Was China, Frankreich und Bayern gemeinsam haben

Shaoxing Erstmals sollten die drei ältesten Getränke der Welt, Bier, Wein und Reiswein, gemeinsam mit einer Messe, einer Tagung und einem Symposium gefeiert werden. Biersommelier Markus Raupach aus Bamberg vertrat dabei das Getränk Bier und hielt unter anderem die Begrüßungsrede in der chinesischen Reisweinmetropole.

Im Keller von Reisweinmeister Guanxian Wang
Im Keller von Reisweinmeister Guanxian Wang

Vor ca. 14.000 Jahren tranken die ersten Menschen Bier, etwa 6.000 Jahre später genossen sie den ersten Wein und nochmals 1.000 Jahre danach den ersten Reiswein. Diese drei fermentierten Getränke standen nicht nur am Anfang der menschlichen Zivilisation, sie markierten auch jeweils den Beginn der menschlichen Kultur. So begannen unsere Vorfahren, bei ihren alkoholischen Getränken zusammenzusitzen, entwickelten Sprache und Ackerbau, später die ersten landwirtschaftlichen Werkzeuge und die nötige Mathematik, um über Erntemengen, -verteilung und -besteuerung buchführen zu können. Der Alkohol versprach zudem eine Annäherung an die jeweiligen Götter, bis hin zu Exktase und Entrückung. Im Laufe der Jahrtausende verschob sich das Zentrum der Bierkultur vom Ursprung im Nahen Osten nach Bayern, Belgien und Großbritannien und das des Weines von Armenien nach Italien und Frankreich. Der Mittelpunkt der Reisweinherstellung jedoch blieb an seinem Ursprungsort, in der Region um Shaoxing, ca. 150 Kilometer südwestlich von Shanghai.

Während Wein aus gepressten Trauben vergoren wird, ist die Herstellung des Bieres wesentlich komplexer. Die im Getreide enthaltene Stärke muss erst durch Malzenzyme in Zucker umgewandelt und anschließend gekocht werden, bevor die Hefe ihre Arbeit verrichten kann. Beim Reiswein erfolgen Verzuckerung und Gärung des Reisgemisches gleichzeitig in einem Schritt. Die Masse muss dabei nicht gekocht werden und lagert bis zu 30 Jahren in Tongefäßen, bevor schließlich verschiedene Jahrgänge zu dem fertigen Reiswein verschnitten werden.

Der Bamberger Bierexperte Markus Raupach hielt eine Begrüßungsrede und nahm an diversen Diskussionsrunden teil
Der Bamberger Bierexperte Markus Raupach hielt eine Begrüßungsrede und nahm an diversen Diskussionsrunden teil

Jedes Jahr zu Beginn der Reiswein-Saison Anfang November feiern die Chinesen ihr Nationalgetränk mit einem großen Festival. Dieses Jahr sollten aber auch Bier und Wein eine Rolle spielen sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten besprochen und ausgelotet werden. Im Zentrum stand die Frage, inwieweit die drei Getränkekulturen heute voneinander lernen und profitieren können. Den Wein vertrat dabei Kristof Rumèbe, Verkaufsdirektor und Berater zahlreicher Weingüter aus dem Bordeaux, während der Bamberger Bierjournalist Markus Raupach das Bier repräsentierte. Neben einer Begrüßungsrede bei der Eröffnung standen für den Gründer der Deutschen Bierakademie vor allem die Teilnahme an dem Fachsymposium und den zugehörigen Diskussionsrunden auf dem Programm. Den festlichen Abschluss bildete die Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung, die Zusammenarbeit zu intensivieren und die drei Getränkekulturen künftig näher zueinander zu bringen.

Das Ergebnis der Konferenz zeigte viele Punkte auf, bei denen Frankreich, Deutschland und China voneinander profitieren können. So sind die Franzosen sicher die Vorreiter, was die Entwicklung einer Geschmackskultur rund um ihre Weine angeht, während insbesondere Bayern es am besten verstanden hat, das Bier als „Grundnahrungsmittel“ und unverzichtbaren Bestandteil seiner Alltagskultur zu etablieren. In Shaoxing wiederum zeigen die Chinesen perfekt, wie die Herstellungsverfahren aus der Steinzeit bis in das zweite Jahrtausend nach Christus konserviert und weiterentwickelt werden konnten – und das trotz der vielen Revolutionen in den letzten 100 Jahren. Auf der anderen Seite ist der chinesische Reiswein im Ausland kaum bekannt und wird oft mit seinem jüngeren japanischen Pendant, dem Sake, verwechselt. Hier haben die Europäer es wesentlich besser verstanden, aus ihren Getränken internationale Verkaufsschlager zu machen. Es gibt also auf allen Seiten noch viel zu tun. So vereinbarten die Teilnehmer der Tagung, die Konsultationen in den nächsten Jahren international fortzusetzen, und damit vor allem das Bewusstsein für die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Bier, Wein und Reiswein zu stärken.

Text: Benjamin Strüh
Fotos: Markus Raupach

Weltneuheit in Reckendorf eingeweiht

Dominik Eichhorn feierte die Einweihung seines neuen Sudhauses

Fast 60 Jahre hat das alte Sudhaus in der Reckendorfer Schlossbrauerei auf dem Buckel. Damals nach dem neuesten Stand der Technik eingerichtet, ist es nun deutlich in die Jahre gekommen. Ein guter Grund für Braumeister und Inhaber Dominik Eichhorn, völlig neue Wege zu gehen. Er feierte mit über 300 Ehrengästen Sudhauseinweihung.

Ein Blick von oben: Die Schlossbrauerei Reckendorf mit ihrem neuen Sudhaus.
Ein Blick von oben: Die Schlossbrauerei Reckendorf mit ihrem neuen Sudhaus.

Vor fast 90 Jahren hatte Georg Dirauf, der Großvater von Dominik Eichhorn, gerade stolz die Schlossbrauerei übernommen. Damals brauten die dortigen Braumeister schon seit 400 Jahren Bier, allerdings in eher kleinem Maßstab: 40.000 Liter pro Jahr. Bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 400 Litern gerade genug für 100 durstige Kehlen. An einem Seidlapreis von 36 Pfennigen war so nicht viel zu verdienen. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Brot kostete 39 Pfennige. Grund genug für Georg Dirauf, den Laden in Schwung zu bringen, was er in den folgenden 20 Jahren auch schaffte und 1952 vom Pächter zum Eigentümer wurde. Ein Jahrzehnt später konnte er stolz sein neues Sudhaus einweihen – der Höhepunkt in jedem Brauerleben.

Als kleiner Junge wuselte sein Enkel Dominik damals gerne quirlig durch die Brauerei – für ihn ein riesengroßer Abenteuerspielplatz. Diese Tage hat er bis heute nicht vergessen. Denn auch wenn aus dem kleinen Buben mittlerweile ein gestandener Brauingenieur und Biersommelier geworden ist, hat er sich stets den Stolz und den Spaß der alten Tage in seiner Familienbrauerei bewahrt. Nach der Ausbildung und einem Arbeitsjahr in einer japanischen Brauerei übernahm er mit 28 Jahren das Ruder in Reckendorf und führte so das großväterliche Erbe fort. Doch in den letzten Jahren bereiteten zwei Dinge dem Braumeister Sorgen: Es waren kaum noch Ersatzteile für das alte Meisterstück zu bekommen, und die Energie- und Umweltbilanz verschlechterte sich zunehmend.

