BierTalk 124 – Interview mit Andreas Krennmair, Hobbybrauer und mehrfacher Bierbuch-Autor aus Berlin

Andreas Krennmair stammt aus Österreich, lebt mittlerweile in der Bundeshauptstadt, ist Hobbybrauer und schreibt auch über Bier. Verführt vom „Schaumschluck“, den er beim Opa bzw. beim Holen dessen Bieres nehmen durfte, wuchs Andreas in die österreichische Bierkultur hinein und beschäftigt sich auch heute noch damit, so zum Beispiel „Vienna Lager“, der 2020 erschien. Im August 2023 legte er einen bayerischen Bier-Almanach über die Braukunst des 19. Jahrhunderts vor, der vor allem aus Originalberichten aus verschiedensten Orten des damaligen Königreiches besteht. Daraus lässt sich viel ableiten, über Brauverfahren, Bierkultur und Rezepturen. Im Biertalk sprechen wir über beide Bücher und Andreas ganz besondere Herangehensweise an die Bierliteratur und wecken hoffentlich auch Eure Lust aufs Lesen…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Heute machen wir eine kleine Reise beziehungsweise wir begleiten jemanden, der quasi aus Österreich auszog, um in Berlin sein Glück zu machen und das Ganze noch auf Englisch und am Ende hat er dann wieder über österreichische Themen geschrieben. Und das ist total spannend, wir treffen Andreas Krennmair, Buchautor, Bier-Personality könnte man sagen, jemand, der sich richtig gut auskennt und uns viel zu sagen hat. Ich freue mich total, schön, dass du hier bist. Und vielleicht stellst du dich ganz kurz unseren Hörern mal selber vor.

Andreas: Ja, herzlichen Dank für die Einladung. Ja, mein Name ist Andreas Krennmair, ich bin ursprünglich aus Österreich, wohne in Berlin, beschäftige mich seit einigen Jahren mit Biergeschichte, braue auch hin und wieder Zuhause Bier, trinke ganz gerne Bier. Ja, Bier ist, ich sage es mal so, ein relativ großer Teil von meinem Leben.

Markus: Da haben wir doch schon was gemeinsam, sehr schön. Ja, also das heißt, du wächst in Österreich auf, das würde ich ganz gern einfach mal von Anfang an, weil du dich ja auch dann später mit dem Wiener Lager zum Beispiel auseinandergesetzt hast. Also wie kommst du denn mit dem Thema Bier in Berührung und wie hat sich das dann weiter in deinem Leben so entwickelt?

Andreas: Erster Kontakt in Österreich mit Bier war der damalige Schaumschluck von meinem Vater. Also das hat mir mein Vater schon in jüngsten Jahren erlaubt, zumindest mal etwas den Bierschaum zu probieren. Hat mir, soweit ich mich erinnern kann, damals nicht wirklich gut geschmeckt, sehr bitter und so. Später bin ich dann, ich sage mal so, einfach kulturell bedingt, man fällt irgendwie in Bier rein, nachdem das doch irgendwie überall zu finden ist. Man fängt irgendwie mit 16 an Bier zu trinken und denkt eigentlich überhaupt nicht viel drüber nach, aber es ist halt so Teil, ich sage mal, quasi des Alltags, ohne das jetzt irgendwie, ich sage mal, zu übertreiben.

Markus: Und das war dann aber das klassische österreichische Märzen, was du damals so getrunken hast?

Andreas: Ja, das war zum allergrößten Teil dieses österreichische Märzen, also ein sehr helles Lager. Ich glaube, viele in Deutschland sind sich da gar nicht so bewusst, was das Märzen in Österreich ist. Das hat nichts mit dem bayrischen Märzen zu tun, sondern vermutlich kann man sagen, am ehesten zum bayrischen Hellen ähnlich, vielleicht etwas bitterer. Einfach ein sehr gradliniges helles Lagerbier, das, ja, erfrischend ist, einfach zu trinken, ohne zu viel Ecken und Kanten, das ist so der Standard. Gelegentlich, also schon so mit 17, 18 Jahren habe ich mir gedacht, man muss sich doch irgendwie etwas herausstellen und etwas cooler sein, deswegen habe ich in frühen Jahren auch relativ viel zu Hefeweizen, belgisches Weißbier getrunken, gelegentlich auch österreichisches Pils, wenn es im Supermarkt zu finden war, solche Dinge, ja.

Markus: Und wie hat sich dann deine berufliche Laufbahn entwickelt, hatte das dann auch etwas mit Bier zu tun?

Andreas: Überhaupt nicht. Also mein beruflicher Hintergrund ist ja, dass ich in der IT tätig bin. Also ich habe eine Ausbildung zum Informatiker in Österreich gemacht, hab dort einige Jahre gearbeitet und bin dann Anfang 2009 aus beruflichen Gründen nach Berlin gezogen und bin auch jetzt weiterhin in der IT tätig, mittlerweile für ein Münchner Startup.

Markus: Da bist du aber nicht der erste ITler, der dann irgendwie aufs Hobbybrauen gekommen ist. Also der Bekannteste ist ja sicherlich Andreas Bogk, der in Berlin ja die Berliner Weisse wiederbelebt hat, der im Grunde auch über ein sogar Hackathon oder irgend sowas ähnliches, wo er da in Amsterdam war, dann zum Hobbybrauerkurs gekommen ist. Wie war das bei dir, wann hast du da zum Bier selber machen gefunden?

Andreas: Das war der Podcast von Andreas Bogk oder die Podcast-Folge, ich weiß jetzt nicht welcher genau der Podcast war mit Andreas Bogk. Ich habe mir das angehört und dachte mir so, hm, das klingt eigentlich ganz interessant, klingt jetzt auch nicht zu schwierig und habe einfach da mal angefangen zu brauen. Und ich hatte dann auch bei diesem, na, wie hieß es, bei diesem Crowdfinding, habe ich ein paar Euros beigetragen für Andreas Bogk für seine Berliner Weisse. Und, ja, habe das, also nach einmal brauen, habe das dann auch weiterbringen, weil es mir eigentlich unglaublich viel Spaß gemacht hat. Es war ein sehr kreativer Prozess oder ist immer noch ein sehr kreativer Prozess. Und es hat auch so eine Lücke bedient, die meine Frau, also damals meine Freundin, jetzt meine Frau, die wir so hatten, weil wir uns damals schon so für Bier interessiert haben und sie mir so britisches Cask Ale gezeigt hat, weil sie aus Großbritannien kommt. Und wir haben gemerkt, hier in Deutschland gibt es so diese Biere noch nicht wirklich, aber eigentlich wollen wir die selber trinken. Und da war so vor 10 Jahren, war da quasi so die einzige Möglichkeit für uns, anfangen einfach selber zu brauen und zu experimentieren.

Markus: Ach, das ist ja sehr lustig, dass du dann über den Andreas Bogk ausgerechnet, den habe ich ja grade so erwähnt gehabt und gedacht, na, vielleicht kennst du den ja sogar. Aber dass du ihn so gut kennst, das hätte ich jetzt gar nicht gedacht, super. Also ich habe ihn als ganz faszinierenden Menschen empfunden, habe ihn damals Zuhause besucht und dann hat er mir ganz stolz seine belgischen Starkbiere gezeigt, die er so gebraut hat, ein Dubble, ein Quadrupel, ein Triple. War ein sehr intensiver Nachmittag, muss ich sagen, kann ich mich noch gut erinnern, weil ich danach nämlich noch mit dem Auto Nachhause fahren musste und das ist ja ein Stück von Berlin. Aber auf jeden Fall sehr, sehr spannend und cool und, ja, auch interessant. Das heißt aber dann auch, weil du, wir kommen ja gleich noch dazu, deine Bücher hauptsächlich auf Englisch veröffentlichst. Da ist es natürlich praktisch, wenn man im Hause praktisch jemand hat, der die Sprache spricht oder?

