, ja. Und was ich halt so feststelle, das ist jetzt gesellschaftspolitisch ein bisschen, dass die Leute auch kein Durchhaltevermögen mehr haben. Da tauchen die ersten Schwierigkeiten am Horizont auf, push, geht man auseinander, ja. Also finde ich nicht gut, die Entwicklung, ja. Und das ist überhaupt, das überträgt sich dann auch auf die ganze Gesellschaft. Wir leben ja inzwischen in einer Empörungsgesellschaft, dass es alles zu spät. Und da hält keiner mehr irgendwas aus, sondern die Regierung muss weg, dann kommen die anderen, die Regierung muss auch weg, ja. Und, gut, die asozialen Medien tun ihr übriges, ja. Aber die Leute haben, glaube ich, viele nicht einmal irgendein Ziel mehr vor Augen, wo sie sagen können, da möchte ich irgendwann mal hinkommen, sondern mal so, mal so, mal so, mal so. Und immer so dieser leichte Erfolg, der einem ja von vielen Influezerinnen vor allen Dingen vorgegaukelt wird, den gibt es nicht, ja.
Markus: Klar. Ja, mir ist das neulich so bewusst geworden, da habe ich einen Artikel gelesen, da ging es drum, dass bei einer ganz normalen Firma, die jetzt halt mit den aktuellen Zeiten ein bisschen zu kämpfen hat, einfach ein Berater angerufen hat und gesagt hat: „Naja, also ihr seid ja da, aber ihr habt jetzt grade schwere Zeiten. Wie wäre es denn, wenn ihr Insolvenz anmeldet, dann machen Sie persönlich als Inhaber am Ende daraus mehr Gewinn, als wenn Sie das weiterführen.“ Und das ist so das Denken, was dahintersteckt, wenn man überlegt, so eine Brauerei, die ja halt seit 10, 15 Generationen existiert, die lebt ja davon, dass es Zeiten gibt, in denen man eben investiert oder zubuttert oder eben auch eben nix rausziehen kann und dafür gibt es dann wieder Zeiten, wo andere davon vielleicht profitieren. Aber man nimmt dieses Unternehmen als, sage ich mal, wie so ein Lebewesen auch wahr, dem man immer was gibt und was nimmt und wo das eben Hand in Hand ist. Und es war anderes ist, als wenn ich sage, in dem Moment, wo es mir nix mehr bringt, schmeiße ich es weg. Und das ist, glaube ich, grade für Brauereien auch ein Thema, grade wo wir über Schlenkerla und drüber reden, dass die da eben noch Investitionsmöglichkeiten immer hatten. Das ist einfach die Kunst, glaube ich, als Unternehmer, das wirklich auch zu leben und mit diesem Unternehmen gemeinsam zu existieren, so gesagt.
Martin: Ja, ja, ich meine, das gab es ja im Altertum schon, ja, siehe Bibel, Altes Testament, die sieben fetten Jahre, die sieben mageren Jahre, ja. Damit haben die Ägypter auch auskommen müssen, ne. Sind sie ja auch.
Markus: Sind sie auch, genau.
Martin: Aber bei uns muss immer alles nur so nach oben gehen, ja und wenn das nicht der Fall ist, dann gehören die da oben alle weg, ja. Und die anderen machen es auch nicht besser, ja, also.
Markus: Ja.
Martin: Das sind halt nun mal, wir haben gewisse Rahmenbedingungen, in denen bewegen wir uns, in denen müssen wir uns bewegen, weil die können wir nicht ändern, ja, zumindest viele nicht, ja. Und vor allen Dingen, die größte Rahmenbedingung, die wir auch überhaupt nicht ändern können, ist natürlich das Klima bei uns, ja.
Markus: Richtig.
Martin: Und da können wir nur irgendwas dafür tun, dass es nicht gar so schlimm wird wie es schon ist, ja, um den Karl Valentin zu zitieren.
