BierTalk 52 – Interview mit Christof Pilarzyk vom Braugasthof Grosch aus Rödental

Christof Pilarzyk ist der erste Gast, der zum zweiten Mal bei einem BierTalk dabei ist – und das aus gutem Grund. Der Vollblut-Gastronom und Geschäftsführer der Privaten Braugasthöfe zieht eine bittere Corona-Zwischenbilanz, sowohl für seinen eigenen Betrieb, als auch für die Branche. Er rechnet mit gut 25% Geschäftsaufgaben in der Gastronomie und findet auch klare Worte für die Gründe, die dazu führen werden. Dennoch gibt es auch Lichtblicke für den Gastro- und Eventprofi – gemeinsam mit seinem Sohn plant er ganz antizyklisch den Neubau seiner Brauerei. Ein BierTalk der besonderen Art, der vielleicht in der Zukunft einmal als Zeugnis der aktuellen Geschehnisse dienen wird, doch hören Sie einfach selbst…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen BierTalk! Heute Folge 52. Und insofern etwas ganz Besonderes, als wir bei Folge 26 unserem Gast versprochen haben, wenn wir es bis 52 schaffen, dann laden wir ihn wieder ein. Und so haben wir es auch getan. Deswegen Hallihallo lieber Christof! Vielleicht stellst du dich trotzdem nochmal den Hörern vor, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Und dann schauen wir mal, wie das heute so wird.

Christof Pilarzyk: Hallo, guten Abend! Ich bin der Christof Pilarzyk, Wirt des Brauereigasthofs Grosch in Rödental. Gleichzeitig bin ich auch geschäftsführender Vorstand von unserem privaten Braugasthöfen und in sonstigen Medien unterwegs. Meine Hauptaufgabe ist es zurzeit, und da freue ich mich jetzt riesig drauf, mit euch heute Abend ein bisschen bierzutalken und vor allen Dingen auch ein bisschen Bier zu trinken.

Markus: Das ist doch wunderbar. Und den Holger habe ich fast ein bisschen vergessen, der ist natürlich auch im Boot, oder? Hallo nach München!

Holger: Ich bin auch wieder dabei, auf jeden Fall, und freue mich auch sehr. Und der Christof ist ja jetzt schon mein Freund, weil er hat ja schon das Biertrinken angesprochen, dann muss ich es nicht tun.

Markus: Genau! Aber vielleicht, bevor wir das erste Bier aufmachen, die Frage an Dich, Christof, vielleicht bringst du uns mal kurz auf den Stand der Dinge. Wir haben jetzt zum Zeitpunkt der Aufnahme Mitte Januar 2021, wir haben uns letztes Mal im Sommer 2020 unterhalten. Damals waren eben die ganzen Corona-Maßnahmen gerade in vollem Gange, jetzt sind sie es wieder. Wie ist es euch denn ergangen und wie seht ihr aktuell in die Zukunft?

Christof Pilarzyk: Wir haben das große Glück oder auch Pech, was auch immer, gehabt, dass wir im April dann einen schönen Kredit aufnehmen durften, der uns dann erst mal über das Schlimmste hinweggeholfen hat. Die Sommermonate sind in der Relation zu Corona, muss man sagen, sehr gut gelaufen. Gut nur zu den Monaten vorher, die natürlich sehr schlecht waren. Wir haben im Sommer so um die 60 % des Vorjahresumsatzes gemacht. Da könnt ihr euch vorstellen, was gut bedeutet in dieser Zeit. Und haben das große Glück gehabt, in zwei Monaten mal kein Minus zu schreiben. Aber es ging im September schon los, also die Leute sind gern nach draußen, die Biergärten waren voll, auch unsere. Aber sobald dann das Wetter umgeschlagen hat beziehungsweise kühler geworden ist, ist dann schon der Besuch weniger geworden. Und naja, und dann kam es, wie es fast kommen musste, dass wir im Oktober schon einen richtigen Abschwung hatten, so ähnlich wie letztes Jahr Anfang März. Als dann klar war, dass wir wieder schließen müssen, da war erst mal bei uns großes Unverständnis, das muss ich sagen. Wir haben also den ganzen Sommer über das geübt, gemacht, getan mit unseren Gästen. Wir haben keinen einzigen Corona-Fall auch nur in Ansätzen in unserem Betrieb gehabt, weil wir uns natürlich auch an diese Vorlagen gehalten haben. Und dann war es natürlich ziemlich frustrierend, als Erster wieder geschlossen zu werden. Das erschließt sich uns auch jetzt nicht so ganz, aber wir sind ja auch keine herausragenden Politiker, sondern nur Bierbrauer und Gastronomen. Und jetzt geht’s uns eigentlich nicht wirklich gut. Das Geschäft ist zu seit jetzt zweieinhalb Monaten, das heißt, zweieinhalb Monate nur rudimentäre Umsätze. Das heißt, ein bisschen Bierverkauf, sonntags ein bisschen Außer-Haus-Verkauf, wobei der tendenziell jetzt auch stark nachlässt. Also das heißt, bis zur Weihnachtszeit war das noch eine halbwegs solvente Einnahmequelle. Aber auch da mal ein Hinweis, also wir, unser Betrieb hat im November und Dezember 15 % des Vorjahresumsatzes gemacht. Das macht das vielleicht klar. Vielleicht in Worten: Jeden Monat 250.000 Euro weniger als das Jahr zuvor.

Markus: Habt ihr denn überhaupt einen Anspruch auf diese November- und Dezember-Hilfen und habt ihr schon was bekommen?

Christof Pilarzyk: Unser Betrieb jetzt hat „Riesenglück“, in Anführungszeichen, weil unsere Brauerei so einen kleinen Anteil hat. Weil nämlich unser Gastro- und Hotelanteil so hoch ist. Wir sind mit 18 % knapp an der Grenze vorbei. Aber ich habe viele, viele Kollegen bei uns bei den Braugasthöfen, aber auch sonst hier in Oberfranken, die haben halt eben 22, 23 oder 24 % des Umsatzes und fallen da vollkommen aus dieser Förderung raus. Und das ist vollkommen unverständlich. Ein Unding. Also, dass da die Politik nicht sofort nachgesteuert hat, lässt doch tief blicken. Und ehrlicherweise, das ist Verzweiflung pur für viele Kollegen. Aber wir haben auch beantragt und haben tatsächlich schon 20.000 Euro bekommen von eigentlich 100.000, die kommen müssten. Und die würden auch grad mal die Kosten decken.