Andreas: Ja, wobei meine Frau da nicht das Lektorat macht oder so. Ich bin das Ganze sehr pragmatisch angegangen, also ich oder mir war schon relativ früh bewusst, dass einfach der potenzielle Markt oder das potenzielle Interesse vor allem im englischsprachigen Raum ein sehr großes ist und darauf wollte ich abzielen. Und gleichzeitig, wenn man so mit anderen jetzt deutschsprachigen Hobbybrauern spricht, die verstehen ja auch zum größten Teil Englisch, also man schließt sie da jetzt nicht explizit aus, deswegen meine Entscheidung, auf Englisch zu publizieren. Und das war, glaube ich, eine ganz gute, also zumindest aus meiner Sicht, ich fand bisher meine Bücher ganz erfolgreich, also ich bin da sehr zufrieden mit dem Feedback und mit der Reichweite, die ich da geschaffen hab.

Markus: Ja, auf jeden Fall faszinierend. Und angefangen hast du, soweit ich weiß, mit dem Buch, die historischen deutschen und österreichischen Stile aus dem 18., 19. Jahrhundert irgendwie. Das war so um 2018 rum oder war es vorher schon was anderes?

Andreas: Also ich habe 2016 Mal so ein kleines E-Book veröffentlicht, das war witziger Weise auf Deutsch. Das ist, glaube ich, noch in meinem Blog irgendwo verlinkt. Und dann habe ich mir gedacht, ja, eigentlich könnte ich das auch auf Englisch machen und das war dann so der Start für mein erstes Buch, also der Titel von dem heißt  Historic German and Austrian Beers for the Home Brewer. Ist irgendwie etwas sperrig, aber es beschreibt das Ganze, genau, das, was es ist, ja.

Markus: Ja und man hat einen schönen praktischen typischen Mönch auf dem Titel-Cover sozusagen, da kann man sich schon ein bisschen vorstellen. Oder muss gar kein Mönch sein vielleicht, ich weiß es gar nicht, jedenfalls ein kräftiger, wohlgenährter Mann mit einem Bier sozusagen in der Hand. Wie kam es denn, wenn du jetzt gesagt hast, eigentlich hast du dich erst so ein bisschen für diese Cask Ales interessiert, wie kommst du dann wieder quasi zurück zu den klassischen alten deutschen, bayrischen, österreichischen Bierstilen?

Andreas: Also das hat damit begonnen, dass ich so, ich sage mal, ein generelles Interesse an Geschichte hab und da habe ich natürlich auch angefangen, mal so in Biergeschichte und grade so, was das Brauen von Bier angeht, da einfach historische Texte zu lesen. Da waren tatsächlich die ersten Bücher, war englische Literatur so aus dem 18. Jahrhundert, Anfang 19. Jahrhundert und dann habe ich einfach weiter geschaut, was gibt es da auch auf Deutsch. Und bin da auf sehr viel gestoßen, auf sehr viel verschiedene Biertypen, Bierstile, die heutzutage eigentlich völlig unbekannt sind. Und da habe ich mir gedacht, das ist unglaublich spannend, weil man dazu eigentlich kaum etwas gefunden hat. Und, ja, da habe ich einfach angefangen weiter zu recherchieren und habe immer mehr und mehr Material gesammelt und irgendwann war es dann genug für ein ganzes Buch.

Markus: Ja und das war ja noch ein sehr umfassendes Buch, also da haben wir nicht nur die bayrischen Bierstile drin, sondern eben auch sowas wie das Cottbuser oder das Berliner oder das Mannheimer oder auch Steinbier zum Beispiel, was ich sehr interessant fand. Also es war auch eins der Bücher, das ich benutzt hab für meine Biergeschichte, die ich dann später mal geschrieben hab. Und was hat dich denn da am meisten so im Rückblick fasziniert, gab es da ein Bier, einen Bierstil, wo du gesagt hast, Mensch, das war wirklich ganz besonders überraschend auch in der Recherche, dass es sowas gegeben hat?

Andreas: Also generell, was ich damals sehr überraschend fand ist, wie wenig sich so diese alten Bierstile an das gehalten haben, was man heutzutage das Reinheitsgebot nennt. Ich sage mal so, der Narrativ oder das, was die landläufige Meinung ist, dass das Reinheitsgebot für ganz Deutschland gegolten hat. Tatsächlich merkt man aber, dass sich die allermeisten Bierbrauer, also grade außerhalb von Bayern, nur sehr wenig dafür interessiert haben und die aberwitzigsten Zutaten teilweise verwendet haben. Also Enzianwurzen, Bitterorangen, Honig, auch Zucker war überhaupt kein Problem, was nicht kontroversiell auf irgendeine Art und Weise. Das Einzige, was ich den Texten entnommen hab, was wichtig für die Leute war, dass das Bier selbst nicht schädlich war und dass es ihnen geschmeckt hat. Das hatte ich damals bei meinen Recherchen einfach so nicht erwartet, das Mal so ganz allgemein. Speziell an Bieren, also da gab es ein paar, die, ja, also ich glaube, vom Geschmacksprofil doch sehr untypisch sind oder sehr untypisch waren oder, ja, untypisch sind für das, was wir jetzt so von Bier erwarten. Also da gab es eins, ich glaube, das war das Merseburger Bier, das als extrem bitter beschrieben worden ist, wo noch mit anderen Kräutern quasi nachgewürzt wurde, um das extra bitter zu machen und auch die Hopfenmenge selbst schon absolut wahnsinnig war. Sowas kann man sich, glaube ich, heutzutage gar nicht mehr vorstellen, also so dieses, ein Bier, das nochmal deutlich bitterer ist als irgendwie so die IPAs von der Zeit, wo alle Craft-Brauer meinten, sie müssen möglichst viele Bittereinheiten in ihr Bier bringen. Und trotzdem war das ein Getränk, dass die Leute offenbar interessant fanden oder interessant genug, dass es über so lange Zeit konsumiert wurde, dass auch hier jemand über das Bier selbst geschrieben hat.

Markus: Ja, eben, das ist ja auch der Punkt. Weil, also das eine ist ja, dass du da drüber geschrieben hast, aber das andere ist, irgendwo muss das Wissen ja herkommen. Also das heißt, wie kann man überhaupt also erst mal die Bierstile an sich und dann die Rezepte erschließen? Und dann hat man ja bei den Rezepten das Problem, dass da ja völlig andere Maßeinheiten, wenn überhaupt, genannt werden, was die Mengen und so weiter angeht. Also wie hast du dich da rein gefuchst das ist ja jetzt doch keine Sache, die man mal so eben nebenbei macht oder?

Andreas: Also ich habe es schon nebenbei gemacht, aber halt über einen längeren Zeitraum. Also nachdem das einfach ein Hobby geworden ist, so einfach darüber zu recherchieren, habe ich irgendwann mal angefangen, relativ systematisch zu sammeln, was gibt es an historischer Literatur zu diesem Thema Bierbrauen in Deutschland und teilweise auch in Österreich, was ist da dokumentiert. Und da gibt es erstaunlich viel und vor allem erstaunlich viel, was man quasi von Zuhause aus entdecken kann. Also die erste Quelle dafür ist Google Books, die sich vor einigen Jahren dran gemacht haben, quasi alles, wo sie nur irgendwie die Finger rankriegen konnten an Bibliotheken, da Bestände zu digitalisieren und dann auch durch Texterkennung laufen zu lassen. Das heißt, man kann da auch sehr schön drin suchen, ohne irgendwie lang herumblättern zu müssen und da findet man relativ schnell relativ viel. Also mit ein paar Suchbegriffen, ich sage mal so, innerhalb von Minuten hat man da locker ein paar Bücher mit, ich sage mal, zumindest groben Rezepten zu 5 oder 10 Bierstilen. Also da, die grundsätzliche, ich sage mal, Entdeckbarkeit des Materials ist da mittlerweile sehr gut. Es gibt auch andere Online-Bibliotheken oder andere Quellen, wo man an Digitalisate von alten Büchern ran kommt. Da, ja, muss man sich teilweise so durch Online-Bibliotheken von diversen Städten in Deutschland durchgraben, aber man findet da auch mit der Zeit einiges. Und eine für mich sehr wichtige Quelle war auch die DGB in Berlin. Also die DGB ist die Gesellschaft für Geschichte des Bierwesens in Berlin, ist an die VEB in Berlin angeschlossen als eigenständiger Verein, hat eine eigene Bibliothek, die für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Also man kann da einfach hin, kann sich da Bücher aussuchen aus deren Katalog, kann die vor Ort lesen, wenn notwendig abfotografieren. Und da habe ich auch einiges wirklich Spannendes gefunden, was in meinen Online-Quellen so auch noch nicht drin war. Also das sind so grob meine Quellen insgesamt.

