BierTalk 64 – Interview mit Dr. Christian Temme, Chemiker, Ex-Polarforscher und Betreiber des Braustättchen in Hamburg

Christian Temme hat es von der schnöden Chemie zum schmackhaften Bier verschlagen, eine spannende Reise, die ihn rund um den Globus und dann ins Elternhaus an die Hobbybrauanlage geführt und nun nach Hamburg gebracht hat, wo er mit seinem zweiten „Braustättchen“ dem bierigen Hochgenuss eine neue Heimat gibt. Im Podcast sprechen wir über diese interessante Entwicklung, Christians weitere Pläne für die Zukunft und natürlich über die feinen Biere, die wir zusammen verkosten…

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Holger: Herzlich willkommen zum 64. Podcast! Wir haben einen ganz, ganz tollen Gast wieder mal, Christian Temme vom Braustättchen. Da ist dann die Adresse: Am Langen Jammer. Da wisst ihr schon, wahrscheinlich ist es nicht in Oberbayern, wenn man so eine Ortsbezeichnung hat. Und wie sehr da gejammert wird, das werden wir uns vielleicht gleich auch noch anhören dürfen. Christian, herzlich willkommen! Und am Mikrofon wie immer der Holger und …

Markus: … der Markus.

Holger: Es wäre vielleicht schön, du stellst dich unseren Hörern selbst vor, weil so ist es bei uns Tradition. Dann leg doch mal los. Was macht dich aus?

Christian Temme: Holger und Markus, vielen Dank für die Einladung erstmal! Ich bin der Christian und ich bin Chemiker mit einer typischen Laufbahn auch nach dem Studium. Ich habe also promoviert, das machen aber irgendwie 85 % aller Chemiker. Dann habe ich noch einen sogenannten Postdoc draufgesetzt, das ist also nochmal Forschungszeit, die man nach der Promotion anhängt. Dann hatte ich ein paar Forschungsaufenthalte im Ausland – das ist eigentlich auch gang und gäbe, wenn man in die Forschung will – mit spannenden Expeditionen in die Polarregion. Da können wir bestimmt auch noch mal drüber schnacken, da war natürlich Bier auch ein Thema. Und dann habe ich aber tatsächlich irgendwann die Forschungslaufbahn dann doch aufgegeben, bin in die freie Wirtschaft gewechselt und verdiene jetzt so seit 15 Jahren mein Brot in der so genannten TIC-Branche. TIC, das ist Testing, Inspection und Certification. Da kümmere ich mich um Laboranalytik, hauptsächlich von Umweltschadstoffen. Und habe aber ein kleines Zwischenspiel gehabt 2016 oder ab 2016, da habe ich für einen kleinen Laden, so ein Start-up kann man sagen, den Geschäftsführer gegeben und habe mich da mit dem Thema Consulting und Eventmanagement zum Thema Brauereirohstoffe beschäftigt. Da haben Markus und ich uns auch kennengelernt, ich glaube, 2017 muss es gewesen sein. Da ist meine Liebe zu diesem Thema entstanden. Und seit 2018 betreibe ich im Nebenerwerb eine kleine Event-Location mit Bottleshop im niedersächsischen Knesebeck. Jetzt könnt ihr alle raten, wo das ist. Ich verrate es mal noch nicht. Seit gut vier Monaten ersetze ich natürlich die so beliebten Präsenzveranstaltungen im Braustättchen Am Langen Jammer durch Online-Verkostungen. Das ist sehr exklusiv und in kleinen Gruppen und macht mir sehr viel Spaß. Das ist erstmal vielleicht in Kürze zu mir.

Holger: Beeindruckt mich. Du weißt, ich komme aus dem Ruhrgebiet und wir sind da ein bisschen bodenständig. Und Testing Inspection und Certification, das heißt bei uns TÜV, glaube ich.

Christian Temme: Ja, das ist tatsächlich auch ein Teil meines jetzigen Portfolios, also das meines Arbeitgebers. Aber ich bin doch eher so in dieser klassischen Laboranalytik zu Hause, das macht der TÜV eher weniger. Wenn du jetzt natürlich an TÜV denkst, dann denkst du wahrscheinlich an die Autoplakette und so weiter.

Holger: Nein, ich weiß schon, die machen Fahrschulservice …

Christian Temme: Ja, okay! Ja.

Holger: … und dann natürlich Ladungssicherung und Gefahrenschutz und was weiß ich. Ich glaube nicht, der TÜV macht schon viel. Das sind verschiedenste Gesellschaften, also hier natürlich, bei uns ist der TÜV Süd, und bei euch wird es wahrscheinlich der TÜV Nord sein, und bei mir zuhause ist es der TÜV Rheinland. Also es gibt verschiedene TÜVs. Und dann gibt’s natürlich auch noch die DEKRA und die GTÜ und den KÜS und so. Wir dürfen keine Schleichwerbung machen, deshalb muss ich sie alle mal nennen. Aber das hat sich auf jeden Fall jetzt erstmal ganz interessant angehört. Und mit promovierten Menschen zu sprechen, das ist immer ein Vergnügen von mir. Oder nicht, Markus?

Markus: Auf jeden Fall! Und vor allem spannend ist natürlich, wie jemand dann so die Liebe zum Bier entdeckt. Also war dir das in die Wiege gelegt oder hat sich das dann so entwickelt? Oder hattest du irgendwann diesen entscheidenden Moment, wo du das Bier getrunken hast und dann hat es dich gepackt? Wie ging das bei dir?

Christian Temme: Bis 2016 war ich der Junge vom Lande, aus dem niedersächsischen Hinterland sozusagen, kurz vor der ehemaligen Grenze zur DDR aufgewachsen in der Zeit. Und da gab’s nur Pils, da hat man eigentlich eine heimische Brauerei gekannt und die rauf und runter zu allen Festen getrunken, vom Fass oder eben aus der Flasche. Und bis dahin kannte ich vielleicht noch mal ein Weizen und vielleicht noch mal ein Märzen, und das war‘s eigentlich. Und dann habe ich mich auf diesen Job beworben und mich haben die Rohstoffthemen fasziniert, weil ich davor auch in der Analytik tätig war im Lebensmittelbereich, und da so ein bisschen zumindest von den Rohstoffthemen wusste, was jetzt die Qualität anbetrifft. Aber was natürlich das Herstellen von Bier und dann die verschiedenen Bierspezialitäten, die es noch so gibt, da hatte ich keine Ahnung von bis dahin. Und das war purer Zufall dann dieser Job. Dann musstest du dich natürlich mit dem Thema irgendwie beschäftigen, und ich war immer ein Typ, der gerne praktisch dann denkt, und habe gesagt, gut, dann fängst du jetzt an zu brauen. Und habe dann wirklich hobbybrau-mäßig mit der kleinen 20-Liter-Klasse angefangen 2016 und habe mich da so reingearbeitet, einfach, um mitreden zu können, so ein bisschen die Prozesse zu verstehen. Als Chemiker geht einem das so ein bisschen schneller von der Hand wahrscheinlich, und so kam ein Thema zum nächsten. Und jetzt möchte ich es auch nicht mehr missen. Ja, ich bin sehr happy, dass ich diese Braustättchen-Geschichte gewagt habe. Wie gesagt, war dann eine Sache auch der Verbundenheit zu meiner Heimat. Das ist also mein Heimatort, ich lebe jetzt in Hamburg, habe hier meine Familie, mein Haus. Und das sind so anderthalb Stunden Fahrt von hier, und mache das sehr gerne seit 2018 dort.