Markus: Trotzdem denke ich, sollten wir jetzt dem Holger folgen und zumindest mal ein Bier aufmachen.

Holger: Jetzt haben wir auf jeden Fall einen Grund sich zu betrinken, sozusagen man sich ja betäuben. Wenn man das alles hört, wenn ich auch hier durch München gehe, im Hacker-Pschorr, Stammhaus, in der Fußgängerzone, da Sendlinger Straße, da ist halt ein Schnelltest-Zentrum jetzt drin. In meinen Augen ist ja Kneipenkultur, Gasthauskultur deutsches Kulturgut. Und ich bin auch sauer, also ich bin wirklich mittlerweile sauer auf diese pauschalen Lösungen. Es war nicht so, dass die Gastronomie ein Herd des Ansteckens war. Die meisten zumindest der Gastronomen haben sich doch viel überlegt auch, dass das verhindert wird. Also ich bin wirklich sauer. Und jetzt kann man sich nur noch besaufen. Absolut! Ich mache jetzt das erste Bier auf.

Markus: Lass uns doch mal teilhaben.

Holger: Ach! Das ist ein widerspenstiger Kronkorken. Wahnsinn! Also wenn ihr euch jetzt vorstellen könntet, was ich hier habe, wie das schon riecht. Also da springt mich die Rosine aber nur so an. Jetzt lassen wir es mal einlaufen. In der Tat, ich habe mir heute ein besonderes Bier aufgemacht und habe einfach geschaut, was hat am meisten Alkohol bei mir im Schrank. Und dann bin ich auf ein Bier gestoßen mit 11,5 % Alkohol. Ist aber nur 0,33, also ihr müsst jetzt da nicht irgendwie euch fürchten vor mir, dass ich jetzt dann irgendwann noch viel lauter schimpfe. Sondern bei mir handelt es sich um ein Barrel One Stock Ale …

Markus: Oh!

Holger: … von BraufaktuM. Wenn man da so reinriecht, dann kommen schöne Vanillenoten, Karamellnoten. Es ist aber auch klar, dass es ein holzfassgelagertes Bier ist. Und in einem Whiskyfass, also das ist auch sofort in der Nase. Also es gibt eben dieses süßliche, fruchtige Aroma und auch diese leichte Whiskynote. Ich genehmige mir jetzt mal einen Schluck. Prost!

Markus: Prost!

Christof Pilarzyk: Prost!

Holger: Und das ist eben wahnsinnig harmonisch und umarmt einen fast. Wenn die Zunge jetzt aus dem Mund käme und könnte mich umschlingen, würde sie es tun. Das ist wahrer Genuss. Das ist wirklich so ein komplexes und schönes Bier. Ich glaube, das ist jetzt für den Anlass, den wir heute besprechen, genau richtig. Mindesthaltbarkeitsdatum ist übrigens am 1.9.2019 abgelaufen. Und ihr wisst ja, diese holzfassgelagerten Biere, auch bei solchen Alkoholgehalten, die kann man durchaus auch noch übers Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus lagern und immer wieder probieren, wann sie im Zenit sind. Und hier möchte ich jetzt wirklich fast behaupten, so viel Harmonie und Malz-Aromatik in Verbindung mit diesen fruchtigen Aromen und Whiskynoten, besser geht’s fast nicht. Jetzt bin ich aber auch fertig.

Markus: Ich glaube, ich kann mich sogar erinnern, wann du diese Flasche bekommen hast. Ich glaube, das war 2016 oder sowas bei den Hopfentagen in der Hallertau, wo dieses Bier überhaupt auch kreiert worden ist von BraufaktuM. Und da haben wir so ein paar Flaschen bekommen. Das Haltbarkeitsdatum klingt für mich ein bisschen so, als wäre es vielleicht eine von denen. Aber wer weiß. #00:07:18.0#

Holger: Du hast recht. Du hast recht. Wahrscheinlich hast du recht. Ich weiß es selber nicht mehr ganz genau, aber auf jeden Fall habe ich mir das lange aufbewahrt für besondere Momente. Und jetzt ist ja so ein Moment. Der Christof ist ja der erste, der jetzt zum zweiten Mal im BierTalk ist. Wir haben ja was zu feiern. Wir haben gesagt, Mensch, schaffen wir überhaupt 52 BierTalks und so? Und wenn man jetzt die Specials noch dazu zählt, dann sind wir, weiß ich gar nicht, bei 68 oder 69 oder so. Wer hätte das gedacht? Das hat ja auch Corona mehr oder weniger angerichtet. Das ist ja daraus entstanden, dass wir gesagt haben, komm, was kann man machen, um weiter eben auch über Bier zu sprechen.

Markus: Apropos über Bier sprechen, vielleicht sollten wir dafür sorgen, dass auch der Christof nicht zu lange auf dem Trockenen sitzt. Magst du deins auch aufmachen?

Christof Pilarzyk: Ich habe eigentlich zwei mir gleich mitgebracht, zufälligerweise natürlich auch etwas größeres Kaliber, ein Bockbier, was auch sonst in dieser Jahreszeit eben (unv. #00:08:15.3#). Als ich zu meinen Kisten im Keller gegangen bin, ist mir dann zufällig noch ein zweiter Bock noch in der alten original Plop-Flasche, mittlerweile sind wir wieder auf unsere schönen alten Euro-Flaschen zurück. Haltbarkeitsdatum ist der 11.7.2014. Während unser schöner Bock vorneweg immer so eine Honignote hat, eine wirklich schöne Honignote, leuchtet auch so schön rotgoldig, hat einen schön feinporigen Schaum, aber nicht zu viel Kohlensäure, also wie die ganzen Biere von Grosch. Wir machen eigentlich unsere Biere mit relativ wenig Kohlensäure. Heißt natürlich, die haben einen guten Lauffaktor, sie laufen richtig schon hinaus. Da kommen so die Karamellnoten dann raus und auch die Hopfennoten, die man schön riecht bei diesem Bock, die kommen vor allen Dingen ausgewogen daher, also mit Karamell und Hopfen verbinden sich so in der Mitte wunderschön zu einer Harmonie. Und ich erzähle das nicht, weil es mein Bier ist, sondern weil es wirklich so geil schmeckt. Und ganz ehrlich, das ist so das Getränk, was wir fast täglich abends zu uns nehmen, meine Frau und ich, so als Betthupferl sozusagen. Weil es einfach schön schmeckt, in die Zeit passt so zum knisternden Kamin. Gestern haben wir so einen kleinen Schokokuchen ausprobiert, also zum Dessert, Schokodessert, auch super gepasst. Das ist unser Bock, unser normaler Bock, mit gut 7 %. Und jetzt mach ich mal diese andere Flasche auf noch. Ich hoffe, ihr gebt mir die Zeit.