Markus: Ja und die haben auch eine total liebenswerte Bibliothekarin, die sich um das Ganze kümmert. Ich bin da auch schon seit vielen, vielen Jahren Mitglied und nutze das auch immer wieder mal, um einfach, genau, an Quellen ranzukommen, wo man sonst nicht so einfach rankommt. Und du hast dann auch diese ganzen Rezepte mal durchgebraut sozusagen?

Andreas: Ich wünschte. Nein, das ist schon etwas zu viel an Aufwand, von daher kann ich nicht für alle Rezepte unbedingt bürgen. Es ist auch ein generelles Problem bei diesen historischen Rezepten, also wenn man mal die Rezepte selbst gefunden hat und den Prozess mal so verstanden hat, die Beschreibung und das irgendwie so nachstellen kann, ist ja auch noch die große Frage der Zutaten. Und das ist zum Beispiel etwas, wo ich bei meinem ersten Buch jetzt mal einen sehr großen Kompromiss gemacht habe, wo ich einfach so gesagt hab, ein Malz wird jetzt als dunkel oder als bernsteinfarben beschrieben, was wäre dann da ein ungefähres modernes Äquivalent? Wo ich jetzt so im Abstand von, ja, mittlerweile auch 5 Jahren sagen muss, war vielleicht nicht die beste Wahl, aber ist zumindest eine Annäherung an das Ganze. Also das ist, glaube ich, generell das größte oder eines der größten Probleme, dass wir so diese Zutaten nie wirklich mit dieser Exaktheit nachstellen können, weil, glaube ich, da sehr viel an Details oder sehr viel an Detailwissen zu den Zutaten selbst. Und, jetzt im Fall von Malz, zur Herstellung der Zutaten, glaube ich, einfach verloren gegangen ist oder sich so stark verändert hat, dass das jetzt mal unter modernen Gesichtspunkten keinen Sinn machen würde, dass jetzt noch nach diesen alten Methoden zu machen. Und deswegen ist, ich sage mal so, Zutaten und insbesondere Malz sind so die große Unbekannte beim Nachbrauen von historischen Bier.

Markus: Das stimmt und ich glaube, das ist auch den wenigsten Leuten wirklich bewusst, also die sich damit beschäftigen. Weil man denkt immer, das Schwierige ist die richtige Wurzel oder das richtige Gewürz oder irgend sowas für diese Biere zu bekommen, aber das eigentliche Problem liegt ja wirklich in den Kernrohstoffen sozusagen, weil ja sich das Mälzen so massiv verändert hat im 19. Jahrhundert, dass man eben mit den heutigen Malzen überhaupt nicht mehr das machen kann, was es eben mit den damaligen Malzen war. Und vielleicht natürlich auch die Art und Weise, wie wir mit Hopfen umgehen, wie wir ihn lagern, wie er letzten Endes für uns zugänglich ist, sich verändert hat. Und letzten Endes auch das Thema Hefe, wo wir ja früher, denke ich mal, immer irgendwelche Mischgärungen hatten, auch das hat man heutzutage so in dieser Form nicht mehr. Und ich glaube, das es einfach total schwierig ist, das Bier wirklich von seinem eigentlichen Körper her identisch herzustellen, das geht eigentlich gar nicht mehr, insofern ist das immer so ein bisschen in einer wabernden Vergangenheit. Was ich aber eigentlich ganz gut finde, weil, ich glaube, das aus einer heutigen Perspektive mit dem heutigen Gaumen viele dieser historischen Biere nicht wirklich angenehm gewesen wären zu trinken, vielleicht also, aber ich nehme es mal an. Also ich habe schon einiges an Kräuter- oder auch ähnlichen Bieren oder auch mittelalterlichen Bieren getrunken und das ist schon durchaus immer sehr gewöhnungsbedürftig. Und das sind ja immer nur Annäherungen, also insofern, das ist schon wirklich spannend. Gibt es denn Literatur, in denen auch das Geschmacksprofil oder sowas beschrieben wird?

Andreas: Geschmacksprofile werden teilweise nur sehr, sehr grob beschrieben oder auch mit sehr unspezifischen Begriffen. Also ich habe das jetzt nicht einmal so systematisch betrachtet, aber eine Sache, die mir jetzt so spontan einfällt ist bei den Sauerbieren, die werden sehr oft als weinartig beschrieben. Also meine Vermutung ist da einfach, dass da so diese gewisse geschmackliche Ähnlichkeit grade von Sauerbieren mit, ich sage mal, grade Reisweinen, einfach auf diese Art und Weise etwas betont wurde. Und ich habe das auch bei selbstgebrauten Bieren gemerkt, also ich habe vor, wann war das, 2019 war das, habe ich eine Berliner Weisse gebraut. Da habe ich dann 3 Jahre später noch eine Flasche gefunden und hab die mit einem Freund verkostet und die hat geschmeckt so irgendwo zwischen einem wirklich guten Weißwein und Cider. Also war vom Geschmacksprofil her überhaupt nichts, wo man jetzt dann eben beim ersten Kosten an Bier denken würde. Aber es war, ja, was Geschmack angeht, das Vokabular scheint da damals noch nicht so da gewesen zu sein. Also es ist schwierig und man hat so eine oder man kriegt so eine ungefähre Idee, aber so die Tastingsnotes, wie man sie heutzutage irgendwie von einem ordentlich ausgebildeten Biersommelier kriegt, die findet man da in historischen Quellen auf keinen Fall.

Markus: Ja, da war ja der Schwerpunkt noch ein bisschen auf dem Trinken an und für sich und weniger auf der Sensorik, das muss man vielleicht auch ein bisschen sehen. Ich würde ganz gerne gleich zu deinem aktuellen Buch springen, also wir können gerne noch ein bisschen über das Wiener Lager dann sprechen, weil es mich auch interessiert, aber es passt grade so gut in diesem Sprung praktisch von diesen ganzen historischen Bieren in dem ersten Buch jetzt zu der Konzentration praktisch auf das bayrische Brauen im 19. Jahrhundert. Und was vielleicht auch ein bisschen der Unterschied ist, das ist ja zu einem Teil auch überhaupt erst mal so eine Art Quellensammlung, also wo du einfach von vielen verschiedenen Autoren oder anderen Quellen erst mal Beschreibungen sammelst, wo du dann auch Statistiken sammelst, um überhaupt mal einen Blick zu dieser Bierkultur, zu der Fülle zu bekommen. Das war sicherlich auch eine lange Arbeit oder, wie lange hast du gebraucht, um das alles zusammenzutragen?

Andreas: Ja, das waren knappe 3 Jahre, aber das war immer so in kleineren Sprints, wo ich dann immer etwas mehr gearbeitet habe und dann habe ich es ein paar Wochen bis Monate liegenlassen. Aber es hat insgesamt schon etwas länger gedauert, das Ganze zu sammeln und so zu strukturieren, dass ich dann auch zufrieden damit bin. Die Motivation hinter dem Ganzen war tatsächlich, dass ich mir einfach eine Quellensammlung für mich selbst zusammenstellen wollte, einfach mal, um einen guten Überblick zu haben, was gibt es denn jetzt so speziell zum bayrischen Brauen? Was für konkrete Beschreibungen gibt es, also Primärquellen existieren? Und das hat sich dann einfach etwas entwickelt quasi, in welche Braumethoden kann man das Ganze strukturieren, was gibt es noch an zusätzlichen Daten zu dem Ganzen, also deswegen, etwa die Statistik wie im Anhang. Und dann, was mich in diesem ganzen Prozess, also wie ich dann entschieden habe, okay, ich mache da ein eigenes Buch draus, was mich da auch interessiert war das Mälzen. Also war das erste Mal, dass ich mich da wirklich genauer beschäftigt habe mit den historischen Beschreibungen, wie die denn ihr Malz so hergestellt haben. Und das, ja, war auch sehr spannend und ein interessanter Lernprozess für mich, weil, also als Heimbrauer hat man keinen irgendwie genaueren Kontakt zum Mälzen an sich, außer vielleicht mal, keine Ahnung, eine Führung bei Weyermann, aber ansonsten kauft man das Malz immer schon im Onlineshop oder so.