Markus: Eine ganz kleine Nachfrage hätte ich da noch. Wenn man als Chemiker zum Hobbybrauer wird, da kann ich mir vorstellen, dass das vielleicht auch ein bisschen eine Hürde ist, weil man dann viel, viel genauer ist, weil man viel mehr auf all die ganzen Hygienegeschichten achten muss und so weiter. Und verzweifelt dann wahrscheinlich irgendwann auch am Perfektionismus, den man vielleicht irgendwie so in sich trägt, oder? Hast du diese Stadien auch durchlaufen?

Christian Temme: Ach nein, kann ich nicht behaupten. Also ich habe mich da einfach treiben lassen. Natürlich kann man bei der einen oder anderen Formel oder bei der einen oder anderen Berechnung nicht an sich halten und will das Ganze dann natürlich verstehen und nicht nur die Formel einfach anwenden oder die Berechnungsgrundlage, das schon. Da habe ich mir dann natürlich auch Bücher gekauft. Und einer eurer Gäste hier, Jan Brücklmeier, das war natürlich so ein Klassiker, den ich dann verschlungen habe. Aber ansonsten, nein, also ich bin da auch einer, der so ein bisschen nach Bauchgefühl arbeitet, auch gerade, was so Hopfengaben anbetrifft. Ich nehme das, was da ist, am Ende auch. Der Bierstil ist irgendwie so eingegrenzt, klar, und dann gucke ich, gerade so Whirlpool-Hopfengabe und dann auch Kalthopfung, gucke ich mal in den Kühlschrank, was ich so habe.

Holger: Und die goldene Regel ist sowieso, kein Bier zweimal.

Christian Temme: Absolut! Diese Rohstoffthemen, die sind mir natürlich als Hobbybrauer dann natürlich entgegengekommen. Ich hatte dann viel mit Kunden zu tun aus dem Rohstoffbereich, sei es jetzt Hopfenhändler, sei es Braugerstenhändler, aber auch Mälzereien. Also da fiel natürlich immer mal ein Säckchen bei ab. Also ich brauchte mir eigentlich keine Sorgen machen, dass ich nicht gut versorgt war als Hobbybrauer.

Holger: Ja, das kenne ich auch aus dem Ruhrgebiet. Bei uns hieß das, so nach dem Motto, Jung, ich habe dir schon tausendmal gesagt, du sollst nicht klauen, das bringt der Vater von der Arbeit mit.

Christian Temme: Ja, genauso war das! Da habe ich auch den einen oder anderen Hobbybrauer noch mitversorgt, die dann im Braustättchen Kunden waren, und wo ich wusste, die brauen auch. Die haben dann immer schon gefragt, hast du wieder ein Säckchen Malz da und kannst du nicht mal? Und ich brauche mal Roggenmalz oder so, also auch Spezialitäten oder so. Das kriegt man sonst in der Gegend nicht. Also das ist wirklich plattes Land da. Die Hobbybrauer haben es schon schwer in der Region. Also gerade die großen schweren Sachen, die musst du dann dir liefern lassen. Also das ist nicht ganz billig.

Holger: Sag doch mal, Am Langen Jammer hat jetzt also nichts mit Jammern zu tun, sondern das ist einfach nur die Straße. Und Knesebeck, da wolltest du nicht so richtig verraten, wo es wirklich liegt. Aber du hast schon gesagt, anderthalb Stunden von Hamburg weg und in Niedersachsen, also dann nach Süden. Wie läuft das? Bist du dann einmal die Woche da oder zweimal die Woche oder immer am Wochenende? Oder wie läuft das denn?

Christian Temme: Der Lange Jammer, das ist die Straße am Kampe, wo das Braustättchen liegt. Hieß früher so, also den Straßennamen gibt’s jetzt nicht mehr. Aber alle, die älter sind als – sagen wir mal – 50, die kennen das noch. Meine Mutter ist da eigentlich draufgekommen. Die hat gesagt, Mensch, nenne das Ding doch Braustättchen Am Langen Jammer, um auch vielleicht so den ein oder anderen des gehobenen Alters da hinzulocken. Das Logo ist auch ein bisschen eher traditionell geworden, wer es schon mal gesehen hat, auch mit dem Bierkrug in der Mitte und dem Wappen von Knesebeck. Knesebeck ist ein kleiner Ort im Landkreis Gifhorn, südlich von Uelzen, zwischen Uelzen und Braunschweig kann man sagen.

Holger: Westlich von (unv. #00:08:07.1#) könnte man sagen.

Christian Temme: Ja, ja! (unv. #00:08:09.2#), kennst du? Das ist ja …

Holger: Ja sicher! Absolut! Ich bin doch ein alter Trucker.

Christian Temme: Okay!

Markus: Ich will eure Romantik nicht stören, aber ich glaube, bei dir Holger kündigt sich doch der lange Jammer an, weil du alleine schon jetzt Durst bekommst, oder?

Holger: Ich bin schon bereit hier, schau.

Markus: Okay! Was hast du denn, hast du schon aufgemacht?

Holger: Ja sicher! Ist schon im Glas.

Markus: Ah!

Holger: Ich wollte nur noch sagen, ich weiß gar, Christian, ob dir das aufgefallen ist, also der Herr Raupach spricht von Chemikern (K gesprochen).

Christian Temme: Ja!

Holger: Da nicht alle, die den Podcast hören, also in Bayern leben, wo das also ganz üblich ist, dass man eben Chemiker (K gesprochen), der Harr Raupach meint Chemiker (Ch gesprochen).

Christian Temme: Verstehe, ja! Ich habe ihn grad so verstanden.

Holger: Ja, ja!

Markus: Man muss es ja von Komiker unterscheiden können.