Also machte sich Dominik Eichhorn vor gut drei Jahren auf die Suche nach einem passenden Ersatz. Nach dem Besuch zahlreicher Kollegen, Messen und Sudhausbauer war er nicht überzeugt, einen wirklichen Schritt nach vorne machen zu können. Zu nahe waren die “neuen” Sudhäuser an dem, das er zuhause in seiner eigenen Brauerei stehen hatte. So landete Eichhorn schließlich im November 2015 auf der Nürnberger Braumesse am Stand des fränkisch-schwäbischen Sudhausbauers Ziemann und lernte dort den Cheftechnologen Klaus Wasmuht kennen. Der gebürtige Bamberger hatte mit seinen Erfindungen gerade erst einen Innovationspreis für Sudhaustechnik gewonnen und war dabei, seine Ideen weiterzuentwickeln. Aus dem kurzen Messegespräch wurde ein sehr langes, weiteres Treffen und auch viele Seidla Bier folgten. Beide einte dieselbe Frage: Wie kann man die seit über 100 Jahren perfektionierte Brautechnologie mit der Rückbesinnung auf alte Traditionen auf eine gänzlich neue Schiene bringen?

Also wälzten sie alte Brauhandbücher, Eichhorn erzählte von den Geschichten seines Opas, und nach und nach reifte der Plan für ein echtes Novum: Das Omnium-Sudhaus, das mit allen Traditionen bricht. Gefäße, Reihenfolge, Temperaturen, Energie- und Rohstoffeinsatz, all das konnte und musste von den beiden neu gedacht werden. Außerdem sollte ein Braumeister bei dem neuen Konzept wieder an jeder Stelle eingreifen und seine Handwerkskunst zeigen können. Die Planung dauerte bis zum Ende des letzten Jahres. Seit Anfang Januar arbeiteten die Mannschaften von Ziemann und Schlossbrauerei Hand in Hand, um den Neubau umzusetzen. Am 3. Juli konnte Dominik Eichhorn nun die Einweihung seines neuen Sudhauses feiern.

Brauereibesitzer Dominik Eichhorn und seine "Nessie".
Brauereibesitzer Dominik Eichhorn und seine „Nessie“.

In dem “Omnium” genannten Sudhaus werden alle Rohstoffe auf eine neue Art und Weise genutzt. Im klassischen Läuterbottich sammeln sich die Rückstände des Malzes und landen nach dem Brauen beim Bauern als nahrhaftes Viehfutter. Das konnten sich die Brauer der vorindustriellen Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts nicht leisten. Sie holten fast alle wertvollen Inhaltsstoffe aus dem Malz heraus und lösten sie in mehreren Bieren, die aus derselben Malzmischung gesiedet wurden, bis diese komplett ausgelaugt war. Einen Läuterbottich sucht man in der neuen Reckendorfer Brauerei deshalb vergebens. An seiner Stelle arbeitet nun “Nessie”, eine absteigende Folge von vier Trommeln, in denen das Malz neben seiner Stärke auch nahezu alle Vitamine, Mineralien und Proteine an die Bierwürze abgeben kann – die am Ende dann die Grundlage für einen Biersud ist. Das sorgt nicht nur für mehr Gehalt, sondern auch für mehr Aroma. Durch diese Bauart kann Eichhorn zudem wieder alte historische Getreidesorten für seine Biere verwenden und damit innerhalb des Reinheitsgebotes völlig neue Spielwiesen beschreiten.

Auch beim Hopfen gibt es nun in Reckendorf viel mehr Einsatzmöglichkeiten. Das grüne Gold landete bisher entweder beim Kochen in der Würzepfanne, oder beim so genannten “Hopfenstopfen” nach dem Gären im Lagertank. Doch dabei gibt es drei Probleme: Erstens ist die Bierwürze schon recht gesättigt, kann also nur noch eine bestimmte Menge an Hopfeninhaltsstoffen in sich aufnehmen, zweitens verdampfen beim Kochen die ätherischen Öle des Hopfens und drittens birgt die Kalthopfung immer eine gewisse Infektionsgefahr, die der Brauer scheut wie der Teufel das Weihwasser. In Reckendorf kann Dominik Eichhorn nun die weniger gesättigte Bierwürze aus dem letzten Rad seiner “Nessie” entnehmen, in einem eigenen Gefäß, dem “Janus”, bei niedrigeren Temperaturen mit Hopfen versetzen und das Ergebnis zu einem beliebigen Zeitpunkt wieder mit der restlichen Würze vereinen. Das führt ebenfalls zu wesentlich mehr Aromen, die noch dazu viel schonender ins Bier gebracht werden.

Schließlich benötigt eine optimale Gärung der Hefe viele Mineralien und ungesättigte Fettsäuren, die das Malz auch in großer Menge enthält. Doch beim klassischen Brauprozess geht ein Großteil davon verloren. Mit der “Nessie” sind diese Herausforderungen Geschichte. Bereits die ersten Sude haben gezeigt, dass die Hefe ungemein aktiv ist und mit bisher nicht gekanntem Elan zu Werke geht. Bleibt noch das Wasser. Hier können Dominik Eichhorn und seine Brauer einen guten Teil der früher benötigten Menge einsparen – und damit auch jede Menge Energie. So können sie nicht nur ein besonders aromatisches und vielseitiges Bier, sondern auch eine große Entlastung für die Umwelt auf die Fahnen schreiben.

Das neue Reckendorfer Sudhaus ist das weltweite “Omnium”-Pilotprojekt und wird auch bei der diesjährigen BrauBeviale-Messe in Nürnberg zu den Vorzeigeobjekten gehören. Von der wichtigsten internationalen Branchen-Fachmesse wird dafür eigens ein Shuttleservice ins Bamberger Land eingerichtet werden, um die Besucher aus aller Welt nach Reckendorf zu bringen.

Text: Markus Raupach
Fotos: Martin Klindtworth / www.zentralfotograf.de

Hot Hörnla und Bier

Bamberger Bier-Delegation begeistert in Rodez

Anlässlich des zweiten Salon de la bière (Biermesse) am 26. und 27. Januar in Rodez zählte erstmals auch eine Delegation aus Franken zu den Ausstellern. Brigitte Riegelbauer, stellvertretende Bürgermeisteramtsleiterin, reiste mit 13 Mitstreitern und einer Auswahl von neun Bamberger Bieren in Bambergs Partnerstadt. Mit dabei auch Bambergs Leckerbäcker Thomas Loskarn, ein Konzept das vollends überzeugte.

Die Bamberger Delegation auf der Rodezer Biermesse "Salon de la bière".
Die Bamberger Delegation an ihrem Stand in Rodez. Mit dabei: Stephan Michel (4.v.l.), Thomas Loskarn (mit Brezel), Christian Merz (5.v.r.), Brigitte Riegelbauer (2.v.r.), Stadtrat Pierre Bessière (1.v.r.), Korbinian Kundmüller (8.v.r.) und Markus Raupach (6.v.r.). © Foto: Martine Bringuir

„Wenn man so eine gute Städtefreundschaft hat wie wir, ist alles möglich“, sagte Pierre Bessière, Mitglied des Rodezer Stadtrates, im Interview am zweiten Tag des Biersalons. Er selbst hatte die deutsche Partnerstadt 2015 zum ersten Mal gesehen und gleich spontan am Weltkulturerbelauf teilgenommen. „Seitdem bin ich überzeugt von dieser wundervollen Stadt und möchte mich dafür einsetzen, dass die Bamberger in Rodez genauso herzlich empfangen werden wie wir in der Domstadt.“ Bei der Erstauflage ihres Biersalons Anfang 2017 kamen die Franzosen auf die Idee, beim nächsten Mal ihre deutschen Freunde einzuladen – schließlich steht Bamberg vor allem für das Thema Bier. Also brachten im Juli 2017 die Bamberger Teilnehmer des Schüleraustausches eine Einladung des Rodezer Bürgermeisters zum Salon de la bière mit nach Hause.