Markus: Ja und vielleicht gleich mal als Empfehlung für unsere Leserinnen und Leser da draußen, also unbedingt Empfehlung, sich dieses Buch anzuschaffen, weil man wirklich überall immer wieder ganz viele spannende Aspekte entdeckt, manchmal größere, manchmal kleinere, die aber immer so Aha-Effekte sind, wo man einfach beginnt, diese Bierkultur wirklich zu verstehen und zu begreifen. Und wo ich sagen muss, ich habe ja selber auch schon viel da drüber gemacht und publiziert, aber es ist ganz viel dabei, wo ich auch wieder gemerkt habe, wenn ich von meinen diversen Büchern mal wieder ein Update schreibe, dann muss ich da teilweise entscheidende Stellen ändern und das ist wirklich auch großartig. Also auch an dieser Stelle mal Dankeschön für diese ganze Arbeit. Es gibt so ein paar Punkte, über die ich gern im Detail noch sprechen würde, aber vielleicht mal vorneweg, weil du es grade gesagt hat, was waren denn dann so die Aha-Effekte beim Thema Malz für dich, wo du gesagt hast, das überrascht mich jetzt oder das sind für mich so Punkte, die habe ich für mich jetzt bei dieser Arbeit neu entdeckt?

Andreas: Ich habe mich im Zuge dessen natürlich auch damit beschäftigt, was ist denn so der Status Quo beim Mälzen oder der Stand der Technik. Und habe bemerkt, also grade beim Einweichen hat sich da wohl sehr viel getan, also das Verständnis, wie man die Gerste einweicht, ist heutzutage eine vollkommen andere als damals. Also ich bin jetzt kein Experte, aber man kann es im Wesentliche so beschreiben, heutzutage wird die Gerste halt so eine gewisse Zeit eingeweicht und hat dann so eine, ich glaube, es heißt Luftrast, wo sie einfach quasi Zeit hat zum Atmen und wird wieder eingeweicht, das wird ein paarmal wiederholt. Und das ist zum Beispiel etwas, also das wurde damals überhaupt nicht betrieben, das habe ich in keiner Quelle gefunden. Da wurde für wirklich lange Zeit in einem Tuch eingeweicht, je nach, ich sage mal, Temperatur, Wetter, Zustand der spezifischen Gerste, kürzer oder länger, es wurde definitiv das Wasser regelmäßig gewechselt. Aber so diese Luftrasten waren wohl vollkommen unbekannt. Das Einzige, was teilweise gemacht wurde, war eine Nachweiche, also wo man einfach nach einem langen Weichen der Gerste selbst noch etwas Luft gegeben hat, bevor sie dann tatsächlich auf die Tenne zum wachsen gekommen ist. Teilweise ist das aber auch inspiriert oder angelehnt an die damaligen englischen Praktiken, also das mit der Nachweiche. Und der Grund für die englische Praktik ist die, dass damals das Ganze oder das Malz versteuert wurde auf Basis von der Menge der Gerste nach der Weiche. Also die muss dafür, glaube ich, 26 Stunden, das ist ja eine sehr spezifische Zeit, musste die auf der Nachweiche sein, damit da ein Zollbeamter vorbeikommen konnte und das nachmessen. Und das war dann einfach so Standardpraxis in England und so manche Mälzer und Brauer in Deutschland habe das übernommen oder haben das zumindest als eine Möglichkeit dokumentiert. Also es ist, ich glaube, in der Spatenbrauerei war das zeitweise eine Praxis, die da, ich sage mal, sehr offensichtlich aus England inspiriert war.

Markus: Ja, ich habe vor Kurzem die Mälzerei in der Augustiner Brauerei in München besichtigt. Und da muss ich auch sagen, die machen das ja auch noch auf der Tenne und haben da ihre Böden mit Kalk, Muschelkalk drunter mit den Fliesen und so und das ist total spannend, wie es einerseits modern ist und andererseits aber noch sehr traditionell. Und da gibt es auch so einen fließenden Übergang zwischen Weichen und Keimen und so. Und die haben an vielen Stellen noch Methoden im Einsatz, die man wahrscheinlich in der modernen großen Mälzerei mit Trommeln und so weiter nicht mehr so anwenden würde. Fand ich auch sehr interessant, das mal zu sehen. Also das stimmt, beim Mälzen gibt es da auf jeden Fall ganz, ganz viele Dinge, also die damals wahrscheinlich in vielerlei Hinsicht anders waren, die auch zu anderen Ergebnissen geführt haben, wodurch dann auch andere Biere raus kamen. Das werden wir da noch sehen, wenn wir mal auf den Alkoholgehalt schauen. Aber auch natürlich insgesamt das Verfahren auch für das Korn teilweise vielleicht sogar schonender als wir das heute haben. Und wir haben natürlich auch anderes Getreide, also heute haben wir hochgezüchtetes spezialisiertes Getreide, was genau für diesen Zweck angebaut wird. Zu dieser Zeit im 19. Jahrhundert, zumindest am Anfang, waren das schon eher noch Sorten, die man zwar schon für das Brauen ausgewählt hat, aber nicht in dieser Art weitergezüchtet hat, wie wir das eben heute so kennen und damit, glaube ich, war das auch noch anders. Also, ja, da hast du Recht, also Mälzen auf jeden Fall ein ganz, ganz spannender Prozess. Was ich interessant fand bei deinen verschiedenen Quellen war auch die Frage jetzt beim Brauprozess, wie man das Maischethema angegangen ist? Weil, eigentlich lernt man ja so landläufig, dass man bei uns relativ bald mit Deduktion gearbeitet hat. Das heißt also, ich habe irgendwie ein Wasser, das ich auf 50 Grad bringe ungefähr oder 30, je nachdem wie ich halt anfange. Und dann nehme ich dann immer Teilmaischen, erhitze die bis zum Kochen und gebe die wieder zurück und komme halt dann so Stück für Stück auf meine Temperaturen. Und ich war jetzt vor Kurzem in England unterwegs mal wieder und habe auch so ein paar historische Brauereien besucht, auch in Belgien und dort war noch sehr oft einfach bei den alten Brauereien diese Methode, man nimmt praktisch einen Bottich, da ist auch gleichzeitig unten noch der Siebboden drin, den kann man also später auch gleich zum Läutern nehmen. Und da hat man dann das Malz erst mal ganz einfach als Malz, als Schrot darein und gibt dann wirklich kochend heißes Wasser da drauf und rührt das dann. Und dadurch, dass dieses kochende heiße Wasser darein kommt, geht die Temperatur natürlich gleich mal runter und dann arbeitet man praktisch von oben nach unten, temperaturmäßig. Und ich habe mal von einem amerikanischen Craft-Brauer gehört, dass mit den modernen Malzen überhaupt gar kein Problem mehr ist, weil die so sind, dass die das auf jeden Fall mitmachen, aber dass das damals durchaus eine Herausforderung war. Und jetzt habe ich eben bei dir in einigen Quellen gefunden, dass noch so gearbeitet wurde, vor allem, glaube ich, beim Weißbier und in anderen dann wieder eben Deduktion. Ist das so ein Übergang gewesen von dem einen zum anderen oder haben die längere Zeit parallel existiert, wie ist da so dein Eindruck oder habe ich vielleicht auch was falschverstanden, kann auch sein?