Markus: Du kannst gerne zweimal trinken. Wir hatten mal eine Bekannte, die hat das immer Double Fisting genannt.

Christof Pilarzyk: Ach so! Ha-ha! Okay! Dann werde ich jetzt nicht die Faust, aber die zweite Hand dazu nehmen. Ah ja! Erwartungsgemäß ist natürlich die Klarheit nicht mehr so gegeben. Das schöne Rotgold, was wir haben, ist auch mehr ein schönes Braun geworden, hellbraun. Da hat die Oxidation doch schon ein bisschen was gewirkt. Aber wenn man da reinriecht, das ist brutal, wie sich so ein Bier verändert. Und zumindest dem Geruch nach ist es noch super trinkbar. Der Honig ist jetzt praktisch so zum Metgeruch, also der so ein bisschen intensiver ist. Pflaumen, Feige, kommen dann da entgegen. Nochmal, 11.7.2014. Ich bin richtig stolz, dass er noch so riecht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, das ist ein Sherry. Kohlensäure ist faktisch rudimentär noch vorhanden, aber auch hinten raus einen wunderbaren Abgang nach so Trockenfrüchten. Also so ein bisschen Feige hat man auch noch. Und ganz zum Schluss hat man im Mund immer noch diese schöne Hopfennote. Also ich bin richtig stolz, dass der noch so gut gehalten hat. Aber er ist der vorletzte seiner Art, einen habe ich noch im Keller. Den werden wir dann nächstes Jahr verkosten, oder?

Markus: Auf jeden Fall! Aber dann persönlich. Sind wir jetzt auch schon sehr neidisch. Aber vielleicht an der Stelle mal die Frage, du hast ja gerade gesagt, ihr macht jetzt öfter mal so einen Feierabend-, Kaminbierchen, wie auch immer. Würdest du denn sagen, eure Trinkgewohnheiten oder vielleicht auch einfach eure Lebensgewohnheiten haben sich jetzt in diesem letzten Jahr deutlich verändert?

Christof Pilarzyk: Ja, sie haben sich wirklich sehr deutlich verändert. Es ist so, dass wir im Betrieb selbst Arbeiten wieder machen, die wir schon jahrelang aus den Augen verloren hatten. Weil als Chef hattest du ja einen Betrieb zu führen. Jetzt gibt’s quasi niemand mehr, den du groß führen kannst, du machst die meisten Arbeiten selbst. Das heißt also, stundenmäßig ist es gar nicht so viel weniger geworden. Aber was uns am meisten abgeht, sind unsere Gäste. Wir haben Glück, dass wir noch so einen Bierverkauf haben und sonntags so einige dann doch das Essen abholen. Aber das fehlt uns am meisten. Das hat unser Leben wirklich verändert, weil wir sind so Menschen, die mit anderen Menschen gern zusammen sind. Und jetzt haben wir so die Zeit gehabt, uns wieder mal zu finden. Das war auch schön, muss ich sagen. Wir haben einfach mal über Sachen gesprochen, die vorher gar nicht denkbar waren, weil man da eine Million andere Sachen im Kopf hatte. Jetzt unterhält man sich einfach so über, wie schön die Natur ist, wie das letzte selbstgekochte Essen war. Wir haben zum Beispiel früher fast nur im Betrieb gegessen. Und nur, wenn wir Gäste mal zuhause hatten, zuhause gekocht. Jetzt ist es genau umgedreht, wir essen nur noch zuhause. Und probieren auch neue Sachen aus. Das kann ich jetzt nur allen Kollegen empfehlen, das ist genau der Punkt, einfach mal neue Sachen ausprobieren, an die man früher nicht so gedacht hat. Wir sind da total experimentierfreudig geworden. Und da wird sicher in der neuen Grosch-Karte, da sind wir fest von überzeugt, wenn wir dann wieder aufmachen dürfen, einige Ergebnisse von auf der Karte wiederzufinden sein.

Markus: Wird das Leben auch langsamer?

Christof Pilarzyk: Ja, definitiv! Es wird langsamer, aber ich sage jetzt mal, positiv langsamer. Ihr hört auch an meinem Lachen, wir entdecken einfach Sachen, die so im normalen Geschehen untergegangen sind. Ich sag mal, was für andere Menschen vielleicht Normalität ist. Also so ein schönes Spazierengehen ohne Zeitdruck. Ein Telefon, was nicht permanent klingelt. Irgendwelche Verwaltungstätigkeiten, die sowieso keinen Bock gemacht haben, jetzt einfach mal wegfallen. Das sind so die positiven Seiten. Es ist langsamer geworden, aber angenehmer, also ich finde es angenehmer. Wenn denn wieder aufgemacht wird, werden wir sicher neu durchstarten, aber wir werden auch achtsamer mit unserer eigenen Zeit (unv. #00:13:01.5#) sein.

Markus: Das ist doch auch ein Stichwort, Holger, oder? Kannst du der Situation auch in gewisser Weise was Positives abgewinnen, gerade im Hinblick auf die Achtsamkeit?

Holger: Auf jeden Fall ist das natürlich ein Thema, wo Corona viele Dinge hervorbringt. Vieles, was so unter der Decke geschlummert hat, kommt ja plötzlich hoch. Und dass man die Dinge wieder etwas bewusster macht, weil man sich zwangsläufig wieder mehr Zeit nimmt, weil man einfach auch mehr Zeit hat und die Dinge vielleicht ein bisschen mehr zelebriert, auch mehr Zeit hat für die Familie, für die ganz engen zwischenmenschlichen Beziehungen. Das ist mit Sicherheit so. Aber Christof, mich würde wahnsinnig interessieren, private Braugasthöfe, da bist du der Geschäftsführer dieses Zusammenschlusses, und wie geht’s den anderen Betrieben, was hörst du da? Was gibt’s vielleicht auch für innovative Dinge, Ideen, wo du sagst, Mensch, also da ist was entstanden auch, da muss man hingucken, das könnten wir alle so machen?