Der Bamberger Oberbürgermeister ließ sich nicht lumpen, sagte zu und übertrug Brigitte Riegelbauer die Organisation des Bamberger Bierstandes. Ein erster Anlauf bei den Bamberger Brauereien begann zwar vielversprechend, stockte dann aber wegen Terminschwierigkeiten. Schließlich sollte auch Bamberger Bierkompetenz persönlich vor Ort sein. Mit Biersommelier Markus Raupach und seiner Bierakademie fand Riegelbauer schließlich doch Unterstützung. Er und sein Mitarbeiter Korbinian Kundmüller, ebenfalls Biersommelier, erklärten sich bereit, den Stand in Rodez zu begleiten. Zur Abrundung konnte noch Bäcker Thomas Loskarn gewonnen werden, der mit seinem Team, zwei Backöfen, frischen Bamberger Hörnla, Pfeffer- und Laugenbrezen ein zusätzliches Highlight bot. Wenige Tage vor der Abreise ergab sich kurzfristig, dass Stephan Michel von der Mahrs Bräu, Christel Babin vom Schlenkerla und das Ehepaar Merz von der Brauerei Spezial doch noch die Delegation ergänzten.

Interessierte Besucher am Bamberger Stand auf der Rodezer Biermesse "Salon de la bière"..
Interessierte Besucher am Bamberger Stand auf der Rodezer Biermesse „Salon de la bière“. © Foto: Markus Raupach

Geballte Bamberger Bierkompetenz also, die auf das französische Publikum und die zehn anderen ausstellenden Brauereien aus der Region Rodez traf. Neben vielen Fachsimpeleien zeigte sich vor allem die Begeisterung für das Bamberger Bier und die bald 50-jährige Städtepartnerschaft. „Für mich ist das gleichzeitig etwas Besonderes und etwas Normales“, so David Hocquard von der Brauerei Hocq im Rodezer Vorort Saint-Christophe-Vallon. „Im Krieg gehörte meine Familie zum Widerstand. Mein Großvater ist in deutscher Gefangenschaft gestorben. Aber als sich vor 20 Jahren ein Deutscher mit seinem Motorrad in unserer Gegend verirrte, hat mein Vater ihn zum Essen und Übernachten eingeladen. Heute gibt es für mich keine Differenzen mehr, sondern eine echte Freundschaft.“ Der Brauer setzt gemeinsam mit seiner Frau Séverine auf reine Bio-Biere und arbeitet gerade daran, sein erstes Helles auf den Markt zu bringen. Da kamen ihm die Bamberger Bierprofis gerade recht, und er lud sie spontan zu einem Ausflug in die Brauerei mit Beurteilung seines Testsudes ein.

Ganz in diesem Sinne zog auch Organisatorin Riegelbauer ihr Fazit: „Für mich war das eine tolle Sache. Man sieht einfach, wie Essen und Trinken das Miteinander befördern und selbst die manchmal schwierige Sprachbarriere leicht überwunden werden kann. Das ist gelebte Städtepartnerschaft, wie wir sie auch als Stadt haben wollen. Das sollten wir auf jeden Fall wiederholen, vielleicht noch ergänzt um einen musikalischen Botschafter aus Bamberg.“ Besonders begeistert haben Brigitte Riegelbauer das persönliche Engagement der Brauer und Biersommeliers sowie der umtriebige Bäckermeister Thomas Loskarn, der am zweiten Abend noch eine Sonderschicht einlegte, um alle mitgebrachten Teiglinge backen und an die Franzosen bringen zu können. Der Leckerbäcker war selbst überrascht von der Herzlichkeit des Empfangs und gab zu, sich in Rodez und seine Bürger verliebt zu haben: „Das sind ganz tolle Menschen, ich hab mich fast ein bisschen wie auf der Sandkerwa gefühlt.“ Loskarn knüpfte auf dem Biersalon erste Kontakte zu einem lokalen Bäcker, mit dem er demnächst eine französisch-fränkische Bäcker-Kooperation auf die Beine stellen will. Schließlich ergeben sich immer wieder spannende neue Rezepte – wie das des „Hot Hörnla“, das spontan als Kreuzung zwischen Loskarns scharfer Pfefferbreze und seinem Bamberger Hörnla entstand und für große Begeisterung sorgte.

Bambergs Leckerbäcker Thomas Loskarn verzückte die Messebesucher mit seinen fränkischen Backspezialitäten.
Bambergs Leckerbäcker Thomas Loskarn verzückte die Messebesucher mit seinen fränkischen Backspezialitäten. © Foto: Markus Raupach

Rund um den Biersalon wurden die Bamberger zudem vom Rodezer Bürgermeister empfangen und hatten die Gelegenheit, das neue Kunstmuseum der Stadt noch vor der offiziellen Eröffnung zu besichtigen. Auch das Shopping gehörte zum Programm, und so kam beispielsweise Manuela Merz mit zwei neuen Messern und gutem Käse von den Marktständen der Partnerstadt nach Hause. Auch sie und ihr Mann waren von dem Besuch in Frankreich begeistert und froh, die vier Tage investiert zu haben: „Eine tolle Erfahrung und so viele nette Menschen, da sind wir gerne wieder dabei!“

Text: Markus Raupach
Fotos: Martine Bringuir & Markus Raupach

Ein neues Bier für Bamberg

Georg Rittmayer und Christian Klemenz lassen die Weißtaubenbräu wiederauferstehen

Weiße Taube - Ein neues Bier für Bamberg
Christian Klemenz (links) und Georg Rittmayer am Standort des Widerstandsdenkmals im Bamberger Harmoniegarten, initiiert von der Willy Aron Gesellschaft, deren Stolpersteinprojekt mit dem Biererlös unterstützt werden soll.

Bamberg/Hallerndorf. Ein Braumeister aus Hallerndorf und der Gründer der Bamberger Bierothek verhelfen einer alten Biermarke wieder zu altem Glanz. Das Weißbier “Weisse Taube” ist nach vielen Jahrzehnten wieder auf dem Markt. Der erste Anstich erfolgte am 25. November in Bamberg.

Um 1818 war die Brauerei “Zur weißen Taube” die größte Brauerei der Domstadt. Mit 1.379 Eimern Vollbier und 689 Eimern Nachbier (entspricht zusammen knapp 1.400 Hektolitern Jahresproduktion) stand Georg Rittmayer an der Spitze der Bamberger Brauer, gefolgt von den Brauereien „Zum Mondschein“, „Zum Storchenpeter“ und „Zum Specht“. Alle vier Unternehmen haben gemeinsam, dass sie heute nicht mehr existieren. Doch als Georg Rittmayer aus Hallerndorf vor kurzem davon erfuhr, dass sein Namensvetter vor 200 Jahren Marktführer in der Domstadt war, recherchierte der Braumeister in seiner Ahnengalerie. Dabei kam heraus, dass der damalige Bamberger Brauer ursprünglich aus der Forchheimer Gegend stammte und es damit wohl vor vielen Jahrhunderten gemeinsame Wurzeln für die historische Rittmayer-Brauerei in der Weltkulturerbestadt und Rittmayers heutige Brauerei in Hallerndorf gab. Auf seinem Dachboden fand er sogar einen Krug aus der alten Bamberger Brauerei mit der Namensinschrift „Georg Rittmayer“. Grund genug für ihn, das historische Weißbier der Brauerei „Zur Weißen Taube“ wiederzubeleben. In Christian Klemenz von der Bierothek fand Rittmayer einen Partner in der Domstadt und so kreierten sie gemeinsam das neue alte Weißbier „Weisse Taube“, das ab sofort wieder in Bamberg erhältlich ist.

Weiße Taube - Ein neues Bier für Bamberg
Die Gedenktafel in den Bamberger Theatergassen erinnert an Synagoge und Brauerei Weiße Taube.