Andreas: Mein Eindruck ist, dass das in, ich sage mal, was ich jetzt so als Altbayern beschreiben würde, das da sehr lange die dreifache Deduktion ziemlich dominiert hat, also das man so mit dreimal Teilmaischen abziehen, kochen und dann wieder zurückmischen, dass man so die Maische durchführt. Es gab dann aber auch noch so lokal völlig andere Methoden. Und ich muss auch ganz ehrlich sagen, das ist etwas, das, ja, also ich würde das sehr gerne selber mal nachstellen, aber es wirkt selber unglaublich kompliziert. Also ich habe das in meinem Buch als die Braumethode in Nürnberg und Augsburg so zusammengefasst, weil das so die Gebiete sind in den historischen Fällen, wo das dem immer so quasi zugewiesen wird und zwar das Satzbrauen. Und das ist etwas, ja, also wenn man so mit dem modernen Verständnis, wie die Enzyme wirken und warum man maischt und warum man dieses und jenes macht, wenn man da so drüber nachdenkt, ergibt das Ganze nicht so wirklich viel Sinn. Also ich hoffe, ich kann das jetzt so ungefähr rekonstruieren, man fängt im Wesentlichen so an, dass man mal kalt einmaischt und das Ganze etwas stehen lässt und dann quasi wieder alles an Flüssigkeit abzieht. Dann bringt man mehr Wasser zum Kochen, gießt das wieder auf die fast wieder trockene Maische, maischt einmal durch und zieht das dann, glaube ich, wieder ab und bringt dann quasi so diese Läutermaische wieder zum Kochen und gibt die hinzu. Also eigentlich etwas, wo man sich denkt, in der Läutermaische sollten eigentlich relativ viel so Enzyme gelöst sein, eigentlich zerstört man sich da ziemlich viel dran. Und das Ganze endet dann damit, dass die gesamte Maische eben mal zum Kochen gebracht wird und man das Ganze wieder abkühlen lässt. Und da gibt es dann auch genau diesen kalten Satz, also der am Anfang abgezogen wurde, der dann noch dazu kommt, der vermutlich dafür sorgt, dass alles, was da noch an freier Stärke verfügbar ist, letztendlich doch noch verzuckert wird. Aber es ist schon erst mal wild und, unter Anführungszeichen, unwissenschaftlich. Also heutzutage würde man es schon deswegen nicht mehr machen, weil es einfach ein viel zu großer Aufwand ist, ist wohl sehr schwierig zu automatisieren. Also es wurde schon im 19. Jahrhundert gesagt, das ist ein Prozess, den wollen eigentlich nicht mehr wirklich so viele Brauer selber machen. Also es war schon so eine Herangehensweise an das Maischen, die damals schon im Aussterben begriffen war.

Markus: Ja, ja, genau. Und da muss man auch dazu sagen, vielleicht nochmal auch für die Hörerinnen und Hörer, die sich noch nicht so ganz intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, zum Hintergrund, warum war das überhaupt so. Man muss ja überlegen, wir kommen ja aus einer Zeit, wo man zumindest auf dem Kontinent noch kein Thermometer hatte, zumindest nicht flächendeckend und auch seine Maische entsprechend da nicht ständig kontrollieren konnte. Und man hatte ja im Grunde nur wenige Temperaturen, die man sicher wusste und dazu gehört natürlich zum Beispiel, wann gefriert Wasser. Isst für das Brauen zwar nicht so wichtig, aber das wusste man. Man kannte die Körpertemperatur. Also wenn man dann zum Beispiel seinen Ellbogen in ein Wasser reingehalten hat und es war in etwa dieselbe Temperatur, das konnte man feststellen. Und man wusste natürlich, wann Wasser kocht, also der Kochzustand, das war ein Thema. Und so kam es ja letzten Endes zu der Entwicklung von der Deduktion, das man eben sagt, okay, ich fange an mit Körpertemperatur, also ungefähr 35 Grad und wenn ich davon ein Drittel wegnehme, das zum kochen bringe, auch klare Geschichte, dieses Drittel dann wieder zurückgebe, dann funktioniert es. Also was wir heute wissen ist, dass dann eben bestimmte Enzyme wirken. Damals haben sie einfach festgestellt, dass geht. Und wenn man von dem, wo man dann ist, da sind wir so ungefähr bei 50, 55 Grad, wieder ein Drittel wegnimmt, das wieder zum kochen bringt, wieder zurückgibt, dann landet man eben bei der einen Wirktemperatur, wo wir so um die 62 Grad liegen für Enzyme. Und dann, wenn man das Ganze nochmal wiederholt, dann eben landet man bei 72 Grad und hat dann praktisch nochmal die Rast, um letzten Endes die ganze Stärke zu verzuckern. Und das ist natürlich eine Möglichkeit, wie man eben zielsicher, ohne ein Thermometer, zum Ziel kommen kann. Und so hat sich das im Grunde damals entwickelt und die andere Methode ist eben die, dass man gleich mit diesem kochendheißen Wasser anfängt. Und es ist ja wirklich interessant, also ich muss sagen, ich habe es jetzt ja vor ein paar Wochen erst live erlebt, dass man über diesen Weg auch Bier herstellen kann, also eindeutig. Ich war ja in den Brauereien, mehrere davon und ich habe das probiert, was die dort mit dieser Methode, also heißes Wasser auf Malz zu kippen und daraus dann letzten Endes ein Bier zu machen, was sie damit herstellen. Und diese Biere waren tatsächlich alle trinkbar und das hat alles funktioniert, also war auch nicht irgendwie viel Restzucker oder so. Also irgendwie scheint das Ganze ja zu klappen. Und das finde ich schon interessant, dass man vielleicht manchmal auch ein bisschen eng denkt, wenn man so in dieser, sagen wir mal, deutschen Lehrbuch-Braudenke ist und offensichtlich da zwischen Malzkorn und Brauwasser noch ein bisschen was anderes passiert, wenn man es anders angeht, was dann eben auch funktioniert. Finde ich eben total spannend und in deinen Quellen kann man das eben auch nachlesen. Und das fand ich eben sehr interessant, wie das so koexistiert. Und, ich glaube, dann später mit der Entwicklung dann eben auch immer mehr des untergärigen Brauens, ist man, glaube ich, immer mehr auf diese Deduktion umgestiegen und später dann auf das, was wir heute als Infusion kennen, also das wir Stück für Stück die Temperatur eben mit einer Hitzequelle erhöhen. Das geht natürlich mit einem Thermometer, dann kann man das viel einfacher machen, das ist dann leichter. Aber auf jeden Fall also und da gebe ich dir Recht, aber vielleicht auch den Tipp am Rande, also wenn du das mal erleben willst, gibt es so ein paar Brauereien in England, die arbeiten noch so. Also da könntest du dich mal zu einem Brautag praktisch einladen und dir das Ganze mal anschauen, das ist vielleicht auch ein tolles Erlebnis. Hast du überhaupt schon mal so historisch Brauen mit irgendjemand mitmachen können?

Andreas: So spezifisch historisch Brauen nicht. Ich habe halt zwar ein paar historische Biere bei mir Zuhause nachgebraut, aber trotzdem, ich sage mal, mit relativ modernem Equipment. Aber mein großer Traum wäre ja so das Kärntner Steinbier, wie es auch in meinem ersten Buch beschrieben ist, dass mal von Anfang bis Ende, mal nachzustellen. Aber das ist vermutlich etwas, wenn man das selber macht und auch das ganze Mälzen und so selber machen will, ist man vermutlich so zwei bis drei Wochen damit beschäftigt.

Markus: Das kann ich mir vorstellen, ja. Ja, wir können ja nochmal kurz zu Bierstilen kommen, wo du grad das Steinbier erwähnst. Mir sind so zwei Sachen in dem aktuellen Buch aufgefallen, wo ich dich auch nochmal fragen wollen würde, einmal bist du ja auch auf unser Bamberger Hansla gestoßen. Also auf dieses Bier, was hier jetzt ja hier wiederbelebt worden ist und gemeinhin eher so als Nachgussbier bezeichnet wird. Wenn ich deine Quelle aber richtig verstanden hab, dann ist es gar nicht unbedingt ein Nachgussbier.