Markus: Ja, richtig. Auch da, also letzte Anekdote, bevor wir dann zum Bier kommen. Aber ich habe neulich einen Workshop gehabt, auch mit einem Unternehmen, weil es ging drum, so eine Vision zu entwickeln für die Zukunft. Und die Aufgabenstellung war, wie stellt ihr euch die Welt in 2060 vor? Und nun waren das insgesamt 25 Leute, durchaus höherrangig und alle haben ein absolut negatives Bild gezeigt. Also haben gesagt, in 2060, da leben wir entweder unter der Erde oder wir haben uns einen zweiten Planeten gesucht oder was weiß ich was. Aber es hat keiner irgendwie den Eindruck vermittelt, wir schaffen das und wir finden dann einen Weg und wir haben dann auch ein blühendes Land, sage ich mal. Und das finde ich schon, macht mich nachdenklich, wenn man sieht, dass Leute in einem Unternehmen, auch durchaus in Führungspositionen, dass die schon in gewisser Weise fatalistisch sind. Denn, wie sollen die denn jetzt noch positiv agieren, wenn sie selber nicht dran glauben, dass man das irgendwann schafft? Aber, na gut.
Martin: Ja, gut, es gibt ja den alten Spruch, wenn man jemand für was begeistern möchte, muss man von der Sache selber begeistert sein, sonst funktioniert das überhaupt nicht, ja. Und mit dem Spruch hat ja der Lafontaine damals den Scharping vom SPD-Vorsitz raus gekickt, zum Beispiel, ja. Und wenn wir die Dinge linear so fortschreiben, wie sie Zurzeit laufen, dann kann ich den Pessimismus verstehen, ja. Wenn man aber nicht den Mut aufbringt zu sagen, wir müssen was ändern und es wird vielleicht oder mit ziemlicher Sicherheit an unserem Wohlstand was abknapsen. Weil für umsonst kriegst du nix, ganz einfach, ja. Nix ist umsonst, nur der Tod und der kostet das Leben, ne.
Markus: Ja.
Martin: Und da muss man halt investieren, aber halt auch in der Hoffnung, dass die Investition was bringt, ja. Nicht nächstes Jahr und nicht übernächstes Jahr, aber vielleicht in 20, 30 Jahren. Und dieses Durchhaltevermögen, das vermisse ich, ja, das vermisse ich ganz, ganz schwer. Weil wir haben eigentlich nur die Chance, das zu tun, was uns die Wissenschaft sagt, ja und die Wissenschaft ist sehr eindeutig, bis auf ein paar Spinner, die sich da immer so ein bisschen außerhalb stellen, aber Spinner hat man überall, ja, wir müssen was tun. Und letztendlich die Dekarbonisierung der gesamten Industrie ist alternativlos, auch wenn ich den Begriff sehr ungern gebrauche, weil in einer Demokratie sollte nichts alternativlos sein, aber in wissenschaftlichen Dingen gibt es halt Dinge, die alternativlos sind. Die Natur exerziert ihre Gesetze gnadenlos, vollkommen gnadenlos und vollkommen emotionslos, ja. Die Emotionen bringt der Mensch rein, ja. Aber jetzt gleiten wir sehr in Philosophische ab.
Markus: Naja, aber wir kommen ja ein bisschen auch zum Thema Bier, weil, also grade eine Rauchbierbrauerei lebt auch ein bisschen vom Karbon, sage ich mal …
Martin: Ja, ja, richtig.
Markus: … weil natürlich da Holz durchaus eine Rolle spielt. Trotzdem, ist grade für Brauereien heutzutage das auch eine Herausforderung, ressourcensparend, ressourcenschonend …
Martin: Richtig, ja.