Eng verbunden mit der Geschichte der Brauerei „Zur Weissen Taube“, die 1917 ihre Pforten schließen musste, ist auch das Schicksal der Bamberger Juden und anderer Verfolgter des Nazi-Regimes. Denn die alte Brauerei mit ihrem riesigen Biergarten, wo heute die Bamberger Theatergassen stehen, diente der jüdischen Gemeinde als Versammlungsort und Gemeindeverwaltung. Sogar die jüdische Volksschule war in den Räumlichkeiten untergebracht. Nach 1933 und vor allem der Reichspogromnacht, in der auch die Bamberger Synagoge brannte, wurden die jüdischen Familien zwangsweise in dem ehemaligen Gasthof einquartiert. Es fungierte als letztes „Judenhaus“ in Bamberg, bevor die judischen Mitbürger vollständig in die Vernichtungslager deportiert wurden. Georg Rittmayer und Christian Klemenz ist die historische Verantwortung bewusst, die mit dem Namen ihres reanimierten Bieres verbunden ist. Deswegen werden sie einen Teil des Verkaufserlöses spenden, um einerseits Projekte der Bamberger jüdischen Kultusgemeinde zu fördern und andererseits die Verlegung weiterer Stolpersteine in Bamberg und Hallerndorf durch die Willy Aron Gesellschaft zu unterstützen.

Ihr Weißbier „Weisse Taube“ präsentierten Klemenz und Rittmayer am letzten Samstag in der Bamberger Bierothek. Etwa 30 spontane und geladene Gäste durften als erste das neue Weizen kosten und waren begeistert. Denn es folgt genau der historischen Beschreibung: Mild, weich, rund und dank reichhaltiger Kohlensäure auch besonders bekömmlich zu sein. Das Geheimnis hinter dem Rezept ist laut Rittmayer die spezielle Malzmischung zusammen mit der eigenwilligen Gärführung, die an die historische Herstellungsweise angelehnt ist. Die “Weisse Taube” gibt es ab sofort in der Bamberger Bierothek und bei der Brauerei Rittmayer in Hallerndorf.

Text & Fotos: Markus Raupach

Wenn Lesen zum Genuss wird

Biersommelier Markus Raupach stellte sein neues Buch mit einem Aromenfeuerwerk vor

Zur Premiere seines 34. Buches hatte Bestsellerautor Markus Raupach am 17. November ins Bamberger Buchhaus Hübscher geladen. Vor ausverkauftem Haus ging es dabei nicht nur um den Inhalt von „Bier – Geschichte und Genuss“, sondern auch um spannendes Foodpairing von Bier mit edlen Käsen und Schokoladen. Neben Ohren und Gaumen waren zudem die Augen schwer beschäftigt, denn Raupach hatte Unterstützung von zwei Schauspielern, Heike Bauer-Banzhaf und Dirk Bayer, die dem Abend zusätzliche Lebendigkeit verliehen.

Bier-Genuss-Lesung von Markus Raupach und Heike Bauer-Banzhaf im Hübscher Bamberg zur Präsentation der neuen Bier-Bibel "Bier - Geschichte & Genuss"Schoko oder Himbeer?

Dieser Frage duften sich die über 70 Gäste bereits am Einlass stellen, während sie von Dirk Bayer als Butler fachgerecht begrüßt, entmantelt und entstaubt wurden. Allerdings ging es bereits hier um Bier – Biersommelier Raupach bot als Begrüßung entweder ein Chocolate Stout, das tatsächlich wie flüssige Vollmilchschokolade anmutete, oder ein Raspberry Fruit Beer, das mit Himbeeren eingebraut war und auch so schmeckte. Ganz mutige durften sogar mischen, denn Himbeeren und Schokolade vertragen sich nicht nur auf dem Kuchen.

Der Weltraum, unendliche Weiten

Mit diesen Worten steigt Raupach in sein erstes Buchkapitel ein, dessen Anfang Heike Bauer-Banzhaf souverän und stimmungsvoll zu den Tönen der Titelmelodie von Star Trek (Raumschiff Enterprise) zu Beginn der Lesung vortrug. Dazu blendete der Autor das Foto einer gigantischen Nebelwolke aus dem Zentrum der Milchstraße ein, die zu mehr als der Hälfte aus Alkohol besteht. Solche Phänomene finden sich überall im Weltall, vor allem aber dort, wo neue Sterne und Planeten entstehen. Die Wissenschaft nimmt an, dass dieser Alkohol die Grundlage auch für die Entwicklung des Lebens auf der Erde gewesen sein könnte.

Bier-Genuss-Lesung von Markus Raupach und Heike Bauer-Banzhaf im Hübscher Bamberg zur Präsentation der neuen Bier-Bibel "Bier - Geschichte & Genuss"Bier seit über 13.000 Jahren

Anschließend stellte Markus Raupach eine Weltkarte vor, auf der die Verbreitung des Menschen und die jeweils erste nachweisliche Vergärung von Getreide eingezeichnet war. Das wohl erste Bier brauten Steinzeit-Menschen vor über 13.000 Jahren im Grenzgebiet zwischen der heutigen Türkei und Syrien. Zu diesem Zeitpunkt konnten sie noch nicht einmal sprechen und zogen noch als Jäger und Sammler durch die Lande. Die kleinen Familiensippen litten unter Inzesterscheinungen und so schien es opportun, regelmäßig gemeinsam mit anderen Clans ein rauschendes Fest zu feiern – mit Antilopenfleisch und Bier, wie sich durch Ausgrabungen eindeutig nachweisen lässt. Nur wenige Jahrtausende später brauten die Einwohner Südamerikas Maisbier und die Asiens Reisbier. Beide Kulturen ließen junge Mädchen das Getreide kauen und in einen Trog zur Vergärung ausspucken. Ein Brauch, der noch bis in die 1960er Jahre belegbar ist. Später kam die Braukunst unter anderem über Sumerer, Ägypter und Römer in unsere Breiten. Brot gibt es übrigens erst seit etwa 8.000 und Wein seit 7.000 Jahren.

AUBI aus der DDR

Nach der Einführung sollten auch die Gaumen der gebannten Zuhörer Arbeit bekommen. Denn anschließend an eine weitere Lesung aus seinem Buch von Heike Bauer-Banzhaf servierte Raupach ein erstes Bier – alkoholfreies Weizen – im Zusammenspiel mit einem Vollmilch-Macadamia-Taler aus der Bamberger Storath-Manufaktur. Während das Auditorium das Aromenspiel des Foodpairings genoss, klärte der Autor über die Geschichte des alkoholfreien Bieres auf. Nach ersten Versuchen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war es ein Braumeister aus der DDR, Ulrich Wappler, der das erste deutsche „Alkoholfreie“ entwickelte. 1972 erblickte das AUBI (Autofahrerbier) das Licht der Welt, wenig später vom Regime auf der Leipziger Messe groß gefeiert.

München und Berlin

Nach dieser ersten Speiseprobe folgten sechs weitere, jeweils begleitet von Heike Bauer-Banzhafs Schauspiel- und Lesekunst, passender Musik und interessanten Hintergrund-Informationen von Buchautor Markus Raupach. Führte die zweite Kombination, Radler mit Ziegenfrischkäse, noch zur Kugler-Alm bei München, wo der Legende nach aus einer Not heraus das Radler erfunden wurde, ging es bei der dritten in die Bundeshauptstadt, allerdings vor gut 100 Jahren. Eingeleitet von einer romantischen Familiengeschichte aus der Zeit der Jahrhundertwende, servierte der Biersommelier Berliner Weisse (ohne Sirup) und zwei Jahre gereiften Comté-Käse, deren gutes Zusammenspiel das Publikum begeisterten.