Andreas: Ja, man kann es, glaube ich, schon als ein Nachgussbier beschreiben in dem Sinne, dass die Standardbiere, also das normale Lagerbier wohl rein aus Vorderwürze gebraut wurde. Es ist halt, mir ist es bisher nicht gelungen, dass irgendwie, ich sage mal, einen guten Griff drauf zu kriegen, wie stark das Getränk dann letztendlich war, also wie die Stammwürze war und wie viel Alkohol dann das Ganze letzten Endes war. Zumindest die Beschreibungen lesen sich aber so, dass das schon ein eher schwaches Bier war. Von daher, also ich habe ja die quasi Rekreation von Schlenkerla, habe ich ja selber auch hier schon ein paarmal probiert, von daher glaube ich, dass die, ich sage mal, moderne, unter Anführungszeichen, Schlenkerla-Variante, die wird da vermutlich schon relativ gut an das Original rankommen.

Markus: Ja, soweit war ich ja bisher auch. Also die Idee, dass man eben sagt, okay, die normalen Biere wurden praktisch mit einem 100-Prozent-Aufguss ohne Nachguss, also mit der Vorderwürze, sagt man dann eben, wenn man nicht nochmal Wasser drauf kippt, gebraut und dann hat eben diese anderen Biere. So wie ich die Quelle verstehe, ist ja sogar so, dass man da auch nochmal dann extra spezielle Hopfen dazu gibt und eben auch gezielt dafür braut. Also gar nicht unbedingt eine bereits benutze Malzmischung nimmt, sondern nochmal separat was ansetzt. Also, wie gesagt, kriege ich es mit Englisch, vielleicht habe ich es auch ein bisschen falschverstanden, aber so habe ich es aus der Quelle vom Philipp Heiß, den du da zitierst, raus gelesen. Ich weiß nicht, ob du es grade im Kopf hast?

Andreas: Ich müsste das jetzt selber nochmal lesen, das ist das Problem.

Markus: Na, das überlassen wir dann dem Leser, das ist auch okay.

Andreas: Ja. Kann durchaus sein, ich würde es nicht wundern. Und es gab auf jeden Fall einen tatsächlichen Bedarf an schwächeren Bieren, einfach schon mal, ich sage mal, aus ökonomischen Gründen und auch aus, also man kann es weiterfassen, aus soziökonomischen Gründen, weil es einfach ein Arme-Leute-Getränk war zu einem relativ großen Teil und auch so ein Erfrischungsgetränk für Arbeiter, Handwerker, so diese Branchen also.

Markus: Auf jeden Fall total spannend und auch ein schöner Einblick in die Biergeschichte, auch vor dem Hintergrund, dass das eben ein Bier ist, was man jetzt so wiederbelebt hat. Und, ja, zeigt auch nochmal, wie man damit umgegangen ist und das es zum Beispiel auch bei uns üblich war, Biere zu mischen, wie das ja in England auch lange, lange Zeit üblich war. Also wo wir das heute ja oft verteufeln, aber eigentlich hat man das doch früher gerne gemacht. Interessant vielleicht auch vor dem Hintergrund, wenn man deine Bieranalysen dann später sieht, da waren die normalen Biere ja so irgendwie zwischen 3-, 4%-Alkohol ungefähr und wenn man dann überlegt, dass die Leute das noch verdünnt haben, also hatten wir insgesamt von der Alkoholstärke deutlich schwächere Biere als heute, ne?

Andreas: Ja, auf jeden Fall. Also das ist etwas, also das habe ich schon bei meinem vorherigen Buch über Wiener Lager gemerkt, dass die Biere damals einfach deutlich schwächer waren. Und man sieht das auch in den Analysen, also der Restextrakt deutlich höher, es waren einfach schwächer vergärende Hefen. Ich habe das auch in meinem Buch über Wiener Lager so etwas herausgearbeitet und meine Theorie zu dem ganzen ist, dass da einfach damals die Lager-Hefestämme etwas andere waren. Also ich muss da jetzt etwas ins Detail gehen, also es gibt ja bei untergäriger Hefe, gibt es ja zwei Subgruppen und werden irgendwie so Typ 1 und 2 benannt oder werden auch oftmals danach oder wurden zumindest früher oftmals danach benannt, wo sie quasi das erste Mal entdeckt wurden. Da gibt es nämlich den Saazer-Typ, jetzt nix mit dem Hopfen zu tun, Saazer-Typ an untergäriger Hefe und den Frohberg-Typ. Die unterscheiden sich genetisch etwas und haben deswegen so etwas andere Eigenschaften. Also die Saazer-Hefe, die arbeitet noch bei deutlich geringeren Temperaturen. Also die hat überhaupt keine Probleme bei so 6, 7 Grad Celsius relativ zügig zu vergären, hat allerdings den Nachteil, das nicht vollständig alle Zucker vergären. Und vor allem so, ich glaube, Maltotrioze mag die überhaupt nicht oder mag die nicht so gern. Und deswegen kommen die Biere zwar jetzt von den Gärnebenprodukten her relativ sauber raus, bis auf, also was mir gesagt wurde, Diacetyl. Also sehr viele von diesen Saazer-Hefestämmen haben wohl also ein sehr starkes Diacetyl-Problem, also kommen sauber raus, aber haben relativ viel Restsüße. Während die Frohberg-Stämme einfach viel weiter vergären, mit Maltotrioze überhaupt kein Problem haben, deutlich schlankere Biere produzieren. Aber wiederum von der Temperatur her, ja, also es etwas wärmer mögen. Also unter 10 Grad kann man da schon mal leichte Probleme kriegen, als das es etwas zu lange dauert oder nicht zu lange, aber etwas länger dauert. Und hat dann aber, ich sage mal, für heutige Verhältnisse hat das wiederum auch den Vorteil, dass man trotzdem auch noch bei so 12, 13, 14 Grad Celsius Kerntemperatur immer noch sehr saubere Biere auch produzieren kann. Und wenn man natürlich exakt die Temperaturkontrolle hat, sind die Frohberg-Stämme perfekt. Und soweit ich raus finden konnte, quasi alles, was man kommerziell so an Hefen heutzutage beziehen kann, also untergärigen Hefen beziehen kann, das sind wohl alles Frohberg-Stämme. Die Saazer-Hefen, wenn man da keine gute Temperaturkontrolle hat, sondern nur so, ich sage mal, kalt und noch kälter und man nur irgendwie so einen eisgekühlten Raum hat, der halt eine bestimmte Temperatur hat und dann noch einen Lagerkeller, der nochmal so nahe am Gefrierpunkt ist, dann kommt die damit einfach besser klar. Also weil die einfach genetisch, also noch mehr von den Genen mitgenommen hat, das sie so eine Kältetoleranz der Hefe geben. Das ist auf jeden Fall so meine Theorie, dass einfach, wenn man keine exakte Temperaturkontrolle hat, wie eben damals im 19. Jahrhundert, bevor Eismaschinen und Ähnliches tatsächlich entwickelt worden sind, dass da einfach diese Hefe viel praktischer war und das heutzutage einfach das sich vollkommen verschoben hat, einfach weil die Technologie, was, ich sage mal, Kälteerzeugung angeht und Temperaturkontrolle, sich einfach vollkommen gewandelt hat.

Markus: Könnte man, also ich spekuliere jetzt einfach mal, könnte man also sagen, dass die früher in ihrer Kälteerzeugung manchmal oder öfters übers Ziel hinausgeschossen sind? Also weil, ich meine, ich habe diese ganzen Bilder vor Augen, wie die damals wirklich massive Mengen an Eis geerntet und gelagert haben. Also selbst in Wien gab es ja diese riesigen Eisgewinnungsseen, die man da hatte letzten Endes und eben Eistürme, Eislager und so. Könnte das sein, also das man es im Grunde eher sogar übertrieben hat mit der Kälte?

Andreas: Also übertrieben, würde ich nicht sagen, aber es waren sicherlich, ich sage mal, Umstände, die eher geholfen haben, eine sehr, sehr kältetolerante Hefe zu selektieren. Also wenn der Gärkeller konstant bei 6 Grad Celsius ist und dann kühlt man die Würze vielleicht noch irgendwie so auf 4 oder 5 Grad runter und dann gibt man so seine Stellhefe dazu, Hefestämme, die mit dieser niedrigen Temperatur nicht klarkommen, die werden sich da quasi nicht vermehren. Also es, ja, ist einfach ein Produkt der Zeit, sage ich mal. Und vermutlich auch genau der Grund, warum wir jetzt genauso auf diese Lager-Biere gekommen sind über die Jahrhunderte, einfach weil das so extreme, ich sage mal, Umstände oder Zustände waren oder so eine extreme Umgebung, wo nur ganz bestimmte Hefestämme wirklich eine Chance hatten, noch gut zu überleben.