Christian Temme: Damit haben wir auch manchmal was zu tun. Ja, das stimmt! So, was habt ihr denn Schönes heute? Ich bin gespannt.

Holger: Ich habe …, darf ich überhaupt anfangen? Nein, der Gast muss anfangen.

Markus: Aber du hast schon angefangen.

Holger: Na ja gut, aber ich habe was im Glas, das kann durchaus auch noch ein bisschen warten und kann auch eine etwas höhere Temperatur dann vertragen, als es jetzt im Moment noch so ist. Das wäre okay, wenn noch jemand anders möchte.

Markus: Gut, Christian, dann leg doch mal los. Bin ich mal gespannt, ob es bei dir vielleicht erst raschelt oder ob es gleich ploppt.

Christian Temme: Ich habe es schon grad geöffnet, war aber nicht so wirklich viel Geräusch da. Ich habe drei Biere zur Auswahl und habe mich jetzt für eins entschieden, und zwar nach meiner zweiten Passion, nämlich der Heavy-Metal-Musik. Da habe ich ein Bier von der Robinsons Brewery rausgekramt, wo ich ein schönes Paket habe, á la Iron Maiden Biere. Und habe mich jetzt mal für das Trooper IPA entschieden. Das ist also eins von sechs in dieser tollen Box, die ich vor zwei Wochen endlich bekommen habe nach drei Monaten Wartezeit. Ich habe es jetzt mal eingeschenkt. Schönes Orange hier, im Craft Master Glas hier habe ich es mal eingeschenkt. Und ich bin mal gespannt. Es hat nur 4,3 %. Das hat mich so natürlich jetzt neugierig gemacht, ob die in diesem Alkohol-Range dann auch wirklich ein schönes, kräftiges IPA hinkriegen. Ich rieche mal rein. Mmh! Okay! Das habe ich jetzt nicht erwartet. Riecht sehr süßlich, ein bisschen nach Grapefruit, ein bisschen Orange. Ich nehme mal einen Schluck. Oh ja! Sehr leicht, gut 4,3 %. Oh, ich hätte jetzt eher englische Hopfen erwartet. Ich habe mich nicht vorher damit auseinandergesetzt, geht aber doch eher in die amerikanische Richtung. Schade! Ich habe jetzt gedacht, da kommt ein bisschen Blumiges, ein bisschen Grasiges eher raus. Also ist doch eher so Grapefruit, Orange. Klingt also eher nach amerikanischen Hopfen oder schmeckt nach amerikanischen Hopfen. Ja, kann man so tagsüber mal trinken. Ist jetzt glaube ich nicht so das kräftige IPA natürlich, was man vielleicht zu einer Metal Musik braucht. Aber eigentlich ist es egal, das Bier kann sein, wie es will, zu einem hämmernden Maiden Song würde es jetzt perfekt harmonieren, weil es einfach auch geil aussieht. Schön, The Trooper, das ist so eine Figur von Iron Maiden, der Eddie in einer englischen Uniform dort drauf, mit einer Fahne in der Hand, wie er sozusagen in die Schlacht zieht, das hat mich natürlich schon alleine angesprochen.

Markus: Ich habe eigentlich gedacht, du hast ein Bier, was in einer Tüte steckt. Weil du, wie ich mich erinnern kann, diese Geschichte jetzt gerade machst mit diesem Jubiläum von Knesebeck, 777 Jahre. Und als ich dich das letzte Mal besucht habe, waren grad die großen Planungen, ein Bier für dieses Jubiläum zu machen. Und dann habe ich neulich auf Facebook so einen Post gesehen, dass es da jetzt lauter so kleine Tütchen gibt. Da habe ich gedacht, vielleicht sind da so kleine Bierfläschchen drin. Ist das so, oder müssen wir da noch ein bisschen warten?

Christian Temme: Die Tüten sind eine zweite Aktion. Also erstmal muss man sagen, dieses ganze Jubiläum, was dieses Jahr stattfinden sollte, ist mit allen Veranstaltungen natürlich abgesagt worden. Alle waren ganz traurig und sind auch noch ganz traurig. Das hätte halt im Juli ein großes Festwochenende gegeben. Und zwei Projekte sind aber übriggeblieben, also zwei Projekte, wo man dann auch was in der Hand halten kann. Und das ist einmal Knesebeck in der Tüte, das passiert am nächsten Wochenende, da sind so kleine Goodies drin, Rezepte, auch ein paar Ideen, so eine Schnitzeljagd durch Knesebeck, wo man dann bestimmte Sachen finden kann. Und tatsächlich das Jubiläumsbier, was du gerade erwähnt hast. Das ist jetzt auch mein zweites Bier, was ich mir heute hier noch vorgenommen habe. Das ist sozusagen der Prototyp, den ich selbst gebaut habe. Und ich komme heute gerade vom Zwickeln, das heißt, heute Morgen war ich in der Brauerei bei Wildwuchs hier in Hamburg, die für uns eben dieses Jubiläumsbier brauen, und habe mal zwickeln dürfen und ich war ganz hin und weg. Es ist wirklich so gelungen von der Hopfenwahl auch, kommt gut durch in diesem 20-Hektoliter-Sud, wie ich es dann in meiner kleinen Anlage bei 50 Liter da haben wollte oder kreiert habe. Ich bin heiß wie Frittenfett, kann man sagen, also das Bier soll eben in zwei Wochen abgefüllt werden und wird dann wahrscheinlich am Himmelfahrt-Wochenende entsprechend verkauft.

Markus: Spannend! Da lassen wir uns doch bestimmt mal überraschen, was du nachher davon erzählst, wenn du mit deiner eisernen Jungfrau fertig bist. Aber der Holger hat jetzt auch noch sein Bierchen. Jetzt hast du doch Trinktemperatur, oder?

Holger: Ja, aber ich muss erstmal noch ein bisschen bei dem Iron Maiden Bier bleiben. Weil da sollten wir dann auch schon doch nochmal auch auf die Braustätte hinweisen. Weil du hast das auch gerade angedeutet, du hättest jetzt englischen Hopfen erwartet oder auch eine englische Interpretation, und du empfindest das so, dass es ein typisches amerikanisches IPA ist. Aber gebraut wird es bei der Robinsons Brewery in England, oder?

Christian Temme: Ja, korrekt, genau!

Holger: Warst du da schon mal?

Christian Temme: Nein, da war ich leider noch nicht. Ich habe natürlich schon viel gehört, gelesen und ich war mit Markus auch schon mal auf einer Tour in England, in Suffolk, wo wir ganz tolle Dinge im Bereich des Braugerstenanbaus da erlebt haben, und auch natürlich englische Biere trinken durften. Aber bei Robinsons war ich noch nicht. Warst du schon?