Rauhe Zeiten im hohen Norden

Bier-Genuss-Lesung von Markus Raupach und Heike Bauer-Banzhaf im Hübscher Bamberg zur Präsentation der neuen Bier-Bibel "Bier - Geschichte & Genuss"Schließlich wurde es beim vierten Foodpairing sogar etwas gruselig. Das Buch entführt die Leser in den hohen Norden, wo die Wikinger ihr erstes Met anrührten. Doch der Brauer aus der Geschichte hatte aus Liebe einen Mord begangen und stürzte sich, um der Bestrafung mit dem schrecklichen Blutadler-Ritual zuvorzukommen, in seinem Braukessel in den Tod. Versüßt wurde dem Publikum das bittere Ende mit Honigbier und einer Lavendel-Praline, was als Kombination die Gäste andächtig schlemmen ließ. Und auch die fünfte Kombination begann blutrünstig. Häscher verfolgten im Belgien des 17. Jahrhunderts einen Braumeister, der – kurz bevor sie sein Ende besiegeln konnten – noch das Rezept für sein beliebtes Bier unter einem Baum vergrub. Mittlerweile wird dieses Bier wieder gebraut und zählt zu den berühmten Klosterbieren, von denen Biersommelier Raupach auch umgehend eines präsentierte. Das so genannte Dubbel ist vergleichbar mit unserem dunklen Bock, allerdings gebraut mit einer anderen Hefe, und passte perfekt zu dem begleitend servierten zwei Jahre alten Mimolette-Käse, einst die Leibspeise von Charles de Gaulle.

Craft oder nicht Craft?

Das war die Frage vor dem sechsten Bier. Hier ging es auf die britischen Inseln zur Zeit der Kolonialsperre, wo die Erfinder des heute wieder sehr beliebten India Pale Ale sich überlegten, wie sie die Einbußen durch Napoleons Kontinentalsperre kompensieren konnten. Die Antwort war leicht: Wenn wir nicht mit Russland und dem Kontinent handeln können, dann fahren wir eben zu unseren Kolonien nach Indien. Dieses kräftige und sehr hopfenaromatische Bier zählt zu den Bierstilen, die die Craft-Bier-Bewegung der USA inspirierten und auch hierzulande Fuß gefasst haben. So kam das servierte IPA eben aus Aschaffenburg und ergänzte sich perfekt mit dem dazu gereichten zwei Jahre alten Cheddar, dem britischen Haus- und Hofkäse.

Finale Dahoam

Zum Abschluss kehrten Sommelier, Schauspieler und Auditorium wieder in die Heimat zurück. Nach einem kurzen Einblick in das Geschehen der Salvatorschlacht auf dem Münchner Nockherberg gab es Schlenkerla Urbock aus Bamberg mit feinen Confiserie-Lebkuchen, eine äußerst genussvolle Kombination, die zeigte, dass sich auch das urige Rauchbier bestens zum Foodpairing eignet. Langer Applaus dankte den drei Akteuren des Abends, die über zwei Stunden beste Unterhaltung rund um das Thema Bier geboten hatten. Eine Lesung, die den Gästen noch lange in Erinnerung bleiben wird, waren sie doch nicht nur voll von neuem Wissen und spannenden Geschichten, sondern auch satt und mit spannenden Bieren einmal um die Welt und durch die Menschheitsgeschichte gereist.

Text: Frank Märzke
Fotos: Silvia Wawarta

BierKennerTour spezial 2017

Nach den letzten Jahren, in denen uns unsere Spezialtouren nach Berlin, Hamburg, Pilsen, Prag und Mailand geführt hatten, wollten wir in diesem Jahr unseren Gästen die Möglichkeit geben, dem weltgrößten Hopfenanbaugebiet auf den Grund zu gehen.

Wir führten unsere zwölf Teilnehmer erst zur Herrnbräu in Ingolstadt, dann zur Edelbrennerei Badhorn in Schweitenkirchen und schließlich zu Hopfenbauer Rudi Pfab, wo wir das grüne Gold auf jedem Schritt begleiteten. Danach genossen wir eine exklusive Führung durchs Deutsche Hopfenmuseum mit Verkostung und ein feines Abendmenü in Ingolstadt. Der dritte Tag stand im Zeichen des Reinheitsgebotes mit den Ingolstädter Sehenswürdigkeiten und Museen.

Der Katharinentrunk ist angestochen

Erster fränkisch-thüringischer Gemeinschaftssud

Nach 500 Jahren Reinheitsgebot im letzten Jahr können die Brauer dieses Jahr auf 500 Jahre Reformation zurückblicken. Auf den ersten Blick hat das nicht viel mit Bier zu tun, doch schon Luther selbst sagte: “Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken.” Kein Wunder also, dass sich zwei Brauereien aus Thüringen und Franken zusammengetan haben, um gemeinsam ein Bier wie zur Reformationszeit zu brauen. Das kann ab sofort auf dem Hallerndorfer Kreuzberg verkostet werden.

"Collaboration Brew": Der Katharinentrunk ist angestochen
Der Katharinentrunk erhält thüringischen Hopfen. Oben: Beate Greiner und Pfarrer Martin Kühn, unten v.l.: Holger Greiner, Norbert Winkelmann, Stefan Greiner.

Martin Luther war ein Augustinermönch, der sich allerdings nach und nach von den Gebräuchen der damaligen Kirche abwandte. Sogar am Jakobsweg fand er erstmal kein gutes Haar: “Darumb laß man sy ligen und lauff nit dahin, dann man waißt nit ob sant Jakob oder ain todter hund oder ein todts roß da liegt, … laß raisen wer da wil, bleib du dahaim.” Doch es ging ihm nicht um das Laufen und Beten, sondern vor allem um die Verehrung von Reliquien und Wundertaten.

“Protestantisches Pilgern” ist heute durchaus wieder in, und so finden auch evangelische Christen auf den Hallerndorfer Kreuzberg. Dazu gehörte im letzten Jahr die Brauerfamilie Greiner aus Steinach in Thüringen. Zuhause haben sie mit ihrem “Ankerla” eine der ganz wenigen Privatbrauereien, die sich auch in der DDR-Zeit halten konnten. Mit viel Improvisation und Handwerkskunst schafften sie es, bis ins 21. Jahrhundert zu überleben.

Es versteht sich von selbst, dass die Greiners, Papa und Braumeister Holger, Ehefrau Beate sowie Sohn und Brauer Stefan mit den Winkelmanns vom Brauhaus am Kreuzberg ins Gespräch kamen. Beim Fachsimpeln und den alten Geschichten zum Bier, kam ihnen eine Idee: Warum nicht gemeinsam ein Bier zum Luther-Jahr brauen? Allerdings keines in der mönchischen Tradition Luthers, sondern eines, wie es die Hausfrau und gelernte Apothekerin Katharina von Bora braute. Wie es sich für Brauer mit Leib und Seele gehört, vereinbarten sie, 2017 den wohl ersten fränkisch-thüringischen Gemeinschaftssud, auf neudeutsch “Collaboration Brew”, zu brauen.

"Collaboration Brew": Der Katharinentrunk ist angestochen
Die Brauer beim Austrebern (v.l.): Stefan Greiner, Norbert Winkelmann, Holger Greiner.

Als Basis sollte eine Rezeptur aus der Zeit vor 500 Jahren dienen, wie sie Luthers Frau während ihrer Ausbildung als Nonne in den Klöstern Brehna und Nimbschen lernte. Die einfachen Biere damals waren in der Regel obergärige Braunbiere aus verschiedenen Getreidesorten. Die Mälzmethoden ließen Malz mit vielen Karamell- und Röstnoten sowie leichten Raucharomen entstehen. Die Gärung erzeugte ein eher leicht alkoholisches Bier mit wenig Kohlensäure, das Dank des Wildhopfens neben dem Malzaroma eine kräutrig-harzige Note hatte.