Markus: Und wo man auch in gewisser Weise, also das hat mir mal der Martin Zarnkow gesagt aus Weihenstephan, man ja im Grunde auch damit so ein bisschen die Gärung gesteuert hat, dass man eben die Temperatur möglichst kalt hatte, um einfach in diesem Gemisch aus Hefen, was ja noch keine Reinzuchthefen waren, einfach denen, die man haben wollte, die Idealbedingungen zu geben. Und alle anderen, denen war es dann eben zu kalt oder im Umkehrschluss, bei anderen Temperaturen zu warm. Und somit hat sich dann jeweils die Hefe durchgesetzt, die man für das bestimmte Bier auch gebraucht hat. Könnte ich mir zumindest vorstellen. Was ich auch interessant finde, da sind wir jetzt grade beim richtigen Thema, Bierstärke, es gab halt dann auch relativ bald schon dieses Salvator-Bier, was wir heute als Doppelbock kennen, der mit 6-, 7-, 8-, 9-, 10%-Alkohol letzten Endes daherkommt, also 18 % Stammwürze aufwärts. Da hast du ja auch tolle Statistiken, das fand ich sehr, sehr interessant zu lesen. Und da, muss man sagen, da fängt ja dieser Doppelbock teilweise mit 3,8% schon an und geht dann hoch vielleicht so auf 5 oder 5,3, irgendwie so, als Maximum, also bewegt sich in ganz anderen Kategorien auch wir das heute kennen. Haben die das damals trotzdem auch schon als Starkbier, Doppelbockbier empfunden?

Andreas: Ja, also es galt auf jeden Fall als Starkbier. Ich glaube aber, die Stärke hat sich da nicht ausschließlich auf den Alkohol bezogen. Es ist natürlich schwierig zu sagen, wie die Wirkung so insgesamt war, aber es muss ein unglaublich süßes Getränk gewesen sein. Ich weiß jetzt leider nicht im Detail, wie das jetzt auf den menschlichen Körper wirkt, so sehr viel Zucker und dann das kombiniert mit Alkohol, was dann da so das Ergebnis ist, also ob man da schneller betrunken wird oder weniger schnell. Es gibt aber zumindest historische Berichte, dass die Leute zur Starkbierzeit in der damaligen Zacherl Brauerei, was heutzutage Paulaner ist, die haben da schon ordentlich getrunken und war da so besoffen, dass sie da auch Schlägereien angefangen haben. Also ich habe da einen Bericht in einen von meinen Büchern zitiert, also ich glaube, das war in meinem ersten Buch, wo so Soldaten so betrunken waren oder das Publikum so betrunken war, dass da Soldaten mit irgendwie Zivilisten einen Streit angefangen haben und das ist dann zu einem richtigen Gemetzel ausgeartet. Das ist jetzt nichts, was, ich sage mal, jetzt einfach so anfängt, wo da sicherlich auch, ich sage mal, die starke Trunkenheit des Publikums da einen großen Einfluss gehabt muss.

Markus: Ja, auf jeden Fall, also ich habe das auch in meinem Buch erwähnt und die haben sich ja wirklich Maßkrüge um die Ohren geschlagen, also das schon. Und das ist natürlich, wenn man das als Wurfgeschoss verwendet, ist so ein Maßkrug schon nicht ohne. Ich glaube auch und ich glaube, du bist da völlig auf der richtigen Fährte. Weil die Süße, also heute ist es ja allgegenwärtig und grade, wenn man dann vielleicht mal nach Amerika oder Japan oder sowas fährt, da ist es ja noch extremer, wie extrem süß manche Kulturen heutzutage drauf sind. Damals, muss man aber sagen, kam die Menschheit ja eher aus einer Zeit, wo viel eher sauer war und da war, glaube ich, dieses Süße tatsächlich nochmal was Besondereres und was, was man sich gegönnt hat. Und wenn man dann wieder in deine Statistiken schaut, habe ich zum Beispiel hier gesehen, so das ganz normale Weihenstephaner Bier hatte 1878 hier einen Alkoholgehalt von 4,06 bei 5,49 Extrakt. Einfach nur als Verhältnis, wenn man dann zum Beispiel von Löwenbräu den Salvator nimmt, da sind wir ein paar Jahre später, 1896, bei 4,2% -Alkohol, also gar nicht mehr viel mehr, aber 9,7% Extrakt. Also das heißt, dieses Bier muss extrem viel süßer gewesen sein. Und das zieht sich natürlich entsprechend durch. Also ich glaube, da hast du völlig Recht, dass diese Süße dann für die Leute also einerseits vielleicht dieses Getränke nochmal attraktiver und süffiger gemacht hat, dass man es auch schneller und mehr davon trinkt. Und vielleicht, also da müssten wir jetzt noch einen Arzt dazu ziehen, vielleicht der Zucker dann auch nochmal dazu beiträgt, dass der Alkohol schneller wirkt, das weiß ich nicht. Aber auf jeden Fall, wenn man mehr davon trinkt in einer kürzeren Zeit, dann logischer Weise entfaltet das auch seine Wirkung. Also finde ich auch spannend. Und das ist eben das Tolle, dass du diese Statistiken im Buch hast, wo man sowas dann nachvollziehen kann und auch wirklich mal die Dinge vergleichen kann, das finde ich wirklich eine ganz, ganz spannende Geschichte. Ja, vielleicht eins noch, wie kommt man denn auf solche exakten Werte? Also das hat doch damals keiner irgendwo hingeschrieben, wie viel % das genau hatte oder gibt es das?

Andreas: Das gibt es. Also im 19. Jahrhundert gab es schon Brauwissenschaftler, die da relativ viel Aufwand reingesteckt haben, um die Biere zu analysieren. Also es gibt da so ein paar Quellen, also die sind da schon ordentlich rangegangen und haben da quasi alles, was sie irgendwie an Bieren zur Verfügung hatten, haben die einfach untersucht. Das war auch immer so eine Streitfrage, also da gab es teilweise so Streit zwischen verschiedenen Wissenschaftlern, welche analytischen Methoden man verwendet. Also diese Methoden sind ja auch teilweise dokumentiert und es ist alles ziemlich aufwendig. Von daher war das, was Balin gemacht hat mit seiner Attenuationslehre, das man über quasi das Spindeln und die Stammwürze und den Restextrakt, dann über alles Mögliche an Formeln, auf den genauen Alkoholgehalt kommt. Da hat der schon eigentlich eine ziemlich revolutionäre Arbeit geleistet, weil das einfach das einfachste und gleichzeitig effektivste so Analysemittel ist, wenn es um die Stärke von Bier geht, im Vergleich zu dem, was alles vor ihm da war.

Markus: Na, also faszinierend. Also wie gesagt, das muss man sich unbedingt anschauen. Da könnt ihr euch schon drauf freuen, wenn ihr rein schaut, kann man wirklich gut nachvollziehen, wie sich das Brauen so entwickelt hat. Was ich auch toll fand, war einfach eine Seite, wo man mal die historischen Maßeinheiten umrechnet. Also was bedeutet denn zum Beispiel eine Maß Bier in dieser Zeit oder so etwas wie ein Scheffel, ein Pfund, ein Zollpfund, ein Schuh. Also das alles sich mal vor Augen zu führen, wo sind wir da in heutigen Maßeinheiten, das finde ich ganz, ganz toll. Erinnert mich, ich habe mal ein Kochbuch von einer Urururgroßmutter von mir gefunden, was ich total spannend fand, aber wo dann eben ausschließlich Maßeinheiten verwendet worden sind, mit denen man überhaupt nix anfangen konnte. Und was dann auch total schwer war, wir haben da Stück für Stück das nachvollzogen, wie viel das dann jeweils bedeutet. Und es ist natürlich beim Kuchen schon ein Unterschied, ob ich jetzt nach heutiger Lesart 20 Gramm oder 200 Gramm von irgendwas darein schmeiße. Und das ist auf jeden Fall auch spannend. Also uns vielleicht zum Schluss nochmal kurz auf dein Wiener-Lager-Buch zu sprechen kommen. Also ich habe ja alle 3 deiner Bücher, aber das Wiener Lager habe ich am allermeisten gelesen, weil ich über den Bierstil vorher noch am wenigsten wusste. War das für dich etwas, wo du dann diesen Bierstil dann im Zuge dann dieses Buches entdeckt hast oder war es andersrum, hast du erst den Bierstil für dich entdeckt und dann dieses Buch geschrieben?