Christof Pilarzyk: Was es prinzipiell bei allen gibt, ist dieses Zusammenrutschen der Familie. Also Familie war noch nie so wichtig wie jetzt in dieser Zeit. Das, was die Braugasthöfe ja eigentlich ausmacht, dieser Familiensinn, der wird wahnsinnig gestärkt. Was eigentlich alle toujours gemacht haben, sie haben die Zeit genutzt, um so wie wir so nachzuschauen: Wie aktuell ist denn unsere Speisekarte? Was gibt’s da an neuen Sachen? Manche arbeiten an neuen Bierideen. Dann haben wir natürlich alle daran gearbeitet, irgendwie noch Umsatz zu generieren. Wir machen jetzt zum 29.1. Bierkulinarium to go, also zuhause. Wir probieren das einfach mal aus. Viele Kollegen haben Bierverkostungen auch schon direkt gemacht, mit Kunden, mit Gästen, haben dann Bier verschickt und dann gemeinsam über Zoom, Teams und wie diese Programme alle heißen, das durchgeführt. Und das sind so Sachen, die bleiben bestimmt auch hängen in Zukunft. Nämlich für alle Menschen, die vielleicht nicht so viel reisen können oder so, aber dann kann man diese neuen Sachen vielleicht mitintegrieren. Das ist die gute Seite.

Holger: Markus, jetzt mach doch mal schnell dein Bier auf. Ich würde direkt hinterherschieben wollen, also wir hatten ja unsere Weihnachtsfeier sogar auch online gemacht über Zoom innerhalb der Bierakademie und hatten dann vom Brauereigasthof Drei Kronen in Memmelsdorf, die haben den Gasthof daheim entwickelt, und da konnten wir uns entweder Gans oder Roulade bestellen. Ich war ja sehr gespannt, wie das dann hier in München ankommt und so. Aber ich muss sagen, das war hervorragend. Also wirklich mit Rotkraut und mit Kartoffelklößen und die Roulade. Also da läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Das fand ich auch richtig toll, wie die das gemacht haben und wie das umgesetzt war. Also von der Verpackung bis wirklich zur Speise, das war wirklich ganz professionell. Aber Markus, du musst jetzt auch mal. Sonst mach ich mir Sorgen.

Markus: Ja, allerdings, muss ich wirklich sagen. Aber bevor ich es aufmache, ganz kurz zu dem noch einen Satz. Ich fand das auch ganz toll. Und ich glaube, da sieht man auch, das ist auch was, was man dir Christof vielleicht auf den Weg mitgeben kann, auch für die anderen, dass die, die das einfach gut machen und gut können, sich dann eigentlich auch relativ gut auf solche Sachen einstellen können. Weil der große Unterschied war, das, was wir da bekommen haben vom Braugasthof und wie wir es dann für uns relativ einfach mit dem Wasserbad warmmachen konnten, war qualitativ absolut top und besser als alles, was man sonst so als „to go“ landläufig immer so zuhause bekommt. Ich glaube, das ist wirklich ein Punkt, wenn mehr das für sich entdecken, es ist zumindest eine Option. Aber gut, jetzt machen wir mal erst noch ein Bierchen auf. Ich muss ja sagen, es tut mir ja fast leid, ich habe eins, was noch haltbar ist. Also bei mir steht zumindest noch drauf „bis Mitte 22 haltbar“. Aber natürlich schon auch ein bisschen was Kräftigeres und ich habe auch in den Kühlschrank geschaut und mir gedacht: Hm! Was wäre was für uns zusammen? Dann habe ich gesehen, ich habe da noch eine alte Flasche, die ich mir aus Belgien mitgebracht habe. Und zwar steht da drauf Vleteren Alt. Das ist ganz lustig, weil das ist jetzt nicht die von vielen bekannte Brauerei in Westvleteren, sondern eben eine andere Brauerei, die in dem Ort Vleteren eben auch ist. Die heißt Deca. Und dort gibt es ein Ehepaar, die eben seit vielen Jahren als Familie, Nicolas und Katrien heißen die, eine Brauerei machen. Und haben auch verschiedene Bierstile. Und das, was ich jetzt habe, ist das Vleteren Alt mit 8 % Alkohol, und ich mach‘s jetzt mal auf. Ganz grundsätzlich glaube ich, dass es nicht unbedingt ein Alt ist, sondern wahrscheinlich eher das, was die Belgier unter Duvel verstehen oder unter Bruin. Aber jetzt gucken wir mal. Also im Glas schöne rotbraune Farbe mit so einem leichten Schimmern und wirklich einem sehr, sehr schönen Rotstich, der gefällt mir richtig gut. Obendrauf dann der Schaum, feinporig, viel Schaum, und auch schön getönt, so ein bisschen karamellfarben, ganz fein. Jetzt riechen wir mal rein. Im Vordergrund karamellig, röstig, dann kommen so weinige Noten. Geht tatsächlich auch schon ein bisschen in Sherry. Und sehr frisch, also die Kohlensäure ist auch sehr präsent. Probieren wir das mal. Sehr, sehr fein. Also schöne Mischung. Es hat relativ viel Süße auch. Und die geht dann aber schön über in tatsächlich richtige Weinaromen. Also wirklich so eine Reise durch diese beiden Getränke, durch Bier und Wein fast, muss man sagen. Hintenraus wird es relativ schnell trocken. Auch schön, weil dadurch sind die 8 % nicht so massiv. Und es bleibt ein ganz schöner Eindruck, schönes, rundes Bier. Es ist fast ein bisschen schnell weg für seine 8 %, aber gut und da kann ich jetzt mit euch schön weitertrinken. Genau! Holger, du hattest ja unsere Weihnachtsfeier erwähnt, das war zum Beispiel eine Aktion, dass es eben da diesen Braugasthof daheim sozusagen gibt, wo man sich das bestellen kann. Übrigens, also Mini-Werbeblock, das kann man über die Bierakademie auch buchen. Wir machen dann das entsprechende Bierpaket dazu und dann kann man das zuhause eben mit uns verkosten. Aber es gibt ja auch andere, die haben zum Beispiel einen Monster-Bierkasten entwickelt, ein anderer Mitgliedsbetrieb von euch in Adelsdorf. Das fand ich auch ganz spannend. Ich weiß gar nicht, 100 Flaschen Bier gehen da rein. Gab’s denn noch so andere ganz verrückte Sachen, Christof?