Gemeinsam tüftelten die Greiners und die Winkelmanns in Zusammenarbeit mit Biersommelier Markus Raupach, bis sie aus ihren jeweiligen Rohstoffen ein passendes Rezept kreiert hatten. Zum Brautag Anfang April brachten Holger, Stefan und Beate thüringisches Wasser und ihren eigenen Hopfen mit – eine alte Sorte aus den 1930er Jahren, die sich an der Ankerla-Hauswand emporrankt. Die Malze hatte Norbert Winkelmann organisiert – und so war der Katharinentrunk geboren. Pfarrer Martin Kühn, der seine drei thüringischen Schäfchen beim Brauen begleitete, wird ein Fass des Bieres bei seiner diesjährigen Luther-Fahrt mit nach Thüringen nehmen und dort im Andenken an Katharina verkosten. Im Brauhaus am Kreuzberg kann der gute Trunk ab sofort verkostet werden.

Text & Fotos: Markus Raupach

Eine Welt voller Genuss

Abschlussveranstaltung der EU-Informationskampagne WeltGenussErbe Bayern: Schutzverbände ziehen positive Bilanz – ein Drittel der deutschen Verbraucher kennt bereits die EU-Herkunftszeichen g.g.A. und g.U.

München, 5. Mai 2017 – Sieben Jahre WeltGenussErbe Bayern – sieben Jahre im Zeichen des EU-Herkunftsschutzes g.g.A. und g.U.: Im Jahr 2010 gestartet, endet die EU-geförderte Informationskampagne nun im Juni 2017. Zum Abschluss des Projekts trafen sich am 4. Mai 2017 die Partner und Schutzverbände in Rottach-Egern, um im Althoff Seehotel Überfahrt gemeinsam mit den anwesenden Medienvertretern Resümee zu ziehen. Im Mittelpunkt standen die EU-Herkunftszeichen g.g.A. und g.U., die sich wachsender Bekanntheit erfreuen, sowie die traditionsreichen Produkte des WeltGenussErbe. Dass sich diese sehr wohl modern, frisch und innovativ interpretieren lassen, demonstrierte Drei-Sterne-Koch Christian Jürgens: Er verwöhnte die Gäste mit einem eigens kreierten Fünf-Gänge-Menü.

Zwei Zeichen setzen ein Zeichen: geschützte Köstlichkeiten auf dem Vormarsch

Die EU bietet bereits seit 1992 mit dem Herkunftsschutz „geschützte geografische Angabe“ und „geschützte Ursprungsbezeichnung“ Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft die Möglichkeit, Produkte, die in einer bestimmten Region nach traditionellen Verfahren und Rezepten angebaut beziehungsweise hergestellt werden, vor Nachahmung schützen zu lassen. Das stärkt nicht nur die Produzenten vor Ort, sondern schafft Vertrauen bei den Verbrauchern: Sie können sicher sein, dass sie ein Original mit Heimat, Tradition und Geschichte genießen.

Aus Bayern kommen deutschlandweit die meisten regionaltypischen Spezialitäten mit EU-Herkunftsschutz: Insgesamt 31 von 90 geschützten Köstlichkeiten stammen aus dem Freistaat, darunter die sechs Produkte aus dem WeltGenussErbe Bayern: Allgäuer Bergkäse und Allgäuer Emmentaler, Bayerisches Bier, Bayerisches Rindfleisch, Nürnberger Rostbratwürste sowie Abensberger und Schrobenhausener Spargel.

Die Anzahl der geschützten bayerischen Lebensmittel ist seit Kampagnenstart kontinuierlich gestiegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 waren es noch 19 Schmankerl, die das gelb-blaue bzw. gelb-rote Schutzzeichen tragen durften. Derzeit befinden sich drei weitere Spezialitäten aus Bayern im Antragsverfahren um den EU-Herkunftsschutz.

EU-Informationskampagne WeltGenussErbe Bayern
Die Genussbotschafter, Partner und Schutzverbände mit Christian Jürgens in der Genusswerkstatt des Althoff Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern.
(v.l.n.r.: Hans Epp (Milchwirtschaftlicher Verein Bayern e.V.), Gertraud Strobl (Spargelerzeugerverband Südbayern e.V.), Dr. Christian Kagerer (Landwirtschaftliche Qualitätssicherung Bayern GmbH), Peter Strobl (Spargelerzeugerverband Südbayern e.V.), Dr. Maria Linderer (Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft e. V.), Jürgen Lochbihler (BayernOx Vertriebs GmbH), Christian Jürgens (Chefkoch Restaurant Überfahrt), Rudolf Seipelt (Milchwirtschaftlicher Verein Bayern e.V.), Melanie Straub (Schutzverband Nürnberger Rostbratwürste), Dr. Lothar Ebbertz (Bayerischer Brauerbund e.V.), Claudia Gräber (alp Bayern/Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), Markus Raupach (Deutsche BierAkademie GmbH), Florian Hoeneß (Schutzverband Nürnberger Rostbratwürste e.V.))

Deutschlands Verbraucher wissen mehr: Bekanntheit der Schutzzeichen steigt an

Insgesamt ist die Bekanntheit der Schutzzeichen in Deutschland deutlich gestiegen: Kannten 2012 laut einer EU-Studie lediglich neun Prozent die „geschützte geografische Angabe“, waren es 2016 bereits 33,7 Prozent. Die Bekanntheit der g.U.-Zertifizierung stieg im selben Zeitraum von acht auf 30,8 Prozent. „Damit haben wir unser Ziel, die Verbraucher für die EU-Herkunftszeichen zu sensibilisieren, mehr als erreicht. Dies war nur möglich, weil alle Schutzverbände und Partner gemeinsam an einem Strang gezogen und dem WeltGenussErbe mit ihren Spezialitäten eine Identität gegeben haben“, so Dr. Maria Linderer, Geschäftsführerin der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft und Projektverantwortliche im WeltGenussErbe Bayern.

Unter den 26 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Abschlussveranstaltung herrschte große Einigkeit: Die EU-Herkunftszeichen g.g.A. und g.U. werden auch künftig an Bedeutung gewinnen: Gerade in Zeiten, in denen die Auswahl an Lebensmitteln immer größer und die Qualität der Produkte immer wichtiger wird, bieten das gelb-blaue bzw. gelb-rote Zeichen den Verbrauchern eine wichtige Orientierung im Handel.

Auch Bayerns Drei-Sterne-Koch Christian Jürgens schätzt die Qualität von g.g.A.- und g.U.-zertifizierten Produkten. Er betont: „Die Basis für eine gesunde und kulinarisch hochwertige Küche sind hervorragende Produkte. Daher finde ich es wichtig, dass Lebensmittel durch ein Gütesiegel gekennzeichnet sind, das über Herkunft und Qualität Auskunft gibt.“

Die Spezialitäten des WeltGenussErbe sowie andere geschützte Produkte finden die Verbraucher im gut sortierten Einzelhandel.

Text & Foto: Pressemitteilung WeltGenussErbe Bayern

Doppeltes Jubiläum bei Bierquerdenkern

Über 120 Brauer aus aller Welt trafen sich zur zehnten Auflage des innovativen Bier-Workshops und zum Romeis Brauertag

Bad Staffelstein/Bamberg/Bad Kissingen Gleich zwei Jubiläen beging das renommierte Institut Romeis am 22. und 23. März in Bad Staffelstein, genauer gesagt im Saal der dortigen Staffelberg-Bräu. Am Mittwoch stand die zehnte Auflage des Bierquerdenker-Workshops auf dem Programm.

Innovativer Bier-Workshop und Romeis Brauertag: Brauertag BegrüßungSeit 2007 treffen sich jährlich innovative Braumeister aus aller Welt, um über die neuesten Entwicklungen in der Branche und kommende Herausforderungen zu sprechen. Der Donnerstag hingegen widmete sich als der 20. Romeis Brauertag vor allem der Bierherstellungstechnologie, neuen Entwicklungen bei den Rohstoffen und in diesem Jahr speziell auch dem Thema Hygiene in der Brauerei.

