BierTalk 127 – Interview III mit Claus-Christian Carbon, Professor für allgemeine Psychologie an der Universität Bamberg

Im zweiten Teil unseres Interviews mit Prof. Claus-Christian Carbon geht es um ein wichtiges Thema, bei dem er auf europäischer Bühne Maßstäbe gesetzt hat. Denn ihm gelang es, mit dem Begriff „Wellbeing“, die Bierkultur aus einer anderen Perspektive zu sehen. Mithilfe dieses neuen Framings können wir unsere Bierkultur und ihre Ausprägungen jenseits des allgegenwärtigen Themas „Alkohol und Gesundheit“ betrachten. Schließlich haben unsere Brauereien viel mehr zu bieten als ein Rauschgetränk: Gemütlichkeit, Heimat, Genuss, Glück usw. Dabei ist es gar nicht wichtig, ob sich im Glas oder Krug überhaupt ein Getränk mit Alkohol befindet. Hinter diesem Konzept verbirgt sich nichts anderes als die vielleicht einzige Chance für unsere Brauereien, sich wieder einmal zu wandeln und sich gut für die Zukunft aufzustellen…

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Markus: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts BierTalk. Falls ihr noch nicht die Folge gehört habt, die wir zuvor ausgestrahlt haben, dann solltet ihr das vielleicht nachholen, denn wir sind jetzt beim Teil 2 unserer Doppelfolge mit unserem allerersten BierTalk-Gast CCC, der sich dort auch ausführlich vorstellt, also das könnt ihr dann auch dort hören. Und wir haben gesprochen über ihn natürlich und über die EBCU, über die GBCU, also über die europäischen Bierkonsument:innenvereinigungen und sind natürlich auch ein bisschen ins Bierphilosophieren gekommen, wie das so ist und all die Aspekte, die eben auch damit zu tun haben. Und in dieser Folge soll es jetzt ganz explizit eben um ein Herzensanliegen, Herzensprojekt gehen, da uns beide eigentlich vereint, denn es geht eigentlich um nichts weniger als den Fortbestand unserer Bierkultur, also mal ganz knallhart gesagt. Denn wir haben momentan das Thema, klar, dass wir immer eigentlich den Kontext von Alkohol haben und das Alkohol, wie alle anderen Genussmittel und Drogen, natürlich Restriktionen unterliegen und man versucht grade von öffentlicher, staatlicher Seite, das auch immer mehr einzuschränken und eben auch in eine Ecke zu drängen, das es eben aus dem Alltag mehr und mehr verschwindet. Und nichts ist mehr im Alltag, als eben die gastronomische Kultur und das heißt, wenn wir jetzt so einfach weiterschauen würden und sagen, wir wollen weiter Gastronomie haben, aber wir dürfen keinen Alkohol mehr haben, dann würden wir langfristig uns von dem Thema Bierkultur verabschieden. Und das ist eben eine ganz entscheidende Frage, wie gehen wir damit um? Und es gibt, das ist ja das Schöne, eine gute Möglichkeit, wie man als Brauerei, als bierliebhabender Mensch trotzdem sein Kulturgut Bier haben kann und eben mit weniger oder sogar ohne Alkohol und trotzdem das Ganze eben noch mit der Brauerei, mit den Menschen, mit der Geschichte, mit den Orten, mit all dem, was dazugehört, verbunden ist. Und du hast diesen wunderbaren Begriff wellbeing dafür gefunden und deswegen übergebe ich jetzt auch gerne gleich das Mikrofon. Und erzähl uns doch ein bisschen vielleicht, wie kommst du überhaupt oder wie kamst du überhaupt zu diesem Begriff, was bedeutet er für dich und wie waren so die ersten Erfahrungen, als du anderen von dieser Idee erzählt hast?

Claus-Christian: Ja, also das ist tatsächlich eine interessante Reise gewesen. Also ich wurde eben angefragt, ich habe das in der anderen Folge auch erklärt, von der EBCU, kannst du was zu beer and health machen, also Bier und Gesundheit? Und ich habe gesagt: „Das ist ein super wichtiges Thema, ganz, ganz spannend, Gesundheit ist natürlich, ja, das ist einer der ultimativen Werte, aber, ich würde gerne das Thema ein bisschen anders framen. Und wenn ihr gestattet, das ich das ein ganz bisschen anders angehe, weil ich bin eben vom Fach her, bin ich Psychologe und Psychologen haben sehr, sehr wirkmächtige Theorien. Also das ist wirklich eine ganz, ganz tolle Wissenschaftsdisziplin und wir sprechen ganz viel natürlich von Gesundheit, aber darüber hinaus gibt es natürlich noch was anderes, nämlich wellbeing.“ Und ich habe gesagt: „Wenn ihr mir erlaubt, dass ich das ein bisschen anders gestalte, dann würde ich das sehr, sehr gerne übernehmen.“ Und sie haben erst zögerlich, haben sie gesagt: „Ja, aber da ist hoffentlich auch irgendwie Gesundheit in der Box drinnen, die du da bearbeiten wirst?“ Und da habe ich gesagt: „Ja, ja, ich werde über Gesundheit sprechen, aber ich werde dann zu einem anderen Thema überwechseln.“ Und ich will das ganz kurz erklären, bei Gesundheit ist es so, ich glaube, Gesundheit ist ganz zentral und das sehen wir auch an solchen  Grußforen, das wir zum Beispiel sagen, ich wünsche dir viel Gesundheit oder viel Gesundheit und viel Glück, ist dann schon spannender also. Aber es gibt eigentlich kaum sowas wie, ich wünsche dir viel wellbeing oder Wohlbefinden, weil man meist naiver Weise denkt, dass der Zustand der Gesundheit einen zu Glück und einem erfüllten Leben führt. Ich glaube, es ist schon wichtig, dass wir die Gesundheit sehr, sehr stark immer im Auge haben, weil natürlich, wenn du sehr, sehr ungesund lebst, dann wirst du eigentlich manche Sachen gar nicht mehr genießen können, du kannst frühzeitig sterben, du kannst frühzeitig krank werden. Du kannst vielleicht manche Dinge, sind dann unverträglich und die darfst du nicht mehr essen, trinken, machen, ja. Das ist alles ärgerlich, aber es gibt erstmal so ein paar, ja, interessante Fälle. Es gibt Menschen, die sind gar nicht so richtig gesund und denen geht es trotzdem besser als Menschen, die gesund sind. Das ist so eine Erstindikation, dass es nicht vollständig das Gleiche ist, health and wellbeing, Gesundheit und Wohlbefinden. Die zweite Sache ist, es gibt Leute, die sehr, sehr gesund leben, aber kaum Wohlbefinden haben, die sich also über alles Mögliche beschweren, wo das Leben schwer ist, wo immer Probleme auftauchen. Weil das ist tatsächlich so, nur deswegen, weil du nicht krank bist, was jetzt eine Definition von Gesundheit wäre, heißt eben noch nicht, dass andere Werte dazukommen. Und das müssen wir erst teilweise erlernen, manches ist uns auch zugefallen. Und man kann da vielleicht eine Metapher finden, also ich nutze gerne die Folgende, die ich mal entwickelt habe. Nämlich, also nehmen wir mal an, es ist eine Epidemie oder vielleicht sogar eine Pandemie, sowas wie Covid 19 und du sagst, mein oberstes Ziel ist, durch diese Pandemie zu kommen. Wir wissen nicht, wie lang die dauert, weil das weiß man im Vorhinein nicht. Man hat so ein paar statistische Anhaltspunkte aus der Geschichte, meist dauert sowas zwei, drei Jahre, kann man nachlesen, da gibt es Datenbanken dazu. Jetzt musst du mindestens zwei, drei Jahre irgendwie gesund bleiben, wie machst du das? Du könntest dir zum Beispiel einen atombombensicheren Keller, kannst du dir mieten, wenn du die entsprechenden Mittel hast. Oder du kannst dich irgendwohin begeben in eine Gegend, wo eben der Virus nicht angekommen ist und du wirst eben eine Maske tragen, du wirst alles tun, dass du hermetisch abgeriegelt bist, du triffst keine Menschen natürlich, keine Tiere und so weiter. Und jetzt überlegen wir mal, okay, nehmen wir mal an, diese Person wird wirklich nicht erkranken. Das ist erstmal toll, also Ziel erfüllt. Aber was ist denn eigentlich jetzt in diesen zwei, drei Jahren passiert mit der Person? Die Person ist isoliert gewesen, hat niemanden gesprochen. Die Person hat ganz, ganz vieles nicht erleben können, was weiß ich, sowas wie essen und trinken, bestimmte Sportarten vielleicht trotzdem weiterhin gemacht, aber immer alleine und vielleicht alles nur virtuell, was weiß ich, besprochen, irgendwelche Probleme und so weiter. Aber nie einen Menschen in die Arme genommen, einen Menschen vielleicht geküsst, mit dem Menschen irgendwelche anderen Sachen gemacht haben, die dieser Person eigentlich Spaß machen und man hat immer nur alles dem Diktat der Gesundheit unterworfen. Wie schon gesagt, ich negiere nicht, das Gesundheit sehr, sehr wichtig ist, ist eine Basis, die uns, ja, eben gesund in die Zukunft bringt, aber es bringt uns noch nicht das Wohlbefinden, da fehlt noch was. Und kulturelle Einbettung, soziale Einbettung, sowas wie geschätzt werden, geliebt werden, das ist alles ganz, ganz wichtig. Und warum spreche ich jetzt bei Bier mit wellbeing da? Wir sehen halt sehr, sehr viele Leute, die tatsächlich gerne Bier trinken, gerne davon erzählen, was sie beispielsweise für tolle Brauereien Daheim haben, also mit funkelnden Augen von ihrer Region sprechen. Vielleicht auch sowas, Leute, die ein bisschen eine Ausbildung haben, mal was gelesen haben, von einem Biersommelier oder einer Biersommeliere gelernt haben, das man Hopfennoten auseinanderhalten kann. Und plötzlich ist das ein spannendes Getränk, plötzlich sagt man, mein Gott, das ist eine andere Karbonisierung als das oder eine Dose schmeckt vielleicht anders und vielleicht sogar besser als die Flasche und ein Keg oder ein anderes Fass ist leckerer, weil da wiederum andere Bedingungen sind oder heute schmeckt es mir anders als gestern. All diese Sachen, die meist in einem sozialen Diskurs geführt werden, ja, die kann ich eigentlich kaum erleben, wenn ich immer nur auf die Kalorien achte, wenn ich auf den Alkohol-Level achte, wenn ich auf all das achte, was da eben drin ist und was es angeblich mit mir macht. Das heißt aber nicht, dass man es ignorieren darf. Also zum Beispiel jetzt einfach zu sagen, nee, es geht nur um wellbeing und nicht, ich fühle mich wohl, wenn ich einfach viel zu viel immer trinke und überhaupt auf nichts anderes achte. Nein, da würde ich dann auch wiederum sagen, das funktioniert auch nicht, wenigstens nicht auf Dauer. Das kann auch mal gut sein, zum Beispiel auf einem Fest ausgelassen mal zu feiern, ich denke, das gehört zur Kulturgeschichte des Menschen dazu. Wenn es aber ein tägliches Feiern ist, dann muss man das auch wieder reflektieren und ich denke auch, es führt meist dazu, dass die Leute auf Dauer kein wellbeing mehr haben. Aber wellbeing ist tatsächlich für mich das zentrale Konstrukt.

Markus: Ja, das ist eigentlich ja so ein Zusatz oder auch Ersatz für das Wort Gesundheit, was ja bei uns oft ein bisschen eng gefasst wird.

Claus-Christian: Richtig.