Christof Pilarzyk: Ganz verrückte Sachen vielleicht nicht, aber einfach besondere Sachen, die immer damit zu tun haben, dass wir keinen direkten Kontakt mit unseren Gästen haben. Also die verrückteste Idee bei Bier, zumindest was die Verkaufsgröße angeht, ist nicht zu toppen, garantiert nicht. Ich habe mir dann überlegt, wie man so einen Kasten überhaupt rumhievt, das haben die Jungs dann auch geschafft. Was es aber gebracht hat, ist einfach diesen Blick auf unsere kleinen Brauereien. Das ist eigentlich das, was mich immer stolz macht, ganz gleich, wer das von unseren Kollegen bringt. Dass da einfach so ein Innovationsgedanke auch immer da ist. Also wir haben auf der einen Seite natürlich diese traditionellen Biere mit traditioneller Verpackung, aber dass dann so Sachen da wieder passieren. Also wir haben ein bisschen sogar zu Dosen, ist ja ganz was Neues, wo dann einfach mal einer gesagt hat, weißt du was, mein Problem ist es, die so weit zu verschicken. Ich probiere das mal aus. Der hat das dann mit Dosen ausprobiert, auch das war in Ordnung. Also diese Grenzen verwischen auch immer mehr. Und es ist vielleicht auch gar nicht verkehrt, wenn man sich dem einfach mal öffnet und nachschaut. Diese reine Lehre zwar für sich nimmt, aber trotzdem auch mal auf positive Abwege geht, wenn die denn laufen. Was, wie gesagt, ganz innovativ war, war eigentlich einfach diese Bierverkostung, wo Weihnachtsfeiern gemacht wurden. Da haben Kollegen ihre Biere dort verschickt und dann diese Verkostung zusammen gemacht. War ultra-lustig. Und die Sache aus Memmelsdorf haben viele andere Kollegen ähnlich gemacht und mit dem gleichen Ergebnis. Aber es ist ja auch so, wenn du ein gutes Essen kochst, dann verpackst und wegschickst und wieder regenerierst, dann wird das immer noch gut sein. Aber ich muss jetzt auch sagen, es ist natürlich kein Vergleich mit dem, was man normalerweise bei uns erleben kann. Das Kommen, sich hinsetzen, bedient werden, diese Atmosphäre schnuppern, das fehlt natürlich. Und das können wir leider, leider nicht mitliefern. Wir können nur das Appetithäpple verpassen und sagen: Kommt. Jetzt sobald es wieder aufgeht, kommt ihr zu uns und dann bekommt ihr 100 Prozent.

Markus: Das hast du schön gesagt. Ich glaube auch, das Gefühl, dort zu sitzen und das zu erleben, das wird uns sicher hoffentlich bald wieder das Herz erwärmen, aber das fehlt momentan, das schon. Holger, was sagst du denn? Bier in Dosen, gute Sache, oder?

Holger: Auf jeden Fall! Ich bin ja schon immer ein Freund der Dose. Das hat verschiedenste Gründe. Also erst mal habe ich so schöne Erinnerungen an bestimmte Dosenbiere, die man an der Tankstelle sich gezogen hat, um sich in einen Zustand zu versetzen. Ihr wisst ja, ich komme aus dem Ruhrgebiet. Aber natürlich, ich sag mal, Dosenbier hat vielleicht in Deutschland oftmals einen etwas schlechten Ruf, aber zu Unrecht. Bier hat ja das Thema Licht und Sauerstoff, ist da immer ein Thema, und die Dose ist einfach lichtdicht, und auch als Transportgut, es kann nicht kaputtgehen, es kann nicht zerbrechen, es ist leicht, leichter als die Glasflasche und so, also auch ökologisch eine ziemlich sinnvolle Sache. Ich bin ein sehr großer Freund der Dose, muss ich wirklich sagen.

Markus: Ja, bin ich mal gespannt, wir werden ja demnächst noch einen BierTalk machen, wo wir auch eine Braugasthof Dose verkosten, nämlich vom Griesbräu, die vorher ja noch gar keine richtige Abfüllung eigentlich hatten. Also da bin ich gespannt, werden wir dann natürlich auch davon berichten. Das wird ein Special werden, weil der Brauer dort nämlich aus Brasilien kommt. Aber vielleicht noch, Christof, an dich die Frage. Ein Thema ist ja der Umsatz, das Essen, die Getränke und so weiter, aber das andere Thema ist ja irgendwie auch das Personal. Und da habe ich so ein bisschen Befürchtung, dass selbst, wenn das jetzt im Sommer oder Frühling, wann auch immer, wieder aufgemacht wird, dass viele Gastronomen einfach ein Problem haben werden, ihre Leute wieder zu kriegen. Habt ihr da Erfahrungen damit, oder?