Markus: … zu arbeiten. Viele schaffen es, aber auch schon bis zu einem guten Grad, man ist da auf einem guten Weg. Und jetzt schauen wir einfach nochmal zurück, du kommst da im Schlenkerla an, du bist dann dort inthronisiert, sagen wir mal und da gibt es drei Biere. Also wir sie ja auch hier stehen, da gibt es das Märzen, da gibt es den Urbock und da gibt es das Lager sozusagen. Also Märzen und Urbock, das ist ja im Grunde in der guten alten Tradition, sage ich mal, die beiden Klassiker, die es in fast allen Brauereien hier in Franken gab. Manchmal eher als Pärchen von Kellerbier und Märzen und dann vielleicht noch einen Bock oder so, aber zumindest so in diesem Rahmen. Das waren wahrscheinlich auch historische Rezepte, die mehr oder weniger unverändert waren. Das Lager ist heute ja was Besonderes, war es damals auch schon. Wie ging es dir, als du die drei Biere vorgefunden hast, was ist da so in deinem Kopf passiert?
Martin: Na gut, die habe ich angenommen wie sie sind, bleibt mir ja nix anderes übrig. Und ich habe natürlich schon versucht, die auch so zu gestalten, dass man sie gern trinkt, ja. Also ein Kollege von mir, ehemaliger Chefredakteur von der Brauwelt, der hat irgendwann mal zu mir gesagt: „Du hast dem Märzen eine drinkability verliehen.“ Also es ist ja so, wenn ich ein Bier trinke, dann sollte es den Wunsch erzeugen, das nächste gleich hinterherzuschicken, ja.
Markus: Ja.
Martin: Und das haben wir beim Märzen durchaus geschafft. Wobei das eigentlich nur ganz, ganz kleine Sachen waren, ich habe halt auch das angewandt, was ich in der LGA gelernt hatte, ja und was ich auch immer geprägt habe. Ich habe immer gesagt, Leute, schaut auf eure Vergärungen! Das Bier muss ordentlich vergoren sein, ja. Der Zucker, den wir im Sudhaus gebildet haben, der muss halt nahezu komplett in Alkohol umgewandelt werden und nicht nur zu Dreiviertel oder sowas, ja. Und wenn man sich da ein bisschen drum kümmert, dann weiß man auch, wo man eingreifen kann, dann sieht man schon, wo es ein bisschen hängt, wo man noch was besser machen kann. Und das waren eigentlich so die Sachen, mit denen ich da am Anfang ein bisschen gekämpft habe. Und geschaut auch, dass die Mikrobiologie in Ordnung ist. Da waren immer so ein paar kleine Punkte, es war nicht viel, aber ein paar kleine Punkte waren es und die haben wir dann auch durch konsequente Reinigungs durchaus in den Griff bekommen. Und, ja, aber wie gesagt, mir war es wichtig, dass die Vergärungen ordentlich sind und das sie auch immer relativ gleichmäßig sind, ja. Also ich kann nicht einmal ein Bier haben, das hochvergoren ist und das Nächste, was rauskommt, ist dann irgendwo, läuft da geschmacksmäßig breit auseinander, weil es einfach sehr niedrig vergoren ist. Das geht nicht so, das kann man nicht machen, ja.
Markus: Ja, also nehmen wir es ruhig mal hier in die Hand. Also die Meisten werden es kennen von euch, das klassische Schlenkerla Märzen. Vielleicht noch eine Frage, wenn du dich erinnerst, in deiner WG hast du ja damals einen Kasten mitgebracht bekommen und hast erstmal gesagt, nicht so meins.
Martin: Ja, richtig, ja.
Markus: Und dann hast du eben gesagt, jetzt hast durch die drinkability der Sachen ein bisschen angenommen. Was ist denn oder was würdest du sagen, ist der Unterschied zwischen dem, was du damals in der WG bekommen hast und dem, was du dann draus gemacht hast? Also kann man das konkret sagen, was da so …
Martin: So direkt vergleichen kann man es nicht ganz. Es war zwar damals auch ein Märzen, aber das ist ziemlich krachend dahergekommen, ja. Und das ist eigentlich schon im Laufe der Zeit, also das Kracherte ist ein bisschen abgemildert gewesen. Was halt ich dann geschaut habe ist, das wirklich die Vergärungen alle gleichmäßig sind, ja. Das ich immer halbwegs gleichmäßig so mit einem Unterschied von, ja, plus/minus zwei, drei Prozentpunkte im Vergärungsgrad, ist ja ein prozentualer Wert, ja, dass ich da nicht große Schwankungen habe, ja.