Andreas: Also es hat so angefangen, dass ich, ja, ungefähr zu der Zeit, wo ich angefangen, über das Heimbrauen zu bloggen, ist mir der Wiener-Lager-Bierstil einfach untergekommen. Also man den, also grade, wenn man so in Craft Beer und so damals reingekommen ist, man hat relativ viel über Bierstile und so gelesen und ich habe mir gedacht, hm, Wiener-Lager-Bier, was soll denn das sein? Also es gab zu dem Zeitpunkt jetzt kein Bier in Österreich, wo ich gesagt hätte, das ist jetzt genau dieser Stil. Also mir war damals überhaupt nicht klar, wo kommt diese Beziehung zu Wien oder zu Österreich her. Dann habe ich mal mich da mal ein wenig eingelesen, habe ein paarmal so Wiener Lager selbst bei mir Zuhause gebraut. Zuerst einmal, ich sage mal, ein Modernes, was mit ganz gut geschmeckt hat, wo ich mir gedacht hab, ja, also ich verstehe die Attraktivität des Bierstils an sich. Und dann habe ich einfach so über die Zeit hinweg, ja, einfach immer wieder mal so ein wenig was gelesen, hab so ein paar historische Quellen gefunden, dann das so ein wenig, ja, versucht zu kombinieren oder mal so rauszufinden, was könnte denn ein historisches oder eine Annäherung an ein historisches Rezept so gewesen sein und habe dann mal so ein quasi Historisches gebraut. Und das ist dann auch ein Kapitel geworden in meinem ersten Buch. Und dann, also nachdem es veröffentlicht war, haben so ein paar Freunde von mir gemeint, so das Thema Wiener Lager, das ist doch etwas, was eigentlich noch überhaupt nicht so gut herausgearbeitet ist und das es da eigentlich relativ wenig gibt. Und die haben mir dann auch so eine Quelle, die sie selber gefunden haben also so von historischen Beschreibungen gegeben. Und das war dann so der Zeitpunkt, wo ich mir gedacht hab, eigentlich könnte ich da quasi noch mehr Zeit rein stecken, weil das scheint wohl schon etwas gewesen zu sein, was sehr populär war zur damaligen Zeit, was aber heutzutage oder, ich sage mal, vor Erscheinen von meinem Buch, eigentlich kaum noch bekannt war und eigentlich nur am Leben gehalten worden ist, so ein wenig, durch amerikanische Craft-Brauereien. Und, ja, das war dann für mich total spannend, also ich habe da so unglaublich viel entdeckt über Biergeschichte in Österreich. Das war bisher, also für mich, das mit Abstand spannendste Projekt, weil, ja, da einfach sehr plötzlich so viel zusammengekommen ist und ich wirklich gemerkt hab, ja, da gab es noch eine Lücke von einem eigentlich historisch wirklich wichtigen Bier, das aus welchen Gründen auch immer, nie so wirklich gut dokumentiert geworden ist.

Markus: Ja, das ist ja auch wirklich ein Bier, was die Welt erobert hat quasi mit den Auswanderern aus Österreich, Österreich-Ungarn, die dann eben da, wo sie dann angekommen sind, auch ihr Wiener Lager praktisch gebraut haben und damit das Ganze auch ein bisschen am Leben erhalten haben. Und, ja, also ich finde es ein großartiges Buch auch. Ich habe ja bei den Rezessionen auch gelesen, weil einige sagen, es ist die Bibel des Wiener Lagers sozusagen, also das ist auch wirklich großartig. Und, ja, vielleicht da so als letzte Frage, wie reagieren denn die Leser so, kriegst du Zuschriften, grade auch, weil du jetzt ja auf Englisch publizierst, ist das dann eher so aus der amerikanischen Welt oder wie kriegst du da so Feedback auf das, was du da so anstellst?

Andreas: Ja, also gelegentlich kriege ich immer wieder Emails, ja, Direktnachrichten auf verschiedenen sozialen Medien, wo ich aktiv bin. Das Feedback ist generell ein sehr positives, also die Leute finden die Thematiken wirklich spannend, wirklich interessant, sind dankbar dafür, dass das so jemand aufschreibt. Und generell, also meine Wahrnehmung ist, das insbesondere in den USA, dass es da ein unglaublich großes Interesse gibt an historischen Bier und an, ich sage mal, europäischer und auch speziell deutscher Bierkultur, dass die quasi alles aufnehmen, was dazu publiziert wird und alles, was es da quasi noch zu entdecken gibt, wird da wirklich sehr, sehr dankbar angenommen. Und ich freue mich da auch jedes Mal darüber, weil, also für mich hat das Ganze angefangen als so ein Hobby im Wesentlichen und es ist auch jetzt noch ein Hobby. Also ich verdiene zwar so ein wenig an Tantiemen damit, aber reich werden kann man damit auf keinen Fall. Und von daher, dann so zu hören, dass sich da Leute wirklich drüber freuen und das sie so die Biere nachbrauen und das sie eine unglaubliche Freude an dem Resultat haben, also an den Bieren selbst und dann auch die Geschichte dazu total spannend finden, also das ist für mich auch unglaublich befriedigend.

Markus: Ja, also das kann man auch mit Fug und Recht behaupten. Und ich glaube, das ist auch so ein bisschen das Geheimnis, dass du dich tatsächlich irgendwie an alle wendest. Also ich sage das immer sehr ungern, weil so everybodys darling ist auch everybodys Depp, aber es trifft halt einfach zu, weil du einerseits eben für die Hobbybrauer die Rezepte lieferst, verschiedene Varianten dazu und entsprechend auch zu den Zutaten dann die Tipps gibt, die man braucht. Und auf der anderen Seite aber auch jeden, der sich jetzt zum Beispiel für die Geschichte, für die Herleitung interessiert, so ein bisschen auf deinen Rechercheweg mitnimmst und man es wirklich so hautnah nachvollziehen kann, wie du das dann Stück für Stück entdeckst und hier eine Quelle und dann passt das da zusammen. Und so kommt man dann Stück für Stück zu diesem ganzen Bild und das macht das, glaube ich, so lesenswert und für jeden interessant, weil eben jeder seins finden kann und dich dabei begleiten kann und sich dann auch das raus picken kann, was einen ganz besonders interessiert. Also in der Hinsicht auch von meiner Seite nochmal vielen Dank für diesen Aufwand, den du da betreibst. Also weil, ich kann selber aus eigener Erfahrung sagen, reich wird man mit Büchern nicht. Aber es macht natürlich Spaß und das ist auch ein tolles Gefühl, wenn man so das erste Mal was in den Händen hält, was man eben selber geschrieben hat, was dann als Buch rauskommt, das entschädigt einen dann vielleicht auch so ein bisschen. Also von meiner Seite aus vielen, vielen Dank für deine Zeit, für die Infos und natürlich, wie gesagt, nochmal für deine Arbeit. An die Leser nochmal der Tipp, also deckt euch unbedingt ein, noch gibt es alles eben auch käuflich zu erwerben auf den bekannten Kanälen und der Andreas ist ja auch nicht aus der Welt. Also wir werden auch in den Shownotes entsprechend die Bücher verlinken, auch den Blog verlinken. Und, ja, also nochmal vielen, vielen Dank und dir heute auf jeden Fall noch eine schöne Zeit.

Andreas: Herzlichen Dank und nochmal Danke für die Einladung und für das sehr nette Gespräch.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

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