Christof Pilarzyk: Jeder macht’s da ein bisschen anders. Ich muss dazu sagen, die „Privaten Braugasthöfe“ ist eine Werbegemeinschaft. Also alles das, was ich jetzt da von mir gebe, ist weit über das hinaus, wo ich eigentlich für zuständig bin. Aber ich mache das auch gerne, weil das gehört auch dazu. Und Mitarbeiter halten, Mitarbeiter-Pflege ist ein ganz großes Thema schon seit Jahren bei uns. Und dem einen gelingt’s halt eben richtig gut und dem anderen weniger gut. Wir haben da auch die extremsten Erfahrungen. Wir haben sehr positive Erfahrungen, das ist aber auch deshalb so, weil wir permanent Kontakt halten. Also wir haben eigene WhatsApp-Gruppen. Wir haben jeden Tag auf, um den Bierverkauf zu machen, und der wird dann immer wieder mit anderen besetzt. Das heißt, immer zwei aus der Mannschaft kommen. Das rechnet sich zwar nicht unterm Strich, aber was sich rechnet, ist, dass einfach die Beziehung zum Betrieb, zu den Kollegen, auch nur in kleinem Ausmaß, bleibt. Und vor allen Dingen immer, dass einer der Chefs da ist, dass wir da Kontakt halten. Und das haben wir ganz gut umschifft. Wir haben natürlich sofort auch für unsere Mitarbeiter versucht, Jobs zu finden, 450 Euro Jobs. Dann ist es natürlich dramatisch. Also das muss man ganz klar sagen, nicht nur für uns als Unternehmer, die ohnehin kein Kurzarbeitergeld bekommen und auch keinen Gewinn machen. Aber wo die von leben, das fragt sich keiner. Aber ist ja wurscht. Aber was auch dramatisch ist oder mindestens genauso dramatisch, das sind unsere Mitarbeiter, die wie wir auch schuldlos in diese Situation geraten sind. Und das sind Menschen, die arbeiten wollen. Und jetzt dürfen die nicht arbeiten, Nummer eins, also Berufsverbot sozusagen. Und Nummer zwei, dann bekommen sie lächerliche 68 % ihres letzten Nettogehalts. Jeder, der in der Gastronomie arbeitet, weiß, ein Gehalt, und das ist nicht schlecht, aber es ist halt auch nicht on the top, ist aufgefüllt durch Trinkgelder, die zum Beispiel in unserem Laden die Mitarbeiter untereinander teilen. Also da bekommt auch die Küche was und die Mädels vom Hotel bekommen was. Und das fehlt ja total. Das ist ja total weg. Das heißt, die haben nicht nur 32 % weniger, sondern mehr wie 50 % weniger Geld. Und das über Monate. Und das ist einfach ein Ding, das geht gar nicht. Also wir werden alle für Solidarität aufgerufen, aber den Preis zahlen die Gastronomen und die ganzen Mitarbeiter. Wir sind die, die solidarisch sein sollen. Wir werden dazu gezwungen, aber bitte, wo ist der Ersatz dafür, woher kommt der? Der kommt gar nicht.

Markus: Und eine Frage war für mich eben auch, also ihr habt jetzt die glückliche Lage wenigstens, dass ihr die Leute halbwegs halten könnt. Aber ich kenne auch einige, die die Leute einfach ausstellen oder entlassen mussten.

Christof Pilarzyk: Ja.

Markus: Oder die haben sich einfach andere Jobs gesucht, weil sie gesagt haben, ich komme mit diesen 40 % unterm Strich nicht klar und sind irgendwo im Supermarkt an der Kasse jetzt oder so. Und dann ist halt die große Frage, ob die dann wieder freudig aufspringen im Mai und sagen, hurra, ich gehe zurück in meinen Braugasthof? Weil das wird, glaube ich, noch ein ernsthaftes Problem werden.

Christof Pilarzyk: Ich sag mal, wenn wir über Probleme reden, wird das eines der wesentlichen sein. Die Motivation wieder hinzubekommen, in unserem Beruf zu arbeiten, ist halt der schönste und geilste Beruf der Welt, ich kann mir gar keinen schöneren vorstellen. Aber wenn sich jemand mal einen 8-Stunden-Tag von früh um 7 bis mittags um 16 Uhr gewöhnt hat, dann wird das durchaus schwierig sein, den zurückzugewinnen. Ich meine, die Gastro-Tante und der Gastro-Onkel, die kommen immer wieder zurück, aber die anderen nicht. Ich habe durchaus Kollegen, da ist die Hälfte der Mannschaft schon weg. Und das wird natürlich fatal. Wir sind Dienstleister, das heißt, unsere Dienstleistung besteht darin, dass wir Dienst verrichten. Und das ist mehr wie nur kochen und ein bisschen Essen austragen. Und den können wir nicht verrichten, wir können keinen Umsatz machen, wenn wir keine Leute haben.

Markus: Und das sind ja auch das Wissen und die Verhaltensweise, solche Sachen. Also mein Schwager zum Beispiel, der hat einen Messebau sozusagen, und der sagt halt, sein größtes Problem ist, dass die Leute mit einem Jahr haben die ganz viel vergessen. Also wie man manche Sachen zusammensteckt, aufbaut, macht und tut, wenn man das einfach nicht regelmäßig macht, dann geht das raus. Und wenn ihr halt neue Leute einstellen müsst oder die Leute wirklich jetzt erstmal geistig weg waren, dann dauert das auch, bis die sich überhaupt wieder auf dieses Thema Gast einstellen können.

Christof Pilarzyk: Wir haben ja schon eine Erfahrung aus dem letzten Lockdown. Der war ja wesentlich kürzer wie der, der jetzt ist. Und da haben wir anderthalb Monate gebraucht, um die Mannschaft wieder zu der Leistung zu bringen, die wir vorher hatten. Also das ist Fakt. Wir werden am Anfang mit mehr Mitarbeitern arbeiten müssen, weil die Leistungsfähigkeit einfach geringer sein wird. Und das ist genau das, was wir tun. Wir sind ja letztendlich auch Handwerker, das sind Handreichungen, das sind Verhaltensweisen. Und wenn du diesen Umgang nicht täglich probst, das ist wie ein Künstler, wenn der nicht jeden Tag an seiner Gitarre übt, dann klingt sein Gitarrenspiel nicht gut. Wenn ein Zirkuskünstler nicht jeden Tag an seinem Trapez arbeitet, dann fällt der da ziemlich schnell runter. Und so ist es bei uns auch. Und das wird eine große Arbeit und Mühe werden. Und das Fatale daran ist, dass wir da in der Politik überhaupt kein Verständnis für finden.

Holger: Was glaubst du, Christof, wieviel bleibt auf der Strecke? Gibt’s da einen Prozentsatz, wo du sagen könntest, da würde ich mich trauen, das zu sagen? 20 %, 30 %, 50 %?

Christof Pilarzyk: Realistisch gesehen wird Minimum 20 bis 25 % auf der Strecke bleiben. Und zwar noch nicht mal so, dass jetzt bei der nächsten Öffnung die alle gleich aus der Kurve fliegen. Aber man muss sich einmal vorstellen, was man für Schulden aufgebaut hat in der Zeit. Viele Kollegen, die in Miete irgendwo sind, die haben ja das nur gestundet bekommen. Das heißt, die haben da Schuldenberge. Und wenn da nur ein Booster kommt, bist du weg vom Fenster. Dazukommt, dass überhaupt keine positive Unterstützung von den Banken kommt. Das muss man mal sagen. Die sind mit dem Mundwerk ganz groß, aber wenn es um die Fakten geht, sind die ganz klein. Also wenn du heute in Gastronomie irgendwas machen willst, dann ist die Unterstützung deiner Hausbank mager – ich will es einfach mal mager nennen – und unheimlich schwer. Das liegt allein schon daran, dass diese unseligen Mittel ja nicht fließen. Das geht weiter mit diesem KfW-Darlehen. Wie kann das sein, dass ein gesunder Betrieb wie wir, ich kann‘s ja sagen, 400.000 Euro aufnehmen mussten zu unverschämten 3 %. Ich frag mich, der Staat richtet hier einen Schaden an und ich muss ihn bezahlen. Das ist doch vollkommen irre. Und es geht nicht nur ums Geld, es geht auch um die Menschen, von denen wir es grad hatten. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Für unseren Betrieb bin ich sehr optimistisch, für andere mediaoptimistisch, und es gibt auch viele Kollegen, die ich unheimlich gut kenne und auch wertschätze, aber die einfach überhaupt keine Chance haben, dass jemals wieder reinzuholen, wenn da nicht massive Unterstützung von der Wirtschaftsförderung kommt.

Markus: Ein anderer Punkt müsste eigentlich auch sein, dass man sich so ein bisschen da jetzt auch schon damit auseinandersetzt und darauf einstellt, was ja dann letzten Endes bedeutet, dass man nicht mit denselben Preisen wieder aufmachen kann, die man vor anderthalb Jahren hatte, sondern man muss ja eigentlich sich jetzt anpassen. Einerseits, es wird am Anfang sicher nochmal Einschränkungen geben, irgendwelche Schutzmaßnahmen und so weiter, die was kosten und die Umsatz kosten. Und dann gibt’s eben all die Kosten, die jetzt aufgehäuft worden sind, die ja auch alle zu zahlen sind. Das heißt also, eigentlich müssten doch konsequente Gastronomen sagen: Wenn ich jetzt aufmache und mein Bier hat vorher, sagen wir mal, 3,50 gekostet, dann kostet es jetzt eben 4,50, weil sonst macht‘s einfach keinen Sinn. Glaubst du, die haben da den Mut das zu tun?

Christof Pilarzyk: Es ist einfach so: Wer den Mut nicht haben wird, der wird die längste Zeit Wirt gewesen sein. Es sind ja keine Reserven mehr da. Das ist ja ein Zustand, den eigentlich keiner kennt. Also keiner, der ordentlich gewirtschaftet hat, kennt diesen Zustand. Aber das wird jetzt der Standardzustand sein, wir fangen alle bei null oder teilweise minus an. Das heißt, wir dürfen uns keinen Monat mehr erlauben, der im Minus läuft, wir können uns keine Besonderheiten mehr leisten, weil sie einfach nicht finanzierbar sind. Und das über die nächsten vier, fünf, sechs Jahre. Wir haben ausgerechnet, mit optimistischster Schätzung, werden wir Minimum sechs Jahre brauchen, Minimum sechs Jahre brauchen, um überhaupt wieder einen Gewinn zu verzeichnen, also um das Minus, was wir jetzt machen. Wir aktuell liegen mit 500.000 Euro zum Vorjahr, eine halbe Million, zurück. Also nicht Umsatzverlust, Gewinnverlust, eine halbe Million weniger. Und den musst du ja auch erst in Zukunft wieder erwirtschaften. Wir sind jetzt ein großer Betrieb, aber für einen kleinen Betrieb sind es halt eben dann 50.000 Euro. Aber die sind genauso fatal. Und da müssen wir zusammen, und ich bin voll bei dir, die Preise müssen angepasst sein. Und ich glaube auch, ich glaube auch fest, dass die Menschen mittlerweile mitbekommen haben: Wenn wir das jetzt nicht tun, werden wir die letzten Gastronomen auch noch verlieren. Haben wir viel Spaß bei McDonald’s und das war’s dann.

Markus: Das glaube ich auch. Meine Angst ist so ein bisschen, dass ein paar unbelehrbare Gastronomen das nicht machen und damit die Leute denken, na ja, es ist ja weiterhin so billig. Und wenn die dann verschwunden sind, weil sie nach zwei Jahren zugemacht haben, dann wird es für die anderen natürlich erst richtig schwer. Aber gut, wir werden sehen. Holger, wie ist denn so dein Ausblick jetzt auch für München? Was hörst du denn? Hast du ein bisschen Kontakt zu irgendwelchen Gastronomen oder Brauern?

Holger: Doch, doch, also habe ich. Im Prinzip deckt sich das mit dem, was der Christof sagt. Alle sehnen sich nach Gästen. Das muss man ganz klar sagen, das ist der größte Wunsch überhaupt von allen. Alle sagen: Wir möchten gerne wieder einfach unserer Leidenschaft nachgehen. Und hier kommt ja noch dazu, dass die Mieten in der Stadt, also wenn man jetzt eine gute Lage hat, die sind ja exorbitant hoch. Und die meisten Gastronomen sind dadurch natürlich auch nochmal doppelt herausgefordert. Ich mache mir einfach Sorgen, weil München ist ja einfach eine Bierhochburg auch, also ich sage jetzt ganz bewusst nicht die Bierhauptstadt Deutschlands, weil ich spreche ja mit Oberfranken, da muss man vorsichtig sein. Aber für den Rest der Republik hat ja da München schon auch eine Bedeutung. Ich finde das dramatisch, also wirklich absolut dramatisch. Ich wohne ja jetzt ziemlich nah am chinesischen Turm, am Biergarten, und wenn ich da jetzt durch den Garten laufe und auch schon in der Zeit zwischen den Lockdowns, also mit diesen Absperrungen, mit diesen Begrenzungen, wenn ich mir den Biergarten vorstelle, wir sind also regelmäßig, als wirklich regelmäßig, man kann sagen, mindestens einmal die Woche, aber meistens zweimal die Woche als Familie Abendessen gegangen. Also haben unsere Brotzeit einfach selber mitgebracht, wie man das hier so tut. Und wir haben uns dann das Bier dazugekauft und so und hatten einen sehr schönen Abend einfach mitten im Englischen Garten. Und all das ist weg. Das ist unvorstellbar. Jetzt ist Hofbräu natürlich ein staatlicher Betrieb. Aber ich bin so traurig, ihr könnt euch das gar nicht vorstellen. Ich bin ja auch ein Kneipenkind und meine Eltern hatten eine Gaststätte, meine Großeltern hatten eine Gaststätte im Ruhrgebiet, und für mich ist das eben dieses Thema dieser Zwischenmenschlichkeit, der Begegnung, dieses Get Together, dass auch das war, was mich an Bier so begeistert, warum ich quasi nur Wein trinke, wenn es unbedingt sein muss, also Heiligabend, um den Schwiegervater nicht zu verärgern oder so. Aber sonst gibt’s ja keinen Grund. Bier ist doch so toll und dann auch noch in der Geselligkeit das zu erleben. Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, 25 % der Gastronomen hier in München gehen über die Wupper. Das ist nicht gut. Und das stimmt mich sehr traurig.

Markus: Nun sind wir trotzdem langsam, aber sicher am Ende unserer BierTalk-Zeit angelangt. Und ich fände es schön, wenn wir es noch mit ein bisschen wenigstens einem positiven Gedanken beenden könnten. Christof, habt ihr vielleicht irgendwelche Pläne, irgendwelche Ideen, wo ihr jetzt gesagt habt, gerade weil wir jetzt Zeit hatten, drüber nachzudenken, Dinge mal anders anzugehen, werden wir uns da verändern und hoffen, dass wir so eben dann wieder zu einer Erfolgsspur zurückkommen?

Christof Pilarzyk: Unser großes Glück war, dass der Joshua, unser destinierter Nachfolger, der eigentlich schon längst in der Welt unterwegs jetzt wäre und sein Studium machen könnte, zuhause bleiben musste. Und er zu uns gesagt hat: Wisst ihr was? Wir drehen das jetzt alles um. Wir bauen jetzt eine neue Brauerei, dann bringe ich die zum Laufen und dann gehe ich zum Studium. Ich muss sagen, mehr Zukunftsoptimismus kann man nicht ausdrücken. Meine Hausbank weiß von der Idee noch gar nichts. Nach dem BierTalk vielleicht dann schon eher. Aber ich fand das, also auch meine Frau, so erfrischend, dass wir gesagt haben, er hat recht. Ja, wir greifen noch mal richtig an. Wenn der so einen Mut hat, in so einer Scheißsituation daran zu denken, dann stehen wir natürlich zusammen und machen das. Also wir planen den Neubau einer Brauerei. Einer kleinen natürlich, nicht eine Riesenbrauerei, einer kleinen Brauerei, wo wir weiter unsere tollen, traditionellen Biere machen können. Wo aber auch der Joshua dann seine neuen Ideen, was Bier angeht, verwirklichen kann. Das ist eigentlich unser Ausblick in die Zukunft, unser positiver.

Markus: Das stimmt mich doch auch schon etwas positiver. Ich denke, das ist auch ein bisschen so der Punkt, dass natürlich bei dem einen oder anderen, wo Veränderungen vielleicht schon länger angestanden wären, es jetzt ein bisschen mehr kanalisiert wird, ein bisschen mehr auch letzten Endes die Notwendigkeit, und am Ende vielleicht auch der Mut dazukommen, dass es dann auch umgesetzt wird. Also auf jeden Fall sehe ich es ja auch bei uns: Auch wir hatten erst mal als Bierakademie natürlich komplett rote Zahlen vor Augen. Und es ist immer noch nicht rosig, aber wir haben auch an vielen Stellen einfach uns wieder ein bisschen neuerfunden, neue Ideen, neue Formate, vielleicht auch neue Ansprache an Leute und so weiter gefunden. Und müssen natürlich jetzt auch schauen, weil die Gastronomen natürlich eine unserer Hauptzielgruppen sind, und wenn es denen schlechtgeht, geht‘s zeitversetzt natürlich uns auch schlecht. Also auch da werden wir sehen. Aber wir schauen auch irgendwie doch positiv in die Zukunft, weil wir zumindest Ideen haben, Pläne haben, Wünsche haben und ein bisschen darauf hoffen, dass ihr liebe Hörer eben den Gastronomen und uns einfach die Stange haltet und weiterhin dann, wenn es wieder möglich ist, in die Gasthöfe geht, euch euer Bier kauft und euch von uns natürlich auch ein bisschen dazu erzählen lasst.

Holger: Wisst ihr eigentlich, wer André Kostolany war?

Christof Pilarzyk: Ja. Live erlebt in meiner Hochschulzeit.

Holger: Das war jemand, der noch in der Monarchie Österreich-Ungarn geboren wurde und war Finanzexperte und Börsenexperte. Der hat immer gepredigt, sich antizyklisch zu verhalten. Also wir dürfen jetzt gar nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen genauso wie euer Sohn da vollends positiv in die Zukunft gucken und auch mit einem „Jetzt erst recht!“ der Sache begegnen. Der hat auch mal in irgendeinem Interview bei irgend so einer Krise dann die Frage gestellt bekommen, warum er denn da immer noch wieder Hoffnung schöpft? Dann hat der Kostolany gesagt: Junger Mann, Sie müssen bedenken, beim Börsencrash 1929 war ich schon 23 Jahre alt. Den haben wir auch überlebt und haben da eigentlich auch gelernt daran und die Chancen ergriffen, die auch sowas bringt. Genauso müssen wir es auch machen. Ganz einfach. Egal wer uns welche Steine in den Weg legt oder so, wir wissen, was wir können. Die Leidenschaft, Gäste zu empfangen, Gäste zu bedienen, Gästen einen schönen Moment, ein schönes Erlebnis zu bereiten, das ist doch so viel Motivation, da kann doch nichts dagegenhalten. Das ist meine Meinung.

Markus: In diesem Sinne, ich habe nur noch einen ganz winzigen Schluck in meinem Glas, also so schnell habe ich, glaube ich, auch noch kein Bier ausgetrunken beim BierTalk, aber es ist einerseits lecker und andererseits ist es heute auch wirklich mal gut. Insofern vielen Dank an euch beide, an dich vor allem Christof natürlich für die Zeit und für die offenen und ehrlichen Worte. Und an euch, liebe Hörer, dass ihr wie gesagt uns die Stange haltet, dem Bier die Stange haltet und wir uns hoffentlich bald wiedersehen. In diesem Sinne: Prost an euch beide!

Holger: Prost!

Christof Pilarzyk: Prost, ihr Lieben!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

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