Markus: Kracherts im Sinne von rauchig oder von …
Martin: Ja, da war das Rauchige sehr krachend dahergekommen, ja.
Markus: Und ist das vielleicht auch ein Grund, warum das Märzen hier sich als das Hauptbier etabliert hat, dass die Vergärung früher nicht so hoch war und man deswegen es generell schon mal stärker eingebraut hat?
Martin: Nee, also das Märzen, das hat historische Gründe. Es gab bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Vorschriften, das waren feuerpolizeiliche Vorschriften hauptsächlich, dass man von Georgi bis Michaeli nicht brauen durfte, ja, also vom 23. April bis zum 29. September. Und um natürlich über den Sommer genügend Biervorräte zu haben, haben die Brauer dann früher die letzen Biere, die sie gemacht haben, stärker eingebraut, ja. Ja und die letzten Biere haben sie im März gemacht, da kommt der Name her, ja. Und lustiger Weise, wir hatten beim Professor Narziß das Sudhauspraktikum und waren wir immer so Gruppen zu vier, fünf Leuten und da musste jede Gruppe ein Bier machen. Natürlich haben sich alle damals, 1980, auf ein Pils gestürzt, ja. Da habe ich gesagt: „Nö, das will ich nicht“, habe meine Kommilitonen überzeugt, habe gesagt: „Wir machen ein Märzen.“ Ja, schau her, wo bin ich gelandet?
Markus: Ja, ja.
Martin: Und ungefähr nach dem Verfahren, also das Maischverfahren ist ungefähr das, was wir übertragen.
Markus: Nicht schlecht. Aber worauf ich raus wollte ist, im Spezial zum Beispiel, da habe ich ja auch ein Märzen, aber das ist nach wie vor eher eine Spezialität, in Anführungsstrichen oder ist eher eine Nische und da gibt es eben das ursprüngliche Kellerbier, sage ich mal, gibt es als Lagerbier.
Martin: Das Lager, ja.
Markus: Und das ist schon außergewöhnlich, warum man hier im Hause dieses ursprüngliche, eigentliche Lager, also die leichtere Version von dem Märzen, gar nicht mehr hat, sondern das Märzen eben von vorneherein das Hauptthema ist.
Martin: Das war eigentlich immer, soweit ich zurückdenken kann, war das die Hauptsorte, ja. Und war vielleicht auch so ein bisschen das Unterscheidungsmerkmal zum Spezi, ja. Es ist ja nicht so, dass man sich irgendwo bekämpft, aber man muss sich auch ein bisschen unterscheiden, ja. Womöglich ist das einer der Gründe. Aber ich kenne das Schlenkerla nicht anders als das Märzen. Das Lager, das nächste da, hier, dieses, also das …
Markus: Ja, es wird blau.
Martin: … ist ein Nichtrauchbier, ja, deswegen wird es auch hier nicht ausgeschenkt. Und das ist eigentlich, ja, aus einer Not heraus geboren worden. Die Brauerei hat früher, das ist so in den 20er-Jahren, letztes Jahrhundert war das schon, das Bahnbetriebswerk hier beliefert und die wollten das Märzen nicht, das war ihnen zu stark und zu rauchig. Da musste da also was her, was ohne Rauch. Und da ist das Lager geboren worden, ja. Und das hat halt nur 11,5 Stammwürze, das Märzen hat 13,5 Stammwürze, macht sich natürlich im Alkoholgehalt bemerkbar. Und das ist ein vollkommen anderer Bierstil. Die stehen beide nebeneinander und tun sich nicht weh gegenseitig, ja.
Markus: Ja. Werden aber im selben Sudhaus gebraut?
Martin: Ja.
Markus: Und früher war es ja auch schon so, dass man die Hefe aus der ganz normalen Brauerei eben, wo auch mit dem Rauchmalz gebraut worden ist, dann eben auch für das verwendet hat. Das heißt, das Malz hat man dann auch schon immer zugekauft dafür?
Martin: Ja, das war immer gekauft, das Pilsner Malz, ja.
Markus: Und dieser Rauchcharakter, der ja dann über die Hefe trotzdem rein kommt, ich habe da neulich mal so ein bisschen nachgelesen, das muss früher mal noch intensiver gewesen sein und ist jetzt weniger geworden. Kann man das so sehen oder ist das so eine persönliche Wahrnehmung vielleicht?
Martin: Das würde ich eher in das Kapitel persönliche Wahrnehmung schieben. Weil es ist immer so, also da haben wir schon auch immer Wert gelegt drauf, dass die Hefe, die wir hernehmen, mindestens zwei-, dreimal durch ein Märzen gegangen ist, ja. Weil dann lagert die Hefe einfach genügend rauchig schmeckende Partikel an und die gibt sie dann in eine Würze, die eben keinerlei rauchig schmeckende Partikel hat, wieder ab.
Markus: Ja und das macht dieses Bier so einzigartig. Also ist für mich zum Beispiel in jedem Biersommelierkurs, den wir machen, ist das das erste Bier, was wir trinken, weil ich mit den Leuten da ja immer die Sensorik übe. Und mir geht es drum, ich will ihnen ein Bier geben, was sie definitiv, also außer, sie kommen jetzt von hier, aber sonst so noch nicht getrunken haben.
Martin: Richtig.
Markus: Wenn jemand ein normales Helles hat, okay oder halt, was weiß ich, ein Kellerbier oder alle Möglichen, aber sowas jetzt, also was erst so unscheinbar daherkommt wie ein Helles und eine schöne Bitternote auch hat, aber dann eben dieses Rauchige dazu, vom Alkohol nicht so hoch. Also das ist was, wo ich sensorisch einfach, wo Leute wirklich denken müssen und reinriechen müssen, was die Leute beschäftigt und wo man schon mal so ein bisschen Schubladen aufmachen kann, ohne jetzt komplett in die internationale Trickkiste zu greifen, deswegen finde ich das so schön. Und das ist auch einfach ein super tolles Sommerbier, finde ich. Das kann man richtig schön aus einem großen bauchigen Glas, ist das im Sommer woah!
Martin: Klar.
Markus: Magst du auch gern?
Martin: Ja, ist eigentlich das Hauptbier bei uns Daheim. Also das Märzen, habe ich auch immer eins Daheim, aber meine Frau bevorzugt das Lager und das trinken wir eigentlich am meisten auch zu zweit dann.
Markus: Und du warst ja logischerweise dann auch in der Mälzerei, also im Schlenkerla, ist das ja nicht getrennt. Wenn, dann macht man alles, ne?
Martin: Ja, ja. Ich habe während des Studiums das Mälzen ganz praktisch gelernt. Das war, ja, anstrengend, weil da musste ich auch mitten in der Nacht raus. Und der Malzmeister damals, der war da gnadenlos, wenn du fertig bist, bist du fertig, ja und dann kannst du wieder Heim gehen. War aber gut, ich habe viel gelernt da und das war sehr, sehr schön. Und in Passau, wie ich war, hatten wir auch eine Brauereimälzerei noch. Da habe ich natürlich davon auch profitieren können und habe da auch ein bisschen was verbessern können. Und die haben wir aber dann irgendwann mal aufgegeben, A) weil wir den Platz für was anderes gebraucht haben und B) weil es einfach auch wirtschaftlich nicht mehr darstellbar war. Also der Preisunterschied zwischen Gerste und Malz hat die Produktionskosten unterschritten und dann ist es natürlich irgendwo widersinnig, das selber zu machen.
Markus: Ja. Wobei man halt sagen muss, im Schlenkerla und auch im Spezial ist das einfach so besonders, dass man ja da gar nicht anders kann.
Martin: Nee, da musst du.
Markus: Also die könnten ja jetzt nicht sagen, wir kaufen irgendein Rauchmalz zu …
Martin: Nee, nie im Leben.
Markus: … weil das einfach einen komplett anderen Charakter hat. Und außerdem bedeutet es ja auch bei der Personalauswahl, da muss ich dann eben jemanden holen, der auch Erfahrung in einer traditionellen Mälzerei irgendwie hat. Also auch der Michael, der ja jetzt Braumeister ist, war ja bei Augustina und hat ja da die entsprechende Erfahrung.
Martin: Richtig, ja.
Markus: Und ich war da auch schon unten und ich finde es faszinierend, was die da unterirdisch mit ihrer Tennenmälzerei da so alles anstellen. Und das heißt, also ohne wirkliche gute Mälzerfahrung kann man im Schlenkerla eigentlich nicht arbeite, ne?
Martin: Nee, also ein bisschen Ahnung sollte man schon haben davon, ja, es erleichtert die Sache doch.
Markus: Das stimmt. Ja, ja und es ist eben nicht nur das Knöpfchen drücken, das ist da mit dem Rauchmalz, das ist halt was anderes.
Martin: Ja, wir gehen in der ganzen Brauerei grundsätzlich mit lebendigen Sachen um, ja und lebendige Sachen muss ich anders anfassen als ein Stück Eisen oder Stahl oder sonst irgendwas, ja. Oder auch ein Stück Holz, dass ich als Schreiner zu Möbel verarbeite, ja, das ist was vollkommen anderes, ja, da muss ich exakt sein. Und da kann ich es auch voraussagen. Bei lebendigen Sachen kann ich nicht genau voraussagen, was die machen, weil die Natur macht was sie will, nicht was wir wollen, ne. Und wir müssen die Natur halt in die Richtung schubsen ein bisschen, ob sie den Weg dann zu Ende geht oder nicht, das haben wir nicht immer ganz in der Hand.
Markus: Aber ihr tut euer Bestes.
Martin: So ist es, ja.
Markus: Und da können wir auch noch kurz über den Bock reden. Das ist ja insofern auch spannend, weil, also erstmal der Urbock, das ist der erste Bock, der angestochen wird in Bamberg. Also das ist dann schon relativ früh im Bockbierjahreskreislauf, wird das Ganze ja schon zelebriert. Führt mich auch dazu, wenn du hier dann so angekommen bist in der Bamberger Bierkultur, wir haben ja dieses Thema Bockbieranstich. Das wird, glaube ich, sonst wo in Bayern nicht so intensiv gelebt. Wie ging es dir denn damit? Also kannst du dich an deinen ersten Bockbieranstich erinnern, wie hast du das so erlebt?
Martin: Ja natürlich. Wobei die Ersten so bis zum Jahr 2003 wahrscheinlich, gehe ich mal davon aus, dass es da auch so allmählich nach oben gegangen ist, hat auch ein bisschen was mit der Bockbierkultur überhaupt zu tun, was auch die anderen Brauereien hier in Bamberg betreiben, da ist das einfach immer mehr zum Event geworden. Der Erste, den habe ich 1997 erlebt, da war natürlich hier die Wirtschaft proppenvoll, mit dem entsprechenden Lärmpegel. Und damals ist auch noch geraucht worden, also da war hier ziemlicher Neben herinnen auch noch. Und da ist einfach, ja, das Märzen durch den Bock ersetzt gewesen und das Märzen hat dann bloß so eine Randrolle gespielt. Und da war halt dann so ein Bockanstich, ja, was haben wir da gehabt, vielleicht 10, 15 Hektoliter Bier, ja und das war es dann auch. Und dann ist so den Rest der Bockbierzeit, die jetzt ja bis Dreikönig geht, ist das so dahin getröpfelt. Und das hat sich dann irgendwann mal gewaltig geändert dadurch, dass wir den Bockanstich dann in den Hof hinaus verlegt haben, ja, weil eben auch der Event-Charakter immer weiter zugenommen hat. Und da mussten wir den jungen Leuten, die da natürlich hauptsächlich dann vertreten sind, auch Platz bieten, ja und da hat sich der Hof natürlich angeboten, der hat danach geschrien, nach sowas, ja. Und da sind dann die Mengen ganz andere geworden, ja.
Markus: Aber generell, also für alle, die das jetzt nicht so kennen oder wissen, es ist eben so, dass man hier bei uns in Franken hauptsächlich und auch in der Bamberger Gegend eben das neue Bockbier des Jahres, in der Regel geht es da um den Winterbock, entsprechend zelebriert. Sprich, da gibt es dann einen Tag, wo es eben angestochen wird, zum ersten Mal ausgeschenkt wird. Da kommen dann wirklich aus der ganzen Stadt 100e, teilweise 1.000e von Leuten zusammen und stehen teilweise eine halbe Stunde, eine Stunde an für ein Bier, was wirklich sehr erstaunlich ist eigentlich. Und es gibt auch, also ist zwar ein Event, aber ist jetzt nicht so, dass wir dann, was weiß ich, drei Musikbühnen und fünf …
Martin: Nee, brauchen wir nicht.
Markus: Essenswägen haben oder so, es geht wirklich nur um das Bier. Und das ist wirklich faszinierend und ist dann auch für die Leute, die hier leben und das gerne machen, so ein Teil des Jahreskalenders. Weil dann habe ich praktisch alle zwei, drei, vier, fünf Tage, kann ich zu einer anderen Brauerei gehen und dort eben das neue Bockbier trinken. Und das ist wirklich eine sehr schöne Tradition, die auch vor allem das Miteinander und diese gemeinsam gelebte Bierkultur sehr belebt. Und, man muss auch sagen, es kommt sehr, sehr selten zu Ausfallserscheinungen, die man normalerweise mit dem Thema Bockbier verbindet, irgendwie scheinen die Leute damit halbwegs gut umgehen zu können.
Martin: Die können offensichtlich ganz gut damit umgehen. Und die Bockanstiche, die gehen ja so reihum durch, Schlenkerla ist immer der Erste, erster Donnerstag im Oktober, es sei denn, es ist der 2. Oktober. Das haben wir einmal gemacht, da gehen die Leute nicht mehr Heim, weil am nächsten Tag Feiertag ist. Und das zieht sich ja bis Ende November, der Greifenklau ist, glaube ich, einer der Letzten dann, da ist der Bockanstich dann schon öfters im Schneegestöber gewesen, ja.
Markus: Richtig, ja.
Martin: Aber es ist überall ein riesen Event geworden. Und das ist auch gut so, also mir gefällt das auch, ja.
Markus: Ja, nee, absolut, ja.
Martin: Es muss ja nicht jeden Tag Halligalli sein, aber einen Tag Halligalli, das ist auch mal in Ordnung, ja.
Markus: Ja und einfach das Bier auch ein bisschen zu wertschätzen und zu ehren gehört auch dazu. Ja, dann vielen Dank schon mal dafür, wir werden gleich noch über den nächsten Bockbierschlag unter anderem sprechen, den du ja dann mit initiiert hast. Aber jetzt sind wir erstmal da bei dem, was du vorgefunden hast und das war auf jeden Fall schon mal ein schönes Trio, also prost.
Markus: Soweit der erste Teil unseres Interviews mit Martin Knab und jetzt könnt ihr euch freuen auf Teil 2, entweder, wenn ihr jetzt gleich die Folge bei der Veröffentlichung gehört habt, dann wird es noch zwei Wochen dauern, bis die zweite Folge kommt. Ansonsten, wenn ihr das hier später in der Mediathek findet, dann einfach auf die nächste Folge klicken.
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