Entwicklungsland beim Bierwissen

„Wenn man sich das Gesamtbildungsniveau der Bevölkerung im Schulfach Bier anschaut, ist Deutschland ein Entwicklungsland.“ So die provokante Formulierung von Klaus Artmann im ersten Vortrag des Bierquerdenker-Workshops. Der Berater hatte sich die Entwicklung im heimischen Biermarkt in den letzten 25 Jahren vorgenommen und aus der Sicht des Biertrinkers vor allem Verwirrung gefunden: „Früher war Bier eine klare Sache, heute gibt es unendlich viele Variationen, und auch das alte Wertegefüge stimmt nicht mehr.“ Konnte man sich früher beispielsweise bei „Premium“-Bier auf gehobene Qualität und Preis verlassen, sei es heutzutage oft der billigste Kasten im Getränkemarkt. Der Fachhandel selbst zeige in vielen Fällen weniger Bewusstsein im Umgang mit Bier als gut sortierte Tankstellen, die ihre Biere oft besser lagerten und präsentierten. Und selbst eine staatliche Brauerei wie das Münchner Hofbräuhaus bewerbe neuerdings ein Bier namens „Verführerisch gehopfter Hallodri“. Das waren nur einige Punkte, mit denen der Biersommelier aufzeigte, wie der heutige Biermarkt auf den unbedachten Bierfreund wirkt. Angeregte Diskussionen im Nachgang machten deutlich, dass Artmann einen Nerv der über 120 anwesenden Braumeister getroffen hatte.

Alte Gerste und neuer Hopfen

Innovativer Bier-Workshop und Romeis Brauertag: Vortrag Hans-Peter Drexel, Schneider BräuIm nächsten Vortrag ging es um die Wiedererweckung historischer Getreidesorten. Beispielsweise nahezu alle heute gebräuchlichen Gerstensorten gehen auf denselben Zuchtstamm zurück, so Ulrich Schulze von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und Wilhelm Schoppmeier von „Getränke Projekte“ aus Oelde. In mühsamer Kleinarbeit konnten mittlerweile einige früher übliche Gerstenstämme neu kultiviert und vermälzt werden. Gemeinsam mit Marcus Jentsch vom Institut Romeis waren in den letzten Monaten daraus Versuchssude mit alten Gersten wie beispielsweise „Chevallier“ entstanden, die die Seminarteilnehmer verkosten konnten. Der nächste Vortrag öffnete einen Blick in die Zukunft eines anderen Rohstoffes: Zwei neue Hopfensorten, die noch gar keinen eigenen Namen tragen, hatten die Spezialisten der Hopfenforschungszentrums in die Versuchsbrauerei des Bad Kissinger Romeis-Institutes gebracht. Mit diesen Hopfen waren zwei verschiedene Pils-Biere entstanden, die ebenfalls in den Verkostungsgläsern in Bad Staffelstein landeten. Sowohl historische Getreide- wie auch neue Hopfensorten begeisterten mit einer spannenden Aromatik und weiteren Eigenschaften – was neue Möglichkeiten für die Brauer eröffnet, so waren sich alle Anwesenden einig.

Wiedersehen nach zehn Jahren

Innovativer Bier-Workshop und Romeis Brauertag: Karl-Ludwig Rieck, Weyermann - Dominik Maldoner, Kundmüller - Tobias Seidl, KaiserdomDen Abschluss des Bierquerdenker-Workshops bildete ein Revival des ersten Treffens der europäischen Kreativbrauer vor zehn Jahren, damals in der Bamberger Keesmann-Brauerei. Die Brauer, die damals ihre neuen Biere präsentierten, blickten auf deren Entwicklung im letzten Jahrzehnt zurück und stellten ihre jeweils neuesten Biere vor. Darunter waren auch Hans-Peter Drexler von Schneider Weisse aus Kelheim und Eric Toft von der Schönramer Brauerei. Schneider hatte vor zehn Jahren mit der Hopfen-Weissen eines der ersten modernen Craft-Biere Deutschlands vorgestellt. Das Bier – ein Weizendoppelbock mit intensiver Kalthopfung – war damals ausschließlich für den US-Markt gedacht gewesen und entwickelte sich dort auch zum Verkaufsschlager. Doch in den folgenden fünf Jahren ging der Absatz in den USA kontinuierlich zurück, während die Zahlen in Deutschland seit der Markteinführung stetig ansteigen. Braumeister Drexler hatte zum Verkosten die vierte Auflage des „Cuvée Barrique“ mitgebracht. Mit der ersten Auflage dieses Sauerbieres nach belgischer Tradition vor vier Jahren hatte das Weisse Brauhaus noch seine liebe Not – zahlreiche Kunden reklamierten die beabsichtigte Säure im Bier als Zeichen eines verdorbenen Gerstensaftes. Daraus haben die Kelheimer ihre Lehren gezogen und verkaufen dieses sehr spezielle Bier nur noch auf Nachfrage. Im Auslandsmarkt hingegen erfreut es sich großer Beliebtheit.

Altes und neues Craft Bier

Innovativer Bier-Workshop und Romeis Brauertag: Eric Toft-Schönram öffnet GötterdämmerungDie Landbrauerei Schönram an der deutsch-österreichischen Grenze gehört ebenfalls zu den Protagonisten der deutschen Craft-Szene. Der US-Amerikaner Eric Toft war Ende der 1990er Jahre nach Deutschkurs und Studium als Braumeister in dem kleinen Ort am Waginger See gelandet und hatte nach und nach Biere, wie er sie aus seiner Heimat Wyoming kannte, eingeführt. Sein Saphir-Bock, den er vor zehn Jahren in Bamberg, damals noch mit deutlichem US-Zungenschlag, vorführte, ist auch heute noch ein „Renner“ in der Bierwelt. Doch heute bezeichnet er in sicherem Oberbayerisch sein „Schönramer Hell“ als das Vorzeige-Craft-Bier der Schönramer-Palette. Damit zeige sich, so Toft, dass die klassischen Bierstile längst in der Craft-Bier-Welt angekommen seien und von vielen Biertrinkern, gerade auch in den USA, teils höher eingeschätzt würden als Bierstil-Ikonen wie das „India Pale Ale“, mit dem die „Szene“ einst groß geworden sei. Schließlich sei es für einen Brauer sehr viel schwieriger, ein gutes „Hell“ zu brauen, als ein Ale mit Hopfen zu stopfen.

Keine Entwarnung bei den Rohstoffen

Am folgenden Tag stellten drei Brauanlagenhersteller ihre Neuentwicklungen zur Kalthopfung des Bieres vor. Mit der Gabe von Hopfen beim Gären oder Lagern lassen sich insbesondere die ätherischen Öle aus der Bierwürzpflanze wesentlich besser und effektiver ins Bier übertragen. Eine Verkostung verschiedener Chargen aus der Romeis-Versuchsbrauerei konnte das eindrucksvoll verdeutlichen. Stefan Stang, Mitglied der Geschäftsleitung des Bad Kissinger Institutes verschaffte zudem den Brauern einen Überblick zur aktuellen Rohstoffsituation. Spannendes Fazit: Weder bei der Gerste, noch beim Hopfen kann sich die Branche in den nächsten Jahren Ernteausfälle leisten. Trotz Flächenausweitung wird der Bedarf der wachsenden Bierszene gerade einmal gedeckt werden können, ohne viel Luft nach oben – eine wichtige Motivation für die Brauereien, rechtzeitig Lieferverträge abzuschließen und die Rohstoff-Versorgung auf mehrere Lieferanten zu verteilen. Nach weiteren intensiven Vorträgen rund um Hygiene und Qualitätssicherung in der Brauerei klang auch der zweite Tag bei weiteren Verkostungen und regem Erfahrungsaustausch aus. Sowohl Bierquerdenker-Workshop, als auch Brauertag sind echte Erfolgsmodelle und für viele „Stammgäste“ aus der Bierwirtschaft gar nicht mehr wegzudenken, so waren sich am Ende alle einig.