Markus: Also die Meisten sagen ja, Gesundheit heißt, mein Körper ist in einem guten Zustand. Das heißt aber noch lange nicht, dass mein Leben in einem guten Zustand ist, denn vielleicht sowas wie eine geistige Gesundheit oder wie Lebensqualität an für sich, gehört ja vielleicht auch dazu, dass man eben sagt, okay, ich möchte halt auch was erleben. Also Beispiel, wenn wir Bierverkostungen machen, ist es ja immer so, dass grade bei Einsteigerseminaren wir am Anfang erstmal sensorisch so ein Bier erfassen. Und das heißt, wir bringen den Leuten bei, wie man seine fünf Sinne nutzt, um etwas, was man zu sich nimmt, zu erleben, zu erfahren, dann auch zu genießen, zu reflektieren, da drüber zu sprechen, Worte zu finden und sich auszutauschen. Und für ganz viele ist das tatsächlich zum ersten Mal, dass die das machen. Und das ist dann auch etwas, wo ich dann im Nachgang schon sehr oft die Rückmeldung bekommen hab, dass das fast so eine Initialzündung war, sich überhaupt mit dem ganzen Thema Nahrung, Getränke, Genuss, Ernährung anders auseinanderzusetzen. Und viele Leute dann angefangen haben, im Nachgang von so einem Seminar eben auch, was weiß ich, den Wein oder die Limonade oder den Orangensaft oder auch die Schokolade, den Käse, was sie normalerweise täglich in sich reingestopft haben, ja, ganz anders zu erfassen und es ihnen Spaß macht und sie dann zum Beispiel zu einem Käseseminar gehen und dann eben da ganz andere Welten und Genüsse für sich erleben und dann auch anders reisen. Und da gibt es tatsächlich auch Lebensläufe, die sich verändert haben von Menschen. Also, wie gesagt, ich bin da nur ein ganz kleiner Faktor, aber es gibt eben Leute, wo ich sagen kann, okay, die haben aufgrund dessen, das wir hier zusammengekommen sind, das wir uns damit beschäftigt haben, ihr Leben verändert. Also fällt mir zum Beispiel unser Erik Berkenkamp ein, unser Stadtführer hier. Den habe ich vor 15 Jahren oder sowas gefragt, ob er bei uns den Stadtführungsteil übernehmen kann bei den Biertouren? Und damals hatte der mit Bier nahezu nichts am Hut und hat halt ein bisschen was, wie er es immer macht, sehr schön zur Stadt erzählt, aber war halt auch bei den teilen dabei, die ich dann zwischendurch gemacht hab rund ums Bier. Und dann, ein paar Jahre später hat er mich dann gefragt, Mensch, findet er interessant und würde gern den Biersommelier machen, dann hat er das eben bei uns in der Akademie gemacht. Und dann hat er da ein neues Netzwerk aufgetan, hat dann angefangen zu reisen. War mittlerweile mit dem Fahrrad wohlgemerkt an der ganzen amerikanischen Westküste, in Australien, in Neuseeland, auf Taiwan, überall, in Bezug auf das Thema Bier und macht jetzt fast nur noch eben Bierseminare und ist da ganz viel aktiv. Und für ihn war das echt eine entscheidende Erweiterung, Bereicherung seines Lebens. Er hatte zwischendurch auch mal eine schwere Erkrankung, wo man auch gemerkt hat, wie sowas dann auch da trägt und einen vielleicht ein bisschen hält, erhält in gewisser Weise, dass man da noch Ziele hat und Wünsche hat. Und insofern, also ich finde wirklich, das ist schon ein Punkt, das man vielleicht also Gesundheit oft ein bisschen sehr eng sieht. Also ich finde, da muss auch jeder seine eigenen Prioritäten setzen, wo ist meine Lebensqualität und wo setze ich im Rahmen meiner Lebensqualität Schwerpunkte. Und wie immer, glaube ich, muss man halt, wenn man den Schwerpunkt irgendwo setzt, irgendwo was abziehen, weil man halt nicht alles gleichzeitig machen kann. Also ich kann zum Beispiel nicht, keine Ahnung, jedes Wochenende irgendwohin reisen und gleichzeitig Zuhause irgendwie das Leben mit meiner Familie genießen, das wird nicht funktionieren. Also muss ich irgendeinen Kompromiss dabei eingehen und dann halt mit meiner Entscheidung am Ende auch leben. Also auch das gehört dann irgendwie dazu, mit sich selber da im Reinen zu sein. Also insofern, ja, ist Gesundheit vielleicht überhaupt ein Begriff, der im Deutschen viel Kontext verloren hat. Oder noch nie hatte, das weiß ich gar nicht, wie ist das?

Claus-Christian: Ja, ja, also ich meine, es ist ja schon mal auf jeden Fall gut, wie man über Gesundheit spricht und nicht über Krankheit. Also ich meine, das ist ja zum Beispiel , man geht, um gesund zu werden oder um ein Kind zu bekommen, ins Krankenhaus, das ist ja eine völlig absurde Sache, ja, du hast eine Krankenkasse, obwohl du eigentlich ja gesund werden willst. Aber du willst vor allem ein gutes Leben führen, also das ist tatsächlich, das ist nicht nur ein ethisch hochwertiges Leben, sondern eben auch ein Leben, was erfüllt ist, wo du anderen Menschen auch diese Erfüllung weitergeben kannst. Also es ist eben praktisch unvorstellbar, dass man eben als Mensch, der die ganze Zeit sich nur beschwert, diese negative Energie in irgendwie positive Energie bei anderen umattribuieren kann, das geht kaum, ja. Also wir brauchen mehr von diesen Menschen, die sich einfach wohlfühlen. Aber natürlich nicht auf Kosten von anderen, das ist natürlich auch eine wichtige Sache, weil das ist kein wirklich nachhaltiges Wohlfühlen. Und ich finde das so spannend, was du grade gesagt hast, jeder muss da auch für sich selbst so ein bisschen merken, wie er räsoniert, also welche Resonanz er mit bestimmten Sachen erlebt. Manche lesen halt gerne abgeschieden und trinken vielleicht wahnsinnig gern einen grünen Tee und die anderen lieben es einfach zusammen zu sein in einem eher lauteren Biergarten. Und vielleicht gehören wir ein bisschen mehr zu dieser Fraktion, aber das ist trotzdem auch nicht so, dass es einfach nur ums Bierdümpeln geht, sondern es geht eben um eine ganze Kultur, es geht um die soziale Einbettung und dieses Ankommen, dort mal einfach sein zu können, wie man vielleicht ist, ja. Und das man eben auch mit ganz unterschiedlichen Leuten zusammenkommt, ja, das ist ja das Magische am Bier, das verbindet wirklich Christen, das verbindet Ethnien, Kulturen und so weiter. Und das man eben diesen gesamtheitlichen Blick eben auf wellbeing oder Wohlbefinden hat und nicht so eine Erbsenzählerei wie ganz oft mit Gesundheit. Also ich gebe mal ein Beispiel, für mich ist es so relativ unzweifelhaft, dass die mediterranen Ländern bei bestimmten Problemen, die sie vielleicht haben, einen ganz, ganz großen positive Faktor hat und der wird fast von niemanden bestritten, nämlich die haben eine unfassbare Ess- und Trinkkultur, ja, also wenigstens traditionell. Nehmen wir einfach mal Italien, was bestimmt einer der hervorragendsten Vertreter dieser mediterranen Küche ist. Und es ist eine Küche, wenn du die rein von den Werten her anschaust, also zum Beispiel  einfach Salz, Zucker, Fett, das ist eigentlich das, was maßgeblich in der EU gemessen wird, um Gesundheit zu attestieren, beispielsweise über den Nutri Score, der macht sowas. Also da kann man eben anschauen, wie die nutrishen, also die Ernährung, wie gut die ist, wie hochwertig die ist. Und dann wird einfach gesagt, okay, wenn das zu salzig ist oder wenn es zu süß ist oder zu fett, dann wirst du einen Malus kriegen, da wirst du negative Punkte kriegen und dann fällt du halt von A, was hervorragend ist, auf ein E zurück oder du bist irgendwo zwischendrin. Und wenn du jetzt mal anschaust, was die verwenden im mediterranen Bereich, dann ist es natürlich vor allem Olivenöl, ja. Rein messtechnisch ist das Fett, ja und da wird auch nicht unterschieden zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren. Also ob das ein Bio-Olivenöl ist, ob es ein hochwertiges extra virgine ist oder irgendwas, das spielt keine Rolle, es ist Fett. Aber es ist eben nicht einfach Fett. Natürlich kannst du es so deklarieren und du kannst das so bashen, negativ sehen, Fakt ist, Olivenöl gehört nicht nur in die Küche, sondern es ist wahnsinnig lecker, es macht den Leuten Spaß und es ist auch noch gesund. Ja, es ist so, es ist eine verrückte Sache. Und wenn du aber die einzelnen Sachen rausnimmst, dann ist das immer irgendwo negativ. Genauso salzig, also wenn du natürlich Pasta isst und dort die gescheit salzt, also die sind normalerweise in sehr salzigen Wasser, eigentlich wie Salzwasser ist, sehr salzig, ja, dann schmecken die sehr, sehr lecker, aber es ist natürlich ein bisschen problematisch. Nur in dem Moment, wo du das Ganze wegnimmst, bist du zwar gesünder unterwegs, aber du verlierst halt auch eine Lebenskultur oder eine Lebensfreude und so weiter, also musst du irgendwie aufpassen. Auf keinen Fall es verharmlosen, wenn du jetzt die ganze Zeit zu viel Salz, zu viel Zucker, zu viel von diesen Sachen, zu viel Fett nimmst, du würdest jetzt gesättigte Fettsäuren die ganze Zeit essen, dann ist das problematisch. Aber wenn man eben beispielsweise, ich nehme mal ein Beispiel, du nimmst die Vorweihnachtszeit, in unserem Kulturkreis sowas wie Österreich, Bayern, da machen wir traditionell Daheim Vanillekipferl. Vanillekipferl ist eine Sache, die ist analytisch gesehen, ist das eine Katastrophe, da ist total viel Fett drin, da ist ganz, ganz viel Zucker drin, ein bisschen Salz ist sogar drin. Und jetzt könntest du sagen, nee, das sollte eigentlich nicht auf den Speiseplan eines heranwachsendes Kindes. Jetzt ist es aber so, vielleicht hat das Kind erstmal diese wunderbaren Vanillekipferl, also eine tolle Plätzchenart,  mit der Oma, mit dem Opa, mit einem Onkel oder einer Tante, mit Mama, Papa, irgendjemand, Geschwistern hergestellt. Das heißt, das ist nicht einfach so gekauft üblicherweise, sondern das ist ein Prozess. Da hat Spaß gemacht, da musstest du Kompetenz erwerben, da bist du stolz drauf, ob es geklappt hat oder nicht. Der Zucker hat natürlich wieder nicht richtig gebappt, aber bei den Ersten schon und so weiter. Das ist also wirklich ein ewiger Kampf und das ist eine ganz, ganz tolle Sache, zum Schluss hat man diese mehr oder weniger gut hergestellten Vanillekipferln. Und, das ist jetzt das Entscheidende, man isst die Vanillekipferl ja nicht jeden Tag. Es ist nicht ein Consumer-Produkt á la longue, das du immer wieder isst, sondern du freust dich das ganze Jahr, wenn wieder die Küche, die Backstube einfach nach Vanille riecht. Und das sind die Vanillekipferln und das ist was Wunderbares und was Magisches. Und wenn du das jetzt einfach siehst als wellbeing und die Analyse, dass das eben alles eigentlich ungute Sachen sind, die da drin sind, dann merkst du schnell, da gibt es tatsächlich einen Unterschied. Und ich plädiere eben sehr stark für ein maßvolles wellbeing, wo Gesundheitsaspekte auf keinen Fall ignoriert werden, nicht dass das falschverstanden wird, aber das vor allem mal das große Ganze, was einen beglückt und Freude macht, tatsächlich ins Auge genommen wird.

Markus: Ich finde, wenn wir jetzt sagen, wir waren ja jetzt bei den ganz normalen menschlichen Grundernährungsstoffen sozusagen, also Fett, Zucker, Salz, was man da eben so normalerweise hat und wenn wir jetzt unser Bier betrachten, dann haben wir natürlich noch einen Stoff, bei dem es grundsätzlich mal einfach per se problematisch ist, weil wir natürlich sagen, eine körperliche Gesundheit und der Genuss eines Zellgiftes wie Alkohol, schließt sich eigentlich aus. Also das heißt, in dem Moment, wo ich sage, ich habe ein alkoholisches Getränk, sei es jetzt ein Bier, sei es ein Brand, sei es ein Wein, was auch immer, kann ich einfach nicht mehr von Gesundheit sprechen. Also da begebe ich mich dann ja sogar in justiziable Ecken, wenn ich das als Werbung mache für mein Unternehmen.

Claus-Christian: Richtig.

Markus: Und das ist ja einfach auch ein wichtiger Punkt, das man, glaube ich, in einem allerersten Schritt sagt, wir müssen das trennen, das man sagt, okay, wir reden nicht mehr über Bier und Gesundheit, weil dieses und einfach nicht funktioniert. Aber wir reden davon, dass wir ja aufgrund dieser Tradition mit diesen Getränken, eine ganze Kultur geschaffen haben, die natürlich zum Teil auch daraus besteht, diese Getränke herzustellen, auszuschenken und zu genießen, aber die man eben auch erleben kann, ohne jetzt direkt Alkohol zu haben. Also sprich, ich kann dieses wunderbare Gefühl, in einem Brauereigasthof zu sitzen, dort was Gutes zu essen, mit Menschen mich zu unterhalten, die Atmosphäre zu genießen, dieses jahrhundertealte Gebäude, die wunderschönen Braukessel, was auch immer da alles ist, die Storys, kann ich alles erleben, auch wenn ich in meinem Glas, sage ich jetzt mal, im Extremfall ein Mineralwasser hab. Deswegen bin ich da trotzdem nicht fehl am Platze und bin trotzdem Teil dieser Kultur, der gastronomischen Kultur und gewisser Weise auch Teil der Bierkultur. Und ich glaube, das finde ich ganz, ganz wichtig, dass wir im ersten Schritt einfach mal sagen, wir können diese Kultur nur retten, wenn wir das eben von dem Alkohol per se trennen. Und das heißt, im nächsten Schritt muss ich dann sagen, okay und trotzdem habe ich ja, wie wir grade besprochen haben, Menschen, die eben sagen, für mein persönliches wellbeing, für meine Lebensqualität gehört es zum Beispiel  dazu, ab und zu mal ein oder zwei Gläser Bier oder einen Brand oder einen Wein oder irgendwas zu trinken und vielleicht auch irgendwann mal einen Abend mit meinen besten Freunden mit vier, fünf Bieren in so einem Gasthaus zu haben. Das habe ich für mich in meinem persönlichen Setting so festgelegt und lebe für mich auch mit den Konsequenzen, die das hat. Aber trotzdem ist das dann ja eine persönliche Entscheidung, die nix mit der Basis zu tun hat, dass man diese Kultur hat. Und das bedeutet auf der anderen Seite, dass die Brauereien natürlich, wenn sie per se als Hersteller von alkoholischen Getränken dann schauen wollen, wie kann ich in die Zukunft gehen, für sich ein Produkt oder Produkte erfinden müssen oder finden müssen, wo sie dann eben sagen, ich habe auch für diese Menschen da ein Angebot, die eben sagen, ich will weniger oder bei manchen Anlässen vielleicht gar keinen Alkohol trinken. Und da gab es ja früher auch schon Antworten, das darf man nicht vergessen. Also viele Brauereien stellen ganz normale alkoholfreie Getränke wie Mineralwasser, Limonaden, Saftschorlen oder sowas her. Also es ist nicht so, dass das jetzt was völlig Neues ist, Brauereien schenken Biermischgetränke aus. Also das klassische Radler war ja nicht nur ein Getränk, das irgendwie süßer war, sondern eben auch eins, was weniger Alkohol hat. Und seit einiger Zeit gibt es eben auch verschiedenste alkoholfreie Biere oder alkoholarme Biere, auch das gehört mittlerweile zum Sortiment. Und ich glaube, das ist einfach ein Teil dieses Dienstleistungsspektrums, was so eine Brauerei einfach entwickeln muss und auch ein Selbstverständnis. Und das vielleicht als letzten Punkt von meiner Seite aus, was auch ganz wichtig ist, wir haben ja einen zunehmenden Anteil in der Bevölkerung, grade in den jüngeren Generationen, die, sagen wir mal, so jetzt zwischen 15 und 30 sind, die eben sagen bewusst, ich will keinen Alkohol trinken und ich hab überhaupt gar kein Verständnis dafür, wenn irgendjemand Alkohol trinkt.

Claus-Christian: Richtig, aus religiösen Gründen, kulturellen Gründen und so weiter.

Markus: Genau, es gibt ja 1.000 Gründe.

Claus-Christian: Finde ich in Ordnung.

Markus: Und klar, das ist vielleicht auch eine Minderheit, wobei es gar nicht mehr so wenige sind, aber es ist eben auch so, wie grad gesagt, es sind ja soziale Wesen. Das heißt, wenn ich jetzt, sagen wir mal, eine Familie habe oder einen Freundeskreis, sagen wir mal, das sind zehn Leute und davon habe ich zum Beispiel  zwei, die einfach sagen, nee, ich möchte was genießen, aber ich möchte jetzt keinen Alkohol. Und dann gehe ich eben oder habe ich die Möglichkeit, irgendwo hinzugehen und habe dann die Wahl eben zwischen, sagen wir mal, einer traditionellen Brauereigaststätte, wo ich halt die Wahl habe zwischen einem hellen, einem dunklen Bier, einem Weizen und einem stillen Wasser. Oder ich habe eben eine andere Gaststätte, wo ich eben sage, ich habe auch zwei, drei verschiedenen normale Biere, dann gibt es vielleicht ein leichtes Bier, ein alkoholfreies Bier, vielleicht zwei, vielleicht auch eine Fassbrause oder irgend sowas und halt einfach ein gewisses Spektrum, wo dann auch diese Leute glücklich werden. Dann ist es ja logisch, wo diese ganze Gruppe hingeht. Also es entscheiden sich ja nicht nur die zwei, woanders hinzugehen, sondern alle zahn gehen woanders hin. Und das ist, glaube ich, was, was viele Brauereien noch nicht so ganz verstanden haben, dass es nicht darum geht, dass sie diese wenigen glücklich machen, sondern das es drum geht, die Kultur besteht aus vielen, die aber alle glücklich sein wollen und dann muss ich die beiden eben auch mit einschließen. Und das ist ein Lernprozess. Also den hatten wir ja grade erst bei vegan und vegetarisch.

Claus-Christian: Richtig.

Markus: Also auch da haben wir ja erst vor kurzer Zeit die Schwelle überschritten, dass es maximal Käsespätzle gibt, auch da gibt es mittlerweile ein größeres Angebot. Wie ist das von der psychologischen Seite, habt ihr das auch, seht ihr diese Entwicklungen?

Claus-Christian: Ja, ja, die Entwicklung gibt es ganz, ganz klar. Und ich meine, das Wichtige ist eben dieser Inklusionsaspekt. Also die Problematik ist ja, dass man bis vor Kurzem sich tatsächlich moralisch über die Leute gestellt hat, die eben etwas gemacht haben, das jetzt erstmal von der Norm abgewichen ist. Aber von der Norm abweichen, das ist immer eine spannende Sache, sich dem zu stellen, ist eine spannende Sache, weil man sich natürlich neu reflektieren muss. So hat das ja auch zum Beispiel dazu geführt, weil es eben einen Wertewandel gab, dass man zum Beispiel das Rauchen und das starke Trinken tatsächlich heute anders bewertet. Wenn meine Studierenden heute eine Person sehen, wie Humphrey Bogart, der eben locker leicht, für uns vielleicht noch locker leicht und cool, in der Ecke steht und einen Whisky nach dem anderen trinkt, dann sehen das heute meine Studierenden eher als einen Suchtkranken, wo wir das noch als eine coole Socke gesehen haben, ja. Also dieser Wertewandel hat begonnen oder wir sind immer sozusagen, wir sind immer im Wandel. Und das müssen wir auch als Chance begreifen. Also das wir einfach nicht mehr sagen, früher gab es diese Regel zum Beispiel, mit jemanden, der keinen Alkohol hat, stoße ich nicht an. Was ist denn das für ein Quatsch? Ja, also das ist traurig, das ist ein trauriges Ende eigentlich, weil das schließt wirklich Menschen aus. Und es kann ja auch schlichtweg damit zu tun haben, dass der das sogar gerne trinken würde, aber er hat ein Auto und er ist eben jemand, der mittlerweile eben, das ist wiederum typisch für heute und das finde ich positiv, dass die Leute halt nicht mehr trinken und fahren, ja, sondern das es eigentlich sich ausschließt. Und das man eben nicht mehr cool angesehen wird, sondern das eben auch die Freunde und Freundinnen sagen, du, hör mal zu, du hast doch jetzt hier drei Bier getrunken, ja, das ist alles schön und gut, das ist deine Sache, aber warum willst denn du jetzt zum Auto, das geht so nicht. Ja, also das ist eine positive Entwicklung. Was eine negative Entwicklung ist, ist, dass es eben Leute gibt, die weiterhin beharren darauf zum Beispiel, Bier muss Alkohol haben. Ich glaube, das ist ein ganz, ganz toller Geschmacksträger, Alkohol, das muss man so sehen. Ich bin selber Biersommelier, wie du weißt und ich hab große Freude auch an solchen Bieren, aber das sollte nicht das Standardbier immer sein und es sollte eben unbedingt die Möglichkeit erwogen werden, auch ein alkoholfreies zu nehmen, grade wenn man noch leistungsfähig sein will tagsüber, wenn man noch fahren will und so weiter. Weil, dafür ist es ja auch ein großartiges Getränk. Weil, was gibt es denn Besseres als so ein isotonisches Getränk wie ein Bier? Ich denke nur vor allem an ein Weißbier, ein alkoholfreies, was du nach dem Sport trinken kannst, das ist noch besser als Mineralwasser. Normalerweise ist eigentlich, das beste Getränk ist natürlich irgendwo Mineralwasser. Dafür, nein, ist es tatsächlich eher ein isotonisches Bier, was eben keinen Alkohol hat. Aber du hast ja auch hier was mitgebracht.

Markus: Genau, also wir haben ja auch ein spannendes alkoholfreies Bier, was in dieser Tradition eben ist, das man versucht, sich da neue Gedanken zu machen. Und vielleicht einen Satz noch dazu, ich glaube, das ist auch ein wichtiger Punkt, Leute, die sich mit dem Thema Reinheitsgebot beschäftigen, die denken ja immer, das ist etwas, da ging es immer drum, dass der Verbraucher ein reines gutes Produkt hat. Wenn man dann aber die Geschichte des Reinheitsgebots sieht, die jetzt über 500 Jahre alt ist, dann können wir maximal vielleicht 120 Jahre mit dem Thema Verbraucheridee assoziieren und der Rest ist schlicht und einfach eine wirtschaftliche Regelung, die auch Sinn hatte und die ich auch gar nicht kritisieren will. Aber so ähnlich ist es beim Bier auch. Also wir haben heute, sagen wir, Bier ist etwa, das trinke ich in Gesellschaft, um mich zu berauschen vielleicht, um Spaß zu haben, aber die längste Zeit der Existenz von Bier, war Bier einfach ein Getränk also und zwar das Getränk. Weil, als Alternativen gab es Milch, wenn verfügbar und Wein, wenn verfügbar, der aber in der Regel recht teuer und das waren die drei Getränke, die es gab. Und das heißt, Bier haben auch, was weiß ich, Schwangere, Kinder, Alte, Kranke getrunken, manche Kranke sogar bewusst, um den Nährwert zu haben. Und das heißt, da ging es nie drum, diese Biere möglichst alkoholisch zu haben, sondern ganz im Gegenteil, da ging es her drum, ein Getränk zu haben, was eben easy drinking ist. Und so haben eigentlich traditionell, wenn wir die Geschichte so rückschauen, normale Biere lagen bis in die Moderne hinein bei 2, 3% Alkohol. Also dies, was wir heute so kennen, das ist etwas des späten 19. Jahrhunderts, dass sich da 5% und mehr entwickelt hat für ganz normale Biere. Und dementsprechend, glaube ich, ist das auch nochmal ein Punkt, dass man einfach sehen muss, es ging weniger immer um sich alkoholisieren, sondern einfach, um zusammen etwas zu trinken und dieses Gemeinschaftsgefühl zu erleben. Naja und hier haben wir also ein alkoholfreies Bier. Es nennt sich Botanic oder Botanic oder Botani, weil es nämlich auch Italien kommt von Teo Musso, einer der schillerndsten Gestalten eigentlich, die noch existieren auf jeden Fall der ganzen Craftbeer-Bewegung und einer von den beiden großen italienischen Bierpäpsten, würde ich sagen. Er hat eine wunderbare Brauerei, die du ja auch schon besucht hast, ganz spannend. Ich selber war leider noch nie da, habe ihn schon öfters getroffen, aber immer auf irgendwelchen Messen oder Events. Und er ist eben wirklich, im positiven Sinne, also leider Gottes ist es jetzt nicht mehr so positiv belegt, aber früher hätte man gesagt, ein Querdenker, der einfach versucht hat, wirklich auch Bier anders zu denken und zwar in allerlei Hinsicht. Also er hat ein Birra Nazionale entwickelt, wo man also wirklich den Italienern ein italienisches Bier gibt mit den Zutaten, mit den ganzen Ideen. Er hat aber auch einen Eisbock zum Beispiel entwickelt mit einem unaussprechbaren Namen Xyauyú, den er aufgrund einer Formulierung eines seiner Kinder gemacht hat, also ganz spannende Geschichten. Er ist nach Japan gefahren und hat sich dort Sake-Fässer geholt, um dieses Bier zu reifen. Und er hat sich während der Pandemie dann Gedanken um Biercocktails gemacht, auch ganz spannend. Und das neuste Kind aus dieser Schmiede ist jetzt eben hier dieses Botanic. Und die Idee war, er wollte halt natürlich auch eine Antwort haben für die, die wenig oder keinen Alkohol haben wollen und hat sich dann überlegt, na gut, aber ich kann jetzt nicht einfach ein alkoholfreies Weizen macht. Also will er nicht und passt auch nicht zu ihm, erwartet auch keiner. Und hat eben dann aus einer Erfahrung als jemand, der sich mit ganz vielen Rohstoffen auseinandersetzt, gesagt, okay, dann mache ich da jetzt was ganz, ganz wirklich Neues und hat gesagt, ich nehme lokale Ingredienzien, aber auch ein bisschen exotische. Also da ist Passionsblume drin, Enzian zum Beispiel, Cannabis Sativa, also CBD könnte man auch sagen, also verschiedenste Ingredienzien, Koriander, um diesem Getränk da wirklich auch Aromen zu geben. Hat auch eine spannende Dose genommen. Ich sage ja normalerweise, man darf nie aus der Dose trinken. Das ist mal eine, die man oben komplett aufmacht, wenn man sie öffnet.

Claus-Christian: Genau, ist total anders gebaut.

Markus: Das ist wirklich ganz anders gebaut.

Claus-Christian: Habe ich gar nicht gesehen.

Markus: Und auch ganz spannend, weil die Herstellerfirma, soweit ich weiß, zwischenzeitlich in Konkurs gegangen ist und er alles aufgekauft hat, was es noch gibt, also auch viel, viel Geschichte dahinter. Und jetzt haben wir dieses Bier. Ich mache es mal auf, es wird ordentlich knallen, schauen wir mal.

Claus-Christian: Woah!

Markus: Da ist Druck dahinter.

Claus-Christian: Das ist ja super!

Markus: Ein lebendiges Produkt. Und ich schenke mal ein.

Claus-Christian: Woah! Das ist ja echt ein Erlebnis.

Markus: Jetzt habe ich ein bisschen mehr Schaum produziert als ich wirklich wollte, tut mir leid, aber das ist hier eben …

Claus-Christian: Das riecht auch gut.

Markus: Also Hintergrund, ich habe es schon ein bisschen bei mir, also es ist nicht über dem MHD, aber es ist eben ein Bier, was lebt und lebendig ist und weiter sich entwickelt und deswegen mehr Druck aufbaut, deswegen haben wir den jetzt hier so in der Flasche auch gehabt. Und was wir auf jeden Fall sehen, ist ein richtig schöner weißer Schaum. Wir haben, ja, eine hellgelbe Farbe.

Claus-Christian: Ist ruhig, ne, ja.

Markus: Ruhig, genau. So leicht trübe und wir sehen auch die Kohlensäure. Und, ja, reicht auch interessant.

Claus-Christian: Ja, viele, viele Gewürze.

Markus: Ja, so Wein und Citrus und dann eben diese Gewürznoten, genau.

Claus-Christian: Sehr lecker!

Markus: Ja, sehr interessant, sehr vielfältig auch, ne.

Claus-Christian: Ja.

Markus: Und grade, also ein Bier mit Enzian habe ich vorher noch nie getrunken.

Claus-Christian: Habe ich auch noch nie. Da ist wirklich, sind so Blumenaromen, ganz toll. Wir haben es natürlich jetzt im eigentlich falschen Glas in gewisser Weise, weil der hat ja selber ein Glas entwickelt, hast du ja auch mal erzählt, das Teku Glas. Das ist jetzt dagegen ein Bierglas, was wirklich unglaublich hochwertig auch ist, aber so ein bisschen bauchig, was von der EBCU auch tatsächlich ausgegeben worden ist.

Markus: Ja, aber je länger man reinriecht, umso mehr hat man wirklich diese blumigen, fruchtigen, gewürzigen Noten, also sehr intensiv als Bier. Am Gaumen eher etwas leichter.

Claus-Christian: Ja.

Markus: Aber wenn man sich jetzt überlegt, wo sind wir? Wir sind ja in Italien, viel Sonne, schöner Nachmittag da in seinem Biergarten und hat die wunderschöne Landschaft drum rum und da sitzt man gerne, trinkt sowas. Und das ist dann eben eine tolle Alternative, sage ich jetzt mal, auch zu einer Cola oder so.

Claus-Christian: Ja, ja.

Markus: Und das ist, glaube ich, auch was, was Leute immer nicht so ganz verstehen, aber sehen wollen, wenn ich den Alkohol wegnehme, dann ist Bier eigentlich das gesündeste Getränk überhaupt, also zumindest, wenn man jetzt mal von Wasser absieht. Wobei das auch relativ ist, weil ein Wasser halt einfach Wasser ist. Aber beim Bier habe ich halt all diese Inhaltstoffe, die durch einfach die Gärung … also wir reden ja heutzutage davon bei all den super Foods, ganz viele davon sind fermentiert, weil Gärung einfach an sich viele positive Aspekte i Nahrungsmittel bringt. Wir haben die ganzen Mineralien, die Vitamine, die Spurenelemente, all das, was eben das ausmacht und wir haben am Ende sehr viel weniger Kalorien als in jedem Softdrink, in jeder Saftschorle.

Claus-Christian: Genau.

Markus: Und damit ist eben ein alkoholfreies Bier eigentlich das Beste, was man so trinken kann. Und vielleicht muss man es auch ein bisschen in eine andere Ecke stellen, also nicht neben das Bier als Ersatzprodukt, sondern vielleicht zu den Softdrinks als Alternative dazu. Weil da gehört es auf jeden Fall auch hin und wird auch von vielen so gesehen.

Claus-Christian: Ja, ja. Und die Leute, die tatsächlich noch so Vorurteile haben, die sagen, oh, das hat doch immer so eine süßliche Note und so weiter, das sind halt einfach so die frühen Anfänge gewesen des alkoholfreien Bieres, gibt es natürlich immer noch, solche Vertreter, aber es hat sich unglaublich weiterentwickelt. Ich musste mich da auch wirklich umorientieren und ich finde das heute faszinierend und trinke unglaublich gerne auch antialkoholische Getränke wie eben so ein Bier. Und ich sehe das tatsächlich so, es ist einerseits doch schon auch eine Alternative zum Bier, weil die eben manchmal so gut. Zum Beispiel das hier ist wirklich super, ein super Sommergetränk, was anstatt eines Biers tatsächlich verkonsumiert werden könnte. Aber, wie du es auch sagst, also es ist allemal besser als so ein Softdrink, was vielleicht dann auch noch irgendwelche komischen Flavours hat, wo man nicht mehr weiß, was genau mit den Dingern gemacht worden ist. Hier wissen wir es wenigstens einigermaßen gut, es ist einigermaßen dokumentiert und es ist tatsächlich hier mit Leidenschaft gemacht und das gefällt mir sehr gut.

Markus: Ja. Und da kann man vielleicht sogar nochmal eine Brücke schlagen zum Reinheitsgebot, weil ich natürlich dann in Deutschland sagen kann, ein alkoholfreies Bier, war reinheitsgebotskonform gebraut ist, da bin ich natürlich 100 Prozent safe. Also da habe ich keine künstlichen Farbstoffe, keine künstlichen Aromen, keine Zusätze irgendeiner Art und Weise, sondern wirklich nur das Ergebnis einer Gärung aus Getreide irgendeiner Art, ich habe Hopfen, ich habe Malz und hab halt Hefearomen und damit entwickelt sich, entfaltet sich das und der Brauer macht für mich dann eben sein persönliches Kunstwerk sozusagen. Und ich kann da eigentlich, was eben Gesundheit, in Anführungsstrichen, Inhaltstoffe angeht, sehr, sehr sicher sein. Wobei ich jetzt hier beim Teo auch sagen muss, der hat jetzt hier keine künstlichen Enzianaromen genommen, sondern das ist eben so einer, der läuft auf den Berg und gräbt eine Wurzel aus.

Claus-Christian: Das ist ja echt beeindruckend.

Markus: Ja.

Claus-Christian: Nein, also und dieses ganze wellbeing, also das, was wir jetzt eben auch grade zelebrieren, wir sitzen jetzt hier gemeinsam an einem Tisch, wir trinken zwar nicht gemeinsam aus der Dose, aber wir haben es eben in Sommeliergläser hier tatsächlich umgeschüttet. Und wir stoßen an, das müssen wir jetzt wirklich erstmal machen.

Markus: Ah ja, stimmt.

Claus-Christian: Und versuchen gemeinsam hier Geschmacksnuancen rauszufinden. Und diese Sache, ich kann es einfach nur empfehlen, weil das bringt dir wirklich wellbeing, weil das einfach, das bringt dich so zusammen. Du merkst auch, dass der andere ein bisschen anders tickt, aber du kannst profitieren davon. Du hast auf einmal eine Geschichte. Die Geschichte von Markus, ich kannte diese ganze Geschichte von dem Botanic noch nicht. Das werde ich jetzt wahrscheinlich auch jemand anderen weiter erzählen. Ich habe auf einmal eine Geschichte, die mir einfach so dargeboten worden ist und wo ich jetzt demnächst einfach jemand anderen auch wiederum Freude machen kann. All das ist tatsächlich Bierkultur und all das ist wellbeing also. Und das ist sowas von viel, viel mehr als Gesundheit, dass ich wirklich dafür plädiere, dass jeder neue Facetten von sowas Hochwertigen wie einem Bier tatsächlich, ja, erfährt und tatsächlich immer auf dieser Reise bleibt, dieses spannende Ökosystem um das Bier herum zu verstehen, ja. Da geht es um Länder, da geht es um Macher, da geht es um Menschen und Konsumenten, da geht es um Geschichte, es ist Wahnsinn, ja, Ingredienzen, Menschen, die einfach als Freaks auftreten und sagen, ich will hier einfach was machen. Und das finde ich so irre bei diesem Brauer, das ist eben ein Mensch, der einfach vor gut 20 Jahren, ich glaube, es ist so um 1999, irgendwie so um die Zeit, hat der einfach angefangen und hat gesagt, warum verdammt nochmal machen wir in Italien den super Wein und warum machen wir das super Essen und wir machen die super Nachspeisen und alles machen wir super, und es ist auch so, in Italien macht man so unglaublich gute Sachen. Aber bei dem Bier war das eben noch nicht so ganz sichtbar, weil es große Brauereien nur gab, die das einfach relativ sorglos behandelt haben. Und dann hat er gesagt, nee, wir machen das jetzt auch mal super. Und heute, wenn du da vorbeikommst in dieser Brauerei, ich stehe da wirklich, also ich muss sagen, das ist fast schon so heilige Hallen, weil ich alles, was ich dort draus trinke, merke ich, dass es mit unfassbarem Sachverstand und einer Liebe und einer Detailtreue gemacht worden ist und, ja, das begeistert mich.

Markus: Ja und da muss man noch einen Satz dazu sagen, was das Ganze auch noch ein bisschen weiter aufmacht, die italienische Bierkultur, in Anführungsstrichen, das ist was relativ Neues. Also weil, wir alle kennen das Römische Reich, das war nie eine Gesellschaft, die Bier als ihr Getränk gesehen hat, für die war immer Wein das Thema. Die haben dann zwar Bier gemacht oder gehandelt, aber immer nur für ihre Kolonialvölker und so. Und die Bierkultur, die Italien dann so nach dem Ersten Weltkrieg hatte, das war eine österreichisch, ungarische Bierkultur. Also da kamen diese großen Brauereien eigentlich alle her, also aus Triest zum Beispiel  oder Südtirol und in diesen Ecken und eine eigentliche Bierkultur Italiens in der Form gab es überhaupt nicht. Und die ist mit dem Teo Musso und seinen Mitstreitern dann so entstanden. Und das ist auch was, was, glaube ich, viele gar nicht so sehen, dass das wirklich eben, unter diesem Anspruch, wir kommen aus einem Geniesserland, aus einem Genussland, wo es uns um Rohstoffe geht, um Herstellung geht, um die Menschen geht und wir wollen jetzt dieses für uns eigentlich neue Feld der Bierkultur selber entdecken, entwickeln. Und dadurch sind die ja auch so kreativ und sehr offen. Also sehr, sehr spannend. Also insofern, wie du schon gesagt hast, dieses wellbeing kann man auf jeden Fall auf all diese Dinge ausdehnen. Und am besten für alle, denen das Spaß macht, ist es wirklich zu reisen, sich die Brauereien anzuschauen, die Menschen anzuschauen, die Orte anzuschauen. Das Flair einzuatmen, das ist auch etwas. Manche Dinge kann man nur erfahren, wenn man auch da ist. Und dann, glaube ich, wird jeder Horizont weiter und das ist was, was jeden Menschen, glaube ich, immer bereichert. Also auch an dieser Stelle nochmal danke schön, dass du meinen Horizont so viel bereichert hast. Und in dem Fall durch diesen Input auch den Horizont der EBCU erweitert hast, um einen ganz entscheidenden Punkt, glaube ich, der ihr hoffentlich, wenn sie das auch selber versteht als Organisation, helfen wird, in der Zukunft weiter existieren zu können. Und für euch natürlich da draußen alle, wie schon im letzten Teil gesagt, wenn ihr Lust habt, wenn ihr da Spaß dran habt, euch zu beteiligen, dann macht das, geht in die jeweiligen Mitgliedsorganisationen, engagiert euch. Lernt das ganze Thema kennen und merkt einfach, dass die Bierkultur schon immer Teil der menschlichen Kultur war, deswegen so reich und so vielfältig ist und deswegen eben auch nicht wegzudenken. Und genau deswegen sollten wir dafür auch ein bisschen stehen.

Claus-Christian: Ja, genau das machen wir jetzt. Gut, danke schön.

Markus: Ja, auch vielen Dank.

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

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