Holger: Ja. Das ist auch wieder so eine Verbindung eigentlich zum Ruhrgebiet, also wenn man es ein bisschen so interpretieren möchte. Die sind südlich von Manchester, und Manchester ist ja mit Liverpool so die absolute Industrieregion, also durchaus vergleichbar und auch von der Mentalität der Leute, also Arbeiter, so wie bei mir zuhause halt auch. Ich fand das da ganz toll. Ich war da mal in einem anderen Kontext, gar nicht mit dem Thema Bier, aber bin da extra hingefahren, weil ich das so mal mir anschauen wollte. Und das ist unglaublich, die haben Pubs überall, also das war total klasse. Jetzt habe ich ganz lange da nicht mehr eigentlich darüber nachgedacht und wo du das jetzt gerade hier vorgestellt hast, da ist mir das wieder eingefallen, dass man da unbedingt auch mal wieder hinfahren muss. Also überhaupt, England und die englische Bierkultur ist sehr spannend, wirklich sehr spannend.

Christian Temme: Finde ich auch. Es ist natürlich auch wieder schön wenig karbonisiert, wie man das so kennt, das haben Markus und ich auch erlebt. Die guten gepumpten Biere in den Pubs und so, da würde ich auch gern mal wieder Hallo sagen, wenn es denn ginge. Aber ich habe mich auch nochmal mit dem Bier beschäftigt. Kurz zur Vorbereitung habe ich geguckt, wie viel die davon eigentlich ausstoßen, ob man das mal irgendwie mitkriegt. Und tatsächlich, seit 2013 gibt es diese Iron Maiden Serie, schon viele, viele verschiedene davon, also Trooper ist sozusagen das Basis-Bier und das haben die dann immer variiert. Die haben 25 Millionen Pints, das sind 142.000 Hektoliter von diesen Maiden Bieren schon auf den Markt gehauen. Also das ist schon gigantisch. Klar, dahinter steckt natürlich eine Riesen-Marketing-Maschinerie, und letztendlich die Band auch mit ihrem Logo und der Sänger Bruce Dickinson, also das machen die schon richtig gut.

Holger: Tolle Story! Könnte man vielleicht dann auch bei der entsprechenden Zielgruppe mal schön in eine Verkostung einbauen und das einfach mal so ein bisschen ausschmücken das Thema. Da fällt mir jetzt spontan ganz viel dazu ein. Großartig! Nein, wirklich gute Wahl, sehr interessant. Können sich die Hörer auch mal mit beschäftigen mit diesen Produkten. Wunderbar! So, Markus, wer macht weiter, du oder ich?

Markus: Na, du hast es schon im Glas. Auf geht’s!

Holger: Ich habe es im Glas, genau. Ich heiße ja mit Nachnamen Hahn, und der David Hertl, der hat jetzt ein Starkbier rausgebracht, da steht dann unten auf Oberfränkisch „Schtrong“. Ist aber gar nicht so strong, sondern hat 6,5 % und ist wirklich so ein schönes, harmonisches rundes Bockbier und hat eben so ein ganz besonderes Outfit. Also der David nennt das halt „The Artist Edition“, er hat also einen Künstler und der macht viel für ihn und gestaltet also hier dann auch die Etiketten. Und eben auf dem Bauchetikett ist da so ein stolzer Hahn, der eben dieses schöne Bockbier hier präsentiert. Ich habe das jetzt seit ein paar Tagen hier und habe auch schon, glaube ich, drei oder vier Fläschchen getrunken. Deshalb weiß ich das schon, dass das so unglaublich rund ist. Also das ist so schön, so richtig süß. Wenn man darauf Lust hat, also das ist sicher genau das Gegenteil von einem IPA oder so, was du jetzt da im Glas hast, obwohl du auch gesagt hast, das ist eigentlich leicht und gut trinkbar. Aber hier, das rinnt die Kehle herunter, da ist also hinten, das Zäpfchen sagt dir jedes Mal Danke bei jedem Schluck. Also Prost!

Christian Temme: Sehr zum Wohl! David Hertl ist natürlich auch echt schon ein Knaller, und was er macht, hat irgendwie Hand und Fuß. Ich habe jetzt eines seiner Biere in meinem nächsten Tasting, Online-Tasting drin, die Impfdosis sozusagen, das ist das helle davon. Einfach die Story ist natürlich cool mit seiner Brauerei da auf dem Familienbetrieb, seine ganzen Familienmitglieder da als Konterfei auf den Flaschen. Ich habe jetzt ein Franken Special als nächstes in meinem Online-Tasting, und da musste er natürlich mit vorkommen.

Holger: Unbedingt! Das muss sein. Ja. Die Biere heißen immer ater, und da gibt’s eben dieses Bockbier und dann gibt’s ein Weizen und ein Helles und auch ein Keller Bier, und das sind immer so ganz spezielle Etiketten. Gut, das mit dem Hahn finde ich jetzt besonders schön, aber mir schmeckt auch das Bier unheimlich gut. So, Markus, jetzt bist du aber dran.

Markus: Jetzt habe ich aber auch Durst bekommen, muss ich sagen, wenn ihr da alle so vor euch hin trinkt. Unglaublich! Ich muss sagen, ich habe mich auch auf eine von euren beiden Seiten geschlagen. Ihr könnt ja mal wieder ein bisschen raten, haben wir schon lang nicht mehr gemacht. Ich mach mal auf. So, jetzt lasse ich das mal ins Glas fließen. So, nun ist es im Glas. Wie gesagt, ich bin in einer von euren Bierwelten unterwegs. Was braucht ihr noch als Tipp?

Christian Temme: Ist es was Saisonales?

Markus: Es ist auf jeden Fall kein dauerhaftes Thema. Also saisonal ist vielleicht nicht ganz richtig, aber es ist zumindest ein spezielles Bier.

Christian Temme: Ich hatte so ein bisschen auf ein Maibock oder so, also ein Frühlingsbock jetzt irgendwie spekuliert. Also ich wäre beim Bockbier.

Markus: Vom Alkoholgehalt her sind wir bei 9,2, insofern auf jeden Fall in der Ecke vom Bock, aber es ist auf jeden Fall vom Bierstil her zumindest nicht das, was wir normalerweise unter Bock verstehen.

Holger: Aber dann bist du eigentlich dann schon eher beim Christian und nicht bei mir, oder?

Markus: Absolut, genau! Vor allem vor dem Hintergrund, weil wir uns so richtig kennengelernt haben auf unserer gemeinsamen Englandreise, was wirklich extrem spannend und faszinierend war. Das war dieser Sommer, wo es so unglaublich heiß war, und wir dann dort waren und uns auch damit auseinandersetzen mussten, dass das ganze Getreide dran war zu vertrocknen, weil es einfach nicht geregnet hat. Ich war dann danach noch in London und da waren dann sogar die Gärten von der Queen alle vertrocknet. Also das war schon ein krasser Anblick. Na ja, da waren wir viel unterwegs. Deswegen habe ich mir gedacht, natürlich, ein englisches Bier macht auf jeden Fall Sinn, oder ein britisches Bier. Dann habe ich mir noch gedacht, na ja, gut, er hat noch diese Polarforschungs-Geschichte, die er uns auch noch irgendwie erzählen muss. Und dann habe ich mal geschaut, was könnte denn dazu passen? Und habe in meinem Kühlschrank noch ein schönes Bierchen gefunden von der BrewDog Brauerei. Wir sind eben wirklich im Empire sozusagen, also in Schottland. Und zwar haben die ein schönes Red Rye IPA gemacht, natürlich in der Double Version, was sonst. Und das dann Albino Squid Assassin genannt, also nach einem Kalmare sozusagen, der in den Tiefen des Meeres lebt. Und das Ganze ist dann auch noch Barrel Aged aus einem Whiskyfass. Also eine ziemlich krasse Nummer. Aber ich habe gedacht, heute machen wir das mal auf. Man wartet ja immer auf den Tag und die Gelegenheit, wenn man so ein Bier aufmacht, und dann ist es heute mal so weit. Wir haben eine ganz schöne braune, nussbraune, haselnussbraune Farbe. Es ist natürlich völlig opak, also man kann da nicht durchgucken. Obendrauf ein erstaunlich fester Schaum, der ist auch sehr braun. Und wenn man da reinriecht, ah, dann kommt dieses Whiskyfass sehr intensiv, aber auch ganz viel so Kirschen, Rotwein, ein bisschen Johannesbeere, ein bisschen Schokolade, Kokosnuss. Also tolle, tolle Variationen. Wirkt aber sehr harmonisch, sehr rund. Jetzt probieren wir das mal. Auch sehr weich auf der Zunge, der Alkohol hinten raus ist natürlich deutlich da, wärmt auch schön so im Abgang. Es hat auch eine gewisse Bittere hinten raus. Dazwischen merkt man das Red Ale auch, also schön Malz, ein bisschen Röstaroma, Karamell, Toffee. Und drüber liegen wieder diese roten Früchte, die sind sehr trocken, also es ist ein nicht sehr süßes Bier. Mmh! Also sehr rund und dadurch räumt sich das auch schön auf. Also man ist dann nach dem Trunk nicht komplett satt, sondern der Mund ist wieder frisch und möchte wieder den nächsten Schluck, selbst bei diesen 9,2 %. Mal sehen, ob ich bis zum Ende des Podcasts überhaupt durchhalte, aber es ist auf jeden Fall ein schönes Bierchen. Jetzt bin ich mal gespannt, die Polargeschichte noch zu hören. Also das ist doch interessant.

Christian Temme: Oh ja! Das war eine heiße Zeit, da war ich natürlich jung und ungebunden und ein junger Doktorand. Ich hatte die Chance eben, mit der Polarstern, dem deutschen Flaggschiff der Polarforschung, mitzufahren. Das war 1999, 2000. Und da fing dann eine 6-jährige Geschichte an, verschiedener Polarexpeditionen, die sich dann anschloss. Ich war fast süchtig danach. Das kann man sich vielleicht vorstellen, wenn man einmal diese tollen Welten, die Eisberge, diese Natur, diese wahnsinnigen Gewalten, Naturgewalten kennengelernt hat, aber natürlich auch das Forscherleben auf Schiffen, auf Stationen, das natürlich auch seine Besonderheiten hat. Das kann natürlich auch wirklich sehr harsch sein und sehr, einfach kräftezehrend. Aber klar, es gibt auch Momente, wo man einfach dasteht und denkt so, wow, wie kann das sein, dass du an diesem Ort sein darfst und am Ende nichts mal dafür bezahlen musst, und kannst hier Minkwale vor dir sehen, die gerade irgendwie auftauchen, oder eine Pinguinkolonie oder einen Eisberg, der gerade kalbt, also wo der gerade abbricht von der Eiskante. Ja, war eine schöne Zeit. Also Chemiker haben da ihre Daseinsberechtigung, weil sie meistens im Eis, ich habe in diesem Fall in der Luft, nach bestimmten Spurenstoffen suchen, die dort nicht hingehören, die also menschengemacht sind und die man aber dort sehr gut analysieren kann. Und wenn man sie dort analysieren kann, dann ist das meistens ein schlechtes Zeichen, weil sie sich dann praktisch weltweit verbreitet haben. Wie kommen sie sonst dorthin? Sie müssen relativ langlebig sein und über einen langen Weg entweder über die Ozeane oder eben über den Luftweg dorthin gelangen. Und das bedeutet nichts Gutes. In diesem Fall war es das Quecksilber, je nachdem, in welcher Form es vorkommt, kann es eben sehr giftig sein, kann akkumulieren im menschlichen Körper. Und wir haben eben nachgewiesen, dass es eben bestimmte Pfade gibt, wie das Quecksilber aus den Industrieregionen, aus den gemäßigten Breiten bis in die Polarregion gelangt. Das haben wir auf dem Schiff gemacht, das haben wir auf Station gemacht. Das war natürlich auch eine Zeit, wo man viel Standard-, Industriebier getrunken hat, um die Brücke wieder zu schlagen.

Markus: Holger, du bist doch der Kapitän der der wilden Meere, oder? Das muss dir doch gefallen.

Holger: Nein, absolut! Da haben wir schon wieder eine Parallelität, Christian, nicht nur, dass ich auch mal in Hamburg gelebt habe, sondern ich bin auch mal zur See gefahren, also ich bin Marinesoldat. Aber du musst mir jetzt wieder helfen, weil ist Akkumulieren etwas Unanständiges?

Christian Temme: Das ist einfach Anreichern im Fettgewebe zum Beispiel, weil es eine polare Substanz ist, die sich dann sozusagen nach und nach, wenn man dann zum Beispiel Fisch isst, der wiederum auch schon diese toxische Substanz angereichert hat. Bioakkumulation nennt man das, entlang der Nahrungskette sozusagen. Und wir sind am Ende der Nahrungskette und wir sind dann am meisten gefährdet, weil wir dann am Ende vielleicht Nahrungsmittel aufnehmen, die schon eine ordentliche Dosis an dieser Verbindung halt besitzen.

Holger: Ich erinnere mich, ganz am Anfang schon, Testing Inspection …

Christian Temme: Inspection und Certification. Genau!

Holger: Alles klar! Also danke schön, dass du mich dazu nochmal abholst, sonst gehe ich verloren. Der Markus, der weiß das natürlich alles, der sagt ja auch Chemiker (K gesprochen) und nicht Chemiker (Ch gesprochen). Aber ich muss dann nochmal fragen immer. Mhm (bejahend).

Christian Temme: Wie gesagt, das war eine wilde Zeit. Und bis 2006, und dann habe ich mich aber doch für die freie Wirtschaft entschieden. Jetzt hört man natürlich immer, verfolgt man natürlich Polarexpeditionen immer noch mit ganz anderem Auge und schaut natürlich auch immer oft auf dieses Schiff. Das hat mich sehr lange begleitet, die Polarstern. Ich war auch in Kanada, bin dort in die nordische Arktis geflogen, das ist in Kanada eigentlich wie Busfahren, da gibt’s regelmäßig Verbindungen mit Militärmaschinen hin. Und ich habe dort auch in der Arktis halt eine ganze Menge erlebt. Ist immer witzig, dann hat man eben auch die komplett unterschiedlichen Tierwelten, im Süden dann die Pinguine, im Norden die Eisbären, die sich eben nie begegnen werden. Und das kann man sich dann irgendwann ganz gut merken.

Holger: Ich habe sogar mal einen Offizier gehabt, der hieß Hofer, Oberleutnant zur See, und der ist dann, glaube ich, auch auf die Polarstern versetzt worden und war da Verbindungsoffizier zwischen der Bundesmarine und der Polarstern. Da haben wir dann immer gesagt, mein Gott, das ist wirklich eine Traumstelle. Du hast eigentlich keine Verantwortung und darfst eben schöne Welten kennenlernen. Aber das war auch ein guter Typ irgendwie, der fuhr Käfer Cabriolet seinerzeit und so, also der war ein cooler Typ. Jetzt nicht so sehr in den Erinnerungen schwelgen und ich weiß auch jetzt nicht, wie ich den Bogen wieder zum Bier zurückbekomme.

Markus: Wenn man den Bogen zum Bier nicht findet, dann lass uns doch den Bogen zu den Frauen finden. Du hast ja …

Holger: Ach ja!

Markus: … eine ganz, ganz liebe Frau, die Anne, die ich auch schon kennenlernen konnte, die du irgendwie auch zum Bier bekehrt hast, nicht nur zu dir. Aber das wäre doch interessant, habt ihr euch irgendwie auf der Polar-Expedition kennengelernt oder wie habt ihr das hinbekommen?

Christian Temme: Nein, das war tatsächlich noch in meiner Studienzeit in Jena, wo ich promoviert habe dann. Und kurz bevor ich schon wusste, dass ich nach Hamburg gehe ins Forschungszentrum, meine Postdoc-Zeit da antreten werde, habe ich sie kennengelernt. Sie ist Augenoptikerin und wir haben uns auf einer Party in Jena dann kennengelernt. Und Bier spielte bei ihr dann auch bis 2018, bis wir das Braustättchen gegründet haben, auch keine große Rolle. Wir haben uns dann beide fürs Braustättchen entschieden im Nebenerwerb und sie hat gesagt, ich kümmere mich um das Catering sozusagen und dass die Gäste sich wohlfühlen, was das Essen anbetrifft, aber natürlich ist das Food Pairing dann auch wichtig in der Vorbereitung. Und so hat sie sich dann natürlich auch den Bieren gewidmet. Und zack, war plötzlich irgendwie auch im Kopf ein Hebel, ein Schalter umgelegt. Mittlerweile geht’s uns beiden so, wir freuen uns immer auf neue Bierstile, Biersorten, und gucken, was wir dazu eben anbieten können, Kulinarisches. Bei uns steht immer das Food Pairing im Vordergrund. Das war natürlich jetzt auch in der Pandemie schwierig, da wir unseren Stammgästen das nicht mehr bieten konnten, und im Online-Tasting das natürlich schwierig ist. Ich weiß, du hast das jetzt einmal gemacht, glaube ich. Aber es ist natürlich ein wahnsinniger Aufwand und unsere Stammkneipe oder unser Stammrestaurant ist jetzt auch nicht so auf Versand eingestellt und würde das, glaube ich, auch nicht begleiten wollen öfter. Also Online-Tasting ja, aber ich bin auch froh, wenn es dann wieder live und in Farbe ist und wir das Braustättchen wieder öffnen können. Es hat immer auf, jetzt nochmal zu deiner Frage, Holger, wir machen im Moment regelmäßig donnerstags, freitags auf. Das mache ich aber jetzt nicht mehr allein, weil das wäre zu viel Fahrerei aus Hamburg. Dort habe ich den Tim als Angestellten und der macht halt donnerstags, freitags den Bottleshop auf, sodass die Stammgäste und natürlich auch neue Kunden zweimal die Woche für zwei Stunden die Chance haben, sich Nachschub zu holen oder neue Biere kennenzulernen.

Holger: Dann wird es doch ganz gut angenommen, oder? Und hat deine Mutter recht gehabt? Also geht es quer durch die Generationen, oder gibt’s da schon eine ganz spezielle Zielgruppe?

Christian Temme: Ja, also die Zielgruppe hat sich doch dann rauskristallisiert, eher so zwischen, ich würde sagen, 30 und 50. Ab und zu schnuppern dann doch mal die älteren Herren rein, so im Alter meines Vaters, so die Generation 65 plus, also Rentner. Und kommen dann auch rein und sagen, ich will eins von deinen Bieren. Weil die natürlich immer wissen, dass ich auch Hobbybrauer bin und das auch gehört haben. Und ich dann immer sagen muss: Na ja, das ist nicht kommerziell, kannst mal beim Brauen vorbeikommen oder so, mal über die Schulter gucken, aber mehr ist leider nicht. Aber ich habe ganz tolle andere Biere hier und na ja, dann nehmen sie auch was mit. Aber es ist nicht so, dass sie dann sagen, oh, da komme ich jetzt jeden Monat oder alle zwei Wochen und hole mir Nachschub. Das ist schon ein schwieriges Thema in dieser Region. Aber für mich ist es nach drei Jahren einfach auch jetzt Genugtuung, dass es eine Stammkundschaft gibt, dass es funktionieren kann und dass auch die Leute aus unterschiedlichen Richtungen im Einzugsgebiet von 30, 40 Kilometer mittlerweile kommen zu den Tastings. Die Tastings sind mittlerweile mehr besucht von Auswärtigen als von Einheimischen, würde ich mal sagen, Aborigines. Das macht mich stolz.

Holger: Ich kann es mir lebhaft vorstellen, dass so richtig eingefleischte Niedersachsen aus dem Landkreis Gifhorn, die dann wieder wegfahren und sagen, hey, die Plörre kannst du zwar nicht saufen, aber nette Frau.

Markus: Und man muss natürlich sagen, es ist ja auch insgesamt ein ganz, ganz toller Platz. Das muss man sich vorstellen, das ist so ein schönes Fachwerkgebäude, und wenn man da reingeht, das ist sehr frei, sehr weitläufig, dann über alles eben Bier und Dekoration und mit ganz, ganz viel Liebe alles hergerichtet. Und einmal durfte ich auch schon ein Tasting bei euch machen, das fand ich auch ein ganz tolles Erlebnis. Wenn man dann eben diese ganzen Niedersachsen so rumsitzen sieht und man hat dann so ein Fass mit Mahrs Bräu da stehen, und dann fangen die Augen an zu leuchten, die Tränen an zu fließen, wenn man dieses Ding endlich anzapft, und dann gehen die also mit einer richtigen Andacht zum Zapfhahn und lassen sich dann das Bier in den Krug fließen und sind dann völlig glücklich und im siebten Himmel. Also das sind natürlich tolle Erlebnisse, die du da kreierst. Ich glaube, das vergessen die so schnell nicht. Und auch so die Rückmeldungen von dem Seminar danach, glaube ich, waren wirklich so, dass du für die schon eine große Bereicherung bist, oder?

Christian Temme: Definitiv! Der Abend war legendär. So Momente schaffe ich auch wirklich seit ungefähr, also ein Jahr vor der Pandemie, ungefähr ein Jahr lang regelmäßig, indem ich eben so Leute wie dich als Stargast dann auch habe. Das habe ich dann auch fortgeführt, das hast du bestimmt mitgekriegt. Es war dann jedes Mal immer ein Stargast da, meistens einer der Brauer, oder derjenige, der die Brauerei eben gegründet hat und jetzt nicht unbedingt selbst der Brauer ist. Oder eben jemand wie du, Markus, der einfach auch nochmal das Thema Bier den Leuten auf andere Art nahebringen kann. Und das Fass Mahrs Bräu war genial, das Stacheln und all solche Dinge, die ich dann immer wieder zelebriere. Da geht einiges. Da gibt’s auch Leute, die warten nur darauf, die buchen, schon während des Abends sitzen die da mit dem Handy sozusagen und buchen das nächste Event. Das passiert mir übrigens bei den Online-Events auch. Ich sehe das ja dann, wenn die Buchungen eingehen. Und das ist mittlerweile bei den Online-Events genauso, dass während des Abends tatsächlich die nächsten Buchungen eingehen. Ich muss also immer gucken, dass ich auf jeden Fall das nächste Event schon wieder online habe zur Buchung bereit.

Markus: Na, das ist doch sehr, sehr cool. Und vielleicht noch eine Frage, die auch so in diese Richtung geht. Wie ist das denn, du hast jetzt praktisch in der Pandemie beschlossen, da noch einen Bierothek Franchise Shop irgendwie aufzumachen. Das ist bestimmt keine so leichte Entscheidung gewesen. Ist das einfach so gekommen oder hast du gesagt, mach ich jetzt, oder habt ihr euch zusammengesetzt in der Familie, oder wie ging das und wie ist es angelaufen?

Christian Temme: Ja, ist nicht ganz korrekt. Also ich habe noch mehr in der Pandemie entschieden, dazu gleich noch mehr. Also wir sind ein Partner der Bierothek, ist kein Franchise-Shop. Es gibt zwei Modelle bei der Bierothek, einmal natürlich die eigentliche Filiale, die Bierothek-Filiale als Franchise-Konzept, und eben man kann auch Partnerhändler der Bierothek werden. Das bedeutet nichts anderes, dass man zusammenarbeitet bei Versand der Biere, die die Bierothek vorhält, im Kassensystem sich harmonisiert sozusagen. Also ich habe die Kasse von denen, kann also sofort, wenn ich Biere über die Bierothek bestelle, dann auch entsprechend die Biere aus dem Kassensystem direkt einbuchen und habe alle Informationen dazu. Deutlich einfacher als das, was ich vorher hatte. Und das ist überschaubar von der Investition, und deshalb habe ich das gemacht. Und ich habe es auch gemacht, um an fränkische Biere ranzukommen, und zwar so, dass ich jetzt nicht jedes Mal von der Brauerei mir liefern lassen müsste, was natürlich schwierig ist bei Kleinstmengen, sondern eben auch gebündelt über die Bierothek, dann eben eine kleine Palette oder auch mal noch weniger, die sind da relativ entspannt, was so Mindestmengen anbetrifft, dann auch liefern zu lassen. Das heißt also, zum Beispiel beim Franken Tasting jetzt, mein nächstes Online-Tasting, die Biere kommen alle über die Bierothek-Logistik und das macht’s halt viel, viel einfacher als das, was ich vorher hatte, wo ich mühselig dann, Reckendorf, dann der Dominik, der hat mir dann zwar auch mal was vorbeigebracht, wenn wir uns irgendwo auf der Autobahn getroffen haben oder so, du hast mal was mitgebracht, aber das ist natürlich keine wirkliche Alternative, wenn man regelmäßig diese Biere im Portfolio haben will. So ist das gekommen und ich kann die Bombe platzen lassen, denke ich. Ich werde das Ganze jetzt hochskalieren und werde das aus dem Nebenerwerb in einen Vollerwerb schalten. Wohlwissend, dass das nicht in Knesebeck funktioniert, werde ich das in Hamburg tun. Das heißt also, ich werde das Braustättchen jetzt nach Hamburg doppeln und das Ganze dann hochskalieren.

Markus: Wow! Das klingt ja super. Heißt das dann auch der Lange Jammer?

Christian Temme: Mhm (verneinend). Das Logo bleibt, also da habe ich mich jetzt entschieden. Und wenn ihr das Logo seht, vor euch seht, unten steht Am Langen Jammer, das werde ich dann ersetzen durch den Ort, wo es in Hamburg ist. Ich habe schon einen Ort, eine Location gefunden, die ist super, aber ich kann es leider noch nicht verkünden hier, weil der Vertrag noch nicht unterschrieben ist. Und es wäre schade, wenn es am Ende dann doch eine andere wird. Also es würde dann heißen, was weiß ich, jetzt mal als Beispiel, Braustättchen am Michel oder so. Oder Braustättchen St. Pauli oder irgendwie sowas. Also dass man sozusagen die Verortung mit im Logo hat.

Markus: Im Michel wäre doch schön.

Christian Temme: Ja, das wird schwer.

Markus: Das haben wir uns hier früher immer gewünscht, so ein Bier-Drive-in in der Krypta vom Bamberger Dom. Aber hat irgendwie alles nicht funktioniert. Egal! Jetzt sind wir mal gespannt, was da kommt. Ja, cool! Das ist ja sehr schön, da gratulieren wir, oder Holger?

Holger: Ja! Und natürlich kann man da schon wieder über einen Wiederholungs-Podcast sprechen. Also dass man das dann macht, wenn du etabliert bist und bist in Hamburg angekommen und kannst dann uns erzählen, was das für andere Kunden sind da oben im Norden. Das sind ja dann keine Niedersachsen mehr, sondern Hamburger, ob du da überhaupt zurechtkommst.

Christian Temme: Ja, wird spannend. Also klar, man muss sich jetzt ein bisschen auf einen anderen Markt, auf eine andere Zielgruppe einstellen. Aber ich habe schon so ein bisschen reingeschnuppert, ich habe mir nämlich irgendwie ein Warenlager jetzt auch hier in Hamburg, relativ nah an meinem Zuhause schon geleistet, damit ich die Biere nicht immer nach Knesebeck liefern muss oder hier auch mal zuhause anliefern lassen muss, habe ich die eben jetzt ins Warenlager liefern lassen. Da habe ich auch mein Hobbybrauer-Equipment. Und ab und zu mal mache ich einfach das Garagentor auf, stelle ein Schild raus und mache einen kleinen Lagerverkauf dort. Und da kann man natürlich schon mal so ein bisschen reinriechen, was der Hamburger so denkt über das Thema und wie er sich da positioniert. Ich kann nur sagen, das macht unheimlich Spaß, die Gespräche sind super, macht richtig Spaß. Und es gibt viel Know-how schon, die Leute wissen zum Teil, was sie wollen. Ich fokussiere mich natürlich weiterhin auf die lokalen Brauereien, das ist so mein Steckenpferd, und dieses Ganze garniere ich dann natürlich mit Bieren, wo ich sage, das sind so Must-Have-Brauereien mit starkem Profil, die es aber nicht in jedem Supermarkt gibt. Und dann natürlich so Regionen, wo ich mich halt auch tummle oder verliebt habe in diese Regionen, wie zum Beispiel fränkische Biere. Alkoholfreie Biere spielen eine Rolle. Und natürlich, was ich niemals ablegen werde, sind die Rohstoffthemen, wo ich denke, ich auch besondere Biere mit historischen Malzen, mit speziellen Malzen, das Thema Nachhaltigkeit, also lokale Beschaffungswege und sowas, das wird auf jeden Fall bei mir alles in diesem Braustättchen dann in Hamburg eine Rolle spielen.

Holger: Hört sich toll an. Also ist schon wieder eine Reise wert. Und hoffentlich geht’s auch irgendwann mal wieder so ganz normal und so.

Christian Temme: Ja, das wünsche ich mir auch. Also die Location soll auf jeden Fall eine Mischung sein aus eben einem Bottleshop und einer Tasting-Möglichkeit, also Bierverkostungen stattfinden zu lassen, so wie Markus das in Knesebeck erlebt hat. Natürlich wird es kein Fachwerkhaus und die Fläche wird es auch nicht, das wäre in Hamburg einfach nicht zu stemmen von den Mietkosten her, aber es wird, denke ich, ein guter Kompromiss werden. Und wenn es die Location wird, die ich jetzt gerade im Auge habe, ah, dann kommt vorbei, ihr werdet Augen machen.

Markus: Das werden wir bestimmt. Coole, coole Sache! Vielleicht sagst du noch für unsere Hörer, wie sie sich informieren können, also über welche Internetseiten oder wo findet man die Informationen, wenn man sich dafür interessiert und wie wir vorbeischauen will?

Christian Temme: Ich bin sehr rührig auf Facebook und Instagram unter dem Braustaettchen, eben mit „ae“, Braustaettchen unterwegs. Ansonsten auf der Webseite www.braustaettchen.de. Und ich denke, da findet man irgendwo dann den Weg zu mir und nach Knesebeck und demnächst dann eben auch nach Hamburg. Die Tastings sind natürlich im Moment im Mittelpunkt als Online-Format, werden dann hoffentlich wieder präsenzmäßig dann auch stattfinden können. Die Brauer, die hier so in Hamburg sich tummeln, die kommen immer zu Wort bei mir. Nächstes Tasting, da ist die Kehrwieder Brauerei dabei mit sechs Bieren. Also ich habe jetzt immer verschieden Themen gewählt, Frankenbiere, danach kommt, Biere einer Brauerei, sodass man auch mal wirklich das komplette Portfolio einer Brauerei durchprobieren kann. Und der Olli Wesseloh ist natürlich dann auch als Stargast dabei.

Markus: Wunderbar! Den hatten wir bei uns ja auch schon im BierTalk und haben, glaube ich, auch sechs Biere, haben wir das geschafft, Holger? Ich glaube schon, oder?

Holger: Stimmt, genau! Wir haben, glaube ich, sechs Biere geschafft. Wir waren aber auch zu viert. Also Olli’s Frau war im Hintergrund auch noch dabei.

Markus: Das ist öfters mal so der Fall. Na ja, gut! Nein, also dann würde ich doch vorschlagen, wir machen da für heute mal einen Punkt, freuen uns sehr über die vielen Infos und unsere schöne Zeit zusammen und die vielen Bilder im Kopf vom Eismeer und von den kalbenden Eisbergen. Das ist doch durchaus spannend. Und schauen mal, dass wir uns dann wieder sehen und wieder hören, wenn du dann deinen Laden in Hamburg aufmachst. Und dann können wir mal live vor Ort eine Podcast-Folge drehen und mal gucken, wie das dann eben so an der Elbe funktioniert.

Christian Temme: Ja, sehr, sehr gerne! Holger, Markus hat super Spaß gemacht. The Floor is yours, wenn ihr kommt. Egal welches Format, ihr seid immer herzlich willkommen.

Holger: Ja, war für uns auch eine Freude und eine Ehre. Vielen Dank für deine Zeit!

BierTalk – der Podcast rund ums Bier. Alle Folgen unter www.biertalk.de

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