Text & Bilder: Markus Raupach

Deutschland muss nicht traurig sein

Ein Gespräch mit dem Hauptverantwortlichen des belgischen Bierkulturerbeantrags

Norbert Heukemes ist Generalsekretär des Ministeriums der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien. Die etwa 75.000 Mitglieder zählende Minderheit spielt in dem Königreich sowohl in Sachen Bevölkerung, als auch beim Bier keine große Rolle. Doch für die erfolgreiche Bewerbung für die Belgische Bierkultur als immaterielles Kulturerbe der Menschheit waren Heukemes und seine Landsleute entscheidend. Wir haben den 60-Jährigen auf einer Bier-Exkursion in Franken getroffen und nach den Hintergründen gefragt.

Kulturerbe Bier in Belgien
Ein belgischer Brauer bei der Arbeit.

Herr Heukemes, warum waren gerade Sie entscheidend bei der Bewerbung der Belgier um das BierKulturerbe?

Die Idee, die belgische Bierkultur als immaterielles Kulturerbe vorzuschlagen, stammt vom belgischen Brauerbund (Brasseurs Belges). Auf seine Initiative hin haben die Flämische Gemeinschaft, die Französische Gemeinschaft und die Deutschsprachige Gemeinschaft – das sind in Belgien die für Kultur zuständigen Bundesländer – die Bierkultur in ihre nationalen Listen des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Dann haben wir gemeinsam überlegt, wie wir einen internationalen Antrag erfolgreich gestalten. Wir, die Deutschsprachige Gemeinschaft, hatten bis dato noch nie einen Antrag bei der UNESCO eingereicht. Deshalb hat man uns gebeten, die Initiative zu ergreifen.

Das heißt, Sie haben nur Ihren Namen hergegeben?

Nein, natürlich nicht. Wir haben uns fachlich in das Thema eingearbeitet, den Antrag gemeinsam mit den Experten der anderen Gemeinschaften ausformuliert, das Film- und Fotomaterial besorgt und die Einbindung der gesamten Kulturerbegemeinschaft in die Ausarbeitung des Antrags organisiert, unter anderem durch eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen. Zuletzt war ich dann auch bei der Verkündung 2016 in Addis Abeba persönlich vor Ort.

Sie haben sich also zuvor auch selbst mit dem Bier beschäftigt?

Ich muss zugeben, dass ich bis 2006 noch nicht wirklich viel mit der belgischen Biervielfalt anfangen konnte. Doch dann erhielt ich privat eine Anfrage aus Deutschland, ob ich nicht eine kleine Gruppe Interessierter in die Geheimnisse der belgischen Bierkultur einweihen könnte. Also habe ich eine Exkursion organisiert und mich dabei selbst mit dem Bier-Virus angesteckt. Seitdem macht unsere gemischte deutsch-belgische Freundesgruppe jedes Jahr eine Reise zum Thema Bier, so wie heuer (2017) nach Franken. Im vergangenen Jahr konnte ich sogar in meinem Heimatort meine eigene kleine Privatbrauerei mit einem 200-Liter-Sudhaus eröffnen.

Welche Biere brauen Sie da?

Ich braue typisch belgische Biere. Begonnen habe ich 2007 mit verschiedenen Testsuden zu Hause im Kochtopf. Danach mietete ich mich bei einem befreundeten Brauer ein, um meine Biere herzustellen. Mein Hauptbier ist ein obergäriges ‚Blonde‘, das allgemein sehr beliebt ist.

Haben Sie die Diskussionen in Deutschland rund um den Kulturerbestatus des belgischen und deutschen Bieres mitbekommen?

Ausschließlich über meine deutschen Freunde. In Belgien selbst ist das kein Thema. Überhaupt kann ich die Aufregung nicht nachvollziehen. Es geht ja nicht darum, welches Bier oder welche Bierkultur am besten ist. Das ist kein Wettbewerb. Deutschland muss nicht traurig sein. Es hat sehr viele Trümpfe in der Hand, um auch seine Bierkultur in die Liste des immateriellen Kulturerbes eintragen zu lassen.

Und trotzdem fühlen sich manche deutsche Bierfans ungerecht behandelt…

Das entbehrt jeder Grundlage. Es gab noch gar keine deutsche Bewerbung auf nationaler Ebene zur Eintragung auf die Welterbe-Liste. Das bedeutet, dass die UNESCO sich bisher überhaupt nicht mit dem Thema beschäftigen konnte. Da muss halt ein Antrag eingereicht werden. Es gibt so viele Ansatzpunkte in Deutschland, an denen man eine Bewerbung mit hohen Erfolgsaussichten aufhängen könnte: die Zoiglwirtschaften, die Kommunbrauhäuser, die Biervielfalt in Franken, die Bierfestkultur, die Biergärten und Bierkeller usw. Wir in Belgien drücken die Daumen!

Kulturerbe Bier in Belgien
Norbert Heukemes bei der Verkündung der UNESCO in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.

Wie haben Sie persönlich die Verkündung erlebt, und warum war das ausgerechnet in Äthiopien?

Der zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO tagte im Ende November 2016 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und entschied darüber, welche Kulturformen neu in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Als Antragssteller und auch persönlich war es mir sehr wichtig, da dabei zu sein. Der Moment der eigentlichen Entscheidung und die Glückwünsche der anderen Delegationen aus aller Welt waren für mich denn auch sehr beeindruckend. Ich habe dann sofort meine Ministerin verständigt, und sie hat dann die Öffentlichkeit informiert. Zur offiziellen Pressekonferenz war ich dann leider nicht rechtzeitig aus Äthiopien zurück. Übrigens wurde bei der Sitzung auch der Erfolg der deutschen Anträge für die Falknerei und für Idee und Praxis der Genossenschaften bekanntgegeben.

Ihre Region ist erst nach dem Ersten Weltkrieg zu Belgien gekommen, also vor ziemlich genau 100 Jahren. Fühlen sich die deutschsprachigen Belgier manchmal noch wie Deutsche?

Wir fühlen uns als Belgier deutscher Sprache. Wir haben das mal über ein Bild aus dem Fußball definiert: Wir haben die Bundesliga im Blick, aber tragen die Roten Teufel (das belgische Nationalteam) im Herzen. Ab und zu können wir eine wichtige Rolle für beide Länder spielen. Immer, wenn es darum geht, entweder den Deutschen ein belgisches Thema nahezubringen, oder den Belgiern ein deutsches, sind wir als Vermittler geschätzt. In Berlin haben wir – genau wie in Brüssel – eine eigene Landesvertretung.

Wie gehen Sie jetzt in Belgien mit dem Kulturerbe Bier um? Hat sich seit der Verkündung etwas verändert?

Die Prozesse sind alle noch im Gang. Einige haben gedacht, wir schreiben jetzt einfach auf jedes BierEtikett ‚Weltkulturerbe‘ oder so ähnlich.. Das geht natürlich nicht. Wir klären gerade mit allen Akteuren, wer was in welcher Form sagen darf bzw. sagen soll. Neu ist allerdings schon eine Institution, das ‚Observatorium der Bierkultur‘, wo alle Beteiligten zusammenkommen und sich zum Kulturerbe austauschen können. Da gibt es viele spannende Projekte, auf die wir uns sehr freuen.

Vielen Dank!

Text: Markus Raupach
Fotos: Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien